Die Verschwörung: Aufstieg und Fall der Medici im Florenz der Renaissance [3 ed.] 3806229422, 9783806229424

Die Medici gehören zu den großen Familien in der europäischen Geschichte. Sie waren Bankiers, Feldherren, Päpste, Herzög

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German Pages 288 [275] Year 2015

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Table of contents :
Front Cover
Titel
Impressum
Inhalt
Danksagung
Dramatis Personae
Prolog
Verschwörung
Aufsteiger
Porträt: Manetti
Die Familie Pazzi
Porträt: Soderini
Auftritt Lorenzo
Blutiger April
Todesstrafe und „Kannibalismus"
Ein hoher Offizier gesteht
Todfeinde: Papst und Bürger
Die Ächtung der Pazzi
Porträt: Rinuccini
Lorenzo: Landesherr und Bürger
Epilog
Anmerkungen
Bibliografie
Stammtafeln
Abbildungsnachweis
Register
Back Cover
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Die Verschwörung: Aufstieg und Fall der Medici im Florenz der Renaissance [3 ed.]
 3806229422, 9783806229424

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L A U R O M A RT I N E S

Die Verschwörung Aufstieg und Fall der Medici im Florenz der Renaissance Aus dem Englischen von Eva Dempewolf

Die englische Originalausgabe erschien 2003 bei Oxford University Press, New York, unter dem Titel „April Blood. Florence and the Plot Against the Medici“. This translation of „April Blood“, originally published in English in 2003, is published by arrangement with Oxford University Press, Inc. © 2003 by Lauro Martines Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Der Konrad Theiss Verlag ist ein Imprint der WBG. © der deutschen Ausgabe 2015 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt 3., bibliogr. überarbeitete Auflage 2015, die 1. Auflage erschien 2004 im Primus Verlag. Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Einbandgestaltung: Christian Hahn, Frankfurt a. M. Einbandabbildung: Galeazzo Maria Sforza zu Gast bei Lorenzo de’ Medici, Gemälde von Amos Cassioli (1832–1891); © bpk/Scala Producing: bookwise Medienproduktion GmbH, München Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-2942-4 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8062-3021-5 eBook (epub): 978-3-8062-3022-2

Gewidmet einem reizenden Laien, Freunden in London und – warum denn nicht – meinen Feinden, weil sie über ebenso viel Kraft und Willensstärke verfügen wie ich

VIA L ARGA (MAR TELL I)

Palazzo Medici

Lage des Kartenausschnitts im Florenz des 15. Jahrhunderts

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Santa Maria del Fiore

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im späten 15. Jahrhundert

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Inhalt Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dramatis Personae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Verschwörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Aufsteiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

Porträt: Manetti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die Familie Pazzi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

Porträt: Soderini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Auftritt Lorenzo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Blutiger April . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Todesstrafe und „Kannibalismus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Ein hoher Offizier gesteht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Todfeinde: Papst und Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Die Ächtung der Pazzi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Porträt: Rinuccini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Lorenzo: Landesherr und Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Bibliografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Stammtafeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

Danksa g u n g Mit dem Gedanken, ein Buch über die „Pazzi-Verschwörung“ zu veröffentlichen, trage ich mich seit rund fünfundzwanzig Jahren. Allerdings hatte ich immer Bedenken, das Projekt konkret in Angriff zu nehmen, weil es einen Beigeschmack von Effekthascherei zu haben schien. Warum wohl hatte noch kein „richtiger“ Historiker ein Buch über das berühmte Mordkomplott geschrieben? So ruhte das Thema bis vor drei Jahren, als meine liebe Freundin und Agentin Kay McCauley mich drängte, mir die Sache doch noch einmal zu überlegen. Jetzt schien das Klima für die blutige Geschichte bereit. Die historische Einschätzung hatte sich verändert. Der politische Terror sprach für sich selbst. So fügte sich eins zum anderen. Aber eines steht fest: Das vorliegende Buch, Die Verschwörung, verdankt seine Existenz Kay McCauley, und ich kann ihr nicht genug dafür danken. Ein Gutteil des wissenschaftlichen Gerüsts dieses Buches stammt aus hervorragenden Quellen, die in den Anmerkungen im Anschluss an den Text gewürdigt werden. Außerdem ist es das Ergebnis vieler Stunden Arbeit in den Staatsarchiven von Florenz sowie jahrelanger Überlegungen und Betrachtungen. Vielleicht sollte ich noch hinzufügen, dass die Übersetzungen von mir stammen. Natürlich stehe ich in der Schuld weiterer Personen. Am Sonntag des Mordanschlags suchte Lorenzo il Magnifico mit einigen seiner Getreuen Zuflucht in der nördlichen Sakristei des Doms von Florenz, deren massive Bronzetüren ihn vor weiteren Angriffen der Attentäter schützten. An dieser Stelle möchte ich deshalb einer lieben Freundin in Florenz danken, Margaret (Peggy) Haines, der führenden Kapazität für diese Sakristei. Im April 2001 verbrachte sie dort mit mir einen halben Nachmittag und wies mich auf die bemerkenswert reichen Kunstschätze hin. Außerdem konnte ich die steinernen Stufen zur Orgelempore hinaufsteigen und in den Kirchenraum hinabschauen, wie es mehr als fünf Jahrhunderte vor mir Sigismondo della Stufa getan hatte, als dort unten der blutüberströmte Leichnam von Lorenzos jüngerem Bruder Giuliano lag. Last but not least gilt mein Dank zwei meiner Lektoren: in London Will Sulkin von Jonathan Cape (Random House UK) und in New York Peter Ginna von Oxford University Press.

Lauro Martines London

Dramatis P er s o n a e Die Medici Lorenzo der Prächtige: ungekrönter König von Florenz, 1449–92 Giuliano: Lorenzos Bruder, im April 1478 ermordet Cosimo: Lorenzos Großvater, erster Mann im Staate Florenz, 1389–1464 Piero („der Gichtige“): Lorenzos Vater, inoffizielles Staatsoberhaupt, 1416–69

Die Pazzi Messer Jacopo: Bankier, Kaufmann, Hauptverschwörer Francesco: Bankier, Kaufmann, Hauptverschwörer, Messer Jacopos Neffe Guglielmo: Francescos Bruder, gleichzeitig Lorenzo de’ Medicis Schwager Renato: Francescos und Guglielmos Vetter ersten Grades

Weitere Protagonisten Francesco Salviati: Erzbischof von Pisa, Hauptverschwörer Graf Girolamo Riario: Herr von Imola und Forlì, Neffe Sixtus’ IV., Verschwörer Montesecco, Graf von: Hauptmann im Dienste des Papstes und des Grafen Girolamo, Verschwörer Papst Sixtus IV. (1414–84): verdeckter Förderer des Komplotts Kardinal von San Giorgio (Raffaele Sansoni Riario): Student, Neffe Sixtus’ IV. König Ferrante von Neapel (1431–94): verdeckter Förderer des Komplotts Herzog Federigo von Urbino (gest. 1482): verdeckter Förderer des Komplotts Bernardo Bandini Baroncelli: florentinischer Bankier, vermutlich Klient der Pazzi, Verschwörer Jacopo Bracciolini: Gelehrter, Privatlehrer des Kardinals von San Giorgio, Verschwörer Poliziano: Gelehrter, Dichter, Protegé Lorenzos, Verfasser eines Büchleins („Kommentars“) über die Verschwörung

Prolo g An einem Sonntag im April 1478 unternahmen Verschwörer im Dom zu Florenz den Versuch, die beiden Oberhäupter der Familie Medici zu ermorden: Lorenzo il Magnifico, „den Prächtigen“, das inoffizielle Staatsoberhaupt, und seinen jüngeren Bruder Giuliano. Das als Pazzi-Verschwörung bekannt gewordene Komplott schlug jedoch fehl, und als Vergeltung folgte ein Blutbad. Es ist die Geschichte von Menschen, die von dämonischen Kräften getrieben wurden: eines stolzen, brillanten jungen Politikers und Dichters, des „prächtigen“ Lorenzo de’ Medici, und eines Papstes, der keine Skrupel hatte, seinen leiblichen Neffen Kirchenschätze und einflussreiche Ämter zuzuschanzen. Eines Erzbischofs, der bereit war, für seine Karriere über Leichen zu gehen, und eines ebenso ruchlosen wie gerissenen Königs von Neapel. Es ist die Geschichte bezahlter Berufssoldaten und einer ungeheuer vermögenden florentinischen Familie, der Pazzi. Zugleich markiert das Attentat einen Wendepunkt in der Geschichte der Stadt Florenz: mit einer vitalen, ins 13. Jahrhundert zurückreichenden Demokratie vor 1478 und, nach 1478, eines beginnenden Prinzipats, um nicht zu sagen einer Tyrannis. Der Vorfall selbst, samt Blutvergießen und den unmittelbaren Folgen, war eine verzweifelte und vielschichtige Angelegenheit – grausam, verübt im Rahmen einer feierlichen Messe, folgenschwer und mit einer durchaus tragischen Note. Bedürfte es noch einer Begründung für ein Buch über diese Verschwörung, wäre zudem die Tatsache zu nennen, dass die auslösenden Ereignisse im Dom binnen nur zwei Tagen von den Interessen der fünf italienischen Großstaaten (Karte Seite 8) eingeholt wurden, da die Medici enge politische Beziehungen zum Herzogtum Mailand und der dort regierenden Familie Sforza pflegten und Lorenzo die Sforza als Beschützer und Gönner ansah. Zudem unterhielt Florenz eine Allianz mit der Republik Venedig, die die Venezianer dazu verpflichtete, der florentinischen Republik im Falle einer Notlage militärischen Beistand zu leisten. Überraschenderweise zeigte sich alsbald, dass auch die beiden Großmächte südlich von Florenz, der Kirchenstaat und das Königreich Neapel, tief in das Mordkomplott verstrickt waren. Papst Sixtus IV. und König Ferrante verfolgten eigene politische Absichten in Mittelitalien: Wenn verhindert werden konnte, dass in der im Niedergang begriffenen Republik Florenz die keimende Fürstenherrschaft der Medici erstarkte, würden ebendiese Ziele in greifbare Nähe rücken. Vor diesem Hintergrund hatten sich die beiden Fürsten der Hilfe zweier Nachbarn von Florenz versichert, der winzigen

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Prolog

Republik Siena und des Herzogs von Urbino, eines bedeutenden, ja genialen Söldnerführers. Die fast zwangsläufige Konsequenz der Pazzi-Verschwörung war der so genannte Pazzi-Krieg, der sich mit bewaffneten Auseinandersetzungen, aufwiegelnden Worten und raffinierten Ränkespielen nahezu zwei Jahre hinzog. Nun war der italienischen Renaissance politische Gewalt keineswegs fremd, und tatkräftig zum Ausdruck gebrachte Wut gegen die Machthabenden kann auch ein Hinweis auf die Vitalität oder die geistige Regsamkeit eines Volkes sein. Die Gestalt des heutigen Italien bildete sich im späten Mittelalter heraus (ca. 1050–1350), und zwar in einer lockeren Folge von Aufständen und Kriegen gegen deutsche Könige und Kaiser, gegen Päpste, Feudalherren und fremde Invasoren. Ende des 14. Jahrhunderts hatte der italienische Stiefel seine klassische Anordnung unabhängiger Staaten erhalten: Venedig, Mailand, Florenz, der Kirchenstaat und das Königreich Neapel, jeweils mit eigenen abhängigen Regionen und Städten. Unbedeutende oder kleinere Staaten wie Ferrara oder die Zwergrepubliken Lucca und Siena lebten in ständiger Furcht vor ihren größeren Nachbarn, während die bedeutende Hafenstadt Genua unter der Verwaltung Mailands stand. Es waren Umstände, die die Kunst der Diplomatie förderten und die Institution eines ständigen Botschafters nahe legten, wie er bald zu einem festen Bestandteil der zwischenstaatlichen Beziehungen werden sollte. Trotzdem dauerte der Kampf um Ländereien, Truppen und Führerschaft an. Der Ruf zu den Waffen war an der Tagesordnung. Rücksichtslosigkeit, Verhandlungsgeschick und starke Nerven waren ebenso überlebenswichtig wie Diskretion und Vernunft, und Eheschließungen wurden zu einem gängigen Instrument der Politik. All dies trug in unterschiedlichem Maße zu den hier behandelten Ereignissen bei: der April-Verschwörung, dem darauf folgenden Pazzi-Krieg und Lorenzo de’ Medicis zunehmendem Despotismus in den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts. Hinsichtlich öffentlicher Einnahmen und der Stärke zur Verfügung stehender Söldnertruppen war Florenz der schwächste der großen Staaten der italienischen Halbinsel – trotz der vielen Bankiers der Stadt und trotz ihrer herausragenden Position als Finanzzentrum. Ein Krieg musste die Florentiner und ihre „bürgerliche“ Republik folglich besonders hart treffen. Was Elan und kulturelles Potenzial anbelangt, war die Stadt, wie hinlänglich bekannt, freilich alles andere als unterbelichtet. Zu nennen wäre in diesem Zusammenhang Machiavelli (geb. 1469), der in einem politischen Umfeld aufwuchs, dessen Spannungen Florenz in den Jahren 1494/95 zu einer radikalen Erneuerung seiner republikanischen Freiheiten führen sollten. Er war Zeuge der heftigen Auseinandersetzungen und schwer wiegenden Differenzen jenes unruhigen Jahrzehnts – Reaktionen auf die Vorherrschaft der Medici –, die auch der Sprache seiner politischen Schriften ihren Stempel aufdrückten. Gleichzeitig – und von alldem scheinbar unberührt – schufen Verrocchio, die Brüder Pollaiuolo und andere florentinische Künstler herrliche Werke für private Auftraggeber und Gotteshäuser. Zwei oder drei Jahre nach der April-Verschwörung malte Botticelli seine Primavera, ein faszinierendes Bild, das eine ganze Reihe von Anspielungen für eine kleine Elite von

Prolog

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Abb. 1 Ausschnitt aus Domenico Ghirlandaios Die Bestätigung der Regel des hl. Franziskus. Auf der Treppe ist Poliziano zu sehen, der zu dem schwarzhaarigen Lorenzo emporblickt.

Connaisseurs enthält. Viele sakrale Gemälde dieser Epoche, Werke von Ghirlandaio und Botticelli beispielsweise, die Porträts von Zeitgenossen enthalten, dürften Auftragsarbeiten für Kunstmäzene gewesen sein. Ihre Darstellung innerer Ruhe und Vollkommenheit stand freilich in krassem Gegensatz zu den gewaltigen politischen Spannungen und dem fortwährenden Gerangel um Stellung und Gefälligkeiten. Unter den Dichtungen der Ära, auch Lorenzo de’ Medicis eigenen, findet man ebenfalls immer wieder Hymnen auf das Landleben, gerichtet gegen den Ehrgeiz, die Habgier und die Unmoral der Stadt.

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Prolog

Obwohl all diese Elemente in unsere Geschichte einfließen, kann ich auf keines davon ausführlicher eingehen. Von großer Relevanz ist allerdings, in welch hohem Maße Politik das gesamte Leben in Florenz durchdrang und nicht zuletzt die Kultur beeinflusste. So bestand eine ständige Wechselbeziehung mit dem wiedererwachten Interesse am klassischen Altertum (Stichwort „Renaissance“) und dem Studium antiker Werke (Stichwort „Humanismus“). Schriftsteller und Gelehrte, die einen Lehrstuhl an der Universität von Florenz beziehungsweise Pisa anstrebten, mussten politische Gönner hofieren und diese dazu bewegen, sich aktiv für ihre Interessen einzusetzen. Selbst die Berufung in Positionen, die hoch gebildeten Intellektuellen vorbehalten waren, erforderte die Intervention von Politikern. Humanisten, die Schriften aus dem Griechischen ins Lateinische oder vom Lateinischen in die Alltagssprache übertrugen, taten dies sehr häufig im Auftrag vermögender und einflussreicher Bürger. Sie widmeten nicht angeforderte Übersetzungen und eigene Arbeiten führenden Köpfen in der Regierung und sahen sich gleichzeitig stets nach Werken aus dem Altertum um, die bei wohlhabenden Kaufleuten, Bankherren, Politikern und anderen hoch gestellten Persönlichkeiten Gefallen finden würden. Und sie waren bestrebt, Teile des antiken Kulturguts auch dem Volk zugänglich zu machen und ausgewählten Stimmen des klassischen Altertums – Quintilian, Livius, Plato, Plutarch, Plinius und andere – zu weiter Verbreitung zu verhelfen. Nach Cosimo de’ Medicis Rückkehr aus dem politischen Exil im Herbst des Jahres 1434 sollte, was ihnen gewidmete Übersetzungen und poetische Lobeshymnen anging, keine florentinische Familie jemals wieder an die Medici heranreichen. Werbend und schmeichelnd suchten Künstler ihre Gunst. Einmal an der Macht, lernte das Haus Huldigungen zu erwarten und schließlich zu fordern. Wer sich in einem solchen Umfeld als Literat verdingte, wie es Poliziano (Abb. 1), der Verfasser von Della congiura dei Pazzi, tat, war gleichermaßen zu Kreativität und Loyalität gezwungen. Und auch Schriftsteller und Gelehrte, die nicht direkt mit Politik zu tun hatten, standen doch praktisch ständig unter ihrem Einfluss. In der Masse neuerer historischer Arbeiten über die florentinische Renaissance wird Politik oft heruntergespielt oder gar völlig ausgeklammert – so, als hafte ihr etwas Widerwärtiges und Schändliches an oder als wäre sie so grau und trübe, dass man möglichst wenig oder noch besser gar keine Worte darüber verliert. Niedrig und schmutzig mag sie in der Tat gewesen sein, doch niemals grau, und wenn wir sie einfach ignorieren, laufen wir Gefahr, wesentliche Kontexte aus den Augen zu verlieren, die zum Verständnis der Geschichte unentbehrlich sind. Klein und kompakt, dicht besiedelt, stets bedroht und deshalb von hohen Stadtmauern (Venedig von Wasser) umgeben, war jede einzelne dieser Städte Schauplatz politischer Aktivitäten. Das Leben jedes Bürgers wurde, und zwar tagtäglich, von Entscheidungen berührt, die in einem Regierungspalast gefällt wurden, der von den Wohnhäusern meist nicht weiter als einen Steinwurf entfernt lag. Zeichen der örtlichen Autorität waren allgegenwärtig – Trompete blasende Herolde, uniformierte Wachleute, Aufrufe und Bekanntmachungen, Glockenschlä-

Prolog

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ge, prunkvolle Empfangs- und Verabschiedungskomitees, dazu die livrierten Boten und die prächtig gewandeten Amtsinhaber selbst. Erhoben wurden nicht nur die gängige Vermögenssteuer sowie „Zwangsanleihen“, die zu Lasten der Bürger gingen, sondern auch Abgaben bei Vertragsabschlüssen und auf Nahrungsmittel. Kostspieligere Kleidungsstücke unterstanden einer gesetzlichen Regelung. Nachts herrschte allgemeine Ausgangssperre. Folter war üblich. Die Vollstreckung einer Todesstrafe wurde mit voller Absicht als öffentliches Schauspiel inszeniert. Und Regierungsagenten sorgten dafür, dass kaum etwas vor den Augen oder Ohren der Nachbarn verborgen blieb. Dazu die Lehren des spätmittelalterlichen Christentums – kurz: Das städtische Umfeld hatte maßgeblichen Einfluss auf die gesellschaftliche wie die individuelle Prägung und ganz sicher auch auf die Ausbildung von bildender Kunst und Gedankengut. Da Sixtus IV. in den Hauptkapiteln eine tragende Rolle spielt, sollte der Leser wissen, dass der Papst damals nicht nur das Oberhaupt der abendländischen Christenheit und in theologischer Hinsicht Statthalter Christi auf Erden war, sondern auch oberster Herrscher eines weltlichen Staates, der sich quer über den italienischen Stiefel von Rom bis zur Adria erstreckte. In dieser Hinsicht unterschied er sich kaum von anderen Regenten Italiens und verfügte neben einem Stab von Regierungsbeamten, Richtern, Polizisten und Finanzbeamten auch über bewaffnete Truppen und ein diplomatisches Korps. Zu der Bedeutsamkeit von Kardinälen, die in dieser Geschichte gleichfalls ihren Platz haben, genügt der Hinweis, dass sie gewöhnlich hohen bürgerlichen beziehungsweise Adels- oder Fürstenhäusern entstammten. Sie wählten den Papst und wurden ihrerseits vom Papst ernannt. War ein Kardinal nicht von Haus aus reich, oblag es dem Papst, dafür zu sorgen, dass er ein Einkommen erhielt, das ihm einen standesgemäßen Lebensstil ermöglichte – ein Gefolge von Dienstboten und ein weit reichendes Netz von Beziehungen. Jede Region, jede Stadt bemühte sich um das Wohlwollen eines oder mehrerer Kardinäle, um Einfluss in Rom zu gewinnen. Schließlich ging es um wichtige Vergünstigungen: von dem Recht, Priester und Klöster zu besteuern, bis hin zur Beeinflussung römischer Gerichtshöfe. Kardinäle waren die Magnaten der Kirche. Wenn ich in diesem Buch von Prioren spreche, so bezieht sich dies immer auf den regierenden Magistrat von Florenz, die Signoria. Dieses Regierungsgremium bestand aus acht Prioren und einem Gonfaloniere di giustizia, dem offiziellen Staatsoberhaupt. Allerdings blieb jede Signoria immer nur zwei Monate im Amt, und die Stadt hatte folglich sechs Regierungswechsel im Jahr. Trotzdem erwies sich das System in der Regel als bemerkenswert stabil, was zum einen darauf beruhte, dass die erfahrensten Mitglieder der politischen Schicht fast täglich zusammentraten, und zum anderen mit der aktiven Beteiligung der Bürger zu tun hatte, die die Hoffnung, wenn nicht gar die Erwartung hegten, selbst vom häufigen turnusmäßigen Wechsel der höchsten Ämter zu profitieren. Die weit reichenderen, langfristigen Folgen der Pazzi-Verschwörung bedürfen einer genaueren Erörterung, die ich für die letzten Seiten aufgespart habe.

Verschw ö r u n g Die Rache „Rache“, heißt es in einem französischen Sprichwort, „ist umso süßer, je länger man sie reifen lässt.“ Lorenzo de’ Medici kostete seine Rache bis zur Neige im April 1488 aus – fast auf den Tag genau zehn Jahre nach dem Aufsehen erregenden Attentat auf ihn und seinen Bruder während einer Messe im Dom zu Florenz. In dem Städtchen Forlì, rund achtzig Kilometer nordöstlich von Florenz, wurde einer der Hauptverschwörer, der letzte, der noch am Leben war, im Regierungspalast niedergestochen und sein nackter Leichnam auf den Markt geworfen, wo eine wütende Menge ihn noch weiter schändete. Das Opfer war Graf Girolamo Riario, Herr von Imola und Forlì, ein Neffe des einige Jahre zuvor verstorbenen Papstes Sixtus IV. Die Mörder wandten sich wenige Tage später mit einem Brief an Lorenzo, in dem sie sich selbst dafür auf die Schulter klopften, in seinem Sinne Rache geübt zu haben. Doch war Lorenzo nicht der Drahtzieher der Tat, obwohl er viel Mühe darauf verwandt hatte, über ein Netz von Mittelsleuten jeden Schritt zu verfolgen, den der Graf in den letzten zehn Jahren getan hatte. Er hatte es sich etwas kosten lassen, in den Ländereien des Grafen Unruhe zu stiften. Er hatte bei drei früheren Anschlägen auf das Leben des Grafen die Hände im Spiel gehabt. Und er hatte stets sein Möglichstes getan, die ehrgeizigen Pläne des Grafen mittels intriganter Diplomatie zu durchkreuzen. Als er nun die Nachricht aus Forlì erhielt, dürfte er sich gefreut haben. Vergeltung zu üben für eine Tat wie das Attentat von Florenz war im Italien der Renaissance praktisch Pflicht, und Lorenzo – wenngleich Schöngeist und ein Dichter von hohem Rang – war mit Sicherheit nicht so zart besaitet, dass er vor brutaler Rache zurückgeschreckt wäre. Er war schließlich auch ein Machtpolitiker.1 Mit 8000 oder 9000 Einwohnern unterschied sich Forlì grundlegend vom quirligen Florenz, das selbst nach der jüngsten Pestepidemie noch eine fünfmal so große Bevölkerung aufweisen konnte. Doch die Mordmethoden – Gift, Erdrosseln oder eine scharfe, glänzende Klinge – waren überall die gleichen. Und wenn es hochgestellten Personen an den Kragen oder aber um Staatsangelegenheiten ging, war der Tod häufig ein Schauspiel öffentlicher Schmach: Menschliche Leiber wurden an Fenstern von Regierungsgebäuden gehenkt oder wie Aas auf den Rathausplatz geworfen. In Städten, wo Gemeinwesen und Privatsphäre eng zusammenhingen, musste die Bestrafung für ein Kapitalverbrechen gegen den Fürsten oder das Allgemeinwohl äußerst blutig sein, und öffentlich dazu.2

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Verschwörung

Dem Grafen Girolamo wurde zum Verhängnis, was viele Regierungen in Gefahr oder gar zu Fall brachte: Steuern und die Gier nach schnellem Geld. Als Oberhaupt eines Kleinstaates in der päpstlichen Romagna, dem politisch brisantesten Teil Italiens, war dieser an sich unbedeutende Regent sogar gezwungen gewesen, in Bologna und dem weit entfernten Genua das Geschmeide seiner Gemahlin zu verpfänden. Viele sahen in ihm einen Emporkömmling, der aus dem Nichts aufgestiegen war, denn er stammte aus relativ bescheidenen Verhältnissen und einem unbekannten Dorf in der Nähe von Genua. Sein Onkel, Papst Sixtus IV. (gest. 1484), hatte ihm praktisch über Nacht zu Macht verholfen, indem er Imola und Forlì, zwei autonome Lehen auf päpstlichem Territorium, in seine Hände legte und die Heirat mit der vierzehnjährigen Caterina Sforza arrangierte, einer unehelichen Tochter des Herzogs von Mailand, Galeazzo Maria, der seinerseits 1476 einem Mordanschlag zum Opfer fiel.3 Diese zweifelhaften Umstände erhöhten noch die Spannungen im ohnehin gefährlichen Apennin. Der Gebirgszug war ein Stützpunkt von Räubern und ungebärdigen Landesherren, die häufig die Sicherheit in der Romagna bedrohten und auch der Grund für den größten Ausgabenposten des Grafen Girolamo waren: einen Trupp von Wachleuten und ein zusätzliches kleines stehendes Heer aus hundert Soldaten. Doch gegen Verrat aus Leidenschaft konnten auch sie nichts ausrichten. Als Riarios Fiskalbeamte, zwei Brüder aus der Familie Orsi, sowie zwei seiner Hauptleute, sich in hitzigen Auseinandersetzungen wegen Geldangelegenheiten mit ihm überwarfen, fassten die vier den Beschluss, ihn zu töten, zumal sie erwarten konnten, dass sich der öffentliche Unmut zu ihren Gunsten entladen würde. Das war insofern wahrscheinlich, als eines ihrer Hauptmotive eine allgemein verhasste Landsteuer war, die unmittelbar von der Klasse der Landbesitzer erhoben werden sollte. Dazu kamen kleinere akute Ärgernisse. Als einer seiner Offiziere ihn einmal wegen ausstehender Soldzahlungen bedrängte, hatte der Graf gebrüllt: „Verschwindet, oder ich lasse Euch hängen“, woraufhin der Hauptmann erwidert hatte: „Aber mein Herr, gehängt werden Diebe und Verräter, und ich bin keines von beiden. Ich verdiene es, mit dem Schwert in der Hand zu sterben, wie jeder andere tapfere Waffenträger.“4 Als Angehörige des örtlichen Adels genossen die beiden Orsi-Brüder das Privileg des „goldenen Schlüssels“, das heißt, sie hatten das Recht, auch unangemeldet bei Riario vorzusprechen. Folglich begaben sie sich, nachdem die Pläne geschmiedet waren, am Montag, dem 14. April 1488, unmittelbar nach dem Abendessen zu seinem Palast, wo sie ihn und einige wenige Dienstboten im kostbar ausgestatteten Nymphensaal antrafen. Einer der beiden begrüßte Riario mit dem Stoß eines Kurzschwerts (squarcina). Als das Opfer aufschrie und versuchte, sich unter einen Tisch zu retten, stürmten zwei weitere Männer in den Saal, um ihn endgültig zu erledigen, während die Dienerschaft entsetzt das Weite suchte. Andere Verschwörer eilten herbei und drängten, nun zu neunt und teils am Fuße der Palasttreppe postiert, die zu spät gekommenen Wachleute zurück, die Graf Girolamo und seine Familie hätten beschützen sollen. Wenig später, als folgten sie einem gängigen Ritual, zogen zwei Leute den Grafen nackt aus und warfen seine

Die Rache

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Leiche auf die Piazza hinunter, wo sich rasch eine Menschenmenge ansammelte, die die Tat pries und den Verschwörern Küsse zuwarf. Kaum waren Caterina Sforza Riario und ihre Kinder, die sich in einem anderen Teil des Palastes aufgehalten hatten, gefangen genommen, stürmte der Mob das Gebäude, und ein riesiges Vermögen – das meiste in Form von Juwelen – verschwand auf Nimmerwiedersehen.5 Fünf Tage später und mittlerweile besorgt, nervös und Hilfe suchend, senden die Fiskalbeamten Checco und Ludovico Orsi eine Depesche an „Unseren magnifico und höchst verehrten Lorenzo [de’ Medici]“, zum Teil, wenn man ihren Worten glauben will, „um unsere Schuld [Euch gegenüber] abzutragen“. Des Weiteren erbitten sie seinen Rat und legen ihre Version der blutigen Tat dar. Sie rufen in Erinnerung, dass „dieser Nero [Graf Girolamo] die Unverschämtheit besessen hatte, mit seinen Händen das Blut Eures hohen Hauses zu vergießen“, zählen seine Sünden auf, erwähnen, dass er Gott und die Heiligen missachtet habe und „ein Blutsauger“ gewesen sei, der noch die Armen und Ärmsten ausgenommen habe. Lorenzo reagierte auf das Schreiben so umgehend, dass sein Sekretär, ein gewisser Stefano aus der florentinischen Festung Castrocaro, sich nur zwei Tage später, am 21. April, bereits mit den Brüdern Orsi treffen konnte. Daran anschließend verfasste Stefano einen Brief an seinen Herrn, in dem er die Begegnung mit den beiden und auch die Einzelheiten der Ermordung noch einmal detailliert beschreibt. Die Einwohner von Forlì, so Stefano, seien glücklich über den Tod des Grafen. Alle wünschten, die Kirche solle die Regierung dort übernehmen, und alle sagten, sie würden sich lieber zerstückeln als die Stadt abermals in andere Hände fallen lassen. Er, Stefano, habe den Orsi Lorenzos vollste Unterstützung zugesichert und ihnen auch versprochen, ihren guten Namen und ihre Tat Papst Innozenz VIII. gegenüber zu verteidigen, dem engsten Verbündeten von Florenz. Tatsächlich sollte Innozenz noch im selben Jahr der Schwiegervater von Lorenzos drittgeborener Tochter werden. Stefano zitiert darüber hinaus einen der Brüder mit den Worten: „Ich bin der Sklave des magnifico Lorenzo, ebenso wie meine ganze Familie, und sollte ich nie in meinem Leben mehr etwas anderes tun, so bin ich zufrieden zu wissen, das unschuldige Blut seines Bruders gerächt zu haben.“6 Lorenzo selbst äußerte sich nicht schriftlich zur Tat der Gebrüder Orsi. Eine Verschwörung gutzuheißen, vielleicht sogar zu unterstützen, war eine Sache; schriftliches Zeugnis über die persönliche Haltung abzulegen aber – um in der Sprache der Zeit zu bleiben – „ein anderes Paar Ärmel“. Zehn Tage später wandten sich die Brüder Orsi, inzwischen panisch vor Angst und kurz davor, die Flucht zu ergreifen, abermals mit einem Bittschreiben an Lorenzo. Dieses Mal erflehten sie militärische Hilfe. Doch Lorenzo, durch und durch Politiker, rührte keinen Finger. Da er nicht sicher wusste, welche Pläne Mailand, das heißt Sforza, verfolgte, entsandten weder er noch Papst Innozenz – obwohl der Kirchenstaat Anspruch auf die Stadt erhob – Truppen zur Unterstützung der Einwohner von Forlì beziehungsweise des dortigen päpstlichen Gouverneurs. Eine kleine Armee aus Mailand und Bologna stand bereits vor den Toren der Stadt, mit dem Auftrag, Forlì für Caterina Sforza

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Riario zurückzuerobern. Riarios listiger Witwe war es gelungen, sich in die Festung Rivadino am Rand der Stadt durchzuschlagen und dort sicheres Quartier zu beziehen. Sie drohte, Forlì mit schwerer Artillerie beschießen zu lassen, und nachdem bereits einige Häuser beschädigt waren, bewahrte sie die Stadt vor der Plünderung durch die vorrückende Armee, für die man mit Sicherheit ihr die Schuld gegeben hätte. Nun aber sollte auch sie ihre Rache bekommen, wenn auch nur zum Teil und längst nicht so süß. Lorenzo de’ Medici ließ sich derweil über alles auf dem Laufenden halten.7 Angesichts einer mordlüsternen, auf Plünderung und Schlimmeres sinnenden Armee hatte sich die Einstellung der Einwohner von Forlì ins Gegenteil verkehrt, und sie waren nunmehr bereit, jedem zu folgen, der ihnen Rettung versprach. Das war in diesem Falle Caterina. Wie von Geisterhand tauchten plötzlich einige der Gegenstände wieder auf, die aus dem Palast entwendet worden waren. Die Juwelen allerdings wurden nie mehr gesichtet, zumal die Brüder Orsi und ihre engsten Mitverschwörer in der Nacht zum 29. April, zwei Wochen nach der Ermordung des Grafen, mit dem Löwenanteil der Beute aus der Stadt verschwanden.8 Als Caterina am 30. April die Macht übernahm, war ihr ältester Sohn – bezeichnenderweise auf den Namen Octavian getauft – der Erste, der sich demonstrativ auf dem Markt präsentierte. Zum Symbol ihres Triumphes hielt sie sodann, begleitet von Adligen in Rüstung oder prunkvollem Gewand, feierlich Einzug in die Stadt, wobei sie zwischen einem Spalier von Soldaten hindurchritt. Blanker Schrecken erfasste die Männer, die mit den beiden Fiskalbeamten sympathisiert oder gar gemeinsame Sache gemacht hatten, aber nicht geflohen waren. Noch am selben Tag übten Caterinas Söldner Vergeltung. Die Häuser der Orsi sowie der Militärs Pansecchi und Ronchi und anderer wurden geplündert und in Brand gesteckt. Am 1. und 2. Mai folgte eine Reihe blutiger Massaker, die ihren Höhepunkt auf dem Markt erreichten, der sich in einen „Blutsee“ zu verwandeln schien. Andrea Orsi, der fünfundachtzigjährige Vater der Attentäter, musste zusehen, wie sein Haus von vierhundert Männern dem Erdboden gleich gemacht wurde. Anschließend band man ihn auf ein Brett und ließ ihn, das Gesicht im Staub, von einem Pferd dreimal um den Platz schleifen. Später wurde er gevierteilt, seine Eingeweide auf die Piazza geworfen, und „einer dieser Hunde von Soldaten“, so der Chronist Cobelli, „packte sein Herz, schnitt es heraus … führte es an den Mund und biss hinein. Als ich das sah, floh ich.“9 Die symbolische Bedeutsamkeit eines solch kannibalischen Akts soll uns in einem späteren Kapitel noch genauer beschäftigten. Gleichsam als Kompensation für dieses Abschlachten ließ Caterina noch während des blutigen Aufruhrs den Leichnam des Grafen Girolamo exhumieren und drei Tage lang in der Kirche San Francesco aufbahren. Wenige Stunden nach dem Mord hatte ein Mönch im Schutze der Nacht die sterblichen Überreste des Grafen von der Piazza geholt und geborgen. Die Ironie des Schicksals wollte es, dass er in enger Beziehung zu der religiösen Bruderschaft stand, zu deren Aufgaben es gehörte, zum Tode Verurteilten auf dem Weg zum Galgen moralischen Beistand zu leisten und für sie zu beten.

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Was die bloßen Fakten, wie oben erzählt, nicht enthüllen, ist, dass sowohl Lorenzo de’ Medici als auch Papst Innozenz noch einen weiteren ganz speziellen Grund hatten, Riarios Abtreten von der politischen Bühne zu begrüßen. Der Heilige Vater, der einst ganz offen eine Mätresse gehalten hatte (angeblich allerdings nur bis zu seiner Berufung auf den Heiligen Stuhl), war nämlich auch ein ganz und gar unheiliger richtiger Vater und Großvater: Er hatte Kinder gezeugt, und Lorenzo hatte Innozenz’ Sohn Franceschetto seine Tochter Maddalena zur Frau gegeben. Für ebendiesen Sohn nun wollte der Papst einen kleinen Staat schaffen, indem er ihm die Regierung von Imola und Forlì sowie möglicherweise dazu noch Faenza übertrug. Dieses Ansinnen war natürlich zu Lebzeiten des Grafen Girolamo nicht zu verwirklichen gewesen, da Girolamo zum einen Venedig um militärischen Beistand angegangen und zum anderen den Einfluss des Onkels seiner Gemahlin Caterina, des mächtigen Herzogs von Mailand, ins Spiel gebracht hätte. Jetzt aber, da Girolamo aus dem Weg war, konnte der Papst versuchen, Franceschetto mit den beiden Städten auszustatten, die ihm als Oberhaupt der Kirche schließlich nominell unterstanden. Und Lorenzo, stets auf den guten Ruf der Medici und „unseres Hauses“, wie er es zu nennen pflegte, bedacht, schien mehr als bereit, Innozenz bei diesem Unterfangen zu unterstützen. Schließlich wäre dann auch Maddalena „Gräfin“ von Imola und Forlì geworden. Das hätte ihm gewiss gefallen, besser freilich noch ohne den Papst, denn kein patriotisch gesinnter Florentiner konnte ernstlich wünschen, die Macht der Kirche auf kirchlichen Ländereien ausgeübt zu sehen, die unmittelbar an florentinisches Gebiet grenzten. Folglich spielte Lorenzo auf Zeit, während Florenz das Kastell Piancaldoli in der Provinz Imola in seinen Besitz brachte.10 Sieben Wochen nach dem Mord an Girolamo geschah eine weitere Bluttat ähnlichen Ausmaßes. Lorenzo de’ Medicis wichtigster Vasall in der Romagna wurde als Resultat eines Interessenkonflikts zwischen Florenz, Mailand, der Kirche und Venedig niedergestochen. Galeotto Manfredi, Herr der benachbarten Stadt Faenza, war ein brutaler Mann gewesen, der keine Mühe darauf verschwendete, seine ehebrecherischen Vergnügungen vor seiner Frau Francesca, einer stolzen Dame aus der Herrscherfamilie Bentivoglio in Bologna, zu verbergen. Eines Tages gab sie vor, krank zu sein, und ließ – vermutlich nach Absprache mit ihrem Vater – Galeotto in ihr Zimmer rufen, wo er von vier Dienern, von denen sich drei unter ihrem prachtvollen Bett verborgen hatten, augenblicklich angegriffen und umgebracht wurde. Als Mittler ihrer Heirat mit Galeotto hatte kein anderer als Lorenzo fungiert, der Faenza als Basis für seine Operationen gegen Graf Girolamo benutzen wollte.11

Ein Zeitalter der Verschwörungen War die Romagna ein fruchtbarer Boden für Söldner und Verschwörer, so stand ihr der Rest Italiens in puncto Gefährlichkeit kaum nach. Politische Gewalt pflanzte sich häufig fort, insbesondere in Regionen und Städten, deren Herrscher nicht fest im Sattel

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Abb. 2 Piero del Pollaiuolo, Galeazzo Maria Sforza

saßen. Kein Geringerer als Machiavelli hat dies aufgezeigt. Das Komplott gegen die Medici ereignete sich nur sechzehn Monate nach der Ermordung des Herzogs von Mailand (Dezember 1476) in einer Ära, die, angefangen mit der römischen Verschwörung des Stefano Porcari (1452/53), auch „das Zeitalter der Verschwörungen“ genannt wird.12 Verglichen mit dem Mailänder Mord war der blutige Anschlag auf Lorenzo und Giuliano de’ Medici in Florenz, das – zumindest nominell – nach wie vor Republik war, ein fraglos schwierigeres Unterfangen. Beide Umsturzversuche waren republikanisch motiviert und spielten sich an religiösen Schauplätzen ab, weswegen davon ausgegangen werden kann, dass sich die florentinischen Verschwörer der Folgen des Mailänder „Tyrannenmordes“ bewusst waren. Der Zusammenhang zwischen den beiden Verschwörungen war fast zu offensichtlich, um von Zeitgenossen besonders hervorgehoben zu werden, zumal der ermordete Herr von Mailand, Galeazzo Maria (Abb. 2), der Sohn des großen Generals Francesco Sforza war, der Cosimo de’ Medici, also Lorenzos Großvater, geholfen hatte, seine Machtposition in Florenz zu festigen. Die Ereignisse in Mailand mögen als Indiz für die aufgestaute Wut gelten, deren Ursachen in den autoritären Regierungen im Italien der Renaissancezeit zu suchen sind,

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machen aber interessanterweise gleichzeitig auf die Tatsache aufmerksam, dass die meisten örtlichen Edelleute bis ins 16. Jahrhundert hinein praktisch ungehindert Zugang zum jeweiligen Herrn der Stadt hatten. Hier die Fakten des Mailänder Falles: Kurz vor Beginn des Hochamts am 26. Dezember 1476 wurde der Herzog von Mailand von drei Männern ermordet: Giovanni Andrea Lampugnani, Gerolamo Olgiati und Carlo Visconti. Jeder der drei hatte seine eigenen Gründe, Galeazzo Maria Sforza, dessen Niedertracht und barbarische Grausamkeit selbst der eigene Vater beklagte, den Dolch ins Herz zu stoßen. Würde zu seinen Gunsten sprechen, dass ein Mann – Galeazzo Maria –, der keine Ausgaben scheute, der die Musik liebte und die besten Musiker seiner Zeit an seinen Hof holte, doch wohl unmöglich ein Monster gewesen sein kann? Nein. Auch wenn es wahrscheinlich nicht stimmt, so hielt sich doch hartnäckig das Gerücht, er habe seine Mutter vergiftet – dergestalt also war sein Ruf. Berichte enthüllen, dass er Mädchen und Frauen kaufte, um seine Lust zu befriedigen (violavit virgines; aliorum uxores accepit), und sie danach an seine Höflinge weiterreichte. Ein Geistlicher, der ganz unschuldig vorhersagte, dem Herzog wäre nur eine kurze Regierungszeit vergönnt, wurde zum Hungertod verurteilt. Bei anderer Gelegenheit ließ der Herzog, von krankhafter Eifersucht geplagt, einem gewissen Pietro da Castello beide Hände abhacken. Ein anderer Mann, Pietro Drago, wurde auf sein Geheiß lebendigen Leibes an einen Sarg genagelt, und auf seinen Befehl hin brachten seine Scharfrichter einen Wilderer um, indem sie ihn zwangen, einen ganzen Hasen samt Fell zu schlucken.13 Dem Usus der Zeit entsprechend hatte Galeazzo Maria als Angehöriger der Oberschicht Unterricht in Latein erhalten und war auch mit den lateinischen Klassikern vertraut. Doch führte diese Begegnung mit dem „Humanismus“ – wie ein solches Studium gemeinhin genannt wurde – bei ihm nicht zu einer „humaneren“ Denkweise. Aus nahe liegenden Gründen also entsandte seine Witwe, Bona von Savoyen, etwa eine Woche nach seiner Ermordung ein dringendes Schreiben an einen Kontaktmann in Rom, den Kanonikus Celso de Maffeis, in dem sie die Sünden des Herzogs auflistete (Raub, Gewalttätigkeit, Ungerechtigkeit, Fleischeslust, Simonie) und Sorge über den Zustand seiner unsterblichen Seele zum Ausdruck brachte. Da sie bereits andere Theologen konsultiert hatte, drängte sie nun Maffeis, bei Papst Sixtus IV. einen vollständigen Erlass der Sünden für ihren Gatten zu erwirken – im Gegenzug für fürstliche Spenden an kirchliche Institutionen, Wohltätigkeiten für Mädchen ohne Mitgift und andere Arten materieller Zuwendungen. Darüber hinaus gab sie vor, ihr Gatte hätte bereits angefangen, Bußfertigkeit zu zeigen, doch habe seine brutale Ermordung alle weiteren Bemühungen in dieser Richtung vereitelt. Werfen wir nun einen Blick auf die Verschwörer. Carlo Visconti beteiligte sich an dem Komplott zur Ermordung Galeazzo Marias aus Gründen der Familienehre. Es scheint, dass der lasterhafte Herzog die Schwester des Regierungssekretärs am mailändischen Gerichtshof entjungfert hatte. Ebenso soll der Herzog (so wenigstens ging das Gerücht) ein unsittliches Interesse an der Ehefrau des Giovanni Andrea Lampugnani bekundet haben, wenngleich es dafür keine weiteren

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Beweise gibt. Giovanni Andrea, der hinkende und leicht aufbrausende Anführer der Verschwörung, entstammte einer alten mailändischen Adelsfamilie von Juristen und hohen Regierungsbeamten. Gelegentlich hatte er für den Herzog den einen oder anderen Auftrag erledigt und daher freien Zutritt zum Hofe. Seine Mordgelüste gingen wohl in erster Linie auf eine heftige Auseinandersetzung mit dem Bischof von Como zurück. Zankapfel war ein ertragreiches Stück Land, das der vormalige Abt der alten Abtei Morimondo den Brüdern Lampugnani verpachtet hatte. Als Morimondo plötzlich in den Besitz von Branda da Castiglione, dem neuen Bischof von Como, überging, erkannte dieser hohe Geistliche – ein für seine Verschwendungssucht berüchtigter, aber mächtiger Mann an Galeazzo Marias Hof – angeblich den Pachtvertrag nicht an, und die Brüder wurden aus den betreffenden Ländereien regelrecht hinausgejagt. Trotz flehentlicher Bitten Lampugnanis weigerte sich der Herzog einzuschreiten oder den Fall auch nur vor einen ordentlichen Untersuchungsausschuss zu bringen. Daraufhin schlug Giovanni Andreas Ärger in kriminelle Wut um. Der jüngste der Mörder, der gerade dreiundzwanzigjährige Gerolamo Olgiati, scheint aus rein idealistischen Motiven gehandelt zu haben. Auch er entstammte einer angesehenen Familie und hatte unter dem großen bolognesischen Humanisten Cola Montano die Geschichte des republikanischen Rom studiert. Die Lektüre von Sallusts Die Verschwörung des Catilina hatte in dem jungen Olgiati den Wunsch nach Ruhm sowie das Verlangen geweckt, seine patria zu befreien, ein Traum, der nach einem Tyrannenmord verlangte. Darüber hinaus wurden die Verschwörer wohl auch von der noch frischen Erinnerung an die Ambrosianische Republik getrieben, die drei Jahre lang (1447–50) dafür gekämpft hatte, die kommunalen Freiheiten des 13. Jahrhunderts wiederaufleben zu lassen. Mit Galeazzo Marias Gewohnheiten vertraut, beschlossen die Verschwörer, am Tag des Märtyrers Stefano zuzuschlagen, in der nach diesem benannten Kirche, und zwar am 26. Dezember 1478, einem Donnerstag. Dort trafen sie sich vor der Messe und erflehten den Schutz des Heiligen für ihr Vorhaben. Giovanni Andrea fungierte als Vorbeter, und die beiden anderen sprachen seine Worte nach. Einem Bericht zufolge baten sie auch darum, dass der Heilige Verständnis dafür aufbringen möge, dass in seiner Kirche Blut vergossen werden würde – schließlich geschehe dies ja zum Wohle der Stadt Mailand und ihrer Bevölkerung. Der 26. Dezember dämmerte mit bitterer Kälte herauf, und der Herzog war ausgesprochen unruhig, weil er – wie es in den Chroniken solcher Begebenheiten häufig heißt – von einer unguten Vorahnung geplagt wurde. Bis zur buchstäblich letzten Minute soll er Bedenken geäußert haben, dem Gottesdienst in Santo Stefano beizuwohnen, und hätte die Messe wohl lieber in seinem Stadtschloss (castello) gehört. Doch sein Kaplan und sein Chor befanden sich bereits auf dem Weg zur Kirche, und der Bischof von Como war aus irgendeinem Grund nicht in der Lage, die Messe zu lesen. Wie zu Weihnachten und anderen hohen Feiertagen üblich, hatten sich eine Reihe hoher Adliger und Gesandter bei Hofe eingefunden, und die meisten hätten es, schon

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allein der eisigen Kälte wegen, wohl vorgezogen, im Castello zu bleiben. Da setzte der Herzog der Zauderei ein Ende. Er verließ seine Gemächer, nahm die Gesandten von Ferrara und Mantua beim Arm und verließ mit ihnen gemeinsam das Castello, während der Rest des Hofes folgte. Draußen bestieg man hastig die bereitstehenden Pferde und ritt die kurze Strecke zur Kirche Santo Stefano, in der sich bereits Edelleute und niederes Volk drängten. Auch mehrere der verheirateten Mätressen des Herzogs waren, wohl auf sein Geheiß hin, anwesend. Aus einem Gefühl des Anstands heraus sowie um einen Skandal zu vermeiden, nannte der Historiker Corio, selbst Augenzeuge, diese Damen jedoch nicht einzeln mit Namen. Olgiati, Visconti und Giovanni Andrea, jeder mit einem Kettenhemd unter der Kleidung, standen um einen legendenumwobenen Stein inmitten der Kirche. Als der Herzog, den Bischof von Como unmittelbar hinter sich, diese Stelle erreichte, traten die drei Männer vor, und Giovanni Andrea sank vor dem überraschten Sforza auf die Knie. Es folgte ein kurzer Wortwechsel und dann stach Andrea den Herzog zuerst in den Unterleib und dann in die Brust. Sekunden später stießen ihm auch Olgiati und Visconti, gefolgt von Giovanni Andreas Diener Franzone, ihre Dolche und ein Schwert in Brust, Rücken, Hals, Schultern und Stirn. Ein Augenzeuge sagte später, Franzone hätte ganz unverfroren seine Hände in das strömende Blut getaucht. Bevor er starb, hatte der Herzog gerade noch Zeit, so etwas wie „Io sono morto“ („Ich bin tot“) und „Gnädige Muttergottes!“ hervorzustoßen. Genau wie sechzehn Monate später im Dom von Florenz brach daraufhin das Chaos aus. Der mantuanische Botschafter meinte sogar, sechs Mörder zu sehen anstelle von vier. Die Menschen verließen in Panik die Kirche, voller Angst, dass noch weitere Leute ermordet werden könnten, zumal auch einer der Soldaten des Herzogs getötet, ein anderer verwundet worden war. Trotz seiner Behinderung eilte Giovanni Andrea auf die Seite des Gotteshauses, wo sich die Frauen aufhielten. Dort verhedderte er sich in den langen Gewändern, stürzte und wurde sogleich gefasst und an Ort und Stelle von einem Wachmann umgebracht. Seine Mitverschwörer jedoch entkamen. Binnen weniger Minuten war die Kirche Santo Stefano menschenleer, und es herrschte unheimliche Stille. Nur der Leichnam Galeazzo Mario Sforzas lag nach wie vor da, mit vierzehn Stichwunden, in einer riesigen Blutlache. Höflinge und Gesandte, die aus Erfahrung wussten, dass Geheimhaltung und Verrat sehr oft den Lauf der Politik bestimmen, fürchteten, dass sich an diesem Morgen noch weitere bewaffnete und verkleidete Verschwörer in Santo Stefano aufhielten, um jeden niederzumachen, der sich vor den ermordeten Fürsten stellte. Deshalb verließ der gesamte Hof – darunter auch, möglicherweise sogar auf Befehl, die Wachen des Herzogs – eilends die Kirche und zog sich in das Castello beziehungsweise einen der großen Sforza-Paläste zurück.14 Da die Verschwörer ganz offenbar keinen Gedanken auf ihre eigene Sicherheit verschwendet hatten, nachdem der Mord einmal begangen war, erwies sich das Komplott im Nachhinein als eine ausgesprochen einfältige Tat. Zwar war die allgemeine Stimmung in Mailand gegen Galeazzo Maria gerichtet gewesen, doch hatten Giovanni

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Andrea und seine Konsorten wenig oder keinen Anlass zu glauben, dass sich die mailändische Bevölkerung zu ihrer Verteidigung erheben würde. Gewiss gab es einige Bürger, die wehmütig an die Zeit der Ambrosianischen Republik zurückdachten, an den verzweifelten Kampf der Stadt gegen die Machenschaften der Fürsten, gegen die Adligen, Venedig und den großen Condottiere Francesco Sforza. Mittlerweile jedoch war jede realistische Hoffnung, zu einer Republik zurückzukehren, geschwunden, nicht zuletzt weil die jüngste Erfahrung mit einer Republik (1447–50) den Adel zutiefst vergällt hatte. Soweit wir wissen, machten die drei Männer auch keinerlei Anstalten, das gemeine Volk oder die Bürgerschaft aufzuwiegeln. Sie handelten gänzlich isoliert – möglicherweise derart von ihrem Hass auf den Herzog und dem Glauben an eine republikanische Utopie geblendet, dass sie an ein Wunder zu ihrer Rettung glaubten. Allerdings sollten derartige Wunschträume in einer grausigen Demonstration von Gerechtigkeit enden. Die sterbliche Hülle des Herzogs wurde schließlich fortgetragen. Den Leichnam Giovanni Andreas jedoch griffen sich in einem grotesken Schauspiel, das sich im Übrigen 1478 in Florenz wiederholen sollte, einige Buben und zerrten ihn durch die Straßen der Stadt, wobei sie ihn immer wieder mit Steinen bewarfen und mit Messern auf ihn einstachen. Zuletzt wurde er vor sein Haus geschafft und kopfunter neben einem großen Fenster aufgehängt. Am nächsten Tag wurde der inzwischen enthauptete Körper erneut durch die Straßen geschleift. Den Kopf hatten die Behörden für ein späteres Ritual abgetrennt. In einem traditionellen symbolischen Akt war auch die „sündige“ rechte Hand abgehackt, verbrannt und an eine Säule auf der Piazza der Stadt genagelt worden. Einem Reim aus der Zeit zufolge verzehrten einige Leute auch Stücke von Giovanni Andreas Herz, seiner Leber und Hände. Was von dem Leichnam zuletzt noch übrig war, wurde Schweinen zum Fraß vorgeworfen.15 Angesichts der christlichen Doktrin hinsichtlich Seele, Glaubensbekenntnis, Letzter Ölung und einer anständigen Bestattung auf geweihtem Boden war die Verstümmelung eines Leichnams ein skandalöser Verstoß gegen die höhere Ordnung. Dennoch wurde sie von Polizei und Magistrat geduldet, wenn nicht sogar gefördert, da man Giovanni Andreas Mord an dem Herzog als eine schmähliche Tat ansah, die eine Bestrafung über den Tod und das Grab hinaus verlangte. Die Wut und Empörung der herzoglichen Regierung und ihr Verlangen nach Rache und „Gerechtigkeit“ verhieß auch den anderen Verschwörern blanken Horror. Am Abend des 27. Dezember, einen Tag nach der Bluttat in Santo Stefano, wurde Giovanni Andreas getreuer Diener Franzone ergriffen, gefoltert und gezwungen, die Namen sämtlicher Verschwörer preiszugeben. Er war an den Lampugnani-Farben seiner Strümpfe erkannt worden. Am Sonntag, dem 29. Dezember, fasste man Carlo Visconti. Ein verängstigter Verwandter, der in herzoglichen Diensten stand, hatte ihn verraten. Auch er gestand unter der Folter und wurde verurteilt. Gerolamo Olgiati schließlich ging den Häschern am 30. Dezember ins Netz. Bei seiner Auslieferung hatten mehrere Leute mitgewirkt, darunter sein eigener Vater. In einem leidenschaftlichen

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Brief an die Herzogin, mit dem er sich Luft machen und zugleich wohl seine eigene Haut retten wollte, erklärte der ältere Olgiati, dass er es in Anbetracht der Entsetzlichkeit des Verbrechens „als Ehre empfunden hätte, die Todesstrafe an diesem Erzverräter [seinem Sohn] … eigenhändig zu vollstrecken“.16 Olgiati, Visconti und Franzone wurden am Donnerstag, dem 2. Januar 1477, vor Tagesanbruch im Castello hingerichtet. Alle drei wurden auf dem so genannten Rad, einem der qualvollsten Folterinstrumente, langsam bei lebendigem Leibe in zwei Hälften gerissen – nicht die Art von Vorgang, über die Historiker viele Details verlieren, wenngleich es natürlich einiges über die Moral der Zeit aussagt, über die damalige Einstellung dem Körper, der Gerechtigkeit und dem Sündenverständnis gegenüber. Um ein Exempel zu statuieren und als Demonstration der Strenge der Regierung wurden die Leichenteile anschließend zu den sieben Toren der Stadt geschafft und an fünfen jeweils eine blutige Hälfte angebracht. Die letzte Hälfte wurde geteilt und an die verbleibenden Tore genagelt: Arm und Schulter an die Porta Cumana, Bein und Fuß an die Porta Nuova. Die vier Köpfe – hier taucht Lampugnanis Kopf wieder auf – heftete man mit Lanzen an den Glockenturm des Broletto. Sämtliche Leichenteile wurden erst entfernt, als der Gestank unerträglich wurde. Die vertrockneten Köpfe allerdings blieben an Ort und Stelle und waren noch in den 1490er-Jahren zu sehen.17 Aufgrund der bedeutsamen Rolle, die die großen Familien in der italienischen Renaissance spielten, erwartete auch die Verwandten der Mörder eine wahre Schreckensherrschaft. Schuld und Schande galten nach wie vor als etwas, das die ganze Sippe betraf. Wie also hätte eine Regierung die Angehörigen eines Täters als völlig frei von Schuld ansehen können? Am Tag des Mordes wurden folglich neben Giovanni Andreas eigenem Haus zwei andere Lampugnani-Anwesen geplündert und weitere Besitztümer noch über längere Zeit hinweg bedroht. Einige Mitglieder des Klans behaupteten sogar, der Mörder sei gar kein Lampugnani, sondern ein Hochstapler gewesen. Jedenfalls brachten sämtliche Träger dieses stolzen Namens den gesamten Winter und Frühling mit dem Versuch zu, ihre Unschuld zu beweisen. Über ein halbes Dutzend Männer der Familie Lampugnani wurde verhaftet. Einer, Bernardino, wurde zum Tod verurteilt. Zwei weitere, die am Tag des Attentats in Santo Stefano gewesen waren, schworen, dass sie, hätten sie von dem Komplott gewusst, „diesen Verräter“ (Giovanni Andrea) angezeigt und „ihn und seine Kumpane mit ihren eigenen Zähnen zerfleischt“ hätten. Princivalle, ein Bruder des Verräters, verlor seine Stellung beim Militär und wurde zuerst nach Florenz und dann nach Mantua verbannt.18 Gerolamo Olgiatis entsetzter Vater schaffte es mit Mühe, die Besitztümer für die Familie zu erhalten, begab sich aber auf dem schnellsten Weg ins Exil nach Turin. Gerade für Angehörige vornehmer Familien bedeutete die Verbannung oft eine vernichtende Strafe, da sie dadurch nicht nur von Freunden und ihren Wurzeln abgeschnitten waren, sondern auch ihre üblichen Einkünfte verloren. Acht weitere Männer, Freunde der Verschwörer, die zudem am Tatort gesehen worden waren, wurden am 8. Januar gehängt. Obwohl man sie beschuldigte, den Mördern

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Deckung gewährt zu haben, entgingen drei Priester der Todesstrafe – vermutlich dank ihres Status als Geistliche sowie der Tatsache, dass sich die Witwe des Herzogs, Bona von Savoyen, für sie einsetzte, weil sie sich um die Seele ihres verstorbenen Gatten sorgte. Die Hauptakteure von Santo Stefano hatten aus Idealismus ebenso wie aus tiefstem persönlichem Hass gehandelt, und Bonas Beratern hätte es nur zu gut gefallen, sich einen Mann zu greifen, der rund achtzehn Monate zuvor aus Mailand verbannt worden war: den Humanisten Cola Montano, einen erbitterten Feind Galeazzo Maria Sforzas und häufig als der eigentliche Schuldige angesehen, der den Verschwörern den Gedanken an Mord in den Kopf gesetzt hatte, indem er Glanz und Tugenden des römischen Republikanismus verherrlichte. Dies hätte ihr Urteilsvermögen getrübt, insbesondere das des Träumers Olgiati. Doch da das Komplott im Sommer oder Herbst des Jahres 1476 geschmiedet worden war und die Attentäter geschworen hatten, dass der Humanist Mailand lange vorher verlassen und mit keinem von ihnen mehr Kontakt gepflegt hatte, galt Montanos Unschuld schließlich als erwiesen. Trotzdem kehrte er wohlweislich nicht nach Mailand zurück.19 Die Ironie des Schicksals wollte es freilich, dass Cola Montano fünf Jahre später Lorenzo de’ Medicis Spionen und dem Regime der Medici anheim fiel. Während einer Reise von Genua nach Rom im Februar 1482 wurde er unbemerkt verfolgt, auf florentinischem Gebiet in der Nähe von Porto Ercole verhaftet und direkt nach Florenz gebracht (12. bis 15. Februar). Da man bei ihm belastende Papiere fand, wurde er angeklagt, hinter einem Mordversuch an Lorenzo zu stecken, dem dieser im Jahr zuvor knapp entgangen war. Schlimmer noch war freilich, dass er offenbar auf der Gehaltsliste des Erzfeindes des Herrn von Florenz stand: des Grafen Girolamo Riario. Unter Folter gestand Montano geheime Aktivitäten gegen Florenz und Lorenzo und wurde einen Monat später an einem Fenster des Hauptgerichtshofes der Stadt, des Bargello, aufgeknüpft. Ein Aspekt der Montano-Geschichte beleuchtet einen bezeichnenden Zug fürstlicher Regentschaft: Etwa 1462 tauchte Montano, aus einem Dorf in den Bergen bei Bologna kommend, in Mailand auf und eröffnete eine Schule für klassische lateinische Redekunst, die sehr erfolgreich war und eine Reihe begabter junger Leute aus der Oberschicht anzog. Er gewann die Gunst des Herzogs von Mailand und erhielt 1468 einen bedeutenden Lehrstuhl. Vier Jahre später gründete er gemeinsam mit anderen eine der ersten Druckereien Mailands. Als starke Persönlichkeit machte sich Montano in der von Neid und Missgunst geprägten Welt der Literaten allerdings auch Feinde. Und diese Feinde wiederum hatten einflussreiche Freunde bei Hofe. Das Glück verließ ihn, und 1474 brachte ihn eine nicht näher bekannte Meinungsverschiedenheit mit dem Herzog sogar kurzzeitig ins Gefängnis. Im Mai 1475 wurde er unvermittelt nach Pavia beordert und dort vor versammeltem Hofe vom Herzog beschuldigt, die Ehefrau, Söhne und Töchter eines gewissen Grafen „korrumpiert“ zu haben. Der Familienname ist in unserer Quelle, Montanas florentinischem Geständnis, gestrichen. Obwohl der Humanist die Anklage entschieden zurückwies, wurde er erneut in den Kerker gewor-

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fen und dann aus dem gesamten Herrschaftsbereich Mailands verbannt. Zuvor jedoch – und das ist das pikante Detail – wurde er öffentlich ausgepeitscht. Was er in seinem Geständnis nicht erwähnt – vielleicht weil es selbstverständlich war –, ist, dass die Schläge auf das entblößte Gesäß erfolgten. Öffentliche Züchtigungen dieser Art galten als schlimmste Erniedrigung, und es entsprach genau Galeazzo Marias Charakter, diese beschämende Strafe zu verhängen, die gewöhnlich Prostituierten vorbehalten war. Wurde Cola Montano so lange ausgepeitscht, bis, wie in solchen Fällen üblich, Blut floss? Kein Wunder, dass er dem Herzog ewige Rache schwor. Die römische Verschwörung des Stefano Porcari (1453) endete mit weniger Blutvergießen als die Abschlachtereien in Mailand und Forlì, doch auch hier ist ein deutlicher Bezug zu den Ereignissen von Florenz erkennbar.20 Als Abkömmling eines römischen Adelshauses, das jedoch schon bessere Zeiten gesehen hatte, verbrachte Stefano Porcari einen Teil seiner Jugend bei dem florentinischen Kaufmann Matteo de’ Bardi. Er absolvierte die Grundlagen einer klassischen Bildung und entwickelte sich zu einem herausragenden Redner mit einer Vorliebe für geschliffene Rhetorik. Später diente er in Florenz ein Jahr (1427/28) als Capitano del popolo, einer der führenden Richter und Magistraten der Stadt. Dabei kam er in enge Berührung mit einem rührigen Humanistenzirkel, dessen Mitglieder ganz im Banne der Antike standen, vom Elan und den Freiheiten der Römischen Republik schwärmten und versuchten, dieses Bild auf Florenz zu übertragen. Porcari, ohnehin bereits Anhänger des republikanischen Gedankens, fühlte sich durch seine florentinischen Erfahrungen noch weiter ermutigt und erklärte in feurigen Reden, die später oft transkribiert und herumgereicht wurden, Florenz erscheine ihm als „das Ideal eines vollkommenen bürgerlichen und politischen Lebens“, und die „Erhabenheit, Schönheit und Herrlichkeit der Republik Florenz blende und verwirre ihn“.21 Zu dieser Zeit war es in Italien gang und gäbe, wichtige Aufgaben im Magistrat verschiedener Städte auf Zeit zu übernehmen, und Porcari diente dank dieser Ämterrotation auch in anderen Staaten, darunter Bologna, Siena, Orvieto und Trani. Nach 1435 bereiste er England und Nordeuropa und versäumte es mit Sicherheit nicht, auch Venedig einen Besuch abzustatten. Wie viele gebildete Italiener seiner Zeit lehnte Porcari die Einmischung der Geistlichkeit in Angelegenheiten des Staates ab. 1447, nach dem Tod von Papst Eugen IV., tat er diese Meinung in Rom auch öffentlich kund und erklärte auf einer Versammlung, es sei eine Schande für die Bevölkerung Roms, die Erben der alten Römer, „unter dem Pantoffel von Geistlichen“ zu stehen, von denen viele noch dazu Auswärtige seien. Zwar schien er damit indirekt zu einem Aufstand gegen das Papsttum aufzurufen, er kam allerdings aufgrund der politischen Verhältnisse, die damals in Rom herrschten, damit durch. Der nächste Papst, der Humanist Nikolaus V., verlieh ihm sogar ein Amt, wodurch er jedoch in das Blickfeld der wachsamen Kurie geriet. Und als man ihn mit einem Tumult in Verbindung brachte, der während des Karnevals 1451 auf der Piazza

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Navona stattfand, wurde er aus der Stadt verbannt. Nikolaus, der die Fähigkeiten des Mannes würdigte, gleichzeitig aber auch fürchtete, setzte ihm eine großzügige Pension aus, schickte ihn jedoch ins Exil nach Bologna, wo er ihn der Aufsicht des humanistischen Kardinals Bessarion unterstellte. Aber Porcari ließ sich nicht beschwichtigen. Er war entschlossen, Rom zu einer Republik zu machen, ebenso wie Olgiati in Mailand und andere in Florenz später eine Wiederbelebung der Republik anstreben sollten.22 Nachdem er Kontakt zu Gleichgesinnten in Rom aufgenommen hatte, stahl Porcari sich Ende Dezember 1452 heimlich aus Bologna fort und ritt in halsbrecherischem Tempo nach Rom, wo er am Dienstag, dem 2. Januar, eintraf. Er hatte in vier Tagen eine Strecke zurückgelegt, für die man gewöhnlich acht, wenn nicht zehn Tage benötigte. Zurück in seiner Heimat, schmiedete er gemeinsam mit einigen Mitgliedern des engsten Familienkreises den Plan zu einer Verschwörung und sammelte dafür Männer, Waffen und Geld. Mithilfe von drei- oder vierhundert Männern wollte die Gruppe am Samstag, dem 6. Januar (Dreikönig), zuschlagen, durch Feuerlegen an die vatikanischen Stallungen Angst und Verwirrung stiften, Papst und Kardinäle während der heiligen Messe überraschen, die berühmte Stadtfestung, die Engelsburg, einnehmen und eine freie Republik ausrufen. Obwohl dieser Punkt in Porcaris Geständnis nicht auftaucht, behaupteten Zeitgenossen, die Verschwörer hätten den Papst sowie sämtliche Kardinäle notfalls auch umgebracht. Obendrein wären einige der Verschwörer nicht davor zurückgeschreckt, „das Volk“, das man um jeden Preis auf seiner Seite wissen wollte, anzustiften, die päpstlichen Schatzkammern, die prächtigen Stadtpaläste der Kardinäle und Kurialbeamten sowie Besitztümer der wohlhabenden auswärtigen Kaufleute und Bankiers zu plündern – damit das Ganze den Anstrich eines örtlichen Aufstands erhielte.23 Doch die Verschwörer agierten nicht schnell genug und waren wohl auch zu viele an der Zahl, wenngleich der genaue Plan vor den meisten Bewaffneten geheim gehalten wurde. Höchstwahrscheinlich hatte die Kurie bereits Wind von dem Komplott bekommen, bevor Porcari Bologna überhaupt verließ. Jedenfalls umstellte am späten Freitagvormittag, einen Tag vor dem geplanten Angriff, eine Hundertschaft päpstlicher Soldaten das in unmittelbarer Nähe der Piazza della Minerva gelegene Hauptquartier der Verschwörer. Rund siebzig bewaffnete Männer verschafften sich Zutritt zum Haus. Dort standen sich die Parteien zunächst abwartend gegenüber. Der päpstliche Kommandant wollte um jeden Preis einen offenen Kampf sowie jede Art von Skandal vermeiden. Er hoffte, alle Verschwörer verhaften und ohne großes Aufsehen vor Gericht bringen zu können. Im Laufe des Nachmittags kam es jedoch zu einigen Scharmützeln, in deren Verlauf den meisten Belagerten sowie allen Anführern der Verschwörung die Flucht gelang. Mindestens ein halbes Dutzend Männer fand dabei freilich auch den Tod. Doch noch am selben Abend wurde Porcari gefasst; ein Verräter hatte sein Versteck preisgegeben. In den nächsten Tagen folgte eine Reihe weiterer Verhaftungen. Vier der Anführer konnten aber aus Rom entkommen und gelangten bis an die Grenzen der Toskana, an den Stadtrand von Città di Castello und sogar nach Venedig, wo

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sie dann doch ergriffen und getötet wurden. Beim Verhör zeigte sich Porcari voll geständig, und am 9. Januar wurde der selbst ernannte Volkstribun, ganz in feierliches Schwarz gekleidet, an den Zinnen der Engelsburg gehängt. Am gleichen Tag erlitten zwölf Männer am Kapitol die Todesstrafe, und zwei Tage später fanden weitere Hinrichtungen statt. Sämtliche Besitztümer der Verschwörer wurden beschlagnahmt, in zwei Fällen mussten die Witwen ins Kloster gehen. Die meisten Bewaffneten, denen die Anführer das wahre Ziel der Verschwörung verschwiegen hatten, wurden verschont. Angst und Schrecken erfüllten die Kurie. Papst Nikolaus sah sich schon deshalb zum erbarmungslosen Umgang mit den Hauptverschwörern gezwungen, weil ihr Komplott die unterschwellige Antipathie zwischen der römischen Bevölkerung und der Herrschaft der Privilegierten auszunutzen drohte und deshalb möglicherweise breite Unterstützung zu erwarten gehabt hätte. Aufgrund der großen Zahl bewaffneter Reservisten in Diensten der Kardinäle und anderer Feudalherren wie der Orsini, Colonni und Savelli ohnehin oft von Gewalt erschüttert, schien Rom nicht das rechte Pflaster für die Reden gewaltbereiter Republikaner. Derartige Reden eigneten sich besser für die Republik Florenz, wo Stefano Porcaris politische Ideale geprägt wurden, inzwischen jedoch die Medici dabei waren, eben jene republikanischen Institutionen ernsthaft zu unterminieren – und dies ist die wahre Geschichte hinter dem Mordanschlag auf Lorenzo den Prächtigen und seinen Bruder Giuliano.

Aufsteig er Heiratspolitik Um seinen Einfluss in Florenz möglichst weit auszudehnen, betätigte sich Lorenzo de’ Medici als aktivster Heiratsvermittler der Stadt: Er wurde sozusagen der Pate aller Eheschließungen der Oberschicht. Solche Verbindungen zwischen den Familien waren in jener Zeit ausschließlich politisch motiviert. Männer, die im öffentlichen Leben bereits hohen Status genossen, strebten gewöhnlich nach noch mehr Ämtern und Ehren, was in Lorenzos Fall dazu führte, dass die Politik ab 1469 weit mehr von seiner Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nahm als die schönen Künste oder seine literarischen Neigungen. Doch betrachten wir genauer, was es mit dem Heiratsgeschäft auf sich hatte. Am Anfang stand gewöhnlich die Beurteilung der Mädchen. Diese Aufgabe oblag – insbesondere in der besitzenden Klasse – normalerweise den Eltern und Verwandten der heiratsfähigen Männer. Im Gegenzug behielten Eltern, die sich eine „achtbare“ Mitgift für ihre Töchter leisten konnten, die Schritte und Nachforschungen interessierter Parteien im Auge, die nach einer guten Partie für einen Sohn oder Neffen Ausschau hielten. Körperbau, Figur, Gesicht, Haut, Haar, Bewegungen, Haltung, Kleidung und allgemeines Erscheinungsbild eines Mädchens wurden genauestens unter die Lupe genommen. Schließlich sollte es Kinder gebären und war damit ein essenzielles Bindeglied bei der Weitergabe des Familienerbes von einer Generation zur nächsten.1 Wurde ein Mädchen einer solch gründlichen Musterung unterzogen, hatte es die erste Hürde freilich schon genommen. Denn diejenigen, die es so genau prüften, hatten bereits entschieden, dass seine Familie akzeptabel war, ja für den potenziellen Bräutigam womöglich sogar einen Aufstieg auf der sozialen Leiter bedeutete. Erwies sich das Mädchen nun auch in körperlicher Hinsicht als zufrieden stellend, blieb noch die entscheidende Frage der Mitgift. Die beiden Familien mussten darüber zu einer Übereinkunft gelangen: der Vater oder Vormund der Braut hinsichtlich der Vermögensmenge, die ausbezahlt wurde, um sie angemessen unter die Haube zu bringen, und Vater oder Vormund des Bräutigams hinsichtlich der Summe, die man als achtbar, angemessen oder gar Gewinn bringend erachtete. Wenn alter Adel einer Tochter die Ehe mit einem gesellschaftlich niedriger stehenden Mann erlaubte, bezahlte man weniger für sie: Gesellschaftliche Stellung ließ sich insofern in bares Geld ummünzen. Die Tat-

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sache, dass das Verhandlungsstadium bei der Frage der Mitgift angelangt war, hieß im Übrigen, dass die Familie der zukünftigen Braut mit dem Namen und den Verbindungen des betreffenden jungen Mannes einverstanden war. Männer wurden indes keiner vergleichbaren körperlichen Prüfung unterzogen. Sie wurden weder in der Kirche noch bei einer der seltenen privaten Zusammenkünfte mit scharfem Blick beurteilt und als geeignet eingestuft oder indiskutabel verworfen. Sollte Derartiges doch vorgekommen sein, was durchaus der Fall gewesen sein mag, ist uns zumindest nichts davon überliefert. Die passive Rolle der Taxierten war immer die der Frau, und ihre Vormunde waren sich darüber im Klaren. 1467 übernahm Lorenzo de’ Medicis Mutter, Lucrezia Tornabuoni, die Aufgabe, eine mögliche Schwiegertochter zu begutachten. Dies war bei reichen Bürgerfamilien damals so Sitte, doch unterschied sich ihre Mission insofern, als die Familie für Lorenzo erstmals außerhalb von Florenz auf Brautschau ging. In der Hoffnung auf eine Verbindung mit dem höchsten römischen Adelsgeschlecht, den Orsini, war sie bis nach Rom gereist. Die Orsini stellten mächtige Fürsten, hochrangige Offiziere und Geistliche und besaßen beste Beziehungen zu Militär und Papsttum. Obendrein verfügten sie, anders als ihre stärksten Rivalen, die Colonna, zu dieser Zeit über einen Kardinal. Der Wunsch der Medici nach einem starken Band zu Rom und zur Kurie ging auf Lorenzos Großvater Cosimo (gest. 1464) zurück, der schon Ende der 1450er Jahre erkannt hatte, dass die Position des Hauses Medici in Florenz nach einer äußeren Stütze in der Welt der hohen Militärs und Geistlichkeit verlangte. Dass Lorenzo 1467 erst achtzehn Jahre alt und sein Vater Piero schwer krank, ja zeitweise völlig ans Bett gefesselt war, bezeugt die Dringlichkeit des Unterfangens. Es war nämlich ausgesprochen ungewöhnlich für florentinische Männer, so früh zu heiraten. In Lorenzos gesellschaftlichen Rängen lag der Durchschnitt eher bei etwa fünfundzwanzig Jahren.2 Als Lucrezia 1467 nach Rom fuhr, um die potenzielle Braut in Augenschein zu nehmen, bezog sie bei ihrem Bruder Giovanni Logis, dem Leiter der römischen Niederlassung der Medici-Bank. Am 28. März diktierte sie, die häufig religiöse Verse verfasste, selbst aber nur höchst ungern zur Feder griff, einen Brief an ihren kranken Gatten in Florenz. Ihr Bruder schrieb für sie Folgendes nieder: Donnerstag vormittag, auf dem Weg zu Sankt Peter, begegnete ich … der Schwester des Kardinals, Maddalena Orsini, und ihrer Tochter, die etwa fünfzehn oder sechzehn Jahre zählen dürfte. Sie [das Mädchen] war nach Art der Römerinnen gekleidet, in ein weites Tuch gehüllt, und sie schien mir recht wohlgestalt in diesem Gewand, schön und hochgewachsen. Aber weil sie so sehr verhüllt war, konnte ich nicht so viel von ihr erkennen, wie ich es mir gewünscht hätte. Gestern indes machte ich bereits erwähntem Monsignore Orsini [dem Kardinal] meine Aufwartung … und nachdem ich in Eurem Namen die erforderliche Erklärung abgegeben hatte, trat zufällig seine Schwester mit dem Mädchen ein, die dieses Mal ein eng anliegendes Kleid ohne das verhüllende Tuch trug. Wir plauderten ein Weilchen, und ich hatte Gelegenheit, das Mädchen genau zu betrachten. Sie ist, wie ich bereits erwähnte, von

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ansprechendem Wuchs und Aussehen, und sie hat angenehme Manieren, wenngleich natürlich nicht so gute wie unsere [Töchter]. Doch wirkt sie überaus sittsam und bescheiden und dürfte sich rasch anleiten lassen. Sie ist nicht blond, weil man dies in dieser Region nicht findet. Ihr Haar zeigt einen rötlichen Schimmer und ist füllig. Das Gesicht selbst wirkt mir etwas rundlich, was aber nicht stört. Ihr Hals ist ansprechend schlank, wenngleich er mir ein bisschen dünn vorkommt oder, genauer gesagt, zart. Ihre Brust konnten wir nicht sehen, weil es hier üblich ist, sich sehr hochgeschlossen zu kleiden, aber was ich erkennen konnte, wirkt viel versprechend. Sie geht nicht mit stolz hoch erhobenem Haupt, wie die unseren, sondern etwas nach vorn gebeugt, was, wie ich glaube, von Schüchternheit herrührt. Sie ist wirklich ausgesprochen schüchtern. Ihre Hände sind lang und schlank. Alles in allem befinden wir das Mädchen als deutlich über dem Durchschnitt, wenngleich natürlich nicht mit Maria, Lucrezia und Bianca [ihren eigenen Töchtern] vergleichbar. Lorenzo hat sie schon gesehen, und wenn er nichts einzuwenden hat, könnt Ihr mir Bescheid geben. Ich bin sicher, was immer Ihr und er entscheidet, wird das Rechte sein, und ich werde mich Eurer Meinung anschließen. Es liegt in Gottes Hand. Das Mädchen ist die Tochter Jacopo Orsinis, des Herrn von Monte Ritondo, und ihre Mutter ist die Schwester des Kardinals. Sie hat zwei Brüder, einen in der Armee und im Dienste des hochgeschätzten Herrn Orso, der andere Priester und Subdiakon des Papstes. Sie besitzen die Hälfte von Monte Ritondo. Die andere Hälfte gehört ihrem Onkel, der zwei Söhne und drei Töchter hat. Zusätzlich zur Hälfte von Monte Ritondo haben sie drei weitere Burgen, die ihren Brüdern gehören, und ich habe Grund zu der Annahme, dass sie alle in sehr guten Verhältnissen leben und täglich reicher werden, zumal sie nicht nur mütterlicherseits Neffen des Kardinals, des Erzbischofs Napoleone und des Ritters sind, sondern auch väterlicherseits Vettern, denn dieser [der Vater des Mädchens] ist ein Cousin zweiten Grades der genannten Herren, die ihnen allen sehr zugetan sind [das heißt, sie werden viel für das Mädchen und ihre Brüder tun].

In einem zweiten Brief fügte Lucrezia am selben Tag hinzu: Wie ich Euch in dem Brief von Giovannis Hand mitteilte, konnten wir das Mädchen aus der Nähe betrachten. Es ging ohne großes Aufhebens, und wenn aus der Sache [einer eventuellen Heirat] nichts wird, habt Ihr Euch nichts vergeben, weil darüber kein Wort gefallen ist. Das Mädchen hat zwei große Vorzüge: Sie ist hochgewachsen und hellhäutig. Und auch wenn sie nicht schön ist, hat sie doch auch nicht die Züge einer Bäuerin, und sie verfügt über ein angenehmes Wesen. Findet heraus, ob Lorenzo zusagt, was er gesehen hat. Denn so viele andere Dinge sprechen für sie, dass wenn er zufrieden gestellt ist, wir es ebenfalls sein können. [Zuletzt, als sei es ihr erst nachträglich noch eingefallen:] Sie heißt Crarice [Clarice].

Mag Lucrezia sonst auch vorwiegend geistliche Verse gedichtet haben, diese Briefe zeugen von einer Frau mit viel gesundem Menschenverstand. Andererseits gingen religiöse und weltliche Gesinnung im Quattrocento häufig Hand in Hand. Obwohl sie an sich zu dem Mädchen tendierte, blieb Lucrezia zunächst distanziert. Als sie eine Woche

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später erfuhr, dass ihr Ehemann Piero ihr vorwarf, sich zu kühl über Clarice geäußert zu haben, verteidigte sie ihre unparteiische Haltung. Sobald feststand, dass Piero und Lorenzo mit dem Orsini-Mädchen einverstanden waren, zeigte auch Lucrezia offen ihre Freude und erklärte ohne Umschweife: „Ich glaube nicht, dass es derzeit in Rom [unter den Adelsfamilien] ein hübscheres Mädchen auf dem Heiratsmarkt gibt.“ Um die volle Bedeutung von Lucrezias Briefen ermessen zu können, müssen wir sie in Zusammenhang mit den Gesprächen sehen, die bereits im Familienkreis stattgefunden und jeden Aspekt der Beziehungen erörtert hatten, die die Familie Orsini nicht nur in Rom besaß. Deshalb war sie auch so bemüht, bestimmte Verwandtschaftsbande ausfindig zu machen. Die Familie Orsini besaß ein weit verzweigtes Netz von Anhängern und Freunden auf der gesamten Halbinsel. Die geplante Hochzeit mit einer Nichtflorentinerin bedeutete für Lorenzo und sein Haus einen gewagten Schritt, barg sie doch das Risiko, eine Schranke zwischen sich und allen anderen florentinischen Familien zu errichten. Trotzdem entsprach Lucrezias Beurteilung von Clarice Orsini ganz dem in Florenz üblichen Brauch, Mädchen vor der Heirat abzuschätzen. In diesem Punkt unterschied sie sich in keiner Weise von hundert anderen Patrizierfrauen der Arnostadt. Bezeichnenderweise erwähnte sie nirgends das Wort Mitgift, ein Thema, dem man in Florenz gemeinhin überragende Bedeutung beimaß. Ganz offenbar waren die Medici nicht auf Bargeld, Schmuck oder Landbesitz aus, als sie sich in den Reihen des römischen Hochadels nach einer Braut umsahen. Clarice würde ein gewisses Vermögen mit nach Florenz bringen, dazu ihr blaues Blut und die Verbindungen nach Rom. Das würde genügen. Tatsächlich belief sich ihre Mitgift schließlich sogar auf die gigantische Summe von 6000 Fiorini.3 Auch eine etwas ältere Zeitgenossin und Bekannte von Lucrezia, Alessandra Macinghi Strozzi (1408–71), wusste Mädchen und ihre Mitgift mit kühler Objektivität zu beurteilen. Allerdings spionierte sie, Tochter, Gemahlin und Mutter geschäftstüchtiger Bankherren und Kaufleute, immer in erster Linie Mitgiften aus und zählte Fiorini, als spielten Politik und Orte nur eine sekundäre Rolle. Was jedoch die Politik des sozialen Aufstiegs anging, hatte ihr eigener Vater, Filippo Macinghi, beachtliches Talent bewiesen. Zuerst heiratete er eine Tochter einer der mächtigsten Politiker- und Bankiersfamilien, der Alberti. Nach deren frühem Tod ehelichte er eine Frau aus dem Geschlecht der Ricasoli, alter florentinischer Aristokratie. Schließlich hatte seine Tochter Alessandra, ausgestattet mit der überraschend beachtlichen Mitgift von 1600 Fiorini, in den Strozzi-Klan eingeheiratet, eine der führenden Familien. Alessandra selbst, die das Vermögen für ihre im Exil befindlichen Söhne zusammenhalten wollte, gab ihren eigenen Töchtern weit geringere Mitgiften und verheiratete sie zwar ehrenhaft, aber doch immer unter ihrem eigenen sozialen Rang.4 Als Alessandra sich in den 1460er Jahren nach passenden Kandidatinnen für ihre Söhne umsah, die ihnen (und auch ihr) gefielen, musste sie die Hürde bewältigen, dass diese im Exil in Neapel lebten – verbannt, weil ihr Vater Matteo sich bei der Palastrevolution der Jahre 1433/34 den Gegnern Cosimo de’ Medicis angeschlossen hatte.

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Noch dreißig Jahre später war keine der führenden florentinischen Familien bereit, eine Tochter an Matteo Strozzis Söhne zu verheiraten, weil sich das Stigma politischer Schande weitervererbte. Sobald die Jungen volljährig wurden, hatte man auch sie ins Exil geschickt, wenngleich ein späterer Notfall Lorenzo de’ Medicis Vater zwang, den Bann gegen die Strozzi aufzuheben. Am 20. April 1465 jedenfalls schrieb Alessandra an ihren ältesten Sohn Filippo:5 Was die Frage einer Ehefrau angeht, so dünkt mir … dass wenn Francesco Tanagli uns seine Tochter überließe, dies unbedingt als ausgezeichnete Verbindung gelten würde, und von allen Aussichten, die zu meiner Aufmerksamkeit gelangten, ist dies diejenige, für die am meisten spricht. Mir gefiel der Gedanke mit dem Mädchen der [Grafen] Vernia, aber sie [ihre Familie] wirken ein wenig unbeholfen und bäuerisch … Francesco genießt einen guten Ruf. Er verfügt über eine politische Stellung, wenngleich nicht die höchste, und steht im Kreislauf [öffentlicher] Ämter. Warum er ihr erlauben würde, nach auswärts zu heiraten? Der erste Grund ist, dass es hier sehr wenige junge Männer aus guter Familie gibt, die noch dazu reich und geschäftstüchtig sind. Der zweite Grund ist die niedrige Mitgift des Mädchens – gerade einmal 1000 Fiorini, glaube ich, ein Betrag, der eher einem Handwerker entspricht. Das Manfredi-Mädchen bekommt 2000 dafür, dass sie in das Haus Pitti einheiratet, und sie ist fünfzehn, während das andere Mädchen [Francescos Tochter] siebzehn Jahre zählt. So also liegen die Dinge. Der dritte Grund, warum er sie [an einen Exilanten] weggeben würde, ist, dass er eine große Familie hat und den jungen Leuten einen guten Start verschaffen will. Nach meinem Dafürhalten ist das der Hauptgrund.

Vier Monate später sprach Alessandra in einem Brief vom 17. August noch einmal das Tanagli-Mädchen an, deren Vorname niemals genannt wird. Familie, Beziehungen und Mitgift rangierten an erster Stelle, es folgten körperliche Merkmale und Charakter. Welche Rolle spielte da schon der Name? Über die Della-Luna-Hochzeit habe ich gehört, dass die Mitgift 3000 [Fiorini] beträgt sowie 1500 in Schmuck, Kleidung und Wäsche (donora). Wenn das stimmt, dann ist er [der DellaLuna-Mann] von dem, was es ursprünglich geheißen hat, auf der Mitgift-Leiter ein ganzes Stück weit abgestiegen. Warum musste er auch in eine Klerikerfamilie einheiraten? Es geht das Gerücht, dass es ihnen [geschäftlich] gut geht, vielleicht schaffen sie es also, das Blatt zu wenden. … Ich muss noch erzählen, dass ich, als ich Sonntag früh zur ersten Morgenmesse in Santa Liperata [den Dom] ging, wie ich es jüngst verschiedentlich an Feiertagen getan habe, um das Adimari-Mädchen zu sehen, das gewöhnlich diesen Gottesdienst besucht, dort dem Tanagli-Mädchen begegnet bin! Ohne zu wissen, wer sie ist, stellte ich mich direkt neben sie und schenkte ihr meine ganze Aufmerksamkeit, denn sie schien mir von liebreizendem Wesen und gut gewachsen dazu. Sie ist so groß wie Caterina [Alessandras Tochter], womöglich sogar größer. Sie hat gute Haut, nicht so blond wie Ihr, aber sie sieht kräftig aus. Sie hat

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Aufsteiger ein längliches Gesicht und keine besonders zarten Züge, aber sie sind auch keineswegs grob. Nach ihrem Gang und ihrem Blick zu urteilen, scheint sie mir zudem alles andere als dumm. In der Tat, ich denke, wenn uns auch das andere zusagt, wäre sie kein schlechter Handel (non è da sconciare mercato), und sie würde eine achtbare Partie abgeben. Ich folgte ihr aus der Kirche, bis ich merkte, dass sie das Tanagli-Mädchen war, deshalb weiß ich jetzt ein bisschen mehr über sie. Das Adimari-Mädchen zu treffen ist mir nie geglückt. Das dünkt mir bemerkenswert, weil ich so oft zu den Plätzen gehe, die man mir genannt hat, aber sie scheint nie das Haus zu verlassen.

Alessandra erkundigte sich noch bei anderen gut informierten Leuten nach dem Tanagli-Mädchen, und alle stimmten darin überein – so schreibt sie in einem Brief zwei Wochen später –, dass „wer auch immer sie bekommt, gewiss zufrieden sein darf, da sie sich mit Sicherheit hervorragend entwickeln wird. … Ich hatte [vor zwei Wochen] kaum Gelegenheit, ihr Gesicht anzusehen, aber ich glaube, sie spürte, dass ich sie beobachtete, und von dem Augenblick an sah sie nie mehr zu mir her und verschwand [nach der Messe] flugs wie der Wind.“ Letztlich zauderte Alessandras Sohn Filippo Strozzi zu lange, und Francesco Tanagli nutzte diese Verzögerung, um sich taktvoll aus den Verhandlungen zurückzuziehen, da ihm ein Anhänger der Medici in der Zwischenzeit dringend davon abgeraten hatte, eine Verbindung mit einer Exilanten-Familie einzugehen. Stattdessen heiratete Filippo 1467, ein Jahr nach seiner Rückkehr aus der Verbannung, dann doch das AdimariMädchen, Fiammetta. Sie entstammte einem der ältesten Geschlechter der Stadt, das, ebenso wie die Ricasoli, die Pazzi und die Buondelmonti seine Wurzeln bis auf den Feudaladel zurückverfolgen konnte. Trotzdem: Die Argumentation im Fall Tanagli verrät viel über die Heiratspolitik in der florentinischen Oberschicht. Noch genauer lässt sich das Ganze in den Briefen von Alessandras Schwiegersohn verfolgen, des ehrgeizigen und gebildeten Marco Parenti. Er setzte sich mit ungewöhnlichem Engagement und Beharrlichkeit für sie und ihre Söhne ein, sowohl bei den Eheverhandlungen als auch dadurch, dass er jahrelang den Medici-Kreis zu überzeugen suchte, den politischen Bann gegen die Strozzi aufzuheben. Ein längerer Auszug aus einem Brief, den er am 27. Juli 1465 an seinen Schwager Filippo nach Neapel schickte, mag als Beispiel dienen. Hier Parentis Worte:6 Nach reiflicher Überlegung stimme ich nun [deiner Mutter] zu und rate dir, den Entschluss zur Heirat zu fassen. Wir haben ganz Florenz inspiziert und zwei Szenarien aufgestellt: Einmal angenommen, du wärst hier [und nicht im Exil in Neapel], und einmal so, wie die Dinge tatsächlich liegen. Wärst du hier, und wir hätten [gesellschaftlich wie politisch] Zugang zu den höchsten Kreisen, gäbe es vier Möglichkeiten, zwei davon in der Familie Pitti beziehungsweise der Familie Pandolfini … Die beiden anderen wären [in den Familien von] G. Canigiani und Messer Piero de’ Pazzi, doch diese [Mädchen] sind recht durchschnittlich. Es gibt noch weitere gute Familien, aber auch die haben nur gewöhnliche oder sogar derbe

Heiratspolitik (rustice) Züge und durchschnittliche Mitgift. … Was mögliche Ehefrauen angeht, ist das Angebot zur Zeit dürftig, deshalb musst du Geduld haben. Da es nun aber sein muss, werden wir versuchen, das Beste daraus zu machen. Im zweiten Fall gehen wir von der tatsächlichen Lage aus [Filippo Strozzi im Exil in Neapel]. Schauen wir uns die Art [Mädchen] an, die nicht in Frage kommt, und die Art, die dann noch bleibt. Erstens müssen wir alle oben Erwähnten vergessen [ganz offensichtlich können wir sie nicht haben]. Zweitens scheiden alle großen Mitgiften von Leuten aus, die gewöhnlichen oder niederen Standes sind (gran dote rustiche e ignobile). Das heißt, uns blieben vornehme und schöne Mädchen mit geringer Mitgift, wenn es denn solche gäbe. Da das leider nicht der Fall ist, müssen wir uns unter denen umsehen, die möglichst wenig nach Bauern aussehen, auch wenn sie nicht schön sind, und selbst davon gibt es nur so wenige, dass du überrascht sein würdest. In der Familie Rucellai gibt es ein Mädchen, das uns nicht sonderlich anspricht, und mit uns meine ich deine Mutter und Schwestern und andere Verwandtschaft. Domenico Borghini hat eine [Tochter], die uns noch weniger gefällt. Möglicherweise gibt es weiter unten [auf der sozialen Leiter] noch andere, die wir nicht kennen, aber diejenigen, die wir kennen, sind schlichtweg indiskutabel, deshalb zähle ich sie gar nicht mit. Ansprechend erscheinen uns zwei Töchter des kürzlich verstorbenen Donato … Adimali [Adimari] und einer Mutter aus der [vornehmen] Familie Vernia, die jetzt in Bologna verheiratet ist. Man sagte uns, beide hätten je 1500 Fiorini Mitgift und sie haben keine Brüder, also nehmen wir an, dass sie nicht versuchen werden, diesen Betrag zu kürzen. … Dann bleibt noch eine Tochter von Francesco … Tanagli. Er will nicht zu viel ausgeben, und ich bin mir sicher, dass wir das Mädchen bekommen können, aber wir fürchten, dass die [geringe] Mitgift das Ganze verderben könnte. Du hast mein Wort, dass wir alle erdenkliche Mühe aufwenden, um deinen Ansprüchen gerecht zu werden, aber wenn wir diese beiden [Möglichkeiten] verstreichen lassen, beim besten Willen nicht wüssten, wohin wir uns sonst noch wenden sollten. Trotzdem haben wir Sorge, dass die große Mitgift der einen unsere Chancen mindert [da dadurch auch andere angelockt werden], und wir wissen noch nicht einmal, ob du ihnen [den Vormunden der Adimari-Schwestern] überhaupt akzeptabel erscheinst. Und wir befürchten, dass die geringe Mitgift der anderen uns diesen Weg blockiert, obwohl wir wissen, dass du ihnen genehm wärst. … Die Adimari sind vornehmer als die Tanagli, aber sie [die Schwestern] haben keine enge Verwandtschaft, keinen Vater und keine Brüder – zwar zahlreiche Onkel und Vettern, das schon, doch diese sind Männer ohne große Bedeutung (omacci). Andererseits hat dieser Nachteil zugleich den Vorteil, dass du dir keine Gedanken über sie machen müsstest. Die andere [die Tanagli-Möglichkeit] ist das genaue Gegenteil: Sie sind zwar keine große Familie, aber sehr alt und von gutem Blute, und dieser Zweig stammt von Rittern ab. Der Vater des Mädchens ist so alt wie ich [fünfundvierzig], ein Mann von großem Ansehen, ein guter Redner, freundlich und mit ausgezeichneten Umgangsformen. Er genießt einiges Ansehen im öffentlichen Leben, verfügt über eine angemessene Zahl von Verwandten, allesamt hoch geachtete Männer, und seine Schwester ist mit Antonio … Alessandri [eine der ersten Familien] verheiratet. Seine eigene Frau stammt von den Guidetti ab, einer bekannten Familie von großem Wohlstand. Die Schwester seiner Frau

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Aufsteiger ist mit Messer Antonio Ridolfi verheiratet [eine Schlüsselfigur in der Medici-Oligarchie. Er war derjenige, der Francesco Tanagli später davon abriet, seine Tochter mit einem Strozzi zu verehelichen]. Und er hat zahlreiche weitere achtbare und würdige Verwandte. Sein Bruder ist der Gatte von Francesco Vettoris Tochter etc. Er hat zwölf Kinder, sechs Jungen und sechs Mädchen. … Als ich ihn hinsichtlich der Mitgift befragen wollte, winkte er ab, fragte stattdessen, ob alles andere zu unserer Zufriedenheit wäre, und deutete an, dass er sich hinsichtlich der Mitgift auf mein Urteil und meine Diskretion verlassen möchte. So also liegen die Dinge. Jetzt ist es an dir, die Sache abzuwägen und uns deine Meinung wissen zu lassen. Das Mädchen ist so groß wie unsere Caterina, hat aber eine bessere Figur. Auch ihre Haut ist gut. Ihr Gesicht ist nicht … [das einer großen Schönheit], aber es hat auch nichts Abstoßendes. Sie hält sich gut und hat ein angenehmes Wesen. … Wenn diese Kandidatin in Frage kommt, gib uns Nachricht, wie weit du bei der Mitgift herunterzugehen bereit wärst.

Was ist diesem Brief noch hinzuzufügen, der so beredt für sich selbst spricht? Der im Exil in Neapel befindliche Strozzi hatte allem Anschein nach nach einem hübschen Mädchen verlangt. Der Verfasser des Briefes, Parenti, besaß beste Kontakte in allen Schichten der florentinischen Gesellschaft, konsultierte aber wohl auch gut informierte Heiratsvermittler (sensali). Er achtete sehr genau auf gesellschaftlichen Stellenwert. Emporkömmlinge und Neureiche wurden verächtlich abgewiesen. Geld spielte eine Rolle, durchaus, aber es musste ein gewisses Alter haben. Die entscheidenden Punkte waren Leumund, erstklassige politische Verbindungen und eine Familie mit weit zurückreichendem Stammbaum. Waren diese Voraussetzungen erfüllt, kam es darauf an, dass das Mädchen über schickliches Auftreten, ein angenehmes Wesen, gutes Aussehen und eine angemessene Mitgift verfügte. Für jemanden, der im politischen Exil weilte, dürfte – zumal in Anbetracht des beschränkten Heiratsmarktes – eine Verbindung mit Francesco Tanaglis Tochter am attraktivsten gewesen sein, eben wegen der wertvollen einflussreichen Beziehungen des Vaters. Und während sich die führenden Familien einstmals nach Eheverbindungen in der nächsten Nachbarschaft umgesehen hatten, war mittlerweile die ganze Stadt zum „Revier“ geworden.7 Ich habe dieses Kapitel „Aufsteiger“ genannt. Doch welche weiteren Aufstiegsmöglichkeiten bestanden eigentlich noch für Familien wie die Medici oder Pazzi, die bereits den Gipfel der gesellschaftlichen Hierarchie erreicht hatten?8 Nun war der Platz an der Spitze noch nie sicher, auch nicht im Florenz der Renaissancezeit, und zudem konnte einen das Gefühl, ganz oben zu stehen, auch trügen. Selbst in Venedig, wo die Inhaber der höchsten Ämter aus alten Familien eine eigene geschlossene Adelskaste bildeten, kam es innerhalb dieser Schicht immer wieder zu erbittert geführten Machtkämpfen. Eine Heirat bot in den höheren Kreisen der italienischen Stadtstaaten stets Gelegenheit zur hierarchischen Neuordnung von Familien und Einzelpersonen. Es war dies der Augenblick im Leben von Männern und Frauen, in dem sie ihren exakten sozialen Sta-

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tus definierten, da sie hinsichtlich Vorfahren, gesellschaftlichem Hintergrund, gegenwärtiger und zukünftiger Erwartungen neu eingestuft wurden. Indem sie A anstelle von B als Ehepartner wählten beziehungsweise für eine bestimmte Verbindung ausgewählt wurden, gaben die beteiligten Parteien ein Statement darüber ab, wo auf der sozialen Leiter sie sich gerade befanden. Eine Eheschließung war der passende Anlass zum Austausch von Namen und Vermögen zwischen den Generationen. Sie band Individuum und Familie in ein System ein, das Hierarchie, Rang und gesellschaftliche Beziehungen definierte. Was man darstellte, die Identität, nahm in dem Moment der Einstufung feste Gestalt an. Alles andere wurde zu unwesentlichen Einzelheiten degradiert. Über all dies waren sich Alessandra Strozzi, Lorenzo de’ Medicis Mutter und natürlich auch Marco Parenti durch jahrzehntelange Konditionierung instinktiv im Klaren. Der Aufstieg von Parentis Familie begann um das Jahr 1400. In seinem Brief nimmt er die zum Teil auf persönlichen Eindrücken basierende Einschätzung der beiden Frauen auf und erstellt daraus eine Soll-und-Haben-Rechnung. Sämtliche Möglichkeiten werden aufgelistet und dann der Reihe nach abgehandelt, während er auf eine praktische Lösung hinarbeitet. Dabei verliert er niemals Filippo Strozzis Wünsche aus den Augen, behält aber auch die realen Chancen im Blick, denn im Florenz dieser Zeit waren Heiratsverhandlungen ein knallhartes Geschäft. Jedenfalls wurde mit sämtlichen Illusionen aufgeräumt, und es lag klar sichtbar vor Augen, wen und was jede(r) Einzelne darstellte. Dies soll nun freilich nicht heißen, dass gesellschaftlicher Aufstieg unmöglich gewesen wäre. Tatsächlich fand er fast unentwegt statt, und politisch wie finanziell herrschte ein ständiges Auf und Ab. Alte Familien verloren ihr Vermögen, ihren Rang und ihre guten Heiratsaussichten. Zu viele Töchter und damit Mitgiften konnten ein Haus in den Ruin treiben. Und ohne die beispielsweise in England übliche Primogenitur, wonach sämtlicher Grundbesitz (oder zumindest der Löwenanteil des Erbes) an den ältesten Sohn fiel, konnten auch zu viele Söhne ein Vermögen zunichte machen. Einmal aufgesplittet, war das Geld rasch aufgebraucht – es sei denn, einer oder mehrere der Söhne konnten die Zerschlagung durch Gewinne aus florierendem Handel oder Bankgeschäften auffangen. Marco Parentis snobistischen Anmerkungen zum Trotz kam es also sehr häufig vor, dass Neureiche in alte Familien einheirateten und bald auch in der Politik die Fäden in der Hand hielten. Eine Familie ohne Söhne durfte kein öffentliches Amt bekleiden, verlor folglich ihre politische und gesellschaftliche Stellung. Traf eine einzige Generation unkluge Entscheidungen, konnte dies das Ende bedeuten. Worauf es ankam, war immer der politische Rang, denn wer in Florenz ein hohes Amt innehatte, konnte wahre Wunder wirken. Er flößte anderen Furcht ein. Er ermöglichte interessante Heiratsangebote. Und er verlieh dem Träger echte Macht.9 Viel ist hier die Rede von alten Familien und neuem Geld. Was aber war damals alt, was neu? Die vornehmsten florentinischen Geschlechter erhoben den Anspruch, adliger Herkunft zu sein, und führten ihre Stammlinien ins 11. oder 12. Jahrhundert zurück. Zu

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ihnen gehörten beispielsweise die Familien Uberti, Guidi, Tornaquinci, Ricasoli, Pazzi, Buondelmonti und Adimari. Im Laufe der Zeit verbanden sich einige dieser Häuser durch Handel und Bankgeschäfte. Einige Kaufmannsfamilien konnten ihren Ursprung in das späte 12. oder frühe 13. Jahrhundert datieren. Für die namhaftesten und glanzvollsten „bürgerlichen“ Linien, die Strozzi, Albizzi und Medici etwa, begann der Aufstieg jedoch im ausgehenden 13. Jahrhundert, als sie als Zunftvorsteher („Prioren“) in die neue Stadtverwaltung, die Signoria, gewählt wurden. Nun konnten sie wirtschaftlichen Erfolg mit politischer Macht verbinden, und von diesem Zeitpunkt war ein Platz auf den obersten Sprossen der sozialen Leiter stets mit einer Union aus Reichtum und hohen politischen Ämtern verbunden. Lediglich eines von beidem reichte niemals aus, die Zugehörigkeit zur Oberschicht zu sichern. Florentiner, die erst nach der schlimmen Pestepidemie von 1348 zu Geld und Stand gekommen waren, galten im 15. Jahrhundert als „neureich“, insbesondere dann, wenn sie ursprünglich einer Zunft entstammten, bei deren Arbeit man sich die Hände schmutzig machte. Im Verlauf ihres politischen Aufstiegs setzten natürlich auch die Pazzi auf vorteilhafte Verbindungen. Andrea, der Begründer des Familienvermögens, ehelichte die Tochter des prominenten Politikers Jacopo di Alamanno Salviati. Seine drei Söhne – Messer Jacopo, Antonio und Messer Piero – heirateten in die Familien Serristori, Alessandri und Giugni ein. Die Alessandri und die Giugni bekleideten regelmäßig hohe Ämter, und die Serristori zählten damals zu den zehn reichsten Häusern der Stadt. Später sollten drei Enkelinnen in führende politische Familien einheiraten – die Martelli, die Niccolini und in eine Nebenlinie der Medici. Andreas Enkel Guglielmo nahm Bianca de’ Medici zur Frau und wurde dadurch ein Schwager des magnifico Lorenzo. 1478 jedoch fand dieser gesellschaftliche Höhenflug ein abruptes Ende.10 Bevor sich Piero de’ Medici im römischen Adel nach einer Gemahlin für seinen Sohn Lorenzo umtat, hatte er sich gewiss gründlich umgehört. Er folgte dem Rat seines eigenen Vaters, des brillanten Strategen Cosimo, des mailändischen Gesandten in Florenz, Nicodemo Tranchedini, sowie seines Schwagers und Leiters der römischen Niederlassung der Medici-Bank, Giovanni Tornabuoni, der auch die ersten diskreten Nachforschungen in diese Richtung angestellt hatte. Die führende Familie von Florenz sah sich nach einer Allianz mit einer ebenbürtigen Familie in Rom um – die Verbindung war also durchaus angemessen. Und trotzdem bedeutete es einen Aufstieg für die Medici. Cosimo hatte 1444 Sorge getragen, dass Piero in die alte florentinische Familie Tornabuoni einheiratete, Kaufleute und Bankiers zwar, aber doch eine Nebenlinie der ehrwürdigen Tornaquinci. Und Lucrezia Tornabuoni brachte nur eine magere (in Alessandra Strozzis Worten) „Handwerker“-Mitgift in Höhe von 1009 Fiorini mit in die Ehe. Mit seiner Entscheidung für Lucrezia als Schwiegertochter hatte Cosimo einer starken und zuverlässigen politischen Bindung den Vorrang gegeben; der reichste Mann von Florenz hatte es schließlich nicht nötig, Fiorini zu zählen.11 Piero sollte jedoch der letzte männliche Medici seiner väterlichen Stammlinie sein, der in „Geschäfte“ und eine alte florentinische Familie einheiratete. Um ihre gesell-

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schaftliche Stellung noch weiter auszubauen, sollten Medici-Männer von nun an die Verbindung mit Fürstenhäusern aus anderen Städten suchen. Oder sie sollten Kardinäle und Päpste werden.

In Bankierskreisen Der Aufstieg der Medici verlief ähnlich dem vieler anderer florentinischer Familien. Aus dem dicht besiedelten Hinterland von Florenz kommend, zogen sie im 12. Jahrhundert in die wirtschaftlich blühende Stadt und ließen sich als Geldwechsler und -verleiher nieder. Außerdem waren sie mit großer Wahrscheinlichkeit auf dem zwar hoch spekulativen, zu dieser Zeit aber ungemein lukrativen Immobilienmarkt tätig. An der Wende zum 14. Jahrhundert hatten sich die Medici – inzwischen auf mehrere Haushalte angewachsen – jedenfalls einen Namen als dynamische „Bürgerliche“ (popolani) gemacht und standen im Streit zwischen den beiden führenden Parteien der Stadt auf Seiten der konservativeren „Schwarzen“. Da sie sich in der Welt politischer Tumulte und Massenverbannungen ganz offensichtlich zu Hause fühlten, sagte man ihnen Gesetzeswidrigkeiten nach, und dieser Ruf blieb bis zum Ende des Jahrhunderts haften. Im Jahr 1400 wurden die Medici für zwanzig Jahre in die politische Verbannung geschickt; nur ein Zweig der Familie durfte bleiben. Dessen Oberhaupt war der aufstrebende Bankier Giovanni di Averardo, besser bekannt als Giovanni di Bicci.12 Schon vorher hatten die Medici freilich ihren Namen in die Annalen der Stadt eingebracht und eine beeindruckende Zahl von Amtszeiten im obersten Gremium der Stadt, dem neunköpfigen Rat der Prioren, vorzuweisen. Nur acht bis zehn andere Familien, unter ihnen die Strozzi und die Albizzi, konnten im 14. Jahrhundert diesbezüglich mit einer noch höheren Quote aufwarten. Trotzdem scheinen die florentinischen Regierungen die Medici kaum jemals zu wichtigen Beratungen hinzugezogen zu haben, und sie wurden auch nie auf diplomatische Missionen geschickt. Höchstwahrscheinlich schwächte ihr – teils auf tatsächlichen Verbrechen basierender – Ruf, notfalls auch auf Gewalt zurückzugreifen, ihre potenzielle politische Einflussnahme. Andererseits war Florenz damals ein ungleich gesetzloserer und unruhigerer Ort als zu Zeiten Lorenzos, und seine Vorfahren konnten Heiratsbande mit den Häusern Cavalcanti, Donati und Falconieri knüpfen, allesamt wesentlich älter und achtbarer als sie selbst. Die Patina der gentilezza brauchte eben nur etwas Zeit. Energie, politischer Ehrgeiz und finanzieller Erfolg bildeten das Fundament der Medici-Dynastie und sollten ihre Zukunft prägen. Dem Historiker Gene Brucker, der sich mit der Frühzeit des Hauses befasste, fiel bei der Durchsicht verschiedener Testamente auf, dass die Mitglieder der Familie häufig versuchten, Schuldgefühle und Angst um ihre unsterbliche Seele durch großzügige Spenden an die Kirche und wohltätige Organisationen abzubauen. Sie bezweckten damit eine Art Absolution für ihre „unrechtmäßig erworbenen“ Gewinne. De facto bekannten sie sich damit Kredithai-

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praktiken von solcher Größenordnung schuldig, dass sie dem damaligen Glauben zufolge die Unsterblichkeit der Seele bedrohten. Der Bankier Giovanni di Bicci (1360–1429), der den Reichtum der Familie begründete, war der Urgroßvater Lorenzos des Prächtigen. Vom Lehrburschen in der Firma eines Vetters vierten Grades, Vieri di Cambiozzo („Großer Wechsler“) de’ Medici, der eines der größten Bankhäuser seiner Zeit besaß, arbeitete sich Giovanni zum Teilhaber hoch und konnte an der Seite Vieris beträchtliche Erfolge verbuchen. 1393 machte er sich selbstständig, nahm selber einen Juniorpartner auf und verlegte 1397 den Firmenhauptsitz nach Rom. Jahrelang hielt er sich politisch im Hintergrund und lebte ganz unauffällig, eröffnete aber nach und nach Filialen in Florenz, Venedig und Neapel, bis er – hauptsächlich durch Einziehen päpstlicher Steuern im Ausland, clevere Devisengeschäfte und das Vorstrecken von Geldern an den Papst – ein riesiges Vermögen angehäuft hatte. In den letzten Jahren des Schismas und des Ringens dreier Päpste wurde er der Bankier eines alten Freundes, Papst Johannes XXIII. (1410–15), scheint jedoch auch nach Johannes’ Degradierung zum Gegenpapst keine Einbußen erlitten zu haben. Die Geschäfte florierten vielmehr, und schließlich eröffnete Giovanni auch noch eine Niederlassung in Genf, dem damals wichtigsten Finanzplatz nördlich der Alpen.13 Die Gabe, auswärts rasch Freundschaften zu schließen und zu Hause ein weit reichendes Netz eifriger Anhänger zu gewinnen, sowie immenser Reichtum begründeten den Einfluss der Medici auf die florentinische Regierung. 1427 hatte es Giovanni di Bicci, der bereits 1402 zu den fünfzig größten Steuerzahlern der Stadt zählte, zum reichsten Mann von Florenz gebracht, das in jenen Jahren mit seinen mehr als siebzig internationalen Bankhäusern als das Finanzzentrum ganz Westeuropas galt. Offiziell gehörte der Spitzenplatz dem namhaften Grundbesitzer Palla di Nofri Strozzi – Amateurgelehrter, Ritter und, auch er, Bankier, mit einem Nettovermögen von 101.422 Fiorini. Doch rechnet man das Vermögen der beiden Söhne, Kaufleute und Bankiers, des berüchtigten „Wucherers“ von Pistoia, Bartolomeo Panciatichi zusammen, stand der oberste Rang diesen zu, da sie über ein Nettovermögen von 127.000 Fiorini verfügten. Jahre später gab Lorenzo freilich an, der wahre Wert von Giovanni di Biccis Besitz in den 1420er Jahren habe bei 180.000 Fiorini gelegen, und Raymond De Roover, moderner Forscher in Sachen Medici-Bank, hält diese Zahl für durchaus plausibel. Tatsächlich schuldete die florentinische Regierung im August 1432 der Medici-Bank 155.887 Fiorini, die sie in den zurückliegenden zwanzig Monaten aufgenommen hatte – wenngleich anzunehmen ist, dass ein Teil dieses Kapitals den Anlegern der Bank gehörte.14 Parteienhader war in Florenz an der Tagesordnung. Ende der 1420er Jahre, als die Stadt wieder einmal in zwei Lager gespalten war, unterstützte Palla Strozzi die Seite der Medicigegner. Nach dem Triumph des Medici-Clans wurde er 1434 auf Lebenszeit aus der Stadt verbannt. Damit nicht genug, versuchte die neue Regierung, ihn mittels gezielter Besteuerung, Geldstrafen und Konfiszierung von Grundbesitz auch noch seines Vermögens zu berauben. Die Vernichtung der Gebrüder Panciatichi wurde noch gründlicher betrieben. Sie, die als „Außenseiter“ ohnehin keine feste politische Stellung

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in Florenz innehatten, über Heiraten mit vielen „Verlierer“-Familien verbunden waren und bereits ruinös hohe Steuern zahlten, wurden samt ihren Erben mit einer derart hohen Grund- und Vermögensteuer belegt, dass sie schließlich bankrott gingen. Entweder flohen sie aus Florenz und vor dessen Steuereintreibern, oder sie nahmen bei anderen Familien Gastfreundschaft in Anspruch, wenn sie sich nicht in ihrem eigenen Haus (wo man damals wegen Steuerschulden nicht verhaftet werden konnte) verschanzten und teils in erbärmlichen Verhältnissen lebten.15 Wie Lorenzo später bemerken sollte, barg in Florenz Reichtum allein – ohne Ämter und politische Befugnisse – immer die Gefahr, finanziell und gesellschaftlich ausgelöscht zu werden: eine Lektion, die die Medici stets im Gedächtnis behielten.16 Nach dem Tod Giovanni di Biccis 1429 erwarteten seinen Sohn Cosimo de’ Medici (1389–1464) schwere Zeiten. Die florentinische Oberschicht war bis aufs Blut verfeindet. Krieg, exorbitante Steuern und der Aufstieg von „Newcomern“ in die höchsten politischen Ämter hatten die Politikerriege gespalten. In seinen späteren Jahren hatte selbst Giovanni di Bicci seinen zurückgezogenen Lebensstil aufgeben und eine führende Rolle in der Politik einnehmen müssen. Doch für Cosimo standen 1429 die Sorge um die immensen Reichtümer der Familie und die Bankgeschäfte an erster Stelle.17 Zunächst wurde er in die besonderen Geheimnisse des Bankwesens eingeweiht, bei dem Gewinne geschickterweise weniger über Zinseinnahmen (die als „Wucher“ galten) als vielmehr mit Wechselgeschäften erzielt wurden, insbesondere dem Transfer von Geld von einem Ort zum anderen oder aber zwischen Personen. Mit anderen Worten: Zinsen wurden häufig als Entgelt für das „Risiko“ realer oder angeblicher Geldbewegungen deklariert. Und hierin erwies sich Cosimo, ebenso wie sein Vater, als wahres Genie. Unter seiner Führung entstand ein wahres Imperium: Neben den größeren Niederlassungen eröffnete er Filialen in Ancona (1436), Brügge (1439), Pisa (1442), London (1446), Avignon (1446) und schließlich Mailand (1452/53). Eine solche Ausweitung des Umfangs der Bankgeschäfte vervielfachte die Möglichkeiten für echte Transaktionen und Gewinnmaximierung. Die Einnahmen aus der römischen Niederlassung sanken um die Hälfte, doch wurde dieser Rückgang durch Gewinne in Venedig und Genf sowie Einkünfte aus den neuen Filialen mehr als wettgemacht. Wegen Lücken in den Unterlagen nach 1435 lässt sich der Gesamtgewinn der Bank unter Cosimo nicht mehr nachvollziehen, doch man weiß, dass er bis etwa 1450 sein bereits gewaltiges Erbe deutlich vergrößert hatte. Seine Steuererklärungen geben, ebenso wie die seines Vaters, nur sehr unzuverlässig Auskunft über seine tatsächlichen Einkünfte. 1458 beispielsweise hatte er in der Mailänder Filiale Kapital in Höhe von 13.500 Fiorini, doch erscheint dieser Betrag in seiner Steuererklärung dieses Jahres nur mit 3000 Fiorini.18 Gewiss glaubte Cosimo sich im Recht, wenn er den Behörden gegenüber falsche Angaben machte. Das war in Florenz damals gängige Praxis. Hinzu kam, dass das internationale Bankwesen in ständigem Wandel begriffen war und die großen florentinischen Häuser an Boden verloren. Waren es in den 1420er Jahren noch 72 gewesen,

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gab es 1470 gerade noch 33, sieben oder acht mussten allein Mitte der 1460er Jahre schließen. Selbst Cosimo hatte einige zweifelhafte Geschäfte getätigt, was ihn angesichts seines ansonsten so sicheren Instinkts gewiss geärgert haben dürfte. Die Probleme traten schon kurz nach seinem Tod offen zutage. Die Zweigstellen in London und Venedig standen kurz vor dem Zusammenbruch, Mailand hatte gefährlich überzogen, und Lorenzos Vater, der kränkliche Piero, der 1464 die Leitung der Bank übernahm, sah sich gezwungen, Kredite zu streichen oder auswärtige Klienten und Anhänger zu vergällen. Als der Herzog von Mailand, Cosimos alter Freund Francesco Sforza, 1466, zwei Jahre nach dem Bankier, starb, hinterließ er bei den Medici Schulden in Höhe von 115.000 Dukaten, die völlig unzureichend gedeckt waren (einige verpfändete Schmuckstücke und eine begrenzte Beteiligung an den Steuereinkünften durch den mailändischen Salzhandel). Noch vor Ende des Jahres 1467 waren diese Schulden auf 179.000 Dukaten angewachsen. Der gewiefte Bankier hatte sich auf das gefährliche Spiel eingelassen, Darlehensvergabe und Machtpolitik miteinander zu mischen, und war gescheitert. So hatte er die Filialen in Ancona und Mailand zumindest teilweise deshalb eingerichtet, um Sforza zu helfen – offenbar in der Voraussicht, irgendwann auf die Truppen des erfahrenen Militärs zurückgreifen zu müssen.19 So genial Cosimo auch gewesen sein mag – sein Sohn Piero erbte ein kränkelndes Imperium. Und obwohl er bereits als Bub mit Buchführung vertraut gemacht worden war, besaß er kaum praktische Erfahrung im internationalen Bankwesen. Die Folge? Genauso wie später Lorenzo blieb auch ihm keine andere Wahl, als sich auf die Wechselfälle der Politik und den Rat der Niederlassungsleiter zu verlassen, die ihrerseits Mühe hatten, den im Wandel befindlichen Finanzmarkt zu begreifen. Hinzu kam, dass man viel zu häufig an die Geldnöte perfider oder verantwortungsloser Fürsten gebunden war. Und um das Maß voll zu machen, sah sich Piero 1465/66 mit einer der schlimmsten politischen Bedrohungen konfrontiert, mit denen die Medici jemals zu kämpfen hatten. Er war schwer krank, litt ständig Schmerzen, hatte keine vier Jahre mehr zu leben, und sein Sohn Lorenzo war gerade einmal siebzehn Jahre alt. Obwohl die weiter entfernten Niederlassungen der Bank in erheblichen Schwierigkeiten steckten, wurden an der Spitze der Oligarchie in Florenz zunehmend Stimmen laut, die das Ende der strikten politischen Kontrollen forderten, die die herrschende Schicht in den letzten dreißig Jahren eingeschränkt hatten. War es da nicht unumgänglich, dass die Bankgeschäfte hinter der Politik zurückstehen mussten?20

Eine Lektion in Sachen Politik Unsere Geschichte beginnt mit dem lukrativen Geschäft der Söldner: Krieg, dem kostspieligsten aller öffentlichen Unternehmen. Kostspielig, weil die Anwerbung von Soldaten die Regierung unmittelbar in Schulden stürzte und die Last zusätzlicher Steuern brachte; und ärgerlicherweise noch Zwietracht schürend dazu, weil höhere Steuern zu

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immer heftigeren Differenzen innerhalb der regierenden Parteien und Auseinandersetzungen darüber führten, welche Männer wohl am besten geeignet seien, unter solch widrigen Umständen ein öffentliches Amt zu bekleiden. Die ganze florentinische Gesellschaft war von sozialen Eifersüchteleien durchzogen und gierte nach der Kriegsbeziehungsweise Amtsausbeute.21 Wir befinden uns im Florenz der 1420er Jahre, jenem Jahrzehnt, in dem die Medici erstmals nach der Macht griffen. Krieg mit Mailand und ein gescheiterter Versuch, sich die kleine Nachbarrepublik Lucca mittels Waffengewalt einzuverleiben, machten die Stadt anfällig für politische Unruhen. Die Steuern stiegen, die Gemüter waren erhitzt, und im Zuge der allgemeinen Verunsicherung sammelte sich ein Kreis von „Newcomern“ um Giovanni de’ Medici und seinen Sohn Cosimo, deren Reichtum und Sachverstand hinter den Kulissen auch Männer aus den vornehmsten Familien anzogen. Eine Trennung nach Klassen war, oberflächlich jedenfalls, nicht erkennbar. Dennoch schlossen sich – wohl unter dem Gefühl drohenden Unheils – angeführt von Niccolò da Uzzano, Rinaldo degli Albizzi und Ridolfo Peruzzi einige der mächtigen alten Familien zusammen und versuchten, die Stadt einer strengeren Herrschaft der alten Häuser zu unterwerfen. Kurz: Medici-Geld, größtenteils durch Geschäfte außerhalb der Arnostadt erwirtschaftet, störte nun das politische Gleichgewicht zwischen den herrschenden Familien.22 Im Frühling des Jahres 1433, Florenz hatte gerade einen Frieden mit Lucca ausgehandelt, ahnte Cosimo, den Kriegsanleihen zum Helden gemacht hatten, bereits die bevorstehende Krise. In aller Stille transferierte er Ende Mai eine große Summe und gab an die 9000 Fiorini in die Obhut einiger Mönche, deren Gunst er sich zuvor versichert hatte. Weitere 15.000 Fiorini überwies er an seine Niederlassung in Venedig, und 10.000 Fiorini in Form florentinischer Staatsanleihen verkaufte er an die Medici-Filiale in Rom. Damit war er für einen Aufruhr gewappnet. Und als eine neue Gruppe von Prioren im September ihr Amt antrat, brach der Sturm tatsächlich los.23 Unter dem Vorwand, seinen Rat einholen zu wollen, ließ die neue Signoria ihn in den Regierungspalast rufen, wo er ohne Vorwarnung verhaftet wurde. Da er fürchtete, vergiftet zu werden, war er auch selbst gewaltbereit und hoffte, dass seine Freunde und Verbündeten einen Staatsstreich anzetteln würden. Doch entgegen den Wünschen seiner Hauptfeinde entschieden sich die Prioren für Milde und schickten ihn sowie verschiedene andere Mitglieder seiner Familie für zehn Jahre in die Verbannung – zuerst nach Padua und kurz darauf nach Venedig. Bezeichnenderweise wurden noch zwei weitere Männer, die nicht zur Familie gehörten, ebenfalls verbannt: ein Ritter aus der altehrwürdigen Familie Acciaiuoli und Puccio Pucci, ein tatkräftiger Newcomer. Ein Jahr später sollten Cosimos Feinde unisono seufzen: „Hätten wir ihn doch nur umgebracht!“ Ihnen fehlte sowohl das Organisationstalent als auch der rücksichtslose Realitätssinn der Medici-Clique. Jede Regierung hatte das Amt schließlich zwei Monate inne und wurde dann von einem neuen Gremium abgelöst. Für Kontinuität in der Politik sorgten zwei beratende Ausschüsse mit zwölf beziehungsweise sechzehn Mit-

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gliedern sowie die durchgängige Praktik, führende Bürger zu den Beratungen hinzuzuziehen. Merkwürdigerweise versäumten es die „Aristokraten“ nach der Verbannung Cosimos, die Wahlen der nachfolgenden Priorengremien zu manipulieren. Und ein Jahr später, am 1. September 1434, wurde prompt eine Medici-freundliche Signoria vereidigt, die „durch Losentscheid“ ins Amt gekommen war. Mehrere aristokratische Anführer stellten einen Antrag auf bewaffneten Widerstand und griffen einen Tag lang selbst zu den Waffen, verloren dann aber den Mut, zogen sich zurück und wurden überwältigt. Cosimo und sein Bruder kehrten am 6. Oktober triumphal zurück, und der für die innere Sicherheit verantwortliche achtköpfige Wachausschuss, die Otto, leiteten die erwarteten Vergeltungsmaßnahmen ein. Bald darauf wurden 106 Männer aus der Stadt verbannt, und mehr als achtzig entzog man das Recht auf ein öffentliches Amt, jenen außerordentlich wichtigen Indikator gesellschaftlicher Stellung. In einer Welle von Ausweisungen, die bis 1439 andauerte, wurde die gesamte Medici-feindliche Führung sowie ihre tatkräftigste Anhängerschaft von der politischen Bühne entfernt. Unbedeutendere Mitglieder der entsprechenden Zirkel, die der Verbannung entgangen waren, verstummten. Gegen viele der über zweihundert Männer, die aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen worden waren, wurden zudem Geldbußen verhängt, und sie wurden sämtlich Opfer gezielter ruinöser Besteuerung. Der Zeitgenosse Benedetto Dei notierte, dass, die Familien der Exilanten mit eingerechnet, allein 1434 und 1435 rund fünfhundert Menschen die Stadt verließen. Zwar mussten die Urteile hinsichtlich Verbannung und Aberkennung der politischen Rechte alle zehn Jahre erneuert werden, doch wurde dies mitunter derart effektiv verfolgt, dass – wie wir am Beispiel der Familie Strozzi gesehen haben – noch dreißig Jahre später die Nachfahren der ursprünglich Verbannten bei ihren Bemühungen um die Heirat mit einer Florentinerin auf erheblichen Widerstand stießen.24 Im Laufe der folgenden fünfundzwanzig Jahre führte die siegreiche Partei der Medici eine Reihe von Wahlpraktiken ein, die dazu führten, dass sich die Macht in (zu) wenigen Händen konzentrierte. Doch gingen sie dabei zu weit. Die allgemeine Verärgerung wuchs und erreichte 1458 den Siedepunkt. In diesem Jahr taucht in den Chroniken plötzlich wiederholt der Name Luca Pitti auf. Pitti, der Erbauer des ebenso imposanten wie umstrittenen späteren Palazzo gleichen Namens, kam aus einer traditionsreichen Politikerfamilie, ungefähr so alt wie die der Medici, und war mehrere Jahre lang einer von Cosimos treuesten Parteigängern. Anfang 1458 regte sich zäher Widerstand in den Regierungsgremien, was den Parteiführern deutlich machte, dass die Opposition außer Kontrolle geraten war. Die meisten gewöhnlichen Mitglieder der politischen Schicht forderten das Ende des Wahlkontrollsystems und wollten mehr Bürgern den Zutritt zu den höchsten Ämtern ermöglichen. Die Stimmung hatte sich bereits derart zugespitzt, dass die mediceische Junta tatsächlich einen Staatsstreich ins Auge fasste, sich dann aber doch entschloss, eine günstigere Signoria abzuwarten. Dies war Ende Juni der Fall, als Luca Pitti als der nächste Gonfaloniere di giustizia aus dem Wahlbeutel gezogen wurde.25

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Die neue Regierung trat ihr Amt am 1. Juli an, und Pitti machte sich sofort ans Werk. Am 2. versuchte er während einer Beratungssitzung mit über zweihundert führenden Bürgern die traditionellen gesetzgebenden Körperschaften zu stürzen und einen neuen Rat einzusetzen, der über außergewöhnliche Macht verfügen sollte, den Rat der Hundert. Der Plan hierzu bestand bereits mehrere Monate und war innerhalb der Führungsriege des öfteren hinter verschlossenen Türen diskutiert worden. Da Pitti nun jedoch eine feindselige Strömung zu spüren glaubte, verwarfen er und die Prioren das Vorhaben und brachten stattdessen den Vorschlag ein, die Namen der für ein Amt in Frage kommenden Bürger neu zusammenzustellen. Da Mitte der 1450er Jahre ein traditionelleres Wahlverfahren teilweise wieder in Kraft gesetzt worden war, regten Pitti und Konsorten nun an, die Beschränkungen wieder einzuführen, die erneut stark in die Richtung einer sorgfältigen, buchstäblich handverlesenen Auswahl der folgenden Signorien gehen würde. Doch scheiterte diese Vorlage in der letzten Juliwoche wiederholt am Rat des Volkes, und zur größten Verärgerung der Medicipartei drohte in diesem Zusammenhang nun auch noch der Erzbischof von Florenz all jenen mit der Exkommunikation, die die Verfassung verletzten, indem sie nach „offenen“ anstelle von geheimen Wahlen verlangten. Damit war die Zeit reif, mit Gewalt zu drohen. Am 1. August ließen einige Schlüsselfiguren des Regimes bei einer längeren Unterhaltung mit den Prioren die Forderung nach einem Parlamento laut werden, einer demagogischen Bürgerversammlung. Aus Gründen der Sicherheit nahm Cosimo nicht selbst an den entscheidenden Sitzungen im Regierungspalast teil, sondern ließ sich von seinem Sohn Giovanni vertreten, der eine versöhnliche und entwaffnende Erklärung abgab. Doch ließ Cosimo den mailändischen Gesandten wissen, dass er für ein Säbelrasseln bereit sei, und bat noch am selben Tag seinen alten, bei ihm hoch verschuldeten Freund Francesco Sforza, den Herzog von Mailand, um die Entsendung von Truppen nach Florenz. Am 2. August entschied sich die Regierung für genau denselben Weg: Waffen und eine große (aber überwachte) Bürgerversammlung. Am 3. wurde der Anführer der Opposition, der bekannte Jurist Girolamo Machiavelli, verhaftet. Am 4. folgten zwei weitere Verhaftungen, und nach mehrtägiger Folter wurden alle drei Männer ins Exil geschickt. Einige Tage später wurden mindestens fünfzehn weitere Bürger auf zehn oder mehr Jahre verbannt. Gleichzeitig hatte man rund 150 Bürger kategorisch auf ihre Landsitze entsandt, mit der Anordnung, keinesfalls ohne Erlaubnis der Prioren nach Florenz zurückzukehren. Am 9. August war auswärtige Infanterie und Kavallerie in der Stadt eingetroffen. Einen Tag später erging der Aufruf zu einer Bürgerversammlung, die am 11. auf dem Hauptplatz stattfinden sollte. Als die Menschen sich an diesem Tag zum Parlamento begaben, fanden sie die Piazza sowie alle angrenzenden Straßen von Soldaten und bewaffneten Bürgern besetzt. Binnen kürzester Zeit hatten Luca Pitti und die Prioren die Zustimmung der Menge zur Einsetzung einer mit diktatorischen Vollmachten ausgestatteten Notstandsregierung (Balià) aus 351 Männern eingeholt und ihr zudem das Plazet abgetrotzt, die Wahlbeutelbestückung wieder der strikten Kontrolle des mediceischen

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Regierungszirkels zu unterstellen. Anschließend wurde die Bürgerversammlung für beendet erklärt. Der achtköpfige Wachausschuss hatte seine umfassenden Befugnisse wieder und konnte mit Regimekritikern nach Belieben umspringen. Noch bevor das Jahr um war, hatten die neuen „Wahlprüfbeamten“ – die Hüter der für das passive Wahlrecht in Frage kommenden Namen – rund 1500 Männern das Recht abgesprochen, ein öffentliches Amt zu bekleiden.26 Lorenzo de’ Medici, der künftige Dichter und Politiker, zählte in diesem Sommer erst zehn Lenze, aber direkt oder indirekt dürfte er sicher etwas von den Unruhen mitbekommen haben. Schließlich wurde er dazu erzogen, ein mächtiges (wenngleich risikobehaftetes) politisches Erbe anzutreten, und man weiß, dass er bereits im Alter von zwölf Jahren Bittgesuche erhielt und Empfehlungsschreiben verschickte. Schon mit zehn muss er reif genug gewesen sein, um politische Auseinandersetzungen zu begreifen, und zwei Jahre später sollte noch mehr Unerfreuliches auf ihn zukommen.27 1460 wurde Girolamo Machiavelli, der für fünfundzwanzig Jahre nach Avignon verbannt worden war, im Lunigianer Bergland nicht weit von Florenz verhaftet. Man verhörte ihn, abermals unter schlimmer Folter, und klagte ihn an, eine Verschwörung unter den im Exil lebenden Florentinern angezettelt zu haben. Eine Woche später starb Machiavelli, fünfundvierzig Jahre alt, höchstwahrscheinlich an den Folgen der Folterung mit Seilen, Eisen und möglicherweise Feuer. Sein Geständnis führte zur Verbannung weiterer fünfundzwanzig Bürger.28 Lorenzo sollte bald noch tiefer in die Abgründe der Politik verstrickt werden, umso mehr, als die Wahlleiter (Accoppiatori) und weitere hochrangige Beamte nun häufig im neuen Palazzo Medici zusammentraten. Sein Großvater Cosimo war über siebzig und ein kranker Mann, sein Vater Piero wurde gelegentlich von Gichtanfällen außer Gefecht gesetzt. Die mächtigsten Bürger in Cosimos Kreisen waren ehrgeizige Männer, die ihre eigene Bedeutung niemals unterschätzten – Agnolo Acciaiuoli, Dietisalvi Neroni, Luca Pitti und einige andere, allesamt Angehörige des Ritterstandes, der bekanntlich Anspruch auf gesellschaftliche Vorrangstellung mit sich brachte.29 Das Ganze entbehrte nicht einer gewissen Ironie. In der Literatur dient Ironie dazu, Wendungen und Kontraste aufzuzeigen. Sie zwingt uns, noch einmal ganz genau über die Sache nachzudenken. Im wahren Leben indes warnt sie uns vor dem Unvorhersehbaren, und daran herrschte in Florenz beileibe kein Mangel. Schließlich wäre der Aufstieg der Medici ohne die Hilfestellung von Mitgliedern altehrwürdiger Familien niemals möglich gewesen. Sie alle steckten unter einer Decke. Medici-Parteigänger wie Acciaiuoli, Pitti, Soderini und der Parvenü Neroni hätten ohne die Medici und deren System der Manipulation von Wahlbeuteln und Wahlfähigkeit weit weniger Macht besessen. Aber auch der Ehrgeiz wuchs auf beiden Seiten. 1434 und dann noch einmal 1458 wurden die Anführer der Medicigegner jeweils mit einem Schlag ausgeschaltet, was die siegreiche Partei noch unbezwingbarer erscheinen ließ. Doch solange die republikanischen Einrichtungen blieben – Regierungsgremien, Wahlfähigkeitsliste und Ämterkreislauf sowie die gelegentliche Notwendigkeit, auch einfache Bürger zu kon-

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sultieren –, war die Medicipartei, und damit auch Luca Pitti, auf die Bürger angewiesen, auf die allzu gerne mit unübersehbarer Verachtung herabschauten. An dieser Stelle aber nimmt unsere Geschichte eine neue Wendung. 1463, ein Jahr vor Cosimos Tod, erkannte der mailändische Gesandte in Florenz, dass sich mindestens zwei von Cosimos engsten Vertrauten, Agnolo Acciaiuoli und Dietisalvi Neroni, gegen ihn und seinen Sohn Piero gewandt hatten. Sie warteten offenbar nur darauf, dass der alte Bankier starb, und hatten nicht die geringste Absicht, sich von seinem kränklichen Sohn Anweisungen erteilen zu lassen. Schließlich waren sie älter und besaßen ungleich mehr Erfahrung auf dem politischen Parkett. Im Herbst 1465 war die Einheit der alten Medici-Führungsriege zerbrochen, und die Partei erlitt in den gesetzgebenden Komitees vernichtende Niederlagen. Mitglieder des Zirkels reagierten auf den Druck des „Fußvolks“ innerhalb der Oligarchie, und wieder einmal wurden Stimmen laut, die forderten, den Pool der Wahlfähigen zu vergrößern und die Signoria nicht durch Wahlmanipulation, sondern ein echtes Losverfahren zu bestimmen. Diese Bestrebungen waren selbst im Medici-freundlichsten Gremium erkennbar, dem neuen Cento (Hunderterrat), der erst sieben Jahre zuvor, nach dem Staatsstreich von 1458, ins Leben gerufen worden war. Die unter vorgehaltener Hand poggeschi genannten Reformer erstrebten nicht weniger als das passive Wahlrecht für alle Bürger, die in den letzten zwanzig bis dreißig Jahren politischen „Säuberungen“ zum Opfer gefallen waren.30 Von diesem Zeitpunkt an bis zum Ausbruch der Krise auf der Piazza Signoria im September 1466 befand sich Lorenzos Vater Piero, das Oberhaupt der Antireformerpartei (der Piano), in einem Gewissenskonflikt. Die Auseinandersetzung wurde ebenso hinter den Kulissen ausgetragen, in Privatgesprächen und Geheimverhandlungen, wie in den öffentlichen Gremien, wo Piero und seine Anhänger immer häufiger Niederlagen einstecken mussten. Er selbst nahm freilich nur selten an Sitzungen der Regierungsgremien teil, und sein Name wurde niemals offen mit bestimmten Anträgen in Verbindung gebracht. Trotzdem wussten beide Fraktionen sehr genau, worum es der anderen ging. Nicht umsonst wurde die Opposition inzwischen nämlich hauptsächlich von Männern geführt, die früher auf der anderen Seite gestanden hatten, das heißt, enge Vertraute der Medici gewesen waren.31 Die bemerkenswerte Bandbreite der Gegner des Regierungssystems der Medici trat Ende Mai 1466 zutage, als rund vierhundert Bürger aus den höchsten Rängen, darunter zahlreiche prominente Amtsinhaber, die Kühnheit besaßen, ein öffentliches Bekenntnis zugunsten des älteren, demokratischeren Regierungssystems zu unterzeichnen. Selbst Pieros Cousin und Geschäftspartner Pierfrancesco de’ Medici findet sich unter den Signierenden. Natürlich dürfte es auch viele andere Bürger gegeben haben, die dieses Bekenntnis ebenfalls guthießen, es aber nicht wagten, ihren Namen darunter zu setzen – wenngleich zu den Unterzeichnern Leute wie Luca Pitti, Agnolo Acciaiuoli und Manno Temperani zählten. Im Juli war das Stimmungsbarometer jedenfalls so weit gestiegen, dass die Reformer glaubten, die Abschaffung des Hunderterrats durchsetzen zu können.

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Piero hatte jedoch die Zeichen erkannt und, da nach wie vor alle Fäden in seiner Hand zusammenliefen, die Wahlbeutel für die Signoria so präparieren lassen, dass hauptsächlich Prioren gezogen werden würden, die seine Sache vertraten. Und mehr als sechs der neun Prioren brauchte er gar nicht. Obwohl er der einzige Mann in Florenz war, der genügend Macht besaß, um mit einem derart dreisten Trick durchzukommen, wurden niemals irgendwelche Beweise entdeckt. Dennoch scheint der Verdacht berechtigt, zumal eine solche Tat perfekt in das Bild des in politischen Dingen stets rücksichtslosen Mannes passte, der weder Mühe noch Kosten scheute, um an der Macht zu bleiben. Fähige Politiker verstehen es bekanntlich, Spuren zu verwischen, und so bleibt nur die Tatsache, dass am 28. August 1466 eine Medici-freundliche Signoria ausgelost wurde, um vier Tage später ihr Amt anzutreten. Am gleichen Tag noch, dem 28., beorderten die Prioren unter dem Druck ihrer eigenen Differenzen die Führer der beiden Fraktionen, Luca Pitti und Piero de’ Medici, in den Regierungspalast. Von Rinuccini wissen wir, dass Luca Pitti persönlich und „unbewaffnet“erschien, Piero aber, seine Krankheit vorschiebend, seine beiden Söhne Lorenzo und Giuliano schickte. Benedetto Dei, einem aufmerksamen zeitgenössischen Beobachter, zufolge stand die ganz Stadt „unter Waffen“ – und gleichsam unter Strom.32 Beide Seiten fürchteten blutige Auseinandersetzungen und Verluste an Menschenleben. Luca Pitti vertraute einer Gruppe von Männern am 12. August an, dass bei Imola frische Truppen aus Mailand gesichtet worden wären, gerüstet für den Marsch auf Florenz zur Unterstützung Pieros, der seinerseits der Opposition vorwarf, insgeheim beim Marchese von Ferrara, Borso d’Este, Hilfe und Soldaten angefordert zu haben. In der Tat berichten zeitgenössische Schriftwechsel von verschiedenen auffälligen Truppenbewegungen in der Umgebung der Arnostadt. In letzter Minute wich die republikanische Opposition einer bewaffneten Auseinandersetzung aus. Anders der kranke Piero, dem obendrein eine überraschende Wendung zu Hilfe kam. Am 29. nämlich unterbreitete Luca Pitti ihm in einer privaten Unterhaltung den Vorschlag, eine von Pieros Töchtern in seine Familie einheiraten zu lassen, und wechselte, zum Entsetzen der Reformer, das Lager. Am 30. plädierte Agnolo Acciaiuoli als Berater der scheidenden Regierung dringend für einen Friedensschluss zwischen den beiden Parteien. Luca und Piero sollten zu Hause bleiben, und die Otto sollten, notfalls mit Gewalt, alle bewaffneten Fremden aus der Stadt entfernen. Dabei enthielt er sich jedes Bezugs zu Pieros Soldaten. Am gleichen Tag verbrachte Piero anstrengende Stunden mit den Erzbischöfen von Florenz (Giovanni Neroni) und Pisa (Filippo de’ Medici). In seinem Arbeitszimmer im Palazzo Medici müssen zwischen den drei Männern scharfe Worte gefallen und sogar Drohungen ausgesprochen worden sein, denn der Medici-Prälat, ein entfernter Vetter von Piero, bot zu seiner Verteidigung 1500 bewaffnete Männer, während der Erzbischof der Stadt, der Bruder des Oppositionsführers Dietisalvi Neroni, die Reformer unterstützen wollte. Es sollte denn auch nicht lange dauern, bis es der florentinische Primas, geschmäht und verunglimpft, vorzog, die Stadt zu verlassen und ins Exil zu gehen.33

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Am 1. September erklärte Luca Pitti bei einem weiteren Vier-Augen-Gespräch mit Piero, er sei nun so weit, sich „auf Gedeih und Verderb“ auf seine Seite zu stellen. Der Beweis folgte bereits am nächsten Vormittag während einer Sitzung der neuen Regierung, die – bezeichnenderweise – im Palazzo Medici stattfand. Pitti war der erste Redner, der aufstand und „noch hier und heute ein Parlamento“ forderte. Rückblickend mögen wir Lucas volte face als feige Komödie ansehen, aber für Agnolo Acciaiuoli, Niccolò Soderini und Dietisalvi Neroni, seine vormaligen Verbündeten, bedeutete es den Beginn einer Tragödie. Acciaiuolis bissige Beschwerde über die bewaffneten Fremden am 30. August war nicht umsonst direkt gegen Piero gerichtet gewesen. Tatsächlich wimmelte es in der Stadt nur so von Pieros angeworbenen Soldaten, und nachdem sie schon in sein Haus an der Via Larga gekommen waren, stimmten sämtliche bei der Sitzung am 2. September anwesenden Bürger zuerst mündlich und anschließend noch schriftlich zugunsten des Parlamento, „eine große Zahl [freilich] gegen ihren Willen und gegen das Wohl der Stadt“, wie der Augenzeuge Carlo Gondi notierte. Die fünfunddreißig Unterschriften zeigen, dass die Gruppe zum Kern der Medici-Oligarchie gehörte und auch viele Namen aus der vormaligen, urplötzlich inexistent gewordenen Opposition enthielt. Ihre Entscheidung wurde sofort in den nur sechshundert Meter entfernten Regierungspalast (Abb. 3) übermittelt, wo die neuen Prioren nervös auf ihre Bestätigung warteten. Zwar standen sie auf Seiten Pieros, fürchteten aber auch seine Waffenträger. Nun gaben sie Order, die Glocken für ein Parlamento zu läuten, das am frühen Abend stattfinden sollte.34 Piero hatte rund dreitausend Söldner in die Stadt geholt, so dass die Bürger, die zu der Versammlung zur Piazza gingen, wo immer sie hinschauten, bewaffnetes Fußvolk sahen. Weitere vier- oder fünftausend Soldaten – die etwas weiter entfernten Mailänder Truppen noch gar nicht mit eingerechnet – wurden als Reserve in der Nähe von Florenz zurückgehalten. An diesem Punkt unserer Geschichte nun hat der siebzehnjährige Lorenzo seinen ersten großen Auftritt auf der politischen Bühne: In voller Rüstung ritt er – er war ein exzellenter Reiter – zwischen den Soldaten auf die Piazza der Signori. Dann saß er ab und trat zu den Prioren, die sich an „das Volk von Florenz“ wandten. Sein Vater, der „kranke“ Piero, war zu Hause in der Via Larga geblieben.35 Nachdem sich die republikanische Opposition in Wohlgefallen aufgelöst hatte, war das Ergebnis der Bürgerversammlung klar vorhersehbar: Piero de’ Medicis Prioren bekamen ihre mit diktatorischen Vollmachten ausgestattete Sonderkommission (Balìa). Sie führten, und zwar auf zwanzig Jahre, die umstrittene Wahlpraxis wieder ein, die die Manipulation der Wahlbeutel erlaubte. Mit anderen Worten: Die neue Medici-freundliche Führung würde abermals alle folgenden Regierungen bestimmen. Und sie erneuerten die ebenso umfassenden wie umstrittenen Machtbefugnisse der gefürchteten „Acht“. Dieses Mal gab es keine Massenverbannung von Bürgern. Nur die obersten Anführer der Widerstandsbewegung sowie einige wenige Gefolgsleute wurden gezwungen, die Stadt zu verlassen, ausnahmslos als verarmte Leute. Wachausschuss und Balìa konnten weder die vierhundert Bürger ins Exil schicken, die das repu-

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Abb. 3 Palazzo Vecchio, Florenz

blikanische Bekenntnis des vergangenen Mai unterzeichnet hatten, noch die Wahlfähigkeit all jener aufheben, die man verdächtigte, nur aus Angst oder Vorsicht nicht unterschrieben zu haben. Da eine Verbannung aus Florenz auch die Vertreibung aller über elf Jahre alten Söhne der zum Exil Verurteilten bedeutete, hätte eine solche Massenverbannung schlichtweg einen zu großen Teil der aktiven Mitglieder der herrschenden Schicht betroffen. Vergeltungsmaßnahmen dieser Größenordnung waren gefährlich und demotivierend. Außerdem besaß Piero die entscheidenden Gelder sowie die auswärtigen Truppen und hatte nun auch noch den Feind – geschlagen und willfährig – in seinem Lager, quasi seiner Befehle harrend. War dies der kränkliche, unerfahrene, „gichtige“ Piero? Erinnerten sich Florentiner damals der Verse des italienischen Dichters, der um 1300 herum geschrieben hatte: „Wohl dem, der siegt, denn ich bin auf seiner Seite!“? Offensichtlich, denn die Unterlegenen liefen mit erschreckendem Tempo zum siegreichen Gegner über und konnten es kaum abwarten, dem ehemaligen Feind vor aller Augen Unterstützung und Förderung angedeihen zu lassen. Luca Pitti hatte es vorgemacht, wofür er allerdings hinterher zutiefst verachtet wurde.36 Und der erste Auftritt des jungen Lorenzo auf der politischen Bühne – in voller Rüstung hoch zu Ross, auf dem bedeutendsten öffentlichen Platze der Stadt und in einem

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Augenblick größter Sorge um die herrschende Klasse? Er hielt Florenz vor Augen, worauf der Einfluss der Familie basierte: Geld, mit dem man sogar militärische Macht kaufen konnte. Entgegen der landläufigen Meinung floss längst nicht alle geniale Schöpferkraft des Quattrocento in Kunst und Literatur. Mindestens genausoviel ging in die Politik, und nirgendwo war der Anteil höher als unter den großen Politikern des mediceischen Florenz. Daher muss jeder Versuch, das florentinische Blutbad vom April 1478 zu begreifen, auch dieser Genialität Rechnung tragen.37 Um nach der Sicherung ihres Sieges von 1434 an der Macht zu bleiben, bediente sich die Medicipartei einer ganzen Reihe ausgeklügelter strategischer Kniffe. Was dabei herauskam, war ein Exempel wahrer Staatskunst, denn sie schaffte es, dem Schein nach alle verfassungsmäßigen Normen zu wahren, während sie in Wirklichkeit die ganze Zeit über eben diese Verfassung unterminierte, die an sich ja auf der repräsentativen Vertretung unterschiedlicher Parteien basieren sollte. Hier eine kurze Zusammenfassung ihrer Taktiken und Hilfsmittel:38 1. Wahlfähigkeit. Das Recht, ein öffentliches Amt zu bekleiden, war Ausdruck der höchsten Autorität der florentinischen Bürgerschaft, wurde aber durch „Wahlausschüsse“ verliehen. Diese gingen die Namen der Bürger hinter verschlossenen Türen durch, nahmen manche auf und lehnten andere ab. Einen offiziellen Weg gab es nicht. Die endgültige Liste der wahlfähigen Bürger bildete den Pool möglicher Regierungsbeamter. Nun kamen einige oder viele der zugelassenen Namen, auf Zettel oder Schildchen geschrieben, in Wahlbeutel, aus denen die künftigen Magistrate gezogen wurden. Wer den Wahlausschuss stellte, bestimmte folglich darüber, wer überhaupt die Chance bekam, sich um ein Amt zu bewerben. Unerwünschte Personen ließen sich also relativ leicht ausschalten und gelangten nie in den elitären Ämterkreislauf. Mit einer Bevölkerung von unter 45.000 Einwohnern war die republikanische Oligarchie von Florenz eine kleinstädtische Gesellschaft, in der die „Wahlprüfbeamten“ die in Frage kommenden Männer entweder persönlich kannten oder zumindest jemanden kannten, der sie kannte. 2. Der Rat der Prioren (die Signoria). Acht Prioren und der Gonfaloniere di giustizia bildeten die Regierung von Florenz. Für rechtsgültige Beschlüsse war eine Zweitdrittelmehrheit, die so genannte „Macht der sechs Bohnen“, nötig. Also: Wer sechs der neun Stimmen besaß, kontrollierte die Regierung. Die Prioren führten in aller Regel die täglichen Regierungsgeschäfte, brachten alle Gesetzesvorlagen ein, leiteten und überwachten Sitzungen, mühten sich in den Gremien ab (oder auch nicht), konnten die „Wahlausschüsse“ einberufen und Parlamenti anberaumen. 3. Bürgerversammlungen (Parlamenti). In Notsituationen – weit häufiger frei erfunden als unmittelbar notwendig – hatten die Prioren (sechs von ihnen) das Recht, ein Parlamento einzuberufen, eine Generalversammlung der Bürgerschaft. Die Bürger, die sich auf der Piazza versammelten, sollten dann auf die Frage, ob sie einen Notstands- oder Kriegsrat (Balìa)

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Aufsteiger wollten, laut Ja oder Nein rufen. Und da sich bei einer solchen Gelegenheit stets jede Menge Bewaffnete unter das Volk mischten, bekamen die Prioren zwangsläufig das von ihnen gewünschte Votum. Die Medicipartei benutzte diesen „Aufruf an das Volk“ in den Jahren 1434, 1458 und 1466. 4. Die mit diktatorischen Vollmachten ausgestattete Sonderkommission (Balìa). Die zwischen 235 und 350 Mitglieder zählende Balìa konnte die Verfassung außer Kraft setzen, den Anspruch auf die „Regierungsgewalt des florentinischen Volkes“ erheben und Gesetze aufheben – alles jedoch unter Führung der Prioren. Eine solche Kommission wurde dazu benutzt, gegen innenpolitische Widersacher vorzugehen, die Opposition zu zerschlagen, eine Revision aller für das passive Wahlrecht in Frage kommenden Namen einzuleiten und unpopuläre Gesetze oder neue Steuern durchzusetzen. 5. Wahlleiter oder Beutelfüller (Accoppiatori). Dieses zehnköpfige Gremium – nach 1466 bestand es aus nur noch fünf Mitgliedern – bestimmte die Namenszettel, die in die Wahlbeutel für die höchsten Ämter gelangten – für den Gonfaloniere di giustizia, die Prioren, den zehnköpfigen Notstands- oder Kriegsrat, den Wachausschuss der „Acht“ (die Otto) und die Monte-Beamten. Bei einer Priorenwahl wurden Namenszettel aus den entsprechenden Wahlbeuteln gezogen, und die ersten acht Kandidaten, gegen die nichts weiter vorlag, bildeten die nächste Signoria. So war es in Florenz üblich. Doch die Vorbereitung der Wahlbeutel an sich war ein leicht durchschaubares Spiel, das niemand besser zu manipulieren wusste als die Medici. Da sie es in der Hand hatten, die Zahl der Namen in den entscheidenden Wahlbeuteln von ursprünglich zweitausend(!) erst auf siebzig, später sogar auf fünfzig zu begrenzen, bestimmten die Accoppiatori die künftigen Prioren, das heißt eine Regierung nach der anderen, quasi handverlesen. Es muss kaum erwähnt werden, dass die Accoppiatori zum engsten Kreis der Medicianhänger zählten. 6. Unverdeckte Wahlbohnen (Fave scoperte). In republikanischen Gremien wurde mittels schwarzer (Ja) und weißer (Nein) Bohnen abgestimmt. Bei einer Abstimmung sollten die Ratsmitglieder laut Gesetz ihre Bohnen verdeckt abgeben, so dass niemand die Farbe sehen konnte und die Wahl geheim blieb. Gegen dieses Gesetz wurde unter Medici-freundlichen Prioren, die die Stimmberechtigten massiv unter Druck setzten, regelmäßig verstoßen. So mussten „Abweichler“ in Kauf nehmen, sich zu offenbaren, und niemand konnte rein nach Gewissen abstimmen. Über diese Praxis zutiefst empört, drohte der Erzbischof von Florenz, der furchtlose Antoninus, im Juli 1458 mit dem Kirchenbann. Seine Drohung wurde an den Portalen der Domkirche angeschlagen. 7. Der psychologische Rahmen. Hierbei handelte es sich nicht um eine Taktik. Es war vielmehr etwas, das der Besitz von Macht und ständig wachsende politische Kontrolle automatisch mit sich brachte. Die Florentiner standen jahrelang unter dem Druck, den mediceischen Oligarchen zu folgen, und zwar nicht nur der „unverdeckten Wahlbohnen“ im Ratsgremium oder der bei Volksversammlungen stets drohend anwesenden Soldaten wegen, sondern aus eigenem Antrieb, um Vergünstigungen zu erhalten – in eine niedrigere Steuerklasse versetzt zu werden, die vorteilhaftesten Heiraten für ihre Töchter und Söhne aushandeln zu können und vor Gericht auf eine wohlgesonnene Justiz zu treffen. Kurz: weil sie

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selbst zum Kreis der privilegierten Bürger zählen wollten. Die Furcht, diese Gunst zu verlieren, schürte ein Klima fragwürdiger Einschüchterung.

Dergestalt also war die Palette unverblümter und umfassender Kontrollmaßnahmen der mediceischen Republik. Doch war die regierende Partei damit nicht alle Sorgen los. Jede Regung bürgerlichen Selbstbewusstseins, die gelegentlich in den gesetzgebenden Gremien aufflackerte, wurde argwöhnisch beäugt. Aber wie dem ein Ende setzen? Die republikanische Verfassung ließ sich nicht so stark beugen, als dass sie den Medici totale Macht garantiert hätte. Immer wieder kam es vor, dass sich angebliche Freunde der Familie – deren Namen in die Liste der wahlfähigen Kandidaten aufgenommen worden waren – als unzuverlässig erwiesen, sobald sie Gelegenheit erhielten, ihre wahre Meinung zu äußern. Hätte man ihnen die Sicherheit einer geheimen Abstimmung gewährt, hätten zu viele gegen die mächtigen Gremien gestimmt, gegen restriktive Wahlkontrollen, neue Steuern, neue Kommissionen und gegen das Präparieren der Wahlbeutel für die höchsten Ämter.

Porträt: M an et t i Politik ist Leben. Dieser Satz könnte als Lebensmotto sämtlicher ehrgeiziger Männer der florentinischen Oberschicht gelten, denn nur wer in Florenz ein höheres Amt bekleidete, wurde geehrt, gefürchtet und umworben. Es verlieh dem Inhaber ungleich größeres Gewicht, machte ihn, wenn man so will, erst zu einer wirklich bedeutenden Persönlichkeit. Lorenzo de’ Medicis jüngerer Zeitgenosse Guicciardini sagte einmal, ein Florentiner, der niemals Mitglied der Signoria war, sei eigentlich gar kein richtiger Mann. Er sprach dabei von den begüterten Bürgern der Stadt, und er meinte, dass jeder, der diese Ehre nicht erlangte, ein Versager sei, dem es nicht gelungen war, sein Soll zu erfüllen.1 Während seiner zweimonatigen Amtszeit in der Signoria verließ ein Prior den Regierungspalast nur selten – wenn überhaupt. Er schlief dort, nahm sämtliche Mahlzeiten dort ein, und ein eigener Diener kümmerte sich um seine persönlichen Belange. Zusammen mit den sieben anderen Prioren verfügte er über eine gewaltige Machtfülle. Selbst wenn diese Erfahrung nicht ausreichte, ihn zu verändern, so änderte sie zumindest sein Ansehen. Schließlich kannte er danach alle maßgeblichen Personen des öffentlichen Lebens, er hatte Einblick gewonnen in das Innenleben der Stadt und die größeren politischen Rahmenbedingungen – Kenntnisse, die er von nun an mit einem erlesenen Personenkreis teilte. Und falls er im Laufe seines Lebens zwei- oder dreimal in der Signoria saß, wie es bei ausgewählten Mitgliedern führender Familien die Regel war, dann gehörte er den allerhöchsten Kreisen an. Politik war praktisch Bestimmung, ebenso wie die charakteristischen Kleidungsstücke, die den Platz ihres Trägers in der sozialen Rangordnung auswiesen: Notar, Künstler, Gelehrter, Ritter, Arbeiter, Arzt, Kaufmann, Witwe, Jungfer, auffällig geschminkte Prostituierte oder gebrandmarkter Sträfling. Für männliche Mitglieder der ersten Familien wurde es als selbstverständlich erachtet, dass sie ein öffentliches Amt anstrebten und alles Erdenkliche unternahmen, dieses auch zu bekommen. Gelang es einem Mann mit entsprechender Abstammung nicht, in die richtigen Ämter gewählt zu werden, obwohl er sich darum bewarb und auch die nötigen Verdienste aufzuweisen hatte, pflegte er sich bitter über die Hindernisse, die Opposition, „den Feind“ oder die finsteren Machenschaften von fortuna, dem Schicksal, zu beklagen. Oligarchische Strukturen und Unstimmigkeiten zwischen den verschiedenen Parteien waren seit bald drei Jahrhunderten fester Bestandteil der florentinischen Politik.

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Dann und wann fielen, wie wir gesehen haben, Familien oder gar ganze Geschlechter in Ungnade oder wurden verbannt, während ein Haus oder eine Reihe von Häusern die Oberhand gewann. Nach 1434 aber und unter dem ständig wachsenden Einfluss der Medici mit Cosimo an der Spitze sah sich die große Mehrheit der führenden Familien mit deutlichen Veränderungen hinsichtlich der Verteilung der Macht konfrontiert. Die Medici waren schlichtweg zu reich, und zu viel verdeckte Macht war in Cosimos Hände gelangt. Zudem waren sie begnadete politische Kämpfernaturen – perfekt organisiert, findig, durchsetzungskräftig – und mit der Begabung ausgestattet, Klienten und Anhänger entweder zu kaufen oder anderweitig für sich gewinnen zu können. Mithilfe eines Netzwerks dieser Verbündeten gelang es ihnen schließlich, die verschiedenen Ratsgremien nach ihren Interessen zu dirigieren. Wie diese Einflussnahme funktionierte, lässt sich am besten anhand einiger Porträts veranschaulichen: drei Männer mit unterschiedlichen Ansichten, drei Kontrastfiguren zu Lorenzo de’ Medici und der Familie Pazzi. Sie führen uns in die undurchschaubare Sphäre persönlicher Sympathien und Antipathien. Das erste Porträt, das des Giannozzo Manetti, soll die Hintergründe und Spannungen beleuchten, vor denen die AprilVerschwörung Gestalt annahm. Die beiden anderen Porträts, Kapitel fünf und zwölf, tauchen noch tiefer in diese zwielichtige Zone ein.

Giannozzo Manetti (1396–1459) Der Kaufmann und Bankier, Gelehrte, Staatsmann, Schriftsteller und Übersetzer Giannozzo Manetti darf zu den bedeutenden Persönlichkeiten der Ära gezählt werden. Trotz intensiver Beschäftigung mit Finanzgeschäften und dem Handel mit kostbaren Stoffen beherrschte er Altgriechisch, Latein und Hebräisch, verfasste Ansprachen, Kommentare, Abhandlungen, Polemiken und Kurzbiographien, übersetzte gelehrte Schriften und wurde zu einem der größten florentinischen Diplomaten seiner Zeit. Da er zudem brillante lateinische Stegreif-Reden hielt und andere Humanisten in den Schatten stellte, trug er wesentlich zum Ruhm von Florenz als Stadt der Gelehrsamkeit und des Scharfsinns bei. Den politischen Führern freilich war er ein zu unabhängiger Geist und schlechtes Beispiel für andere, was zur Folge hatte, dass sich Cosimo de’ Medicis engste Anhänger daran machten, ihn in den Ruin zu treiben, und zwar auf die für die Medici-Oligarchie typische Art und Weise: durch erdrückende Steuern.2 Der gesellschaftliche Aufstieg der Familie Manetti, die am Südufer des Arno im Bezirk Santo Spirito zu Hause war, begann im frühen 14. Jahrhundert. Eine Reihe bedeutender Eheschließungen zeugen davon. Giannozzos Großvater väterlicherseits, ein Bankier und Geldverleiher, war das erste Mitglied des Hauses, das eine Amtszeit als Prior in der Signoria antrat (1358). Giannozzos Vater Bernardo hingegen, ein außergewöhnlich erfolgreicher Bankherr, war durch und durch Geschäftsmann. Einen Großteil seines beachtlichen Reichtums erwarb er in Neapel, Spanien und Portugal, was ihm

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wenig Zeit für die Politik ließ und er sich bis zu seinem Tod 1429 mit unbedeutenderen Ämtern zufrieden gab. Bis dato allerdings hatte er ein solch gewaltiges Vermögen erworben, dass er als einer der reichsten Männer der Stadt galt – und das in eben den Jahren, in denen Florenz die Finanzkapitale Europas war. Sein Sohn Giannozzo erbte folglich ein Vermögen, das ihn, zumindest was Geld anbelangte, mit den reichsten Familien der Stadt, den Medici, Pazzi und Strozzi, auf eine Stufe stellte.3 Etwa 1421 wandte sich Giannozzo, damals fünfundzwanzigjährig, gegen den Willen seines Vaters ganz den Geisteswissenschaften zu und erlernte in den folgenden neun Jahren unter Anleitung von Geistlichen und Privatlehrern Latein und Altgriechisch sowie später Hebräisch. Im Rahmen seiner Studien lernte er die lateinischen Dichter, allen voran Cicero, und griechischen Philosophen kennen, insbesondere Aristoteles. Es hieß, er kannte Augustinus’ De civitate Dei nahezu auswendig, und dank eines fest angestellten Magisters perfektionierte er sein Hebräisch so weit, dass er das Alte Testament problemlos durcharbeiten konnte. Als überzeugter Christenmensch und „glänzender Polemiker“ nutzte er seine Hebräischkenntnisse dazu, Schriften zu verfassen, die die Juden bekehren sollten, indem er ihnen Irrtümer nachzuweisen suchte. Um 1429 herum trat er aus der Studierstube an die Öffentlichkeit. Er war regelmäßiger Besucher zweier berühmter Treffpunkte der florentinischen Literaten und Intellektuellen: eines „Dach der Pisaner“ genannten Ortes an der Westseite der Piazza, und der Straße der Buchverkäufer, dem wichtigsten Markt der Schreibwarenhändler, unmittelbar nördlich des Regierungspalastes gelegen. Hier machte er sich rasch einen Namen als brillanter Redner. Giannozzo betrat die politische Bühne im Todesjahr seines Vaters, als Florenz mitten in einer schweren Finanzkrise steckte und sämtliche wohlhabende Familien unter exorbitanten Steuerlasten litten. Sein Auftauchen war sehr wahrscheinlich eine Folge dieser schweren Zeit, zumal er 1429 als Mitglied der Dodici Buonomini, des regelmäßig mit der Regierung zusammentretenden Zwölferrats, auch erstmals ein höheres Amt übernahm. Sein Reichtum, seine Eloquenz sowie die Tatsache, dass sein Großvater Prior gewesen war, prädestinierten ihn geradezu für eine Laufbahn als Politiker. Doch als der Konflikt zwischen den beiden florentinischen Parteien im Rahmen der Steuerkrise seinen Höhepunkt erreichte, verschwand Giannozzo von der politischen Bühne und kehrte erst 1435 wieder in ein Amt zurück. Die folgenden achtzehn Jahre aber blieb er fast ständig im Licht der Öffentlichkeit und bekleidete nahezu jedes mögliche Amt: Verwaltungstätigkeiten im florentinischen Hinterland, sechs Amtszeiten in den beiden Beratergremien der Signoria, eine Anzahl weiterer hoher Ämter, Mitglied des gefürchteten Wachausschusses der „Acht“ (zweimal), Kurator an der Universität der Stadt sowie eine Reihe wichtiger Botschafterposten. So betrachtet wirkt er ganz wie ein echtes Mitglied der Medici-Oligarchie und schien auch deren Gunst zu genießen. Bei genauerem Hinsehen sticht jedoch eine interessante Tatsache ins Auge: Er war niemals Mitglied der Signoria. So häufig er in Ämter ersten und zweiten Ranges gewählt wurde – er kam nie in den Genuss der höchsten Würden. Dennoch nutzte die Oligar-

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chie sein diplomatisches und rhetorisches Geschick und setzte so viel Vertrauen in seinen Patriotismus, dass sie ihm in den Jahren 1445 bis 1453 bedeutende Botschafterposten in Siena, Genua, Neapel, Rom, Mailand und Venedig zu überließen.4 Obwohl die Politik Familien, die zum Kern der Oligarchie gehörten, häufig aus der finanziellen Patsche half, ließen die parteiischen Steuerbeamten keine Gelegenheit aus, Giannozzos Vermögen zu beschneiden. Dennoch blieb er weiter im Amt und erfüllte seine Bürgerpflichten – vielleicht auch deshalb, weil er hoffte, die Männer an der Spitze seien fair genug, um ihm letztlich doch noch Steuergerechtigkeit widerfahren zu lassen. Doch dem war nicht so, und Anfang der 1450er Jahre verweigerte ihm die Regierung sogar die Erstattung seiner Auslagen für eine langwierige und kostspielige diplomatische Mission nach Rom, die sechzehn Pferde und eine beachtliche Anzahl von Burschen und Dienern erfordert hatte. Daraufhin machte er, als sich eines Abends Gelegenheit zu einem Gespräch mit Cosimo de’ Medici ergab, seinem Ärger Luft. Was Steuergelder und persönlichen Einsatz für die Stadt anginge, warf er ihm an den Kopf:5 Ich habe mehr beigetragen als irgendein anderer Mann in Florenz, Euch, Cosimo, eingeschlossen, denn bis zum heutigen Tag habe ich persönlich mehr als 135.000 Fiorini bezahlt, und dass ich dies getan habe, ist Euch und ganz Florenz wohl bekannt. … Nie, weder in einem [Regierungs-]Gremium noch im Geheimen, habe ich, wie jedermann weiß, jemals gegen die Interessen des Staates gehandelt. … Die Art und Weise, wie ich meine Aufgaben erfüllt habe, sowohl innerhalb der Stadt als auch auswärts, ist jedem von Euch bekannt. … Und auch was ich als Entlohnung dafür zurückerhielt, ist Euch und allen Mitgliedern der Regierung sehr genau bekannt.

Cosimo, um besänftigende Worte bemüht, musste zugeben, dass all das den Tatsachen entsprach. Damit war er auch gut beraten, denn in der wichtigsten Steuerschätzung der 1450er Jahre hatte der alte Bankier mit Erfolg „eine Summe angegeben, die dem Umfang der Investitionen der Medici in keinster Weise entsprach“, sondern bei schätzungsweise 65, höchstens 75 Prozent ihres wahren Wertes lag. Selbst wenn wir die von Giannozzo genannte Summe von 135.000 Fiorini halbieren – wozu keinerlei Anlass besteht –, wäre dies ein gigantischer Betrag. Er entspricht durchschnittlich 5400 Fiorini pro Jahr, verteilt auf fünfundzwanzig Jahre, und ein Großteil des Geldes muss durch Verkauf von, oder Erwerb mittels, Staatsanleihen (Aktiva im Monte) aufgebracht worden sein. Da ein gut bezahlter Juraprofessor damals etwa 350 Fiorini im Jahr verdiente, entsprachen Giannozzos jährliche Steuerzahlungen den Gehältern von nicht weniger als fünfzehn Juristen an der Universität von Bologna, dem Zentrum des europäischen Rechtswesens. Diese Summe stellte das Haus des Humanisten auf eine Stufe mit schikanierten Familien wie den Castellani, Guasconi, Panciatichi, Peruzzi, Serragli und einigen Strozzi, die allesamt in den Jahrzehnten nach 1434 einen Großteil ihres Vermögens in Form von Steuern und Strafgeldern einbüßten – und dies zumeist aus obskuren Gründen infolge privater und politischer Fehden.6

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Giannozzos Freund und Biograph Vespasiano da Bisticci dürfte den Mann freilich idealisiert haben, und so tut man gewiss gut daran, das Bild geradezu übernatürlicher Ehrlichkeit, Selbstlosigkeit und Vaterlandsliebe, das er von dem Humanisten zeichnet, ein wenig zu relativieren. Doch wo immer dort genannte Fakten überprüfbar sind, etwa hinsichtlich Anzahl und Aufgabenbereich seiner diplomatischen Missionen, erweist sich Vespasianos Darstellung als zuverlässig. Was genau aber hatte Giannozzo getan, um die Medici-Oligarchie gegen sich aufzubringen? Vieles weist darauf hin, dass er den Umfang, in dem Cosimo Francesco Sforza bei dessen Übernahme Mailands 1450 unterstützte, nicht gerade guthieß und stattdessen engere Beziehungen zu Venedig befürwortete. Während einer diplomatischen Mission, die ihn sowie Neri Capponi und Cosimos Sohn Piero 1449 nach Venedig führte, war er bemüht, die überhebliche Einmischung des großen Bankiers zu hintertreiben, der auf einen sofortigen Abbruch der Beziehungen mit den Venezianern drängte. Er äußerte dies Capponi gegenüber, der jedoch sofort konterte: „Ich habe keine Lust, mich mit einem Löwen [Cosimo] anzulegen. Falls Ihr das wollt, dann tut es. Ich jedenfalls möchte nicht aus Florenz vertrieben werden.“ Giannozzo beugte sich.7 Bei genauem Hinsehen lassen sich seine Differenzen mit der an der Regierung befindlichen Clique bereits in die 1430er Jahre zurückverfolgen, lange vor den ersten Meinungsverschiedenheiten über die florentinische Außenpolitik. Die Hintergründe mussten also anderswo liegen. Vespasiano wurde nicht müde zu versichern, dass der wahre Beweggrund von Giannozzos Gegnern seine Tugend, seine Heimatliebe, seine großen Geistesgaben und (implizit) sein Reichtum gewesen seien. Diese Behauptung könnte durchaus einen wahren Kern haben. Etwas an dem Humanisten störte den inneren Kreis der Oligarchie: Er zeigte sich nicht respektvoll genug. Er neigte dazu, seine Meinung zu sagen. Sein diplomatisches Geschick war beeindruckend. Er war reich genug, um auf niemanden angewiesen zu sein. Und da er darüber hinaus nicht eng genug in eine politische Seilschaft verstrickt war, suchte er auch keine Powerbroker auf und war insofern nicht „politisch“ genug. Daher also die Unabhängigkeit, die ihn suspekt machte. In den Jahren, in denen Manettis Eloquenz und Gelehrtheit sowie sein Ruf als herausragender Diplomat in ganz Italien bekannt waren, erreichten seine Dissonanzen mit der herrschenden Schicht ihren Höhepunkt, wie die oben erwähnte Auseinandersetzung mit Cosimo belegt. Vespasiano zufolge war Luca Pitti, einer der engsten Gefolgsleute Cosimos, „der Mann, der ihn mittels steuerlicher Abgaben ruinierte“. Somit haben wir den unmittelbaren Schuldigen. Doch die Oligarchie war ein Team, keine Ein-Mann-Show, und die Besteuerung war, ebenso wie die Weigerung, Gesandten eine angemessene Entschädigung zu zahlen, immer eine kollektive Entscheidung. Zudem hätte sich eine solche Übervorteilung ohne Wissen und Zustimmung des Teamleiters, also Cosimos, niemals derart lange und effektiv durchsetzen lassen.8 Jüngere Anstrengungen, die Medici von ihrer Beteiligung an der Hetze auf Giannozzo freizusprechen, gehören in Frage gestellt. Als der Humanist 1453 Florenz verzweifelt

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den Rücken kehrte und nach Rom zog, weil er glaubte, ein weiterer Aufenthalt in der Arnostadt würde ihn endgültig in den Ruin treiben, zeigt sich die herrschende Gruppierung überrascht. Die Signoria, die sich dadurch angegriffen fühlte, stellte ihm das Ultimatum, sich binnen zehn Tagen in Florenz einzufinden, und verkündete auf der großen Piazza della Signoria, auf dem Mercato Vecchio sowie an der Tür seines florentinischen Hauses seine Verbannung. Seine Nachbarn und viele Angehörige der politischen Klasse dürften darüber nicht schlecht gestaunt haben. Nicht einmal freies Geleit sicherte ihm die Regierung zu und ließ ihn dadurch wissen, dass er im selben Augenblick, in dem er den Fuß auf florentinischen Boden setzte, mit seiner Verhaftung zu rechnen hätte. Dabei bestand die einzige Anschuldigung, die man gegen ihn erhob – die aber nicht haltbar war –, darin, dass er mit einem der Hauptfeinde von Florenz, König Alfonso von Neapel, gemeinsame Sache gemacht hätte, indem er ihm seine Abhandlung De dignitate et excellentia hominis widmete. (In Wahrheit waren die Beziehungen zwischen Florenz und Alfonso ohnehin stetem Wandel unterworfen.) Dass er sich den Prioren einen Tag vor Ablauf des zehntägigen Ultimatums stellte und dabei vor ihnen auf die Knie sank, trieb diesen, glaubt man Vespasiano, fast die Tränen in die Augen. Kurz darauf wurde er überraschenderweise in ein Amt an der Spitze der Regierung gewählt, in den zehnköpfigen Notstandsrat, der in Kriegszeiten sogar noch weitreichendere Machtbefugnisse besaß als die Signoria. Da er sein Florenz und dessen neidische Seilschaften jedoch kannte, diente Giannozzo nur kurze Zeit in dem Zehnerrat und verließ dann, nachdem er die erforderliche Erlaubnis eingeholt hatte, abermals die Stadt – in der Hoffnung, auf die Protektion sowohl König Alfonsos als auch Papst Nikolaus’ V. zählen zu können, eines gelehrten und vormals bescheidenen Geistlichen, den er Jahre zuvor in Florenz kennen gelernt hatte. Hatte sich Giannozzo seiner Republik gegenüber illoyal verhalten, indem er König Alfonso Ehre angedeihen ließ? Er lebte nicht in einem „Zeitalter der Ideologie“, wie es das nächste Jahrhundert werden sollte. Italiens Staaten standen unter fürstlicher und republikanischer Herrschaft. Und wenn ein Mann einem Fürsten seinen Lebensunterhalt verdankte, war er verpflichtet, ihm und dem Ideal der Monarchie zu huldigen, auch wenn er selbst aus einer Republik kam. So war es bei Gelehrten und selbst Staatsmännern der Renaissance üblich, wie uns Castigliones Il Cortegiano attestiert. Einer solchen Handlung haftete nichts Unehrenhaftes oder gar „Landesverräterisches“ an. Als Giannozzo endlich akzeptierte, dass fortuna ihm in Florenz nicht länger hold war, besaß er längst (durch sein Auftreten als florentinischer Gesandter in Neapel) die Gunst König Alfonsos, und es darf nicht verwundern, dass er von dem König angetan war und sowohl den Monarchen selbst als auch die Monarchie pries. Doch dies tat seiner Treue zur Republik Florenz keinen Abbruch. Der Geist des Zeitalters erlaubte es durchaus, dem einen zu huldigen und dem anderen zugleich als Bürger zu dienen. Giannozzos Latein war derart kunstvoll und ausgefeilt, dass manche dies als Zeichen eines geborenen Höflings ansahen. Er liebte komplizierte Satzkonstruktionen, und sein Stil liest sich hochtrabend genug, um als Lobpreisung der Mächtigen intendiert gewe-

Giannozzo Manetti (1396–1459)

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sen zu sein. Wie alle Humanisten war er vor allem in der Kunst der Rhetorik geschult und wusste dies zu seinem Vorteil einzusetzen. Doch abgesehen davon, dass er dadurch hohe Gesandtschaftsposten gewann, nutzte er seine goldene Zunge nie, um sich bei den Mächtigsten der Oligarchie lieb Kind zu machen. In Florenz selbst verhielt er sich immer als Republikaner und erwartete dasselbe auch von seinesgleichen.9 Mehrere Schreiben, die er in den 1450er Jahren an Cosimo de’ Medicis Sohn Giovanni richtete, bezeugen seine Bereitschaft, außerhalb von Florenz für die Medici tätig zu werden. Gemessen am Stil des 15. Jahrhunderts sind diese Briefe jedoch nicht sonderlich warm oder herzlich und nicht im Mindesten schmeichlerisch oder gar unterwürfig, obwohl die Medici angefangen hatten, Schmeicheleien als Selbstverständlichkeit anzusehen. Kurz: Giannozzo wahrte seine Würde, indem er keinen Zweifel daran ließ, dass er sich den Medici in moralisch-ethischer Hinsicht gleichgestellt fühlte, unabhängig davon, welches Gewicht sie auf die politische Waagschale zu werfen hatten.10 Angesichts Cosimos Machtposition in Florenz wäre es dumm gewesen, hätte Giannozzo während eines Aufenthalts in Rom oder Neapel den politischen Führern in der Heimat keine Unterstützung angeboten. Er besaß viele Freunde in Florenz, und auch seine Familie lebte dort. Später sollte einer seiner Söhne in der Signoria dienen. Und er verfügte weiterhin über beträchtliche Besitztümer in der Stadt. Dem Sittenkodex der Zeit entsprechend hieß dies folglich, wollte man keine offene Auseinandersetzung provozieren, in Briefen den Schein zu wahren – und dazu gehörte eben auch die eine oder andere Schmeichelei. Das galt für private Korrespondenz ebenso wie für den Austausch auf diplomatischem Parkett. Das Problem des weißhaarigen Giannozzo (er war bereits mit dreißig Jahren völlig grau) bestand darin, dass er sich nicht an die Spielregeln hielt, nicht das Knie beugen und sich in die Gefolgschaft einreihen wollte. Dies mag ein Zeichen moralischer Integrität gewesen sein, aber es zeigte der Oligarchie auch, dass er stolz war und kompromisslos. Und das war, im mediceischen Florenz zumindest, Grund genug, um den Mann in den finanziellen Ruin zu treiben. Die Familie Pazzi hielt sich an die Spielregeln und beugte das Knie – teilweise zumindest – bis etwa 1470, dem Jahrzehnt der tragischen Generation. Doch bei Lorenzo dem Prächtigen machten auch sie nicht mehr mit.

Die Famil ie P a z z i Leser, die den „Finanzteil“ dieses Kapitels überblättern wollen, sollten zumindest wissen, dass die florentinischen Männer der besitzenden Stände außerordentlich penibel waren, was ihre Bücher anging. Ihr Leben drehte sich fast gänzlich um Handel, Geld, Investitionen, Rentabilität, Steuerminderung – und natürlich Politik. Wenn es so etwas wie ein florentinisches Weltbild gab, dann bildeten diese Dinge den Mittelpunkt desselben, freilich ohne mit dem Glauben an Gott und an ein Leben nach dem Tod in Konflikt zu geraten. Ebenfalls zu dieser merkwürdigen Mischung aus Denken und Fühlen gehörte ein streng patriarchalisch geprägter Familiensinn.

Die Anfänge Als die christlichen Ritter des Ersten Kreuzzugs 1088 die Mauern von Jerusalem stürmten, war der kampfeslustige Florentiner Pazzo Pazzi in vorderster Reihe mit dabei. Zum Lohn für seine Tapferkeit bekam er drei kleine Feuersteine, die angeblich aus dem Heiligen Grab stammten. Knapp zwei Jahrhunderte später erhielt ein anderer Pazzi, ebenfalls in Begleitung französischer Ritter unterwegs und ebenfalls für seinen Einsatz im Heiligen Land, vom König von Frankreich einen Schild.1 Als Nachweis für ihren heroischen Ursprung brauchten die Pazzi folglich nur auf die alljährlichen Osterfeierlichkeiten in Florenz zu verweisen, wo das „heilige Feuer“, an dem die Gläubigen ihre Kerzen ansteckten, durch Anschlagen der Steine entzündet wurde, die der Kreuzfahrer Pazzi mit nach Hause gebracht hatte. Mitglieder der Familie lenkten den von Ochsen gezogenen Karren mit der Flamme hin zu San Giovanni, dem Baptisterium gegenüber dem Dom, und danach zurück zu ihrem Haus, wo sie einen feierlichen Gebetsaufenthalt einlegten. Ihr Wappen, das sich von dem einer französischen Herzogsfamilie ableitete, zeigte Halbmonde, Festungstürme und zwei Delfine auf blauem Feld mit neun Kreuzen. Ihre Insignien zeugten also zum einen vom Krieg für den christlichen Glauben, während die Delfine der Bildersprache der Zeit zufolge Freigebigkeit und Freiheit repräsentierten. Fenster und Innenhof des in den späten 1460er bis frühen 1470er Jahren erbauten vornehmen Palazzo Pazzi (Abb. 4, Seite 77) waren mit symbolhaltigen Emblemen verziert, Laternen und Urnen mit heiligen Flammen etwa oder vom Wind geblähten Segeln, die einerseits für die

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Vertragsbeziehungen der Pazzi mit René von Anjou und andererseits für ihr Engagement im Fernhandel standen.2 Die Pazzi beriefen sich gerne auf diese Geschichten über den Ursprung ihrer Familie. Ohne jeden Zweifel glaubten sie selbst daran, ebenso wie viele andere in Florenz, obwohl die Legende mit den Feuersteinen erst im 14. Jahrhundert aufkam. Der Anspruch hing sicher damit zusammen, dass sie seit langem den Osterkarren stellten, und mit hoher Wahrscheinlichkeit waren einige ihrer Vorfahren tatsächlich im Gefolge französischer Kreuzritter ins Heilige Land gezogen. Mitte des 12. Jahrhunderts besaßen sie jedenfalls eine herausragende politische Stellung, und im 13. Jahrhundert – nach dem Bruch mit den Feudalherren des Valdarno – war ihr Banner am Ostersamstag nicht zu übersehen. Die lange Tradition verlieh der Familie eine gewisse Würde. Es überrascht daher nicht, dass sie in den örtlichen Anekdotenschatz Eingang fand und Dante, der in seiner Göttlichen Komödie berühmte Namen verwendete, zwei Mitglieder wegen ihrer Sünden, Gewalttaten und Treuebrüche in der Hölle schmoren lässt. Tatsächlich gehörte die Familie Pazzi in den blutigen Auseinandersetzungen zwischen „Schwarzen“ und „Weißen“ in den Jahrzehnten um 1300 – Dantes Epoche – zu den Anführern der Schwarzen, das heißt der „aristokratischeren“ der beiden Gruppen. Und über weite Teile des 14. Jahrhunderts war das Geschlecht eng mit dem rechten Flügel der Oligarchie, den so genannten Guelfen, verbunden. Während des Aufstands der Wollarbeiter von 1378 steckte der Mob dementsprechend auch ihre Häuser in Brand.3 Die Pazzi konnten auf eine lange Tradition im Ritterstand zurückblicken. In praktisch jeder Generation hatte es mindestens einen Ritter aus ihren Reihen gegeben. Im ausgehenden 13. Jahrhundert nun löste die Stadt Florenz die Standesbezeichnung „Ritter“ von tatsächlichen Kampfhandlungen und machte sie weitgehend zu einem Ehrentitel, der zunehmend auch Männern aus unbedeutenden Familien verliehen wurde – ein bewusster Affront gegen den alten Adel. Dennoch blieb das Ritterum immer ein Rang von allerhöchstem Respekt, der im Rahmen einer feierlichen Zeremonie von einem Fürsten oder ähnlich hohen Herrn verliehen wurde; in der Arnostadt waren dafür die Prioren und ein florentinischer Ritter zuständig. Bevorzugt zum Ritter geschlagen wurden Gesandte, reiche Bankiers, namhafte Politiker und Männer mit besten Beziehungen nach ganz oben. Der Bekleidungskodex berechtigte Ritter und ihre Damen, auffälligere Kleidung zu tragen, und sie hatten bei allen öffentlichen Anlässen Anrecht auf einen Ehrenplatz. Die Medici aus Cosimos Stammlinie, die auf Understatement bedacht waren, mieden diese Würde (Lorenzo war niemals Messer Lorenzo), während die Pazzi, getreu ihrer Abkunft, die Ehrung begierig anstrebten. Im 15. Jahrhundert wurden denn auch drei Mitglieder, wenngleich alle Bankiers und Kaufleute, zum Ritter geschlagen: Messer Andrea di Guglielmino und seine beiden Söhne, Messer Piero und Messer Jacopo, der 1478 gehenkte Verschwörer.4 Der Stolz auf ihre Herkunft dürfte auch dazu beigetragen haben, dass die Pazzi Ende des 13. Jahrhunderts von der erstarkenden „bürgerlichen“ Kommune als „Fürsten“ (magnati) eingestuft und damit rigoros aus allen Regierungsgremien ausgeschlos-

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sen wurden – ebenso wie Dutzende andere „Magnaten“-Familien. Darunter verstand man die mächtigen Klans und Häuser, die ihr arrogantes Auftreten sowie der anmaßende Glaube, über dem Gesetz zu stehen, zu politischen Feindes „des Volkes“ gemacht hatte. Erst in den 1430er Jahren und der Generation von Andrea di Guglielmino sollte das Geschlecht wieder Zugang zu den höchsten Ämtern der Stadt erhalten. Trotz ihrer aristokratischen Vergangenheit also und der Aura professioneller Waffenträger betätigten sich die Pazzi bereits Mitte des 13. Jahrhunderts im Bankgeschäft. Vermutlich waren es jüngere Söhne, die sich, mit der Tradition brechend, auf eigene Füße stellten, nachdem sie zuvor bei weniger bekannten Handelsbankiers, möglicherweise angeheirateten Verwandten mütterlicherseits, in die Lehre gegangen waren. Um 1300 herum waren sie zudem Mitglied der florentinischen Tuchhändlerzunft. Die meisten der großen Bankhäuser der Stadt hatten als Handelshäuser begonnen.5 Anfang des 15. Jahrhunderts findet sich die Familie Pazzi nicht unter den größeren Steuerzahlern der Stadt. Selbst wenn einige Mitglieder, wie das bei alten Familien häufig noch der Fall war, viel Zeit auf ihren Landgütern verbrachten, wäre ein nennenswertes städtisches Vermögen den scharfsinnigen Steuerbeamten mit Sicherheit nicht entgangen. Zu diesem Zeitpunkt standen die reichsten Pazzi, die Erben eines gewissen Poldo, an achtzigster Stelle der Steuerzahlerliste ihres Stadtviertels San Giovanni.6 Doch Andrea di Guglielmino de’ Pazzi (1371–1445), der als Bub in den 1380er Jahren seine Lehrzeit absolviert hatte, war bereits auf dem besten Weg, gewaltige Reichtümer anzuhäufen. 1399 war der Jungunternehmer, inzwischen in Barcelona ansässig, groß im Finanz- und Tuchgeschäft. Als er später nach Florenz zurückkehrte und von hier aus seine Geschäfte tätigte, entschied er sich, ein „Bürgerlicher“ (popolano) zu werden, um damit seinen Söhnen den Weg in ein öffentliches Amt freizumachen. In einem Antrag an die Regierung stellte er seinen Status als magnato in Abrede, mit der Begründung, seit frühester Jugend im Handel tätig zu sein. Um seiner guten Geschäftsbeziehungen willen beantragte er jedoch, den Namen und das Wappen der Familie weiterführen zu dürfen; beide mussten laut Gesetz nämlich geändert werden, wenn man den Magnato-Status ablegte. Diesem Antrag wurde stattgegeben. 1427 war der Begründer dieses berühmten Zweigs der Familie an die sechste Stelle unter den Steuerzahlern des reichsten Stadtbezirks vorgerückt. Seine Steuererklärung wies ein Nettokapital von 31.000 Fiorini aus – mehr als genug, um ein internationales Bankhaus zu gründen.7 Nicht weniger bemerkenswert waren Andreas Kontakte. Im September 1442 weilte René von Anjou, der Anwärter auf den Thron von Neapel, geraume Zeit als Gast in seinem Haus. Der französische Magnat nutzte die Gelegenheit, ihn zum Ritter zu schlagen und als Taufpate für Andreas neugeborenen Enkel Renato zu fungieren. Im Januar 1443 lud der frischgebackene Ritter Messer Andrea Papst Eugen IV. zu einem Essen in das Kloster der Kirche Santa Croce und empfing ihn in seinen Privatgemächern über der späteren Pazzi-Kapelle, die kurz zuvor in Auftrag gegeben worden war. Rein zufällig zahlte der Papst bei dieser Gelegenheit die beachtliche Summe von 4000 Fiorini in die Pazzi-Bank ein.8

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Handel und Bankgewerbe Um die Mittel und Wege verstehen zu können, mit deren Hilfe die Pazzi in den Jahren 1478–80 systematisch vernichtet wurden, müssen wir einen Blick auf das Spektrum ihrer Geschäftsinteressen werfen. Angaben von 1427 zufolge bestand Andreas Vermögen aus Landbesitz, landwirtschaftlichen Betrieben, Häusern und Staatsanleihen (dem Monte) sowie Geschäftskapital. Offiziell waren rund sechzehn Prozent der Gesamtsumme Immobilien, der Rest Aktivposten. Den damals in Florenz üblichen Geschäftspraktiken nach dürfte dieser Anteil seines Kapitals in Wahrheit freilich weit höher gelegen haben. Nur vier Jahre später schuldete die Regierung seiner florentinischen Bank Kriegsanleihen in Höhe von 58.524 Fiorini – wenngleich die größte Bank, die sich mit derartigen Geschäften befasste, Cosimo de’ Medicis Institut war, das im selben Jahr offene Kriegsanleihen für 155.887 Fiorini verzeichnete.9 Die ältesten erhaltenen Unterlagen zu Andreas Nettovermögen (1427) dokumentieren die Arbeit eines brillanten Kaufmanns und Bankiers. Er hatte Beteiligungen an einer ganzen Reihe von Unternehmen, die jeweils als vollkommen eigenständige Gesellschaften geführt wurden. Unter verschiedenen Namen eingetragen, immer jedoch mit ihm als größtem Investor, hatten seine sieben Gesellschaften ihren Hauptsitz in Florenz, Pisa, Rom, Barcelona, Avignon, Montpellier und Paris. Und obwohl das Bankwesen seine wichtigste Branche blieb, handelte er auch mit luxuriösen Stoffen, besaß Handelsschiffe und war an Versicherungen und Geschäften mit der französischen Salzsteuer (gabelle) beteiligt. Als Hauptanteilseigner an vier Galeeren, die kurz vorher beschädigt und dann abgestoßen worden waren, kaufte er seit langem Anteile des königlichen Salzmonopols in Frankreich, indem er einen Prozentsatz des Wertes in bar vorfinanzierte und das Salz anschließend in kleineren Mengen weitervermarktete. In Florenz hielt er einen großen Anteil an einem Seidengeschäft, das unter dem Namen eines gewissen Ormanno degli Ablizzi firmierte, dessen Vater, der politisch einflussreiche Messer Rinaldo, schon bald Cosimo de’ Medicis Erzfeind Nummer eins werden sollte. Übrigens sollten Ormanno wie auch sein Vater ihr Leben im Exil beschließen. Nun hielt die Partnerschaft mit Albizzi, die naturgemäß auf einem Quäntchen Freundschaft basieren musste, Andrea nicht davon ab, auch mit den Medici Geschäfte zu machen. Unter den Einlagen seiner florentinischen Bank finden sich fast 5000 Fiorini auf den Namen von Cosimos Bank. Dies deutet darauf hin, dass Andrea Medici-Gelder zu einem höheren Zinssatz reinvestierte, eine Tatsache, die allein schon ein flüchtiges Licht auf seine Verträge und Bündnisse wirft und vermuten lässt, dass er eine langfristige Kooperation mit den Medici anstrebte. Den Markt an Regierungsanleihen teilten sich die führenden örtlichen Banken. 1427 schuldete die Stadt Florenz Andrea bereits 6864 Fiorini, und im Verlauf der nächsten Jahre sollten er und Cosimo – allen übrigen Kreditgebern haushoch überlegen – häufig als Mitglieder eines Bankengremiums zusammenarbeiten.

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Die Firmen in Barcelona und Pisa waren Großhandlungen für Seidenstoffe, und während Erstere unter dem Namen von Andreas fünfzehnjährigem Sohn Antonio sowie Francesco Tosinghis eingetragen war, lief das Geschäft in Pisa auf seinen eigenen Namen. Da die Familie Tosinghi von der Visdomini-Linie und damit genau wie die Pazzi von altem Adel abstammte, ist anzunehmen, dass die beiden Häuser auch verwandtschaftlich verbunden waren. Noch interessanter ist freilich, dass beide Unternehmen zugleich Banken waren: Sie verliehen und investierten Gelder. Die Firma in Barcelona, die alle zwei Jahre, wenn auch nicht unbedingt unter demselben Namen, neu gemeldet wurde, ging auf das Jahr 1417 zurück, als Andrea sie gemeinsam mit dem Florentiner Girolamo Guasconi gründete, der einer einflussreichen Politikerfamilie entstammte. In Rom tätigte Andrea seine Geschäfte mit einer Bank, die auf den Namen Francesco Boscoli, einen weiteren fiorentino, eingetragen war. Boscoli besaß ein Drittel der Anteile und leitete die Geschäfte der Bank, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit den Transfer nordeuropäischer Kirchengelder an den päpstlichen Hof erledigte sowie örtliche Finanzdienstleistungen anbot. Über die beiden Handelsgesellschaften in Montpellier und Paris liegen kaum Informationen vor. In jedem Fall verbanden sie Andrea mit zwei seiner Vettern. Genau wie die Firma in Avignon als kleine Banken deklariert, dürften auch sie eine Rolle im Salzgeschäft mit der gabelle gespielt haben, einer der lukrativsten Steuern Frankreichs. Alles in allem unterhielt Pazzi also ein beträchtliches Geschäftsvolumen in Frankreich. Andrea kannte König Karl VII., und seine Unternehmungen dort zeugen von den anhaltenden guten Beziehungen der Familie zu den Franzosen. Doch um Andreas vielfältige Unternehmungen erklären zu können, müssen wir noch etwas weiter ausholen. Im frühen 15. Jahrhundert galt Florenz zwar als wichtigster Sitz der europäischen Bankhäuser, doch die Blüte der florentinischen Wirtschaft war mit der Pest von 1348/49 zu Ende gegangen. Mehr als jemals zuvor war das florentinische Bankwesen folglich auf fachliches Know-how sowie auswärtige Niederlassungen angewiesen, also beispielsweise in Rom, Barcelona, Brügge, Avignon und Genf. Die Krone der alten florentinischen Wirtschaft, der Handel mit Stoffen, insbesondere auf dem Gebiet der sehr konkurrenzorientierten Seidenindustrie, verlangte ebenfalls nach neuen, aggressiveren Methoden. Insofern sind die kommerziellen Erfolge der Medici, Pazzi, Strozzi und anderer florentinischer Häuser umso höher zu bewerten. Da von den Pazzi-Firmen leider keine Bücher erhalten sind, ist es unmöglich, Einzelheiten über ihre Bank- und Handelsprofite festzumachen. Florentinische Steuererklärungen nennen nur selten Zinsen für Darlehen und Einlagen. Ebenso schweigen sie sich zumeist über die Hauptaktivität der großen Bankhäuser aus – die regelmäßge Beförderung von Gold- und Silberbarren von einem Teil Europas in einen anderen. Die Firmen der Pazzi benutzten sowohl Maultiere als auch flandrische Galeeren, um die Edelmetalle zu transportieren. Im September 1429 lief eine florentinische Galeere den unweit von Marseille gelegenen kleinen Hafen Port-de-Bouc an, um vier Ladungen Sil-

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ber an Bord zu nehmen, die Andrea de’ Pazzis Bank gehörten und entweder nach England oder Flandern verschifft werden sollten. Als Eigner oder Oberhändler übernahm Andrea 1440 selbst das Kommando über eine der Galeeren, und ungefähr zur selben Zeit segelte sein ältester Sohn Antonio als Offizier auf einem anderen Schiff nach Barcelona, Valencia und Southampton. 1442 fuhr Antonio erneut zur See, und im selben Jahr reiste auch Andreas jüngerer Sohn Jacopo, der spätere Verschwörer, zum ersten Mal mit dem Schiff nach Southampton, wahrscheinlich in verantwortlicher Position. In den 1460er Jahren scheint Jacopo erneut Galeeren gechartert zu haben. Sein Neffe Giovanni kommandierte 1473 eine florentinische Galeere, die nach Port-de-Bouc, Barcelona, Valencia und dann wieder zurück nach Porto Pisano segelte. In diesem Jahr, so der Chronist Dei, erhielten die florentinischen Firmen der Häuser Medici, Pazzi und Capponi Waren im Wert von über 150.000 Fiorini aus Lyon und Avignon.10 Drei Generationen lang waren die Pazzi mehr oder weniger durchgehend und in großem Umfang mit der internationalen Verschiffung von Gütern sowie Gold- und Silberbarren befasst – jenen beiden Handelsaktivitäten, die den höchsten Profit abwarfen. Zeitgenössischen venezianischen Schätzungen zufolge brachte der Fernhandel ein „jährliches Einkommen in Höhe von [durchschnittlich] vierzig Prozent des investierten Kapitals“. Ebenfalls zum Tätigkeitsspektrum eines florentinischen Bankiers gehörte aber auch, dass er tagtäglich an seinem „Tisch“ am Mercato Novo saß, Einzahlungen annahm und auf Anweisung von Kunden hin Geld ausbezahlte. Bei „Zeitkonten“ – für eine bestimmte Dauer angelegtem Festgeld – gab es im Regelfall um die acht Prozent. Höhere Zinsen waren schwer zu erzielen, wenngleich die Banken selbst Bargeld zu zwölf bis dreißig Prozent oder sogar noch teurer verliehen. 1455 bis 1459 erwirtschaftete die Cambini-Bank in Rom – ein wesentlich kleineres Institut als die Banken der Medici und Pazzi – im Mittel jährliche Gewinne in Höhe von dreißig Prozent des Einlagekapitals. In Florenz hingegen erzielten die Cambini in den 1460er Jahren 62 Prozent, in den 1470er Jahren 42 Prozent. Der Profit, den der Transport von Gold- und Silberbarren abwarf, dürfte in diesen Jahren noch höher gewesen sein. Im Falle einer ausgeglichenen Handelsbilanz (einer absoluten Utopie) bestünde keine Notwendigkeit, Gold und Silber zu verschiffen. Da dies de facto aber nie der Fall ist, zogen internationale Banken wie die der Medici und Pazzi Gewinn aus der Beförderung von Münzen und Barren auf dem See- oder Landweg.11 Die übliche Methode, Geschäfte über weite Entfernungen abzuwickeln, bediente sich so genannter Tratten (gezogener Wechsel), einer Art Schuldscheine, die vorwiegend von den großen Banken gehandelt wurden. Von einer Bank und einem Zahler in, sagen wir, Florenz ausgestellt, ermächtigte eine Tratte die Auszahlung in der Währung des Zielortes, sagen wir, Brügge, und setzte einen bestimmten Betrag sowie Zeitraum fest, beispielsweise neunzig Tage. Also: Der Betrag x war nach genau neunzig Tagen von einem bestimmten Geldinstitut in Brügge an die Person y auszuzahlen. Da die Bank zum einen eine Gebühr verlangte und zudem aus dem Währungstausch Profit zog, machte sie praktisch immer Gewinn. Doch wegen schwankender Wechselkurse barg

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die lange Laufzeit auch ein gewisses Risiko. Deshalb musste eine mögliche „Wuchergebühr“ mit in das kalkulierte Risiko eingerechnet werden, und alle beteiligten Bankiers beziehungsweise ihre Agenten mussten auf dem Geldmarkt absolute Profis sein. Bei der Aufzählung von Andrea de’ Pazzis Geschäftsaktivitäten habe ich auf die verschiedenen Namen seiner Unternehmen hingewiesen, jedes mit einem eigenen „Kapitalstock“ ausgestattet, weil Jahre später, nach der April-Verschwörung, Ermittler dieser Praxis besondere Aufmerksamkeit zuteil werden ließen, um auch wirklich alles zu erfassen. Die Beschlagnahmung des gesamten Pazzi-Vermögens sollte als gerechte Strafe für ihren „Verrat“ dargestellt werden, und der Bann, mit dem man sie belegte, wurde bis zu Andrea als Stammvater der „Verräterlinie“ zurückverfolgt. Der Wert, den er auf die Namen der verschiedenen Gesellschaften legte, lässt darauf schließen, dass es sich um eine bewusste Taktik zur Haftungsbegrenzung handelte: Jede Firma war eine eigene ragione, ein „unabhängiges Rechtsgebilde“. Sollte eine der Pazzi-Firmen Bankrott gehen, wäre ausschließlich diese Gesellschaft betroffen. Die Familienbank in Avignon etwa lief auf den Namen von zwei von Andreas Söhnen, den unehelich geborenen Guglielmo (dreizehn Jahre) und Piero (elf Jahre). Eine solche Aufteilung lässt keinen anderen Schluss zu. Besonders klar wird das Ziel dieser Geschäftspraxis, wenn man erfährt, dass Andrea seine Söhne 1429 lange vor dem offiziellen Alter (achtzehn in Florenz) für volljährig erklären ließ, um ihnen einen eigenen Gerichtsbarkeits- und Geschäftsstatus – unabhängig von seinem eigenen – zu verschaffen, obwohl der jüngste, Jacopo, damals erst sieben oder acht Jahre alt war.12 Die Medici-Bank war vergleichbar strukturiert: Rein rechtlich gesehen agierte jede der größeren Filialen als eigenständiges Unternehmen. Die Frage, wie man als Gläubiger gegen ein bankrottes Unternehmen vorgehen sollte, endete daher meist vor dem florentinischen Gerichtshof der Kaufleute (tribunale di mercanzia), wo Namen und Status beträchtliches Gewicht zukam, wenn Männer unter den Unwägbarkeiten eines gerade erst im Entstehen begriffenen Handelsrechts um Gewinne stritten oder sich zu verteidigen suchten. Daher suchte die herrschende Gruppe um Lorenzo beim Schlag gegen die Pazzi 1478 die Behauptung durchzusetzen, dass die verschiedenen PazziUnternehmen lediglich auf dem Papier – wenn nicht gar mit betrügerischer Absicht – separate Unternehmen waren, hinter deren Fassade die Brüder und Vettern als eine Interessengemeinschaft standen, so dass die erwiesene Schuld zweier von ihnen (Francesco und Messer Jacopo) notwendigerweise auch das Vermögen aller anderen mitbetreffen würde (und insofern deren Mitschuld implizierte). Und sie hatten Erfolg: Trotz des Wortlauts der Verträge, die auf Haftungsausschluss und Absicherung der einzelnen Haushalte angelegt waren, wurden die verschiedenen Handelsgesellschaften der Pazzi zusammengeworfen und wie eine einzige behandelt, um sie effektiver plündern und vernichten zu können. Andreas Steuererklärungen zeigen, dass ein Pazzi-Unternehmen in seinen Büchern ein anderes als zahlungsunfähigen Debitor führen konnte, als Abschreibungsobjekt sozusagen, wie beispielsweise die Teilhaberschaft mit Guasconi. Das hing damit zusam-

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men, dass die Schuldnerfirma entweder rote Zahlen schrieb oder bereits hatte schließen müssen. So wurde der Haftungsausschluss praktisch in die Tat umgesetzt. Andererseits ist auch klar, dass Andreas Firmen zum Teil über Kreuzverflechtungen miteinander verknüpft waren. Die Gesellschaft in Avignon hatte mehr als 1000 Fiorini in Andreas Florentiner Bank, die ihrerseits über 9000 Fiorini in das Seidengeschäft in Barcelona investiert hatte. Und die Bank in Rom, die auf den Namen Boscoli lief, hatte eine Einlage in Höhe von ca. 2800 Fiorini in der florentinischen Gesellschaft.13 Andrea sicherte seine Darlehen und Investitionen obendrein durch Diversifikation. Über seine florentinische Bank hatte er über 3000 Fiorini bei der großen BorromeiBank in Brügge deponiert sowie beträchtliche Beträge an eine Reihe von Seiden-, Wollstoff- und sogar Second-Hand-Geschäfte in Florenz verliehen. Sein größter Schuldner um das Jahr 1430 war jedoch die Stadt selbst – höchstwahrscheinlich eine seiner lukrativsten Investitionen. Denn genau wie sein Rivale und Kollege Cosimo de’ Medici wusste er, dass die jährlichen Zinsen für Kriegsanleihen an die Stadt Florenz in den Jahren 1429–32 nie unter fünfzehn Prozent lagen und die Wahrscheinlichkeit groß war, dass sie auf sechzig, vielleicht sogar hundert Prozent steigen würden. Die gigantischen Darlehen an die Stadt – Medici 156.000 Fiorini, Pazzi 58.500 Fiorini – sind der Beleg der immensen Geldquellen, über die die beiden Familien – zumindest in diesen Jahren – verfügten. Auch die hervorragende Lage der florentinischen Wohnhäuser von Andrea de’ Pazzi wirft ein Licht auf seine Vermögensverhältnisse. Sie standen im Herzen der Altstadt (siehe Karte Seite 6/7), ganz in der Nähe des Tatorts der April-Verschwörung: neben einer als „Straßenecke der Pazzi“ bekannten Kurve nur anderthalb Gehminuten vom nordwestlich gelegenen Dom und keine zwei Minuten vom „Kastell“ der Prioren (im Südwesten) entfernt. Hier also befand sich Andreas Hauptwohnsitz, zwischen den beiden kleinen Pfarrkirchen San Procolo und Santa Maria in Campo. Seine anderen Immobilien in Florenz – eine ansehnliche Gruppe von Wohnhäusern und der „PazziHof“ – erstreckten sich südlich, vorwiegend aber ostwärts zwischen dem alten Borgo di San Pier Maggiore (besser bekannt als Borgo degli Albizzi) und der heutigen Via de’ Pandolfini. Die Pazzi wohnten seit über zweihundert Jahren in diesem Bezirk, zuerst an der Nordseite des Borgo (bis in die 1390er Jahre), dann südlich. Deshalb auch hatten sie eine Privatkapelle in der Kirche San Pier Maggiore, wo jedoch die mächtige Familie Albizzi mit drei Kapellen als Hauptmäzen galt – Grund genug für Andrea, sich für seine letzte Ruhestätte ein anderes Gotteshaus zu suchen. Er wählte schließlich die gewaltigste Franziskanerkirche ganz Italiens, Santa Croce. Franziskaner-Bettelmönche standen hoch in der Gunst der potenten Bankiers und Kaufleute. Schließlich leisteten sie hervorragende Dienste, wenn es darum ging, die quälenden Schuldgefühle abzubauen, die die Sünde des Wuchers mit sich brachte.14 Wie alle wohlhabenden Florentiner besaß Andrea mehrere Güter und Häuser auf dem Land. Auf seinen Steuererklärungen erscheinen nicht weniger als dreizehn Gehöfte, an die hundert Parzellen Land, drei Mühlen und mehr als ein Dutzend Häuser,

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Abb. 4 Palazzo Pazzi, Florenz

meist für Landarbeiterfamilien. Streng nach Marktwert summierte sich der Wert all dieser Anwesen allerdings auf kaum mehr als 5000 Fiorini, ein Betrag, der die frappante Ungleichheit bei der Bemessung zwischen dem Nominalwert von Landbesitz und Geschäftsaktiva aufzeigt. Angesichts der Reichtümer der Stadt Florenz erschien das ländliche Hinterland völlig unerheblich. Von ortsansässigen Vertrauten auf Subsistenzniveau gehalten, war die Arbeit der Bauern spottbillig. Und es liegt auf der Hand, warum die städtische Oberschicht den größten Teil der ländlichen Toskana aufkaufte:

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Während der politischen Wirren der Jahre 1466 und 1478 hätten sich die Medici, so hieß es wohl nicht zu Unrecht, auf die Ergebenheit und die gekaufte Unterstützung ihrer Bauern verlassen und diese in großer Zahl nach Florenz geholt.15

Im Vorfeld des Jahres 1478 Wie es um die materiellen Güter der Pazzi in den nächsten fünfzig Jahren bestellt war, ist rasch erzählt, denn Andreas riesiges Vermögen ging zunächst auf seine Söhne und dann auf die tragische Generation von 1478 über. In seiner Steuererklärung vom 31. Mai 1433 führte Andrea mehr oder weniger dieselben Besitztümer auf dem Land auf wie vorher, doch der Anteil der in Familienbesitz befindlichen Staatsanleihen war auf nominell 28.000 Fiorini angestiegen, die noch ausstehenden Kriegsanleihen nicht eingerechnet. Genau wie in den Berichten, die die Medici bei der Steuerbehörde einreichten, werden diese Anleihen stillschweigend übergangen, so als gehörten sie gar nicht in den Aufgabenbereich der Steuergesetzgebung der Stadt. Der von Andrea de’ Pazzi angegebene Besitz verteilte sich wie folgt:16 4250 Fiorini 2000 2180 2000 1800 – – – – –

– – – –

Startkapital der florentinischen Bank Beteiligung an dem Seidengeschäft Banchi-Capponi Beteiligung an einer Wolltuch-Handelsgesellschaft mit zwei Capponi-Brüdern Startkapital der Wolltuchfirma seines Sohnes Jacopo Beteiligung am Startkapital seiner Pisaner Bank nicht spezifizierte Beteiligung an der Seidenfirma Albizzi, Bücher unvollständig Beteiligung an einer früheren Gesellschaft in Pisa, Bücher unvollständig Beteiligung, Schiffslinien nach Flandern, Bücher unvollständig Beteiligung, römische Bank, mit Francesco Boscoli, Bücher unvollständig Beteiligung, Handelsgesellschaft in Barcelona mit Sohn Antonio und Francesco Tosinghi, Firma aufgelöst, Bücher unvollständig Beteiligung, Handelsgesellschaft in Avignon mit Söhnen Guglielmo und Piero Beteiligung, Handelsgesellschaften in Montpellier & Paris, zu viele zahlungsunfähige Schuldner Beteiligung, Bank, mit Niccolò Cambini, Bücher unvollständig Beteiligung, Handelsgesellschaft mit Piero & Poldo Pazzi, macht Verluste

Im Vorfeld des Jahres 1478

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Andrea de’ Pazzi listete eine größere Verbindlichkeit auf. Er schuldete seiner eigenen florentinischen Bank 8628 Fiorini – eine Summe, die er vorwiegend für Investitionen verwendet hatte, nicht für die kleinen Rechnungen von Goldschmieden, Angestellten und Dienstboten oder Bauarbeitern und Handwerkern, die an seinen Häusern in der Stadt und außerhalb tätig gewesen waren. Was an der Erklärung ins Auge sticht, sind freilich die nicht genannten Beträge. Aus Angst vor drohenden Geldstrafen und höherer Besteuerung hätten es die meisten reichen Florentiner wohl nicht gewagt, eine solch unvollständige Erklärung einzureichen. Andrea jedoch gestand offen ein, die Angaben in großer Eile zusammengestellt zu haben, weil ihm die Zeit gefehlt habe, seine Bücher durchzugehen. Er vertraue jedoch darauf, dass die Steuerbehörden die Angaben als wahrheitsgemäß anerkennen und ihm zugestehen würden, die fehlenden Einzelheiten später nachzureichen. Anschließend würde er dann eine Übereinkunft mit ihnen aushandeln. Aber allein die Tatsache, dass er bereit war, mit einer Steuerbehörde zu taktieren, die für ihr eiskaltes und gnadenloses Vorgehen bekannt war, sagt viel über seine Kontakte aus. In den 1440er Jahren hatte die Pazzi-Bank in Rom eine sehr starke Position. Andrea und seine Partner waren paradoxerweise praktisch die Einzigen, die unbegrenzten Kredit von den Medici erhielten, was sie in die Lage versetzte, ihren Profit durch Geldverleih oder Investitionen zu steigern. Obendrein waren die Pazzi genau wie die Medici über Jahre hinweg unmittelbar für den Papst tätig. Sie zogen in unterschiedlichen Teilen Europas Gelder verschiedenster Art für die Kurie ein und waren zwischen 1451 und 1478 unter fünf verschiedenen Päpsten durchgehend am Eintreiben und Transfer päpstlicher Einkünfte aus Deutschland beteiligt. Sämtliche hier erzielten Gewinne entstammten Geldbewegungen und Devisentransaktionen. Andreas Söhne sollten ebenfalls auf diesem Gebiet tätig sein, um ihrerseits in den 1460er und 1470er Jahren von den Banken zweier Enkel abgelöst zu werden.17 Als der Patriarch Andrea de’ Pazzi im Oktober 1445 starb, hinterließ er drei Söhne, alle bestens vertraut mit den Geheimnissen des Bankgeschäfts und des Handels und alle bestrebt, ein öffentliches Amt zu bekleiden. Tatsächlich wurden alle drei in die Signoria gewählt (siehe Seite 96/97), und zwei von ihnen, Piero und Jacopo, erreichten sogar den höchsten Posten des Gonfaloniere di giustizia. Zwei Töchter, Lena (Elena) und Albiera, dienten den Pazzi-Interessen auf dem üblichen Weg durch Endogamie beziehungsweise Heiratspolitik. Sie hatten in die reichen Geschäftshäuser der Lamberteschi und Bardi eingeheiratet. Der Tod von Messer Andrea führte also keineswegs zum abrupten Zerfall einer weit verzweigten Familie, deren Mitglieder ihre Einkünfte allesamt aus derselben Quelle bezogen. Die verheirateten älteren Söhne Antonio und Piero hatten 1441 eigene Haushalte in Gebäuden in unmittelbarer Nähe der Pazzi-Enklave. Es bestanden jedoch auch Spannungen zwischen den Söhnen und dem Vater, der über die Schulden, die sie bei ihm hatten, minutiös Buch führte, allen dreien verschwenderischen Lebensstil vorwarf und sie sogar zu enterben drohte. Zu diesem Zeitpunkt jedenfalls waren sie

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noch nicht die pflicht- und verantwortungsbewussten Geschäftsleute, zu denen er sie erzogen hatte. Im März 1447 nahm er die Drohungen, die möglicherweise Früchte getragen hatten, allerdings zurück, und unparteiische Schiedsmänner teilten den Besitz in drei Teile. Für die große Steuerschätzung des Jahres 1447 gaben die drei Brüder dementsprechend bereits eigene Erklärungen ab. Antonio und Piero hatten dies freilich auch schon für eine frühere Steuererhebung im Jahr 1442 getan.18 Steuern und so genannte Zwangsanleihen bemaßen sich in Florenz, grob gesagt, nach Besitztümern unterschiedlicher Art: Immobilien, Geschäftskapital, Anteile an der öffentlichen Verschuldung und Barvermögen. Wurde ein Haus vom Eigentümer selbst bewohnt, war dieses von Steuern befreit. Kurz vor seinem Tod erhielt Messer Andrea eine geringe Steuerstundung, aus der hervorgeht, dass er in den zehn Jahren zwischen 1435 und 1445 an die 40.000 Fiorini Steuern bezahlt hatte – zwar kein Vergleich zu den gewaltigen Aufwendungen eines Giannozzo Manetti, aber, zumal angesichts Andreas guter Beziehungen zum MediciRegime, doch ein bezeichnender Hinweis auf seine gewaltigen Bank- und Handelsgewinne.19 In den neuen Dokumenten (1447) nahm Antonio, der Älteste der Brüder, den kurz zuvor eingetretenen Tod des Vaters zum Anlass, um die Schließung der Pazzi-Banken in Florenz und Avignon (beide später wiedereröffnet), den Verlust von Kunden, drückende Schulden und die andauernde Last hoher Steuern zu beklagen, die, so lamentierte er, nun um nichts niedriger seien als in den blühenden Zeiten des jüngst verstorbenen Messer Andrea. Piero und Jacopo ließen Antonio ihre Geschäftsinteressen vertreten, obwohl dieser behauptete, jeder der Brüder „verwaltet jetzt seine Dinge selbst“. Von einem allgemeinen Lamento abgesehen, verrät Antonio jedoch wenig über den aktuellen Stand der Geschäfte, und auch von anderer Seite erfahren wir nichts darüber. Stattdessen listen die Brüder ihre Immobilien und Anteile an der Staatsverschuldung auf, und diese Angaben zeigen, dass sich das solide Vermögen der Familie noch vergrößert hatte. Ihr Besitz an Regierungsanleihen belief sich mittlerweile auf über 63.000 Fiorini, was bei fünfprozentiger Verzinsung ein Jahreseinkommen von 3150 Fiorini bedeutete. Konnte die Kommune keine Zinsen zahlen, erhöhte sich die Kreditsumme. Diese verteilte sich wie folgt: Antonio Piero Jacopo

12.000 Fiorini 15.500 Fiorini 20.000 Fiorini

Ein zusätzlicher Kredit über 16.000 Fiorini würde später unter den Brüdern aufgesplittet, lief 1447 aber noch auf den Namen ihres Vaters, weil die Einkünfte daraus zur Bezahlung der noch nicht vollendeten Arbeiten an der Pazzi-Kapelle verwendet werden sollten.

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Auch der Landbesitz der Familie war deutlich angewachsen: Antonio Piero Jacopo (ohne feste Zuschreibung)

8 Gehöfte und viele Parzellen Land 12 Gehöfte und viele Parzellen Land 10 Gehöfte und viele Parzellen Land 3 Gehöfte und ca. 100 Parzellen Land

Das zuletzt genannte Ackerland hatte ursprünglich Lamberto Lamberteschi gehört, dem Ehemann ihrer Schwester Lena, der jetzt aber in der Verbannung lebte. Es ist zu vermuten, dass dieser Besitz als Sicherheit für Lenas Mitgift zurückgehalten wurde. Alle Brüder waren inzwischen verheiratet und lebten fromm in dem traditionellen Viertel der Familie. Ihre Häuser standen quasi Tür an Tür, östlich und südlich der „Ecke der Pazzi“. Jacopo, der Jüngste, hatte das Haus des Vaters geerbt und verwandelte es durch Erweiterungs- und Umbauten um 1470 in den stattlichen Palazzo Pazzi (Abb. 4). Als Aktivster der Brüder hatte er obendrein das Montughi-Anwesen im Norden von Florenz in seinen Besitz gebracht. Dort sollte er im April 1478 die folgenschweren Unterredungen hinsichtlich der Ermordung der Medici-Brüder führen.

Die tragische Generation Ein unklares Bild der Geschäftsanteile der Pazzi zeichnet die Steuererklärung der Familie von 1458. Der älteste Bruder, Antonio, war 1451 gestorben. Piero, Kenner des klassischen Altertums, Redner, begnadeter Diplomat und berüchtigter Verschwender, folgte ihm wenige Jahre später – seiner Zeitgenossin Alessandra Strozzi zufolge starb er an einem Übermaß von Vergnügungen und Missbrauch von Reichtum! Nun also lag das Schicksal der Familie in den Händen von Jacopo und der Generation seiner Neffen, die unter keinem glücklichen Stern stand. Aktuelle Aufstellungen nennen weitere Gehöfte und Landparzellen, was wiederum einen Eindruck davon vermittelt, wie das Pazzi-Vermögen in der Toskana weiter anwuchs. In wenig mehr als zehn Jahren war der Wert ihrer Anteile an den florentinischen Staatsschulden von 63.000 auf 90.400 Fiorini gestiegen, wovon der größte Teil, über 51.000 Fiorini, auf Jacopos Namen lief. Allerdings muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass sich das Gros dieses Anstiegs höchstwahrscheinlich auf verzinsliche Zwangsanleihen und Dividendenzuwachs begründete. Es reicht wohl zu sagen, dass wenn wohlhabende Florentiner gewisse obligate „Anleihen“ oder Steuern voll beglichen, die Regierung diese in veräußerbare, Zinsen bringende Staatsanleihen umwandelte. Bezahlten sie hingegen dieselben Abgaben nicht in voller Höhe, sondern etwa nur ein Drittel der Summe, galten diese Beträge als ganz gewöhnliche Steuerzahlung.20 Bei der Auflistung ihrer Geschäftsanteile gewährten die Brüder und Neffen den Finanzbeamten wiederum so wenig Einblick wie möglich. Mit ihrer Steuererklärung

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waren reiche Florentiner in aller Regel recht zurückhaltend. In vielen Fällen verschwiegen Bürger sogar abziehbare Schulden („Ich schulde X soundso viel“), weil diese Angaben eine zusätzliche Steuerpflicht für ihre Kreditgeber ausgelöst hätten, was im Fall einer mündlichen Absprache, über derartige Transaktionen Stillschweigen zu bewahren, als Vertragsbruch angesehen wurde. Trotzdem mussten die Pazzi einige ihrer Karten auf den Tisch legen – aus dem einfachen Grund, weil sie und ihre Geschäfte, genau wie die Medici, schlichtweg zu bekannt waren. Und das waren die „Karten“: 1) Jacopo besaß ein Seidengeschäft in Genf, „Jacopo de’ Pazzi & Co.“, das von dem Florentiner Francesco di Lutozzo Nasi geführt wurde, dem (gemeinsam mit seinem Sohn) ein Viertel der Geschäftsanteile gehörten. Investiertes Kapital: 4000 Fiorini. 2) Piero und Jacopo hatten eine Bank in Rom, als Geschäftsführer fungierte ihr florentinischer Partner Jacopo de’ Mozzi: „Unser Vater [Andrea] gründete [die Bank], damit er von den Männern am päpstlichen Hof Bargeld annehmen konnte.“ 3) Es scheint auch eine Bank in Avignon gegeben zu haben, in der hauptsächlich Piero das Sagen hatte – jedenfalls hielt er sich dort auf, als 1458 die Steuererklärung ausgefüllt wurde. Weil er es versäumt hatte, die nötigen Einzelheiten weiterzuleiten, baten seine Söhne darum, diese Informationen nach seiner Rückkehr aus Frankreich nachreichen zu dürfen. 4) Ein Wolltuchgeschäft in Florenz, geführt unter dem Namen von Jacopo „und Partner“, war zwei Jahre zuvor geschlossen worden. Gewinn- und Verlustkonten waren unvollständig. 5) Jacopo unterhielt eine Beteiligung im Seidenhandel, der vorwiegend von seinem Partner Giuliano di Francesco Corsellini abgewickelt wurde. Investierte Summe: 1500 Fiorini.

Nach Durchsicht der drei Steuererklärungen schätzten die Finanzbeamten das Nettovermögen der drei Pazzi-Haushalte wie folgt: Antonios Erben Piero Jacopo

10.238 Fiorini 9505 Fiorini 16.775 Fiorini

gesamt

36.518 Fiorini

Die eine Hälfte des Gesamtbetrags errechnete sich aus dem aktuellen Marktwert der Staatsanleihen der Pazzi (20 Prozent von 90.400 Fiorini), die andere setzte sich aus etwa 9000 Fiorini in Immobilien und 9000 Fiorini Geschäftskapital zusammen. Genaueren Einblick in die Geschäftsaktivitäten der Pazzi gewinnt man aus den überschlagsmäßigen Gewinn-und-Verlust-Rechnungen in Pieros Steuererklärungen. Den Soll- und Haben-Spalten des Genfer Seidengeschäfts zufolge lagen die Transaktionen der Firma in der Größenordnung von 17.000 Fiorini, den Wert der damals im Lager befindlichen Seidenstoffe eingerechnet. Die Pazzi-Bank in Rom handelte mit Beträgen in Höhe von etwas mehr als 36.000 Fiorini. Unter den Hauptschuldnern der Bank fanden sich einige der höchsten Würdenträger der Kurie: Papst Kalixtus III.,

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Kardinal Orsini, die Kardinäle von Messina, San Marco (Venedig), Fermo und San Sisto (Juan Torquemada) sowie zahlreiche andere Prälaten, zum Teil aus so weit entfernten Regionen wie Polen, Deutschland, Katalonien und Rhodos. Interessanterweise waren auch die Pazzi-Firmen in Genf und Florenz bedeutende Kreditnehmer. Andererseits findet man unter den größten Kreditoren die Kardinäle von Rouen, Portugal, Köln, Bologna und Zamora, dazu den Präfekten von Rom und, so wörtlich, „Messer Andreas Erben“, die Pazzi-Brüder und -Neffen. Bandbreite und Umfang der Pazzi-Unternehmungen waren aber noch weit größer, als die genannten Zahlen vermuten lassen. Jacopos Erklärung enthüllt, dass eine der Handelsgesellschaften in Barcelona noch Seidenstoffe auf Lager hatte, die einem Gegenwert von 2700 Fiorini entsprachen (mehr als die Hälfte dessen, was Andreas Immobilien 1427 wert gewesen waren): Hier war also etwas im Busch. An einem anderen (nicht genauer bezeichneten) Ort erhoben die Pazzi Forderungen über 2226 Fiorini für „viele Ballen Tuch“. Filippo Strozzis Firma in Neapel schuldete ihnen 2726 Fiorini, ebenfalls für Stoffe. Seit kurzem war Jacopo außerdem an einem weiteren Seidengeschäft beteiligt, „Lorenzo Dietisalvi & Co.“. Und nur wenige Jahre später (1466) hatte der bekannte Überläufer und Powerbroker Luca Pitti 750 Fiorini bei der florentinischen Bank von „Jacopo de’ Pazzi & Partner“ angelegt, die ihm jährlich Zinsen in Höhe von acht Prozent einbrachten – sofern der gran maestro nicht höhere Sonderkonditionen erhielt.21 Obwohl die Pazzi vorwiegend als Bankiers bekannt waren, hatten sie doch auch beträchtliche Anteile an Herstellung und Vertrieb kostbarer Stoffe, der traditionell größten und wichtigsten Branche der Arnostadt. Als Messer Jacopo und seine Neffen den Behörden 1469 ihre letzten Vermögensund Geschäftswerte vor der Katastrophe präsentierten, war ihr Besitz merklich geschrumpft:22 Messer Pieros sieben Söhne Antonios drei Söhne (inkl. Guglielmo und Francesco) Messer Jacopo

7500 Fiorini 8518 Fiorini 10.800 Fiorini

Die Einzelheiten enthüllen einen generellen Anstieg an Großgrundbesitz und überhaupt die Tendenz zu Investitionen der solideren Art. Außerdem hatte sich die Familie von einer größeren Menge Schuldverschreibungen getrennt, in Jacopos Fall möglicherweise, um Bargeld für lukrativere Anlagen freizubekommen. Antonios Söhne jedenfalls behielten den größten Teil ihrer Monte-Anteile. Florenz schuldete ihnen 5659 Fiorini für ausstehende Zinsen auf diesen Bestand. Ziehen wir einen Vergleich: Zählt man das Nettokapital der drei Haushalte zusammen, so liegt die Summe von 26.800 Fiorini deutlich unter den 31.000 Fiorini, die Andrea 1427 gemeldet hatte. Innerhalb von vierzig Jahren scheint sich das Gesamtvermögen der Familie also verringert zu haben, und zwar drastisch, wenn man bedenkt,

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dass drei separate Haushalte mit wesentlich mehr „Mündern“ (ein Steuerterminus) jetzt zusammengenommen weniger besaßen als Andea seinerzeit allein. Stand Lorenzo de’ Medici 1478 folglich eine Familie gegenüber, die bereits von Finanzverlusten geschwächt und insofern zu einer Verzweiflungstat bereit war? An sich nicht, zumal jeder teilweise Niedergang des Vermögens psychologisch, das heißt soziopolitisch, durch den Zuwachs an männlichen Pazzi kompensiert wurde. Außerdem rangierten die drei Haushalte zusammen immer noch an zweiter Stelle der florentinischen Steuerliste. Übertroffen wurden sie lediglich von den Medici. Noch aufschlussreicher ist vielleicht, dass alle drei 1469 eingereichten Steuererklärungen Banken- und Geschäftskapital mehr oder weniger unerwähnt ließen. Messer Jacopo, inzwischen das patriarchalische Oberhaupt des Klans, listete nicht eine einzige Investition auf, weder finanzieller noch geschäftlicher Art. Offenbar hatte er Grund zu der Annahme, dass seine Erklärung dennoch durchgehen würde. Für Antonios Erben gab Guglielmo (Lorenzo de’ Medicis Schwager) Banken in Rom und Lyon an, spricht diesen aber wegen einer Schuld über 5000 Fiorini an Renato de’ Pazzis florentinische Firma keinerlei Aktiva zu. Tatsächlich erscheint der oben genannte Betrag auch in Renatos Erklärung. Dieses Geschäft wiederum, das angeblich über keinerlei Anlagekapital verfügte, wird als eine Art Warenlager und Korrespondenzzentrum (fondaco) beschrieben. Renato nennt auch die Firma seines Bruders, „Andrea de’ Pazzi & Co.“, und zwar in einem Zusammenhang, dem zu entnehmen ist, dass dieses Unternehmen hochwertige Wollstoffe herstellte, die ausschließlich über die römische Pazzi-Bank an dortige Händler sowie den päpstlichen Hof verkauft wurden. Trotzdem wurden als Nettovermögen von Renato und seinen Brüdern lediglich 1500 Fiorini „an Handelswaren und in bar“ angegeben. Anfang der 1460er Jahre besaßen Guglielmo de’ Pazzi und einer seiner Partner, Francesco Nasi, eine der größten Banken von Genf, die um 1465 nach Lyon verlegt wurde, wo sie bis mindestens 1473 blühende Geschäfte machte. Florentinische Bankiers nutzten diese französische Stadt gerne als eine Art internationale Clearingstelle.23 Die Pazzi unterhielten Niederlassungen in Rom, Florenz, Lyon, Avignon, Marseille, Brügge und Valencia. 1472 beispielsweise hatte die Brüggener Bank „einen Personalstab von acht Personen“, während die Filiale in Marseille nur vier zählte. Brügge sollte wenige Jahre später ein wichtiger Standort der Pazzi-Bank werden, als der verärgerte Sixtus im Juni 1476 das päpstliche Alaunmonopol der Medici-Bank entzog und den Pazzi übertrug. Im Herzen der reichsten Textilien produzierenden Region Nordeuropas gelegen, musste es für die Brüggener Niederlassung ein Leichtes gewesen sein, lokale Märkte für das in der Färberei verwendete Alaun zu finden. Allerdings fanden all diese unterschiedlichen Geschäftsinteressen in den Pazzischen Steuererklärungen von 1469 kaum Widerhall. Hier herrscht vielmehr beredtes Schweigen. Das offensichtliche Zurückhalten von Informationen, Jacopos unverschämtes Vorgehen und das stillschweigende Einverständnis der Steuerinspektoren unterstreichen die Stellung, die die Pazzi in Regierungskreisen genossen – eine Position, die Guglielmos Heirat mit

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Bianca de’ Medici zehn Jahre zuvor besiegelt hatte. Die Brüder und der Onkel mussten genau gewusst haben, dass ihre Steuererklärungen keiner ernst zu nehmenden Prüfung unterzogen werden würden.24 Als Papst Sixtus IV. 1474 die Medici als seine Hausbankiers entließ und durch eine konkurrierende Florentiner Bank ersetzte, übertrug er den Pazzi in Rom neue Geschäfte mit einem ungeheuren Volumen. Nun war diese Neuigkeit natürlich sofort in aller Munde und erreichte in Windeseile auch Florenz. Doch gab es keinen Grund, diese Veränderung in der Arnostadt offiziell bekannt zu machen. Sie gelangte auch nicht in die Steuerunterlagen, weil in den 1470er Jahren keine neuen Steuererklärungen fällig waren. Und als dies das nächste Mal der Fall war, 1480, waren die Namen von Andea de’ Pazzis Nachfahren komplett aus allen Unterlagen gelöscht. Was die Regierung von Florenz anging, besaßen diejenigen Pazzi, die die April-Verschwörung überlebt hatten, keinerlei Eigentum mehr. Und sollten sie es doch tun, dann war dies – laut höchster Instanz – illegal.25 Blicken wir von den 1470er Jahren zurück auf das Vermögen, das Andrea in den 1430ern besaß, so scheinen seine Erben ab etwa 1445 für ein Jahrzehnt eine wirtschaftliche Flaute durchlebt zu haben. Ab Ende der 1450er Jahre dann aber setzte die „verfluchte“ Generation zu einem echten finanziellen Comeback an. Renato, Francesco (der Verschwörer), der junge Andrea und noch ein oder zwei andere erwiesen sich als viel versprechende Kaufleute und Bankiers. Im Dezember 1478, acht Monate nach dem Attentat, befand sich Guglielmos vierzehnjähriger Sohn Antonio – vermutlich in Begleitung eines älteren Agenten – bereits in Brügge, um den dortigen Familienbesitz vor dem internationalen Zugriff der florentinischen Diplomatie zu schützen. Er konnte auf die Unterstützung des Königs von Neapel zählen.26 Weil sie immer auch familiär verknüpft waren, entsteht der Eindruck, dass in allen Pazzi-Unternehmen Harmonie und Familiensolidarität herrschte. Dennoch hatten Antonio und Piero, die beiden älteren Söhne des Patriarchen Andrea, bereits 1441 den Familienwohnsitz verlassen und eigene Häuser bezogen. Als sie im darauf folgenden Jahr eigene Steuererklärungen einreichten, erkannte die zuständige Behörde die Trennung jedoch nicht an, wahrscheinlich eben wegen jener unternehmerischen Verflechtungen, anscheinend aber auch, weil ihnen eine so frühe Spaltung in einer derart reichen Familie höchst ungewöhnlich erschien. Wie wir gesehen haben, erhob nach Andreas Tod jeder der drei Söhne rasch Anspruch auf sein väterliches Erbteil, und alle lebten weiterhin getrennt. Der Unternehmerischste der drei, Jacopo, scheint seinem Vater am nächsten gestanden zu haben, was dazu führte, dass er auch den Löwenanteil erhielt. Seine notorische Spielleidenschaft jedoch dürfte die Familie in keinem Fall gebilligt haben. Zugleich dürfte der Schlendrian seines Bruders Piero – im Privat- wie im Geschäftsleben – unweigerlich Streit provoziert haben. Trotzdem behielten die Brüder ihre Teilhaberschaft bei und holten auch noch die Neffen ins Boot. Geschah dies nach dem Prinzip, dass man von zwei Übeln stets das kleinere – in diesem Fall das besser bekannte – wählen sollte? Ein

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weises Sprichwort, zumal in einer Stadt, in der Verschlagenheit und hinterlistiges Geschäftsgebaren an der Tagesordnung waren, wie florentinische Erzählungen aus der Zeit belegen, in denen Arglist und Ränkespiele häufig nahezu verherrlicht werden.27 In der Folgegeneration gingen Brüder und Cousins in ähnlicher Weise auf Distanz. Wollte Renato, als er am Tag vor dem Mordanschlag zu seinem Landsitz nach Trebbio hinausfuhr, damit zum Ausdruck bringen, dass er etwas über ein geplantes Verbrechen aufgeschnappt hatte und deshalb möglichst weit vom Schauplatz entfernt sein wollte? Wenn er die Stadt verließ, weil er eine leise Ahnung oder Vorahnung hatte, ansonsten aber rein gar nichts über das Komplott wusste, wie hätte er da – mit so wenig Informationen in Händen – zu Lorenzo gehen und seinen Onkel Jacopo und Vetter Francesco denunzieren können? Allen internen Zwistigkeiten zum Trotz, seien sie ernster Natur gewesen oder nur oberflächlich, verband Onkel und Neffen doch eine tief gehende Bindung. Sie wurden immer noch als Kollektiv angesehen, Ehre oder Schande würden unweigerlich die ganze Familie treffen. Selbst Renatos weit entfernt lebender Bruder, der Bischof von Sarno, ein Agent des Königs von Neapel, sollte die Konsequenzen zu spüren bekommen. Dem hochmütigen und cholerischen Francesco, der die römische Niederlassung der Pazzi-Bank leitete und mit Kardinälen, Fürsten sowie dem Papst selbst auf vertrautem Fuß stand, stieg, wie wir sehen werden, diese nachgerade gesetzlose Welt zu Kopfe. Wohingegen in Florenz sein Bruder Guglielmo als Ehemann von Bianca de’ Medici notgedrungen im unmittelbaren Einflussbereich der Medici lebte – unbeschadet der Tatsache, dass auch er von Lorenzo aus dem öffentlichen Leben verdrängt worden war.

Porträt: S o d er i n i Tommaso Soderini (1403–85) Als Lorenzo de’ Medicis Vater Piero Ende November 1469 im Sterben lag, machte der Politiker und Kaufmann Tommaso Soderini bei einem kleinen Kreis mediceischer Patrizier die Runde, um um Unterstützung für den jungen Lorenzo zu werben, der fünf Wochen später seinen einundzwanzigsten Geburtstag feiern sollte. Sein Ansinnen sprach sich herum, und wenige Stunden nach Pieros Tod (2. Dezember) versammelten sich rund siebenhundert Bürger in der Kirche St. Antonio, wo Soderini und mehrere andere zu ihnen sprachen. Am nächsten Tag kamen mehrere Politiker in den Palazzo Medici, um dem jungen Mann Trost und Mut zuzusprechen, ihn de facto mit der Sorge um die Stadt zu betrauen und die Autorität, die sein Vater und Großvater besessen hatten, auf ihn zu übertragen. Durch diese Handlung der höchsten Vertreter der Oligarchie wurde Lorenzo zum ersten Mann des Regimes oder, um es mit den Worten der Zeit auszudrücken, der gran maestro.1 Freilich hatte Lorenzo, ganz Realpolitiker, der er schon damals war, nicht tatenlos darauf gewartet, dass ihn diese selbst ernannte Abordnung aufsuchte. Es ist durchaus vorstellbar, dass er sich schon in St. Antonio fragte, wie viele der dort versammelten siebenhundert Bürger unerschütterliche Medici-Anhänger waren. Und aus dem Wissen heraus, dass in der Arnostadt sehr wohl eine unterschwellige politische Opposition existierte, hatte er bereits gehandelt. In den letzten Lebenstagen seines Vaters hatte er sowohl brieflich als auch über persönliche Gespräche mit dem mailändischen Gesandten in Florenz Kontakt zum Herzog von Mailand, Galeazzo Maria Sforza, aufgenommen und diesen ersucht, ihm Schutz und die Unterstützung der Mailänder Truppen für den Fall zu gewähren, dass er diese benötigen sollte. „Meine ganze Hoffnung“, heißt es in einem Brief vom 2. Dezember, „ruht auf Euch, der Ihr, so meine Bitte, meiner Stellung und Sicherheit gedenkt, die nur Eure Durchlaucht gewährleisten kann.“ Und zwei Tage später, seine Ergebenheit dem Herzog gegenüber noch stärker zum Ausdruck bringend, vertraut er ihm „meine Seele, meinen Leib und all meine weltlichen Güter“ an. Nicht umsonst, denn schon am 6. Dezember hatte er die Zusage des Herzogs, ihm als Zeichen seiner Solidarität tausend Soldaten nach Florenz zu schicken. Außerdem verfasste Sforza ein Schreiben an die Prioren, denen er seinen Schützling wärmstens ans Herz legte. Falls nötig würde also kalter Stahl für den jungen Dich-

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ter im Reich der Politik sprechen (seit seinem fünfzehnten Lebensjahr hatte Lorenzo Verse geschrieben). Doch dank Tommaso Soderini und einigen anderen ging das Ganze nicht nur ohne Blutvergießen, sondern sogar ohne offene Auseinandersetzungen ab. Wer aber war dieser Mann, der die Dinge so souverän gemanagt hatte?2 Wie die Pitti und Manetti südlich des Arno zu Hause, zählten die Soderini zu den am höchsten geachteten Politikerfamilien – angesehener noch als die Medici, zumindest bis zu Cosimos Zeiten. Tommasos Zweig der Familie – ein unehelicher übrigens – trennte sich von der Hauptlinie um 1400 herum, wenige Jahre bevor sein Vater, der natürliche Sohn eines prominenten Soderini und einer Französin, in Florenz hingerichtet wurde, weil er Dokumente gefälscht und in Umlauf gebracht hatte, die seine legitime Geburt beweisen sollten. Dies wurde als schwerer Betrug angesehen. In den späten 1420er Jahren, als Tommasos älterer Bruder Niccolò angeklagt war, ein Mordkomplott gegen einen mächtigen Medici-feindlichen Politiker angezettelt zu haben, erbaten die Brüder – mit Erfolg – die Hilfe der Medici. Florenz war damals in zwei feindliche Lager gespalten. Und als sich in den 1430er Jahren Cosimos Sieg abzeichnete, begann auch für Tommaso und Niccolò Soderini der Aufstieg in die höheren Ränge der neuen Oligarchie. Die „echten“ Soderini der Hauptlinie dagegen, die mit der gegnerischen Partei der Albizzi paktiert hatten, verloren ihre politische Stellung und gerieten in finanzielle Nöte, was wiederum ihre Gläubiger, die illegitime jüngere Linie, in die Lage versetzte, die alten Familienanwesen zu kaufen, die ganz in der Nähe des Flusses am südlichen Ende der Carraia-Brücke lagen. An der Seite der Medici bewiesen Tommaso und Niccolò großes Talent für die Politik, und etwa 1442 festigte Tommaso seine Beziehungen zu Cosimo, indem er Dianora Tornabuoni zur Frau nahm, die Schwester von Lucrezia, die Piero, der Sohn des großen Bankiers, ein Jahr später heiraten sollte. Die Tornabuoni zählten zu Cosimos engsten Freunden, und in der nächsten Generation sollte Giovanni Tornabuoni, ein Bruder der beiden Schwestern, die römische Niederlassung der Medici-Bank leiten. Die Brüder Soderini arbeiteten sich in die höchste Ebene der Oligarchie empor. Dann entzweiten sie sich. Ende der 1440er Jahre begann Niccolò der zunehmend repressive Führungsstil der Medici zu missfallen. In den 1450er Jahren war es schließlich so weit: Im Rahmen einer Mission, auf die man ihn geschickt hatte, fühlte er sich persönlich ausgenutzt, und da er ungeduldiger war als sein jüngerer Bruder und auch kühner, entzog sich Niccolò immer mehr der Aufsicht der Medici und wandte sich schließlich gegen das ganze manipulierte Wahlsystem, das sie an der Macht hielt. Der vorausschauende Tommaso indes blieb und stieg in die Führungsriege des Regimes auf. Der politische Bruch zwischen den beiden Brüdern sollte niemals heilen.3 1466, als der Konflikt zwischen den beiden Fraktionen, Medicisympathisanten und Medicigegnern, Florenz an den Rand des Bürgerkriegs brachte, wurde Niccolò Soderini als einer der führenden „Aufständischen“ lebenslang aus der Stadt verbannt und in einem Rachefeldzug, der sich über viele Jahre hinzog, seines gesamten Vermögens beraubt. Er starb im Exil. Tommaso, der immer noch zu den Medici hielt, schwamm

Tommaso Soderini (1403–85)

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derweil auf einer Erfolgswelle und war im Dezember 1469 – nach dreißigjähriger Erfahrung in der Welt der Politik – einer von zwei, höchstens drei Männern in Florenz, der das Format und die Stellung hatte, die Medicianhänger zusammenzurufen und die Macht an Lorenzo zu übergeben. Seine Loyalität und Treue den Medici gegenüber bildete ein Gegengewicht zum „Verrat“ seines Bruders. So also begann die seltsame und zwiespältige Beziehung zwischen dem sechsundsechzigjährigen Tommaso und dem jungen Medici-Fürsten, den zum inoffiziellen Staatsoberhaupt zu küren er selbst beigetragen hatte. Hinreichend unterrichtete Zeitgenossen müssen sich damals gefragt haben, wie der gerissene alte Politfuchs, der mit Lorenzos Tante Dianora verheiratet (und folglich sein angeheirateter Onkel) war, mit einem so ehrgeizigen, cleveren, stolzen und eigensinnigen Neffen auskommen würde. Im Laufe der nächsten zwölf Jahre hatten die beiden häufig Auseinandersetzungen. Tommaso war der einzige Mann in Florenz, der Lorenzo auf der politischen Bühne offen zu widersprechen wagte. Zeitweise schienen die beiden fast Rivalen zu sein, aber der Jüngere unternahm nie etwas gegen seinen älteren Kontrahenten. Er wusste wohl, was er an einem freundlichen Gegenspieler hatte. In der Republik Florenz schadete es schließlich nie, zu zeigen, dass eine gewisse Opposition geduldet wurde. Dazu kam, dass der Gegner aus den eigenen Reihen stammte und niemals eine ähnliche Gefahr darstellte wie beispielsweise die Pazzi, die über enormen Reichtum, eine große Familie, Kontakte nach ganz Europa – und aufbrausenden Stolz verfügten. Tommasos Stellung in Florenz war, gelinde gesagt, ungewöhnlich. Seine Schuld Lorenzos Großvater gegenüber war unermesslich. Cosimo hatte ihm den Weg an die Spitze des öffentlichen Lebens ermöglicht, während der ältere, legitime Zweig der Soderini in der Bedeutungslosigkeit versank und in Vergessenheit geriet. Er bewahrte Tommaso sogar vor einem peinlichen Konkurs, dem Bankrott seines Textilgeschäftes in den 1450er Jahren. Andererseits war Tommaso auch Druck von anderen Seiten ausgesetzt, was ihn manchmal zu einem unzuverlässigen Verbündeten machte. Da er nur ein bescheidenes Vermögen geerbt, aber eine große Familie hatte und ständig darum kämpfen musste, mit seinen reicheren Amts- und Standesgenossen mithalten zu können, war er immer in Versuchung, sein Amt – ebenso wie sein Seidengeschäft – als substanzielle Einkommensquelle zu nutzen. Als Folge davon geriet er in den Ruf, geldgierig zu sein. Bereitwilligst folgte er einer gängigen Praxis seiner Zeit und nahm Bestechungsgelder an, ohne mit der Wimper zu zucken. Die größten Beträge kamen von ausländischen Gesandten und von Staaten, die bereit waren, sich seinen Einfluss in Florenz etwas kosten zu lassen. Mindestens einmal, in den 1470er Jahren, musste auch Lorenzo selbst eine stattliche Summe springen lassen, um ihn für eine bestimmte außenpolitische Linie zu gewinnen. Seiner herausragenden politischen Stellung verdankte Tommaso beneidenswerte Kontakte ins Ausland, und er galt als außerordentlich schlau und weise. Nach Ansicht des mailändischen Gesandten war er der scharfsinnigste Politiker von ganz Florenz. Er verstand es, mit allen wichtigen Männern der Stadt zu feilschen, und war der Hauptverfechter der Ansicht, dass das mediceische

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System der Wahlmanipulation die „besten“ und „weisesten“ Männer an die Regierung brächte. Aus all diesen Gründen brauchte der junge Lorenzo die Unterstützung dieses gewieften Staatsmannes. Tommaso selbst war klug und ehrgeizig genug, seinen Wert zu kennen und sich nicht unter Wert zu verkaufen. Mochte er den Medici viel verdanken, so hatte er sich doch auch dreißig Jahre lang immer für sie eingesetzt, und obwohl er Lorenzos Steigbügelhalter auf dem Weg zur Macht gewesen war, fiel es ihm nicht leicht, nun hinter einem unerfahrenen jungen Mann die zweite Geige zu spielen. Die Folge waren zehn Jahre heikler Zusammenarbeit, manchmal gut, öfter problematisch, in denen Lorenzo – immer bemüht, den alten Tommaso auf seine Linie zu bringen – auf den Beistand anderer, darunter auswärtige Gesandte, moralischen Druck, Geld-„Spenden“ sowie das eine oder andere Privatbankett zurückgreifen musste. Die Laufbahn von Männern wie Tommaso und Niccolò, deren Karriere auf dem mediceischen System des Wahlschwindels basierte, zeigt, dass Lorenzo und die Medici niemals in der Lage waren, sich allein auf die unerschütterliche Treue der alten Politikerfamilien zu verlassen. Das kollektive Gedächtnis und die politischen Rahmenbedingungen bargen immer noch jede Menge republikanisches Gedankengut. Auch wenn sie Cosimo, Piero und Lorenzo in vielen Bereichen schalten und walten ließen, wurde von jungen Patriziern doch erwartet, dass sie sich politisch artikulierten. Und warum sollten ihre Äußerungen nicht wenigstens dann und wann auch Gehör finden? In gewisser Weise war es ihnen ein Anliegen, die Medici als Gleichrangige anzusehen. Die Tradition verlangte danach, und desgleichen die florentinische Verfassung. Keine Manipulation und keine Augenwischerei konnten zwei Jahrhunderte Demokratie so einfach auslöschen. Dieses Erbe erklärt sowohl Niccolòs Rebellion als auch Tommasos Vorliebe für Venedig, eine Neigung, die bisweilen sogar der Außenpolitik Lorenzos zuwiderlief, dem die Sforza und das Herzogtum Mailand stets näher standen als die Republik Venedig.

Auftritt L o r en z o Erziehung zum Regenten Das Mordkomplott vom April 1478, das sich nicht zuletzt aus dem gespannten Verhältnis zwischen den führenden Familien speiste, war nicht der einzige Anschlag auf das Leben Lorenzo de’ Medicis.1 Mindestens zwei Attentate sollten noch folgen, Geheimpläne für andere Gewalttaten verliefen im Sande. Dabei war der Angriff im Dom zu Florenz keineswegs der erste gegen sein Prinzipat. Im April 1470, keine vier Monate nach dem Tod seines Vaters, wurden fünfzehn Männer, angeführt von Bernardo Nardi, dem exilierten Sohn eines vormaligen Gonfaloniere di giustizia, in Florenz und dem benachbarten Prato gehängt, weil sie zum Aufstand aufgerufen hatten. Diese Episode war, wie ein Fachmann anmerkte, „Teil eines riesigen Komplotts, das Verbannte in Ferrara, Siena und Rom geschmiedet hatten und von dem sogar der Papst höchstpersönlich Kenntnis hatte“. Der verärgerte Lorenzo vermutete zudem das schweigende Einverständnis führender Persönlichkeiten in Prato.2 In gerade einmal zwanzig Jahren war es einer florentinischen Familie aus eigener Kraft gelungen, sich bis Mitte der 1450er Jahre als Kopf und Herz einer immer straffer werdenden Oligarchie zu etablieren. Doch mit wachsendem Status und zunehmender Schlagkraft der Medici stieg auch die Zahl ihrer Sympathisanten und Gegner, bis Cosimo und seine Söhne schließlich gar nicht mehr in der Lage gewesen wären, aus eigenem Antrieb zurückzutreten. Sie und die mit ihnen assoziierten Familien hatten zu viel Furcht verbreitet, zu viel Hass geschürt. Bei jedem offenen Ausbruch eines Konflikts standen Ämter und Besitz auf dem Spiel, und die Verlierer wurden mit dem harten Los der Verbannung bestraft – weit weg von Freunden und Familie, Heimweh, Ängsten und Bezichtigungen ausgesetzt und obendrein häufig von Geldnöten geplagt. Sofern sie nicht selbst rebellierten und die Rückkehr der Verbannten forderten, liefen alle Mitstreiterfamilien Gefahr, Wohnsitz, Ansehen und Vermögen zu verlieren, sollten die Medici das Unvorstellbare tun und von der Herrschaft zurücktreten. Schon aus diesem Grund wurde der junge Lorenzo dazu erzogen, das politische Erbe seines Vaters anzutreten und würdig fortzuführen. Männliche Kinder der führenden Familien der Stadt waren praktisch von Kindesbeinen an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Selbst unbedeutende Leute erkannten sie auf der Straße, die bedeutenden, natürlich erst recht. Allein die Tatsache,

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Auftritt Lorenzo

ein Medici zu sein – oder ein Pazzi, was dies angeht –, hieß, ständig im Blickpunkt der Öffentlichkeit zu stehen. Der Raum, den die hoch aufragenden Mauern der Arnostadt umschlossen, wurde zu einem Amphitheater, und wer ein hohes politisches Amt bekleidete, spielte automatisch eine Hauptrolle. Ein junger Mann wie Lorenzo konnte seinem Schicksal nicht entgehen. Einem Zeitzeugen zufolge war er „hoch gewachsen, über dem Durchschnitt, breitschultrig, kräftig gebaut, muskulös, bemerkenswert agil und von etwas dunklerer Hautfarbe“, dabei aber derart „kurzsichtig, dass er Dinge aus der Entfernung kaum erkennen konnte“. Er hatte eine „eingedrückte Nase und eine wenig angenehme Stimme. Doch sein Gesicht, auch wenn es alles andere als schön zu nennen war, strahlte große Würde aus.“3 Die Vorbereitung auf seine spätere Rolle im öffentlichen Leben begann bereits in der Kindheit. Mit fünf Jahren musste er – nach französischer Mode ausstaffiert sowie Ernst und Würde ausstrahlend – dem als Gast in der Stadt weilenden und soeben (im Mai 1454) von den Prioren zum Ritter geschlagenen französischen Prinzen Jean d’ Anjou seine Aufwartung machen. Mit zehn rezitierte er gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder in der Kapelle des neuen Palazzo Medici Gedichte und Prosatexte vor Galeazzo Maria Sforza, der damals zum ersten Mal Florenz besuchte (April 1459). Bei einem aus demselben Anlass stattfindenden Festzug mit dreißig Musikern und zwölf jungen Männern aus bestem Hause, darunter Renato und Giovanni de’ Pazzi, bildete Lorenzo, auf einem Schimmel reitend, das Schlusslicht. Die zwölf Knaben wurden von prächtig livrierten Dienern begleitet, und auf die Musiker folgte Lorenzos eigenes Banner – ein mächtiger, in einem Netz gefangener Falke, der Federn ließ. Seine Vorliebe für die Falknerei würde später auch in einem seiner entzückendsten Gedichte auftauchen, der Rebhuhnjagd.4 Lorenzo wurde zu Hause von Privatlehrern unterrichtet. An deren Spitze stand Gentile Becchi, der ihn vor allem in Latein unterwies und mit einer Reihe religiöser Texte vertraut machte. Von seinen Eltern und Becchi ermuntert, begann er bereits im Alter von elf Jahren, Empfehlungsschreiben abzufassen, die als hohe Gunstbezeugungen galten. Mit zwölf schrieb er förmliche Briefe an seinen Vater, in denen er für andere (Erwachsene) eintrat und ihn ersuchte, seinem Anliegen zu entsprechen. Schon bald sollte seine Klientel einen nie endenden Strom schriftlicher und mündlicher Verpflichtungen verlangen. Noch später sollte er der bedeutendste Heiratsvermittler der Arnostadt werden, der größte Stifter arrangierter Ehen zwischen den führenden Familien. Zumindest einmal vermittelte er auch eine fürstliche Verbindung, als er die Bentivoglio aus Bologna mit den Manfredi aus Faenza zusammenbrachte. Auf Ansuchen König Ludwigs XI. von Frankreich versuchte er sogar, die Heirat zwischen dem französischen Thronfolger und einer der Töchter König Ferrantes von Neapel zu arrangieren.5 1463 und zweifellos mit der Absicht, ihn die Toskana kennen lernen zu lassen, durfte der inzwischen Vierzehnjährige mit gleichaltrigen Freunden Pistoia, Lucca und Pisa besuchen. Mit sechzehn, im Mai 1465, erfolgte der formelle Übertritt ins öffentliche Leben, als er in der Funktion eines Abgesandten an einen Fürstenhof reiste.

Erziehung zum Regenten

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Begleitet von Guglielmo de’ Pazzi, sollte er die Medici bei einem großen Ereignis in Mailand vertreten: dem Einzug des dreizehnjährigen Prinzen Federigo, Sohn des Königs von Neapel. Federigo sollte in Mailand Ippolita Sforza, die Tochter des Herzogs, abholen, die mittels Stellvertreter mit seinem älteren Bruder, Alfonso von Kalabrien, ferngetraut worden war, und sie mit großem Gefolge nach Neapel begleiten. Lorenzo legte Aufenthalte in Ferrara, Verona und Venedig ein, wo ihn der Doge willkommen hieß, bevor er zu den Mailänder Festlichkeiten weiterreiste. Dort, in dem stattlichen Haus, das Herzog Francesco Sforza seinem Großvater geschenkt hatte und welches jetzt die mailändische Filiale der Medici-Bank beherbergte, empfing Lorenzo, unterstützt von seinem Schwager Guglielmo de’ Pazzi, in großem Rahmen Gäste. Und dank seiner raschen Auffassungsgabe und hohen Intelligenz erreichte er, was letztlich der Sinn des ganzen Unternehmens gewesen war: Er lernte Sforza und die herzogliche Familie persönlich kennen und gewann Sicherheit im Umgang mit Fürsten und Staatsmännern.6 Ein knappes Jahr später wurde er von einem gewichtigen Auftrag überrascht: Er befand sich gerade auf einer Reise nach Siena, Rom, Neapel und Ancona, um politische und finanzielle Geschäfte für seinen Vater zu tätigen, als ihn in Rom die Nachricht vom unerwarteten Tod Francesco Sforzas (8. März 1466) erreichte. Diese Mitteilung traf die Medici zutiefst. Sforzas militärische Macht war seit langem ein wichtiger Garant für die mediceische Herrschaft über die florentinische Republik. Lorenzo musste daher rasch handeln und sich bei Gesprächen mit dem Papst und König Ferrante für die Sache des neuen Herzogs von Mailand, Galeazzo Maria Sforza, einsetzen. Nachdem Cosimo tot (seit 1464) und Piero „der Gichtige“ bereits halb gelähmt und schwer krank war, musste der junge Mann Galeazzo Maria mit seinem stehenden Heer als seinen wichtigsten auswärtigen Verbündeten ansehen. Er hatte mehrere Audienzen bei Papst Paul II. und reiste dann weiter ins Königreich Neapel, wo er Ippolita Sforza besuchte, mit dem König auf die Jagd ging und den Hof – sehr zu seiner Erleichterung – dem neuen Herzog durchaus gewogen fand. Man darf annehmen, dass die Reise nach Neapel auch die Absicht verfolgte, den dortigen Monarchen vor der wachsenden republikanischen Gesinnung in Florenz zu warnen und auszuloten, in welchem Umfang die Medici auf die Unterstützung Neapels rechnen durften. Schließlich lebte in dem Königreich eine kleine Schar rühriger florentinischer Exilanten.7 Bei Lorenzos Rückkehr im Mai 1466 hatte die politische Stimmung in Florenz umgeschlagen. Forderungen wurden laut, die mediceische „Wahlbeutelkontrolle“ abzuschaffen und die Wahlfähigkeit all derer wiederherzustellen, denen in den zurückliegenden dreißig Jahren jedes höhere Amt verwehrt gewesen war. Die meisten der führenden Medicianhänger waren abtrünnig geworden und hatten sich öffentlich als „Reformer“ zu erkennen gegeben, die bestrebt waren, die Macht der Medici zu beschneiden und sie stattdessen unter einer breiteren Bürgerschicht zu verteilen. Piero de’ Medici sah sich mit einer Revolte seiner obersten Führungsriege konfrontiert. Ihren Höhepunkt erreichte die Krise Ende August. Wie bereits erwähnt, schützte Piero, als er

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in den Regierungspalast gerufen wurde, seine Krankheit vor und schickte stattdessen seine Söhne Lorenzo und Giuliano. Dieser bereits unverschämten Geste ließ er ein oder zwei Tage später dreitausend Söldner folgen, die er angeworben hatte und die irgendwie nach Florenz hineingelangt waren. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte er die Wachen an den Stadttoren bestochen oder durch Gewaltandrohung gefügig gemacht. Fünf Tage nach seinem Treffen mit den Prioren legte Lorenzo seine Rüstung an, stieg auf ein Pferd und gesellte sich zu den Truppen seines Vaters auf der Piazza vor dem Regierungspalast. Die Anführer der Reformer wurden ins Exil geschickt oder so unter Druck gesetzt, dass sie verstummten oder sogar kooperierten. Die Machtposition der Mediceer war wiederhergestellt, ihre Herrschaft gefestigt – und strenger reglementiert als zuvor. Obwohl er erst siebzehn war, wurde Lorenzo im Herbst desselben Jahres (1466) in die allmächtige Balìa „gewählt“ und im Dezember in einem weiteren Verstoß gegen die Verfassung darüber hinaus in den gewichtigen Rat der Hundert gerufen. Daraufhin musste Piero seinen Sohn sogar gelegentlich ermahnen, sich nicht zu intensiv mit den Staatsangelegenheiten zu befassen. Der junge Mann hatte seinen eigenen Kopf und hielt sich auch für durchaus kompetent. Die folgenden drei Jahre waren ein intensiver und prägender Lebensabschnitt für Lorenzo. Er stürzte sich in die Literatur, schrieb Gedichte und las viel. Doch die Politik war stets präsent, und er verlor sie niemals für längere Zeit aus den Augen. Sein Leben lang sollte er zwei Seelen haben, zwei Seiten: eine für die schönen Künste, vor allem die Literatur, die andere für die unbarmherzige Welt der Politik. Seine Liebesgedichte, die zum Besten zählen, was er an Versen hinterlassen hat, waren ohne jeden Bezug zum Leben in Florenz – kunstvoll losgelöst von allem Realen, aller Zweckmäßigkeit. Idealisierend, gelehrt und über alle Maßen kultiviert, zeugte diese Dichtkunst von seiner meisterhaften Fertigkeit, der Macht der Liebe in toskanischer Mundart zu huldigen und ein funkelndes Feuerwerk von Thesen, Paradoxa und Gefühlen zu entfachen. Die Gedichte handeln stets von einem narzisstisch veranlagten, in Liebe entbrannten Sprecher und seinen wechselvollen Stimmungen, Erfolgen und Niederlagen, seinem Glück und seinem Leid. Wie an einem roten Faden fallen Bemerkungen über fortuna, Tod, Zeit und märtyrerhafte Hingabe. Die Liebe und die Geliebte sind Qual (Tod) und Erlösung (Leben) zugleich, doch die Werte wandeln sich immerzu:8 Am meisten ersehne ich, was ich am wenigsten wünsche, Um intensiver zu leben, verlangt es mich nach meinem Ende, Um dem Tod zu entfliehen, winke ich ihn heran, Und suche Frieden, wo niemals Ruhe war. … Ich suche Eis im Feuer, Verachtung im Vergnügen, Leben im Tod und Krieg im Frieden. Ich ringe, Mich meiner selbst angelegten Fesseln zu entledigen.

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Als am 3. Dezember 1469, einen Tag nach Pieros Tod, eine Delegation hoher Politiker in den Palazzo Medici kam, um Lorenzo den ersten Platz im Staate anzutragen, war dem jungen Mann der subtile Gebrauch von Gewalt im öffentlichen Leben nicht mehr fremd. Er hatte daran Teil gehabt, als er Anfang September 1466 auf der Piazza della Signoria auftrat, und er stand jetzt in enger Verbindung mit dem Herzog von Mailand, dessen Soldaten zum Eilmarsch auf Florenz gerüstet waren. Florentinische Exilanten würden dies berücksichtigen müssen, falls sie einen Versuch starten wollten, die latente Opposition in der Heimat aufzuwiegeln, wie sie es ein Jahr vorher versucht hatten, in der Hoffnung, Lorenzos Griff nach der Macht verhindern zu können.9 Ein Bericht an Borso d’Este, den Herzog von Modena, von dessen Gesandtem in Florenz, hebt die Tatsache hervor, dass Gegner des Medici-Regimes zwar anfingen, ihre Stimme zu erheben, dann jedoch nach und nach wieder verstummten. Am Abend von Pieros Tod, so der Bericht, hätten zwei Oligarchen bei einer von der Medici-Führungsriege einberufenen Versammlung im Kloster San Antonio überzeugend dargelegt, „dass es nötig sei, einen Herrn und Führer zu ernennen, … der tatkräftig und konsequent sämtliche Angelegenheiten regeln könnte, die die Regierung unserer Signoria betreffen“. Der Gesandte schloss mit den Worten:10 Es steht daher fest, dass die geheimen Angelegenheiten der Signoria künftig durch Lorenzos Hände gehen werden wie bislang durch die seines Vaters. Dafür setzen sich seine Anhänger ein …, um ihm die höchste Stellung zu verschaffen. Und es wird ihnen auch gelingen, weil sie nunmehr die Regierung in der Hand haben und die Wahlbeutel offen sind, geradeso, wie sie sie haben wollen. Viele andere [jedoch], mit denen ich gesprochen habe, sind anderer Meinung und halten daran fest, dass innerhalb weniger Tage alle [politische Entscheidungsgewalt] wieder an den [Regierungs-] Palast zurückfällt. Doch wenn sie [Lorenzos Anhänger] jetzt, gleich zu Beginn, das Boot so lenken, wie sie es wünschen, insbesondere bei der Wahl der künftigen Prioren und anderer Beamter, dann, so denke ich, werden sie den angestrebten Hafen auch erreichen.

Borso d’Estes Gesandter behielt Recht. Lorenzo und seine Parteigänger steuerten ihr Boot dreizehn Monate lang durch unsichere Gewässer und initiierten dann, 1471, eine Reihe von Maßnahmen, die umgehend weniger und willfährigere Steuermänner an die Spitze des Staates beförderten.

„Diese meine Pazziverwandten“ Lorenzo war nun mit dem Problem der Pazzi konfrontiert, für das er freilich zum Großteil selbst verantwortlich war, weil er allseits klar zu verstehen gegeben hatte, dass er keinerlei ernst zu nehmende gesellschaftliche Rivalen dulden würde – schon gar nicht seine angeheiratete Pazziverwandschaft: Männer aus altem Adel, mit heraus-

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ragenden auswärtigen Kontakten, sagenhaftem Reichtum, einer vielköpfigen Familie und höchstem Ansehen in der Stadt. Tommaso Soderini war in dieser Hinsicht niemals ein Konkurrent. Lorenzos Bruder Giuliano schwankte in den 1470er Jahren immer wieder zwischen Schwermut und Wutanfällen, weil er überzeugt war, sein Bruder halte ihn absichtlich von der politischen Bühne fern und vereitle seine Heirat mit einer Adligen. Tatsächlich erscheint es, gerade angesichts der politischen Interessen der Medici und ihrer Gefährdung durch eine feindlich gesonnene Opposition, merkwürdig, dass für Giuliano, als er im Alter von fünfundzwanzig Jahren ermordet wurde, keinerlei konkreten Pläne bestanden, die der Familie zum Vorteil gereicht hätten. Weder in Form einer Laufbahn in der Familienbank noch durch Beschaffung eines hohen Kirchenamtes oder eine dynastische Heirat. Lorenzo selbst wurde im Dezember 1468, noch nicht zwanzigjährig, ferngetraut, die Ehe im darauf folgenden Juni vollzogen.11 Der künftige Herr von Florenz dürfte den Pazzi spätestens mit zehn Jahren auf gesellschaftlichem Parkett begegnet sein, als er 1459 an der feierlich begangenen Hochzeit zwischen seiner Schwester Bianca und Guglielmo de’ Pazzi teilnahm, einer Verbindung, die sein Großvater Cosimo sehr begrüßt und wohl auch gefördert hatte. Von da an gehörten gelegentliche Zusammenkünfte und gemeinsame Unternehmungen mit der angeheirateten Verwandtschaft zum Alltag. Beispielsweise ging man in der Umgebung von Florenz zusammen auf die Jagd. 1465 besuchte Lorenzo gemeinsam mit Guglielmo Mailand und einige andere Städte, und wenige Jahre später begleitete Guglielmo Giuliano und vier weitere Männer nach Rom, um Lorenzos Gemahlin Clarice Orsini in ihre neue Heimat zu geleiten. Dass dieser Schwager sowie andere Mitglieder der Familie Pazzi sowohl in Lorenzos eigenen Versen als auch in Gedichten anderer Poeten seines Kreises als Nebenpersonen auftauchen, ist daher keineswegs ungewöhnlich. Ende der 1460er Jahre musste Lorenzo jedenfalls mindestens so viel über die Pazzi – und auch Einzelheiten ihrer Geschäftsgeheimnisse – gewusst haben wie jeder andere florentinische Bürger.12 Im September 1475 behauptete er in einem Schreiben an den Herzog von Mailand, die Pazzi verdankten ihre hohe Stellung in Florenz „unserem Haus“. Was er damit meinte, war, dass sie es nur deshalb zu politischen und gesellschaftlichen Ehren gebracht hätten, weil sie die Gunst der Medici-Oligarchie genossen. Und was die Amtszeiten von Mitgliedern der Familie Pazzi in der Signoria anbelangte, war Lorenzos Bemerkung durchaus berechtigt.13 1439 Andrea di Guglielmo de’ Pazzi (1. März) 1443 Antonio di Andrea (1. November) 1447 Piero di Andrea (1. Mai) 1450 Antonio di Andrea (1. September) 1455 Jacopo di Andrea (1. Mai), Gonfaloniere 1462 Piero di Andrea (1. Juli) 1466 Guglielmo di Antonio di Andrea (1. März)

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1469 Jacopo di Andrea (1. Januar), Gonfaloniere 1472 Giovanni di Antonio di Andrea (1. Juli)

Andrea de’ Pazzi, der Begründer des Familienvermögens, seine drei Söhne und zwei seiner Enkel erscheinen allesamt auf der Liste der Prioren, zweimal sogar an der Spitze des Magistrats, als Gonfaloniere di giustizia. Dies war insofern ein besonderer Erfolg, als die Pazzi, lange Zeit als „Magnaten“ eingestuft, nie zuvor in der Signoria gesessen hatten. Die Medici andererseits schätzten sich glücklich, auf ihre Unterstützung sowie die anderer Adelshäuser zählen zu können, weil sie die große Zahl der politischen Exilanten fürchteten und prestigeträchtige Namen ihrer Partei natürlich nur von Nutzen sein konnten. Trotzdem drängt sich hier eine Frage auf: Wenn Lorenzo vorhatte, die glänzende Stellung der Pazzi nach 1439 ganz allein den Medici als Verdienst anzurechnen, war er dann auch bereit, die Verantwortung für den finanziellen Ruin des brillanten Humanisten Giannozzo Manetti und all der anderen zu übernehmen, die das Regime verjagt und vernichtet hatte? Schon Jahre vor der April-Verschwörung ergriff Lorenzo, der die eindeutigen Ambitionen seiner Verwandten als Bedrohung empfand, Maßnahmen, ihren weiteren politischen Aufstieg zu stoppen, indem er dafür sorgte, dass sie keinen Zugang mehr zu hohen Ämtern erhielten. Außerdem fing er an, sie zu verspotten und in Misskredit zu bringen, und die Pazzi erwiderten diese Bösartigkeiten – wenn sie selbst nicht gar damit begonnen hatten. Florenz stand schließlich nicht von ungefähr in dem Ruf, eine scharfzüngige und grausame Stadt zu sein.14 Vom Problem mit den Pazzi abgesehen, bewies Lorenzo große Begabung für die Politik. Im Herbst 1469 zeigte sich der mailändische Botschafter in Florenz nach Gesprächen mit ihm überaus beeindruckt. Der Novize benehme sich „wie ein alter [erfahrener] Mann“ und scheue sich nicht, sogar leise Kritik an seinem Vater zu äußern, dem todkranken Piero, der oft zu herrisch und arrogant aufgetreten sei und sich damit viele Freundschaften verscherzt habe. Dem Gesandten waren diese Eigenschaften Pieros also bereits störend aufgefallen. Lorenzo indes, so berichtete er, habe vor, die Macht wie sein Großvater Cosimo zu handhaben, „so taktvoll und höflich wie nur irgend möglich“, womit er natürlich nicht zuletzt auf die Manipulation der Wahlen zur Signoria abhob.15 Im Winter des Jahres 1470, nur wenige Monate nach seiner Initiation in die „geheimen Geschäfte“ der Signoria, versuchten Lorenzo und seine engsten Parteifreunde – wenngleich noch ohne Erfolg –, die Wahl der Prioren selbst „in die Hand“ zu nehmen. Ein Jahr später unternahmen sie einen neuerlichen Vorstoß, diesmal begünstigt durch Prioren und einen Gonfaloniere, der zu den treuesten Medicianhängern zählte: den Ritter Agnolo della Stufa. Auf Umwegen, aber zielstrebig, brachten sie nach und nach mehrere aufeinander folgende Priorengremien dazu, die erwünschten Verfassungsänderungen durchzusetzen. Ziel war ein Mechanismus, der die fortlaufende Wahl gefügiger Prioren sicherstellte, sowie ein serviler, problemlos manipulierbarer Consilio del Cento (Rat der Hundert).16

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Im Januar 1471 stimmte der Cento mit einer hauchdünnen Mehrheit von zwei Stimmen einer fünfjährigen Maßnahme zu, die die Medici-treuen Wahlleiter praktisch autorisierte, ihre Nachfolger selbst zu bestimmen. Der nächste große Schritt folgte im Juli: Lorenzo und seine Anhänger konnten die Regierungsgremien überzeugen, der Einsetzung einer Balìa zuzustimmen, indem sie vorgaben, diese besitze nur begrenzte Vollmacht. Trotz Schmeicheleien und bewusster Fehlinformation mussten die drei obersten Regierungsgremien wiederholt unter Druck gesetzt werden, und als sie endlich ihre Zustimmung gaben, geschah dies mit äußerst knappen Mehrheiten – acht, einer und zwei Stimmen! Jetzt konnten die Medici die Balìa mit ihren eigenen Leuten und Ja-Sagern besetzen. Als Nächstes ließen sie Struktur und Stimmberechtigung des Cento ändern, um auch diesen zentralen Regierungsrat ganz in die Hand zu bekommen. Dabei kaschierten sie ihren Griff nach der Macht, indem sie dem Cento die ausschließliche Kontrolle über Wahlen, Steuern und Militär übertrugen – und damit im Gegenzug den beiden anderen Regierungsgremien ihre traditionellen Befugnisse entzogen. Diese Verfassungsänderung sollte zwar nur für fünf Jahre gelten, aber Lorenzo & Co. gelang es natürlich, ihre neue Regierungsmaschinerie immer wieder von neuem bestätigt zu bekommen. All seine ausgefeilten „Reformen“ waren im Grunde nichts anderes als eine Frage des richtigen Timings und der richtigen Mehrheiten sowie gezielter Fehlinformationen, Einschüchterung, Bestechung und Wahlmanipulation. Auch dies war Renaissancekunst vom Feinsten, auf dem Gebiet der Politik eben, und ein Paradebeispiel dafür, was man im Florenz der Medicizeit darunter verstand, „bürgerlich“ und „verfassungsgetreu“ zu regieren. Unterdessen hatte Lorenzo, wie die Schreiben des mailändischen Gesandten an seinen Herzog enthüllen, die Pazzi nicht aus den Augen verloren. Der Botschafter berichtete, der junge Herrscher von Florenz habe alles Mögliche versucht, Messer Jacopo de’ Pazzi aus der Balìa des Jahres 1471 herauszuhalten und stattdessen seinen eigenen Schwager Guglielmo einzusetzen. Dennoch wurden Jacopo und einige seiner Mitstreiter in die Balìa gewählt. Mit anderen Worten: Das angestrebte wasserdichte System der Wahlmanipulation war noch nicht perfekt. Im selben Jahr war es Lorenzo bezeichnenderweise übrigens auch nicht gelungen, den florentinischen (und Medici-freundlichen) Staatsmann Otto Niccolini davon abzuhalten, der Heirat zwischen seinem Sohn Agnolo und Lisa di Piero de’ Pazzi seinen Segen zu geben.17 Aus heutiger Sicht kurios erscheint es, dass im Winter und Frühjahr 1470 Jacopo de’ Pazzi bei einer hitzigen Debatte Lorenzos außenpolitische Linie unterstützte und sich für Mailand und die Sforza aussprach, während zwei führende Medici-Parteigänger, Antonio Ridolfi und Tommaso Soderini, für König Ferrante eintraten. Lorenzo, der sich um Ridolfi und Soderini offenbar keine Gedanken machte, muss allerdings etwas über Jacopo gewusst haben, was ihn veranlasste, dem Mann zu misstrauen. Bereits entschlossen, sie zu demütigen, zeigte er nun nämlich ganz offen, dass ihm die internationalen Kontakte der Familie Pazzi und das hohe Ansehen, das sie überall genoss, ein Dorn im Auge waren. Das erste Anzeichen dafür wurde Ende 1472 sichtbar, als heraus-

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kam, dass die Pazzi trotz ihres großen politischen Engagements und sechs erwachsener männlicher Familienmitglieder nur drei Namenszettel in den Wahlbeuteln für die höchsten Ämter hatten. Obwohl ein Pazzi, Giovanni di Antonio, Mitglied der Juli/August-Signoria dieses Jahres gewesen war, wurde dem Klan sehr bald klar, dass man versuchte, ihn von den Hebeln der Macht fern zu halten.18 Was die Dinge auf die Spitze trieb, beziehungsweise die fatale Wende des Dezember 1473 einleitete, war der Nepotismus von Papst Sixtus IV. In diesem Monat lieh die Pazzi-Bank in Rom dem Heiligen Vater 40.000 Dukaten – den Kaufpreis für die romagnolische Stadt Imola, die Sixtus sodann seinem Neffen, Kardinal Pietro Riario, übertrug, der sie seinerseits an einen anderen Neffen des Papstes, Girolamo Riario, weitergeben sollte. Da der Verkäufer, Herzog Galeazzo Maria von Mailand, zwischenzeitlich auch vorgegeben hatte, die Stadt an Florenz verkaufen zu wollen, und die florentinische Führung mit diesem Doppelspiel sauber blamierte, drängte Lorenzo darauf, dass das rivalisierende Bankhaus dem Papst das Darlehen verweigerte, zumal die Medici-Bank bereits abgelehnt hatte, dem Heiligen Vater die für den Kauf nötige Summe zu leihen. Daraufhin gaben die Pazzi – vermutlich Messer Jacopo und Francesco – dem Papst nicht nur das Geld, sondern ließen ihn auch wissen, dass Lorenzo ihnen dringend abgeraten hatte, es zu tun. Und wer überbrachte das Geld für den Kauf von Imola Ende Dezember und erhielt im Februar die Schlüssel zu der Stadt? Kein anderer als der nächste Erzbischof von Pisa und spätere Verschwörer Francesco Salviati. Wir dürfen mit Sicherheit annehmen, dass Lorenzos Agenten ihn über all das auf dem Laufenden hielten.19

Ein ungelöstes Rätsel Das Darlehen an Sixtus markiert einen der aufschlussreichsten Momente in der Beziehung zwischen Lorenzo und den Pazzi. Geschäfte mit dem Papst, ebenso wie solche mit dem Herzog von Mailand oder Herren aus der Romagna, galten in Florenz als außenpolitische Angelegenheiten. Nun hatte Lorenzo als inoffizielles Staatsoberhaupt seine eigenen Pläne in Sachen Außenpolitik, und diese gingen eindeutig in Richtung Expansion. Er war erpicht darauf, jede sich bietende Gelegenheit zu nutzen, das Staatsgebiet von Florenz zu vergrößern und den Beifall der breiten Öffentlichkeit zu ernten, die ein gerüttelt Maß „aggressiven Patriotismus“, um nicht zu sagen Imperialismus, stets bejubelte. Außerdem bedeutete ein solcher Gebietszuwachs mehr Steuerzahler und damit höhere Einkünfte sowie – zumindest theoretisch – auch eine Stärkung der Stellung von Florenz im italienischen Mächtespiel. Wie kamen die Pazzi also dazu, sich in diese Dinge einzumischen und ihre eigene Außenpolitik zu machen? Wie konnten sie es wagen, Lorenzo in einer derart wichtigen Angelegenheit in den Rücken zu fallen? Legten sie es darauf an und beriefen sich dabei auf das Argument des Profits, indem sie erklärten, sie seien schließlich Bankiers,

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der Papst ein guter Kunde, und sie hätten ein finanzielles, ja sogar moralisches Recht, ihm Geld zu leihen? Lorenzo hätte gewiss erwidert, dass sie ihrer Heimatstadt verpflichtet seien sowie natürlich ihm als Verwandten und Erben der Familie, die sie „gemacht“ hatte. Vielleicht hätten sie darauf mit der Frage geantwortet, welche Loyalität sie denn der Stadt Florenz schuldeten, solange Lorenzo, wie man damals sagte, „Chef des Ladens“ war. Außerdem: Wie konnte ein gespanntes Verhältnis zu Papst Sixtus gut für Florenz sein? Und last but not least – was schuldeten sie einem Mann, der sie von allen wichtigen Ämtern fern hielt und von ihrem angestammten Platz an der Sonne vertrieben hatte? Die Pazzi hatten also beschlossen, Lorenzo gegenüber Rückgrat zu zeigen. Die „Trotzhandlung“ von 1473 weist darauf hin, dass zwischen den beiden Häusern bereits ein tiefer Graben der Wut und Verärgerung verlief, auch wenn sie nach wie vor den Schein wahrten und Bianca de’ Medicis Gatten Guglielmo als eine Art Brücke oder Puffer benutzten. Mit 40.000, höchstens 45.000 Menschen, seinem eng verflochtenen Netz aus Klienten und engen persönlichen Kontakten war das Florenz des Quattrocento auf Dauer schlichtweg zu klein für Leute wie Lorenzo und die Pazzi. Dass die Familie Pazzi enorm ehrgeizig war und keineswegs immer besonders feinfühlig vorging, kann kaum bezweifelt werden. Andererseits aber war das Florenz der Frührenaissance kein Salon des 18. Jahrhunderts. Noch im Januar 1478 erwies Lorenzo Renato de’ Medici einen Freundschaftsdienst, als er einen Brief an einen mailändischen Arzt sandte und diesen dringend bat, nach Florenz zu kommen, um Renatos kranke Gattin zu behandeln. Ebenfalls in den 1470er Jahren verschickte er Empfehlungsschreiben für Guglielmo, um dessen Freunden und Anhängern Gefallen zu erweisen, und 1473 unterstützte er Messer Antonio de’ Pazzi, den späteren Bischof von Sarno, bei seinen Bemühungen um zwei Pfründe in der florentinischen Toskana. Seine letzte Gunstbezeugung der Pazzi-Bank gegenüber erfolgte mehr oder minder unfreiwillig und ungefähr zur selben Zeit wie deren folgenschwere Kreditvergabe an Papst Sixtus: Im Dezember 1473 wurden zwei Maultierzüge, die kostbare Waren der Medici beziehungsweise der Pazzi transportierten, von savoyischen Beamten beschlagnahmt. Die Güter waren auf dem Weg von Lyon nach Florenz, und die mit Silber zur Münzprägung beladene Karawane der Pazzi wurde in Chambéry aufgehalten, die der Medici in Turin. Auf Lorenzos Appell hin intervenierte der Herzog von Mailand, woraufhin die Warenladungen freigegeben wurden; allerdings mussten die Pazzi satte 2500 Fiorini zahlen. Briefe von Medici-Agenten belegen die Animosität zwischen den beiden Häusern und lassen darauf schließen, dass Lorenzo praktisch keine andere Wahl hatte, als auch für die Pazzi aktiv zu werden, wenn er die Medici-Karawane freibekommen wollte. Allerdings waren die Beziehungen spätestens von jetzt an merklich abgekühlt, um nicht zu sagen: Von nun an herrschte kalter Krieg zwischen den Parteien.20 Im Juli 1474 entließ Papst Sixtus die Medici als Hausbankiers und ordnete später im Jahr eine Buchprüfung bei ihren Alaun-Abrechnungen an. Ein Grund für ihre Entlassung war, dass das den Medici übertragene päpstliche Alaunmonopol infolge Überan-

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gebots an Wert verloren hatte. Lorenzo reagierte verärgert auf die Buchprüfung und protestierte, seine Familie sei schließlich seit mehr als hundert Jahren die Bank des Heiligen Stuhls und ein solches Vorgehen eine persönliche Beleidigung. Über den Herzog von Mailand ließ Graf Girolamo Riario ihm daraufhin ausrichten, der Papst hätte selbstverständlich und jederzeit das Recht, seine Bücher zu prüfen. Das Depositorium, der dickste finanzielle Brocken des Papsttums, ging allerdings nie in die Hände der Pazzi über, wenngleich sie ansonsten bereits stark bevorzugt wurden.21 Doch es sollte noch schlimmer kommen: Im Oktober desselben Jahres ernannte Sixtus Francesco Salviati zum Erzbischof von Pisa und erhielt dazu auch die Zustimmung des Kardinalskollegiums. Lorenzo befand sich zu diesem Zeitpunkt gerade so unwohl, dass er nicht unmittelbar darauf reagieren konnte, doch wie später bekannt wurde, war er selbstverständlich entsetzt, verletzt und entrüstet. Weder er noch die Prioren waren vor der Ernennung konsultiert worden, obwohl es üblich war, in solchen Fragen Rücksprache mit der regionalen Regierung zu halten. Ganz im Westen des florentinischen Staatsgebiets gelegen, galt Pisa als Sprungbrett für dieselbe, aber einträglichere Amtswürde in Florenz. Lorenzo fürchtete sogar, dass der Papst den designierten pisanischen Erzbischof für den Kardinalsstuhl vorsah. Doch wenn es einen florentinischen Kardinal geben sollte, dann – dazu war Lorenzo fest entschlossen – sollte der Auserkorene aus seinen eigenen Kreisen stammen.22 Was ihn am meisten verärgerte, war freilich, dass ganz Florenz wusste, dass Francesco Salviati mit den Pazzi verwandt war, enge freundschaftliche Beziehungen mit ihnen unterhielt und ihre Protektion genoss. Messer Jacopo de’ Pazzi hatte aller Wahrscheinlichkeit nach seine Ausbildung finanziert, und nun stand Salviatis Karriere unter der Schirmherrschaft des Papstes, dessen Neffen ebenfalls Freundschaft mit ihm und dem Bankier Francesco de’ Pazzi geschlossen hatten. Die genauen verwandtschaftlichen Verhältnisse lagen so, dass Messer Jacopos Mutter eine Tante Salviatis war und dieser obendrein mit einem der jungen Pazzi (Giovanni di Antonio) über eine Verbindung zu der reichen Familie Borromei verwandt war. Lorenzo nahm folglich – und völlig zu Recht – an, dass Salviati nach der Pfeife der Pazzi tanzen würde. Aber wie sollte Lorenzo, offiziell nur ein ganz gewöhnlicher Bürger, sich der päpstlichen Ernennung entgegenstellen? Die Gefahr war in der finsteren Drohung impliziert, die der Papst im folgenden Jahr (1475) Dritten gegenüber äußerte: „Mag sein, dass wir unsere Eisen gebrauchen müssen, um ihm [Lorenzo] klar zu machen, dass er ein Bürger ist und wir der Papst sind, weil dies Gottes Wille ist.“ Anschließend, und um diese Einschätzung noch weiter zu verdeutlichen, sprach er von Lorenzo nur noch als von „einem einfachen Kaufmann“. Als Florenz sich entschieden weigerte, Salviati als neuen pisanischen Erzbischof anzuerkennen und ihm den Zutritt zur Stadt verwehrte, drohte der Papst mit Exkommunikation und Interdikt. Nun wandte Lorenzo sich Hilfe suchend an seinen engsten Verbündeten, Herzog Galeazzo Maria von Mailand. Sobald die Sprache auf Salviati kommt, spürt man förmlich seine Erregung:23

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Ich ersuche Euch, den hochwürdigen Bischof von Como, Eurem Gesandten [in Rom] den Eindruck zu vermitteln – der, wie ich weiß, den Tatsachen entspricht –, dass ich von Euer erlauchter Hoheit sehr geschätzt werde, und dass Ihr meine Angelegenheiten als die Euren betrachtet, was sie tatsächlich ja auch sind. … Mir widerfährt außerordentliche Ungerechtigkeit … und Seine Heiligkeit [Sixtus] kann nicht behaupten, er sei die geschädigte Partei, außer aus dem Grund, dass Messer Francesco Salviati daran gehindert wird, [das hohe heilige Amt von] Pisa anzutreten. Über diese Beleidigung, so es denn überhaupt eine ist, die unsere ganze Stadt verhängt hat, will er sich an mir allein rächen. Bei der Gnade Gottes und der Gunst und freundschaftlichen Unterstützung Euer Durchlaucht glaube ich, dass ich [Salviatis] Antritt des Erzbischofsamts erwirken könnte, aber ich denke nicht, dass ich einer solchen öffentlichen Erniedrigung beipflichten sollte, weil diese Stadt etwas Derartiges nicht verdient. … Das Problem bei diesem Fall ist, dass einer unserer Bürger, Messer Francesco, der Florenz hintergangen hat und gegen den Willen unserer Signoria handelt, vom Papst mehr geschätzt wird als die Ehre dieser ganzen Stadt. Und was für mich und unsere gesamte Regierung besonders ins Gewicht fällt, ist, dass es hier gewisse Bürger gibt [das heißt vor allem die Pazzi], die behaupten, es [das umstrittene hohe Amt] sei ihre Angelegenheit, und Seiner Heiligkeit zu verstehen gegeben haben, dass sie alles Erdenkliche tun werden, ob es mir gefällt oder nicht, dafür zu sorgen, dass Messer Francesco dieses Amt antreten kann. Euer Durchlaucht mag also ermessen, wie wenig ich daran denken kann, meinen Einfluss geltend zu machen, um Seiner Heiligkeit in dieser Angelegenheit dienlich zu sein. Davon, es tatsächlich zu tun, ganz zu schweigen.

Lorenzo weist abermals darauf hin, dass das umstrittene Erzbistum der eigentliche Grund für die Verärgerung des Papstes ist, und schließt den Brief mit dem dringenden Appell an den Herzog, energisch einzugreifen, „damit mir dieses Unrecht nicht widerfährt, weil es sowohl meine Ehre als auch meine materiellen Interessen verletzt, und zwar in solchem Maße, dass ich Euch zutiefst verpflichtet sein werde, wenn Euer Durchlaucht mir helfen, aus dieser Sache herauszukommen.“ Dies und die vorhergehenden flehentlichen Bitten drehten sich allein um Lorenzos figura, sein Image. All die Jahre über, die er als inoffizielles capo der florentinischen Regierung die Fäden zog, war er geradezu krankhaft um seine „Ehre“ und seinen Ruf in der Öffentlichkeit besorgt. Ursache dieser Überempfindlichkeit waren die Gefahren und die Ambiguität seiner Position in Florenz, wo er weder Fürst noch einfacher Bürger war, weder Potentat noch gewöhnlicher Amtsinhaber, und wo er ständig Schattenkomplotte politischer Exilanten fürchten musste, die auswärts militärische Unterstützung zu gewinnen suchten. Dazu kamen die inneren Medici-feindlichen Strömungen. Aus diesem Grund musste er tagtäglich, in der Politik wie auch sonst, stark erscheinen, demonstrieren, dass er alles im Griff hatte. Und dazu wiederum – sowie für sein eigenes Sicherheitsbedürfnis – gehörte, dass man ihm Respekt und jede Menge Ehrbezeugungen entgegenbrachte.24

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Die Eliten der italienischen Stadtstaaten pflegten seit jeher so enge Beziehungen mit den Fürsten, Adligen, geistlichen Würdenträgern und verbliebenen Feudalherren, dass ihnen der entsprechende Ehrenkodex in Fleisch und Blut übergegangen war und sie diesen jederzeit zum eigenen Nutzen einsetzen konnten. Lorenzo wusste um die Bedeutung, die Treu und Glauben beziehungsweise Ehrlichkeit unter Kaufleuten spielte, doch als florentinisches Staatsoberhaupt, verheiratet mit einer Orsini und im Zentrum eines riesigen Klientennetzes stehend, gab er auch viel auf ein anderes Ideal, sein Image, und dabei drehte sich nun einmal alles um die „Ehre“. Etwas über eine Woche nach seinem letzten Brief (23. Dezember 1474) griff Lorenzo das schmerzliche Thema in einem anderen Schreiben an den Herzog abermals auf. Er bestritt, dass seine momentanen Schwierigkeiten mit Papst Sixtus – wie Graf Girolamo Riario behauptete – damit zu tun hatten, dass er beim Zwist um die päpstliche Grenzfeste Città di Castello den Söldnerführer und Papstgegner Niccolò Vitelli unterstützt hatte. In Wahrheit ginge die Auseinandersetzung um Pisa. Wenn deshalb, wie berichtet, [Papst Sixtus] Briefe von vielen Bürgern hier erhalten hat, die sich für [Francesco] Salviati aussprechen, scheint mir das der Hauptgrund, warum man ihm das [pisanische Bischofs-] Amt vorenthalten sollte. Denn wenn die Signoria und die [führenden] Männer des öffentlichen Lebens nicht geneigt sind, ihn zu haben, dann müssen diejenigen, die ihn wollen [die Pazzi u.a.] und deshalb Briefe geschrieben haben, Männer sein, die nicht gut mit denen stehen, die [Florenz] regieren. Und … wie soll in einer schwierigen Stadt wie Pisa jemand, der der Regierung nicht akzeptabel erscheint, dort akzeptiert werden? Stellt Euch vor, wie bereitwillig Euer Durchlaucht sich mit einem Mann abfinden würde, der versuchte, mit Hilfe oder Billigung von Männern, die Euer Durchlaucht suspekt sind, Zugang nach Pavia oder in eine andere Eurer Städte zu erhalten. Einige Leute führen auf, Salviati sei vornehmer Abstammung, dass viele seiner Verwandten Beziehungen zu höheren Kreisen hätten und er [sogar] mit mir verwandt sei. All das ist wahr, aber sein Auftreten und seine Gewohnheiten lassen das alles, zumal in diesem speziellen Fall, zweitrangig erscheinen.

Lorenzo fügte hinzu, er habe mehrfach versucht, mit Salviati zu verhandeln, und ihm eines von drei anderen Bistümern angeboten – Arezzo, Pistoia oder Volterra –, wenn er auf Pisa verzichte, doch keines davon habe ihm zugesagt. Zu Arezzo beispielsweise hätte Salviatis Antwort gelautet, die dortigen Einkünfte wären zu gering, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, und dass er in diesem Fall weitere florentinische Pfründe benötigen würde. Der Rest von Lorenzos Brief betrifft die päpstliche Buchprüfung der Konten bei der Medici-Bank und die Aufhebung gewisser Kreditgarantien. Tatsächlich hatte eine erste Buchprüfung nicht einmal ein Jahr vorher stattgefunden, und dabei waren keinerlei Unregelmäßigkeiten aufgefallen. Doch da um die neuerliche Buchprüfung unziemlich viel Lärm gemacht wurde, würde sie, wie Lorenzo anmerkte, mit Sicherheit weithin Zweifel an der Redlichkeit der Medici

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aufkommen lassen. „Und Ihr wisst, Euer Durchlaucht, wie ungemein wichtig Ansehen und Redlichkeit für einen Kaufmann sind.“25 Der Fall Salviati zog sich noch fast ein ganzes Jahr hin, wobei die Verbitterung auf beiden Seiten zunahm, da dem Erzbischof weiterhin der Zugang nach Pisa verwehrt war und der Zorn des Papstes sich, nicht zu Unrecht, gegen Lorenzo richtete, den Drahtzieher der Kampagne. Der florentinische gran maestro seinerseits reagierte auf die größer werdende Einflussnahme der Pazzi. Er bemerkte ihre ständig wachsende Bedeutung als päpstliche Bankiers und quasi graue Eminenz hinter Salviati, dessen Stern in Rom immer höher stieg. Und er bemerkte an sich unbedeutende, aber doch symbolträchtige Schikanen wie den Vorfall Ende Dezember 1474, als der Herzog von Urbino ihm ein bestimmtes Turnierpferd nicht leihen konnte, weil „ich es Renato de’ Pazzi geborgt habe, der mich darum ersuchte“.26 Besaßen die Pazzi denn überall Freunde und Kontakte? Ja, das taten sie, und Lorenzo bekam dies erneut im August 1475 zu spüren, als der König von Neapel Papst Sixtus bat, das knapp dreißig Kilometer von Neapel entfernt gelegene Erzbistum Sarno, eines seiner liebsten Jagdgebiete, einem von Messer Jacopos Neffen, Antonio di Piero de’ Pazzi, zu übertragen, einem Doktor des kanonischen Rechts. Der Papst willigte augenblicklich ein. Über die Ernennung informiert, nahm Antonio in Florenz seine Elevation sofort an. Doch entgegen Anstand und Sitte gab die Familie Pazzi die Neuigkeit nicht an die Prioren oder Lorenzo weiter, um diesen Gelegenheit zu geben, sich zustimmend oder ablehnend zu äußern. Diese Unterlassung war ein glatter Schlag ins Gesicht.27 Hinter dem Ganzen steckte der Umstand, dass König Ferrante in Lorenzo ein Hindernis für seine interventionistischen Absichten in Mittelitalien sah und daher dessen Gegner gerne unterstützte. Als die Nachricht der Ernennung Florenz erreichte, fiel dem mailändischen Gesandten auf, dass sie „jede Menge Gerede und Klatsch provozierte“ und dabei „wenig Rücksicht auf Lorenzo und seine Regierungsmannschaft“ genommen werde. Es gäbe Leute, die die Sarno-Angelegenheit dazu nutzten, Diskussionen zu entfachen, die eindeutig darauf ausgerichtet wären, sein Regime als „unfrei und freiheitsfeindlich, ja herrisch und anmaßend“ zu diffamieren, und die erpicht darauf wären, „all jene anzustacheln, die die [republikanische] Freiheit wiederhaben wollten … Und einige Leute sind, denke ich, unaufrichtig und werden, sofern man nichts unternimmt, Ärger machen.“28 Lorenzo war von diesem neuerlichen Affront verständlicherweise getroffen, zumal dieser mit Berichten zusammenfiel, Ferrante und der Herzog von Urbino spielten mit dem Gedanken, seine Vormachtstellung in Florenz zu unterminieren. Vom Herzog von Mailand erreichte ihn sogar die Warnung, sein und Giulianos Leben sei möglicherweise in Gefahr. Dem mailändischen Gesandten zufolge antwortete Lorenzo darauf, dass er sich keine Sorgen um seine Position in der Stadt mache, weil er schließlich die Prioren und den Wachausschuss „in der Hand“ habe; insofern benötige er zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht die Hilfe fremder Truppen. Ständig aber wiederholte er Herzog Galeazzo Maria Sforza gegenüber seine Litanei: Er, Lorenzo, verdanke ihm,

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Galeazzo Maria, alles. Er hielte Florenz für ihn, das heißt um der außenpolitischen Interessen Mailands willen. Und wenn der Herzog immer und überall offen zur Schau stellte, dass er Lorenzo überaus schätze und ihm bei Bedarf jederzeit zu Hilfe eilen würde, dann wäre mit dem Medici-Regime alles bestens, zu Hause in Florenz ebenso wie außerhalb des direkten mediceischen Machtbereichs.29 Zwei Tage später sprach Lorenzo in einem weiteren Schreiben an den Herzog seine Sorgen hinsichtlich der Pazzi direkt an und machte sie an Salviati und dem Bistum Pisa fest. Er hatte erfahren, vermutlich von dem Gesandten des Herzogs, dass alle Unmutsäußerungen gegen ihn in Florenz auf die Pazzi zurückgingen:30 Sie sind die Quelle, ich meine diese meine Pazziverwandten. Dank ihres üblen Charakters und weil sie von Seiner Majestät, dem König [Ferrante], und dem Herzog von Urbino aufgestachelt wurden, trachten sie danach, mir so viel Schaden zuzufügen als möglich, und dies tun sie völlig zu Unrecht, wie Euer Durchlaucht wissen dürfte. Die Stellung, die sie in unserer Stadt genießen, verdanken sie ausschließlich unserem Haus [den Medici], dem gegenüber sie sich höchst undankbar zeigen. Ich werde alles Nötige tun, um sie daran zu hindern, mir zu schaden, und ich werde sie im Auge behalten. Allerdings halte ich nicht viel von ihren Fantasien [hinsichtlich ihrer Verdienste und Ziele], weil sie hier wenig Ansehen genießen und von allen Männern mit Verstand kritisiert werden. … Wie Euch bekannt ist, ist der Erzbischof von Pisa weitgehend das Geschöpf der Pazzi, denen er sowohl verwandtschaftlich als auch durch Freundschaft verbunden ist. In Rom drängt man mich mehr denn je, [ihm] das Bischofsamt zu beschaffen, was nach meinem Dafürhalten dem Ruf der Pazzi enorm förderlich und meinem in selbem Maße abträglich wäre. Dies kann ich nicht ignorieren, da sie diejenigen sind, die mich in Florenz überall schlecht machen. Ich bitte Euer Durchlaucht, auf Graf Girolamo [Riario] Druck auszuüben, damit ihm klar wird, dass Ihr mir diese Schmach ersparen wollt und sie fast als die Eure anseht, weil ich so sehr Euer Diener bin. … So wird Rom [vielleicht] begreifen, dass ich von Euer Durchlaucht wahrhaft hoch geschätzt werde.

Nun hatte es der Herzog aber mit einem Papst zu tun, der nicht gerne klein beigab. Und Graf Girolamo Riario, erst jüngst mit der natürlichen Tochter des Herzogs (Caterina) vermählt, war sein Schwiegersohn, weshalb Sforza auch dieser Seite gegenüber gewisse Verpflichtungen hatte. Letztlich musste Lorenzo also zurückstecken. Ende Oktober 1475 beugte sich Florenz und akzeptierte Francesco Salviati als Erzbischof von Pisa – jedoch nicht, ohne seinerseits Papst Sixtus zwei Zugeständnisse abgerungen zu haben: Der Heilige Vater ermächtigte die Stadt, den florentinischen Klerus mit jährlich 6000 Fiorini zu besteuern, die ausschließlich für die Universität verwendet werden sollten, und er anerkannte das Recht der Signoria, die Ernennung von Bischöfen in unter florentinischer Herrschaft stehenden Landen zu ratifizieren. Bei einem Gespräch mit dem mailändischen Botschafter ließ Lorenzo eine weitere Spitze gegen die Pazzi los. Er gelobte, so der Diplomat, dass, falls „diese Pazziverwandten ihm weiterhin Ärger machen sollten …, weil sie glaubten, dass sie ihn diesmal geschlagen

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hatten, er dafür sorgen würde, dass sie es bereuten … Und wenn sie sich weigern sollten, in Frieden zu leben, würde er dafür sorgen, dass sie ihre Fehler am eigenen Leibe zu spüren bekämen.“31 Die beiden Parteien hatten einen Kompromiss gefunden, aber der Krieg war deshalb nicht vorbei. Alle Beteiligten waren viel zu stolz – Papst Sixtus, Lorenzo, die Pazzi, Francesco Salviati und Graf Girolamo. Für alle standen außerdem Name, Position und Vermögen auf dem Spiel, für die Florentiner sogar ihr Leben. Lorenzo hatte Florenz zu bedenken, das Haus Medici und die vielen hundert florentinischen Klienten, die mit ihm untergehen würden. Der ehrgeizige Salviati hatte seine eigene Karriere im Blick. Sixtus sorgte sich um seine päpstliche Autorität und den Erfolg seines Nepotismus. Für die Pazzi ging es um ihre Ehre und ihre Stellung in der Stadt, die beiden Punkte, von denen ihre Identität abhing, verließen sich aber gleichzeitig auf ihre hervorragenden Kontakte ins Ausland. Irgendwo spielte bei den Pazzi neben allem Eigennutz (wenngleich ihr Zeitgenosse Alamanno Rinuccini dies abstritt) aber mit Sicherheit auch das Argument der Demokratie mit hinein: der Wunsch nach einer ehrlicheren und offeneren Politik in Florenz. Für den Grafen Girolamo schließlich ging es bei der Auseinandersetzung mit Lorenzo um die Mittel, die er brauchte, sein junges Prinzipat in der Romagna zu halten und florieren zu lassen. Und was den Stolz anbelangt, der hier im Spiel war, so würde keine der beteiligten Parteien jemals die Erniedrigungen vergessen, die eine andere ihr zugefügt hatte. Nun verlangten die Sitten der Oberschicht damals freilich, dass man den Schein wahrte, und so gibt es Briefe aus dieser Zeit, die jede Menge Herzlichkeit und Zuneigung heucheln. Lorenzo, Graf Girolamo und der Papst – sie alle schrieben, wie sehr sie einander schätzten oder dass sie ihre Beziehung, einer beliebten Metapher der Zeit folgend, als eine wie zwischen Vater und Sohn ansähen. Bis zum Augenblick des Attentats pflegte Lorenzo augenscheinlich also freundschaftliche Beziehungen mit dem Erzbischof von Pisa und Mitgliedern der Familie Pazzi; nicht nur mit Guglielmo, sondern auch zu Renato, Messer Jacopo und anderen. Da sich ihre Wege auf den Straßen und Plätzen der kleinen Stadt (siehe Karte Seite 6/7) unweigerlich gekreuzt haben dürften, müssen sie zudem allesamt große Schauspieler gewesen sein. Immerhin brachten sie es sogar fertig, bis zu jenem fatalen Sonntag des Öfteren gemeinsam zu speisen.32 Bis dahin hatten Lorenzo und die Pazzi allerdings noch mindestens zwei weitere unschöne Begegnungen gehabt. Im Juni 1476 lief der Vertrag aus, der den Medici die Verwaltung des päpstlichen Alaunmonopols sicherte, und die neue Konzession erhielt die römische Firma von Guglielmo und Giovanni de’ Pazzi. Normalerweise nutzten die Bankiers des Papstes das Monopol dieses für die Tuchfärberei wichtigen Minerals zur Absicherung von Krediten an den Heiligen Stuhl. Neun Monate später, im März 1477, schlug Lorenzo zurück. Entgegen dem Rat von Männern aus dem engsten Kreis seiner Vertrauten setzte er in der Legislative von Florenz ein Gesetz durch, demzufolge Töchter keine größere Erbschaft antreten konnten, wenn sie keine Brüder, aber einen oder mehrere Vettern hatten. Explizit gegen die Pazzi gerichtet, führte dieses Gesetz dazu,

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dass Giovanni de’ Pazzis Ehefrau, Beatrice Borromei, die das gewaltige Vermögen ihres Vaters hätte bekommen sollen, von der Erbschaft ausgeschlossen wurde. Der gesamte Nachlass floss in andere Hände. Als er merkte, dass Lorenzo nur darauf aus war, der Familie Pazzi allen erdenklichen Schaden zuzufügen, zeigte sich sogar Giuliano entsetzt über die Rolle, die sein Bruder bei der Verabschiedung dieses Gesetzes gespielt hatte. Allerdings konnte der Verlust der Borromei-Erbschaft weder den gastfreundlichen Ruf der Pazzi noch ihr weit reichendes Netz von Verbündeten, Banken und Textilfirmen schädigen. Der Boden war bereitet für noch schrecklichere Taten.33 Von den zahlreichen Rätseln, die das Geschehen bis heute umgeben, soll hier zumindest eines versuchsweise geklärt werden. Jüngeren Forschungen zufolge war das Leben in italienischen Renaissance-Städten bemerkenswert, ja mitunter übertrieben konformistisch, und zwar quer durch alle Schichten bis hinauf ins „Rathaus“. Wie war es dann möglich, dass die Pazzi, oder zumindest einige von ihnen, den Mut aufbrachten, sich Lorenzo öffentlich entgegenzustellen? Messer Jacopo, Francesco und möglicherweise auch Renato de’ Pazzi wussten seit spätestens 1474, dass sie auf die Unterstützung von Papst Sixtus, König Ferrante, des Herzogs von Urbino und des Grafen Girolamo zählen konnten. Bei seiner Auseinandersetzung mit dem florentinischen Oberhaupt wurde Erzbischof Salviati ganz wesentlich von dem Wissen getragen, den Papst rückhaltlos hinter sich zu haben. Francesco de’ Pazzi, der sich hauptsächlich in Rom aufhielt, verlor zunehmend den Kontakt zur florentinischen Szene und überschätzte, von Wut und Unbesonnenheit verleitet, die eigenen Möglichkeiten in der Arnostadt. Messer Jacopo jedoch wohnte direkt vor Ort und erlebte, auch wenn er aus den Regierungsgremien hinausgedrängt worden war, alle Stimmungsschwankungen in Florenz unmittelbar mit. Er kannte jedermann, genoß einen herausragenden Ruf und hatte häufig auswärtige Gesandte zu Gast – ihrerseits Spione ihrer jeweiligen Landesherren und Fürsten. Doch alle Reichtümer und selbst beste Beziehungen zum Ausland konnten die Pazzi nicht vor der zerstörerischen Kraft der etwa vierzig Männer beschützen, die Lorenzos engsten Machtzirkel, die innere Oligarchie, bildeten.34 Ich vermute, dass die Pazzi seit langem der Neid plagte – vermutlich schon seit dem Begründer ihres derzeitigen Vermögens, Andrea di Guglielmino, der zusammen mit Cosimo in einem Bankengremium der Stadt tätig gewesen war und höchstwahrscheinlich zu Beginn des Jahrhunderts ein Medici-Unternehmen geleitet hatte. Später machte er oft Geschäfte mit dem Hause Medici und war während der wenigen Jahre, die er in der Regierung saß, vielleicht der einzige Bankier in Florenz, der von der MediciBank Kredite in jeder beliebigen Höhe abrufen konnte. Aber er war kein politischer „Pate“ wie Cosimo, und er errichtete auch keinen imposanten Palazzo, der der ganzen Stadt seine hohe Stellung zeigen sollte. Hier, im Palazzo Medici, erwartete den zu Besuch in Florenz weilenden jungen Galeazzo Maria Sforza 1459 aller erdenklicher Komfort. Andrea de’ Pazzi ließ stattdessen eine Kapelle bauen. Er scheint sich folglich mehr um seine unsterbliche Seele gesorgt zu haben. Was freilich nicht heißen soll, dass Cosimo die seine vernachlässigt hätte, beileibe nicht: Er handelte ganz offen eine päpst-

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liche Bulle aus, um für seine Sünden des Wuchers Buße zu tun, und spendete beträchtliche Summen für die Renovierung und Ausstattung verschiedener Kirchen und Klöster. Letztlich jedoch sollte die erhabene Architektur des Palazzo Medici sein eindrucksvollstes Vermächtnis bleiben.35 Wenn die zunächst milde, später zunehmend kritische Beurteilung der Medici erstmals bei Andrea, einem cleveren und vermutlich auch habgierigen Geschäftsmann, zu beobachten ist, so dürfte dieses Gefühl unbewusst auf seine drei Söhne übergegangen sein – Antonio, Piero und Jacopo, eine Generation, die ihre eigene Begabung besaß, dabei aber, wie es scheint, zu stolz war und zu erpicht auf politische Machtpositionen. Einige von Andreas Nachfahren, darunter Piero, zog es zu den Humanisten. Der Philosoph Marsilio Ficino kannte sie gut, weil Piero dank seiner Sucht nach klassischer Bildung den jungen Mann – Ficino dürfte damals siebzehn oder achtzehn Jahre gewesen sein – um 1450 als Hauslehrer für seine vielköpfige Familie anstellte. Privat geäußerte Kritik an den Medici hinderte die Pazzi indes nie daran, mit dem führenden Haus Bindungen unterschiedlichster Art einzugehen, darunter auch die Heirat von Guglielmo mit Lorenzos älterer Schwester im Jahr 1459. Gesunder Menschenverstand und die florentinische Tradition legten eine solche Union auch nahe: ein gutes Geschäft und ein wichtiger politischer Schachzug dazu. Schließlich waren die Pazzi, genau wie die Medici, knallharte Geschäftsleute. Tatsächlich scheint es bereits früher eine engere Beziehung zwischen den rivalisierenden Familien gegeben zu haben. So soll sich Piero de’ Pazzi ungemein um Lorenzos Vater bemüht haben, und dem Buchhändler Vespasiano da Bisticci, einer bekannten Persönlichkeit der Zeit, zufolge wurden die beiden auch wirklich gute Freunde. Guglielmo war übrigens Pieros ältester Sohn.36 Dennoch fiel Alessandra Macinghi Strozzi, einer gewieften Beobachterin der florentinischen Szene, die immer ein offenes Ohr für Klatsch und Gerüchte hatte, bereits 1462 eine zwar unausgesprochene, aber scharfe Rivalität zwischen den beiden Häusern auf. Im überschaubaren Florenz bedeutete dies, dass insbesondere die Pazzi umso mehr Grund hatten, herzliche Beziehungen zu pflegen und Brücken zu bauen, das heißt beispielsweise, die jungen Männer gemeinsam auf die Jagd gehen zu lassen. Alessandra Strozzi berichtet ihre Eindrücke in einem Brief an einen ihrer Söhne, der damals in Brügge wohnte. Seine noch nicht lange zurückliegende erste Begegnung mit Piero de’ Pazzi hatte diesen sehr beeindruckt, und er war geneigt, Geschäfte mit ihm zu machen. Alessandra versuchte nun, seinen Übereifer etwas zu dämpfen. Anschließend an ihren Bericht über Pieros „triumphale“ Rückkehr nach Florenz (er war in Frankreich gewesen und dort von König Ludwig XI. zum Ritter geschlagen worden) sprach sie eine Warnung aus: „Nach allem, was ich höre, sind die, die auf der Seite der Medici stehen, immer gut gefahren, und die auf der Seite der Pazzi schlecht, denn sie werden immer vernichtet. Sei also vorsichtig.“37 Wovon zum Teufel redete sie da? Wenn man Vespasiano glaubt, war Piero ein guter Freund von Lorenzos Vater, und die beiden Familien waren über eine Heirat verbunden. Mehr noch: Den offiziellen Aufzeichnungen nach konnten die Pazzi gerade zu die-

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ser Zeit nicht nur außergewöhnliche politische Erfolge verbuchen, sondern gehörten auch eindeutig dem Lager der Medici an. Wir müssen also annehmen, dass Alessandra Insidergerüchte gehört hatte – Klatsch aus dem engsten Kreis der Medicipartei, von Männern, die, was interne Spannungen und Eifersüchteleien betraf, auf dem allerletzten Stand waren. Sie deutete an, dass hinter den Kulissen gemauschelt wurde, Anhänger der Pazzi hätten weit weniger Aussicht auf Erfolg als diejenigen, die sich eng an die Medici anschlossen. Wenn dem so war, dürfte auch die angebliche Freundschaft zwischen Piero de’ Pazzi und Piero de’ Medici nichts weiter gewesen sein als hervorragendes Theater – perfekte Tarnung für stark angespannte Beziehungen zwischen den beiden Häusern. Dennoch fühlte sich Alessandras Schwiegersohn Marco Parenti, auch er ein kühldistanzierter Beobachter, stark zu den Pazzi hingezogen, insbesondere zu den beiden Rittern, Messer Jacopo und Messer Piero. Letzterer scheint ein überaus attraktiver und gewinnender Mann gewesen zu sein, dazu freigebig über alle Maßen. Parenti verfolgte ihre Aktivitäten und schrieb alle Neuigkeiten an die weit entfernt lebenden StrozziBrüder. Bei seiner Schilderung von Pieros glanzvoller Rückkehr aus Frankreich im Frühjahr 1462 merkt er an, sämtliche Ritter der Stadt, alle Doctores der Rechte und führenden Bürger sowie auswärtige Gesandte und mehrere in der Stadt weilende Fürsten hätten ihn vor den Stadttoren empfangen. Hoch zu Ross begab sich Piero ohne Umwege auf die Piazza della Signoria, wo ihm die Prioren die Fahnen „des Volkes“ und „der Guelfen-Partei“ überreichten und dadurch seinen Ritterstand anerkannten und bestätigten. Danach zog eine lange Prozession von Bürgern mit zu seinem Haus, und so vielen wurde Einlass gewährt, dass Piero sich in seinem eigenen Heim kaum mehr umzudrehen vermochte.38 Es ist im Anschluss an die Schilderung dieses farbenprächtigen „Triumphs“ (ihr Ausdruck), dass Alessandra dreimal in ein und demselben Brief auf die Gefahr hinweist, die den Pazzi droht. Sie schrieb ihrem Sohn, obwohl Piero „mit mehr Pracht [in der Stadt Einzug hielt], als man es seit langem bei einem Ritter erlebt hat, würde ich darauf nicht viel geben, weil in Florenz der äußere Schein häufig eine Sache ist, die Wahrheit aber eine ganz andere“. Es folgt ihre Warnung mit den Medici als Siegern und den Pazzi als Verlierern. Gegen Ende des Briefes kehrt sie dann noch einmal zu dem Thema zurück und äußert erneut Bedenken: Piero „genießt keinen so guten Ruf, wie Du glaubst …, weil er [in gewissen Punkten] jenen widerspricht, die mehr Macht haben als er. Diese jüngste Reise hat ihm mehr Schaden als Nutzen gebracht. Belassen wir es dabei.“39 Sechs Wochen später, am 1. Mai 1462, trat der Ritter Messer Piero de’ Pazzi das höchste Amt an, das Florenz zu besetzen hatte: Gonfaloniere di giustizia. Alessandras Informanten müssen dem engsten Kreis der Medici angehört haben.

Blutiger A p r i l Meine allererlauchtesten Herren, gerade eben wurde mein Bruder Giuliano ermordet, und meine Regierung schwebt in höchster Gefahr. Jetzt ist die Stunde gekommen, meine Herren, Eurem Diener Lorenzo zu Hilfe zu eilen. Schickt möglichst schnell alle Truppen, die Ihr entbehren könnt, damit sie meinem Status Schild und Sicherheit sind, wie sie es immer waren. Euer Diener, Lorenzo de’ Medici

[Depesche an die Herren von Mailand, 26. April 1478]

Das Umfeld In jenem Jahr war der 26. April der fünfte Sonntag nach Ostern, und trotzdem hing irgendwie etwas Religiöses in der Luft.1 Florenz war eine Stadt, in der kirchlichen Belangen stets große Bedeutung beigemessen wurde, die mehr als sechzig Pfarrkirchen besaß und jede Menge Klöster sowie ungezählte geistliche Bruderschaften beherbergte. Einige dieser Ordensgemeinschaften kamen zur Bestrafung von Sünden und zum Gedenken Christi nach wie vor zu ritueller Selbstgeißelung zusammen, und gewisse Gebete priesen die Tugenden sich selbst zugefügter Schmerzen.2 Vom Arno durchschnitten, aber auch von einer mächtigen Stadtmauer mit zwölf imposanten Toren umfriedet, hatte Florenz etwa 42.000 Einwohner, das heißt, auf rund 680 Personen kam jeweils eine eigene Kirche – andere Andachtsorte nicht mit eingerechnet. Florenz war eine der größten Städte Europas und in jenen Jahren zweifelsohne die bemerkenswerteste. An jenem Sonntag war Botticelli anwesend. Drei gefeierte Florentiner – Dante, Petrarca und Boccaccio – waren im vorhergehenden Jahrhundert gestorben. Aber hier lebte Machiavelli, gerade neunjährig und intensiv mit dem Erlernen der lateinischen Sprache befasst. Wer an diesem Vormittag sonst noch in der Stadt weilte? Ein Heer unbekannter Florentiner selbstverständlich, aber auch der Humanist Poliziano, der sechsundzwanzigjährige Leonardo da Vinci sowie Paolo Toscanelli, einer der geistigen Väter von Kolumbus’ Fahrt in die Neue Welt. Die majestätische Kuppel des Doms war das Erste, was Reisende gewöhnlich von Florenz sahen. Als Nächstes dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit der mit Pechnasen

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verzierte, hoch aufragende Glockenturm des Regierungspalastes ins Auge gefallen sein, der wie ein warnend erhobener Zeigefinger gen Himmel wies. In der Stadt selbst, wo natürlich das Baptisterium und der Dom Santa Maria del Fiore (Hl. Muttergottes der Blume) erstes Anlaufziel waren, werden dem aufmerksamen Besucher zudem die rund ein Dutzend neuen Privatpaläste aufgefallen sein, die alle mit vornehmen Steinfassaden beeindruckten. Keiner allerdings war so groß und prächtig wie Lorenzo de’ Medicis (Abb. 5), der sich, nur einen Steinwurf von der Domkirche entfernt, an einer breiten Straße entlangzog. Obwohl von seinem Großvater Cosimo errichtet, war der Bau noch keine zwanzig Jahre lang fertig. Da der gut informierte Pilger jedoch wusste, dass ein Großteil der Schätze der Stadt nicht unter freiem Himmel zu sehen war, sondern nicht zuletzt in Gotteshäusern, mag er sich für einen Spaziergang zu der knapp zehn Minuten vom Dom entfernten Franziskanerkirche Santa Croce entschieden haben, um die daran angeschlossene Pazzi-Kapelle zu besichtigen, ein Juwel geometrischer Harmonie, das Brunelleschi für einen der reichsten Bankiers des 15. Jahrhunderts entworfen hatte, Andrea di Guglielmino de’ Pazzi – ein Familienname, der im Jahr 1478 vollkommen neue Bedeutung gewinnen sollte. Denn an diesem Sonntagmorgen bereiteten sich in der nichts ahnenden Arnostadt eine Reihe unauffällig bewaffneter Männer darauf vor, das neunköpfige Regierungsgremium der Republik Florenz, das viele bereits als erste Stufe einer Tyrannei ansahen, zu stürzen. Sie planten, den Medici die Macht zu entreißen. Dazu mussten sie aber zuerst Lorenzo, einen begnadeten Politiker, und seinen gut aussehenden jüngeren Bruder Giuliano aus dem Weg schaffen. Die vorhergehende Nacht hatten die Verschwörer, teils in der Stadt, teils außerhalb, mit den Mitgliedern zweier florentinischer Familien verbracht. Und viele gaben vor, im Gefolge des jungen Kardinals von San Giorgio und des Erzbischofs von Pisa nach Florenz gekommen zu sein. Einige wenige weitere Mitwisser des Komplotts könnten natürlich auch einzeln in einem der Gasthäuser der Stadt Quartier genommen haben, dem Gasthof zur Glocke etwa oder dem Hotel zur Krone, die in der Nähe der städtischen Bordelle lagen, jeweils nur wenige Minuten vom Dom und dem trutzigen, festungsartigen Regierungspalast entfernt. Diese beiden Punkte, Domkirche und Palazzo della Signoria, waren die Hauptziele der Aktion. Ein päpstlicher Söldnerführer, der Graf von Montesecco, war ebenfalls an diesem Morgen in der Stadt eingetroffen, an der Spitze von „dreißig berittenen Armbrustschützen und fünfzig Fußsoldaten, alle so prächtig gewandet und ausstaffiert, wie man es sich nur vorzustellen vermag. Es hieß, sie seien aus Imola gekommen, um Papst Sixtus’ Neffen [den Kardinal von San Giorgio] nach Rom zurückzugeleiten“. Sollte irgendjemand in Florenz an diesem Morgen, einem Sonntagmorgen wie so viele andere, Verdacht geschöpft haben, wurde das nie bekannt. Lorenzo war nicht, wie erwartet, zu Ostern nach Rom gereist. Hätte er es getan, hätte der Mordversuch in der Heiligen Stadt stattgefunden. Seine Feinde, die den Anschlag seit Monaten planten, hatten ungeduldig darauf gehofft, dass er nach Rom fahren würde, um den Streit mit Papst Sixtus IV. beizulegen. Aus Angst vor Entlarvung

Das Umfeld

Abb. 5 Palazzo Medici, Florenz

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und weil ihnen die Zeit davonlief, legten sie als nächsten Termin den 19. April fest. Als Tatort war Lorenzos eigener Landsitz geplant – in den sanften Hügeln gleich nördlich von Florenz gelegen, dabei aber zur Diözese Fiesole gehörig –, wo er ein Bankett für den Neffen des Papstes ausrichten wollte. Perfekt für seine Feinde insofern, als La Loggia, die Pazzi-Villa in Montughi, in genau derselben Region lag. Doch als Giuliano wegen einer Unpässlichkeit seine Teilnahme an dem Festmahl absagte, mussten die Verschwörer kurzfristig umdisponieren. Wenn einer der Brüder den Anschlag überlebte, würden die Medicianhänger die Reihen um ihn schließen, an der Macht bleiben und den Umsturz vereiteln. Ein Doppelmord war also unabdingbar. Im Laufe des Nachmittags kamen der Erzbischof von Pisa und ein oder zwei seiner Bankiersfreunde dann auf den Gedanken, Lorenzo am folgenden Tag einen Boten zu schicken, dass der Kardinal gerne den Palazzo Medici in Florenz besuchen würde, um die Kunstschätze der Familie zu bewundern. Tatsächlich lud Lorenzo, der sehr stolz auf sein Haus und die Sammlung war, sofort alle für den kommenden Sonntag dorthin zum Mittagessen ein, dazu die Gesandten aus Neapel, Mailand und Ferrara sowie einige der angesehensten Ritter der Stadt. Sein Verhältnis zum Papst war auf beängstigende Weise gestört, der junge Kardinal ein Blutsverwandter des Kirchenoberhaupts in der Funktion eines Botschafters. Gastfreundlichkeit war Diplomatie – und in Fragen der Höflichkeit konnte es Lorenzo wirklich mit jedem aufnehmen. So wurde nun alles für den 26. April vorbereitet. Man verabredete, sich im Dom kurz vor Beginn der Messe zu treffen und anschließend gemeinsam zum Palazzo Medici zu einem Bankett zu gehen, zu dem auch einige florentinische Ritter und andere hohe Persönlichkeiten geladen waren. Wieder wurde erwartet, dass auch Giuliano den Kardinal mit seiner Anwesenheit beehren würde. Am Sonntagmorgen ritten der Kardinal und sein Gefolge vom Pazzi-Landsitz La Loggia direkt zum Medicipalast, wo der junge Würdenträger sich für den Kirchgang umkleidete. Ein Ton angebender Mann aus seiner Gruppe mit einem guten Blick für Details (der Graf von Montesecco?) hatte offenbar die Ansicht geäußert, dass es nützlich wäre, das Gebäude schon vorab einer zumindest kurzen Inspektion zu unterziehen. Lorenzo, der bereits im Dom auf den Kardinal wartete, wurde von dessen überraschender Ankunft in Kenntnis gesetzt und eilte umgehend zurück in den Palazzo, um seinen Gast in der Nähe des Hauptportals zu begrüßen. Anschließend begaben sich Gastgeber und Gast durch die Via de’ Martelli (Via Larga) zum Dom – der Beginn der Messe war ihretwegen verschoben worden –, wobei sich mittlerweile eine große Gesellschaft um sie scharte. Der Erzbischof von Pisa, der Bruder des Kardinals, der Graf von Montesecco und verschiedene Mitglieder der Familien Pazzi und Salviati waren ebenfalls dabei, und der ganze Tross wurde von Bediensteten und anderen Begleitpersonen flankiert. Zu ungefähr dieser Zeit erfuhren die Verschwörer, dass Giuliano abermals nicht mit ihnen speisen würde, was sie zwang, ihre Pläne erneut zu ändern, diesmal zudem unter enormem Zeitdruck. Sie mussten nämlich befürchten, dass eine weitere Kompanie von

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Armbrustschützen womöglich schon bald in Florenz eintreffen könnte und diese Neuigkeit sich in Windeseile in der Stadt verbreiten würde. Die Zeit war abgelaufen. Der Doppelmord musste folglich im Dom stattfinden, was eine weitere Komplikation mit sich brachte, weil sich der Graf von Montesecco, der eigentlich die Morde hätte begehen sollen, weigerte, auf geheiligtem Boden Blut zu vergießen. Daraufhin wurden in aller Eile zwei bereits bewaffnete Geistliche, die ganz offensichtlich weniger Skrupel hatten als der gedungene Mörder, als Ersatz herangezogen. Da sie über alles informiert waren, wussten der Erzbischof und Messer Jacopo de’ Pazzi folglich auch, dass ihr Aufenthalt in dem Gotteshaus nur von kurzer Dauer sein konnte. Als die ganze Gesellschaft endlich die Domkirche betrat, teilte sie sich in mehrere Grüppchen auf. Endlich begann der Gottesdienst. Doch jetzt fiel auf, dass Giuliano nirgendwo in der Kirche zu sehen war. Francesco de’ Pazzi und Bernardo Baroncelli eilten daraufhin zurück zum Palazzo Medici und überredeten den gesundheitlich Angeschlagenen, doch mit ihnen zur Messe zu kommen. Auf dem Rückweg zum Dom stießen sie ihn wiederholt an – vermeintlich scherzhaft, in Wahrheit aber, um herauszufinden, ob er unter der Kleidung einen Brustharnisch trug. Rasch genug würde allerdings der fatale Augenblick kommen, in dem sich erwies, dass er an diesem Morgen weder Lederpanzer noch Kettenhemd angelegt hatte.

Der Anschlag Das Signal zum Angriff erfolgte während des Hochamts, möglicherweise beim Emporheben der Hostie, anderen Quellen zufolge während der Kommunion oder auf das Stichwort Ite missa est. Augenzeugen erklärten, den ersten blutigen Dolchstoß habe, begleitet von den Worten „Hier, du Verräter!“, Bernardo Bandini Baroncelli geführt, Abkömmling einer alten, den Pazzi nahe stehenden Bankiersfamilie. In die Brust getroffen, wankte Giuliano de’ Medici ein paar Schritte rückwärts, als Francesco de’ Pazzi als zweiter Mörder über ihn herfiel und wiederholt mit dem Dolch auf ihn einstach. Als der taumelnde Mann nicht weit von dem Portal zur Via de’ Servi zusammenbrach, hatte er keine Gelegenheit mehr, nach seinem Bruder, Lorenzo il Magnifico, zu sehen, der rund zwanzig Meter von ihm entfernt stand. Giulianos Leichnam wies schließlich zwischen zwölf und neunzehn Stichwunden auf. Abermals widersprechen sich die Quellen in Details, sind aber jede für sich von großer Akkuratesse.3 Schreie, Kreischen und das Geräusch eilender Füße erfüllten das Gotteshaus, als erfahrene Politiker, Gesandte, Diener, Bürger, Frauen, Geistliche und Kinder hektisch umherliefen und aus der Kirche stürmten, um in ein nahe liegendes Gebäude zu eilen oder schlichtweg in Panik das Weite zu suchen. War das ein Erdbeben? Verschiedene Gläubige meinten, Brunelleschis berühmte Kuppel drohe einzustürzen. Einige wenige Wagemutige trieb die Neugier hinein in das Gedränge, näher an die schwingenden Messer und Schwerter heran, weil sie sehen wollten, was genau da vor sich ging.

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Minuten zuvor hatten sich zwei Priester den Weg zu Lorenzo gebahnt, der sich immer noch in der südlichen Hälfte des Gotteshauses befand und in der Nähe der alten Sakristei mit Freunden plauderte. Die beiden trugen verborgene Waffen. Auf das Signal hin stürzte sich einer von ihnen von hinten auf Lorenzo und packte ihn an der Schulter, entweder um selber Halt zu finden oder um sein Opfer in Vorbereitung auf den tödlichen Stoß umzudrehen. Allerdings erlitt Lorenzo nur eine leichte Schnittwunde am Hals unmittelbar unterhalb des rechten Ohrs. Er sprang nach vorn, raffte den Mantel um den linken Arm, zückte seinen Dolch und warf sich herum. Es gelang ihm, ein oder zwei weitere Hiebe zu parieren, dann hatten Freunde und Anhänger ihm den Rückzug gesichert. Er schwang sich über ein niederes Holzgeländer auf den achteckigen Chor und überquerte diesen im Laufschritt, am Hochaltar vorbei, um in der nördlichen Sakristei Schutz zu suchen. Francesco Nori, einer der Leiter der MediciBank und ein enger Freund, der sich zwischen seinen Chef und die Verfolger stellte, wurde tödlich verwundet, als Baroncellis lange Klinge ihn in die Magengrube traf. Giulianos wütende Mörder hatten sich inzwischen ebenfalls auf Lorenzo gestürzt, obwohl Pazzi bereits hinkte, weil ihm entweder einer seiner eigenen Bediensteten oder sogar er sich selbst im Eifer des Gemetzels eine Stichwunde am Oberschenkel beigebracht hatte. Der andere Geistliche, der ein Schwert und einen kleinen Schild schwang, wurde von einem Medici-Diener abgewehrt, doch wurde im Kampf ein junger Mann aus der Familie Cavalcanti, einer von Lorenzos Gefährten, schwer am Arm verletzt. Der stark blutende Francesco Nori, den man rasch in die Sakristei gezogen hatte, starb wenige Minuten später. In all dem Getöse fielen Augenzeugen doch zwei denkwürdige Begebenheiten auf. Guglielmo de’ Pazzi hatte sich mit Lorenzo unterhalten, als er mit einemmal anfing, wie verrückt herumzuschreien und seine Unschuld zu beteuern. Er sei kein Verräter, es tue ihm Leid, er wisse nichts über die grauenhaften Ereignisse, die hier vonstatten gingen. Auch Raffaele Sansoni Riario, der Kardinal von San Giorgio (Genua), ein siebzehnjähriger Student der Rechte an der Universität Pisa, brach schaudernd in der Nähe des Hochaltars zusammen und fing, zusammengekauert auf den Knien liegend, an, inbrünstig Gebete auszustoßen, bis er von Kanonikern des Doms zur alten Sakristei hinübergezogen wurde. Das Überraschungsmoment und der Tumult kamen den Mördern gut zupass. Baroncelli, Francesco de’ Pazzi und die beiden Geistlichen sowie eine Schar von Bediensteten und andere konnten vom Tatort fliehen und in die Straßen der Stadt entkommen – selbst Francesco mit seinem verwundeten Bein, der eine leuchtend rote Blutspur hinterließ. Die Häuser der Pazzi lagen keine zwei Minuten vom Südportal des Doms entfernt. Sobald Lorenzo und seine Gefährten sicher in der nördlichen (neuen) Sakristei angelangt waren, verriegelten sie die mächtigen Bronzetüren und ließen niemanden mehr hinein. Dort verharrten sie in Schrecken, wie wir annehmen müssen, und wagten bestenfalls zu flüstern, um die Geräusche mitzubekommen, die aus dem sich rasch leerenden Kirchenschiff hereindrangen. Selbst als absolute Stille herrschte, wagten sie

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nicht, den Raum zu verlassen, nicht zuletzt wohl aus Furcht vor dem, was sie dort draußen in tödlichem Schweigen erwartete. Als jemandem einfiel, der Schnitt an Lorenzos Hals könnte womöglich vergiftet sein, saugte der junge Antonio Ridolfi tapfer die Wunde aus. Lorenzo selbst fragte, halb hysterisch, immer wieder nach seinem Bruder Giuliano. Er hatte das Gemetzel nicht mitbekommen. Aber niemand wusste eine Antwort oder wagte es, ihm die Wahrheit zu sagen. Waren seit dem Anschlag Minuten vergangen? Oder Stunden? Unbekannte Leute begannen gegen die Bronzetüre zu hämmern, behaupteten, Freunde zu sein. Einer von Lorenzos engsten Vertrauten, der viel gepriesene Sigismondo della Stufa, stieg daraufhin die enge Wendeltreppe zur Orgelempore hinauf, um die Lage zu sondieren. Von oben sah er den leblosen Giuliano in einer riesigen Blutlache liegen. Dann betrachtete er die Männer, die an die Türen der Sakristei schlugen, und gab, nachdem er die Gesichter von Freunden – Tornabuoni, Martelli und anderen – erkannt hatte, ein Zeichen, diese zu öffnen. Die Neuankömmlinge drängten herein. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet. Die nunmehr zahlenmäßig deutlich verstärkte Gruppe eilte aus dem Dom zum nur 165 Meter entfernten Palazzo Medici, wo sie zumindest zeitweilige Sicherheit und ein gut bestücktes Waffenlager erwartete. Sie liefen durch das Hauptschiff und um die Südseite des Chors herum nach Westen, wandten sich dann nordwärts und verließen die Kirche durch die erste Seitentür, damit Lorenzo keine Möglichkeit hatte, einen Blick auf seinen toten Bruder zu erhaschen. Der humanistische Gelehrte Poliziano, ein Schützling Lorenzos, befand sich am Rand des Trupps, in dessen Mitte Lorenzo aus der Kirche gebracht wurde, und sah daher beim Verlassen der Sakristei den blutüberströmten Leichnam Giulianos (Abb. 6). Dieser bot einen so schauerlichen Anblick, dass er rasch weitereilte. Er brachte es nicht über sich, stehen zu bleiben und die sterblichen Überreste des jungen Mannes zuzudecken, der sein Freund, inoffizieller Schüler und der Liebling aller Medicianhänger gewesen war.4 Zuvor an diesem Morgen hatten andere Besucher der Messe bemerkt, dass der bekannte florentinische Ritter und Bankier Messer Jacopo de’ Pazzi in Begleitung einiger Anhänger ebenfalls anwesend war und darauf zu achten schien, dass dem jungen Kardinal Sansoni Riario nichts zustieß. Die meisten der Bediensteten und Helfer, die herumstanden, einige bewaffnet und in der kürzeren Kleidung der Fürstenhöfe, schienen zum Gefolge des Kardinals zu gehören. Ein anderer Würdenträger, der Erzbischof von Pisa, ließ sich ebenfalls kurz blicken. Als Florentiner und eben erst in der Stadt eingetroffen, hatte er jedoch verlauten lassen, er müsse gleich wieder fort, seiner kranken Mutter einen Besuch abstatten. Und für den Augenblick zumindest verschwendete kein Mensch mehr einen Gedanken an seine Stippvisite – wenngleich er eine tragende Rolle in dem Drama spielte. Anstatt seine Mutter aufzusuchen, begab er sich freilich umgehend zum Regierungspalast, der zu Fuß in kaum drei Minuten erreichbar war. In seiner Begleitung befanden sich etwa dreißig bewaffnete Männer, viele davon Fremde, Exilanten aus Perugia, die man speziell zu diesem Anlass angeworben hatte.

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Aufgrund seines Ranges hatte der Erzbischof kaum Probleme, Zugang zu dem trutzigen Bauwerk zu erhalten. Einige seiner Leute blieben zurück, um die Wächter zu überwältigen und gegebenenfalls Kontrolle über dieses sowie das darüber liegende Geschoss zu erlangen, sobald der Prälat zusammen mit dem Rest seiner Männer die große Treppe hinaufgegangen war. Dann ließ Erzbischof Salviati den derzeitigen Kopf der florentinischen Regierung, den Gonfaloniere di giustizia Cesare Petrucci, um eine Unterredung bitten; er hätte ihm eine dringende Botschaft vom Papst zu überbringen. Petrucci empfing ihn im Obergeschoss, woraufhin der Kirchenmann zu einem langen Sermon ansetzte, welche Förderungen der Papst seinem Sohn in Rom angedeihen zu lassen plane. Er wollte Zeit gewinnen, doch gingen ihm bald die Worte aus, und er fing an zu stottern, sich zu verhaspeln und zu wiederholen. Dabei warf er immer wieder nervöse Blicke zur Eingangstür. Sie befanden sich in der obersten Etage. Dem aufmerksamen Gonfaloniere entging nicht, dass etwas nicht stimmte, und er rief die Wachen, woraufhin der Erzbischof hastig den Rückzug antrat. Petrucci folgte ihm – und wurde vom Anblick Jacopo Bracciolinis überrascht, eines bekannten Schriftstellers und humanistischen Gelehrten aus Salviatis Anhängerschaft, der hier in diesem Moment absolut nichts zu suchen hatte. Bracciolini muss dann eine Waffe gezückt haben, denn der Gonfaloniere packte ihn an den Haaren, warf ihn zu Boden und übergab ihn den eintreffenden Wachen. Es folgten keine weiteren bewaffneten Eindringlinge zur Unterstützung des Erzbischofs, denn das Gros seiner Leute war in der Kanzlei auf der Nordseite derselben Etage eingesperrt. Die massiven, mit Selbstverriegelungsmechanismen oder Federbolzen versehenen Türen hatten sie beim Zuschlagen festgesetzt und wie auf höheren Befehl unschädlich gemacht. Der Regierungspalast war ein Gewirr aus Sälen und Gängen, und wenn die vielen Türen verriegelt waren, wurden Leute, die sich nicht auskannten, rasch voneinander getrennt und isoliert.5 Allerorten herrschte mittlerweile Aufregung. Etwa fünfzig Diener, Wachen und Berater hielten sich an diesem Tag im Regierungspalast auf. Doch sobald der Erzbischof und der Humanist gefangen genommen und ihre Gefolgschaft eingesperrt oder zumindest nicht in die oberen Geschosse gelangt war, bewaffneten sich der Gonfaloniere und die Prioren mit allem, was ihnen geeignet erschien, darunter auch Bratspieße aus der Küche, ließen die Alarmglocken läuten und begaben sich, alle Türen hinter sich verriegelnd, eilends in den befestigten Wehrgang des Turms, um sich und die Regierung von Florenz zu verteidigen. Eine friedliche Stadt stand plötzlich unter Waffen. Als – es war gegen Mittag – die großen Regierungsglocken ertönten und Alarm gaben und die Nachricht vom Mord an den Medici wie ein Lauffeuer die Runde durch ganz Florenz machte, war der Ausgang noch mehrere Stunden lang ungewiss. Den ersten Stimmen zufolge waren Lorenzo und Giuliano beide tot, weshalb sich „alle zurückhielten, weil sie nicht wussten, was sie tun sollten“ – und höchstwahrscheinlich vorhatten, sich letztlich auf die Seite der Sieger zu schlagen. Der Ritter Piero Vespucci etwa, ein führender Bürger der Stadt, der die Ereignisse im Dom miterlebt hatte und die Medici-Brüder tot glaubte, unterstützte kurzzeitig die Verschwörer und verhalf einem

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Abb. 6 Büste Giuliano de’ Medicis, von Andrea del Verrocchio

von ihnen zur Flucht – Napoleone Franzesi, der zufällig zu Vespuccis engstem Freundeskreis zählte und seit langem im Haushalt Guglielmo de’ Pazzis ein und aus ging. Jetzt kam der öffentliche Teil der Verschwörung zum Tragen. Messer Jacopo, Kopf des Pazzi-Klans und vormals führendes Mitglied der florentinischen Regierung, führte zwischen fünfzig und hundert Söldner auf den Platz vor dem Regierungspalast und in die angrenzenden Straßen, mit dem Ziel, Ersteren zu besetzen und die Bürger zur Revolte gegen die Medici anzustacheln. Jeder Florentiner muss ihn erkannt haben, als er laut „Volk und Freiheit!“ schmetterte, den traditionellen Streitruf zur Aufwiegelung des Volkes gegen eine diktatorische Herrschaft. Doch da es dem Erzbischof nicht gelungen war, den Regierungspalast zu besetzen, herrschte rund um den Eingang, wo die angeheuerten Aufständischen versuchten, hineinzugelangen und die drinnen gefangenen Verschwörer zu befreien, kurzzeitig eine Patt-Situation. Die Angreifer wurden mit einem Hagel von Geschossen begrüßt, die die Wachen und die Prioren von oben auf sie herabwarfen. Erzbischof Salviati, eine Gruppe von Exilanten aus Perugia sowie den Humanisten Bracciolini hatten sie ja bereits gefangen genommen und festgesetzt.

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Anscheinend konnten nur wenige Zeitgenossen dem Lauf der Ereignisse durchgehend folgen. Wegen des Tumults und wachsender Furcht waren alle Beteiligten voll auf das Kampfgeschehen konzentriert. Andere, die das Ganze später teils nach Hörensagen rekapitulierten, bezogen unzuverlässige oder parteiliche Stellungnahmen in ihre Berichte mit ein, was dazu führte, dass hinsichtlich Anzahl, Zeitpunkt, Aktionen und Schauplätzen beträchtliche Unstimmigkeiten herrschen. Insgesamt wurde das Geschehen allerdings derart leidenschaftlich und subjektiv gesehen, dass die Perspektive der stärkeren Partei – und das waren von Anfang an die Medici – immer mit einer gewissen Skepsis betrachtet werden muss, zumal es bekanntlich immer die Sieger sind, die die offizielle Geschichtsschreibung bestimmen. Während der ersten zwei oder drei Stunden des versuchten Staatsstreichs scheinen jedenfalls keine bewaffneten Anhänger der Medicipartei auf den Straßen gewesen zu sein, die sich den Aufständischen entgegenstellten. Stellt sich die Frage, warum – angeblich war die Stadt Lorenzo und den Medici doch so zugetan? Auf das Läuten der Alarmglocken hin, die bis über die Stadtmauern hinaus zu hören waren, hätte der oberste Polizeihauptmann und Richter, der Podestà, mit einem Trupp von dreißig Bewaffneten auf den Hauptplatz eilen müssen. Das verlangten die Vorschriften. Doch haben wir keinerlei Hinweis darauf, dass es zu einer Auseinandersetzung mit Messer Jacopos Leuten gekommen wäre. Und da die Prioren und Palastwachen große Steine von oben auf den Platz warfen, ist anzunehmen, dass der Podestà und seine Leute sich bewusst zurückhielten oder auf Verstärkung warteten und dabei aufmerksam beobachteten, wie sich die Dinge entwickelten. Mit Sicherheit waren sie keine Florentiner, sondern kamen, wie es üblich war, von außerhalb und leisteten in Florenz nur sechsmonatigen Dienst. Einer der Chronisten der Zeit, ein Medicianhänger namens Giusto Giusti, war am Tag des geplanten Staatsstreichs in der Domkirche gewesen. Auf das Attentat hin rannte er zum Palazzo Medici, um diesen notfalls verteidigen zu helfen, wie es auch Lorenzos andere bewaffnete Mitstreiter in den ersten Stunden taten:6 Ich war in Santa Liperata [dem Dom], als es passierte, und als ich sah, dass Giuliano de’ Medici tot war, rannte ich zu Lorenzo de’ Medicis Haus, um zu helfen, was ich konnte, und lief hinauf in den Raum, in dem die Waffen aufbewahrt wurden … Hierher kamen auch viele seiner Parteigänger, um sich zu bewaffnen. Ich half mehreren, die Waffen anzulegen, und nahm auch für mich selbst Brustharnisch, Helm, Schild und Schwert und postierte mich gemeinsam mit einigen von Lorenzos anderen Freunden am zweiten Straßenausgang. … Dort blieb ich mit leerem Magen bis etwa 21 Uhr [17 Uhr]. Dann legte ich Rüstung und Waffen neben der Kammer des Küchenmädchens ab und ließ [die Waffen] … bei ihr. Sie gab mir meine eigene Kleidung zurück, und ich ging nach Hause, um etwas zu essen.

Die farblose Schilderung des Chronisten verschweigt den Aufruhr in der Stadt, und sein Hunger übertüncht jegliche Sorge über die Schreie und Panik rund um die

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Piazza della Signoria, von denen andere Quellen berichten. Vielleicht ahnte Giusti, dass er nun ohnehin nichts mehr ausrichten konnte, wenngleich gesagt werden muss, dass er und die anderen „Wachen“, die sich in geborgter Montur vor dem Medici-Palast aufgebaut hatten, einem Trupp Berufssoldaten bestimmt nicht gewachsen gewesen wären. Als Jacopo und seine Anhänger „Volk und Freiheit!“ riefen – wie lange dauerte es da, bevor das Volk auf der Straße oder an den Fenstern mit dem Ruf „Palle, Palle!“ dagegenhielt, was sich auf das Mediciwappen bezog und so viel hieß wie „Ich bin für die Medici!“? Keine Quelle berichtet davon. Jacopo muss, erst unruhig, dann verzweifelt, auf eine Wende des Schicksals gehofft haben, nämlich die erwartete Ankunft der päpstlichen Truppen unter dem Kommando von Giovan Francesco da Tolentino aus Richtung Osten und Lorenzo Giustini aus Süden, die gleichfalls an dem Komplott beteiligt waren. Doch diese hatten irgendwie Wind davon bekommen, dass der Coup fehlgeschlagen war, und waren umgekehrt, weil sie ihre Männer nicht unnütz gefährden wollten. Auch war geplant gewesen, dass Francesco de’ Pazzi sich zu seinem Onkel gesellen und mit ihm zusammen hoch zu Ross in der Stadt zur Revolte gegen die Medici aufrufen sollte. Die Stallungen der Pazzi befanden sich gleich neben deren Wohnhäusern, keine Minute vom Palazzo della Signoria entfernt. Doch Francesco lag zu Hause und ließ sein böse verletztes Bein versorgen, als Jacopo während seines glücklosen Unterfangens von seinem Schwager Giovanni Serristori angehalten wurde, der ihm dringend zur Flucht riet. Bar jeder Hoffnung und mittlerweile auch voller Furcht verließ Jacopo nun unter dem dröhnenden Läuten der Alarmglocken mit seinen Leuten die Stadt. Sie flohen durch das östliche La-Croce-Tor, das die Aufständischen frühzeitig besetzt hatten. Wie es genau geschah, dass die beiden Condottieri Tolentino und Giustini von dem Scheitern des Komplotts erfuhren und daraufhin ihren Marsch auf Florenz deutlich verlangsamten oder ob sie in Wahrheit von Trupps bewaffneter Bauern zurückgeschlagen wurden, ist eine Frage, die bislang nie erörtert wurde. Die Antwort, so viel ist klar, hängt in jedem Fall mit den Sicherheitsrichtlinien der Stadt zusammen. Das Alarmläuten war bis ins Umland von Florenz zu hören, wo die Dorfbewohner ihrerseits die Kirchenglocken läuteten, die die Warnung an weiter entfernte Marktflecken, Städte und Festungen weitergaben, so dass innerhalb von zwei bis drei Stunden der größte Teil der florentinischen Toskana alarmiert gewesen sein dürfte. In einem solchen Fall liefen die Einwohner gewöhnlich zu Aussichtspunkten, suchten den Horizont nach Reitern oder verdächtigen Bewegungen ab, und sofern keine große einrückende Armee nahte, sammelten sich die Bauern zum Widerstand. Doch die Alarmglocken waren auch ein Signal für die beiden Heerführer: ein Zeichen, dass das Komplott gescheitert und die Regierung offenbar noch an der Macht und in der Lage war, mit der relativ kleinen Anzahl von Verschwörern, die sich innerhalb der Stadtmauern befanden, fertig zu werden. Deshalb erachteten sie es für klüger, ihr Tempo zurückzunehmen, und kehrten schließlich ganz um.

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Am frühen Nachmittag schickte Lorenzo ein Eilbillett an die Herren von Mailand, in dem er seiner Angst und Unsicherheit Ausdruck verlieh und dringend um militärische Unterstützung bat. Die Prioren hatten sich rasch mit Lorenzo in Verbindung gesetzt und sandten, wild entschlossen, die Familie Pazzi auf jede erdenkliche Art zu schädigen, ebenfalls noch am selben Tag einen kurzen Brief an Alberto Villani, einen florentinischen Kapitän, dessen Schiff sich vor der toskanischen Küste befand. Da sie erfahren hatten, dass seine Ladung aus Pazzi-Gütern bestand, befahlen sie ihm bei schwerer Strafe, den Hafen von Pisa anzulaufen, wo die Ladung sequestriert und unter florentinisches Siegel gestellt werden würde. Villani sollte dafür eine Belohnung erhalten. Geschah dies, weil die Pazzi gewaltige Schulden hatten, oder war es nicht vielmehr so, dass die Familie bereits vorverurteilt wurde? Schon begannen die Verteidiger der Medici Rache und Vergeltung zu suchen, und die Ereignisse erreichten bald das nächste Stadium, in dem neue Namen, Einzelheiten und Gefühle eine Rolle spielen sollten. Der gotteslästerliche Anschlag während der heiligen Messe, bei dem zwei Menschen den Tod fanden, hatte Erstaunen und Schrecken hervorgerufen, die sich, unterstützt vom hämmernden Läuten der Alarmglocken und dem Anblick berittener Söldner in den Straßen rasch fortpflanzten. Im Verlauf der nächsten drei, vier Stunden wuchs die Unterstützung Lorenzos langsam, aber stetig an, zum Teil sicher auch bedingt durch die Angst der Florentiner vor Fremden (forenses). All diese fremdländischen Kleidungsstücke und all diese unbekannten Gesichter: Sie sahen aus, als wären sie dabei, die Stadt zu übernehmen. Da halfen auch das Banner des Messer Jacopo de’ Pazzi und das merkwürdige Eingreifen des Erzbischofs von Pisa nichts, eines in Florenz wohl bekannten Mannes aus dem altehrwürdigen Geschlecht der Salviati.

Vergeltung Die Vergeltung für die blutigen Taten begann bereits am späten Nachmittag. Von der Ermordung Giulianos und dem Tod Francesco Noris in Kenntnis gesetzt, beriefen die Prioren den Wachausschuss ein, das gefürchtete achtköpfige Gremium, das für die Ausmerzung und Verfolgung politischer Verbrechen zuständig war. Dieser verhörte die Gefangenen: Erzbischof Salviati, den Humanisten Jacopo Bracciolini sowie den verwundeten Francesco de’ Pazzi, der nackt im Palazzo Pazzi gefasst und vor die Prioren geschleppt worden war. Auf juristische Feinheiten nahm zu diesem Zeitpunkt niemand mehr Rücksicht. Angesichts des Ausnahmezustands reichten die Machtbefugnisse der Prioren und der Otto weit über das normale Maß hinaus. Das Gesetz war zeitweilig außer Kraft gesetzt. Es ging darum, den Anschein einer rasch und entschlossen agierenden Gerechtigkeit zu erwecken. Nach dem Aufschließen der Türen zur Kanzlei wurden die darin gefangenen Perugianer sofort getötet oder kurzzeitig festgenommen und anschließend aus den hoch

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gelegenen Fenstern auf den großen Platz gestürzt. Die Menschenmenge, die sich dort versammelte, riss den Leichen die Kleider vom Leib und hackte sie in Stücke. Mit einer Schlinge um den Hals wurde Bracciolini, der Sohn eines berühmten florentinischen Gelehrten, an einem der obersten Fenster zur Piazza della Signoria hin gehenkt – und hängen gelassen. Eine oder zwei Stunden später folgte ihm der blutende, immer noch nackte Francesco, der allen Drohungen und Gewaltanwendung zum Trotz kein einziges Wort gesprochen hatte, in dasselbe Schicksal. Sein Galgen wurde das dritte Fenster der Loggia de’ Lanzi. Als Nächstes traf es den Erzbischof von Pisa, der angeblich ein volles Geständnis ablegte, von dem es jedoch keine Aufzeichnungen gibt. Auch er baumelte bald an einem Fenster, ein aufgrund seines hohen geistlichen Amtes besonders schmähliches Ende. Sein Bruder Jacopo fand den Tod am zweiten Fenster, und nach ihm richteten die Henker noch einen weiteren hohen (namentlich nicht genannten) kirchlichen Würdenträger. Die Pfosten des ersten Fensters mussten fünf gehenkte Männer tragen, darunter einen Geistlichen. Und an einem Fenster an der Nordfassade starb mit einem Vetter des Erzbischofs ein weiterer Salviati. Signoria und Wachausschuss waren entschlossen, jeden einzelnen Hingerichteten so kriminell und niederträchtig wie möglich erscheinen zu lassen. Um die Entsetzlichkeit des Komplotts zu unterstreichen sowie einen unmittelbaren Rechtsvollzug zu demonstrieren, machten sie das Herz der Stadt zur offiziellen Hinrichtungsstätte und ignorierten die Galgen, die in der Nähe des Tors der Gerechtigkeit unmittelbar außerhalb der mächtigen östlichen Stadtmauer standen. In seinem Bericht der Verschwörung beschreibt Poliziano, dass der Erzbischof, den er nie anders als „Direktor“ oder „Anführer“ (praesul) nennt, an demselben Fenster aufgeknüpft wurde, an dem schon Francescos nackter Leichnam baumelte, und neben diesem zur Ruhe kam. Er ist freilich der Einzige, der erwähnt, dass sich anschließend etwas höchst Merkwürdiges ereignete, was, sofern es wahr ist, mit Sicherheit bald in ganz Florenz die Runde gemacht haben musste. Ob aus Wut, Verzweiflung oder in einem Akt letzter Verbundenheit mit dem Mitverschwörer verbiss sich Salviati so heftig in Francesco de’ Pazzis Leiche, dass seine Zähne selbst nach Eintritt des Todes noch in der Brust des vormaligen Gefährten steckten. Dieser kannibalische Akt offenbarte und unterstrich die Gewaltbereitschaft, die auf die Medici-Brüder abgezielt hatte, die ihrerseits mit den Pazzi verschwägert und auch mit Salviati entfernt verwandt waren. Selbst wenn die Tat nichts weiter war als ein unwillkürlicher Muskelkrampf, hätte sie ohne jeden Zweifel das öffentliche Bewusstsein auf grausige Weise erschüttert. Unter den getöteten Perugianern waren fünf Brüder, allesamt Verbannte, denen man die sofortige Rückkehr in ihre Heimat versprochen hatte, sollte das Komplott Erfolg haben. Jetzt hatten alle fünf auf einen Streich den Tod gefunden. Später am Abend sah Poliziano auf dem großen Platz eine Unzahl verstümmelter Leichen herumliegen, die abgetrennten Körperteile wild durcheinander geworfen – ein Zeichen, so versicherte er, für die Beliebtheit der Medici und Ausdruck der Empörung und Wut über das im Dom vergossene Blut. Der kritische Historiker indessen fragt sich, wie es

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geschehen konnte, dass an diesem Abend keinerlei Wachen unterwegs waren, die den Mob daran hinderten, abgehackte menschliche Gliedmaßen durch die Stadt zu ziehen oder sie, auf Schwerter oder Lanzen gespießt, wie Trophäen umherzutragen. Es ist nicht anders denkbar, als dass das Medici-Regime dieses grausige Spektakel guthieß. Allein an diesem Tag erfolgte die Hinrichtung oder vielmehr rachsüchtige Abschlachtung von sechzig bis achtzig Gefangenen. Viele wurden an den Fenstern des Bargello aufgeknüpft, dem gleich nebenan befindlichen festungsartigen Palast des Podestà. Am Montag, dem 27. April, wurden auch acht von Monteseccos Fußsoldaten sowie mehrere seiner Ritter an Regierungsgebäuden gehenkt. Später schnitt jemand die Stricke durch, und die Leichen fielen auf die Piazza, wo sie die ganze Nacht über liegen blieben. Am folgenden Morgen dann, so notierte ein Tagebuchschreiber in typisch florentinischer Manier, „wurden die Leichname an die Flügelfenster der Notarkanzleien im Palazzo des Podestà gelehnt, wo sie, nackt und aufrecht, stehen blieben und aussahen wie nach dem Leben gemalte Porträts, weil sie so steif und nackt waren wie am Tag ihrer Geburt.“7 Guglielmo de’ Pazzi, der Bruder Verschwörers, gleichzeitig aber auch der Schwager Lorenzo de’ Medicis, jener Mann, der im Dom hysterisch schreiend seine Unschuld beteuert hatte, rettete sein Leben, indem er Zuflucht im Palazzo Medici suchte, wo seine Gemahlin Bianca offenbar ihren Einfluss geltend machte. Er wurde allerdings umgehend aus Florenz verbannt. Jacopo Bracciolinis zwei Brüder, einer davon Kanoniker im Dom, wurden gleichfalls der Stadt verwiesen. Als der Kardinal von San Giorgio, Raffaele Sansoni Riario, in der Lage war, die südliche Sakristei im Dom zu verlassen, geleiteten ihn zwei Mitglieder des Wachausschusses zusammen mit einer Reihe bewaffneter Garden zum Regierungspalast. Der Weg dorthin war freilich nicht ungefährlich, da eine wütende Menschenmenge nur darauf wartete, auch ihn zu lynchen. Tatsächlich wurden einige seiner Leute, darunter Pagen, zwei Priester und ein oder zwei Chorknaben ergriffen. Sie alle wurden umgebracht, brutal entstellt und als Ausdruck ihrer Schande nackt ausgezogen. Der Kardinal selbst wurde fast sechs Wochen als Geisel festgehalten. Die Florentiner benutzten ihn als wirksames Faustpfand gegen die Vergeltungsdrohungen der auswärtigen Komplizen der Verschwörung. Im Laufe der nächsten vier Tage wurden bis auf einen sämtliche Pazzi-Brüder und -Vettern verhaftet. Jacopos Neffe Antonio, der Bischof von Sarno und Mileto, wurde in Abwesenheit zu lebenslangem Exil in seiner Diözese verurteilt. Da er jedoch auch als informeller Berater des Königs von Neapel tätig war, lebte er weiterhin einfach abwechselnd in Rom und im Königreich Neapel – weit außerhalb des gesetzlichen Arms von Florenz und Lorenzo. Renato jedoch, einer seiner Brüder, wurde prompt exekutiert. Obwohl es keinerlei Beweise für die Anklagen gab, die gegen die gesamte Familie vorgebracht wurden, wurde allen Familienmitgliedern unterstellt, an der Verschwörung beteiligt gewesen zu sein. Schuld wurde damals eben immer noch als Sippenangelegenheit angesehen, ganz besonders dann, wenn der Machthaber dies so wünschte. Und

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wenn jemand meint, Guglielmos hysterische Unschuldsbeteuerungen im Dom seien als Zeichen einer etwaigen Mitwisserschaft zu sehen, ist dagegenzuhalten, dass er sich dieser „Sippenschuld“ bewusst war und auch wusste, dass der Hass zwischen Lorenzo und einigen Pazzi auf Gegenseitigkeit beruhte. Deshalb war ihm instinktiv klar, dass man auch ihn verantwortlich machen würde. Deshalb auch eilte er klugerweise nordwärts zum Palazzo Medici und nicht nach Süden zum Pazzi-Anwesen. Da alle männlichen Mitglieder der Familie Pazzi angeklagt waren, von dem Komplott zumindest gewusst zu haben, bestand ihr angebliches Verbrechen darin, dass sie nichts darüber hatten verlautbaren lassen – ein Schweigen also, das Hochverrat gleichkam. Nachdem sie anfangs vor Ort in Haft gesessen hatten, wurden die Brüder des Bischofs Antonio – Galeotto, Giovanni, Andrea und Niccolò – in den Gefängnisturm der alten Festungsstadt Volterra gebracht. Es war schwer genug gewesen, sie in dem mehr als feindseligen Klima vor dem lynchwütigen Mob zu beschützen. Der junge Galeotto war erst fünfzehn oder sechzehn. Der vierzehnjährige, für ein geistliches Amt bestimmte Lionardo wurde verbannt, ebenso Giovannis Sohn Raffaele, damals gerade sieben Jahre alt. Renato, der Älteste und allgemein Angesehenste der Söhne des Messer Piero, war am 25. April zu seinem Landhaus im Mugello gefahren und weilte deshalb an dem blutigen Sonntag nicht in Florenz. Als er von dem gescheiterten Anschlag hörte, verkleidete er sich als Bauer, weil er hoffte, unerkannt fliehen zu können, wurde jedoch am 27. gefasst. Dem florentinischen Historiker, Rechtslehrer und Advokaten Guicciardini zufolge war Renato de’ Pazzi schlichtweg zu angesehen, zu beliebt und zu gescheit, als dass man ihn hätte am Leben lassen können. Wenn sein Geschlecht ausgelöscht werden sollte, musste auch er eliminiert werden. Er wurde aufgehängt, und zwar in seiner Bauernkleidung, einem grauen Gewand aus grober Wolle, aber mit Stiefeln und Sporen. Gleichzeitig machte in Florenz die Geschichte die Runde, Renato habe sich im Familienkreise gegen die Verschwörung ausgesprochen – mit der Begründung, Lorenzo de’ Medici stecke bereits derart tief im Schuldensumpf, dass er ohnehin bald ruiniert und am Ende sein würde. Es hieß sogar, er habe dafür plädiert, dass die Pazzi ihm möglichst viel Geld liehen, weil dies seinen Untergang nur beschleunigen würde. Am späten Nachmittag des 26. war ein Trupp Männer in der Via Larga vor Lorenzos Haus aufgetaucht, mit einem Paar Beinen im Schlepptau sowie einem Kopf auf einer Lanze „und einem anderen Teil mit einem Arm, der hoch auf einen Spieß gesteckt war“. Es waren die Überreste eines Begleiters des Erzbischofs von Pisa, eines Priesters, der auf der Piazza della Signoria aufgegriffen, geköpft und gevierteilt worden war. Anschließend hatte man die Teile zu dem Ruf „Tod den Verrätern!“ hoch in die Luft geworfen. Im Verlauf der nächsten drei, vier Tage wurden laut Machiavelli „so viele Mordtaten“ verübt, „dass die Straßen voll zerrissener Glieder lagen“. Der Autor von Der Fürst, der eine Vorliebe für dramatische Vorgänge und gute Geschichten pflegte, fabulierte zwar auch gerne selber, doch kann es keinen Zweifel geben, dass die Bevölkerung von Florenz einige Tage lang (unfreiwilliger) Zeuge grausigster Bluttaten war.8

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Irgendwann zwischen dem 28. April und dem 1. Mai wurde der ebenfalls flüchtige Graf von Montesecco gefasst. Am 4. Mai legte er sein berühmt gewordenes Geständnis ab. Am gleichen Abend noch wurde er vor dem Tor des Bargello, des Gerichtsgebäudes, enthauptet – und entging so zumindest den würdelosen Leichenverstümmlern, die auf der Piazza della Signoria ihr Unwesen trieben. Maffei und Bagnone, die beiden Geistlichen, die sich bereit erklärt hatten, Lorenzo an seiner Stelle zu ermorden, hatten bei den Benediktinermönchen in der Badia Fiorentina Unterschlupf gefunden, gleich um die Ecke von der Domkirche und praktisch gegenüber der Pazzi-Enklave. Sie wurden am 3. Mai verhaftet, und die Benediktiner, die ihnen Obdach gewährt hatten, wären von der wütenden Menge attackiert und geschlagen worden, hätten nicht Wachen und einige andere, die einen kühlen Kopf bewahrten, interveniert. Sie alle konnten freilich nicht verhindern, dass die beiden Männer auf dem Weg zum Regierungspalast angegriffen und verstümmelt wurden: Ohne Ohren und Nase wurden sie den Prioren und den Otto übergeben, die sie, wie vorher schon den Erzbischof, an einem Fenster aufhängten, das zur großen Piazza della Signoria hinausging. Von einer Ausnahme abgesehen, sollte die Stimmung jedoch merklich umschlagen, sobald die an der Macht befindliche Elite wieder Tritt gefasst hatte. Die zweite Hälfte der 1470er Jahre war eine Zeit steigender Lebensmittelpreise und Hungersnöte. Vor diesem Hintergrund muss die Blutlust, der um sich greifende Hass auf die Verschwörer und das widerwärtige Herumzerren von Leichenteilen auch der herrschenden Schicht klar gemacht haben, dass die Energien des überreizten Pöbels sich durchaus ins Schändliche verkehren und auch gegen die „guten“ Familien der Oberschicht wenden konnten. Schließlich befanden sich auch Bewaffnete unter dem aufgebrachten Mob, und die unkontrollierte Plünderung der Pazzi-Häuser sowie einiger Wohnsitze der Salviati hatte mit Mühe gerade noch verhindert werden können. Der immense Reichtum der Familie Pazzi musste für eventuelle Schuldner sowie natürlich den Staatssäckel gerettet werden und durfte nicht einer blindwütigen Menge überlassen werden. Spannungen waren in dem von einer hohen Stadtmauer umschlossenen Florenz an der Tagesordnung, resultierten freilich in aller Regel weniger aus Differenzen zwischen Reich und Arm (wenngleich Letztere ausgebeutet werden konnten) als vielmehr aus dem mediceischen Regierungssystem und der tiefen gesellschaftlichen Kluft – mit dem Netzwerk politisch Privilegierter auf der einen und den vielen politisch Ausgestoßenen auf der anderen Seite. Das Schicksal der Leiche von Messer Jacopo sollte die perversen Grausamkeiten auf die Spitze treiben und zu der oben erwähnten Ausnahme führen. Die Nachricht, was am 26. April geschehen war, verbreitete sich von Florenz aus rasch in alle Himmelsrichtungen, und Waffenträger schwärmten aus, um Messer Jacopo, den Grafen von Montesecco und deren davoneilende Söldnertruppen dingfest zu machen. Um ihre Verfolger zu verwirren, teilten sich die Flüchtigen, doch am 27. wurden nach einer bewaffneten Auseinandersetzung und einigem Blutvergießen Messer Jacopo und seine wenigen Leute von den Bauern des Bergdorfes Castagno di

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San Godenzo gefangen genommen. Jacopo, der nicht umsonst den Zorn und die Schande fürchtete, die ihn in Florenz erwarten würde, bot Poliziano zufolge sieben Stücke Gold, wenn man ihm Gelegenheit zum Selbstmord gab. Doch sein Angebot wurde abgelehnt und er stattdessen so verprügelt, dass er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. So übergaben die Bauern ihn den Leuten des achtköpfigen Wachausschusses, die ihn am 28. nach Florenz zurückbrachten, wo er angeblich ein Geständnis ablegte, von dem aber ebenfalls keine Aufzeichnungen existieren. Darin soll er zum einen seinem Glauben an das unfehlbare Glück des Francesco de’ Pazzi, der ihn zu der Verschwörung überredet hatte, und zum anderen seiner Verbitterung über den Verlust des Borromei-Erbes Ausdruck verliehen haben. Dieses gewaltige Vermögen wäre an die Gemahlin eines seiner Neffen gefallen, hätte nicht Lorenzo, wie bereits erwähnt, ein neues (speziell gegen die Pazzi gerichtetes) Erbschaftsgesetz auf den Weg gebracht, demzufolge es in andere Hände ging. Messer Jacopos – vom Medici-Regime geschürtem – Ruf als Gotteslästerer entsprechend, verbreitete sich rasch das Gerücht, der „Verräter“ hätte im Sterben „seine Seele dem Teufel verkauft“. Bekleidet mit einer Strumpfhose, einem kurzen purpurroten Gewand und einem weißen Ledergürtel, der ein bisschen wie ein Taschentuch aussah, wurde er an demselben mittigen Fenster aufgeknüpft wie zwei Tage vorher Francesco de’ Pazzi und der beißende Erzbischof. Im Gegensatz zu den meisten anderen wurde sein Leichnam aber nicht abgeschnitten und auf den Platz fallen gelassen, wo sich die Soldaten mit Sicherheit darum geschlagen hätten, solch kostbare Kleidungsstücke wie Wams und Hose in die Hände zu bekommen. In der Woche nach dem gescheiterten Mordanschlag kam es häufiger zu solchen Handgreiflichkeiten um den Besitz vornehmer Herrenstrumpfhosen, die zudem das Emblem der Familie Pazzi trugen. Da es hieß, Jacopo habe die Beichte ablegen dürfen und sogar die Letzte Ölung erhalten, wurde er in der Grabkapelle der Familie in Santa Croce beigesetzt. Doch um die Pazzi in der Öffentlichkeit noch weiter zu diffamieren, bezichtigte man ihn nun vielerorts der Pietätlosigkeit. Seit vier Tagen fiel starker Regen, und bald strömte das Bauernvolk in hellen Scharen vom Umland in die Stadt. Ihre Ernte würde verdorben, argumentierten sie, und der Dauerregen sei ein Zeichen für das Missfallen Gottes, weil ein böser und ungläubiger Mann in heiliger Erde begraben worden sei. Angesichts einer gewaltbereiten Menschenmenge und mit Zustimmung entweder des Wachausschusses oder der Prioren ließen die Mönche des Klosters Santa Croce daraufhin die Leiche exhumieren und an einem Platz unmittelbar an der Stadtmauer zwischen dem Tor des Kreuzes und dem Tor der Gerechtigkeit, durch das man zum Galgenberg gelangte, in ungeweihter Erde neu bestatten. Poliziano schreibt, die Sonne sei daraufhin wieder durchgekommen, doch trotzdem war noch nicht alles wieder in Ordnung. Unheimliche Geräusche, verlautete nun, ertönten an der neuen Begräbnisstätte, so als habe sich dieses Stück Erde in einen Hort der Teufel und Dämonen verwandelt.9 Am Nachmittag des übernächsten Tages zog „eine große Schar Buben“ zur östlichen Stadtmauer, um den Leichnam erneut auszugraben. Allerdings ist kaum zu bezweifeln,

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dass sich unter den „Buben“ auch einige Wichtigtuer und Agitatoren befanden. Der achtköpfige florentinische Wachausschuss beschäftigte, ebenso wie der berühmtberüchtigte Zehnerrat in Venedig, Spione und Informanten, und nach dem Blutbad vom 26. April und der nächsten Tage mit Sicherheit noch mehr als vorher. Jedenfalls war Messer Jacopos Leichnam nun nicht mehr Sorge der Bauern, sondern der Verachtung städtischer Buben ausgeliefert. Die wussten genau, wie weit sie gehen durften, und brachten sich gegenseitig so in Rage, dass sie schließlich jedem, der sich ihnen in den Weg stellen wollte, mit Steinigung drohten. Poliziano formulierte es in Anlehnung an die Antike: wie vom Feuer der Furien (Rachegöttinnen) getrieben, hätten sie gehandelt. Der Strick, an dem man Jacopo aufgeknüpft hatte, hing noch um seinen Hals. Offenbar war also niemandem gestattet worden, den Leichnam für die Beisetzung herzurichten. (Hatte man ihm also wirklich Gelegenheit zur Beichte gegeben und eine Letzte Ölung zukommen lassen?) Die Buben jedenfalls packten nun den Strick und zerrten den Leichnam daran durch die ganze Stadt. Dazu stießen sie wüste Beschimpfungen aus und sangen Spottlieder. Ein wahrer Totentanz. Ab und zu liefen ein paar von ihnen ein Stück voraus und spielten Gardisten – schrien, man möge den Weg freimachen für einen großen und ehrwürdigen Rittersmann. Andere hieben mit Stöcken auf den Kadaver ein, ohne sich anscheinend an dem Gestank zu stören. „Und es [das makabre Schauspiel] wurde ganz außerordentlich bestaunt“, schrieb der Augenzeuge Luca Landucci. „Erstens, weil Kinder gewöhnlich Angst vor dem Tod haben, und dann weil der Gestank so entsetzlich war, dass sich kein Mensch in die Nähe des Leichnams begeben konnte.“ Jacopo war mittlerweile drei Wochen tot – vom 28. April bis etwa 20. Mai. „Beeilt Euch“, riefen die Buben dem Leichnam immer wieder zu, „eine große Menschenmenge erwartet Euch auf der Piazza der Signori.“ Da man ihnen den Zutritt zu diesem Platz verwehrte, sie aber ihre üblen Scherze und das widerwärtige Spektakel genossen und nicht so rasch aufgeben wollten, zogen sie „Jacopo“ zu seinem eigenen Palazzo, wo sie seinen Kopf gegen das Tor schlugen und dabei riefen: „Wer ist da? Wer ist da drinnen? Was, ist denn da niemand, um den Herrn des Hauses und sein Gefolge gebührend zu empfangen?“ Im Laufe des Nachmittags schließlich waren sie mit ihrer gespenstischen Geisel am Fluss angelangt, wo sie ihn ein Stück weit am Ufer entlangzerrten und dann von der Brücke am Rubiconte, dem heutigen Ponte alle Grazie, in das Wasser des Arno warfen. Während der Körper flussabwärts trieb, rannte das Volk scharenweise zu den Brücken, um den geschändeten Leichnam anzustieren. Ein oder zwei Tage später zogen Buben ihn bei Brossi wieder aus dem Wasser, knüpften ihn an eine Weide, klopften ihn durch wie einen Teppich und warfen ihn dann zurück in den Arno, wo er seine groteske Reise fortsetzte, unter den Brücken von Pisa hindurch hinaus ins offene Meer. Die Geschichte von Messer Jacopos Leichnam endet hier, aber sein Schicksal sollte Florenz noch jahrelang beschäftigen. Nichts anderes hätte den Plan, den Namen Pazzi und die Erinnerung an die einst stolze Bankiersfamilie so grundlegend zu diffamieren

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vermocht wie dies – die höhnische Entweihung des Oberhauptes des Hauses oder vielmehr seiner sterblichen Hülle. Nicht umsonst war Florenz eine Stadt voll religiöser Bruderschaften, deren zentrales Anliegen darin bestand, ihren Mitgliedern einen würdigen Tod, ein anständiges Begräbnis und die Erlösung zu ermöglichen.

Der juristische Rachefeldzug Innerhalb von zwei Tagen nach dem Überfall im Dom hatte die Regierung auf Betreiben Lorenzos und seines Zirkels einen massiven Rachefeldzug gegen die Pazzi in die Wege geleitet. Ziel war, die Familie zu vernichten, nicht allein durch Beschlagnahmung aller flüssigen Gelder, Waren, Häuser und Ländereien, sondern auch durch Auslöschen der Symbole, des Namens, ja der Erinnerung an das ganze Geschlecht, es sei denn als verfluchte und schändliche Sippe (nisi per ignominiam). Römischem Gesetz zufolge war eine der ältesten Strafen für Verbrechen gegen den Kaiser die damnatio memoriae: Der Name des Täters wurde aus allen öffentlichen Dokumenten und Denkmälern getilgt, um jegliche Erinnerung an den Sünder auszulöschen. Nach diesem antiken Vorbild wurde nun eine ähnliche, aber umfassendere Strafe über das große rivalisierende Bankhaus verhängt, das versucht hatte, die Medici zu vernichten.10 Die Prioren und die Acht des Wachausschusses setzten Ermittler darauf an, zunächst einmal das gesamte Vermögen der Pazzi in die Hände zu bekommen. Da florentinische Bankiers und Kaufleute stets sehr genau Buch führten, wurden als Erstes sämtliche Hauptbücher der Pazzi beschlagnahmt. Diese enthielten Listen mit den Schuldnern sowie die Namen der Partner und Teilhaber aller Pazzi-Unternehmen. Bei den Steuerbehörden der Stadt gab es detaillierte Aufstellungen über ihren Grundbesitz in der florentinischen Toskana, Gehöfte wie Landhäuser, sowie eine vollständige Liste ihrer Investitionen in Staatsanleihen, das heißt Schulden der florentinischen Regierung (dem Monte). Lange bevor am 4. August 1478 das endgültige Urteil verkündet und das Strafmaß festgesetzt wurde, hatten Regierungsbeamte begonnen, sämtliche PazziHabe zu sequestrieren oder zu veräußern, selbst ihren Hausstand und anderen beweglichen Besitz. Schon am 5. Mai, neun Tage nach dem Komplott, wurden Pferde und Maultiere öffentlich zum Verkauf angeboten. Am 1. Juni dann versteigerten die zuständigen Behörden auf dem weitläufigen Gelände der florentinischen Münze (Zecca) Kleidung, Möbel, Wäsche, Gemälde und anderen Hausrat der Pazzi sowie das konfiszierte bewegliche Hab und Gut ihrer Verbündeten (den in die Verschwörung verwickelten Salviati und Bracciolini). Das Ganze summierte sich zu einer solch gewaltigen Menge von Gegenständen, dass die Zecca „von einer Seite bis zur anderen“ voll gefüllt war. Bei dieser symbolischen Bloßstellung der Familie Pazzi, bei der all ihr persönlicher Besitz öffentlich zu Schau gestellt und an den Meistbietenden verkauft wurde, wurden sie zu Verrätern und Bankrotteuren gestempelt, das Schändlichste, was einem Bürger passieren konnte.11

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Am 23. Mai, vier Wochen nach dem Anschlag, erließ die Medici-Oligarchie ein neues Gesetz, das ihre Absicht ganz ungeschminkt zeigte.12 Sämtliche noch lebenden Mitglieder des Geschlechts der Pazzi, auch weit entfernte Cousins, mussten binnen sechs Monaten ihren Nachnamen und ihr Wappen ablegen beziehungsweise ändern und dieses dann bei den „Acht“ melden. Andernfalls würden sie zu „Rebellen“, was sie de facto vogelfrei machte, das heißt, jeder Bürger hätte sie umbringen können, ohne Strafe fürchten zu müssen. Abermals sollten sämtliche Zeichen und Symbole der Pazzi (ihr Wappen oder Name an irgendeinem Ort) augenblicklich entfernt werden – abgeschlagen, ausgelöscht oder übermalt. Von nun an musste jeder Künstler oder Kunsthandwerker, der das Pazziwappen mit den berühmten Rücken an Rücken stehenden Delfinen schnitzte, meißelte, malte oder sonstwie abbildete, sei es für öffentliche oder private Zwecke und auf welcher Oberfläche auch immer – auch Stoff und Keramik –, für jede derartige Darstellung eine Strafe von fünf großen (Gold-)Fiorini zahlen. In anderen Worten: Der Name der Pazzi und all ihre Insignien mussten aus Florenz verschwinden. Sie verdienten es nicht anders. Für den nächsten Punkt, ein beispielloses Heiratsverbot, das für alle Zukunft gelten sollte, griff das Gesetz drei Generationen zurück auf den Begründer des riesigen Pazzi-Vermögens (Messer Andrea di Guglielmino). Dieser Regelung zufolge wurde jeder Florentiner, der eine seiner Töchter einem von Messer Andrea abstammenden Pazzi zur Frau gab oder aber ein Mädchen ehelichte, das über die männliche Erblinie mit demselben Andrea verwandt war, automatisch „verdächtig“ (admonitus). Und er sowie alle seine männlichen Nachkommen verloren auf immer das Recht, in Florenz ein öffentliches Amt zu bekleiden. Die Drohung in puncto Eheschließung mit einer Pazzi ist insofern besonders bemerkenswert, als sie gegen einen Artikel des kanonischen Rechts verstieß. Schließlich lief es letztlich darauf hinaus, der Frau das Recht auf Eheschließung zu nehmen. Kein Mann aus ihrer gesellschaftlichen Schicht würde sie heiraten, und da man sie ihres Vermögens beraubt hatte, würde die Familie Mühe haben, sie mit einer Mitgift auszustatten, die es ihr erlaubt hätte, wenigstens außerhalb der Arnostadt ehrenvoll zu heiraten. Kurz: Sie konnte kaum darauf hoffen, einen Ehemann zu finden. Am besten führe sie wahrscheinlich noch damit, ins Kloster zu gehen. Das Verbot, den Namen Pazzi irgendwo öffentlich zu benutzen, bedeutete auch, dass die allgemein als Canto de’ Pazzi bekannte Straßenecke nicht länger so genannt werden durfte. Dieser Canto markierte die Kreuzung zweier Straßen, die von den Wohnhäusern der Familie gesäumt waren, und hatte bislang eines der vornehmsten Geschlechter dieser Gegend gewürdigt, wie es andernorts die Via de’ Bardi, die Via degli Alberti oder die Piazza de’ Peruzzi taten. Nun sollte der Name Pazzi buchstäblich über Nacht aus allen Akten und Dokumenten verschwinden. Dies bedeutete übrigens auch das Einschmelzen der Goldfiorini, die auf der Rückseite das Pazzi-Wappen trugen – sichtbares Zeugnis des Privilegs einer jeden vornehmen florentinischen Familie, die die Ehre hatte, eine Amtszeit in der Zecca zu dienen. Aufgrund ihrer finanziellen

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Vormachtstellung erforderte das Mandat, das Pazzi-Emblem aus dem öffentlichen Leben zu entfernen, also auch den Rückruf großer Mengen in Umlauf befindlicher Münzen.13 Schließlich gab es noch eine weitere Methode, die Familie der Verschwörer zu erniedrigen, ein Verfahren, das gewöhnlich nur bei Bankrotteuren zur Anwendung kam. In manchen Städten, wenngleich nicht in Florenz, musste jeder Bankrotteur seinen entblößten Rücken vor Zeugen gegen einen bestimmten Stein oder Pfosten auf einem öffentlichen Platz schlagen. Mit Trompetenstößen riefen Ausrufer das Volk zusammen und gaben dann den Namen des Unglücklichen sowie Uhrzeit und Ort des beschämenden Schauspiels bekannt, zu dem dann die Gläubiger sowie Schaulustige herbeiströmten. In Florenz dagegen wurden Bankrotteure und Verräter großformatig an Hausfassaden gemalt, manchmal an den Regierungspalast, häufiger an den Bargello, den festungsartigen Amtssitz des Podestà. Damit auch ja keine Verwechslung passieren konnte, waren die Namen neben oder unter die Bilder geschrieben. Im Falle von Verrätern gesellten sich dazu häufig einige skurrile Verse. Diese Großporträts hielten sich oft viele Jahre lang.14 Den Auftrag, die Schandbilder der April-Verschwörer zu malen, erhielt kein Geringerer als Sandro Botticelli, ein Protegé der Medici. Am 21. Juli stellten die Otto eine Zahlungsanweisung über vierzig große Fiorini an ihn aus, „für seine Bemühungen um das Malen der Verräter“. Vielen Quellen zufolge befanden sich diese naturgetreuen Bildnisse, die nach der Vertreibung der Medici 1494 übertüncht wurden, an einer Fassade des Bargello, doch es ist wahrscheinlicher, dass sie eine Wand der Dogana schmückten, eines Teils der Regierungspalastes. Abgebildet waren mit Sicherheit Francesco de’ Pazzi, Messer Jacopo, Erzbischof Salviati, Renato de’ Pazzi und Bernardo Bandini Baroncelli sowie Jacopo Bracciolini und Napoleone Franzesi. Die realistische Darstellung, die Freunde und Verwandte enervieren sollte, muss so lebensecht gewirkt haben, dass die Prioren auf wiederholten Druck des Papstes die Order gaben, das Bild des Erzbischofs zu entfernen: Es war dem Ruf der Kirche offenbar noch weit abträglicher als dem angesehenen Geschlecht der Salviati.15 Die drakonischen Richtlinien des Gesetzes vom 23. Mai waren derart ungewöhnlich, dass Lorenzos Regierung sich im Laufe der folgenden drei Jahre aus Gründen der Diplomatie gezwungen sah, die Hatz gegen die Pazzi-Frauen nach und nach zurückzunehmen. Was das Vermögen der Familie, die Auslöschung ihres Wappens und ihres Namens anging, blieb man jedoch hart. Das Urteil gegen die Pazzi-Brüder und -Vettern – lebenslange Haft im Turm von Volterra – wurde im April 1482 in lebenslange Verbannung umgewandelt. Doch obwohl das theoretische Heiratsverbot der Pazzi-Mädchen aufgehoben war, hätte keine halbwegs ehrgeizige oder vernünftig denkende florentinische Patrizierfamilie auch nur im Traum daran gedacht, eine solch suspekte Bindung einzugehen. Florenz war die Bühne der Oberschicht, und die vornehmen Familien beobachteten einander stets mit Argusaugen. Und die alles beherrschende Trias – Familie, Politik, Geld – bil-

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Abb. 7 Büste Lorenzo de’ Medicis, vermutlich nach einer Vorlage von Orsino Benintendi und Andrea del Verrocchio

dete eine unverbrüchliche Einheit. Wer eines davon antastete, zog die beiden anderen unweigerlich in Mitleidenschaft.16 Botticellis Schandbilder der Verschwörer fanden ihr politisches und moralisches Gegenstück in einer ganzen Reihe figürlicher Darstellungen des siegreichen Lorenzo de’ Medici. Freunde und Verwandte des inoffiziellen Stadtoberhauptes gaben die Bildnisse nach dem Mordversuch vom April in Auftrag. In Zusammenarbeit mit Verrocchio schuf der Wachsmodellierer Orsino Benintendi drei lebensgroße Skulpturen (Abb. 7), die natürlich idealisiert waren, Vasari zufolge Lorenzo aber durchaus ähnlich sahen. Sie wurden in verschiedenen Kirchen aufgestellt, so als wolle man der Bevölkerung damit zeigen, er sei nicht nur am Leben, sondern auch mitten unter ihnen.17

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Was der „Durchschnittsflorentiner“ über die Verschwörung und die Pazzi dachte, ist nicht leicht zu rekonstruieren. Zweifelsohne trieb der Überschwang im unmittelbaren Anschluss an den Mordversuch so manchen auf die Straße, um dort lautstark seiner Sympathie für Lorenzo Ausdruck zu verleihen, Leichenteile abzuhacken und im Triumph durch die Stadt zu tragen. Wie viele es waren, ist freilich nicht bekannt, und noch weniger weiß man, ob sie wirklich repräsentativ waren. Die Leute, die „Lang lebe Lorenzo, der uns Brot gibt!“ schrien, dürften jedenfalls ausnahmslos aus den Reihen der Bettler und der riesigen Zahl der Armen gekommen sein. Politisch mündige Bürger waren dies nicht, und sie besaßen auch keine Stimme in der Regierung. Informierten Florentinern war klar, dass nur sehr wenige Leute wussten, was in den allerhöchsten Geheimgremien tatsächlich geschah. Das war das Geschäft der führenden Bürger. Und von diesen standen sicherlich alle Medicianhänger im April 1478 auf der Seite Lorenzos. Doch gab es da auch noch diejenigen Bürger, die der schweigenden (und bangen) Mehrheit angehörten. Ein kleiner Prozentsatz von diesen sympathisierte höchstwahrscheinlich mit den Pazzi, wenngleich sie nicht unbedingt auch dem blutigen, mörderischen Teil der Verschwörung zustimmten. Wieder andere dürften, wäre eine geheime Stimmabgabe erlaubt gewesen, immer abhängig vom jeweiligen Thema entweder für oder gegen Lorenzo votiert haben. Angesichts dieser Umstände war Lorenzo, auch wenn er seine Machtposition in den 1480er Jahren konsolidieren konnte, nicht in der Lage, ein Vermächtnis zu hinterlassen, das seinem Nachfolger einen sicheren Stand garantierte: Sein Sohn Piero sollte sich nicht einmal drei Jahre an der Macht halten können.

Tode sstrafe und „ K an n i b a l i s m u s “ Warum gab es in der italienischen Renaissance Menschen, die mit Inbrunst in die Leiber von Feinden, Kriminellen und verhassten Personen bissen, was uns heute barbarisch oder bestenfalls grausam und widerwärtig erscheint? Ich unterbreche den Erzählstrang an dieser Stelle, um einer Frage auf den Grund zu gehen, die in den Mordkomplotten des ersten Kapitels und bei den Abschlachtereien im Rahmen der mediceischen Vergeltungsschläge auftaucht. Die folgende Erörterung wird allerdings unweigerlich suggestiv ausfallen und auch zu keinem eindeutigen Ergebnis kommen können. In derlei Dingen ist nicht mehr Klarheit möglich, als das Thema zulässt.

Todesstrafe Die blutigen Bürgerkriege, die im 13. Jahrhundert sowohl zwischen den italienischen Stadtstaaten als auch innerhalb deren Stadtmauern getobt hatten, waren lange vorbei, desgleichen die Grausamkeiten des 14. Jahrhunderts mit den schreckensvollen Beutezügen der verschiedenen Söldnerheere. Doch auch das 15. Jahrhundert war nicht frei von aus heutiger Sicht unverständlichen, ja bestürzenden Gewalttaten. Gerade in Italien, das dichter besiedelt war als jeder andere Teil Europas und wo zudem das städtische Leben von uralten Familienbeziehungen getragen wurde, kam es mitunter zu fiebrigen Rasereien.1 Auf der gesamten italienischen Halbinsel galt die Regel, dass jeder Gewaltakt in dem Augenblick schwer wiegend – und demzufolge besonders massiv bestraft – wurde, wo Blut floss. Blut war der Maßstab. Dementsprechend war es ein Zeichen gebührender Härte, wenn ein Richter jemanden dazu verurteilte, so lange ausgepeitscht zu werden, bis sich blutige Striemen zeigten. Schon hier gewinnt die Präsenz von Blut eine Signifikanz, die weit über seine eigentliche Bedeutsamkeit hinausgeht.2 Symbolische Untertöne waren bei dieser roten Flüssigkeit folglich vorprogrammiert, dabei aber derart doppel- oder vieldeutig, dass sie die strenge Grenze zwischen religiösen und strafrechtlichen Konnotationen aufhoben – und zwar umso mehr, als die Bildsymbolik von Blut einen hohen Stellenwert bei den Alltagsritualen einnahm: bei den viel besuchten Schauspielen öffentlicher Hinrichtungen, bei als großes Spektakel insze-

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nierten Verstümmelungen von Verbrechern, bei den (manchmal zu beobachtenden, häufiger nur in Berichten erscheinenden) Selbstgeißelungen; vor allem aber bei den buchstäblich allgegenwärtigen Darstellungen des blutenden Christus und von Heiligen, die den Märtyrertod erleiden, die Gebete und Sakralkunst jedem Gläubigen ständig vor Augen führten. Was Verbrechen betraf, so galt Blutvergießen als gerechte Strafe für Untaten wie Diebstahl, Mord und Totschlag, Fälschung, Meineid, Vergewaltigung, Ketzerei und Hochverrat. Im Falle christlichen Märtyrertums, sei es durch Enthauptung, Nägel, Pfeile oder Feuer, war Blut das, was einige Heilige aus Liebe zu Gott vergossen hatten. Und auch Christus selbst, das berichtete schließlich praktisch jedes Gebet, hatte mit seinem Blut bezahlt, um uns zu erlösen und von der Sünde „freizukaufen“. In einer damals weit verbreiteten Lobeshymne bestätigt Christus denn auch:3 Ich bin der, der der wahre Weg ist, Der euch alle freigekauft hat: Weh mir, der ich euch freigekauft habe, mit meinem eigen Blut und Schweiß.

Und Lorenzo de’ Medici merkt in einem Gebet zu Jesus lapidar an: „Was dein Blut angeht, warst du niemals geizig.“ Nun hatte das Blut von Kriminellen und das von Märtyrern freilich nicht das Geringste gemein. Zwischen dem einen und dem anderen bestand keinerlei (moralischer) Zusammenhang. Und doch gab es einen. Denn das eine wurde allgemein als Sühne für eine böse Tat angesehen, während das andere, vergossen in der Opferbereitschaft bußfertiger Märtyrer, als Wiedergutmachung für die Erbsünde aller Menschen galt. Jede Stadt hatte ihren offiziellen „Richtplatz“, ein Ort unter freiem Himmel, wo ein Schafott auf die Verurteilten wartete. Häufig stand ganz in der Nähe eine Kapelle, wo man, sofern jemand dies wünschte, für die Seele des Verdammten beten konnte. Der Richtplatz war ein Ort der Schande, gewöhnlich außerhalb der Stadtmauer gelegen, möglichst weit vom „heiligen“ Herzen der Stadt entfernt. Nicht so jedoch in Venedig, wo die Verurteilten bekanntlich nur einen Steinwurf vom Dogenpalast entfernt zwischen den „zwei Säulen“ auf der Piazzetta neben dem Canal Grande exekutiert wurden. Öffentliche Hinrichtungen konnten aber auch an anderen Plätzen innerhalb der Stadt vorgenommen werden, beispielsweise an den Fenstern des obersten Gerichtshofes oder am Schauplatz des Verbrechens, vorausgesetzt es handelte sich dabei nicht um einen geweihten Ort. Wurde die Todesstrafe in der Stadtmitte vollstreckt, stand dahinter stets der Gedanke, Bürgern und Zuschauern zu zeigen, dass die Justiz rasch und mitleidlos zuschlagen konnte und der Staat entschlossen gegen die Sünde vorging.4 Als um das Jahr 1400 der florentinische Gebrauchtwarenhändler Bartolo Cini auf dem Mercato Vecchio ein Mitglied der Regierung mit einem Schwerthieb auf den Kopf tötete, wurde er sofort nach der Tat verhaftet. Bereits am folgenden Tag ließ der Magistrat auf Anregung der Prioren auf ebendiesem Marktplatz einen Galgen aufbauen.

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Kurz vor der Exekution wurde, um die Öffentlichkeit auf das bevorstehende Schauspiel aufmerksam zu machen, die „Todesglocke“ geläutet und Dini auf einem Karren durch die Straßen der Stadt gefahren und dabei wiederholt mit einer glühenden Beißzange gekniffen. Die Fahrt endete am Alten Markt, wo er vor aller Augen hingerichtet wurde, und sein Körper bis zum Einbruch der Dunkelheit hängen blieb. Hundert Jahre später hatte sich an diesem Brauch so gut wie nichts geändert. Am 27. Juni 1498 wurde ein namentlich nicht bekannter Mann am Mercato Vecchio gehenkt, und zwar an exakt derselben Stelle, an der er am Tag zuvor einen Mann umgebracht hatte. „Und er wurde mit der heißen Zange gepackt“, notierte ein zeitgenössischer Tagebuchschreiber, „während er auf einem Karren quer durch die Stadt gefahren wurde. Der Gerechtigkeit wurde sehr gut und schnell Genüge getan.“5 War ein Mord besonders niederträchtig, wurde der Täter manchmal vollständig nackt durch sein eigenes Viertel, anschließend an den Tatort und zu anderen wichtigen Punkten der Stadt gekarrt. Die sündigen Hände, die man ihm zuvor abgehackt hatte, hingen ihm an den Daumen um den Hals, und die blutigen Armstümpfe waren so hochgebunden, dass er sie ständig vor Augen hatte. In einem Fall wurde ein Mann in Florenz kopfüber aufgehängt und so lange in einen Abwassergraben gehalten, bis er tot war. Erst dann brachten die Henker seinen Leib zum Richtplatz, wo er sechs Tage lang baumelte, „als abschreckendes Beispiel für andere Bösewichte“. Seine Verwandten mussten wiederholte Bittgesuche einreichen, um den Leichnam zur Bestattung freizubekommen. Und ganz Florenz atmete anscheinend auf, als ein mutmaßlicher Mörder, Busechino aus San Frediano, endlich in der Nähe von Pistoia gefasst wurde, weil sein Verbrechen besonders hinterhältig gewesen war: Sein Opfer, das mit gebrauchten Kleidungsstücken handelte und möglicherweise auch als Pfandleiher tätig war, hatte Busechino nämlich zuvor zwei Mal vor dem Galgen bewahrt!6 Die Vollstreckung der Todesstrafe im Herzen der Stadt war damals also gewöhnlich Verbrechern vorbehalten, die sich eines besonders abscheulichen Vergehens schuldig gemacht hatten, worunter auch Verschwörungen gegen den Staat fielen. In seltenen Fällen wurden damit aber auch schwere Fälle von Diebstahl und Fälschung geahndet sowie Wiederholungstäter und Auswärtige bestraft. Die Venezianer inszenierten ihre Hinrichtungen bisweilen am Rialto, dem kommerziellen Herzen der Lagunenstadt, oder auf dem zentral gelegenen Markusplatz, wo die an ein Floß geketteten überführten Täter über den Canal Grande ankamen. Am 24. August 1504 verbrannte man auf der Piazza San Marco ein solch „ruchloses Subjekt auf dem Scheiterhaufen, weil er sich an einem kleinen vierjährigen Mädchen vergangen hatte“. Wenige Jahre später wurde in einem noch blutigeren Schauspiel an derselben Stelle Gaspara d’Arquà gevierteilt und die Viertel anschließend „an dem Schafott aufgehängt“.7 Doch das Ritual bei gewöhnlichen Hinrichtungen, die am Richtplatz ausgeführt wurden, war fast noch symbolhafter: Die Fahrt auf dem Karren quer durch die Stadt zum Galgenberg erinnerte an den Leidensweg Christi, seinen Gang nach Golgatha. War er nicht auch an einem öffentlichen Richtplatz gestorben, ein Verbrecher zwischen

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zwei anderen Verbrechern? Zeigten nicht ungezählte Kreuzigungsdarstellungen, dass er umgeben von Soldaten und vor den Augen einer Menschenmenge gerichtet wurde? Die Erinnerung daran wurde auch von einer religiösen Bruderschaft wach gehalten, die in sämtlichen Städten Italiens präsent war und die es als ihren Auftrag ansah, verurteilten Gefangenen Beistand zu leisten und sie auf dem Weg zu ihrer Hinrichtung zu begleiten. In Florenz ging diese Vereinigung mit Kapuzen bekleideter Männer unter dem Namen I Neri nella Confraternità di Santa Maria della Croce al Tempio ihren Pflichten ganz in Schwarz nach. Zur Zeit der Pazzi-Verschwörung zählte diese „Schwarze Bruderschaft“ fünfzig Köpfe und unterstand der Familie Medici und ihren Parteigängern. Lorenzo war selbst Mitglied des Ordens, scheint aber nie an einem der Begleitmärsche teilgenommen zu haben. Unterwegs gingen zwei von ihnen neben dem Karren, einer rechts, der andere links, und versuchten, dem Verurteilten (oder ihr – es gab natürlich auch weibliche Todeskandidaten) Trost zuzusprechen, indem sie die Leiden Jesu aufzählten, zur Reue aufriefen, Mitleid bekundeten und zum Sieg über den Schrecken anspornten, der durch Gebete und die visuelle Vorstellung des sterbenden Heilands zu erringen sei.8 In Florenz begann dieser Leidensweg gewöhnlich vor dem Gerichtshof, dem Sitz des Podestà (siehe Karte Seite 6/7), der gleich nordöstlich hinter dem Regierungspalast oder der „Burg“ der Prioren lag. Da der Verbrecher gewöhnlich nicht mehr in der Lage war, selbst zu laufen, wurde er auf einem oft blutverschmierten Karren transportiert. Der Weg führte vom Bargello über die Straße der Armbrustschützen (balestrieri) zum Dom, um diesen herum auf den Platz zwischen Kirche und Baptisterium und von dort weiter in Richtung Süden über die Via Calimala zum Mercato Vecchio und dann zum Mercato Nuovo. Hier wandte man sich nach links in die Via Vacchereccia zur Piazza dei Signori, dem Hauptplatz der Stadt. Von dort zogen Karren, Verurteilter, Wachen, Henker, Bruderschaft und die gaffende Menge ostwärts an der Südfassade des Regierungspalastes vorbei und hinter dem festungsartigen Bau erneut in Richtung Norden. Damit war das Herz der Altstadt weitgehend durchquert, jenes Oval, innerhalb dessen der Dom und der Regierungspalast als markante (und höchste) Bauwerke geistliche und irdische Macht repräsentierten – Kirche und Staat. Von hier nun bewegte sich der traurige Zug abermals ostwärts über den Borgo dei Greci zum Platz vor der Kirche Santa Croce, wo die meisten Turniere abgehalten wurden, an der Nordseite der Kirche vorbei parallel zum Fluss über die Via dei Malcontenti bis hin zu dem mächtigen Stadttor, das allgemein als „Tor der Gerechtigkeit“ bekannt war, und durch dieses hindurch zum Richtplatz. Hier hatte die Schwarze Bruderschaft einen Friedhof eingerichtet und eine Kapelle erbaut, wo der oder die Verurteilte beten, die Messe feiern und die Kommunion empfangen konnte. Doch diese banale Wegbeschreibung klammert all die Geräusche, das grausige Spektakel und das Elend aus, die den Karren, die Ordensbrüder und den Tross der Schaulustigen umgaben. Hier spielte sich ein grausiges Drama ab, das das gesamte Spektrum der Emotionen durchlief. Sehr häufig gab es hässliche Szenen, wenn bei-

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spielsweise der Mob den Verurteilten verfluchte, anspuckte und mit Beschimpfungen überschüttete. Oder aber die Menge betrachtete das Geschehen mit Abscheu, und hin und wieder, wenn auch selten, kam es sogar vor, dass jemand einen waghalsigen Versuch unternahm, den Sünder zu befreien. Gelegentlich herrschte auch bestürztes Schweigen, und auf den Mienen der stummen Anwesenden stand Trauer und Entsetzen – so etwa am 10. April 1465, als die Tochter eines gewissen Zanobi Gherucci, eine richtige fanciulla noch, also vermutlich zwischen zehn und dreizehn Jahre alt, durch die Straßen von Florenz und durch das Tor der Gerechtigkeit gekarrt wurde, um geköpft zu werden, weil man sie schuldig befunden hatte, die kleine Tochter des Goldschmieds Bernardo della Zecca getötet zu haben. Das Gericht war zu dem Schluss gelangt, dass sie das Kleinkind in einen Brunnen geworfen hatte, um der Perlenkette und Silberstücke habhaft zu werden, die das kleine Mädchen um den Hals trug. Doch wer weiß schon, was sich damals tatsächlich ereignete? Eine oder zwei Wochen später dann wurde ein Mann geköpft, der kleine Silbermünzen gefälscht hatte, und wir dürfen wohl annehmen, dass ihm wenig Mitgefühl entgegenschlug. In einer aus heutiger Sicht extrem schweren Zeit konnten Geldfälscher nicht mit Gnade rechnen. Ebenso hart wurden Meineid und das Fälschen von Dokumenten geahndet – das Gesetz sah dafür das Abschneiden der Zunge beziehungsweise der „sündigen“ Hand vor. Dazu kamen Brandmarkungen im Gesicht, allerdings hauptsächlich bei Angehörigen der unteren Stände und bei Wiederholungstätern, die so für immer mit dem Mal gesellschaftlichen und moralischen Unwertes gezeichnet sein sollten.9 Was aber sprachen die Mitglieder der Schwarzen Bruderschaft zu dem Verurteilten, den sie auf seinem letzten Weg begleiteten? Viele ihrer Worte waren sowohl ritualisiert als auch spontan. Die wesentlichen Themen hat der bolognesische Anwalt Gregorio Roverbella (ca. 1410–88) festgehalten, der der Bruderschaft der heiligen Maria des Todes seiner Heimatstadt angehörte. Er verfasste ein Versgebet „Für diejenigen, die auf dem Weg zur Gerechtigkeit sind“, und versetzte sich dazu in deren Lage. Wir haben somit eine imaginäre Stimme, die dieses Gebet spricht. Und wenngleich Kummer und Leid aufgrund der Versform nicht voll zum Ausdruck kommen, müssen wir uns vorstellen, dass die Worte gestammelt, angsterfüllt und unter Tränen hervorgestoßen wurden, wobei der Sprecher häufig von einer keifenden, lästernden oder wehklagenden Menschenmenge umgeben war. Hier einige Auszüge aus dem Gebet:10 Gnade, oh höchster, ewiger Gott, … Hier stehe ich, lieber Herr, an der Schwelle zum letzten Schritt, Den jeder Mensch tun muss, In dieser diebischen, niederträchtigen, jammervollen Welt. … Ich verdiene das Höllenfeuer; …

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Ich bereue meine verbrecherischen Taten, Und mit diesem tränenüberströmten Gesicht und den Qualen, Denke ich an dein sterbliches Leid [am Kreuze] … Nun erfülle mich mit einem Feuer der Liebe für dich, Dass ich dank der Gnade deines Leidens Diese Bürde heldenmutig und tapfer bestehen kann. … Oh Herr, erlöse mich von diesem Wehklagen Und lass mich in das süße Antlitz schauen, Das die Märtyrer und anderen Heiligen sehen durften. … Jetzt, da das Ende meiner irdischen Tage naht, Schreit meine Seele nach deiner Hilfe, Dass du sie unter die Gesegneten erhebst. Hier ist die bittere Galle, hier der ätzende Schmerz, Den Petrus und der große Paulus und all deine anderen Für deine Liebe auf sich und in Kauf genommen haben. Und auch du selbst hast es hier unter uns erlitten Mit dem hohen Beispiel deines Kreuzes.

Die Auflistung bewegender Gemeinplätze dient dazu, das Gebet in die liturgische Tradition einzureihen und gleichzeitig den überführten Sünder wieder in die christliche Gemeinschaft einzugliedern und für eine anständige und humane Gesinnung zu gewinnen. Und durch den Vergleich der bevorstehenden Exekution mit dem Martyrium Christi und verschiedener Heiliger bringen die letzten Zeilen die Passion Jesu als Paradigma für den grauenvollen Todesmarsch ins Spiel. Hätte Florenz nur ein oder zwei Hinrichtungen im Jahr inszeniert, hätten wir das Spektakel dann als etwas Ungewöhnliches oder Außergewöhnliches bezeichnen können? Mag sein, wenngleich sich natürlich jeder einzelne Fall zu einer schaurig-makabren Angelegenheit auswachsen und eine kollektive Raserei auslösen konnte. Am 29. Mai 1503 versetzte eine wütende Menge die Schwarze Bruderschaft in Angst und Schrecken und steinigte den städtischen Henker, weil er sich beim Köpfen eines jungen Mannes so stümperhaft anstellte, dass der wachhabende berittene Hauptmann gezwungen war, die Sache zu vollenden, indem er den Verurteilten mit einem Knüppel totschlug. Mittlerweile freilich schwamm der Richtplatz regelrecht in Blut, da der Henker drei vergebliche Versuche mit seinem Schwert unternommen hatte.11 Zwischen 1451 und 1500 erlebten die Bürger von Florenz pro Jahr durchschnittlich acht (7,94) Hinrichtungen, die achtzig bis hundert Männer, die infolge der Pazzi-Verschwörung gehenkt oder in Stücke gehackt wurden, nicht mitgerechnet. Außerdem dürfte die wahre Zahl aufgrund lückenhafter Quellen zweifelsfrei höher gewesen sein.

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Für denselben Zeitraum nennt die von einem Fürsten regierte Stadt Ferrara, die etwa zwei Drittel der Einwohner von Florenz aufwies, im Mittel 4,88 Exekutionen jährlich. Selbst wenn wir die Zahl von Ferrara um ein Drittel erhöhen, liegt der florentinische Durchschnitt immer noch deutlich darüber. In anderen Worten: Verglichen mit einer „Tyrannei“ (um den von republikanischen Humanisten bevorzugten Terminus zu gebrauchen), war die Republik Florenz um nichts milder, humaner oder „zivilisierter“. Die Bürger der freien Stadt wussten sehr gestreng Recht zu sprechen.12

„Kannibalismus“ War es wirklich wahr, dass, wie zeitgenössische Chroniken und andere Quellen hin und wieder berichten, Leute aus blinder Wut und Rachegefühlen heraus sich in menschliches Fleisch verbissen? Die Mordkomplotte gegen Graf Girolamo Riario, die MediciBrüder und den Herzog von Mailand – sie alle endeten mit einem Vorfall dieser Art. Manchmal diente das Bild sicher als Metapher für einen solchen Grad öffentlicher Erregung, wie etwa in dem Fall, als zwei Mitglieder des Lampugnani-Klans schworen, hätten sie von dem Komplott gewusst, sie die Mörder „mit eigenen Zähnen zerfleischt“ hätten. Hier haben wir es mit Kannibalismus als einem symbolischen Akt zu tun, einem verbalen Ausdruck, der die Tat selbst ersetzen soll. In einigen seltenen Fällen muss es freilich tatsächlich so weit gekommen sein – bei den Vergeltungsschlägen in Forlì etwa, nach der Ermordung des Grafen Girolamo Riario –, denn eine solche Handlung findet sich einfach zu häufig in Schilderungen explosiver Gewaltentladung. Vielleicht war ein derart barbarischer Akt in den weiten ländlichen und gebirgigen Regionen der Halbinsel eher durchführbar, weil dort weniger Zartgefühl herrschte als in den „zivilisierten“ Großstädten. Schwadronierende Söldner jedenfalls trieben dort öfter ihr Unwesen und gingen rücksichtsloser und grausamer vor. Versäumten es ihre Auftraggeber, den Dukatenbeutel zu zücken, zögerten die Soldaten nicht, Ernteerträge zu plündern, Gehöfte in Brand zu stecken, Viehherden in einem Umfang zu rauben, dass ganze Dorfgemeinschaften ruiniert waren, Menschen zu töten oder als Geiseln zu nehmen sowie Frauen zu belästigen und zu vergewaltigen. Vom Veneto bis hinunter nach Mittelitalien betrachtete die städtische Oberschicht die Landbevölkerung oft mit einer Mischung aus leisem Mitleid und purer Verachtung – als Menschen zweiter Klasse, wenn man so will.13 Auf dem Gebiet des Kirchenstaates, im hügeligen Umland von Acquapendente unweit der Südwestgrenze der Toskana, unterhielten sich drei junge Schäfer an einem Tag im Februar 1437 darüber, wie Menschen wohl gehängt würden. Sie spannen den Faden weiter und beschlossen, ein harmloses Experiment zu wagen. Im Spaß legte einer von ihnen einem anderen eine Schlinge um den Hals und warf das andere Ende über den Ast einer Eiche. Der dritte hob dann den zweiten ein Stück weit hoch, während der erste den Strick am Baum festband. So jedenfalls beschreibt ein Chronist die Vorgänge. Plötzlich tauchte ein Wolf auf und erschreckte die beiden Witzbolde, die die

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Beine in die Hand nahmen und flohen. Als sie sich nach einer Weile wieder in die Nähe des Baumes trauten, „sahen sie ihren Gefährten tot am Ast baumelnd. Sie banden ihn los und begruben ihn“. Am darauf folgenden Sonntag wollte der Vater des Erhängten diesen wie üblich besuchen und ihm Brot bringen. Da er den Jungen nicht finden konnte, fragte er natürlich die beiden anderen „und bedrängte sie so lange mit Fragen, bis einer von ihnen erzählte, was geschehen war“. Daraufhin packte der Mann den Jüngling und ließ sich von ihm an die Stelle bringen, wo sein toter Sohn verscharrt war. „Dort tötete er den jungen Schäfer mit einem Messer, schnitt seinen Leib auf, entnahm die Leber, nahm sie mit nach Hause, lud den Vater des Ermordeten zum Essen ein und servierte ihm die Leber seines Sohnes.“ Die bemerkenswerte ambivalente Symbolik dieser Handlung gipfelt in der Tatsache, dass die Leber, indem sie als Speise zubereitet wurde, zum Körperteil eines Tiers abgewertet wurde, während sie – dem Volksglauben der damaligen Zeit gemäß – zugleich doch weiterhin die Charakterzüge des jungen Schäfers barg, seine Tapferkeit etwa und seine Willenskraft.14 Sobald das Mahl beendet war, erzählte der rachsüchtige Vater dem anderen, dass er gerade eben die Leber seines eigenen Sohnes verspeist hatte. Daraufhin brachte der verstörte Vater den Mörder seines Sohnes ohne zu zögern um, „und ganz ähnlich tötete die kreischende Mutter die Mutter des gehängten Jungen“. Es war der Anfang einer brutalen Mordserie, in deren Verlauf „einer den anderen tötete und dieser wiederum den nächsten, mit dem Ergebnis, dass Ende Februar, also binnen weniger als einem Monat, etwa sechsunddreißig Menschen tot waren, darunter Männer, Frauen und Kinder.“ Die Frage der Symbolik zunächst einmal zurückgestellt, war an dieser Kette von Rachemorden beileibe nichts Typisches. Ohne einen einzigen Vor- oder Familiennamen zu nennen, listet der Chronist Graziani, ein zuverlässiger und glaubwürdiger Berichterstatter, die blanken Fakten des Dramas auf, das er schriftlich festhielt, weil es ihm bemerkenswert erschien. Trotzdem betrachtet er es auch nicht als besonders erstaunlich, und er bezieht auch nicht moralisierend Stellung. Vielmehr stellt er das Geschehen so dar, als wäre es etwas durchaus Verständliches. Und obwohl die treibende Kraft hinter den Taten ganz klar Rachsucht ist, kommen wir nicht umhin, uns in das kulturelle Umfeld der blutigen Angelegenheit zu versetzen. Wenn der erste Rächer die Leber des von ihm getöteten Jünglings herausschneidet und zubereitet, tut er damit etwas, was eigentlich fast zu nahe liegend erscheint, ja geradezu natürlich. Irgendwie muss es damals eine unausgesprochene, vage Tradition gegeben haben, derzufolge etwas Derartiges im Falle von Mord an einem engen Angehörigen durchaus nicht abwegig war. Vergleichbare Handlungen tauchten in Volkssagen etc. immer wieder auf, auch wenn sie natürlich nur höchst selten praktiziert wurden. Mehr noch: Das Thema zog sich durch die Geisteswelt des spätmittelalterlichen Christentums, das mit voller Absicht die Bildersprache und Lektionen der Märtyrerschicksale hervorhob. Musste der nächste Angehörige einen ermordeten Sohn oder Vater nicht irgendwie auch als eine Art Märtyrer ansehen? Und musste er ihn nicht unweigerlich für gut halten? Auf Abbildungen wie in Gebeten wurde christliches Märtyrer-

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tum von der geistlichen Kultur der Zeit tagtäglich gepriesen. Es war eine blutige Botschaft, die dramatische Geschichten über die Opferung menschlichen Fleisches in jedes Haus, in jede Stube trug, sei es in Form von Gebeten zu Christus oder in Lobeshymnen auf Johannes den Täufer, den heiligen Sebastian, Jakob, die heilige Agnes, Margareta, Barbara und viele andere mehr.15 Die Legenden und ihre bildlichen Darstellungen boten Schilderungen extremster körperlicher Schmerzen, vom Rösten auf glühenden Kohlen bis hin zur Durchbohrung des Leibes. Um die Menschheit vom Bösen zu erlösen, war Jesus Christus auf eine der schmerzvollsten Weisen gestorben – am Kreuz. Und viele Märtyrer bewiesen ihre Hingabe an ihn und den Himmel, indem sie in einen kaum minder grausamen Ritualtod einwilligten. Da kein gewöhnlicher Mensch allein durch Leistungen Zugang zum ewigen Leben erhalten konnte, wurden unerträglicher Schmerz und der Beistand der Kirche als Hilfsmittel herangezogen. Echte Heilige lebten ein Leben körperlicher Entsagung, und als sicherster Weg in den Himmel galten möglichst qualvolle körperliche Schmerzen im irdischen Leben. Dies soll nun keineswegs unterstellen, dass allein die Abbildung von Martyrien Menschen dazu brachte, kannibalische Handlungen, wie sie in Augenblicken außerordentlicher seelischer Belastung wohl vorkamen, gutzuheißen oder gar dazu anzuregen – zumal angesichts der Botschaft christlicher Nächstenliebe und der Doktrin der Vergebung. Märtyrer waren Helden, keine gefolterten Verbrecher und auch keine Verwandten, die im Rahmen eines Rachefeldzugs den Tod fanden. Trotzdem: Die optische Darbietung christlichen Märtyrertums an sich war kein Selbstzweck und auch kein reiner Nährboden für brüderliche Nächstenliebe. Man muss sie vielmehr in dem weit größeren Zusammenhang der realen Welt politischer Gewalt sowie in einem Umfeld sehen, in dem Rache weiterhin als Pflicht des Mannes galt. Wie alle italienischen Städte beherbergte auch Florenz eine Fülle von Pfarrkirchen, Klöstern und anderen geistlichen Einrichtungen. Von Osten nach Westen oder von Norden nach Süden bis über den Arno konnte man die gesamte Stadt zu Fuß bequem in einer halben Stunde durchqueren. Trotzdem gab es zweiundsechzig Pfarrkirchen – andere Gotteshäuser noch gar nicht eingerechnet – und rund hundert geistliche Bruderschaften oder Orden. Lorenzo de’ Medici war offiziell Mitglied bei mindestens sieben „Bruderschaften“, andere Männer gehörten drei oder vier an. Viele dieser Vereinigungen wurden als Geißlerorden gegründet, und in Venedig, wo sie als Scuoli grandi bekannt waren, zählten sie zu den reichsten und angesehensten Bünden. Ihre Mitglieder trafen sich regelmäßig zu Auspeitschungen. Und wenngleich diese Selbstzüchtigungen im späten 14. Jahrhundert weit gehend ritualisiert waren, ist doch anzunehmen, dass es auch Zeiten gab, in denen Einzelne die Form des Rituals durchbrachen und tatsächlich Schmerz verursachten, manchmal möglicherweise sogar bis zu dem Punkt, dass Blut floss. Die Tatsache, dass adlige und reiche Mitglieder der venezianischen „Großen Schulen“ sich mittels hoher Summen davon freikaufen konnten, weist darauf hin, dass das Ganze doch durchaus schmerzhaft, unziemlich oder zumindest

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lästig sein konnte. Der Aufruf, den eigenen Leib zum Gedenken Christi und der Märtyrer oder zur Säuberung und Besserung der Seele zu malträtieren, war stets gegenwärtig: bei Gesprächen, in Dogmen, in Bildern und im Glauben. Dementsprechend fordert ein Gebet des florentinischen Dichters Bernardo Giambullari den Bittsteller denn auch auf, immer den Gekreuzigten vor Augen zu haben:16 Schau auf die blutende Wunde an seiner Seite, Die diese Hunde dort hinterließen, Sein ganzes Antlitz blutüberströmt, Und seine Hände und Füße durchbohrt.

Waren die frommen Männer der Geißlerorden bereit, sich selbst zu verletzen, so darf man annehmen, dass ihre Bereitschaft, jene zu verletzen, die ihrer Meinung nach das Böse verkörperten, mindestens ebenso groß war. Es war eine Zeit, in der allein die Religion die Natur des Menschen zu erklären vermochte. Wenn die daraus resultierende Bereitschaft, das Fleisch zu bestrafen und zu verletzen – die klassische Form der Buße –, mit rohen politischen Sitten zusammentraf, wie in dem Komplott gegen die Medici beispielsweise, konnte die Brutalität augenblicklich eskalieren. Hier lieferte die italienische Politik, das heißt Stadtstaatenpolitik, den perfekten Vorwand für grausames, mitleidloses Vorgehen. Dem war seit Menschengedenken so. Seit nahezu dreihundert Jahren waren politische Differenzen in den Städten häufig durch Massenexilierung und Hinrichtungen beigelegt worden. Auch wenn dies im 15. Jahrhundert weit seltener praktiziert wurde, blieb die Politik doch ein Beruf für die Starken und Wagemutigen: ein Amt, in dem – bei ernsthaften Auseinandersetzungen – der Sieger alles bekam, während die unterlegene Partei praktisch zerstört wurde. Nicht einmal in Venedig gab es so etwas wie eine legale politische Opposition. Debatten und Diskussionen unter den Männern, die die Regierung bildeten, und ihrem engeren Umfeld, das heißt ein Meinungsaustausch innerhalb der führenden Gruppe, das war denkbar. Doch außerhalb dieser etablierten Elite gab es kein Mitspracherecht, waren nicht einmal Fragen erlaubt. Jede politische Elite hatte mit einer Stimme zu sprechen. Aus diesem Grund gab es auch keinerlei Vorbehalte, wenn das Verlangen nach Abrechnung, der plötzliche Drang nach Vernichtung in das politische Ränkespiel Eingang fand. Selbst Gräueltaten waren möglich. Ein politisches Rachegedicht aus der Zeit rät dem Vergeltung Suchenden denn auch:17 Halte dich ruhig, beobachte, was geschieht, und warte, bis dir Fortuna hold wird, Bis das Blatt sich zu deinen Gunsten wendet. Dann zücke deine Liste mit all ihren Vergehen Und fürchte dich nicht, sondern pack sie mit deinen Zähnen, Zerschneid sie, zerhack sie, zerreiß sie, brich sie und schlag sie, Und niemals mehr kusche vor diesen Scheißkerlen.

E in hoher Offizier g e s t e h t Das Geständnis Den Plan, die Medici-Brüder umzubringen, heckten drei ehrgeizige und erboste Männer aus: ein Bankier, ein frisch gebackener Landesherr und ein Erzbischof. Doch das Komplott zog Kreise, und schließlich waren auch eine ganze Reihe von Leuten mit hinein verwickelt, von denen man Derartiges eigentlich nicht erwartet hätte: der Papst, der König von Neapel und der Herzog von Urbino. Später stießen noch ein hoher Offizier, ein Handelsbankier, ein Gelehrter, mehrere Priester, zwei Bischöfe, ein Kardinal, ein Geschäftsmann und weitere hochrangige Militärs sowie, in der letzten Phase, bunt gemischte Söldnertruppen dazu. Nach dem Scheitern des Anschlags wurden zwanzig bis dreißig Unschuldige – Verwandte, Freunde und Bedienstete der Verschwörer – mit hineingezogen und im Verlauf der blutigen Vergeltungsschläge ermordet. Am ehesten lässt sich der Handlungsstrang heute nachvollziehen, wenn man das Geständnis eines Mannes betrachtet, der zu den Hauptakteuren des Dramas gehörte: Giovan Battista, Graf von Montesecco, ein angeworbener „Lanzenträger“ aus einem knapp dreißig Kilometer südwestlich von Urbino gelegenen Städtchen. Dieser an sich unbedeutende Adlige war ein typischer Condottiere, einer jener unabhängigen berufsmäßigen Söldnerführer, wie sie der adriatische Osten Italiens, insbesondere die Marken und die Romagna, seit Jahrhunderten hervorbrachte. Wegen ihrer Gewaltbereitschaft und häufiger Plündereien standen Söldner – Berufssoldaten, die allein um des Solds willen kämpften und im Auftrag von Stadtstaaten und Fürsten Krieg führten – insbesondere bei der Landbevölkerung in keinem guten Ruf. Doch da der Krieg und die militärische Sicherheit damals „Fachleuten“ oblag, deren erfolgreichste Vertreter oft zugleich Landesherren waren, wurden sie von den Herrschenden fürstlich entlohnt, ja sogar verhätschelt. Mittels detaillierter Verträge hielten sie Söldnerführer entweder ständig in Diensten oder verpflichteten sie für eine bestimmte Zeit – meist ein paar Monate, manchmal auch über ein Jahr. Einige Kriege des 15. Jahrhunderts verliefen außerordentlich blutig, mit vielen Hundert Gefallenen und Verwundeten, von den niedergemetzelten Pferden ganz zu schweigen. Ein bezeichnendes Beispiel war die Schlacht von Molinella (25. Juli 1467), unweit von Bologna, wo der Graf (später Herzog) von Urbino gegen den brillanten venezianischen Condottiere Bartolomeo Colleo-

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ni antrat. Die meisten Einsätze waren freilich weniger verlustreich, und die besten Söldnerführer – Orsini, Sforza, Fortebracci – setzten das Leben ihrer Truppen so behutsam wie möglich aufs Spiel. Schließlich war ein Kommandeur ohne geschulte und kampfgestählte Leute nicht viel wert.1 Infolge seines guten Leumunds und seines veröffentlichten Geständnisses ging Montesecco in die florentinischen Annalen als ehrenwerter Offizier mit gesundem Urteilsvermögen ein – obwohl er sich von Graf Girolamo Riario und dessen Onkel, Papst Sixtus IV., hatte einwickeln lassen. Glaubwürdigen Quellen zufolge hatte Montesecco in Rom als Hauptmann der Apostolischen Palastwache und Capitano der Engelsburg in päpstlichen Diensten gestanden. Das auf den 4. Mai 1478, also acht Tage nach dem Mordversuch im Dom, datierte Geständnis, das hier in Auszügen wiedergegeben werden soll (die zitierten Passagen sind kursiv gedruckt), wurde wörtlich übersetzt. Deshalb auch die abrupten, manchmal abgehackt scheinenden Übergänge zwischen direkter und indirekter Rede. Da Montesecco während der Niederschrift seines Bekenntnisses von der Furcht getrieben war, hingerichtet zu werden, war er – so beherrscht und stringent seine Worte auch klingen mögen – offensichtlich nicht in der Verfassung, eine nähere Beschreibung der Orte zu geben, an denen er mit den Anführern zusammengetroffen war. Was die Zeit in Rom angeht, wo die Gespräche in den „Gemächern“ (camere) des Grafen Girolamo oder des Erzbischofs Salviati stattfanden, liegt freilich auf der Hand, dass dies irgendwo im Vatikan geschah, wo sowohl dem Grafen als auch Salviati Räumlichkeiten zur Verfügung standen. Sixtus hatte seine Verwandten und Freunde gerne in seiner Nähe. In dieser und manch anderer Hinsicht schwebt der übermächtige Schatten des Papstes also fast ständig über den Aussagen des Condottiere.2 Monteseccos Geständnis zufolge hörte er erstmals in Rom von dem Komplott, und zwar in den vatikanischen Räumen des Erzbischofs von Pisa, wo er in Gegenwart eines anderen Mannes, des florentinischen Kaufmannes und Bankiers Francesco de’ Pazzi, Geheimhaltung schwor. Dies dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit im Spätsommer des Jahres 1477 gewesen sein. Bezeichnenderweise kamen die drei Männer nicht im römischen Palast der Familie Pazzi zusammen – den Montesecco im Übrigen nie erwähnt –, der unweit des Ponte S. Angelo an der Via del Canale del Ponte lag. Da in dieser Gegend mehrere Bankiers aus Siena und Genua ihre Residenzen hatten, hätte der Anblick eines päpstlichen Hauptmanns, der das Haus eines der führenden päpstlichen Bankiers betrat oder verließ, mit Sicherheit Anlass zu Gerede und Mutmaßungen gegeben.3 Als Erstes ergriff der Erzbischof das Wort und erzählte dem Hauptmann, dass sie einen Regierungsumsturz in Florenz planten. Ich antwortete, dass ich gerne alles für sie tun würde, mich jedoch, da ich im Dienste des Papstes und des Grafen [Girolamo Riario] stehe, nicht an ihrem Vorhaben beteiligen könne. Wie könnt Ihr annehmen, erwiderten sie, dass wir etwas Derartiges ohne das Einverständnis des Grafen in Angriff nehmen würden? Priester und Bankier, beides gute Freunde des Grafen, brachten daraufhin vor, dass Riarios neuer Herrschaftsbereich Imola und Forlì andernfalls keine Bohne wert seien,

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weil Lorenzo de’ Medici einen tödlichen Hass gegen ihn schürt … und nach dem Tod des Papstes alles Erdenkliche unternehmen wird, um dem Grafen zu schaden und ihm seinen Staat wieder wegzunehmen. Der Hauptmann wollte nun wissen, warum Lorenzo ein solcher Feind des Grafen sei, woraufhin sie ihm in allen Einzelheiten die Sache mit der päpstlichen Geldeinlage, das Problem mit Pisa und weitere Punkte schilderten, die alle aufzuführen, so Montesecco, hier zu lange dauern würde. Als das Geständnis drei Monate später – und nachdem Florenz Abschriften an andere italienische Staaten geschickt hatte – veröffentlicht wurde, bestand keinerlei Notwendigkeit, Lorenzos Hass zu begründen. Die Ursachen waren zu bekannt und obendrein zu beschämend, um sie in einem öffentlichen Dokument einzeln aufzulisten. Wie bereits erwähnt, hatte Lorenzo gehofft, das romagnolische Imola für Florenz in Besitz nehmen zu können. Stattdessen hatte Papst Sixtus die Stadt gegen den Willen Lorenzos dem Herzog von Mailand für 40.000 Dukaten abgekauft. Er wollte sie als Zentrum eines neuen Miniaturstaates für einen seiner Lieblingsneffen, Girolamo Riario, für den er darüber hinaus eine glanzvolle Hochzeit arrangiert hatte: die Ehe mit Caterina Sforza, der illegitimen Tochter des Herzogs. Folglich sah das Städtchen nun irritierenderweise wie ein Teil ihrer Mitgift aus. Da die Medici-Bank sich geweigert hatte, Sixtus das Geld für den Kauf von Imola vorzustrecken, war dieser gezwungen, sich den größten Teil der Summe von der römischen Niederlassung der Pazzi-Bank zu leihen – mit ein Grund dafür, dass Sixtus die Medici als seine Hausbankiers entließ und die Betreuung der päpstlichen Gelder stattdessen den Pazzi übertrug. Zwei weitere Streitpunkte ließen die Wogen noch höher schlagen: So beschuldigte der Papst Lorenzo, ihm 1474 nicht geholfen zu haben, Città di Castello, ein kleines befestigtes Städtchen im Kirchenstaat, dem papstfeindlichen Niccolò Vitelli wegzunehmen, sondern diesen „Rebellen“ sogar noch unterstützt zu haben. Und erst in jüngster Vergangenheit hatte Lorenzo, wie ausführlich erwähnt, strikt gegen die Ernennung des Florentiner Bürgers Francesco Salviati zum Erzbischof von Pisa opponiert, weil er das Bistum für einen seiner eigenen Leute haben wollte und zudem fürchtete, Salviati käme dadurch der Kardinalswürde näher.4 Monteseccos erste Besprechung mit dem Bankier und dem Erzbischof endete damit, dass der Hauptmann sich bereit erklärte, die Anweisungen des Grafen Girolamo in allem zu befolgen, was seine [des Grafen] Ehre und Profite sowie die ihrigen anging. Etwa zwei Wochen später schickte der Graf höchstpersönlich nach Montesecco, und auch dieses Mal war Erzbischof Salviati zugegen. Montesecco erinnerte sich, der Erzbischof sagt mir, man hätte eine gewisse Angelegenheit mit Euch besprochen. Nun, wie ist Eure Meinung dazu? Mein Herr, antwortete ich, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, weil ich das Ganze noch nicht richtig verstanden habe. Sobald das der Fall ist, sage ich Euch gerne, was ich davon halte. Der Erzbischof darauf: Kommt schon, habe ich Euch nicht gesagt, dass wir einen Staatsstreich in Florenz planen? Das habt Ihr, ja, aber Ihr habt mir nicht erzählt, wie [Ihr die Sache angehen wollt], und solange ich das nicht weiß, kann ich nichts dazu sagen.

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Die Worte des Condottiere wirken so ruhig und gefasst, dass der Historiker Gino Capponi zu dem Schluss gelangte, seine Richter hätten versprochen, ihn am Leben zu lassen, wenn er ein vollständiges Geständnis ablegte. Aber lesen wir weiter: Jetzt sprachen die beiden frei von der Leber weg und fingen an, von Lorenzos bösen Absichten gegen sie beide zu erzählen und welche Gefahren den Grafen und seinen Staat erwarteten, wenn der Papst einmal tot sei, und wie wir durch den Sturz besagter Regierung [von Florenz] sicherstellen könnten, dass der Graf niemals wieder angreifbar wäre. Auf Monteseccos erneute Frage, wie sie diesen Staatsstreich denn zu bewerkstelligen gedächten, antworteten sie mit Gemeinplätzen und verwiesen auf die mächtige Stellung, die die Familien Pazzi und Salviati in Florenz innehätten. Dann folgt ein plötzlicher Bruch, eine Passage des ursprünglichen Geständnisses scheint zu fehlen. Vermutlich handelt es sich um einen Absatz, in dem sehr wahrscheinlich zwei Namen vorkommen: der des Königs von Neapel (Ferrante) und der des bekannten Kunstmäzens und genialen Kriegsherrn Federigo da Montefeltro, des Herzogs von Urbino. Der Graf und der Erzbischof gaben schließlich zu, dass der einzige Weg darin bestand, Lorenzo und Giuliano aus dem Weg zu schaffen, Soldaten bereit zu halten und in Florenz einzumarschieren. Und [dazu] müssen wir insgeheim Truppen rekrutieren, damit niemand Verdacht schöpft. Meine Herren, antwortete ich, überlegt Euch gut, was Ihr da vorhabt. Es ist garantiert etwas sehr Großes, und ich weiß nicht, wie man das arrangieren soll, weil Florenz ja sehr groß und der magnifico Lorenzo meines Wissens überaus beliebt ist. Der Graf antwortete ohne zu zögern, Erzbischof Salviati und Francesco de’ Pazzi würden exakt das Gegenteil behaupten, nämlich dass Lorenzo wenig Ansehen genießt und [in Florenz] sogar so verhasst ist, dass die Florentiner, sobald sie [die beiden MediciBrüder] tot sind, ihre Arme [dankbar] zum Himmel heben. Daraufhin sprach der Erzbischof: Giovan Battista, Ihr wart niemals in Florenz. Wir wissen besser als Ihr, wie die Dinge in Florenz stehen, und wir kennen sehr genau die Gefühle, die die Florentiner Lorenzo gegenüber hegen. Macht Euch also darüber keine Gedanken. So gewiss wir hier sitzen, so gewiss wird es funktionieren. Wir müssen nur alles richtig organisieren. Und was heißt das? Wir müssen Messer Jacopo [de’ Pazzi], der kälter ist als ein Stück Eis, für unseren Plan erwärmen. Aber sobald wir auf ihn zählen können, kann nichts mehr schief gehen. Es gibt nicht den geringsten Grund, daran zu zweifeln. Wie konnte sich dieser Kirchenmann, der Erzbischof Francesco Salviati, seiner Sache so sicher sein? Hier als Exkurs ein Kurzporträt des Mannes: Er wurde um 1443 geboren und gehörte einer der führenden Familien von Florenz an. Der Name Salviati rangierte unter dem obersten Dutzend im öffentlichen Leben der Stadt. Nur wenige Familien, sechs oder höchstens sieben, stellten im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts mehr Prioren. Sein Großvater Jacopo und sein Onkel Alamanno waren fast ständig in den Ratsgremien vertreten, und das Haus Salviati war über Heirat mit den Pazzi, Medici, Vettori und anderen prominenten Familien verknüpft. Deshalb auch konnte Francesco behaupten, er sei mit den Medici verwandt.

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Obwohl er früh beide Eltern verlor, wurde der junge Salviati standesgemäß im Sinne des neuen Humanismus erzogen und entschied sich, ehrgeizig wie er war, für eine kirchliche Laufbahn. 1464 zog er nach Rom, ließ in Florenz aber zahlreiche Freunde und Bekannte zurück, darunter der Philosoph und Leiter der „Platonischen Akademie“, Marsilio Ficino. Später begegnete er auch Poliziano, der Salviati freilich als Schmeichler, Spieler und aufdringlichen, intriganten Lüstling charakterisierte. Sein großes Glück (oder Unglück?) war, dass er in Rom mit Francesco della Rovere, dem späteren Papst Sixtus IV., und dessen Neffen Girolamo und Pietro Riario enge Freundschaft schloss.5 Als der junge Pietro, ein wohlhabender Kardinal, 1474 starb und damit das Erzbistum Florenz frei wurde, erwartete Salviati, dessen Nachfolge antreten zu können. Doch er hatte die Rechnung ohne Lorenzo de’ Medici gemacht, der Sixtus überreden konnte, diese Erzbischofswürde Rinaldo Orsini zu übertragen, einem römischen Adligen – und Lorenzos Schwager. Später im selben Jahr ernannte der Papst Salviati dann zum Erzbischof von Pisa, damals ein blühender Handelshafen unter florentinischer Herrschaft. Regierungskreise in Florenz kommentierten diese Handlung augenblicklich ausgesprochen feindselig.6 Daraufhin änderte sich alles für Salviati. Die konzertierte florentinische Aktion, seinen Amtsantritt in Pisa zu vereiteln, stärkte seine Bindung an Sixtus und den Grafen Girolamo Riario und entfremdete ihn immer weiter von seinem „prächtigen“ Landsmann. Seine Verärgerung und Wut saßen offenbar wirklich tief, denn nicht ein einziges Mal scheint er Skrupel gezeigt zu haben, die Medici-Brüder umzubringen. Vielmehr überredete er noch zwei nahe Verwandte, sich an der Verschwörung zu beteiligen: seinen Bruder Jacopo und seinen Cousin Bartolomeo (genannt ebenfalls Jacopo), die beide noch am Tag des fehlgeschlagenen Attentats hingerichtet werden sollten. Zusätzlich geschürt wurden die Hassgefühle des Erzbischofs durch seinen Ehrgeiz: Seine Ergebenheit der päpstlichen Familie gegenüber dürfte nicht zuletzt von dem Wunsch bestimmt gewesen sein, den Papst bei Laune zu halten. Schließlich hoffte er, zum Kardinal erhoben zu werden.7 Nun gab es aber noch eine weitere Verflechtung: Jacopo de’ Pazzis Mutter war eine Tante von Salviati, und Jacopo scheint auch seine geistliche Laufbahn finanziert zu haben. Bei den Gesprächen, die er 1477 mit Jacopo über Lorenzo de’ Medici führte, zog der Erzbischof folglich alle Register und berief sich auf alte Familienbande und -verpflichtungen. Aber zurück zu dem Geständnis. Darüber informiert, dass Jacopo de’ Pazzi sich weigerte, bei dem Komplott mitzumachen, stellte Montesecco dem Grafen und dem Erzbischof eine entscheidende Frage, die diese jedoch als völlig nebensächlich abtaten: So weit, so gut; aber wird dies alles [der Staatsstreich und der Doppelmord] dem Heiligen Vater gefallen? Die Antwort lautete: Wir bringen ihn schon dazu, das zu tun, was wir wollen. Etwas anderes: Seine Heiligkeit hasst Lorenzo; er wünscht dies mehr als irgendjemand sonst. Habt Ihr jemals mit ihm darüber gesprochen? [fragt Montesecco] Selbstverständ-

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lich haben wir das, und wir werden auch dafür sorgen, dass er es Euch ebenfalls sagt, damit Ihr voll und ganz versteht, worauf es ihm ankommt. Als Nächstes wandten sie sich der Frage zu, wie man Truppen anwerben und bewegen könnte, ohne Verdacht zu erregen, und Montesecco berichtet von ihrer Idee, ihre eigenen Leute zwischen den Truppen in Todi, Perugia, Montone und anderen Regionen zu verbergen. Erst vor kurzem, im September 1477, hatten päpstliche Söldner die Burg von Montone von der Gemahlin des florentinischen Protegés und Papstfeindes Carlo Fortebracci zurückerobert, der sich zu dieser Zeit zufälligerweise gerade in Florenz aufhielt. Kurz darauf reiste Francesco de’ Pazzi, damals Leiter der römischen Pazzi-Bank und auch in Rom ansässig, nach Florenz, um Einzelheiten in Erfahrung zu bringen und mit dem Familienoberhaupt, seinem Onkel Messer Jacopo, zu sprechen, der die ganze Idee schlichtweg ablehnte. Francesco glaubte nach wie vor, Jacopo könne, wenn es ihnen nur gelänge, ihn umzustimmen, eine zentrale Rolle bei dem Umsturz übernehmen: auf die Straße zu gehen und das Volk gegen die Medici aufzuwiegeln sowie die Einnahme des Regierungspalastes zu vollenden. Wir dürfen allerdings annehmen, dass er es nie gewagt hätte, mit dem Plan eines derart blutigen Komplotts an Messer Jacopo heranzutreten und ihm keine Ruhe zu lassen, hätte Jacopo nicht im Laufe der Jahre seinerseits in Gesprächen erkennen lassen, dass er eine heftige Abneigung gegen Lorenzo verspürte. Als Nächstes nutzte Graf Girolamo die Krankheit seines Nachbarn und Erzrivalen, des Herrn von Faenza, als Ausrede, um Montesecco nach Florenz zu schicken: offiziell, um Lorenzo eine Botschaft zu überbringen, inoffiziell freilich, damit er die dortige Lage ausspionieren konnte. Außerdem hatte der Hauptmann eine Nachricht im Gepäck, die dem florentinischen signore jede Menge falsche Herzlichkeit und Freundschaft vorspiegelte und behauptete, dass der Graf trotz der Dinge, die zwischen ihnen vorgefallen wären, … all dies beiseite räumen … und ihn [Lorenzo] zum Vater haben möchte. Auf dem diplomatischen Parkett mindestens ebenso bewandert, reagierte Lorenzo darauf spontan derart liebenswürdig, dass Montesecco nur so staunte – insbesondere nach allem, was er über den Hass Lorenzos auf den Grafen gehört hatte. Da er um sein Leben bangte und Gnade erhoffte, mag der Hauptmann die gewinnende Menschlichkeit des Florentiners in seinem Bericht übertrieben dargestellt haben. Dennoch dürfen wir annehmen, dass Lorenzo diese Charade herzlichster Zuneigung mitspielte, ohne mit der Wimper zu zucken. Das war im Italien des Quattrocento eben höhere Diplomatie. Im Anschluss an seine Unterredung mit Lorenzo begab sich Montesecco, Akkreditive des Grafen Girolamo und des Erzbischofs Salviati in der Tasche, zum Mittagessen in den Gasthof zur Glocke. Er sandte einen Boten zu Messer Jacopo de’ Pazzi, der daraufhin umgehend in das Gasthaus kam. Wir zogen uns heimlich in ein Gästezimmer zurück, und ich richtete ihm Grüße und die besten Wünsche von unserem Herrn [Papst Sixtus], von dem Grafen und vom Erzbischof aus. Dann übergab ich ihm die Briefe. Nachdem er sie gelesen hatte, fragte er: Was sollen wir miteinander bereden, Giovan Battista?

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Sollen wir über eine Staatsangelegenheit sprechen? Ja, sagte ich, durchaus. Er erwiderte: Schaut her, ich will nichts von dem hören, was Ihr zu sagen habt, weil jene [Ränkeschmiede] sich das Hirn zermartern, wie sie sich selbst zu den Herren von Florenz machen können. Aber ich kenne mich hier besser aus als sie, und deshalb braucht Ihr mir gar nichts über dieses Geschäft zu erzählen. Ich will Euch gar nicht zuhören. Nachdem „dieses Geschäft“ nun einmal angesprochen war, scheint Messer Jacopo Montesecco einer eingehenden Musterung unterzogen zu haben, und offenbar wollte er danach doch mehr hören. Der letzte lebende Pazzi seiner Generation und ehemalige Inhaber des höchstes Amtes der Stadt (1469 war er Gonfaloniere di giustizia) hatte keine eigenen legitimen Nachkommen, Mitte der 1470er Jahre aber neun Neffen und vier Nichten sowie dreizehn Großneffen und -nichten, allesamt Kinder und Enkel seiner zwei Brüder. Sein Neffe Francesco, der Bankier und Hauptakteur der Verschwörung, war, wie wir bereits gesehen haben, ein Schwager Bianca de’ Medicis und damit auch ein Schwager Lorenzos selbst. Mitte der 1460er Jahre hatte Messer Jacopo zu den Parteigängern Piero de’ Medicis (Lorenzos Vater) gezählt, gleichzeitig aber sehr viel Zeit mit Bankgeschäften in Frankreich verbracht. Der erfahrene und langjährige Bankier, Steueragent und Hauptpartner einer Firma, die edelste Seidenstoffe herstellte, war mindestens einmal sogar bis nach England gereist und führte also keineswegs das müßige Leben eines Ruheständlers. Ein oder zwei Jahre nach seiner Amtszeit als Gonfaloniere und damals erst achtundvierzig Jahre alt, war er „einer der einflussreichsten Männer der Oligarchie“. Genau wie Luca Pitti war er von den Prioren für seine Verdienste um die Stadt Florenz zum Ritter geschlagen worden, nachdem er zuvor dieselbe Ehre aus der Hand des französischen Prinzen René von Anjou erhalten hatte. In dem Jahrzehnt der April-Verschwörung galt Jacopo de’ Pazzi folglich als unumstrittenes Familienoberhaupt und ruhmreichster Träger seines Namens. 1471 berichtete der mailändische Gesandte, er sei „beim Volk [von Florenz] überaus beliebt“. Allerdings wandelte sich das Bild des Mannes fast zur Karikatur, nachdem Lorenzos Günstling Poliziano ihn mit bekannt spitzer Feder in einem lateinischen Spottgedicht gleichzeitig als Geizkragen und Verschwender, als arrogant, faul und störrisch, als farblosen Schwächling und Ausbeuter der Arbeiterschaft sowie als notorischen Gotteslästerer und Spieler hinstellte. Er macht Jacopo zum Wendehals, lässt ihn mit unsicherem Gestus sprechen und seine Tagelöhner mit verdorbenem Schweinefleisch bezahlen. In einem Geschichtsbuch haben diese Verleumdungen jedoch gewiss nichts verloren.8 Machiavelli hingegen hebt Jacopos Großzügigkeit den Armen gegenüber hervor. Und der gewiss gerechte Guicciardini zeichnet ihn zwar als Spieler, aber auch als keineswegs dumm. Jacopos anfängliches Zögern, sich den Verschwörern anzuschließen, führt der Historiker auf seine Erfahrung als Bankier und Spieler zurück: Messer Jacopo hätte sich deshalb gescheut, bei dem Komplott mitzumachen, weil er wohl ahnte, „welch großes Vermögen und welch hohe gesellschaftliche Position er dabei auf das Spielbrett (tavoliere) legen [aufs Spiel setzen] würde“.9

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Nun hatten Francesco de’ Pazzi, Graf Girolamo und Erzbischof Salviati Messer Jacopo, den Ritter, aber als Schlüsselfigur für den politischen Höhepunkt ihrer Aktion eingeplant. Sie brauchten seinen guten Namen, sein Ansehen und seine praktischen Kenntnisse. Und Montesecco, der Militärexperte, war, eine Botschaft vom Papst höchstpersönlich im Gepäck, nach Florenz geschickt worden, um ihn zu überzeugen. Seinen eigenen Worten nach gelang es ihm auch, Jacopo zum Zuhören zu bewegen. Dann wieder scheint es jedoch, als sei der Ritter ohnehin begierig darauf gewesen, den neuesten Stand der Dinge zu erfahren. Montesecco: Ich bringe ermutigende Worte von unserem Herrn [dem Heiligen Vater]. Ich habe unmittelbar vor meiner Abreise mit ihm gesprochen. In Anwesenheit des Grafen und des Erzbischofs sagte Seine Heiligkeit, ich solle Euch zureden, die florentinische Angelegenheit ins Rollen zu bringen, weil man schließlich nicht wissen könne, wann sich eine weitere Belagerung wie die von Montone [das heißt Handlungen gegen einen „Rebellen“ im benachbarten Montone] ergäbe, mit so vielen Bewaffneten auf einem Haufen so nahe bei Florenz. Da jede Verzögerung ein zusätzliches Risiko bedeutet, drängt er Euch zu handeln. Monteseccos Geständnis wurde nicht nur vom obersten florentinischen Magistrat, dem Podestà, beglaubigt und unterschrieben, sondern, was normalerweise nicht üblich war, darüber hinaus auch von sechs Angehörigen geistlicher Orden. Schon aufgrund der Aussagen, die Montesecco über Papst Sixtus macht, waren diese Zeugen keineswegs zufällig gewählt. Die Anwesenheit so vieler Priester war durchaus bemerkenswert, zumal der Hauptmann sein niedergeschriebenes Geständnis nach Fertigstellung allen vorlas. Wohl auch, weil er unter Druck stand, machte er unvermittelte Gedankensprünge und wechselte immer wieder abrupt das Thema oder den Schauplatz. Nachdem er Messer Jacopo vor den Gefahren einer Verzögerung gewarnt hat, wendet er sich unvermittelt der Rolle des Papstes zu. Hier seine Worte an Messer Jacopo: Seine Heiligkeit wünscht einen Regierungswechsel in Florenz, aber ohne dass jemand dabei ums Leben kommt. Und als ich ihm in Gegenwart des Grafen und des Erzbischofs sagte, dass solches ohne den Tod Lorenzos und Giulianos sowie möglicherweise weiterer Personen kaum machbar sei, da antwortete mir Seine Heiligkeit: Ich will nicht, dass ein Mensch stirbt, aus welchem Grund auch immer. Es ist nicht meines Amtes, dem Tod irgendeines Menschen zuzustimmen. Auch wenn Lorenzo ein Schurke ist und sich uns gegenüber unziemlich benimmt, so wünsche ich ihn doch keinesfalls tot zu sehen. Aber einen Regierungswechsel, den würde ich begrüßen, ja. Daraufhin der Graf: Wir werden tun, was wir können, Eure Heiligkeit, um dies zu verhindern. Sollte es aber doch geschehen, wird Eure Heiligkeit den Verantwortlichen gewiss verzeihen. Der Papst antwortete dem Grafen und sagte: Ihr seid ein Hundling! Ich sage Euch, ich wünsche keine Toten, aber ich wünsche einen Regierungswechsel. Deshalb sage ich Euch, Giovan Battista [Montesecco], dass ich einen politischen Wandel in Florenz erwarte. Ich will, dass Lorenzo die Regierungsgewalt aus den Händen genommen wird, weil er ein Schuft ist und niederträchtig und keinerlei Respekt vor uns hat. Sobald er aus Florenz weg ist, können wir in dieser Republik nach Belieben schalten und walten, und das würde unseren Plänen sehr entge-

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genkommen. [Hier] … sagten … der Graf und der Erzbischof: Eure Heiligkeit spricht die Wahrheit. Wenn Ihr Florenz in eurer Gewalt habt, könnte Ihr damit tun, wie Ihr wünscht, vorausgesetzt, es ist in … [anderen] Händen. Dann wird Euer Wort in halb Italien Gesetz sein, und jeder wird Eure Freundschaft suchen. Deshalb solltet Ihr Euch freuen, dass alles unternommen werden wird, um Euch dieses Ziel zu sichern. Seine Heiligkeit sagte: Ich habe Euch gesagt, was ich nicht wünsche. Geht und tut, was Ihr für das Beste haltet, solange es dabei keine Toten gibt. … [Der Papst] beendete die Unterredung dann mit den Worten, er sei zuversichtlich und werde seine Gunst gewähren sowie die Unterstützung durch Truppen oder was sonst nötig sein sollte, um unser Ziel zu erreichen. Der Erzbischof antwortete: Freut Euch, dass wir dieses Boot steuern, denn wir werden es gut lenken. Und unser Herr sagte: Ich bin froh. Bei diesen Worten erhoben wir uns alle [sie hatten vor dem Papst gekniet] und begaben uns zurück in die Gemächer des Grafen. Vermittelt dies nicht einen Eindruck – und sei er auch bruchstückhaft – vom komplexen Wesen Papst Sixtus’?10 Francesco della Rovere war Theologe, Schriftsteller, Kenner der Heiligen Schrift, vormaliger Professor und Generalminister des Franziskanerordens und damit ein Mann, der sich persönlich der Armut verschrieben hatte. Ebenso war er ursprünglich für seine Weltabgewandtheit berühmt. Er hatte gelehrte Abhandlungen Über das Blut Christi (De sanguine Christi) und Über die Allmacht Gottes (De potentia Dei) verfasst, und bei seiner Wahl zum Pontifex Maximus hatte sich das Kardinalskollegium von seinem Ruf als frommer Mann leiten lassen – und die Tatsache ignoriert, dass er an verschiedenen Stellen großzügige Geschenke verteilt und einer seiner Neffen führenden Kardinälen gewisse Versprechen gemacht hatte. Doch kaum saß er auf dem Heiligen Stuhl, sehen wir einen Mann vor uns, wie er weltlicher nicht sein könnte. Einen vergleichbaren Nepotismus hatte das für seine Vetternwirtschaft bekannte Papsttum nie gesehen. Urplötzlich mischte er – wenngleich für einen Renaissanceherrscher nahe liegend – auch in der Machtpolitik massiv mit, und zwar nicht nur in Umbrien und der Romagna, sondern in sämtlichen Gebieten entlang der Grenzen des Kirchenstaats. Das berühmte (inzwischen auf Leinwand übertragene) Fresko (Abb. 8), das Melozzo da Forlì 1477 malte, zeigt ihn uns als huldvoll dreinblickenden alten Mann ganz rechts im Bild, umgeben von seinen gehätschelten Lieblingsneffen. Hinter ihm, im Gewand eines apostolischen Protonotars, steht Kardinal Pietro Riario, der Sohn der Papstschwester Bianca, die einen Riario geheiratet hatte. In der Mitte, neben der korinthischen Säule, sehen wir Kardinal Giuliano della Rovere, den Sohn des Papstbruders Raffaele. Mit dem Rücken zu Kardinal Giuliano steht Graf Girolamo Riario, ein weiterer Sohn Biancas, der hier die Amtskette trägt. Neben ihm wiederum, ganz links im Bild und ebenfalls mit Amtskette, ist des Kardinals Giuliano Bruder Giovanni abgebildet, Präfekt der Stadt Rom, Herr der päpstlichen Ländereien Senigallia und Mondavio und durch Vermittlung seines Onkels, Papst Sixtus, mit einer Tochter des Herzogs von Urbino verheiratet. Obwohl Sixtus sich sehr um den Ausbau der Vatikanischen Bibliothek bemühte, blickt keiner von ihnen auf den Humanisten Platina, der vor dem Papst kniet, weil er

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Abb. 8 Melozzo da Forli, Platina vor Papst Sixtus IV.

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hier in erster Linie als „Diener“ erscheint, weniger als neuer Leiter der Bibliothek. Das Bild wurde denn auch als „schamlose Verherrlichung des Nepotismus“ bezeichnet, als „selbstbeweihräuchernder Erwerb bildhafter und humanistischer ,Unsterblichkeit‘“. Nun erklärte Sixtus im Gespräch mit den Verschwörern Graf Girolamo und Erzbischof Salviati – und auch später immer wieder – natürlich, dass er keinerlei Blutvergießen wünsche. Heilige Kriege ausgenommen, hieß ihn sein Gelübde von jeder Art vorsätzlicher Tötung Abstand nehmen, und er musste schließlich mit seinem Gewissen leben. Im Herbst des Jahres 1477 war er seit sechs Jahren das gekrönte Oberhaupt eines italienischen Staates und zutiefst in rein weltliche, machtpolitische Querelen verstrickt. Wie konnte er da die Bereitschaft, einen von auswärts initiierten Staatsstreich in Florenz einzufädeln und dazu sogar päpstliche Truppen zur Verfügung zu stellen, mit dem – wiederholt geäußerten – Wunsch in Einklang bringen, das Ganze ohne Blutvergießen abzuwickeln? Wusste er denn nicht, dieser Papst und ehemalige Professor, dass an den Stadttoren und beim Regierungspalast Wachposten standen? Wusste er nichts von bewaffneten Leibwächtern, von berufsmäßigen Söldnern, und nichts von der tödlichen Schärfe stählerner Klingen? Nichts davon, wie eifersüchtig seine Zeitgenossen, Fürsten und Landesherren und seine eigenen Neffen, an ihrer eigenen hohen Stellung festhielten? Er kannte Padua, Pavia, Bologna, Siena, Florenz und Perugia. Er hatte dort studiert, gelehrt und gepredigt. In seinen Gebeten muss dieser leidenschaftliche Disputant folglich ein Wunder erfleht haben, denn ohne ein solches war ein unblutiger Staatsstreich nun einmal nicht möglich. Dennoch zeigte er sich nach dem Anschlag, nach dem blutigen April des Jahres 1478, im Propagandakrieg gegen Florenz als entschlossener und rücksichtsloser Charakter, der mit harten Bandagen – Entsendung von Truppen, Interdikten, Exkommunikationen etc. – darum kämpft, Lorenzo samt all seinen Anhängern und Claqueuren zu Fall zu bringen. Ein ums andere Mal lehnte Lorenzo ab, nach Rom zu kommen, um seine Vergebung und die Aufhebung des Kirchenbanns zu erbitten, weil er fürchtete, die Ewige Stadt nicht lebend wieder zu verlassen – allen großen Worten und Versprechen des Papstes zum Trotz. Doch zurück zu Monteseccos Geständnis. Wir haben gerade die Audienz bei Papst Sixtus beendet, bei der der Heilige Vater dreimal wiederholte, er wünsche zwar Lorenzos Regierung gestürzt, nicht jedoch den Tod – die Ermordung, genauer gesagt – der beiden Brüder. Die drei Männer, die sich daraufhin in die vatikanischen Gemächer des Grafen begaben, besprachen die Einzelheiten der Angelegenheit dort weiter. Und wir gelangten zu dem Schluss, dass das Ganze … ohne den Tod Lorenzos des Prächtigen und seines Bruders nicht möglich sei. Und als ich sagte, dies sei eine böse Tat, antworteten sie mir, große Dinge erforderten eben ein solches Vorgehen. … Schließlich wurde beschlossen, dass ich hierher [nach Florenz] kommen sollte, um mit Francesco [de’ Pazzi] und Messer Jacopo zu sprechen, um von beiden zu erfahren, wie genau [unsere Mission durchgeführt werden sollte].

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Der Hauptmann reiste zweimal nach Florenz, um die beiden Männer zu treffen, und an einem Abend unterhielten sie sich auch ausführlichst, ohne jedoch einen endgültigen Plan zu entwickeln. Die Einzelheiten wurden immer wieder umgeworfen. Es stand fest, dass sie Truppen benötigen würden, aber nicht vor dem Tag des Anschlags, dass Erzbischof Salviati ebenfalls in Florenz weilen musste, und dass Messer Jacopo seinen Beitrag leisten würde, indem er vor dem Regierungspalast und in den umliegenden Straßen das Volk aufwiegelte. Alles andere aber war unklar – selbst die Frage, ob Lorenzo und Giuliano zusammen sein mussten, wenn die Morde stattfanden. Messer Jacopo stand einem gleichzeitigen Doppelmord sehr skeptisch gegenüber und wollte nicht, dass die beiden in der Stadt umgebracht würden. Er war überzeugt, so Montesecco, dass das nicht funktionieren würde. Francesco hielt dagegen, dass es erledigt werden musste … [wenn beide zusammen waren], und betonte immer wieder, dass er mutig genug wäre, es selbst zu tun, und nur wenige weitere Helfer benötigen würde, solange die zwei sich an ein und demselben Ort aufhielten – in einer Kirche, beim Kartenspiel oder bei einer Hochzeitsfeier. Das flüchtige Bild, das er hier von einem wagemutigen, wild entschlossenen Francesco zeichnet, verleiht Monteseccos Geständnis zusätzliche Glaubwürdigkeit, denn an dem Sonntag des Mordanschlags war dieser der fanatischste Angreifer, der derart blindwütig auf Giuliano einstach, dass er sich die schlimme Wunde, von der wir gehört haben, in diesem Blutrausch sehr wohl selbst zugefügt haben kann. Poliziano, der ihn persönlich kannte, beschreibt ihn als kleinen, mageren und blassen Mann mit blondem Haar. Und Guicciardini, der ihn „unverfroren, rastlos und ehrgeizig“ nennt, liefert damit drei Adjektive, die sich voll und ganz mit Monteseccos Bericht und den Ereignissen des blutigen Sonntags decken. Ohne jeden Zweifel war Francesco also ein ruheloser Mensch und Aktionist und nicht die Art Bankier, die still und bedächtig am Arbeitstisch sitzt.11 Schon Ende 1477 waren Lorenzo – sowohl in brieflicher Form als auch gerüchteweise – wiederholt Warnungen zugegangen, dass es eine Verschwörung gegen ihn gebe. Das war in jener Zeit freilich nichts Außergewöhnliches, und zudem gab es ja die stets wachsamen „Acht“, die ihre Augen und Ohren überall haben und für mögliche Gefahren gut gerüstet sein sollten, da die Medici ein gerüttelt Maß an Hass und Furcht gesät hatten (was natürlich nie offen ausgesprochen wurde). Falls Lorenzo eines der Gerüchte ernst nahm, ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Er änderte weder seine Lebensgewohnheiten, noch schränkte er seinen Bewegungsradius ein. Allerdings kam es zunehmend seltener vor, dass er und Giuliano gemeinsam an einem gesellschaftlichen Ereignis teilnahmen, zu dem auch Fremde Zutritt hatten. Im Februar 1478, als das Komplott bereits weite Kreise gezogen hatte, fingen die Verschwörer selbst an, sich Sorgen zu machen, dass jemandem etwas zu Ohren käme. Insbesondere Montesecco wurde es immer unbehaglicher zumute, als er zwischen Rom, Florenz und Imola hin und her reiste. In Imola standen hundert Mann unter seinem Kommando, die nur darauf warteten, im Eilmarsch nach Florenz aufzubrechen. Doch die unvorhersehba-

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ren Truppenbewegungen anderer Söldnerführer vor allem im südlichen Grenzbereich der Toskana machten es ein ums andere Mal erforderlich, den entscheidenden Coup aufzuschieben. Im März traf sich Montesecco in Rom erneut mit Graf Girolamo, Francesco und diesmal auch zwei weiteren Söldnerführern, Giovan Francesco da Tolentino und Messer Lorenzo Giustini. Letzterer war ein erbitterter Feind Lorenzo de’ Medicis, der seinerzeit das Gewicht von Florenz in die Waagschale geworfen hatte, um dem papstfeindlichen Condottiere Niccolò Vitelli die Herrschaft über Città di Castello zu sichern, ein befestigtes Städtchen rund fünfzehn Kilometer östlich von Arezzo, das Giustini für sich beansprucht hatte. Giustini stand auf der Gehaltsliste des Heiligen Stuhls und konnte auf die uneingeschränkte Unterstützung des Papstes zählen. Noch im März erwarteten Graf Girolamo und Francesco de’ Pazzi, entweder in Rom oder in Florenz zuzuschlagen. Und als ich sie [erneut] fragte, wie es [der Sturz der florentinischen Regierung] denn vonstatten gehen sollte, sagte mir der Graf: Lorenzo wird zu Ostern in Rom erwartet. Sobald wir Nachricht haben, dass er [von Florenz] aufgebrochen ist, wird auch Francesco abreisen, um seinen Teil auszuführen, und der Auftrag wird an dem durchgeführt, der zurückbleibt [Giuliano in Florenz]. Wir müssen uns überlegen, was hier mit dem anderen geschehen soll. Wir werden uns um ihn kümmern, damit das Ganze aufs Beste erledigt ist, bevor er uns verlässt. Ich fragte: Werdet Ihr ihn umbringen lassen? Er antwortete mir: Nein, ganz gewiss nicht. Ich will nicht, dass ihm hier etwas zustößt, aber man wird sich um ihn kümmern, bevor er abreist. Ich fragte den Grafen: Weiß unser Herr [Papst Sixtus] darüber Bescheid? Er sagte: Selbstverständlich. Daraufhin sage ich: Zum Teufel, da gibt er sein Einverständnis aber zu einer großen Sache! Der Graf erwiderte: Wisst Ihr denn nicht, dass wir ihn zu allem bewegen können, was wir wünschen, solange nur alles glatt läuft? So ging es eine Reihe von Tagen hin und her, ob Lorenzo nun kommen würde oder nicht. Dann, als feststand, dass er nicht kommen würde, beschlossen sie, dass unbedingt gehandelt werden müsse, bevor der Mai anbrach. … Und wie ich wiederholt gesagt habe, wurde ständig darüber gesprochen … und [wir einigten uns darauf], dass es nicht so weitergehen könne, oder die ganze Sache würde auffliegen, weil sie bereits in so vielen Mündern war. Die Beteuerung des Grafen, der Papst würde sich ihren Wünschen beugen, klingt anmaßend, doch muss man bedenken, dass Sixtus den größten Teil seines Lebens als Gelehrter und weltfremder Klosterbruder zugebracht hatte. Nun, da er auf einmal über größten Einfluss verfügte und an den Schalthebeln der Macht saß, machte ihn sein Nepotismus für Schmeicheleien und Manipulation durch seine Familie anfällig. Letztlich war es die Angst vor der Aufdeckung des Komplotts, die die Verschwörer zum Handeln zwang. Es wurde beschlossen, dass Francesco hierher [nach Florenz] kommen sollte, dass Giovan Francesco da Tolentino und ich uns nach Imola begeben sollten und Messer Lorenzo [Giustini] da Castello zum … [hier ist etwas in dem Geständnis unlesbar gemacht, vermutlich fällt der Name des Herzogs von Urbino], um die Vorbereitungen abzuschließen, und dann weiter nach Città de Castello. Wir alle harrten nunmehr auf Anweisungen von Messer Jacopo, dem Erzbischof und Francesco … Diesen

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Befehl zum Handeln überbrachte uns der Signor Conte in Rom. Zuletzt stieß auch noch der Bischof von Lyon dazu, und er wiederholte dieselbe Order, dass wir uns bereithalten sollten für die Anweisungen der oben genannten Männer. … Dann hörten wir nichts mehr bis zu jenem Samstag in der zweiten Stunde der Nacht [22.00 Uhr]. Aber am Sonntag änderten sie den Plan erneut. So wurden die Dinge gehandhabt, obwohl man uns immer befahl, auf die Ehre unseres Herrn [Papst Sixtus] und des Grafen zu achten. So geschah am Sonntagvormittag, dem 26. April 1478, in Santa Liperata [dem Dom von Florenz] das, was der ganzen Welt bekannt geworden ist.

Anmerkungen zu dem Geständnis Die Bösewichter in Monteseccos Geschichte sind Papst Sixtus, sein Neffe Graf Girolamo, Francesco de’ Pazzi, Erzbischof Salviati und das Oberhaupt der Familie Pazzi in Florenz, der Ritter und Handelsbankier Messer Jacopo. Das Geständnis des Hauptmanns enthielt eine derart schwer wiegende Anklage gegen Lorenzos Widersacher, dass die politisch Verantwortlichen es auf dem Höhepunkt des Kriegs mit dem Heiligen Stuhl drei Monate später (im August) vervielfältigen ließen und in Umlauf brachten, um die Interdikte, mit denen Sixtus Florenz, Pistoia und Fiesole belegt hatte, abzuqualifizieren und zu unterminieren. Die dortigen Geistlichen hatten Befehl erhalten, ihre pastoralen Pflichten auszusetzen, und auch die im April und Mai erfolgte Exkommunikation Lorenzos und der Prioren war tagtäglich in aller Munde. Allerdings weist Monteseccos Geständnis beträchtliche Dunkelzonen auf. Es nennt nur die Drahtzieher. Informationen über den König von Neapel und den Herzog von Urbino beispielsweise werden unterdrückt, Tatmotive entweder ignoriert oder stark verallgemeinert. Alle Helfershelfer bleiben unerwähnt, und der Capitano selbst, verständlicherweise bemüht, sich aus der Verantwortung zu ziehen, deutet wiederholt an, der ganze Plan sei unbedacht und leichtfertig gewesen. Andererseits hatte er ja wohl auch selbst daran mitgewirkt. Ein entscheidender Punkt, den er nie anspricht – und der sich auch uns erst im Nachhinein erschließt –, ist das schier ungeheuerliche Ausmaß des päpstlichen Nepotismus. Binnen drei Monaten nach seiner Wahl bezogen die ersten seiner Neffen Gehälter aus der Apostolischen Kammer. Innerhalb eines Jahres kaufte er in Rom Häuser für seine Schwestern, die in der Gegend von Genua lebten, und finanzierte ihren Umzug in die Ewige Stadt. Am bemerkenswertesten aber ist die Tatsache, dass von den vierunddreißig Kardinälen, die er – teils mit, teils aber auch ohne Zustimmung des Kardinalskollegiums – während seines Pontifikats ernannte, nicht weniger als sechs leibliche Neffen von ihm waren. Drei von ihnen wurde die höchste kirchliche Würde 1477 simultan verliehen, zweien im Dezember 1471. Um es kurz zu machen: Sixtus scheute vor nichts zurück und war bereit, jede Form von Infamie gutzuheißen, solange er seine Verwandten mit Gefälligkeiten überhäufen und sie mittels Ländereien, Ämtern,

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Würden, Kircheneinkünften und unverfrorenen Heiraten (weit über ihrem Stand) allen übrigen Sterblichen voranstellen konnte. Bei diesem beispiellosen Schauspiel nun, insbesondere seinen hochtrabenden Plänen für Graf Girolamo in der Romagna, standen dem Heiligen Vater Lorenzo und Florenz im Wege. Sein großtuerisches Gebaren kommt vortrefflich in dem herrlichen Gruppenbild von Melozzo da Forlì zum Ausdruck. So betrachtet liegt es sogar nahe, dass auch Sixtus’ Bemühen um die Konsolidierung des Kirchenstaats, das heißt die Rückeroberung von Städten und Festungen, die in eigenständige Miniaturstaaten umgewandelt worden waren, aus seinem Nepotismus resultierte. Auch wenn sie in der veröffentlichten Fassung des Geständnisses nicht namentlich genannt sind, waren Ferrante von Neapel und der Herzog von Urbino – vielleicht nicht an führender Stelle, aber doch entscheidend – von Anfang an in das Komplott verwickelt. Florenz hatte einen Bündnisvertrag mit Venedig und Mailand, und der listige König Ferrante hatte beschlossen, dies als Bedrohung für seinen Pakt mit Papst Sixtus anzusehen. Mit besonderem Augenmerk auf Siena und die südliche Toskana versuchte er, dort Einfluss zu gewinnen, woraufhin ihm die nördliche Allianz anscheinend eine Warnung zukommen ließ. Was Federigo von Urbino angeht, so hatten ihn sowohl Ferrante als auch der Papst in der Tasche, da er beiden als Condottiere diente. Obendrein hatte Sixtus Federigos kleines Prinzipat im August 1474 zu einem Herzogtum erhoben, weshalb dieser noch mehr in seiner Schuld stand. Im Rahmen eines zeremoniellen Fußfalls, zu dem auch das Küssen der Hände und Füße des Papstes gehörte, hatte der frischgebackene Herzog seinem Gönner einen Treueeid geschworen. Und schließlich wurde diese Allianz auch noch durch eine Heirat verstärkt: Federigos Tochter Giovanna wurde dem päpstlichen Neffen Giovanni angetraut, einem Sohn des Papstbruders Raffaele della Rovere. Blut, Heirat und Politik waren somit aufs Gewinnbringendste verknüpft.12 Was ebenfalls in Monteseccos Darstellung fehlt, indirekt aber immer wieder hineinspielt, sind die Medici-feindlichen Ressentiments, die Erzbischof Salviati und Francesco de’ Pazzi nutzen wollten, sobald das Komplott publik geworden und die amtierende Regierung von Florenz gestürzt war. Ob das Maß an Ablehnung richtig berechnet war oder nicht – sie musste als agitierender Faktor mit einbezogen worden sein, da sie eine Schlüsselrolle bei der Planung des Ganzen spielte und auch ausschlaggebend für Messer Jacopos Entscheidung war, sich an der Verschwörung zu beteiligen. Die Söldnerführer Giovan Francesco da Tolentino und Lorenzo Giustini, die mit ihren Truppen zum Marsch auf Florenz bereitstanden, standen in Diensten und auf der Gehaltsliste von Papst Sixtus und Graf Girolamo. Für sie war das Ganze ein Auftrag wie jeder andere. Politische Ideologie und Soldatentum hatten im Italien der Renaissance nicht das Geringste miteinander zu tun. Kein Berufssoldat hätte sich damals geweigert, in einer Republik einzumarschieren, weil er die „Freiheit“ oder „Demokratie“ schätzte, oder gegen einen Stadtstaat unter fürstlicher Regentschaft zu kämpfen, weil er Anhänger der Monarchie war. Zwar wetterten Patrioten (wie bei-

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spielsweise Machiavelli) gelegentlich gegen die Unaufrichtigkeit und die Kosten von Söldnern, doch ihre Stimmen verhallten praktisch ungehört. Nun hatte es in vielen italienischen Stadtstaaten, auch in Florenz, im 13. Jahrhundert tatsächlich Ansätze zur Einrichtung eines Bürgerheers gegeben, doch schon im 14. Jahrhundert unterbanden Politiker alle diesbezüglichen Bestrebungen. Im 15. Jahrhundert dann wurden in Ausnahmesituationen – so zum Beispiel im Anschluss an die Pazzi-Verschwörung – zwar manchmal aus den Reihen der Armen Bürgermilizen rekrutiert, aber kein Fürst und keine republikanische Elite hätte auf ein stehendes Heer aus bewaffneten Bürgern vertraut. Kriegführen war nun mal die Aufgabe eines eigenen Berufsstandes, dem vorrangig Feudalherren im Kirchenstaat und dem Herzogtum Mailand angehörten. Genauso wie Humanisten ihre Dienste als Schreiber verkauften, sei es an Despoten oder an republikanische Oligarchien, so verkauften Militär-„Technokraten“ wie Tolentino und Giustini ihre Dienste an den Meistbietenden oder aber an Fürsten, an die sie durch langjährige Verträge gebunden waren. So gesehen sind Zweifel an der Durchführbarkeit der April-Verschwörung, wie der „Profi“ Montesecco sie eindringlich verlauten lässt, mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Vergessen wir nicht, dass er mit dem Geständnis sein Leben zu retten versuchte und insofern sein Möglichstes tat, nur Schmeichelhaftes über Lorenzo zu äußern. In Wahrheit reiste er wiederholt zwischen Imola, Rom und Florenz hin und her, um die Verschwörung voranzubringen, und er erledigte seinen Auftrag „bis zum bitteren Ende“ – sehr wohl wissend, dass er damit sein Leben aufs Spiel setzte. Seine angebliche Weigerung, Lorenzo eigenhändig zu ermorden, spricht ihn nicht davon frei, bei dem Komplott eine Schlüsselrolle übernommen zu haben.13 Sich auf eine Aussage Lorenzos berufend, notiert Piero Parenti, dass Montesecco am Tag des Anschlags auf dem Weg zum Dom Lorenzos Nähe suchte und sich bei ihm unterhakte – möglicherweise in der Absicht, die Verschwörung auffliegen zu lassen. Ein Superior drängte ihn dann aber ab und sicherte den Platz an Lorenzos Seite dem Bruder des Kardinals Sansoni Riario, einem rangmäßig höher stehenden Herrn. Falls Montesecco in diesem Moment aber tatsächlich daran dachte, das Komplott und seine Auftraggeber zu verraten, wäre dies ein Paradebeispiel für das doppelte Spiel, dessen die Söldnerführer oft bezichtigt wurden.14 Auf den ersten Blick scheint es überraschend, dass Erzbischof Salviati zwei Mitglieder seiner Familie überreden konnte, sich an der Verschwörung zu beteiligen: seinen einzigen Bruder Jacopo und einen Cousin ersten Grades mit Namen Bartolomeo, der verwirrenderweise aber gleichfalls Jacopo genannt wurde. Überraschend deshalb, weil diese Männer sehr wohl wussten, dass sie mit dem Tod spielten – vor allem am 26. April, als sie sich dem Gefolge des Erzbischofs anschlossen und dabei aller Wahrscheinlichkeit nach verborgene Waffen unter dem Rock trugen. Polizianos Bericht über die Verschwörung tut den Bruder als verderbtes Subjekt ab und den Cousin als raffinierten Geschäftsmann, der sich am liebsten mit Huren und niederem Gesindel umgab. Dem mag so gewesen sein, doch angesichts der Todesstrafe, die ihnen drohte,

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müssen sich diese beiden Männer doch recht sicher gewesen sein, dass das Unternehmen erfolgreich sein würde. Was hatte der Erzbischof ihnen wohl gesagt? Denkbar wäre nur, dass (a) Papst Sixtus persönlich hinter dem Komplott stand, (b) König Ferrante und der Herzog von Urbino es gleichfalls stützten und dass (c) die Verschwörer genügend Waffenträger in petto hatten, um das Ganze zum Erfolg zu führen. Dies dürften dieselben Argumente gewesen sein – und sie waren durchaus stichhaltig –, die die Verschwörer vorbrachten, um den zunächst zögerlichen Messer Jacopo de’ Pazzi zur Teilnahme zu gewinnen. Möglicherweise waren der Bruder des Erzbischofs und sein Cousin darüber hinaus auch von Ärger auf Lorenzo sowie dem Glauben getrieben, ein allgemeiner Aufstand gegen die Medici sei möglich. Ein Glauben, der nur dann fundiert gewesen sein kann, wenn es in der Stadt eine latente politische Opposition gab. Die beiden zuletzt genannten Motive, Verbitterung und die Hoffnung auf politischen Wandel, waren wichtig, weil sie auch den Anstoß gegeben haben dürften, dass andere Florentiner sich der Verschwörung anschlossen. Der einzige Gelehrte, der bei dem Komplott mitmachte, scheint von der Hoffnung beseelt gewesen zu sein, damit einen Regierungswechsel herbeizuführen, und er wusste wirklich, wie die Dinge in Florenz lagen. Es war Jacopo Bracciolini, der Sohn von Poggio Bracciolini, einem der streitbarsten und meistgelesenen Humanisten seiner Zeit. Seine Vertrautheit mit dem Lateinischen und sein glänzender literarischer Stil hatten die Familie in Florenz eingeführt, und Jacopo, dessen Mutter der alten florentinischen Adelsfamilie Buondelmonti entstammte, wuchs mit den lateinischen Klassikern auf. Der ältere Bracciolini schaffte den Sprung in die Politik und öffnete damit auch seinem Sohn den Weg in ein hohes Amt. Doch Mitte der 1460er Jahre schloss sich der gelehrte Jacopo den Medici-feindlichen Reformern an und entwickelte sich – sofern die Anklage hier nicht eine böswillige Verleumdung aufgriff – zu einem ihrer Wortführer. Er wurde auf zwanzig Jahre verbannt und sollte die erstaunlich hohe Geldstrafe von 2000 Goldfiorini zahlen. Allerdings wurde dieses Urteil bald auf zehn Jahre und 1000 Fiorini herabgesetzt. Später durfte er auch nach Florenz zurückkehren, wo er Lorenzo auffällig hofierte und, überaus prächtig gewandet, sogar an dem prunkvollen florentinischen Turnier des Jahres 1469 teilnahm. 1476 gab er eine italienische Übersetzung der lateinisch verfassten Geschichte von Florenz seines Vaters (Historia florentina) heraus. Darauf folgte 1477 oder Anfang 1478 ein Kommentar zu einem der sechs Teile von Petrarcas Dichtung Die Triumphe (Trionfi), den Triumph des Ruhms (Triumphus Famae), in dem sich alles um „Männer in Eisen“ und „Heldenmut“ dreht, darunter auch „Helden des Geistes“. Jacopo widmete diese kurze Arbeit Lorenzo de’ Medici. 1477 dann wurde er, wohl aufgrund seiner zahlreichen Beziehungen, Sekretär des neuen Kardinals und Papstneffen Raffaele Sansoni Riario. Diese Berufung intensivierte den bereits bestehenden Kontakt Jacopo Bracciolinis mit den Verschwörern, dem Erzbischof von Pisa und Francesco de’ Pazzi, die ihn prompt in ihr blutiges Vorhaben hineinzogen – sofern er nicht sogar zuerst angeworben und dann an den Hof des Kardinals berufen wurde.15

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Mit seiner Beschreibung dieses Mannes liefert Poliziano eine weitere Karikatur. Er möchte uns glauben machen, Jacopo sei ein bis über die Ohren verschuldeter, bösartiger intellektueller Prahlhans gewesen, der sich und sein schäbiges Talent bereitwillig verkaufte und um die Gunst (und das Geld) der Hauptverschwörer buhlte. Politische Fragen treten völlig in den Hintergrund, Jacopo wird als intellektueller Prostituierter diffamiert. In Wahrheit war er ein ernsthafter Schriftsteller und Kenner der klassischen Literatur mit ausgeprägten republikanischen Ansichten, den darüber hinaus der Gedanke an ein „Prinzipat der Bürger“ und die Hoffnung antrieb, die fürstliche Herrschaft mit den Idealen der Aufklärung in Einklang zu bringen. Je mehr Zeit verstrich und je mehr den Verschwörern die Vielschichtigkeit ihres Komplotts bewusst wurde, desto umfangreicher wurde auch das Netz der Machenschaften. Die Ermordung der zwei Brüder würde das Ganze ins Rollen bringen, und die nächsten beiden Schritte – die Einnahme des Regierungspalastes und die „Erhebung“ des Volkes von Florenz – würden sich, so nahm man jedenfalls an, daraufhin praktisch automatisch ergeben. Doch da auch der Einsatz von Waffengewalt einkalkuliert war, mussten Männer angeworben werden, die damit Erfahrung hatten. Der letzte große florentinische Name aus den Reihen der Ränkeschmiede, Bernardo Bandini Baroncelli (Abb. 9), gehörte jedoch nicht zu dieser Kategorie. Poliziano tut ihn kurzerhand als schamlosen und verschlagenen Bankrotteur ab. Obwohl man nicht viel über ihn weiß, unterhielt er sicherlich enge Beziehungen zu Francesco und Jacopo de’ Pazzi und war unter Umständen sogar Angestellter eines Pazzi-Unternehmens. Der mailändische Gesandte nannte ihn – möglicherweise im Spott – ihren „Kassierer“. Doch dem frühen Lorenzo-Biographen Valori zufolge war er „von Natur aus anspruchsvoll und kritisch und von raschem Geist und regem Körper“. In eine Pazzi-Bank hatte er an die 1000 Fiorini investiert, seine Frau hatte die beträchtliche Mitgift von 2600 „großen“ Fiorini mit in die Ehe gebracht, und er hatte Beziehungen zu höchsten Kreisen in Neapel und Rom. Als es später darum ging, ihre Mitgift vor der Beschlagnahme im Rahmen der Pazzi-Verfolgung zu retten, suchte seine Witwe Giovanna Rat und Hilfe bei Guillaume d’ Estouteville, dem Kardinal von Rouen.16 Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass Polizianos „bankrotter“ Bernardo einen nahen Verwandten hatte, Pierantonio Bandini Baroncelli, der mehrere Jahre lang die Brüggener Niederlassung der Pazzi-Bank leitete. Wie die Mozzi, die Bardi und die Peruzzi waren die Baroncelli ein angesehener florentinischer Klan, der häufig in Zusammenhang mit Bankgeschäften erwähnt wird. Sie blickten auf eine lange Tradition im politischen Leben der Stadt zurück, wo sie, wie die Salviati, lange im Bezirk Santa Croce wohnten. Als ein Zweig der Baroncelli 1433/34 mit den Medicigegnern paktierte, wurden sie samt allen männlichen Nachkommen aus Florenz verbannt. Sie wählten Neapel als Exil, hatten dort großen Erfolg und sonnten sich in der Gunst des Königs. Später durften sie nach Florenz zurückkehren. Auch Bernardo verbrachte einige Zeit in Neapel und verkehrte dort bei Hofe. Übrigens war es der persönlichen Intervention von König Ferrante zu verdanken, dass Baroncelli auf seiner Flucht nach dem

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Abb. 9 Leonardo da Vinci, Bernardo Bandini Baroncelli am Strang

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Mord an Giuliano de’ Medici bis nach Konstantinopel kam. Interessanterweise war zudem eine seiner Cousinen, Maria Baroncelli, mit Tommaso Portinari verheiratet, dem vormaligen Leiter der Brüggener Filiale der Medici-Bank. Insgesamt gesehen verfügte Bernardo also über hervorragende Connections. Erst relativ spät wurden zwei Geistliche angeheuert: Antonio Maffei da Volterra, ein päpstlicher Bediensteter, und Ser Stefano da Bagnone, der Pfarrer des Dorfes Montemurlo, das inmitten von Ländereien lag, die Messer Jacopo de’ Pazzi gehörten. Maffei schloss sich den Verschwörern vermutlich an, um sich für die Plünderung seiner Heimatstadt Volterra 1472 zu rächen, einen erbarmungslosen Angriff, für den die Volterraner, die gegen Florenz aufgestanden waren, dem „prächtigen“ Lorenzo die Schuld gaben. Zu Ser Stefano lässt uns Poliziano wissen, er sei Messer Jacopos Sekretär und Hauslehrer seiner illegitimen Tochter Caterina gewesen. Außerdem besaß er Pfründe der Pfarrkirche San Procolo, wo Messer Jacopo fraglos Vergünstigungen genoss, weil sie praktisch an die Südseite der Pazzi-Enklave grenzte. Die beiden Kleriker wurden einbezogen, um Monteseccos wichtigste Aufgabe zu erfüllen. Obwohl sein Geständnis nichts darüber verrät, bestätigen zeitgenössische Berichte, dass der Hauptmann sich verpflichtet hatte, Lorenzo eigenhändig zu töten. Im Laufe der Zeit wurde der Plan aber wiederholt geändert, und als zuletzt feststand, dass die Morde während der Messe in Santa Maria del Fiore ausgeführt werden mussten, zog Montesecco sein Wort zurück mit der Begründung, er sehe sich nicht in der Lage, mit dem Mord ein Sakrileg zu begehen. Außerdem wurde suggeriert – ein gutes Beispiel mediceischer Mythologisierung und Propaganda –, er hätte den florentinischen signore zu sehr schätzen gelernt. Jedenfalls sprangen die beiden Geistlichen ein und erklärten sich bereit, die blutige Aufgabe zu übernehmen. Was uns vor ein weiteres Rätsel stellt: die Bereitschaft eines „Profis“ wie Montesecco, diesen entscheidenden Teil des Komplotts zwei absoluten Amateuren, noch dazu Priestern, zu überantworten. Es muss in einem Augenblick unverständlicher Verwirrtheit oder Unaufmerksamkeit seinerseits geschehen sein, zumal er gewusst haben musste, dass ein Scheitern des Plans mit großer Wahrscheinlichkeit auch seinen eigenen Tod bedeutete. Gegen Ende seines Geständnisses streift Montesecco noch eine mysteriöse Figur, den Bischof von Lyon, der die Tatsache bestätigt, dass Messer Jacopo, Erzbischof Salviati und Francesco de’ Pazzi die Köpfe der Verschwörung waren. Dieser Mann, ein gewisser Thomas James, stand ganz offensichtlich in der Schuld von Papst Sixtus und der Familie Riario. Interessanterweise erwähnt der Hauptmann aber niemals Antonio di Piero de’ Pazzi, den Bischof von Sarno und Mileto, der mindestens einmal im Auftrag der Pazzi und Papst Sixtus’ nach Frankreich gereist war. Sarno lag knapp dreißig Kilometer östlich, und Antonio hatte diese Diözese auf Vorschlag König Ferrantes von Papst Sixtus erhalten, und zwar im Sommer 1475, kurz nachdem diese beiden Fürsten anfingen, sich nach Möglichkeiten umzusehen, Lorenzo de’ Medicis Vormachtstellung in Florenz zu untergraben. Als Neffe von Messer Jacopo, Cousin von Francesco und Protegé sowohl des Papstes als auch König Ferrantes dürfte der Bischof von Sarno und

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später auch Mileto mit Sicherheit Kontakt zum Lager der Verschwörer gehabt haben – wenngleich nicht der geringste Beweis aufgeführt werden konnte, als man ihn der vollen Mitwisserschaft anklagte. Der Wachausschuss verurteilte ihn zu „lebenslangem Arrest in seiner neuen Diözese Mileto“, doch natürlich hatte Florenz keinerlei Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass er sich auch daran hielt.17 Hier nun kommt ein siebzehnjähriger Student ins Spiel, dessen Anwesenheit in Florenz zum Dreh- und Angelpunkt der Handlung wurde: Kardinal Raffaele Sansoni Riario. Seine Mutter, Violante Riario, war die Tochter von Sixtus’ älterer Schwester Bianca, was den jungen Mann zu einem Großneffen des Papstes machte – und in unserem Zusammenhang zu einem willfährigen Werkzeug seines Großonkels. Die Familie wusste, was Not tat. Sie hatte den jungen Herrn, der später sechzehn Erzbischofswürden innehaben sollte, an die Universität von Pisa geschickt, um das kanonische Recht zu studieren, das ihm Einblick in die Rechte und Pflichten der Kirche geben und den Aufstieg in die höchsten Ränge vorbereiten sollte. An jenem Vormittag im Dom zu Florenz freilich waren juristische Spitzfindigkeiten bestimmt das Letzte, was er im Sinn hatte, als um ihn herum die blutige Hölle losbrach und Schreie und Kreischen das riesige Gotteshaus erfüllten. Dennoch war es sein Besuch in der Stadt Lorenzo de’ Medicis, heimtückisch eingefädelt von den Verschwörern, der den Mordversuch an den Brüdern erst möglich machte. Da er als Kardinal stets mit großem Gefolge unterwegs war, fiel es den Konspirateuren leicht, bewaffnete Männer unter seine Leute zu schmuggeln. Einer davon war der Humanist Jacopo Bracciolini. Da die Verschwörer, sollte ihre Tat gelingen, sowohl auf das Überraschungsmoment als auch auf Waffenträger angewiesen waren, konnten sie es sich nicht leisten, die Gelegenheit des Kardinalsbesuchs ungenutzt verstreichen zu lassen. Fast hören wir, wie sie dem unerfahrenen Jüngling Ratschläge hinsichtlich seines ersten Florenzbesuchs erteilen, ihm einschärfen, dass sein Einzug in die Stadt, der Empfang bei den Medici und eine eventuelle Unterhaltung mit Lorenzo höchstpersönlich mit angemessen großem Staat stattfinden müsse. Ein großes Gefolge sei dazu unerlässlich. Diese Taktik war umso glaubwürdiger, als Papst Sixtus den jungen Mann mit den Vollmachten eines päpstlichen Legaten ausgestattet hatte, was diesen berechtigte, diplomatische Fragen von höchster Priorität zu diskutieren. Giovan Francesco da Tolentino und Lorenzo Giustini, die beiden Söldnerführer, die man ausgewählt hatte, um mit ihren Truppen in Florenz einzumarschieren, wurden aller Wahrscheinlichkeit nach erstmals Ende September oder Anfang Oktober 1477 kontaktiert. Sie sollten von außen eingreifen. Doch auch die Hauptakteure innerhalb der Stadtmauern, Erzbischof Salviati und Messer Jacopo de’ Pazzi, würden Soldaten in ihrem Gefolge benötigen, und die meisten davon durften erst im allerletzten Moment angeworben werden, um die Geheimhaltung des Komplotts nicht zu gefährden und keinen Verdacht zu erregen. Etwa zwanzig schwer bewaffnete politische Exilanten aus Perugia wollten den Erzbischof und andere unterstützen. Sie alle sollten, in blutige Einzelteile zerhackt, auf dem großen Platz vor dem Palazzo della Signoria enden. Die Vergeltungsmaßnahmen, die unmittelbar nach dem Fehlschlagen des Attentats eingeleitet

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wurden, waren so prompt und umfassend, dass niemand jemals auch nur annähernd sagen konnte, wie viele Auswärtige und Florentiner dabei umkamen, niedergemetzelt oder hingerichtet wurden. Zwischen achtzig und hundert dürften es im Laufe der ersten drei Tage (26. bis 28. April) aber sicher gewesen sein. Obwohl die Verschwörung scheiterte, ist natürlich festzustellen, dass der Plan an sich gut durchdacht war und theoretisch auch hätte erfolgreich sein können. Wäre Lorenzo zusammen mit Giuliano ermordet worden oder hätten Erzbischof Salviati und Messer Jacopo es geschafft, den Regierungspalast in ihre Gewalt zu bringen, und die zusätzlichen päpstlichen Söldnertruppen wären in die Stadt einmarschiert – dann hätten die Verschwörer zweifelsohne einen Regierungswechsel in Florenz erzwingen können. Einen Regierungswechsel, den fraglos nicht zuletzt der Einsatz Hunderter vergällter Bürger und zurückgekehrter Exilanten möglich gemacht hätte. Die Wiederherstellung des Friedens, hochtrabende Versprechungen sowie das Hofieren und eine deutliche Erweiterung der politischen Führungsschicht hätten mit der Zeit viele weitere in ihr Lager strömen lassen. Ohne einen Medici aus der Stammlinie Cosimos hätte es in Florenz niemanden gegeben, der den Namen, den Reichtum oder das Charisma gehabt hätte, die Reste der mediceischen Opposition zu sammeln und erfolgreich anzuführen.

Todfeinde: Paps t u n d B ü r g e r Von Göttern und Menschen Nachdem das Komplott fehlgeschlagen war, stand Lorenzo ein wutschäumender Papst Sixtus IV. gegenüber – ein erbitterter und gefährlicher Feind, auch wenn er ursprünglich Bettelmönch und Intellektueller gewesen war. Doch nach der Ermordung des jungen Giuliano und dem publik gewordenen Geständnis des Grafen von Montesecco waren auch die engsten Verbündeten des Medicifürsten – der Bischof von Arezzo etwa und Bartolomeo Scala – empört und entrüstet und zu allem bereit, um Lorenzo zu schützen. Der König von Neapel konnte Florenz und Lorenzo mit Militärgewalt und auswärtigen Bündnissen unter Druck setzen. Der Herzog von Urbino konnte Armeen gegen die Arnostadt führen. Sixtus jedoch, Statthalter Christi auf Erden und Oberhaupt der Christenheit, verfügte über ein Netz diplomatischer Kontakte in ganz Europa sowie gewaltige Einkünfte aus einer Vielzahl von Quellen. Er konnte nicht nur Kavallerie- und Infanterieschwadronen abrufen, sondern hatte auch Waffen anderer – „geistlicher“ – Art zur Verfügung. Diese Waffen waren nicht nur Worte, sondern auch handfeste Aktionen, beispielsweise päpstliche Bullen, die die Exkommunikation verhängten, Interdikte gegen Städte und Länder sowie die Hetze auf florentinische Kaufleute in anderen Staaten. Deshalb ist es im Grunde kein Wunder, dass die Verschwörer so zuversichtlich waren, denn sie durften auf die aktive Unterstützung des Papstes rechnen. Sixtus, der hervorragend argumentieren und predigen konnte, blickte auf eine erfolgreiche Laufbahn als Professor, Theologe und Generalminister des Franziskanerordens zurück. Er kannte sämtliche rhetorischen Tricks und Kniffe. Dazu kam, dass er – ein Dogma der Theologie – als Statthalter Christi keinem irdischen Gericht verantwortlich war. Jetzt, da er all diese Trümpfe – päpstliche Bullen und andere ihm zur Verfügung stehende Mittel – ausspielte, muss er in dem Konflikt mit Lorenzo praktisch unbesiegbar erschienen sein, zumal Letzterer, zumindest dem Gesetz nach, nichts weiter war als ein gewöhnlicher Bürger von Florenz. Obendrein scheint es, als hätte Sixtus, der möglicherweise sogar der leibliche Vater eines seiner angeblichen Neffen war, in allererster Linie die wirtschaftlichen Interessen seiner Familie im Auge gehabt. Dies war ein weiterer Grund für ihn, Lorenzo zu bekämpfen, denn dieser stellte sich den

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ehrgeizigen Zielen, die Sixtus für seine Familie in der Romagna verfolgte, hartnäckig in den Weg. Das Oberhaupt der Stadt Florenz wiederum fürchtete den päpstlichen Einfluss in der Region und hatte dort seine eigenen Klienten – insbesondere an der Ostgrenze des florentinischen Einflussbereichs, wo Sixtus seinen Nepotismus mit der Behauptung zu tarnen suchte, er sichere schließlich nur die Macht in seinem eigenen Kirchenstaat.1 Doch Lorenzo hatte auch einen Trumpf im Ärmel, der im restlichen Europa vielleicht nicht übermäßig bekannt war: die Gewohnheit der italienischen Staaten, immer wieder wechselnde Allianzen einzugehen – eine maßgebliche, mehr als 350 Jahre alte Tradition. Da der Kirchenstaat als weltliche Macht von den Nachbarstaaten mit demselben Misstrauen beäugt wurde wie jeder andere Staat, konnten Lorenzo und seine Florentiner sich gute Chancen ausrechnen, neue Verbündete gegen die Truppen und Interdikte des Papstes zu gewinnen. Zusätzliche Spannung und Farbe erhielt die ganze Geschichte dadurch, dass die Auseinandersetzung zwischen dem alten Papst (er war vierundsechzig) und dem jungen Bürger (neunundzwanzig) eine persönliche Note hatte. Es war keine anonyme Fehde, sondern ein Duell zwischen zwei bekannten Gesichtern. Die beiden Protagonisten waren sich im Herbst des Jahres 1471, nicht lange nach Sixtus’ Ernennung im August, wiederholt persönlich begegnet, als Lorenzo an der Spitze einer beeindruckenden diplomatischen Mission nach Rom gereist war, um den neuen Papst zu seiner Wahl zu beglückwünschen und ihm Ehrerbietung zu erweisen. Im Verlauf ihrer Unterredungen hatte Sixtus sowohl die Geldgeschäfte der Apostolischen Kammer als auch die Alaunminen von Tolfa unweit Cività Vecchias der Medici-Bank übertragen, die, nunmehr offizieller Depositar des Papstes, auch die wichtigsten Finanztransaktionen durchführte. Darüber hinaus hatte er Lorenzo einige antike Kameen und Medaillen aus der Sammlung des vorhergehenden Papstes (Paul II.) zu sehr günstigen Konditionen überlassen und ihm obendrein zwei antike Marmorbüsten – Augustus und Agrippa – zum persönlichen Geschenk gemacht.2 Wenige Monate später, im Februar 1472, gewährte Sixtus Lorenzo, Giuliano, beider Mutter Lucrezia Tornabuoni sowie ihrer Großmutter väterlicherseits, Contessina, zudem einen vollkommenen Ablass. Doch Lorenzo strebte etwas Größeres und Weltlicheres an: ein Kardinalat für seinen Bruder Giuliano. Möglicherweise hatte er dieses Thema bereits vorher angesprochen, doch 1472 fing er an, darauf zu drängen. Der Papst reagierte nicht ablehnend, machte aber keine Versprechen. Sixtus dürfte das Anliegen schon deshalb nicht sofort abgewiesen haben, weil die römische Familie Orsini zu seinen mächtigsten Gönnern bei der Bewerbung um das Pontifikat gezählt hatte und Lorenzos Gemahlin schließlich eine Orsini war. Ebenso Vollblutpolitiker wie Lorenzo, war er sich jedoch bewusst, dass der Wunsch der Medici, einen Kardinal in der Familie zu haben, ausschließlich machtpolitisch bedingt war. Angesichts der schwer zu definierenden und keineswegs unangreifbaren Position, die die Familie in der Republik Florenz innehatte, waren der Einfluss und die Würde eines Kirchenmag-

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naten wünschenswert, wenn nicht gar dringend nötig. Sollte es in der Arnostadt je zu einer echten Machtprobe kommen, würde nur solch „höhere“ Gewalt – selbstverständlich in Verbund mit Waffengewalt – die Medici in die Lage versetzen, ihrer verfassungswidrigen Regierung einen Anstrich von Rechtmäßigkeit zu geben. Schon 1475 jedoch war ein solches Anliegen wegen der sich zunehmend verschlechternden Beziehungen zwischen Lorenzo und Sixtus in unerreichbare Ferne gerückt, und jede Hoffnung auf ein Kardinalat würde von dem Verhältnis zum nächsten Papst abhängen. Im Augenblick jedenfalls war es Lorenzos vorrangige und keineswegs leichte Aufgabe, die Konsequenzen seiner blutigen Vergeltungsmaßnahmen gegen die Pazzi in den Griff zu bekommen: Krieg, Exkommunikation, Interdikte sowie die Verbannung oder Schikanierung florentinischer Kaufleute und Bankiers in Rom, Neapel, Siena, Urbino und anderen Städten. Da päpstliche Truppen – unrechtmäßigerweise – bereits seit spätestens 26. April 1478 auf florentinischem Boden standen, war es nur eine Frage der Zeit, bis der Konflikt zwischen Florenz und dem Papst in offene Gewalt umschlug und auch Bürger und Volk betroffen waren. Im Juni setzte die Republik ihre zehnköpfige Kriegskommission ein, die Dieci, und Lorenzo, der, was kaum überrascht, in dieses Gremium gewählt wurde, übernahm – es war erst das zweite Mal in seinem Leben! – offiziell ein maßgebendes Regierungsamt. Dennoch bedeutete seine Wahl in den Kriegsrat keine echte Veränderung auf der politischen Bühne und ganz gewiss auch keine Legitimation für die Machtposition, die er de facto innehatte. Abgesehen von der Tatsache, dass wichtige politische Entscheidungen sehr häufig im Palazzo Medici gefällt wurden, pflegte er dann und wann die Ratsgremien zu besuchen und die illegalen „offenen“ Wahlen (siehe Seite 57ff) zu beobachten, um zu kontrollieren, ob seine Anträge dort Unterstützung fanden. Auf diese Art und Weise brachte er zwei Anträge zugunsten seines Freundes Luigi Pulci durch: Einer sicherte diesem ein hohes Amt, der andere widerrief dessen Verbannung nach Vernia. Möglicherweise hatte er eine ähnliche Methode benutzt, um die Verabschiedung des Gesetzes zu erreichen, das Giovanni de’ Pazzis Gattin Beatrice Borromei um ihr großes Erbe brachte.3 Zunächst jedoch schienen die Folgen der April-Verschwörung außer Kontrolle zu geraten. Mitte Mai bereits wurden sämtliche florentinischen Kaufleute in Rom streng überwacht und ab dem 24., nachdem alle verhaftet und zumindest kurzzeitig inhaftiert worden waren, durfte keiner mehr die Stadt verlassen oder Waren und Geld versenden. Aus Sicht des Papstes hatten Lorenzo und die Regierung von Florenz sich eines Sakrilegs schuldig gemacht, einer Art geistlichen Hochverrats, weil sie den Erzbischof von Pisa gehenkt und der Ermordung unschuldiger Geistlicher (junger Leute aus dem Gefolge des Kardinals Sansoni Riario) zugestimmt sowie den Kardinal selbst in Sicherheitsverwahrung genommen hatten. Die Exkommunikationsbulle war auf den 1. Juni datiert, wurde am 4. gedruckt und veröffentlicht und dann zusammen mit einem päpstlichen Schreiben an die hochrangigsten Fürsten Italiens und Europas geschickt. Über das weit reichende Netzwerk der Kirche gelangte die Neuigkeit selbst an entfern-

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te Orte. Darüber hinaus wurden päpstliche Nuntien an den Kaiser, den König von Frankreich und nach Venedig entsandt. Als „ungeheuerliche Missetäter“ gebrandmarkt, wurde Lorenzo, den Otto, zwei Signorien sowie deren Beratern die Teilnahme an Gottesdiensten und Sakramenten untersagt. Gläubige Christen sollten jeden gesellschaftlichen Verkehr mit ihnen meiden, damit sich ihre schändliche Gottlosigkeit nicht ausbreite. Dieser Kirchenbann sollte so lange in Kraft bleiben, bis der Kardinal auf freien Fuß gesetzt und diverse andere von Sixtus formulierte Forderungen erfüllt waren. Am 8. Juni versprach der Papst allen, die gegen Florenz zu den Waffen griffen, „einen vollkommenen Ablass der Sünden“. Am 22. verhängte er über Florenz, Fiesole und Pistoia ein Interdikt, das den dortigen Geistlichen den Vollzug jeglicher liturgischer Handlungen bei Strafe untersagte. Dabei gab er an, das Kardinalskollegium hinter sich zu haben.4 Die Exkommunikationsbulle listete auch Lorenzos andere Akte des Treuebruchs und Ungehorsams auf, darunter seinen sturen Widerstand gegen die Ernennung von Salviati zum Erzbischof von Pisa, seine Einmischung in die Machtfrage der zum päpstlichen Machtbereich zählenden Städte Imola und Città di Castello sowie die materielle Unterstützung, die Florenz den papstfeindlichen „Rebellen“ Niccolò Vitelli und Carlo da Montone hatte zukommen lassen. Den nächsten Schachzug tätigte König Ferrante von Neapel, der eine diplomatische Mission nach Florenz entsandte, die die Position des Heiligen Vaters stützte und der Stadt einen grausamen Krieg und völlige Zerstörung androhte für den Fall, dass die Florentiner Lorenzo nicht aus ihrer Mitte verbannten. Es wurden folglich alle Hebel in Bewegung gesetzt, den Bruch zwischen dem „Tyrannen“ und verrufenen Bürger und der freien Republik herbeizuführen. Florenz brauchte nichts weiter zu tun, als ihn abzuschieben oder, besser noch, an Sixtus auszuliefern, und alles wäre wieder gut. Als Lorenzo sich am 12. Juni endlich mit den einflussreichsten Bürgern zusammensetzte, um über die Kriegsdrohungen zu sprechen, fand er sich freilich nur mit Medicianhängern konfrontiert – Männern, deren Verpflichtungen seinem Hause gegenüber vollkommen außer Zweifel standen und denen diese loyale Haltung seit langem mit großen Vergünstigungen aufgewogen wurde. Nun wandte er sich mit aller Eloquenz und Ergriffenheit an sie, sagte ihnen, er sei bereit, ins Exil, ja sogar in den Tod zu gehen, wenn dies Frieden mit dem Feind bringe. Schließlich hätte Florenz ihm mehr gegeben als jedem anderen Bürger, und schon deshalb – aber natürlich auch aus Liebe zur Heimat – müsse er bereit sein, das Wohl der Allgemeinheit über sein eigenes zu stellen. Fast zu Tränen gerührt, reagierten die Teilnehmer der Versammlung wie erwartet: Ihr Los sei untrennbar mit dem der Medici verbunden. Sie alle wären brüskiert und beleidigt worden. Und sie formierten sich mit Lorenzo, indem sie ihm versicherten, die Sicherheit und das Wohlergehen von Florenz und der Familie Medici seien ein und dasselbe. Das eine verteidigen hieße auch das andere verteidigen. Und angesichts der offenkundigen Landansprüche von König Ferrante auf die südliche Toskana und der Pläne des Papstes für die Romagna sorgten sie dafür, dass Lorenzo am nächs-

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ten Tag (dem 13. Juni) in die zehnköpfige Kriegskommission gewählt wurde. Am 18. Mai hatte er sein Amt in dem mächtigen Wachausschuss der Acht niedergelegt und vier Tage später – obwohl für das gesamte Stadtgebiet kaum mehr als eine Hand voll Waffenscheine ausgestellt wurden – die Genehmigung erhalten, acht private Leibwächter anzuheuern, allesamt Männer seiner persönlichen Wahl. Im Juni erhöhte der Wachausschuss diese Zahl auf zwölf und teilte darüber hinaus auch seiner Familie bewaffnete Bewacher zu.5 In der zweiten Juliwoche drangen päpstliche und neapolitanische Truppen, angeführt vom Herzog von Urbino beziehungsweise dem Herzog von Kalabrien, ganz im Südosten unweit von Montepulciano tief auf florentinisches Staatsgebiet vor, um – vorbei an Siena – Radda und Castellina in Chianti in die Hand zu bekommen, zwei zu Florenz gehörige befestigte Städte. Die Florentiner konnten indes nur einen unbedeutenden Ablenkungssieg in der Nähe von Perugia verbuchen. Allerdings fand die Schlacht auch auf dem Papier und in den Köpfen statt. Lorenzo und Florenz verloren keine Zeit, Rechtfertigungsschreiben an Fürsten, Freunde und mögliche Verbündete zu schicken. Mailand reagierte postwendend mit der Entsendung kleinerer Verbände. Venedig äußerte Empörung über die Exkommunikation und die Interdikte. Giovanni Bentivoglio aus Bologna eilte mit seinen Soldaten nach Florenz. Und Ludwig XI. von Frankreich, der sich unverzüglich auf die Seite von Florenz stellte, prangerte den Papst öffentlich an, schickte Gesandte nach Italien und beantragte unverzüglich ein Konzil, um die päpstliche Autorität zu unterminieren. Nicht umsonst befanden sich König und Papst bereits seit geraumer Zeit im Streit. Als der junge Kardinal von San Giorgio nach seiner Freilassung am 4. Juni totenblass in Rom auftauchte – es hieß, man habe ihm mehrfach mit der Hinrichtung gedroht –, wurden die päpstlichen Sanktionen gegen Lorenzo und seine „Komplizen“ weiterhin aufrechterhalten – trotz mehrfacher päpstlicher Zusagen, sie würden bei Freilassung des Kardinals aufgehoben. Im Juni und Juli wurden sämtliche Banken und andere Vermögenswerte und Aktivposten der Medici in Rom und Neapel beschlagnahmt, und in diversen Schreiben des Papstes vom Juli bezeichnete dieser Lorenzo als einen „Ketzer“. Sixtus ließ sich von Ludwigs Rügen und Drohungen, ein Konzil einzuberufen, ebensowenig beeindrucken wie von dem florentinischen Aufruf, ihm jedweden Gehorsam zu verweigern. Wenn überhaupt möglich, wuchs sein Zorn auf Lorenzo und Florenz sogar noch. Was den Krieg mit Worten anging, waren die Florentiner der Renaissance freilich unbezwingbar. Lorenzo hatte auf die Maßregelungen des Papstes umgehend reagiert, „seine Räte mobilisiert, sein Geschwader treuer Anhänger in Alarmbereitschaft versetzt und eine massive Anti-Papst-Kampagne gestartet“. Er schaltete sogar führende Juristen (Bartolomeo Sozzini, Bulgarini von Siena und Francesco Accolti) ein, um sie die Rechtmäßigkeit sowohl der Exkommunikation als auch der Interdikte gegen Florenz und die anderen Städte prüfen zu lassen. Die Wissenschaftler gelangten zu dem Schluss, dass die verhängten Strafmaßnahmen keinerlei Gültigkeit besaßen, die ganze

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Angelegenheit vor einem Konzil angefochten werden könne und dass die Geistlichkeit insofern auch fortfahren dürfe, sich um das Seelenheil ihrer Gemeinden zu kümmern und die Sakramente auszuteilen. Lorenzo und die Regierung von Florenz verloren verständlicherweise keine Zeit, diesen juristischen Bescheid in Umlauf zu bringen. Zum Teil beruhte diese Beurteilung sicher auf der Kraft zweier Dekretalien des kanonischen Rechts, denen zufolge Priester nicht im Amt sind, wenn sie Waffen tragen und den Auftrag haben, einen Mord zu begehen. Damit verwirkten sie ihre klerikalen Privilegien. Allerdings wurden im Rahmen der Vergeltungsschläge für die April-Verschwörung mindestens fünf oder sechs Priester getötet, obwohl – soweit bekannt – nur zwei bewaffnet waren.6 In einem vom 21. Juli 1478 datierten ebenso höhnischen wie verächtlichen Brief an Papst Sixtus beteuern die Prioren, dass seine „Anschuldigungen uns zum Lachen bringen“, und sprechen ihn wiederholt als „Bruder Francesco [von Savona]“ an. Obendrein schimpfen sie ihn einen „Judas auf dem Petrusstuhl“, der „Gift wie ein Netz von [seinem] Boot auswerfe, um gute Fische zu fangen“. Die schärfste Attacke freilich, die Florentina Synodus, stammte aus der Feder von Lorenzes früherem Hauslehrer und nach wie vor engem Vertrauten Gentile Becchi, inzwischen Bischof von Arezzo. 1472, kaum ein Jahr nach Sixtus’ Wahl, hatte Becchi ein beißendes lateinisches Spottgedicht verfasst, das Sixtus’ himmelschreienden Nepotismus und den Diebstahl kirchlichen Vermögens aufs Korn nahm. Es muss den Heiligen Vater tüchtig gewurmt haben:7 Sixtus verteilte Juwelen und Silberkelche; Nachdem diese durchgebracht, begann er den Staat aufzuteilen. Nachdem das Land vergeben war, blieben die Städte: Nun verteilt er diese. Oh Tiara, gib Acht! Er fragt: „Was bin ich nun noch?“

Nun setzte Becchi ein auf den 23. Juli 1478 datiertes Schriftstück auf: angeblich das Protokoll einer florentinischen Synode, einer Zusammenkunft hochrangiger Kleriker im Dom zu Florenz, einberufen, wie es hieß, um die Exkommunikationen und die Verschwörung gegen die Medici zu diskutieren. Ob eine solche Synode jemals stattfand, ist mehr als fraglich. Es wurden niemals Beweise dafür entdeckt, weder administrativer noch finanzieller Natur, obwohl die Florentiner zu Lorenzos Zeiten Derartiges normalerweise akribisch aufzeichneten. Sinn und Zweck der Synode, sei sie real oder fiktiv, war jedoch klar: Sie sollte eine bissige Replik auf die päpstlichen Anklagen darstellen, schnellstmöglich zu drucken und zu verbreiten. Sarkastisch, scharfzüngig und gespickt mit höhnischen Bemerkungen und Beleidigungen, verspottet die Florentina Synodus Sixtus’ Anschuldigungen. Sie beginnt mit einem wahren Reigen von Bildern, nennt Papst Sixtus einen „Statthalter des Teufels“, einen Zuhälter, der seine eigene Mutter, die Kirche, prostituiere, ihre Rituale und Ämter verkaufe, um „Schweine mit goldenen Trüffeln“ zu füttern. Erzbischof Salviati sei „niemals ein Christ“ gewesen, sondern vielmehr ein „Werkzeug des Aufstands“, der

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in Zeiten, die rasches Handeln erforderten, wie ein bewaffneter Krimineller gehandelt habe, nicht wie ein Erzbischof. Hätten die Prioren sich nicht erfolgreich verteidigt und er den Regierungspalast besetzt, er hätte sie aufhängen lassen. Der unschuldige Lorenzo sei aus der Kirche verbannt, exkommuniziert, nur weil er sich nicht, so wie sein Bruder, habe ermorden lassen. Und derselbe Fluch sei über die Prioren der Monate März/April verhängt worden, nur weil sie sich dagegen gewehrt hatten, aus den Palastfenstern gestürzt zu werden. Nun denn: Die Synode verfluchte den Fluch und exkommunizierte die Exkommunikationen.8 Weiter befasst sich die Schmähschrift der Synode mit Einzelheiten der Verschwörung, dem Geständnis des Grafen von Montesecco und den elf Punkten, derer Lorenzo in der Exkommunikation beschuldigt wird – darunter seine Unterstützung der papstfeindlichen „Rebellen“ Niccolò Vitelli und Carlo da Montone. Dabei werden ständig Sixtus’ Anmaßungen verhöhnt und durch den Kakao gezogen. Kein größerer Mörder auf Erden als einer, der gleichzeitig Papst und Theologe ist! Wie kann ein Simonist und Ketzer die Stimme des Heiligen Geistes verkörpern? Nun will dieser Mann seine gottlose Niedertracht mit Exkrementen abwaschen und mit Worten erreichen, was ihm mit dem Schwerte nicht gelang. „Komplizen“ nennt er Lorenzos Freunde. Wer hat sich gegen die „Muttermörder“ und die „Verräter“ erhoben, wenn nicht die ganze Stadt? Wer hat Jacopo de’ Pazzis Leichnam durch die Straßen von Florenz geschleift, „eine Horde von Komplizen oder eine Horde kleiner Jungen?“ Und immer wieder: „Wer hat das Lied gesungen: Tod dem Papst, Tod dem Kardinal, Lang lebe Lorenzo, der uns Brot gibt!?“ Die Anklagen setzen sich fort. Sixtus ist nicht der Statthalter Christi auf Erden, sondern der Anwalt des Grafen Girolamo Riario. Er ist wie „diese Weiber, die, selbst Huren, andere der Unzucht bezichtigen“. Die Begleiter des Kardinals im Dom waren bewaffnet – wie also könnte es sich dabei um Geistliche gehandelt haben? Sixtus hat die Kirche entwürdigt, sie für weltliche Dinge ausgeschlachtet, Vertrauen und Verantwortung missbraucht und verwendet nun das Geld der Christen dazu, einen privaten Rachefeldzug zu finanzieren. „Wir haben Verwundungen und Morde aufzuzeigen, er kommt mit Worten und falschen Beschuldigungen an.“ Er gibt nicht zu, dass die Bediensteten der beiden Prälaten Waffen trugen, dass sie den Auftrag hatten, den Regierungspalast zu besetzen und einen Volksaufstand anzuzetteln, und dass sie den Prioren das Messer an die Kehle setzten. „Priester“ nennt er diese Mörder, und nun ist er schier besessen von dem Gedanken, Öl ins Feuer zu gießen und den gedungenen Mördern eine ganze Armee hinterherzuschicken. Da sich die Florentiner nicht an den Papst wenden können, um Gerechtigkeit zu fordern, müssen sie an den Kaiser, an den König von Frankreich und an alle christlichen Fürsten herantreten. An diese appellieren sie – gegen einen Mann, der nur aufgrund hinterhältiger Simonie auf den Heiligen Stuhl gewählt wurde. Darüber hinaus klagen sie ihn des Mordes, des Hochverrats und der Ketzerei an. Da er der Statthalter des Teufels ist, verurteilt ihn die Synode zur Hölle und ruft den Herrn an, die Christenheit von den falschen Hirten zu erlösen, die sich

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als Schafe tarnen und doch nichts anderes sind als gierige Wölfe. Sogar die Thesen des Humanismus streift das Schriftstück kurz, indem es sich zu „einem abgehackten, holprigen Stil [bekennt], weil der Kummer unsere Diktion trübt“. Dieser Schmähschrift gegen Sixtus folgte mit Datum vom 11. August eine „Verteidigung der Florentiner“ (Excusatio Florentinorum), ein offener Brief der Prioren, entworfen und unterzeichnet von dem Humanisten und Kanzler der Republik, Bartolomeo Scala. Gegen den Papst und seine Anschuldigungen gerichtet und die christlichen Fürsten um Hilfe anrufend, listet der Brief Einzelheiten des Komplotts auf und zitiert wörtlich das gesamte Geständnis des Grafen von Montesecco. Er war unmittelbar an den Kaiser des Heiligen Römisches Reiches, Friedrich III., sowie an den König von Frankreich gerichtet, wurde von demselben Drucker vervielfältigt, der schon Becchis Florentina Synodus herausgebracht hatte, und an so viele Fürsten und Städte gesandt, wie die Regierung für sinnvoll erachtete. Unter anderem hebt Scala die Tatsache hervor, dass es die führenden Männer der Republik waren, die Kardinal Sansoni Riario vor dem mordlüsternen Mob retteten, der sich sonst mit Sicherheit auch an dem jungen Mann vergriffen hätte.9 Die erst kurz zuvor in Italien bekannt gewordene (und ohnehin noch nicht lange erfundene) Druckerpresse beflügelte die Propagandamaschinerie beider Lager, und es ist anzunehmen, dass neben den genannten Haupttexten auch Pamphlete in Umlauf waren, die bald unterdrückt und vernichtet wurden und deshalb heute als ungeheuer rare und kostbare Inkunabeln gehandelt werden. Der berühmteste Bericht über die April-Verschwörung, Angelo Polizianos Coniurationis commentarium, entstand irgendwann zwischen Mai und Mitte August 1478 und wurde schnellstens gedruckt; zwischen 1480 und 1482 folgten zwei weitere Auflagen. Poliziano hielt sich, wie wir gehört haben, in der Stunde nach Giulianos Ermordung zusammen mit Lorenzo in der neuen Sakristei des Doms auf. Scharfzüngig und parteiisch, reduziert sein Bericht, ein abgeschmacktes Werk mit eindeutig aufwieglerischer, propagandistischer Absicht, die Motive der Verschwörer auf kaum mehr als eine böswillige Mischung aus Niedertracht, Verderbtheit und Gier, ohne die Rolle, die Papst Sixtus und der König von Neapel bei dem Komplott spielten, auch nur mit einem Wort zu erwähnen. Obwohl der venezianische Historiker Giovan Michele Bruto Polizianos Schrift bereits Mitte des 16. Jahrhunderts als infantile Geschichtsschreibung ablehnte, weil er die Verschwörung als zutiefst politische Angelegenheit ansah, bestimmte der Kommentar doch über Jahrhunderte hinweg das Geschichtsbild.10 Der nachfolgende Pazzi-Krieg jedenfalls, der ganz Florenz in Angst und Schrecken versetzte, belastete beide Lager – insbesondere aber die Medici-Partei – rund zwanzig Monate lang, bis die schiere Übermacht seiner Gegner Lorenzo zum Handeln zwang. Obwohl die verbalen Angriffe auf Papst Sixtus vorwiegend in Latein abgefasst und insofern nur einer kleinen gebildeten Elite verständlich waren, beunruhigten sie doch das Volk von Florenz. Indem er auch geistliche Waffen ins Feld führte – eine andere Wahl blieb ihm auch gar nicht –, verlieh der Papst dem Krieg der Worte derart Schär-

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fe, dass er einem bewaffneten Konflikt gleichkam. Lorenzos Verteidiger waren gezwungen, auf dieselbe Art und Weise zu kontern. Dabei kam ihnen ein Präzedenzfall zugute, der ihnen Mut und Kraft gab. Hundert Jahre zuvor, während des „Kriegs der acht Heiligen“ gegen das Papsttum (1375–78), hatte Florenz mit ganz ähnlichen Mitteln der Polemik gegen Papst Gregor XI. gekämpft. Die Erinnerung an diesen Konflikt war mittlerweile fester Bestandteil des Antiklerikalismus, der kirchenfeindlichen Einstellung, die unter den Gebildeten weit verbreitet war und vor allem durch das abendländische Schisma (1378–1415) – das skandalöse Nebeneinander von anfangs zwei, später sogar drei Päpsten, die einander eifrigst des Amtsmissbrauchs bezichtigten – reiche Nahrung bezog. Vor diesem intellektuellen Hintergrund sind sowohl die Philippika Florentina Synodus als auch der neue Typus des antiklerikalen Klerikers zu sehen. Denn wer könnte die Schwächen von Geistlichen schließlich besser erkennen und aufzeigen als Geistliche selbst? Mit dieser Tradition im Rücken war es nur logisch, dass der Verfasser der Florentina Synodus eine wahre Flut unflätiger Beschimpfungen loslassen konnte, an die nicht einmal die Schmähschriften der protestantischen Reformatoren fünfzig Jahre später heranreichten. Da der Autor, der Bischof von Arezzo, gezwungen war, Papst Sixtus IV. als rein weltlichen Herrscher zu behandeln, ihn aber gleichzeitig wegen seiner überzogenen geistlichen Anmaßungen als umso verschlagener und unwürdiger hinstellen konnte, ließ er keine Geschmacklosigkeit und Verunglimpfung aus. Um zu zeigen, dass er nichts anderes als ein Nepotist und dreckiger Ehrgeizling war, musste der Bischof Sixtus von seinem Thron herunterholen, respektive in den Schmutz ziehen.11 Trotzdem war die brutale Abkanzelung des Papstes in Wahrheit auf die Welt der Machtpolitik gemünzt. Die Tatsache, dass Poliziano Sixtus in seinem Bericht nicht erwähnt, ist ein sicherer Hinweis auf den heiklen Charakter der ganzen Angelegenheit, zumal wir davon ausgehen dürfen, dass der Name des Papstes in aller Munde war. Keine sieben Wochen nach dem Anschlag im Dom war der Pazzi-Krieg ausgebrochen, und Florenz wurde von päpstlichen Truppen bedroht. Wie leicht es in einem solchen Umfeld war, sich in die Reihen der Hetzpropaganda einzugliedern, ohne die bekannten Namen verbaliter zu nennen, zeigt sich auch an den Vorstellungen, die unter freiem Himmel für das Volk gegeben wurden. Ein Beispiel war die öffentliche Darbietung des anonymen Poems „Vom Tod des Giuliano de’ Medici“. In Florenz und anderen italienischen Städten gab es fahrende Schausteller, so genannte Bänkelsänger, die, meist auf einem großen Platz und vor zahlreich herbeigeströmtem Publikum, in gereimter Form und unter Verwendung volkstümlicher Melodien von aktuellen oder schauerlichen Begebenheiten berichteten.12 Aus mehreren hundert Versen, den Terza rima, zusammengesetzt, machte dieses Gedicht – genau genommen eine Schilderung der April-Verschwörung – spätestens im Oktober 1478 die Runde in Florenz. Auch eine gedruckte Fassung war zu dieser Zeit bereits käuflich erhältlich. Sie beinhaltet eine leidenschaftliche Anklage der Familie Pazzi und „Salviatos“, des jüngst verschiedenen Erzbischofs von Pisa, verkündete darü-

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ber hinaus aber auch, dass an der Verschwörung noch „andere von hohem Ruf [beteiligt waren], deren Namen man jedoch besser nicht nennt“. In jedem Fall wurde keine Gelegenheit ausgelassen, Freunde und Anhänger zu verklären und Feinde und Kritiker zu diffamieren. Der Schöpfer des Werks nutzt die Chance, ein Loblied auf die Medici zu singen, „dieses fromme Haus“, sowie Giuliano zu preisen, „eine strahlende Sonne“, „vom Himmels-Chor auf die Erde herabgestiegen“. Selbstverständlich gibt es auch eine Hymne auf Lorenzo, der von „Güte und Freigebigkeit, überragender Klugheit und der Größe eines weisen alten Mannes“ geleitet wird. Er sorgt in Florenz für „Gerechtigkeit“ und dafür, dass „niemand auf die schiefe Bahn gerät“, und selbstredend ist er rührend besorgt um das Wohl „seines Volkes“, der Florentiner. Gegen Ende der langen Ballade beschwört der Dichter Gott, Giuliano doch einen Platz „in den Reihen der heiligen Märtyrer“ einzuräumen. Ein zweites, ebenfalls gedrucktes Gedicht über die Ermordung Giulianos wird dem Hauspoeten der Medici, Luigi Pulci, zugeschrieben. Es wurde wohl verfasst, um Giulianos Mutter, Lucrezia Tornabuoni, zu trösten. Hier liegt der Schwerpunkt in der Tat auf der Person des Ermordeten, der „winters ein wärmendes Feuer und sommers eine frische Brise“ gewesen sei. Dennoch wettert auch dieses Opus gegen das päpstliche Rom, und obwohl Sixtus auch dieses Mal namentlich unerwähnt bleibt, zielt die Rage des Dichters doch ganz eindeutig auf ihn und seine Kardinäle. Dem Verfasser zufolge ist Rom „die neue Gattin“ des Gottes der Unterwelt; die Stadt ist ein Sündenpfuhl, ein Babylon, „wimmelnd vor giftigen Tigern und Schlangen“ und „gierig nach Menschenblut“. Dante und Petrarca klagten „über dich … oh du abtrünniges Bethaus!“. Gehe denn hin und „geselle dich zu den Fuhrmännern des Teufels“.13 In einem Rundumschlag gegen die Kirchenobersten schloss Pulci – so er der Verfasser war – sich vollends der in der Stadt herrschenden antiklerikalen Strömung an und hatte auch keine Bedenken, seine Attacke Lucrezia Tornabuoni zu widmen, die für ihre Frömmigkeit bekannt war und selbst als Autorin einer Reihe religiöser Verse zeichnete.14 Das Medici-Regime zwang die Geistlichen von Florenz, ihren seelsorgerischen Pflichten weiterhin nachzukommen, und wenngleich es Augenblicke der Sorge gegeben haben mag, scheinen doch weder Lorenzo noch andere Mitglieder der politischen Führungsriege unter dem Entzug christlicher Riten oder Gottesdienste gelitten zu haben. Trotzdem bedeuteten die Sanktionen natürlich Schande und verursachten Unbehagen, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie der feindlichen Propaganda in die Hände spielten. Aller Weltlichkeit zum Trotz war Florenz doch eine zutiefst religiöse Stadt. Keine zwanzig Jahre später begann hier die Ära des radikalen Bußpredigers Savonarola. Wachsende Angst machte sich in der Stadt breit, als im Sommer 1478 die Pest ausbrach und der Krieg in sein zweites Jahr ging – scheinbar ohne realistische Aussicht auf Frieden. Die Bevölkerung – arm wie reich – litt zunehmend. Nur ein Beispiel war die Patrizierfamilie Vettori, deren nicht unbeträchtliche Besitztümer in der Toskana (Val d’ Elsa) genau im zerstörerischen Pfad der plündernden und brandschatzenden Söldnerheere lagen. Die daraus resultierende Furcht gab den Stimmen

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jener Auftrieb, die Krieg und Seuche als Ausdruck göttlichen Missfallens ansahen. Im März 1479 begannen florentinische Kritiker, heimlich Sticheleien und andere anonyme Anklagen gegen Lorenzo unters Volk zu mischen. Und auch Sixtus ließ nicht locker: Er beharrte weiterhin darauf, dass Lorenzo nur nach Rom kommen, sich dort selbst erniedrigen und seine Vergebung erbitten müsse. Dann würde sich schon alles in Wohlgefallen auflösen.15 Bekümmert wegen des Interdikts, der hohen Kriegskosten, der Schikanen, denen florentinische Kaufleute andernorts ausgesetzt waren, und natürlich auch ob der wachsenden Unruhe innerhalb der Bevölkerung besorgt, fiel es den Dieci und Prioren sicher nicht leicht, auch noch Kriegssteuern zu erheben. Eine weitere Geldquelle für ihre Kriegskasse taten sie auf Umwegen auf, indem sie dreist das Vermögen der Bürger angriffen: Sämtliche Zinszahlungen an die Inhaber von Staatsanleihen wurden ausgesetzt und wanderten in die Taschen der Soldaten. Wenige Wochen nach dem Mordanschlag hatte Florenz bereits zusätzliche dreitausend Söldner angeworben, deren Bezahlung Lorenzo die erste Zeit selbst übernahm. In einem Brief aus dem Jahr 1477 hatte Lorenzo, die Pietätlosigkeit seines Wunsches durchaus erkennend, eingestanden, dass seinen Interessen drei oder vier Päpste wesentlich mehr entgegenkämen als nur einer. Und im Sommer und Herbst des Jahres 1478 hätte er sich nichts Besseres wünschen können. Im stillen Kämmerlein dürfte er den Papst des Öfteren verflucht haben, zumal Briefe aus dieser Zeit erste Anzeichen von Verzweiflung über die eigene zunehmend prekärer werdende Finanzlage erkennen lassen. Er kam nicht umhin, seine Schuldner, darunter die Herren von Mantua und Mailand, zur Rückzahlung geliehener Gelder aufzufordern, und er setzte seine unglücklichen jungen Vettern, die Oberhäupter der jüngeren Medici-Linie, so lange unter Druck, bis sie ihm viele Tausend Fiorini borgten. Den größten Teil dieses Geldes verschlang der Krieg. Außerdem plünderte er seine eigenen Reserven, und zwar zu einer Zeit, in der sich die Niederlassungen der Medici-Bank in Brügge, Mailand, Venedig und Avignon ohnehin am Rand des Bankrotts bewegten. Auf die eine oder andere Weise wurde er dafür allerdings voll entschädigt. Mithilfe seiner Handlanger in der Regierung und durch wiederholte diebische Griffe in den Staatssäckel holte er sich nämlich, wie wir sehen werden, alle zeitweiligen Verluste wieder zurück.16 Gleichzeitig, und zwar die ganze Krisenzeit hindurch, hatte Florenz Probleme mit seinen wichtigsten Verbündeten: Venedig, Mailand und Ferrara. In den ersten Kriegsmonaten stellte keiner der Alliierten genügend Soldaten zur Verfügung, um den Florentinern ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln – während päpstliche und neapolitanische Truppen im Süden immer wieder Vorstöße machten. Mailand sah sich mit einem Aufstand in seiner Hafenkolonie Genua konfrontiert, geschürt von König Ferrante sowie den Onkeln des jungen Herzogs von Mailand. Venedig sorgte sich um die vorrückenden Türken und bot in seitenlangen Ergüssen jede Menge Ratschläge und gute Worte, ließ diesen jedoch kaum Taten folgen. Und der Herrschaftsbereich des Herzogs von Ferrara, Ercole d’ Este, war schlichtweg zu klein, um viel bewirken zu

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können. In seiner Rolle als Condottiere benötigte er selbst dringend Bargeld und wurde schließlich im September zum Oberbefehlshaber der florentinischen Alliierten ernannt. Obwohl die Verbündeten schließlich mehr Truppen zur Verfügung stellten, brachte das folgende Jahr der Republik nur weitere Niederlagen sowie einen neuerlichen Ausbruch der Pest. Florenz verlor zwei große Festungen im Süden: Im September fiel Poggio Imperiale und im November Colle Val d’Elsa, ein bedeutender Marktflecken. Nie waren feindliche Soldaten weiter als dreißig Kilometer von den Stadtmauern von Florenz entfernt, und gelegentliche Vorstöße ließen diese Distanz zeitweise gefährlich schrumpfen. Am schlimmsten betroffen war freilich das fruchtbare Umland, insbesondere die Gebiete rund um Cortona, Arezzo, Certaldo, Vico, Colle, Castellina und Poggibonsi, wo Soldaten die Ernte durch Brandstiftung vernichteten oder Nahrungsvorräte, andere Güter und Nutztiere nach Belieben mitgehen ließen und zweifelsohne einen Großteil ihrer Beute auf Sieneser Boden abluden. Die kleine Republik Siena, seit langem ein Erzfeind von Florenz, hatte sich hinter Papst Sixtus und König Ferrante von Neapel gestellt, und einer der Kommandeure des feindlichen Heeres, der Herzog von Kalabrien (Ferrantes Sohn), quartierte hier sogar seine Truppen ein. Schließlich erreichte die Krise ihren Höhepunkt, und Lorenzo fand sich mit dem Rücken zur Wand. Monatelang plagte sich der maestro der zehnköpfigen Kriegskommission Tag für Tag von früh bis spät, traf viele politische Entscheidungen selbst, wartete andere ab und schrieb oder diktierte unzählige Briefe. Er war hoffnungslos überarbeitet. Beschwerden und Unmutsäußerungen über sein Regime nahmen zu. Der Handel mit Wolle und Seide, das traditionelle Rückgrat der heimischen Wirtschaft, hatte drastische Einbußen erlitten. Geschäftsreisen waren problematisch, die Arbeitslosigkeit stieg. Die Niederlassungen florentinischer Kaufleute, insbesondere Tuchhändler und Bankiers, in Rom und ganz Süditalien waren geschlossen worden. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, war der Brotpreis seit etwa 1473 kontinuierlich gestiegen. Teilweise ausgelöst durch drohenden Hunger, brachen auf den Straßen von Florenz wiederholt Krawalle aus. Dazu kam, dass Lorenzo im Spätsommer (1479) von einem hartnäckigen Fieber heimgesucht wurde. Dabei trat gerade jetzt die wohl schlimmstmögliche Wendung ein, die Florenz hinsichtlich seiner Verbündeten passieren konnte.17

Reise nach Neapel Nachdem der junge Herzog von Mailand Ende Juli gestorben war, konnten seine in Ungnade gefallenen Onkel (Ludovico und Ascanio Sforza) sowie eine große Gruppe mailändischer Exilanten mit seiner Mutter, der regierenden Fürstin Bona von Savoyen, ein Abkommen aushandeln. Im September kehrten sie nach Mailand zurück. Im Oktober fanden Lorenzos Agenten heraus, dass sich der oberste Heerführer des Grafen Girolamo Riario, Giovan Francesco da Tolentino, in der lombardischen Stadt aufhielt und

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Ludovico bedrängte, als Gegenleistung für gewisse Gefälligkeiten das Bündnis mit Florenz aufzukündigen und mailändische Truppen in das Pisaner Hinterland zu schicken und die toskanische Republik von Westen zu bedrängen, während neapolitanische und päpstliche Verbände aus bereits eroberten Städten im Süden gegen die Stadt marschierten. „Binnen eines Monats“, so hieß es, wäre man Lorenzo damit ein für alle Mal los. Als die Nachricht von Tolentinos Mission Ende Oktober Florenz erreichte, war die Führungselite bestürzt, und in der ersten Verwirrung wandten sich Lorenzo und sein Kreis an Venedig, um von dort Hilfe zu erbitten. Als sei nichts geschehen, versicherten sich Lorenzo und die Herren Sforza im üblichen diplomatischen Turnus Anfang November gegenseitig ihrer unerschütterlichen Zuneigung und Treue – obwohl beide Städte inzwischen getrennte Wege gingen. Mailand huldigte längst dem König von Neapel, während die Herren von Florenz die venezianische Republik hofierten.18 Doch das blieb nicht lange so. Schon Mitte November berichtete Filippo Sacramoro, der mailändische Gesandte in Florenz, seinem langjährigen Freund Lorenzo, dass Ludovico Sforza eine Versöhnung mit Neapel anstrebe und beim besten Willen nicht verstehen könne, warum Florenz so krampfhaft an der Allianz mit Venedig festhalte, das Lorenzo in seiner schlimmsten Stunde so schmählich im Stich gelassen habe. Eine Woche später dann folgte ein Ultimatum: Falls Lorenzo auf seinem Bündnis mit Venedig beharre, würde Mailand eigene Wege gehen, auch wenn dies „schmerzhaft“ wäre, und Frieden „mit Seiner Majestät, dem König, suchen, wie es die Vernunft und die Not gebietet“. Papst Sixtus und sein Neffe Graf Girolamo Riario blieben derweil unerschütterlich dabei, dass Lorenzo nach Rom reisen und dort Vergebung erbitten müsse. Ein solcher Akt der Unterwerfung war für sie unabdingbare Voraussetzung für einen Frieden. Quasi nebenbei ließ der neue Herr von Mailand, Ludovico Sforza, nun jedoch durchblicken, dass Ferrante nicht abgeneigt sei, Lorenzos Vormachtstellung in Florenz anzuerkennen. Wenn Ludovico ein Bündnis mit dem König von Neapel schloss, würde dies Mailand von Florenz entfremden, und Lorenzo wäre der Gnade von König und Papst ausgeliefert. Zu einer Kehrtwende gezwungen, beschlossen Lorenzo und die Dieci also Ende November, mit Venedig zu brechen, die Herren der Romagna zu verraten, indem man sie dem Papst und Ferrante überließ, und sich sogar mit Entschädigungen zufrieden zu geben, falls die in Feindeshand befindlichen florentinischen Festungen und Städte nicht zurückgegeben werden sollten. Bindende Verträge mit Venedig würden verletzt, Mailand und Florenz wortbrüchig werden. Und auch wenn sie bei allen weiteren Gesprächen mit Venedig oft die Worte Ehre und Treue in den Mund nahmen, rechtfertigten sie ihren Gesinnungswandel mit den üblichen diplomatischen Ausflüchten – die Notwendigkeit, Frieden zu schließen, Fragen der Verteidigung, veränderte Tatbestände – und boten Venedig an, dem neuen Bündnis als gleichberechtigter Partner beizutreten. Doch die entscheidende Frage für Florenz lautete nach wie vor: Wie war eine Übereinkunft mit Papst Sixtus und (in zweiter Linie) Graf Girolamo Riario zu erzielen, ohne den ungekrönten König von Florenz zu opfern?

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In dieser scheinbar aussichtslosen Lage entschloss Lorenzo sich zu einem gewagten diplomatischen Schachzug: Er würde nach Neapel reisen und dort persönlich König Ferrante die Cour machen. Dieser Plan erschien Zeitgenossen als ein Bravourstück, ebenso brillant wie abenteuerlich, und wurde folglich auch immer wieder zitiert, wenn es darum ging, Lorenzos Mut, seine Heimatliebe, Genialität, sein Glück und sein politisches Geschick zu preisen. Und nichts davon kann in Abrede gestellt werden, denn er war tatsächlich ein (Staats-)Mann von genialer Begabung, den selbst seine schärfsten Gegner offensichtlich immer als solchen einschätzten und würdigten. Lorenzos Briefe aus dieser Zeit sind das beste Zeugnis seiner Couragiertheit. Natürlich muss man auch sehen, dass ihm praktisch alle anderen Wege verstellt waren. Der kostspielige Krieg und die Niederlage, die Florenz ohne Zweifel bevorstand, würden ihn und seine Regierung unweigerlich zu Fall bringen, dazu mindestens fünfunddreißig oder vierzig weitere führende florentinische Familien, die eng mit den Medici verbunden waren. Sie alle würden mit gravierenden Sanktionen rechnen müssen, wenn unter einem neuen Regime ganze Scharen von Exilanten nach Florenz zurückkehrten, die vielen, die sich bisher in Schweigen gehüllt hatten, plötzlich den Mund aufmachten, und eine allgemeine Rachewelle über die Stadt hinwegrollen würde. Im Laufe der Jahre waren die konfiszierten Ländereien und Stadthäuser der Verbannten, deren Wert sich auf mehrere Hunderttausend Fiorini summierte, unter den Hammer gekommen und verkauft worden – nicht selten an treue Anhänger der Medici. Mit politischem Sachverstand und seinem untrüglichen Instinkt für diplomatische Feinheiten erkannte Lorenzo, dass seine Reise nach Neapel ein sowohl prunkvollrepräsentatives als auch ernstes und kritisches Unterfangen werden musste, das keinesfalls den Anschein von Zweckdienlichkeit erwecken durfte. Ganz Florenz wünschte sich sehnlichst Frieden. Als Herzog Alfonso von Kalabrien am 12. November Colle Val d’ Este eroberte und zwölf Tage später einen Waffenstillstand anbot, griff Florenz diesen Vorschlag dankbar auf und ließ den Herzog unbehelligt in sein Winterquartier in Siena ziehen. Einige kleinere Scharmützel fanden weiterhin statt, doch erst das Frühjahr sollte wieder das volle Maß an Kampfhandlungen bringen. Und dann würde Mailand neutral sein oder – kein allzu abwegiger Gedanke – sogar auf der anderen Seite stehen. Ende November bemerkte der venezianische Gesandte in Florenz, dass die Bürger „unbändig“ nach Frieden verlangten und zunehmend gegen Venedig wetterten, das auf strikter Einhaltung der Vertragsbedingungen zwischen Florenz und der Lagunenrepublik sowie darauf beharrte, die Herren der Romagna gegen Ferrante und den Papst zu verteidigen. Bald fand man wiederholt anonyme Drohbriefe am Portal der Residenz des venezianischen Gesandten, die dem Diplomaten unmissverständlich empfahlen, die Arnostadt stante pede zu verlassen. Nichts von alledem entging den Spionen und Informanten des florentinischen Wachausschusses. Lorenzo schmiedete indes hinter verschlossenen Türen einen kühnen Plan. Der Gedanke, nach Neapel zu fahren, war nicht neu. Er beschäftigte ihn bereits seit mehreren Monaten. In einer privaten Mitteilung aus den feindlichen Reihen hatte der Her-

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zog von Kalabrien, ein alter Bekannter, dem er einige Verse gewidmet hatte, ihm eindringlich nahe gelegt, sich König Ferrante „in die Arme zu werfen“. Lorenzo hatte also die Fühler ausgestreckt und den florentinischen Bankier Filippo Strozzi, der seit langem beste Beziehungen zu Neapel pflegte, in die Hafenstadt entsandt, um Ferrante seine Aufwartung zu machen und Lorenzo den Weg zu ebnen. Strozzi war am neapolitanischen Hofe gut bekannt. Nun ging es Schlag auf Schlag. Am Abend des 5. Dezember informierte Lorenzo die Dieci der Kriegskommission sowie eine ausgewählte Gruppe von vierzig Bürgern (nicht aber die Prioren) über seine geplante Neapelreise. Er hatte sich entschieden: Entweder würde er sich opfern – was auch heißen konnte, dass sie womöglich weiterkämpfen mussten –, oder aber es würde ihm gelingen, den Krieg durch geschickte Verhandlungen zu beenden. Sein Gewissen sage ihm, dass er seiner Heimat diese gefährliche Aktion schuldig sei. Am nächsten Morgen verließ er bei Tagesanbruch in aller Stille die Stadt und begab sich nach Pisa. Einige Tage später wurde er vor der pisanischen Küste, irgendwo zwischen Vada und Piombino, von zwei neapolitanischen Galeeren abgeholt. Am 14. Dezember setzte man Segel in Richtung Süden. Nach seiner Ankunft in Neapel vier Tage später nahm er Quartier im ehemaligen Palazzo der Medici-Bank, den der König extra zu diesem Zweck wieder hatte herrichten lassen, teils unter Verwendung von Mobiliar aus dem königlichen Schloss. Da der Name Medici überall mit Reichtum assoziiert wurde, hatte Lorenzo klug vorausgedacht und Berge von Geschenken für die Mitglieder und Freunde des Hofes im Gepäck. Die Kunde von Lorenzos groß inszeniertem Auftritt in Neapel verbreitete sich rasch in ganz Italien und rief Verwunderung, Bedenken und Ärger hervor. Obwohl diplomatische Kreise über seine Reise informiert worden und offizielle Schreiben an alle betroffenen Parteien gegangen waren, erschien es nun plötzlich so, als agierten Lorenzo und König Ferrante hinter dem Rücken aller. Das Treffen machte allseits publik, dass der König Papst Sixtus verraten hatte. Venedig fühlte sich von Lorenzo belogen und betrogen. Graf Girolamo Riario tobte vor Wut. Die Herren von Mailand, die geglaubt hatten, bei einer möglichen Versöhnung zwischen Florenz und Neapel groß als Vermittler auftreten zu können, waren gedemütigt und verärgert. Und die amtierende Signoria von Florenz reagierte anfangs überrascht, beruhigte sich aber bald wieder. Die meisten Prioren hofften und erflehten sicherlich, dass Lorenzos Eskapade den gewünschten Erfolg bringen und er mit einem sicheren Frieden in der Tasche heimkehren möge. Ein Brief Lorenzos an die Prioren, geschrieben einen Tag nach seiner Abreise, schließt mit den Worten: „Möglicherweise wünscht der Herr, dass dieser Krieg, der ja mit dem vergossenen Blute meines Bruders und meinem eigenen begann, auch durch mich ende. Nichts wünsche ich sehnlicher, als dass mein Leben und Tod, sei es gut für mich persönlich oder schlecht, für immer zum Wohle unserer Stadt sei.“ Die Antwort der hohen Herren war zuversichtlich gehalten und von der gebotenen Höflichkeit. Doch unterschwellig wurden bereits auch andere, kritische Stimmen laut. Schon wenige Tage nach seinem Aufbruch wehten von anonymer Hand verfasste,

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gedruckte Flugblätter durch die Straßen von Florenz, die die hintergründige Botschaft trugen: „Siehe da, der Tyrann ist von uns gegangen.“19 Einen Monat später, Anfang Januar, war Papst Sixtus immer noch derart rasend vor Wut, dass es der neapolitanische Gesandte in Rom kaum wagte, ihm unter die Augen zu treten, um eine neue Mitteilung des Königs zu überbringen. Und die rätselhafte Flugschrift? Möglicherweise hieß sie ja: Nun, er mag ein Tyrann sein, doch immerhin hat er den Schauplatz seiner Verbrechen verlassen. Aber was nun? Sollten wir nicht etwas unternehmen? Feigheit war etwas, was man weder Lorenzo noch Papst Sixtus unterstellen konnte. Bis zum Frühjahr 1479 und in gewisser Hinsicht bis zu Lorenzos Abreise nach Neapel hatte der Papst stur an seinen Forderungen festgehalten, die da lauteten: 1.) Lorenzo und Florenz erbitten untertänigst seine Vergebung. 2.) Eine Entschädigungssumme in Höhe von 100.000 Fiorini. 3.) Sofortige Beseitigung des ungeheuerlichen Freskos des gehenkten Erzbischofs Salviati. 4.) Errichtung einer Kapelle zum Gedenken an die ermordeten Geistlichen. Und 5.) Regelmäßiges Zelebrieren von Messen für deren unsterbliche Seelen. Sollte Florenz die drei Festungen Borgo San Sepolcro, Castrocaro und Modigliana übergeben, die sich alle auf florentinischem Boden befanden, könnten diese als Ersatz für die Entschädigungssumme dienen. Von allen Forderungen war, sowohl für Florenz als auch für Lorenzo, einzig Punkt drei überhaupt verhandelbar. Die anderen bedeuteten eine zu große Schmach beziehungsweise eine Gefahr für das Leben des ersten Bürgers.20 Da Lorenzo weit weniger Geldmittel zur Verfügung standen als dem Papst, war er gezwungen, sich vorwiegend auf seinen Intellekt, seine Geistesgaben und sein Charisma zu verlassen. Die Unterredungen mit dem König und anderen hohen Würdenträgern in Neapel forderte all seine geistigen Kräfte und seinen Machtinstinkt. Hier konnte er keine Aufgaben delegieren, nicht mit Briefen und Botschaftern agieren, und es gab keine Zeit für langes Nachdenken. Auch konnte er sich natürlich nicht mit seinen politischen Beratern austauschen, die in Florenz zurückgeblieben waren. Er war ganz auf sich allein gestellt in diesem Kampf um sein Leben und um das politische Überleben des Hauses Medici. Ferrante galt als ausgesprochen scharfsinnig und hinterhältig, was allerdings nicht viel mehr heißt, als dass er jederzeit bereit war, umzuschwenken und bisherige Verbündete eiskalt auszubooten – im Italien der Renaissancezeit kein Ausnahmefall. Neben seiner militärischen Schlagkraft verfügte er über einen Stab ausgesprochen fähiger und erfahrener Berater, darunter Diomede Carafa, Graf von Maddaloni. Bei den Gesprächen mit dem König und seinen Höflingen musste Lorenzo folglich gleichermaßen schlagfertig, klug, einfallsreich und sympathisch sein. Er musste sie mit Argumenten und seiner gewinnenden Art auf seine Seite ziehen. Was hatte er den Herrschern dieses Königreichs, das um so vieles größer und mächtiger war, hinsichtlich Hilfstruppen oder politischer Trümpfe schon zu bieten? Umso mehr Grund, in Neapel mit Bergen

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von Geschenken und einem scheinbar gewaltigen Barvermögen anzureisen und der Herzogin Ippolita Maria von Kalabrien, gebürtige Sforza und Tochter des großen Glücksritters und Condottiere Francesco, Komplimente zu machen. Er war ihr ja erstmals 1465 in Mailand begegnet, zur Zeit ihrer Ferntrauung mit König Ferrantes Sohn Alfonso. Und wenn sie Sinn hatte für höfische Lyrik, gab es gewiss niemanden, der darüber trefflicher oder mit größerer Gewandtheit zu sprechen wusste. Wenig überraschend auch, dass Lorenzo in dem neapolitanischen Palazzo der Medici-Bank eine Art Salon oder offenes Haus unterhielt und jede Menge Einladungen gab, bei denen er mit Sicherheit brillierte. Der Neapel-Aufenthalt kostete, so sein zeitgenössischer Biograph, nicht nur ein Vermögen, sondern auch immens viel Nerven. Denn, wie Paolantonio Soderini, einer seiner Begleiter in Neapel, anmerkte, war er „wie zwei Männer: würdevoll, geistreich und stolz bei Tage, wenn er sich nonchalant und selbstbewusst gab, des Nachts aber voll des Jammers und Elends, sein eigenes Los und das der Stadt Florenz beklagend“.21 Entscheidend waren natürlich vor allem die häufigen, fast täglichen Zusammenkünfte mit dem König und dessen Höflingen und Ministern. Die Briefe, die Lorenzo in diesen Wochen nach Florenz und an andere schrieb, sowie die Schreiben der auswärtigen Gesandten, die ihn scharf beobachteten, berühren lediglich die wichtigsten politischen Fragen. In diesem Fall bildeten diese jedoch nur einen, wenngleich wichtigen, Aspekt eines ungeheuer komplexen, von vielen Förmlichkeiten geprägten Prozesses, in dem Wort und Stil, Mimik und Gestik, Scharfsinn und Esprit fast ebenso großes Gewicht zukam. An anderer Front hatte Ferrante es derweil mit einem gefährlichen und verärgerten Papst zu tun, der seinerseits bereit war, Geheimverhandlungen mit Venedig zu führen. Der König stand hinter dem neuen Sforza-Fürsten Ludovico il Moro, den er sowohl bei seiner Rückkehr aus dem Exil nach Mailand als auch bei der Versöhnung mit dem regierenden Haus unterstützt hatte, nachdem die Ermordung von Ludvicos Bruder Galeazzo Maria Sforza 1476 die Gemüter über Jahre hinweg entzweit hatte. Doch der König musste sich auch vor dem erstarkten Mailand hüten, und er beobachtete misstrauisch oder zumindest wachsam Frankreichs Ansprüche auf Neapel, insbesondere seit die Franzosen Kontakt zu Fürstentümern und Republiken in ganz Italien pflegten. Eine Karte scheint Lorenzo mit großem Erfolg ausgespielt zu haben: Wiederholt versicherte er Ferrante, er könne ihm garantieren, dass Florenz ihm unverbrüchlich zur Seite stehen werde, solange er, Lorenzo, dort das Prinzipat habe. Außerdem sprach er die durchaus realistische Möglichkeit an, dass sich Florenz unvermittelt von Neapel abwenden und eine neue Allianz mit Venedig schließen werde, eine Vorstellung, der sich der neue Herr von Mailand entschieden anschloss. War es das, was der König wünschte? Obendrein unterhielt Lorenzo enge Beziehungen zu Ludwig XI. von Frankreich; auch hier könnten sich folglich neue Optionen für Neapel eröffnen. Doch mindestens genauso wichtig wie diese Argmente war die Tatsache, dass Lorenzos Umgangsformen den König für ihn einnahmen: Ferrante begann ihn zu mögen.

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Und da er ihn mochte, schenkte er ihm auch Gehör. Diesen Charakterzug Lorenzos – jener Stoff, aus dem Romanciers und die großen französischen Diaristen schöpften – konnte die diplomatische Korrespondenz freilich nicht wiedergeben. Ja, es gab zu dieser Zeit noch nicht einmal eine literarische Form für die Ausdruckskraft einer solchen Persönlichkeit. Dennoch müssen wir uns diese Wesenszüge Lorenzos immer wieder vor Augen führen, um uns ihre Wirkung auf Ferrante vorstellen zu können, der sich unter deren Einfluss sogar entschloss, Papst Sixtus dazu zu bringen, die Forderung fallen zu lassen, den florentinischen Gran maestro zur Abbitte nach Rom kommen zu lassen. Letztlich gelang es ihm zwar nicht, Sixtus dieses Zugeständnis abzuringen, doch Lorenzo zweifelte nicht daran, dass er Erfolg haben würde, und verließ Neapel in der Überzeugung, Ferrantes Zusage in diesem Punkt habe ihn „von den Toten zurückgeholt“. Eine der größten Stärken Lorenzos muss seine treffsichere und gewählte Ausdrucksweise gewesen sein, was in seinem Fall eine besondere Leistung war, weil seine Stimme aufgrund verwachsener Nasengänge – die übrigens auch seinen Geruchssinn stark beeinträchtigten – wohl immer etwas gekünstelt klang. Doch als wortgewandter Dichter, Verfasser von Kurzgeschichten und insgesamt überaus kultivierter Mensch war er immer auf der Suche nach den wirkungsvollsten Wendungen. Diese Sorgfalt floss in seine Korrespondenz ein. Ohne jeden Zweifel war er aber auch im Alltag stets um gute Formulierungen und gewinnendes Auftreten bemüht, wie wir aus einem Brief folgern dürfen, den er am 26. November 1484 an seinen damals zwölfjährigen Sohn Piero schrieb. Der Bub war zu diesem Zeitpunkt in Begleitung von sechs florentinischen Gesandten auf dem Weg nach Rom, um den neuen Papst Innozenz VIII. zu seiner Wahl zu beglückwünschen. In Siena sollte er einen Zwischenstopp einlegen und drei dort ansässigen Freunden seines Vaters Grüße überbringen. Lorenzo gibt Piero nun den Rat: „Verwende [im Gespräch mit ihnen] Deine eigenen Worte, gut gewählt, natürlich und nicht gestelzt oder geziert, und meide den Eindruck von allzu großer Bildung. … Begegne ihnen und allen anderen mit höflichen, gefälligen und ernsthaften Äußerungen … Denke immer an Deine Manieren, sei aufmerksam und taktvoll und befleißige Dich im Umgang mit Deinesgleichen eines angemessenen Tons.“22 Man darf annehmen, dass Lorenzo diese Ratschläge auch selbst befolgte. In Niccolò Valoris Vita des Florentiners zieht sich Lorenzos Eloquenz und Geschick im Umgang mit Worten wie ein roter Faden durch die Biographie. Valori kannte den Medici-Fürsten gut und hatte auch mit einigen seiner engsten Vertrauten Kontakt. Ferrante hielt Lorenzo fast zweieinhalb Monate in Neapel fest, während er gleichzeitig über Briefe und Gesandte mit Papst Sixtus und Mailand verhandelte und – anfangs zumindest – auch erwartete, dass eine lange Abwesenheit von Florenz den Untergang seines Gastes bedeuten könnte – eine einfache und saubere Lösung für die beteiligten Parteien. Von Finanznot und Problemen mit unbotmäßigen Baronen geplagt, war der König erpicht, die offenen Angelegenheiten zum Abschluss zu bringen beziehungsweise zu klären: die Forderungen des Papstes und der Herren der Romagna sowie die Beziehungen zu Mailand und Venedig. Außerdem saß ihm die Furcht vor Feinden in

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Frankreich im Nacken, dazu kam die Sorge über eine stärkere Regierung in Mailand. Dennoch blieb er ein gewiefter Verhandlungsführer, der den verärgerten Sixtus weiter im Auge behielt und sich der Tatsache bewusst war, dass Florenz und Lorenzo in der Klemme saßen. Die Gespräche zogen sich bis zum Tag von Lorenzos Abreise hin. Am 28. Februar verließ er Neapel in Richtung Gaeta, um am 5. oder 6. März nordwärts heim nach Florenz zu segeln. Eine endgültige Vereinbarung stand noch nicht, und die Angelegenheit würde wohl in die Hände zweier florentinischer Gesandter am Hofe von Neapel übergehen. Lorenzo konnte es sich jedoch nicht leisten, noch länger von Florenz fortzubleiben, und er reiste ab – trotz einer Depesche Ferrantes, die ihn in Gaeta gerade noch erreichte. Dieser hatte im Laufe des Februar mehrere besorgt klingende Nachrichten aus Florenz erhalten, denen zufolge die Kritik an dem Regime inzwischen unverblümt zutage trat und manche Stimmen bereits lautstark forderten, die Oligarchie zu erweitern.23 Am selben Tag, an dem er in Pisa nach einer stürmischen Seereise von Bord ging, es war der 13. März, wurde in Neapel der Frieden unterzeichnet. Papst Sixtus hatte widerwillig zugestimmt. Die frohe Kunde war Lorenzo bereits vorausgeeilt, und so erwartete ihn in Florenz ein wahrer Heldenempfang: Sämtliche auswärtigen Gesandten sowie mehr als hundert der führenden Bürger ritten ihm weit über die Stadtmauern hinaus entgegen – ein Zeremoniell, das gewöhnlich Königen und Fürsten vorbehalten war. Später sollte Lorenzo über diese Aufnahme sagen: „Da war kein Mensch in Florenz, der, ganz gleich wie alt und krank und gebrechlich, nicht gekommen wäre, meine Hand zu berühren und mich zu küssen.“ Die Freude der Mediceer ließ einen harten Frieden wie einen Triumph erscheinen, wenngleich in den darauf folgenden Wochen bisweilen ein bitterer Nachgeschmack durchkam. König Ferrante bestimmte nun als alleiniger Vermittler darüber, ob und wann die besetzten Gebiete an Florenz zurückgegeben würden. Dem Herzog von Kalabrien musste auf unbestimmte Zeit eine stattliche Unterhaltssumme bezahlt werden. Als Hinweis auf den anhaltenden Einfluss der Pazzi besagte ein Artikel, dass die in Volterra inhaftierten Brüder und Vettern auf freien Fuß zu setzen waren. Sixtus’ Sanktionen gegen Florenz, darunter die Exkommunikationen, wurden aufrechterhalten. Und auch Lorenzo sollte nach wie vor nach Rom reisen und dort die Vergebung des Heiligen Vaters erbitten. Immerhin wurden die Interdikte für Florenz, Fiesole und Pistoia für einige Tage im April ausgesetzt, um das Osterfest feiern zu können.24 Es war ein schwerer Friede für Florenz, aber er hatte ein Gutes: Die Stadt wurde nicht mehr von fremden Truppen bedroht, und die Plünderungen der ertragreichen Ländereien in der florentinischen Toskana hörten auf. Und das Glück blieb Lorenzo hold. Keine fünf Monate später kam ihm „Signora fortuna“, wie mancher Zeitgenosse gesagt haben dürfte, erneut zu Hilfe: Anfang August fielen die Türken im Süden Italiens ein, eroberten Otranto, töteten 12.000 Menschen und entführten weitere 10.000 in die Sklaverei. Mit einem Mal sah sich König Ferrante mit einer echten militärischen Krise konfrontiert. Der Herzog von Kalabrien

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Abb. 10 Medaille in Erinnerung der Pazzi-Verschwörung, von Bertoldo di Giovanni

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wurde aus Siena abberufen. Und Papst Sixtus war gezwungen, gegen die Ungläubigen vorzugehen – auch wenn es ihm aus tiefster Seele zuwider war, dem König Unterstützung anzutragen. Er revidierte nun auch seine harte Linie gegen Florenz und ließ verlauten, wenn die Republik eine große Abordnung von Bürgern nach Rom schicke, um seine Vergebung zu suchen, würde er diese gewähren, auch wenn Lorenzo persönlich nicht dabei war. Zusätzlich würden dann die Exkommunikationen und die Interdikte aufgehoben. Mehr brauchte es nicht. Das nun folgende Schauspiel muss ein spektakulärer Anblick gewesen sein. Ende November reisten, vermutlich in Anlehnung an die Zahl der Apostel, zwölf der vornehmsten Bürger von Florenz, darunter auch zwei Verwandte Lorenzos, nach Rom. Sie trafen zwei Stunden vor Sonnenuntergang in der Ewigen Stadt ein, ohne jedoch großes Aufsehen zu erregen. Am 3. Dezember erschienen sie im Portikus der Peterskirche vor dem Papst, der von zahlreichen Kardinälen und anderen Prälaten umgeben war. Offenbar warfen sich die Männer dem Heiligen Vater zu Füßen, erbaten, „mit sämtlichen Bekundungen tiefster Demut“ seine Vergebung für all die Irrungen und Vergehen ihres Landes und erklärten sich bereit, jede Form von Strafe auf sich zu nehmen. Sixtus intonierte daraufhin speziell zu diesem Anlass formulierte Worte, berührte jeden von ihnen mit seinem Stab kurz am Rücken, sprach sie (und alle Florentiner) von allen begangenen Sünden frei und nahm sie offiziell wieder in die Kirche auf. Nun waren sie keine ungehorsamen Abtrünnigen mehr. Als die Nachricht von der Aufhebung der Sanktionen zwei Tage später in Florenz eintraf, brach lauter Jubel los. Die Einwohner feierten mit Freudenfeuern und großem Glockengeläut. Die offizielle Absolution wurde jedoch erst Ende März des darauf folgenden Jahres veröffentlicht.25

Die Ächtung d er P a z z i Ein weltlicher Fluch Schande und Löschung aus allen Urkunden und Registern, ein moralischer und politischer Fluch – das war, wie wir gesehen haben, Ziel der Gesetze, die im Mai 1478 gegen die Pazzi erlassen wurden. Darüber hinaus mussten sie aber auch finanziell ruiniert werden, all ihrer weltlichen Güter beraubt. Das gehörte schließlich dazu, wenn ein profaner Fluch vollständig umgesetzt werden sollte. Was die Behandlung unliebsamer Dissidenten anging, brauchte die politische Elite von Florenz keine Nachhilfe – vom Umgang mit bewaffneten Aufständischen ganz zu schweigen. Hie und da kam es vor, in Perugia ebenso wie in Bologna, dass Adlige auf die Straße gingen und mit Schwertern und der Hilfe von Bogenschützen den politischen Feind niedermachten. Die Venezianer zogen andere Mittel vor. Sie spionierten Regimekritiker mittels ihres berüchtigten Zehnerrats aus und stellten die Unruhestifter vor Gericht, folterten sie, hängten sie oder schickten sie in die Verbannung. Die Politik der Machthaber der Lagunenrepublik durfte schließlich nicht in Frage gestellt werden. In Florenz gab es die Otto, den achtköpfigen Wachausschuss, dessen Aufgabe es war, jegliche Opposition zu eliminieren. Diese frühe „totalitäre Geheimpolizei“ arbeitete gleichfalls mit Spionen, Informanten, Folter und Exil. Als Erzbischof Salviati und seine Helfer den Anschlag auf Lorenzo und Giuliano de’ Medici planten, wussten sie, dass die „Acht“ ihre Augen und Ohren überall hatten.1 Der Wachausschuss war 1378 ins Leben gerufen worden, um die revolutionären Bestrebungen der Wollarbeiter im Keim zu ersticken. Im Laufe des 15. Jahrhunderts gewann er immer mehr Macht und hatte sich schließlich zu einer regelrechten Geheimpolizei entwickelt. Unter den Medici regte sich in den Ratsgremien bisweilen heftiger Widerstand gegen die ständig wachsende Machtfülle dieses Ausschusses, und es gab Forderungen, zu gewöhnlichen Gerichtshöfen zurückzukehren und die Ängste auszuräumen, die die „Acht“ unter den Bürgern verbreiteten. Doch die Medici-Partei, die sich für eine Einschüchterungsstrategie entschieden hatte, konnte solche Anstrengungen noch jedes Mal unterbinden.2 Unter den acht Mitgliedern des Wachausschusses, die am 1. Mai 1478, also fünf Tage nach dem Mordanschlag, das Amt antraten, war neben Lorenzo de’ Medici auch des-

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sen enger Freund Sigismondo della Stufa, der an jenem blutigen Sonntag mit in der nördlichen Sakristei gewesen war. In buchstäblich letzter Minute müssen die Namen in den Wahlbeuteln neu gemischt worden sein, um Platz für diese beiden Männer zu machen. Die Otto, die im viermonatigen Turnus gewählt wurden, traten sofort in Aktion, um gegen die Verschwörer vorzugehen. Natürlich waren Francesco de’ Pazzi und der Erzbischof von Pisa während der Vorbereitungen zu dem Komplott ständig in Sorge gewesen, dass der Wachausschuss ihre Aktivitäten aufdecken würde. Fast noch beunruhigender aber war für die Attentäter – sowie für die schweigende Medici-Opposition – eine andere Praktik: die geheime und anonyme Denunziation von Dieben, Regimegegnern, von Homosexuellen, nicht gemeldeten Prostituierten, Steuerhinterziehern und anderen Missetätern. Die Denunziationen wurden in spezielle Holzkästen geworfen, tamburi genannt, die an den Fassaden der größeren Kirchen angebracht und streng verschlossen gehalten wurden. Als Lohn – und Anreiz für zögerliche Denunzianten – lockte ein Kopfgeld, wenn der Beschuldigte überführt wurde. Da die Informanten sicher sein konnten, dass ihre Anonymität gewahrt blieb, konnten sie in den Genuss ihrer Belohnung kommen, indem sie Beweise – physischer Natur oder in Form eindeutiger Informationen – vorlegten, die sich mit Beweisen aus der denunzierten Tat in Einklang bringen ließen.3 Als die April-Verschwörer in die Hände der Prioren und der „Acht“ fielen, wurde ihnen im Schnellverfahren der Prozess gemacht – so wenigstens behauptete es die Regierung später. Ganz offensichtlich war die Schuld von Francesco de’ Pazzi, seinem Onkel Messer Jacopo und all den anderen, die auf frischer Tat festgenommen worden waren, so augenfällig, dass auf zusätzliches Beweismaterial verzichtet wurde. Andererseits warf der Fall auch die überaus unklare Frage nach der Schuld der anderen Pazzi auf, also Francescos beider Brüder, eines Neffen und sieben Cousins ersten Grades, darunter der überaus geschätzte und sehr beliebte Renato de’ Pazzi, der gleichfalls gehenkt wurde. Francesco selbst gestand gar nichts, und auch Renato konnte nichts abgepresst werden, was gegen ihn gesprochen hätte. Wäre dem so gewesen, hätten es seine Ankläger nämlich mit Sicherheit lauthals publik gemacht. Als sie vier Monate später (am 4. August 1478) über den Podestà und nach einem scheinbar ordentlichen Gerichtsverfahren ihr Urteil verkündeten, gaben die Prioren und der Wachausschuss an, „der Verräter“ Messer Jacopo hätte in Anwesenheit vieler führender Bürger und „ohne Folter gestanden“, dass „die ganze Familie Pazzi“ in das Komplott verwickelt gewesen sei. Angeblich behauptete er, sie alle hätten von den Plänen gegen Lorenzo gewusst und diese auch gutgeheißen.4 Indem sie ihn auf der Stelle hinrichteten, versiegelten die „Acht“ und die Prioren Messer Jacopos Lippen auf immer. Doch von einem einzigen Satz im Urteil abgesehen wurde seine Aussage niemals vorgelegt, und auch die anderen verbannten und verhafteten Pazzi wurden niemals einem Kreuzverhör unterzogen. Man kann also davon ausgehen, dass sie niemals einem Richter vorgeführt, sondern ohne Gerichtsverfahren abgeurteilt wurden. Auch unternahm man keinen Versuch, eine Aussage von den Pazzi-

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Frauen zu erhalten, den Ehefrauen, Schwestern und Töchtern, die ja gleichfalls bestraft wurden. Man verwehrte ihnen die Ehe mit einem Florentiner, und sie waren gezwungen, ihr Eigentum einzuklagen. Doch wir befinden uns schließlich im 15. Jahrhundert, als die Sitten sich stark von den unseren unterschieden, und wir haben gewiss nicht das Recht, abfällig über einstige Usancen zu urteilen und unsere heutigen Anschauungen hinsichtlich Menschenrechte und Rechtsprechung auf die damalige Zeit zu übertragen.5 Nun waren die Otto kein normaler Gerichtshof, sondern eine mit großen Sondervollmachten ausgestattete Kommission, die rasch und ohne viele Umstände „Recht“ sprechen beziehungsweise Vergeltung üben konnte. Sie waren an keines der üblichen Prozedere gebunden und konnten sich auch über die geltenden Gesetze hinwegsetzen. Ein modernes Pendant wäre vielleicht ein geheimes Militärtribunal, das die Todesstrafe verhängen kann und das kein Berufungsrecht kennt. Wegen der ungewöhnlichen verfassungsrechtlichen Stellung und um seinem Mandat zu breiterer Akzeptanz zu verhelfen, kodifizierte das Medici-Regime Ende 1478 die Richtlinien des Ausschusses und legte fest, dass seine Entscheidungen über den Schreibtisch des höchsten Strafrichters der Stadt, des Podestà, gehen mussten. Tatsächlich fanden, obwohl das Komitee theoretisch überall zusammentreten konnte, die Sitzungen in aller Regel auch im Bargello statt, dem Amtssitz des Podestà. Aber der neue Kodex schien den Otto die Hände doch zu stark zu binden, und so ließen die „Acht“, die Anfang 1479 ins Amt kamen, das Register, in dem die Regelungen aufgeführt waren, kurzerhand vernichten. Da der Fall gegen das Haus Pazzi am Abend des 28. April keineswegs abgeschlossen war, wurde sofort mit der Beschlagnahmung des Eigentums der Familienmitglieder begonnen. Die Regierung beschloss, „alles daranzusetzen“, das Vermögen der Pazzi ebenso zu zerstören wie jeden noch verbliebenen Rest ihrer politischen und gesellschaftlichen Stellung in Florenz. Noch am Abend des Tatsonntags machten sie PazziGüter auf hoher See ausfindig, und in der darauf folgenden Woche wurde mit der Versteigerung der gesamten beweglichen Habe der Familie begonnen. Und wenn die Handschriftensammlung von Messer Piero – er war der in Frankreich zum Ritter geschlagene Pazzi – nicht vollständig zur Auktion kam, lag das gewiss am Kennerblick eines hochgebildeten einflussreichen Bürgers, der die kostbarsten Stücke schon vorher unter der Hand erworben hatte.6 Nun konnten Frauen in Florenz ihr eigenes Vermögen haben, sofern dieses in Verbindung mit ihrer Aussteuer stand. Doch in der rasenden Zerstörungswut nahm niemand Rücksicht auf die mit beträchtlichen Mitgiften ausgestatteten Frauen, die in die Familie Pazzi eingeheiratet hatten. Auch ihr Besitz wurde konfisziert und entweder einbehalten oder meistbietend verkauft, so dass sie gezwungen waren, den Wachausschuss und zwei andere Gremien monate-, wenn nicht jahrelang mittels einflussreicher privater Beziehungen und Rechtsanwälten zu bedrängen, ihr persönliches Eigentum herauszugeben. Bereits am 16. Mai 1478 entschieden die Otto, dass sechs Kleidungsstücke und ein Gürtel, die das Amt an Second-Hand-Kleidungshändler veräußert hatte, Besitztum

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von Maddalena Serristori, der Witwe Jacopo de’ Pazzis, waren und an sie zurückgegeben werden mussten. Der Zweig der Serristori, dem sie entstammte, gehörte zu den (einfluss-)reichsten Familien der Stadt. Am 3. Juni dann befahlen die „Acht“ die Rückgabe eines Tischtuchs an dessen Eigentümerin, Lorenzos Schwester „Bianca, Tochter des Piero de’ Medici“. Es war mit den „Wappen der Medici und vormals der Pazzi“ bestickt. Bianca war ja, wie wir wissen, mit dem in die Verbannung geschickten Guglielmo de’ Pazzi verheiratet. Am 23. Mai, wenige Tage nach dem widerwärtigen Spektakel mit Jacopos Leichnam, hatte die Prioren, wie bereits erwähnt, den Namen und das Wappen der Pazzi in Acht und Bann getan beziehungsweise verboten. Davon betroffen waren natürlich auch die Verbindung der Familie mit dem Osterfeuer und alle damit zusammenhängenden Riten. Hinzu kamen harte Strafen für jede florentinische Familie, die eine Heiratsbeziehung mit dem beschuldigten Haus einging. Was bislang nie thematisiert wurde ist jedoch, dass diese drakonischen Maßnahmen schon damals, obwohl die Erinnerung an das Komplott und sein blutiges Nachspiel noch ganz frisch war und die Stadt unter strenger bewaffneter Kontrolle stand, auf entschiedenen Widerstand stießen. Denn das Gesetz passierte den Consilio populi nur mit 162 zu 55 Stimmen – 18 mehr, und es wäre abgewiesen worden. Im Consilio comunis lautete das Ergebnis 123 zu 43 und lag damit lediglich 13 Stimmen über der nötigen Zweidrittelmehrheit. Und im Cento, dem 1458 von der Medici-Partei ins Leben gerufenen Hunderterrat, wurde die Vorlage mit 82 zu 32 Stimmen verabschiedet – bloße sechs Gegenstimmen mehr, und sie wäre gescheitert. Es gab also durchaus abweichende Meinungen, selbst im Inneren der Oligarchie. So allumfassend kann der viel besungene Hass auf die Pazzi also doch nicht gewesen sein. Eine substanzielle politische Minderheit wollte die Familie gerechter behandelt wissen oder zumindest die von blindwütiger Rachsucht getriebene Führungsriege auf den Boden zurückholen.7 Im Herbst 1478 fasste ein Gedicht über die April-Verschwörung (siehe Seite 175) den Rachefeldzug gegen die Pazzi in publikumswirksamer Form zusammen und fand durch seine Verbreitung in gedruckter Form – es wurde höchstwahrscheinlich auf den Straßen feilgeboten – und öffentliche Rezitationen „vor einer geneigten Zuhörerschaft“ Eingang in den Alltag der Stadtbevölkerung. Die Verse gaben einer damals vorherrschenden Meinung Ausdruck. An ein Medici-freundliches Publikum gerichtet und diese Familie mit allem in Verbindung bringend, was gut für Florenz war, klagt der Verfasser die Pazzi eines Verrats an, der dem des Judas in nichts nachsteht. Und sicherheitshalber werden Antenor (der Schöpfer der Bronzegruppe der Tyrannenmörder auf der Athener Agora im 6. Jahrhundert v. Chr.) und Brutus gleich noch miterwähnt. Dem Autor zufolge waren „alle [Pazzi] üble, verschlagene Männer von niedrigster Gesinnung“, „kaltschnäuzig“, von „Neid und Ehrgeiz“ zerfressen und (kurz und bündig) „Schlangen“. In weniger als vier Generationen seien sie, so versichert er, von „Dienern und Würfelverleihern“ in eine Position aufgestiegen, die ihnen Eheverbindungen mit den höchsten und vornehmsten Familien von Florenz ermöglichte, und alle seien

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„geachtet und bewundert“ worden. Dabei wären sie die ganze Zeit „verfluchte und hässliche Verräter“ gewesen. Die Anklageschrift des Opus endete denn auch selbst mit einem Fluch: „So nur ein Same ihrer bleibt / sei er in alle Welt zerstreut.“8

Konfiszierung und Enteignung Da es in Florenz von jeher üblich war, das Eigentum von „Verrätern“ zu beschlagnahmen, stand von vornherein fest, dass das gesamte Vermögen der Pazzi inventarisiert und verwaltet werden musste. Darunter fielen nicht nur Haus- und Grundbesitz, Staatsanleihen und sämtliche persönliche Habe inklusive natürlich Schmuck, sondern auch Bargeld, Aktivposten im In- und Ausland, Mieten, Büromobiliar, sämtliche Lagerware sowie alle Außenstände. Mittels Ausrufern wurden deshalb alle Schuldner der Pazzi aufgefordert, sich zu melden und ihre Verbindlichkeiten zu begleichen. Nach einer gewissen Frist stufte man diejenigen, die es versäumt hatten, darauf zu reagieren, als Betrüger ein, verhaftete sie und verurteilte sie zu Bußgeldzahlungen oder gar einer Gefängnisstrafe. Auf ähnliche Weise rief die Regierung die Gläubiger auf, vorstellig zu werden, denn es wurde zu Recht erwartet, dass die „Nachlassverwaltung“ nicht nur die Außenstände der Pazzi eintrieb, sondern sich auch bemühte, entsprechende Forderungen zu erfüllen.9 Es erging Order, sämtliche Bücher und Geschäftspapiere der Pazzi zu übergeben: Hauptbücher, Kassenbücher, Inventarverzeichnisse und dergeichen mehr. In Florenz galten Schuld- und Kreditposten üblicherweise als berechtigt, wenn es darüber eine ordnungsgemäße Buchführung gab. Und bei Rechtsstreitigkeiten urteilten Richter und Schlichter gewöhnlich danach. Folge davon war, dass in Florenz häufig in Geschäftsund Privathäuser eingebrochen wurde, um Rechnungsbücher und Geschäftspapiere zu stehlen, und in den Akten des Wachausschusses finden sich zahlreiche Einträge über genauere Einzelheiten, das heißt Ort, Uhrzeit und Beschreibung der entwendeten Gegenstände.10 Wie in derartigen Fällen üblich, übergaben die „Acht“ die Sache relativ bald an die Torre-Beamten, deren Aufgabe es war, die Eigentumsangelegenheiten von „Rebellen“ zu klären. Bis in den Frühling des Jahres 1480 hinein hatten sie die meisten Belange, die in Zusammenhang mit dem riesigen Pazzi-Vermögen anfielen, geregelt. Mehr als vierhundert Gläubiger aus allen Lebens- und Geschäftsbereichen reichten Forderungen ein: von Erntehelfern über Maurer und Ziegelbrennereien bis hin zu Goldschmieden, Notaren, Kaufleuten und Gelehrten – auch Alamanno Rinuccini beispielsweise gehörte dazu. Er gab an, bei „Renato de’ Pazzi & Co., Bankiers zu Florenz“ eine Geldeinlage in Höhe von 150 Fiorini gemacht zu haben. Auch Buch- und Schreibwarenhändler meldeten Ansprüche an, die den gewaltigen Papierbedarf der verschiedenen Pazzi-Haushalte bezeugen, insbesondere für Geschäftszwecke. Im Mai 1478 machte Renato de’ Pazzis Witwe, Francesca di Messer Giovanni Martini, eine Venezianerin,

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ihre Forderung über eine der höchsten Mitgiften geltend, von denen man in Florenz je gehört hatte: Ihren 6000 Fiorini kam allerhöchstens noch der Betrag gleich (so er jemals in voller Höhe ausbezahlt wurde), den Clarice Orsini mitbrachte, als sie nach Florenz kam, um die Hochzeit mit Lorenzo de’ Medici zu vollziehen. Darüber hinaus klagte die Venezianerin auch ihre Aussteuer, Schmuck sowie die Geschenke ein, die sie während ihrer Ehe erhalten hatte.11 Obwohl es natürlich keinen entsprechenden Eintrag in den Akten gibt, steht fest, dass Lorenzo sich in die Arbeit der Torre-Beamten einmischte, die dies möglicherweise damit rechtfertigten, dass er am meisten unter den Pazzi gelitten hatte und insofern auch ein Mitspracherecht haben sollte, was die Aufteilung ihres Nachlasses anging. Unter anderem sorgte er dafür, dass das Anwesen Renato de’ Pazzis für den Herzog von Ferrara reserviert wurde, der dafür 4000 Fiorini zahlen sollte. Und im September 1478 bezog der Herzog, damals Kommandeur der florentinischen Truppen, auch tatsächlich dort Quartier. Lorenzo selbst eignete sich Messer Jacopos wunderschönen Palazzo an sowie dessen Landhaus in Montughi; als Beweis dafür dient, dass beide Teil der Aussteuer seiner Tochter Maddalena bildeten, als diese 1488 mit Franceschetto Cibò verheiratet wurde.12 Ob auch ein Teil der kostbaren Handschriften Piero de’ Pazzis oder andere exquisite Kunstwerke aus den verschiedenen Sammlungen der verhassten Familie in die Medici-Kollektion Eingang fanden, sei es durch unverblümtes Einstreichen oder aber durch Ersteigerung zu selbstredend günstigsten Konditionen, ist nicht eindeutig belegt. Lorenzo hatte zwei immens reiche Vettern, Giovanni und Lorenzo di Pierfrancesco (siehe Stammtafel der Familie Medici), und wir wissen aus seinem Umgang mit ihnen sowie aus seinen Verhandlungen mit bestimmten Künstlern, dass es ihm nicht widerstrebte, Besitztümer und Geld anderer einzubehalten. Zur Zeit des Pazzi-Krieges etwa gab er, als Vormund seiner beiden Vettern agierend, die gesamten 20.000 Fiorini, die er für sie verwaltete, aus, obwohl er bei ihnen ohnehin bereits mit mehr als 60.000 Fiorini in der Kreide stand. Die beiden Knaben, damals fünfzehn und elf Jahre alt, waren empört – und sicher auch deshalb später im Lager der geheimen politischen Opposition anzutreffen. Als Lorenzo 1485 eine genaue Abrechnung nicht länger hinausschieben konnte, erhoben Giovanni und Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici Forderungen in Höhe von 105.880 Fiorini, Zinsen inklusive, doch ihr „prächtiger“ Cousin schaffte es, die Schulden auf 61.400 Fiorini zu drücken und diese obendrein in Form verschiedener Gehöfte und Landgüter abzugelten, darunter auch die Villa Medici in Cafaggiolo.13 Sicherster Beweis dafür, dass Lorenzo seine Finger bei der Verwaltung des sequestrierten Pazzi-Vermögens im Spiel hatte, ist jedoch die Tatsache, dass er keine zwei Wochen nach dem Mordanschlag Briefe an die Kardinäle von Rouen, Mantua und Pavia sandte, in denen er ihnen die Rückzahlung ihrer Kredite an die Pazzi zusicherte. Am 14. Mai unterzeichnete er ein drittes Schreiben an den Kardinal von Rouen, den reichen und mächtigen Guillaume d’ Estouteville, in dem es hieß, er bewahre diverses Pazzi-Silber für ihn auf, höchstwahrscheinlich zur Erfüllung seiner Forderungen. 1479

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schickte er einen Vertreter nach Brügge, um die dortige Filiale der Pazzi-Bank zu liquidieren. Im Juli 1480 beauftragte er den Manager der Lyoner Medici-Niederlassung der Firma Capponi, „die Waren [zu übergeben], die den Pazzi gehört hatten“. Und noch im Juni 1481 versuchte er, Pazzi-Aktiva in Brügge einzuziehen, wo eine Zweigstelle ihrer Bank wichtigste Verkaufsstelle für das päpstliche Alaun gewesen war. Allerdings profitierte die verfluchte Familie hier nach wie von dem weit reichenden Einfluss des Königs von Neapel.14 Mittlerweile war beim Umgang mit dem konfiszierten Nachlass einiges schief gelaufen. Im Februar 1479 hatte der große Heerführer Roberto di Sanseverino, der beträchtliche Einlagen in einer der erloschenen Pazzi-Banken gehabt hatte, Probleme, diese zurückzubekommen. Die zuständigen Beamten waren nicht in der Lage, die benötigte Summe aufzubringen. Obwohl sie sicher eine Aufstellung der Pazzi-Schuldner anfertigten, ist dieser Teil ihrer Arbeit offenbar verloren gegangen. Viele Schuldner nutzten ihre Chance und meldeten sich einfach nicht. Einige der Hauptgläubiger, die meisten kamen aus der Textilindustrie, erhielten deshalb kein Geld. Und die Investitionen der Pazzi im französischen Salzsteuergeschäft mussten erst noch genau ausgewiesen und geschätzt werden. Jedenfalls gelangte die Regierung zu dem Schluss, dass die TorreBeamten mit der Vielzahl und Komplexität der Forderungen aus dem und für den Nachlass überfordert waren, und übertrugen diese Aufgabe Ende des Jahres 1479 einer zu diesem Zweck neu ins Leben gerufenen Kommission, dem „Syndikat zur Regelung der Angelegenheiten der Pazzi“. Wieder einmal mussten die Prioren die Sache mittels ihrer drei gesetzgebenden Gremien regeln, und auch diese Maßnahme stieß auf erheblichen Widerstand, das heißt, sie bekamen nur mit Mühe die notwendigen Mehrheiten zusammen. Die Gelegenheit einer geheimen Abstimmung nutzten Mitglieder der führenden Schicht, also Leute aus dem Herzen der Medici-Oligarchie, weil sie entweder fürchteten, der neue Ausschuss werde dann ausschließlich von Lorenzos engstem Zirkel dominiert, oder aber weil sie einen allerletzten Versuch unternehmen wollten, jenen Teil des Pazzi-Vermögens zu schützen, den die parteiische Regierung bislang noch nicht in ihre gierigen Finger bekommen hatte.15 Drei der sechs Syndizi repräsentierten Pazzi-Gläubiger, die anderen drei sollten die Kommune (Florenz) vertreten. Wegen Unstimmigkeiten hinsichtlich der laufenden Ausgaben und der Frage, ob sie ein Gehalt beziehen sollten oder nicht, nahmen die Syndizi die Arbeit erst im Frühjahr 1480 auf. Letztlich gewährte die Regierung ihnen ein Fixum, dazu zwei Sekretäre, einen Anwalt und Bedienstete nach Bedarf. Dabei war ihr Gesamtbudget jedoch auf 600 Fiorini pro Jahr beschränkt, und es musste ausschließlich aus dem Pazzi-Nachlass erwirtschaftet sein. Mit diesen Regelungen sollten vermutlich die Kritiker der Aktion besänftigt werden.16 Nun kam mit einem Mal viel bislang Unbekanntes ans Licht, vor allem natürlich über die Schuldner, aber auch über die Pazzi selbst. So waren bisher keine ernst zu nehmenden Anstrengungen unternommen worden, die auswärtigen Aktiva der Familie aufzuspüren – nicht aus Gründen der Sympathie für das verfluchte Geschlecht, son-

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dern ganz einfach deshalb, weil das ganze Unterfangen ungeheuer kompliziert war. Vom Bischof von Sarno und dem verbannten Guglielmo sowie dessen (halb-Medici-) Söhnen abgesehen, waren die meisten noch lebenden Pazzi-Männer aus dem Verkehr gezogen – sie saßen in der Festung von Volterra gefangen. Die Syndizi nahmen also am 19. Mai ihre Arbeit auf, und am 27. gaben sie allen Schuldnern acht Tage Zeit, sich bei ihnen zu melden. Am gleichen Tag veröffentlichten sie eine Liste mit achtzig Namen und schickten einen Herold „an alle üblichen Plätze“, der die aufgeführten Schuldner ausrufen sollte. Wenige Tage später sandten sie Briefe an Kaufleute in Brügge, Valencia und Ragusa (Dubrovnik) mit der Aufforderung, ihren Verbindlichkeiten gegenüber den verschiedenen Pazzi-Unternehmen nachzukommen. Ende Juni wurde dann in der von Florenz abhängigen Region Valdisieve eine Auktion abgehalten, auf der Kühe, Ochsen, Kälber, Schweine, Schafe und Ziegen unter den Hammer kamen. Anfang Juli stellten sie Haftbefehle für siebenundzwanzig Schuldner aus, von denen einige so vornehme alte Namen wie Rucellai, Strozzi, Adimari, Baroncelli, Frescobaldi, Gualterotti und sogar Medici (eine unbedeutende Nebenlinie) trugen. Noch später dann schickten sie Vertreter nach Volterra, Valencia, Brügge, Avignon, Lyon „und an andere Orte“, um vor Ort Nachforschungen anzustellen. Gleichzeitig studierten sie akribisch ganze Berge beschlagnahmter Papiere und Kassenbücher.17 In den zwei Jahren, die es dauerte, ihren Auftrag zu erfüllen, kamen die Syndizi zwei- bis dreimal pro Woche zusammen und erstellten eine reichhaltige Akte mit Einträgen über Zahlungseingänge, Verhaftungen, Amnestien, Landbeschlagnahmungen und Verkäufe sowie wörtlich aufgezeichnete mündliche Aussagen und Abschriften ganzer Korrespondenzvorgänge. Dabei kam beispielsweise heraus, dass Renato de’ Pazzi, Hauptteilhaber zweier verschiedener Textilfirmen, eine bedeutende Rolle im florentinischen Wolltuchhandel gespielt hatte und dass sein in Avignon tätiger jüngerer Bruder Niccolò ganz mit den dortigen Familiengeschäften befasst gewesen war. Immer mehr Pazzi-Aktiva wurden bekannt und wenig später versteigert. Anfang September 1480 und dann noch einmal im Oktober kündigten die Syndizi den Verkauf von Immobilien an, die Lorenzo de’ Medicis Schwager Guglielmo gehört hatten. Das Los umfasste zwei Gehöfte, diverse Parzellen Land, vier Häuser und eine Villa. Glanzstück der zum Verkauf angebotenen Liegenschaften in Florenz selbst war ein Palazzo im Herzen der Pazzi-Enklave, vermutlich der von Messer Jacopo, und erworben wurde er von – dem „prächtigen“ Lorenzo. Der Palast verfügte über einen überwölbten Innenhof, eine Loggia, einen Obstgarten, Brunnen, Stallungen sowie „weitere Wirtschafts- und Nebengebäude“. Nicht erwähnt wird in einer solch nüchternen Auflistung die Tatsache, dass der Palazzo das Prestige eines großen Namens trug und dass zum Pazzi-Land auch Wein, Oliven, Weizen, Mehl, Obst, Brennholz und Geflügelzuchtbetriebe gehörten. Die meisten dieser Dinge wurden den Eigentümern bei Bedarf fuderweise in die Stadt gebracht. Keine vermögende florentinische Familie zahlte die hohen Lebensmittelpreise (die zudem versteckte Steuern enthielten), die man Leuten ohne Grundbesitz abforderte. Viele, darunter auch die Pazzi, besaßen sogar eigene Getreidemühlen.18

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Anfang 1481 fingen die Syndizi an, Einzelheiten eines ihrer Hauptziele in Angriff zu nehmen: Messer Jacopos Beteiligung an dem französischen Salzmonopol, ein Geschäft, das schon seinen Vater gelockt hatte. Obwohl bereits die Torre-Beamten versucht hatten, diese Angelegenheit zu klären, schickten die Syndizi im August 1480 zwei gut informierte Florentiner nach Lyon, um genauere Nachforschungen anzustellen und einen Bericht abzufassen. Das Unternehmen, um das es im Speziellen ging, war eine florentinische Handelsgesellschaft in Lyon mit Messer Jacopo, Francesco di Niccolò Capponi und Francesco di Lutozzo Nasi als Teilhabern. Eine ihrer lukrativsten Aktivitäten bestand im Ankauf königlicher Salzladungen zum anschließenden Weiterverkauf in kleineren Mengen. Messer Jacopo und Capponi waren die Hauptinvestoren im Salzgeschäft der Bank, die jedoch auch Gelder von Kleinanlegern annahm. Da die Bank ihre Einkäufe bar bezahlte, aber auch Geld verlieh und Salz gegen Kredit verkaufte, hatte die Firma Schuldner ebenso wie Gläubiger, darunter der König von Frankreich, der König von Neapel, französische Adlige und florentinische Kaufleute. Die drei Partner, die auch in Avignon aktiv waren, hatten in den letzten Jahren riesige Transaktionen getätigt, die sich auf mehrere Hunderttausend Fiorini summierten. All das war jetzt Vergangenheit. Nachdem die Syndizi die Berichte genau durchgesehen und zu dem Schluss gelangt waren, dass sich die Endabrechnung der Lyoner Firma auf Aktiva von über 14.000 französischen Ecus belaufen würde, brachten sie diesen Teil ihres Auftrags zum Abschluss, indem sie Capponi zur Zahlung von 11.500 Fiorini aufforderten. Die Summe sollte – auf dem Papier – an Raniero und Lorenzo Ricasoli gehen, die ihrerseits in der Schuld der lyonesischen Partner standen und den Betrag umgehend an die Gläubiger der Pazzi überweisen sollten. Angesichts der nebulösen Geschäftspraktiken und undurchsichtigen Interessenlage lässt sich nicht mehr rekonstruieren, wer bei dem Salzhandel nun auf der Gewinner-, wer auf der Verliererseite stand. Sobald er von der Verschwörung Kenntnis erlangte, hatte König Ludwig XI. jedenfalls sofort seine Geschäftsbeziehungen zu den Pazzi aufgekündigt. Über die anderen Beteiligten kann man nur spekulieren, aber prozesssüchtige Kaufleute vom Schlage der Ricasoli zählen von jeher zu den Stehaufmännchen einer jeden Volkswirtschaft.19 Nun waren sich die Syndizi durchaus der Gefahr bewusst, Fehlinformationen aufgesessen zu sein, und sie bestimmten deshalb, als sie ihre Arbeit im Mai 1482 einstellten, dass Gläubiger ihr Geld noch zwei Jahre über diesen Termin hinaus erhalten sollten – in Ausnahmefällen sogar noch länger. Die Schwierigkeiten und Verzögerungen waren zumindest teilweise auf die Eile zurückzuführen, mit der der Nachlass eingezogen und neu verteilt wurde. Das beste Beispiel hierfür ist die Misere der Pazzi-Frauen beziehungsweise -Witwen und ihr Kampf um die Rückzahlung ihrer Mitgiften, die ja angeblich durch das Gesetz geschützt waren. Die Prioren und der Wachausschuss hatten mit solcher Hast gehandelt (nur wenige Stunden ließ man nach dem Angriff im Dom untätig verstreichen), um den Pazzi ja keine Gelegenheit zu geben, etwas beiseite zu schaffen – nicht einmal Schmuck oder Bargeld. Die Frauen wurden mit Sicherheit einer Leibesvisitation unterzogen, die Männer ja ohnehin alle verhaftet.

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Renatos Witwe, um nur eines der zahlreichen Opfer des übereilten Rachefeldzugs zu nennen, hatte die erste Klage auf ihre 6000 Fiorini am 22. Mai 1478 bei den TorreBeamten eingereicht. Zwei Monate später und mittlerweile gezwungen, einen Anwalt einzuschalten, legte sie Beschwerde beim obersten Magistrat der Stadt, dem Podestà, ein. Dabei führte sie unter anderem die Gehöfte und anderen Immobilien auf, die ihr Schwiegervater als Sicherheit für ihre Mitgift für den Fall garantiert hatte, dass sie Witwe werden sollte. Die Tatsache, dass sie die Anwaltskosten gleich mit einklagte, deutet darauf hin, dass die Aufwendungen für ihren Rechtsbeistand beträchtlich gewesen sein mussten. Allerdings hatte sie es ja nicht mit einem gewöhnlichen Gericht zu tun, sondern mit zwei Kommissionen (den Torre-Beamten respektive den Syndizi), die jeweils der Exekutive – nicht der Judikative! – unterstanden. Aus diesem Grund wohl dauerte es auch dreieinhalb Jahre, bis ihre Ansprüche anerkannt wurden (am 25. Februar 1482) und die Syndizi zu diesem Zweck per Ausrufer den Verkauf von dreißig Gehöften, zahlreichen Parzellen Land, zwei Landsitzen und mehreren Landarbeiterhäusern verkünden ließen.20 Was aus heutiger Sicht an der vierjährigen Nachlassverwaltung besonders erstaunt, ist die Tatsache, dass die Beamten solche Mühe hatten, die Forderungen der Gläubiger zu erfüllen. Allein die Kleidung und Wäsche der Pazzi muss auf dem damals blühenden und ungemein einträglichen Second-Hand-Markt mehrere Tausend Fiorini gebracht haben. So wurden, um nur ein Beispiel zu nennen, zwei Bettlaken aus ihrem Besitz für acht Fiorini verkauft. War es möglicherweise so, dass die Stücke allein um der Geschwindigkeit willen auf den entsprechenden Auktionen zum Niedrigstpreis verscherbelt wurden? Erhielten gewisse Käuferkreise Sonderkonditionen? Die Forderungen der Gläubiger können jedenfalls unmöglich auch nur annäherend an den Wert des Gesamtnachlasses herangereicht haben, der sich in der Größenordnung von 150.000 Fiorini bewegt haben muss. Schließlich betrug das Vermögen florentinischer Mittelstandsbürger, vorwiegend Kaufleute aus der Textilbranche, meist zwischen 20.000 und 30.000 Fiorini. Obwohl die Otto und die Prioren die Schulden der Pazzi unverzüglich auf 40.000 bis 50.000 Fiorini festlegten, bleibt der Ursprung dieser Schätzung ein Rätsel. Es wurden keine Belege genannt. Doch selbst wenn wir diese Summe als korrekt anerkennen, stellt sich die Frage, was mit dem Rest des Vermögens passierte. Das Banken- und Salzgeschäft in Lyon lief so blendend, dass diese Firma alle ihre Gläubiger bequem ausbezahlt haben dürfte. Jegliche Pazzi-Besitztümer in Rom, die mit der Kurie in Verbindung standen, wurden zweifelsohne mit päpstlicher Hilfe zurückgehalten. Und höchstwahrscheinlich gelang es, in Brügge etwas für die Familie zu retten. Aber wo landete der Rest? Im florentinischen Staatssäckel? Gewiss nicht. Es war nicht die Art der Florentiner, die republikanische Kommune vor die Interessen privater Gläubiger zu stellen, sofern nicht eine politische Vendetta im Spiel war. Die überwältigende Mehrheit der Forderungen, die gleich zu Anfang gegen die Pazzi eingereicht wurden, waren Klein- und Kleinstbeträge, zumeist nicht mehr als zwei oder drei Fiorini.21

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Die Syndizi beendeten ihre Tätigkeit mit dem Bemühen, noch einmal 11.000 Fiorini aufzutun, um die letzten Pazzi-Gläubiger zu befriedigen. Zu diesem Zweck wandten sie sich – in einem Akt offenbar echter Verzweiflung – zuerst an den verbannten Guglielmo und die vier jungen Männer, die in der Festung von Volterra einsaßen, und mahnten diese schriftlich und später auch per Mittler an, Geldbeträge auszuhändigen und die Zusage zu geben, bei der Eintreibung weiterer Außenstände behilflich zu sein. Glaubten sie allen Ernstes, die noch lebenden Pazzi hätten irgendwo eine Schatztruhe voll Gold vergraben? Zwar ist bekannt, dass Guglielmo seine Freiheit bald dazu nutzen würde, insgeheim verbliebene Aktiva und Immobilien sicherzustellen, doch können ihm diese bestenfalls einen Hungerlohn eingebracht haben – es sei denn, in Rom wurden große Werte zurückgehalten, die dank Papst Sixtus’ schützender Hand dem Zugriff entzogen worden waren. Florenz jedenfalls scheint von dem sequestrierten Vermögen in keiner Weise profitiert zu haben.22 Unterm Strich sieht es folglich so aus, als hätte man den Pazzi-Nachlass Treuhändern übergeben, die extrem fahrlässig mit gewissen Forderungen und Schulden umgingen oder aber in höchstem Maße korrupt waren und keine Skrupel hatten, auf Schleichwegen in die eigene Tasche zu wirtschaften. Immerhin ging es um Summen von gewaltigem Ausmaß. Aber die florentinische Literatur des 15. Jahrhunderts ist gespickt mit Anschuldigungen eigenmächtiger Bereicherung und „legalen“ Diebstahls.23 Francesco de’ Pazzi wurde noch am Tag des Anschlags gehenkt, sein Onkel Jacopo und sein Vetter Renato zwei Tage später hingerichtet. Sein Bruder Guglielmo entging der Todesstrafe, aber nur, weil sich Bianca de’ Medici bei ihrem Bruder Lorenzo für ihren Ehemann einsetzte. In den ersten Wochen nach dem Mordanschlag, bis er sich von dem Schock erholt hatte und wieder klar zu denken vermochte, muss Lorenzo seinen Schwager sehr wohl mit den Verschwörern in Verbindung gebracht haben, denn der oft zitierte florentinische Familiensinn legte einfach nahe, dass alle Männer eines Klans dieselben guten und schlechten Eigenschaften besaßen. Anfangs auf einem Landsitz seiner Frau unter Hausarrest gestellt, durfte sich Guglielmo ab September 1480 wieder relativ frei bewegen. Nach Florenz selbst hatte er jedoch keinen Zutritt. Ob er sich wohl jemals heimlich in die Nähe seiner Heimatstadt begeben hat, um einen wehmütigen Blick auf ihre Dächer und Kirchtürme zu werfen – auf den „Turm der heiligen Stadt [den Himmel]“, wie Dante es ausdrückte? Oder erinnerte er sich eher voll Verbitterung an die berühmteren Zeilen über „die Stadt der Schmerzen [die Hölle]“ mitsamt ihrem „verlornen Volke“?24 Renatos Bruder Andrea, kurz nach seiner Flucht aus Florenz ergriffen, kam mit dem Leben davon. Er und seine beiden jüngeren Brüder Niccolò und Galeotto wurden wie bereits erwähnt zu lebenslanger Haft verurteilt und bald darauf nach Volterra überstellt, wo sie später auch von den Kommissionären der Syndizi befragt wurden. Auch Guglielmos Bruder Giovanni verbüßte im Festungsturm von Volterra eine Kerkerstrafe.

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Nachdem die verfluchten Pazzi aus Florenz fortgeschafft und ihre entfernteren Verwandten gezwungen worden waren, Nachnamen und Wappen zu ändern, mussten nur noch ihr Besitz konfisziert und ihre Gläubiger abgefunden werden. So wenigstens schien es. Doch bald stellte sich heraus, dass Name und Nimbus des Hauses Pazzi sich nicht so einfach ausradieren ließen, was den Wachausschuss mit einer Vielzahl nicht konkret greifbarer Sachverhalte konfrontierte. Wie die erwähnten Abstimmungsergebnisse in den großen Ratsgremien zeigten, verfügte die Familie über eine ganze Reihe heimlicher Sympathisanten in der Stadt. Und bestimmt gab es noch mehr Männer wie Alamanno Rinuccini, deren Wertschätzung mit der Zeit wuchs und, wie wir sehen werden, in Bewunderung umschlug. Doch selbst wenn die Bürger keine dezidierte Vorliebe für die Pazzi hatten, wenn sie die Medici ablehnten oder sogar hassten, konnte der machthabende Zirkel nicht auf ihre Unterstützung bei Aktionen gegen die verfluchte Familie rechnen.25 Renatos auf freiem Fuß befindlicher Bruder Antonio, der Bischof von Sarno und Mileto, war der Welle der Vergeltungsmaßnahmen entkommen. Ihm würde 1482 ein weiterer Pazzi-Bischof im Königreich Neapel nachfolgen, Andrea di Giovanni, und Bischöfe besaßen immer beträchtliches Gewicht. Noch bedeutsamer freilich war, dass der Papst seinen Einfluss nach wie vor zugunsten der Pazzi geltend machte und auch König Ferrante die Familie weiterhin unterstützte. Vergessen wir nicht, dass zu den Auflagen, die Florenz erfüllen musste, unter anderem die Umwandlung der lebenslangen Haftstrafe der jungen Pazzi in einfache Verbannung gehörte. Doch auch der Wachausschuss verfügte, was die Einschüchterung und Verfolgung seiner Feinde anging, über einen langen Arm. So wurden die politischen Exilanten – darunter auch die, deren „Sünden“ bis in das Jahr 1434 zurückreichten – nicht nur bespitzelt, sondern mussten auch in ständigem Kontakt zu den Otto stehen. Sie waren verpflichtet, sich regelmäßig bei ihnen zu melden – einmal im Monat, manchmal aber auch wöchentlich – und nachzuweisen, dass sie sich nach wie vor an dem Ort aufhielten, an den sie verbannt worden waren. Alle entsprechenden Schriftstücke mussten ein notariell beglaubigtes Siegel tragen. Kam ein Delinquent dieser Anordnung nicht nach, stempelte ihn das automatisch zum „Rebellen“. Sein verbliebenes Vermögen konnte daraufhin eingezogen werden, und er war nach florentinischem Gesetz „vogelfrei“. Wer einen solchen Rechtsbrecher umbrachte, konnte unter Umständen sogar noch eine Belohnung einfordern.26 Dazu kamen weitere Schikanen. Jeglicher verbaler Kontakt zwischen Exilanten und Florentinern wurde überwacht. Kein an einen Verbannten gerichteter Brief durfte die Stadt verlassen, wenn er nicht zuvor vom Wachausschuss gelesen und versiegelt worden war. Und wenn ein florentinischer Bürger einen Verbannten treffen wollte – sei es Verwandter, Freund oder Geschäftspartner –, musste er vorher die Genehmigung der Otto einholen. Gleichermaßen war keine Post nach Florenz zugelassen, die die „Acht“ nicht inspiziert hatten, und obendrein konnten diese auch Spione an den Orten platzieren, wo die Exilanten Aufenthalt genommen hatten. Um wichtige Verbannte wie die

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Albizzi, die Acciaiuoli, die Neroni und Niccolò Soderini zu überwachen, scheuten die „Acht“ weder Aufwand noch Kosten. In besonders kritischen Momenten beschäftigten sie dazu bis zu vierzig Leute. Wagten es Mütter oder Ehefrauen, ihre Lieben ohne Einverständnis des Wachausschusses zu treffen oder ihnen unerlaubt zu schreiben, riskierten sie damit zwei Jahre in einem Gefängnis mit berüchtigten Haftbedingungen (le Stinche) sowie eine Geldstrafe von 200 Fiorini. Rache und Vergeltung gingen in der florentinischen Politik vom Vater auf den Sohn über. Der Verlust der Gunst der Führungsriege bedrohte Grundbesitz und anderes Vermögen, weckte Furcht und Zorn und schürte ewigen Hass. Dies wiederum erklärt die „totalitären“ Sicherheitsvorkehrungen des Wachausschusses. Da sie sehr gut um die Marter und Entbehrungen des Exils wusste, die politischen Aspekte aber als Übeltat oder Verrat ansah, fürchtete die Medici-Oligarchie, und zwar sicher nicht zu Unrecht, dass Exilanten ständig versucht waren, zu konspirieren und die Unterstützung auswärtiger Feinde von Florenz zu gewinnen. Ob der Argwohn der Medici-Partei gerechtfertigt war? Extreme Maßnahmen konnten Verzweiflungstaten gebären. War ein Exilant einmal zum „Rebellen“ erklärt – sei es, weil er ohne Erlaubnis umhergereist oder mit einem erklärten Feind zusammen gesichtet worden war –, wurde in der Tat ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Besaß jemand also Freunde und Bekannte in hohen Positionen außerhalb der Machtbereichs der Familie, war die Verlockung, sich einer Intrige gegen die herrschende Schicht daheim anzuschließen, folglich groß. Was hatte man schließlich noch viel zu verlieren?27 Der Mordanschlag auf Lorenzo im Juni 1481 war das Komplott dreier Florentiner, die von tödlichem Hass auf den Mann getrieben waren. In den 1470er und 90er Jahren bereisten Neri Acciaiuoli und Giovanni Altoviti fast die ganze Halbinsel, um finanzielle und militärische Hilfe aufzutun und einen probaten Weg zu finden, Lorenzo zu beseitigen – sei es mittels Klinge, Gift oder aus dem Hinterhalt. War ein Exilant zum „Rebellen“ geworden, fahndeten die Otto und die Torre-Beamten oft über Jahre hinweg akribisch nach irgendwelchen Resten seines Vermögens – ein Haus in Pisa, ein Stückchen Land irgendwo anders. Und zwar nicht nur unter dem Aspekt einer „gerechten“ Bestrafung, sondern vor allem, um ihn von jeglichen Einkünften abzuschneiden, die seine „verräterischen Umtriebe“ womöglich unterstützten. Neri Acciaiuoli, der 1466 gemeinsam mit seinem Vater (und für dessen Vergehen!) verbannt worden war, hatte zusehen müssen, wie er in bittere Armut geriet, und hasste Lorenzo deshalb aus tiefster Seele. 1482 behauptete Cola Montano, Guglielmo de’ Pazzi stünde in Verbindung mit anderen Agitatoren und sinne auf neue Wege, den Herrn von Florenz aus dem Weg zu räumen. Siebzehn Jahre nach Niccolò Soderinis „zivilem Ungehorsam“ und seiner Flucht ins Exil (1466) hatten Wachausschuss und Torre-Beamte noch immer nicht aufgehört, nach bislang unentdecktem Haus- und Grundbesitz zu suchen und diesen bei Erfolg zu veräußern. Im Verlauf der Ermittlung sichteten die Syndizi und die Torre-Beamten – so fragwürdig ihre Handhabung des Pazzi-Nachlasses ansonsten auch war – auf ihrer uner-

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Abb. 11 Pazzi-Altarbild, Andrea del Castago zugeschrieben. Zwei Pazzi-Kinder, Renato und seine Schwester Oretta, sind unten links und rechts zu sehen.

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bittlichen Jagd nach Vermögenswerten, Schuldnern und Gläubigern viele tausend Seiten Material. Den Beweis dafür fand man Jahre später, als Beamte im September 1486 ein Inventar der Pazzi-Geschäftspapiere aufstellten, die die beiden Kommissionen in Händen gehabt hatten. Die Liste umfasste nicht weniger als 56 kleinere Notizbücher, acht Bündel Papier sowie 127 Rechnungsbücher und Bestandsverzeichnisse, von denen zwölf dokumentierten, was mit dem konfiszierten Vermögen geschehen war. Der Rest waren Hauptbücher, Kontobücher, Kassenbücher, Inventarlisten und Besitzverzeichnisse, Grundbücher und dergleichen mehr. Leider ist praktisch keines davon erhalten.28 Und noch etwas anderes wurde sehr wahrscheinlich vernichtet, wenngleich diese Angelegenheit möglicherweise nie aufgeklärt werden wird: Es scheint nämlich kein einziges Porträt eines erwachsenen Mitglieds der Familie Pazzi aus dem 15. Jahrhundert mehr zu geben (siehe Abb. 11). Angesichts des Stellenwertes, den die Malerei im Quattrocento genoss, ist kaum vorstellbar, dass ein solches Haus, dem es weder an Stolz noch an Geld mangelte, nicht eine Vielzahl von Bildnissen besessen hat. So wissen wir beispielsweise, dass zwischen 1452 und 1462 mindestens fünf der Pazzi-Mädchen – zwei von Guglielmos und drei von Renatos Schwestern – bei ihrer Hochzeit Brauttruhen mit in die Ehe brachten, auf denen klassische oder „moderne“ Liebesszenen abgebildet waren, die aus der Werkstatt des führenden Cassoni-Malers der Stadt, Apollonio di Giovanni, stammten. Zumindest von Messer Jacopo, Messer Piero, Renato de’ Pazzi und ihren Gemahlinnen hat es mit Sicherheit Porträts gegeben. Ich vermute deshalb, dass bei der Beschlagnahmung der beweglichen Pazzi-Habe Order gegeben war, alle existierenden Bildnisse zu vernichten. Schließlich passte das in die Kampagne, alle ehrwürdigen Erinnerungen an die Familie auszulöschen. Und sollte wider Erwarten doch das eine oder andere dieser Porträts überdauert haben, wurden mit Sicherheit alle Wappen oder anderen Erkennungsmerkmale beseitigt, und die Bilder beziehungsweise die darauf dargestellten Personen versanken in namenloser Anonymität.29

Porträt: R in u cc i n i Alamanno Rinuccini (1426–99)1 Der Bürger Eleutherius (der Freiheitsliebende) hat sich aus Florenz auf seinen bescheidenen Landsitz weit jenseits der Stadtmauern zurückgezogen. Zwei gute alte Freunde, Alitheus (der Wahrheitsliebende) und Microtoxus (der Vermittler), besuchen ihn für ein paar Tage, weil sie wissen wollen, warum er der Stadt und dem öffentlichen Leben den Rücken gekehrt hat, obwohl die Republik Politiker, die sich aktiv für die Freiheit einsetzen, dringend benötigen würde.2 Die drei Männer beginnen ein angeregtes Gespräch. Alitheus betont die lange Tradition von Florenz als Hort politischer Freiheit und definiert Freiheit als Fähigkeit zu aufgeklärtem Handeln. Im Rahmen des folgenden Meinungsaustauschs beklagt Eleutherius die Praktiken der derzeitigen politischen Führungsriege: Die höchsten Ämter in Florenz würden über Bestechung oder durch manipulierte Wahlen vergeben, wo die öffentlichen Angelegenheiten doch eigentlich in den Händen charakterlich untadeliger Männer aus vornehmem Hause liegen sollten.3 Alitheus greift dieses Thema auf und reitet eine Attacke gegen Lorenzo de’ Medici, der die verdienten Anführer zu willfährigen Knechten degradiert. Die Männer in den Ratsgremien haben Angst, ihre Meinung zu äußern, und schweigen dementsprechend. Die Bürger reagieren mit Apathie. Recht bekommt im Regelfall der, der am meisten zahlt oder aber die besseren Beziehungen zu den Machthabern hat. Die Regierung umgibt sich mit Ja-Sagern. Den Wachausschuss als willfähriges Instrument benutzend, hat Lorenzo sogar schamlose Verbrecher aus dem Gefängnis geholt. Die Steuergesetzgebung begünstigt die Elite der Superreichen. Wie konnte so etwas passieren – zumal uns, deren mutige Vorfahren benachbarte Stadtstaaten besiegten und grausame Tyrannen abwehrten? Alitheus empfiehlt sogar, den momentanen Pazzi-Krieg dazu zu nutzen, Lorenzo abzusetzen und zur Freiheit zurückzukehren. Am nächsten Morgen setzen die Männer die Unterhaltung fort. Microtoxus führt ins Feld, dass jeder Einzelne die moralische Verpflichtung habe, dem Gemeinwesen zu dienen, und merkt an, dass die Vorfahren ihres Gastgebers dieser Pflicht als Steuerzahler wie auch als Beamte der Republik nachgekommen seien. Verrät Eleutherius nicht sein Erbe und lädt er sich nicht Schande auf, wenn er jetzt ganz für sich und für seine

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einsamen Studien lebt? Eleutherius antwortet darauf mit einem Argument des Stoizismus: Als jemand, der Philosophie studiert habe, sagt er, suche er Leidenschaften wie das Streben nach Reichtümern und eitlen Ehren zu meiden. Bemühungen dieser Art führten doch lediglich zu Kummer und Sorge. Das einzige Ideal, für das sich zu leben lohne, sei Gelassenheit; sie sei der einzige Weg zum Glück. Als er, um seinen moralischen Verpflichtungen Genüge zu tun, diverse Ämter bekleidete, sei ihm bewusst geworden, dass er damit Lorenzo und seinem Kreis von Speichelleckern nur in die Hände spiele. Nachdem er sich in der Regierung de facto von Kriminellen umgeben gesehen habe, habe er beschlossen, es sei das Beste, sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen.4 Dem mag wohl so sein. Aber wird er sich umstimmen lassen? Nein. Die politische Korruption ist in Florenz inzwischen so allgegenwärtig, dass er bei den Usurpatoren um ein Amt betteln müsste, obwohl es ihm durch Geburtsrecht zustehen sollte. Und unter den gegebenen Umständen wäre eine solche Bettelei eindeutig schlimmer als sein Rückzug aus der Politik. Und noch ein anderer Punkt: Der derzeitige Krieg mit König Ferrante ist weniger ein Kampf um die Freiheit von Florenz. Vielmehr geht es dabei darum, Florenz in knechtischer, ja kniefälliger Abhängigkeit von Lorenzo zu halten. In anderen Worten: Der Herr von Florenz und seine Regierung stehen unter Anklage. Dieses Gespräch, ganz offensichtlich historische Fiktion, ist nichtsdestoweniger eine Zusammenfassung des traurigen politischen Testaments von Alamanno Rinuccini, des geheimen Dialogus de libertate (Dialog über die Freiheit). Rinuccini selbst ist der Bürger Eleutherius, der sich, angewidert von Florenz, abgewandt und aufs Land zurückgezogen hat. Im Jahr nach der April-Verschwörung geschrieben, sollte das kurze Stück erscheinen, wenn der Pazzi-Krieg vorüber und Lorenzo gestürzt war. Dann allerdings wurde diese Arbeit erst sehr viel später bekannt und gedruckt – nach dem Zweiten Weltkrieg. Rein rational gehalten und frei von jedem christlichem Bezug, folgt der Dialogus in seinem logischen Aufbau einer „heidnischen“ Argumentation und steht somit viel mehr in der Tradition eines Cicero, Platon, Aristoteles oder der Stoiker als in jener der frühen Kirchenväter oder Gelehrten des Mittelalters. Aber was wissen wir über den Verfasser? Alamanno Rinuccini war der rede- und schreibgewandte Vertreter einer oppositionellen Untergrundbewegung und der wohl scharfsichtigste Beobachter der politischen Bühne von Florenz, dazu ehrgeizig, streitbar und hochgebildet. Er kannte Lorenzo und alle Intellektuellen, mit denen der maestro sich umgab. Er galt als Freund, bekleidete eine ganze Reihe hoher Ämter und sympathisierte scheinbar mit dem Zirkel der Machthaber. Hinter den Kulissen jedoch bemerkte er bereits zur Zeit der April-Verschwörung missfällig, dass il Magnifico immer umfassender die Macht an sich riss und die florentinischen Patrizier zu Handlangern degradierte. Infolgedessen begann Rinuccini insgeheim, die Pazzi zu bewundern, und bedauerte dementsprechend auch das Scheitern ihres Komplotts. Von einem „mannhaften und großmütigen Geist“ beflügelt,

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notierte er in seinen Memoiren und dem Dialogus, seien die Pazzi angetreten, „mit dem gerechten und ehrenwerten Ziel, ihr Land zu befreien“. Es sei „eine höchst glorreiche Tat (facinus gloriosissimum)“ gewesen, ein Versuch, der „immerwährendes Lob“ verdiene. Doch „leider wurden sie von fortuna geschlagen“.5 Der Aufstieg der Familie Rinuccini begann im 13. Jahrhundert, und Mitte des 14. hatte sie sich einen festen Platz in der Geschichte von Florenz erobert. Damals diente Alamannos Urgroßvater, der Kaufmann und Ritter Messer Francesco, fünf Amtszeiten in der Signoria – ein möglicherweise einmaliger Rekord. Obendrein verfügte er über immensen Reichtum und war jahrelang der größte Steuerzahler der Arnostadt. Obwohl sie später an politischer Bedeutung verlor, blieb die Familie bis in die 1430er Jahre hinein im vordersten Teil der Steuerliste. Die Rinuccini wohnten nicht weit von den Pazzi und den Albizzi im östlichen Viertel der Stadt.6 Wie in vielen florentinischen Familien der Oberschicht üblich, wurde Alamanno für eine spätere Tätigkeit im Handel und Bankwesen erzogen, erhielt darüber hinaus aber auch Unterricht in Latein und Griechisch – nicht nur, weil die Familie stolz auf seine schon früh erkennbare literarische Begabung gewesen wäre (sein Großvater Cino war ein berühmter Dichter und Polemiker), sondern auch, weil eine klassische Bildung inzwischen für Knaben der Oberschicht als Muss galt. Alamannos Vater erbte ein großes Vermögen, konnte es aber, nicht zuletzt aufgrund der ruinösen Vermögens- und Einkommensteuern der 1430er und 1440er Jahre, nicht zusammenhalten. Alamanno selbst, der in einer schwierigen Zeit aufwuchs, als vorsichtige, aber deutliche Kritik an den Steuergesetzen in aller Munde war, hatte entweder kein Talent für den Handel oder kein Interesse daran, was dazu führte, dass er in späteren Jahren häufig gezwungen war, seine privaten Bezüge aus Mieten und Pacht durch Einkünfte aus öffentlichen Ämtern aufzubessern. Seine Vorlieben allerdings lagen anderswo. Zwischen 1440 und 1460 besuchte er wiederholt Vorlesungen über Rhetorik und Philosophie an der Universität von Florenz und begann schließlich – mittlerweile einer der anerkanntesten Hellenisten der Stadt – griechische Werke (insbesondere Plutarch) ins Lateinische zu übertragen.7 Doch die Politik – auch Plutarchs Vitae sind voll davon – sollte Alamanno zeitlebens nicht loslassen. Finanzstarke florentinische Familien wie die Rinuccini schlossen entweder die strategisch nötigen Ehen und bewarben sich um öffentliche Ämter – oder sie wurden von den parteilichen Steuerbehörden ausgenommen, die sie häufig als leichte Beute ansahen. Im ausgehenden 14. Jahrhundert bekamen die Rinuccini nach Angaben eines Historikers Ärger mit der republikanischen Oligarchie und wurden daraufhin für rund fünfzig Jahre von allen wichtigen Ämtern ausgeschlossen. Der Grund dafür ist nicht bekannt. In der ohnehin kurzen Passage seines Dialogus de libertate, in der er im Schnellverfahren seine Familiengeschichte erzählt, überspringt Alamanno den politischen Schatten, der über diesem halben Jahrhundert liegt, sehr elegant, obwohl gerade in dieser Zeit der frühen Medici-Oligarchie seine Familie von Steuern besonders geplagt wurde. Ende der 1450er Jahre war das Haus aufgrund ständig

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schwindender Finanzkraft der Hauptlinie auf den Rang mittelmäßiger Kaufleute abgesunken, obwohl ihr Name und ihr gesellschaftlicher Stand nach wie vor hoch angesehen waren: Sie konnten immer noch erwarten, sich sehr gut zu verheiraten. In seiner Steuererklärung für das Jahr 1447 beklagte einer von Alamannos Onkeln, dass ein Großteil seines Vermögens „in den Besitz der florentinischen Gemeinde übergegangen ist, wegen der gewaltigen und unlauteren Steuerbelastung, die man [uns] aufgebürdet hat. Gott gebe mir Geduld und vergebe jenen, die die Schuld daran tragen.“ Dass nicht weniger als drei von Alamannos Brüdern eine geistliche Laufbahn einschlugen, hing, wenn man die Sitten der Zeit berücksichtigt, sicherlich ebenfalls mit der Finanzmisere zusammen. Die Kirche bot Männern ihres Standes und ihrer Bildung immerhin noch ein sicheres Auskommen und Aufstiegsmöglichkeiten.8 1469 belief sich Alamannos Nettovermögen auf bloße 1569 Fiorini und ermöglichte ihm durch Immobilien und Investmentkapital gerade noch einen bescheidenen Lebensstil. Einen Teil hatte er als „Festgeld“ bei der Pazzi-Bank angelegt, wobei der Zinssatz im Ermessen des Bankiers lag, gewöhnlich aber etwa sieben oder acht Prozent betrug. Da Alamannos Vater bis 1462 lebte, dürfen wir davon ausgehen, dass er alles über die politischen Probleme der Familie zu Anfang des Jahrhunderts mitbekommen hatte. Doch wie gesagt schweigt er sich über diese Zeit aus.9 Nicht zuletzt wegen seines leicht aufbrausenden Temperaments – einmal war er sogar verhaftet (dann aber freigesprochen worden), weil er seinen Bruder Francesco tätlich angegriffen und verletzt hatte – bewegte sich Alamanno auf einem schmalen Grat zwischen offener Kooperation mit den Medici und geheimer Opposition. Sein Intellekt und sein alter Familienname, die Einheirat in eine der politisch einflussreichsten Familien (die Capponi) sowie seine öffentliche Hofierung der Medici, all das trug dazu bei, dass sein Name in die Wahlbeutel für die begehrten Ämter gelangte; 1460 wurde er für eine Amtszeit in die Signoria gewählt, später in viele andere hohe Positionen. Einmal wäre er sogar fast Gonfaloniere di giustizia geworden. Umso überraschender mutet es an, dass er im Mai 1466 die Anti-Medici-Petition der republikanischen „Reformer“ unterzeichnete. Dann aber gelang es ihm, trotz dieses „Verrats“ 1466 (im September), 1471 und 1480 in die mediceischen Balìe berufen zu werden, die allesamt dafür eintraten, immer mehr Macht in den Händen von immer weniger Männern zu konzentrieren. Trotzdem bezichtigt er in seinen Erinnerungen (Ricordi) über diese Jahre Lorenzo de’ Medici der Unterdrückung, der Gewaltherrschaft und Korruption und bezeichnet seine Balìa von 1480 wörtlich als „tyrannisch“.10 Seine Memoiren zeigen, ebenso wie der Dialogus, dass Alamanno die MediciOligarchie mit ihren „nichtswürdigen“ Parvenüs verabscheute. Gleichzeitig aber hatte er keine Hemmungen, um die Gunst der Mächtigen zu buhlen, und er widmete fünf seiner Übersetzungen, Auszüge aus Plutarchs Vitae, Piero de’ Medici und dem jungen Lorenzo.11 Im Rahmen seiner wichtigsten diplomatischen Mission nach Rom in den Jahren 1475/76 berichtete er den Prioren von Sixtus’ Verärgerung über den Herzog von Mai-

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land und zitierte sogar, dass der Papst während eines Wutanfalls gedroht habe, „ihn [den Herzog] zu exkommunizieren wie einen Hund!“. Stets auf das Wohl seines Sforza-Patrons bedacht, reagierte Lorenzo auf diesen Bericht ebenfalls sehr emotional, und Alamannos Mission wurde abgebrochen. Der Gelehrte war entsetzt und beschämt, schrieb aber weiterhin freundliche Briefe an seinen verärgerten capo und ließ ihm auch gelegentlich nach einer Jagd als Geschenk ein gutes Stück Wildbret überbringen. War dieses Verhalten nun einfach nur scheinheilige Heuchelei, ein Versuch, die Gunst zurückzugewinnen, um erneut ein hohes Amt bekleiden zu können?12 Nun dürfen wir die moralischen Grundsätze eines Mannes natürlich nicht nach unseren heutigen Maßstäben beurteilen. Betrachten wir Alamannos Haltung also vor dem Hintergrund seiner eigenen Zeit: Genau wie Venedig war auch Florenz ein eigener Staat und, wenn man den glühenden Patriotismus berücksichtigt, fast eine eigene Nation. Männer aus der Mittel- und Oberschicht – von ihren Ehefrauen ganz zu schweigen – konnten normalerweise nicht einfach von einer Stadt oder Region in eine andere umziehen und dort eine neue berufliche Laufbahn oder ein neues Geschäft begründen. Eine derartige horizontale Mobilität unter den begüterten Klassen ist eher ein Merkmal der modernen Gesellschaft. Selbstverständlich reisten florentinische Kaufleute ins Ausland, um dort ihren Geschäften nachzugehen, und häufig hielten sie sich auch längere Zeit dort auf. Doch sie kamen immer wieder heim. Ihr Zuhause war la vera città, die wahre Stadt, in der sie durch ihre Familie, ihre Identität, ihre Ehe und ihre Freunde verwurzelt waren. Solange sich ein ranghoher Florentiner wie Alamanno nicht für ein freiwilliges Exil entschied – und sich damit, de facto wie ein Geistlicher, von seiner ganzen bisherigen Welt lossagte –, hieß es folglich, sich mit den Umständen abzufinden und das Beste daraus zu machen. Und da sich das angestrebte persönliche Los am besten im Rahmen des öffentlichen Lebens gestalten ließ, ging man – und sei es zähneknirschend – mit diesem konform und bemühte sich um ein politisches Amt. Viele Hundert Florentiner Familienoberhäupter machten genau dasselbe wie Alamanno: Sie taten, als würden sie mit dem Medici kooperieren. Trotzdem: So wie die vierhundert Reformer des Jahres 1466 (nicht mitgerechnet die vielen anderen, die zu vorsichtig gewesen waren, das republikanische Bekenntnis zu unterschreiben) und wie die Gesetzgeber, die sich Lorenzos Zirkel 1470 und 1471 zunächst entgegenstellten, dann aber doch zur Kooperation entschlossen, machten die Bürger zwar mit der Führungsriege gemeinsame Sache, hofften dabei aber gleichzeitig auf eine Befreiung von der Medici-Herrschaft. Sie warteten aufmerksam ab. Sie hielten die Augen offen nach Möglichkeiten, die eine erweiterte Wählerschaft zuließen. Sie spielten in den Ratsgremien auf Zeit. Und sie stimmten bei geheimen Wahlen gegen die Regierung. Als es 1479 so aussah, als würde der Pazzi-Krieg Lorenzo zum Verhängnis werden, und viele Florentiner der Überzeugung waren, dass seine Tage gezählt waren, wurde selbst der treue Poliziano (seines Zeichens selbst kein Florentiner) von der Angst gepackt und verließ die Stadt. Verständlicherweise eilte Lorenzo 1480, nach etwas über

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drei Monaten Aufenthalt in Neapel, schnellstens zurück nach Florenz, weil er fürchtete, dass sein Stern im Sinken war – was ja auch tatsächlich der Fall war. Seine engsten Berater hatten ihn zur Heimkehr gedrängt, da sie wussten, dass selbst in den mächtigsten politischen Gremien entschlossene Gegner saßen. Alamanno war ein leidenschaftlicher Politiker, den seine große Familie nicht zufällig für ein öffentliches Amt bestimmt hatte. Extravertiert, scharfsinnig und hochgebildet, schien er der ideale Kandidat, um dem Haus Rinuccini wieder einen festen Stand in den Reihen der Machthaber zu sichern. Seine Unterzeichnung des Bekenntnisses von 1466, die wohl in Zusammenhang mit seiner humanistischen Bildung gesehen werden muss, weist auf eine Neigung zum römischen Republikanismus hin – ebenso wie übrigens auch der Beifall, den er den mailändischen „Tyrannenmördern“ zollte, die 1476 Galeazzo Maria Sforza umbrachten. Die Tatsache, dass er seine Plutarch-Übertragungen den Medici widmete, scheint die Behauptung zu rechtfertigen, dass er – bis zu seinem Zerwürfnis mit Lorenzo – offen auf ihrer Seite stand. Sein Bekenntnis zur Republik und der Umstand, dass er noch im gleichen Jahr in die mediceische Balìa gewählt wurde, legen freilich nahe, dass er unschlüssig war und womöglich sogar versuchte, seine öffentliche Parteinahme für die Medici in eine private Gesinnung umzumünzen. Ein paar Jahre lang, vor allem zwischen 1460 und 1470, fühlte er sich von der platonischen Vorstellung des weisen und gerechten Herrschers angesprochen, der mit Zustimmung des Volkes regiert. Und möglicherweise verknüpfte er diese Vorstellung mit dem Gedanken einer Adelsrepublik, in der die Medici eine tonangebende Rolle spielten. Ein solcher Standpunkt hätte es ihm jedenfalls ermöglicht, ihnen einerseits guten Gewissens die Stange zu halten, gleichzeitig aber eine gewisse ironische Distanz zu wahren, bis er Lorenzos Gunst verlor und sich entschieden gegen ihn wandte.13 In seiner Absicht, eine kraftvolle politische Botschaft zu übermitteln, weist Alamannos Dialog über die Freiheit jedenfalls deutlich übersteigerte Züge auf, und zwar sowohl hinsichtlich der Idealisierung der prämediceischen Republik als auch in den harschen Anschuldigungen. Der Angriff auf den verderbten, ja kriminellen Charakter von Lorenzos Regierung ist in die Sprache des großen Redners und Staatsmannes Cicero gebettet. Nimmt man diese weg, bleiben die zweifelhaften Elemente der Medici-Herrschaft: die Schmeichelei und Korruption, die Lorenzos landesweites Klientennetz und seine „Freundschaften“ begleiten. In dieser kurzen Arbeit versucht Alamanno eine Quadratur des Kreises, an der er selbst mitgewirkt hat. Verlassen wir aber die imaginäre Welt des Dialogus und zwingen auch ihn zum Rückzug aus dieser Scheinwelt, belastet er sich durch sein Verhalten automatisch selbst. Denn die gesamten 1480er Jahre hindurch, ja bis zur Zeit von Lorenzos Tod, bekleidete er immer wieder auch hohe Ämter und trug so – immer vorausgesetzt, seine Integrität war echt – dazu bei, eine Regierung reinzuwaschen, die er an anderer Stelle als kriminell bezeichnete. Seine Geschichte ist die traurige Geschichte ganzer Generationen von Bürgern, die sich dafür entschieden, mit den Medici zusammenzuarbeiten, indem sie sie entweder

Alamanno Rinuccini (1426–99)

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aktiv unterstützten oder unter ihrer Schirmherrschaft ein Amt übernahmen. Viele warteten und hofften auf den Tag, an dem die hohe Familie ihre Vormachtstellung verlieren würde. Doch als es endlich so weit war und die Karten neu gemischt wurden, sorgten ein neues Drehbuch und neue Darsteller auf der politischen Bühne auch für neue, nicht minder gravierende Schwierigkeiten.

L ore nzo: Landesh er r u n d B ü r g e r Die Maske fällt An einem Vormittag im Januar 1489 wurde der Gesandte des Herzogs von Ferrara in Florenz Zeuge eines ungewöhnlichen Schauspiels.1 Lorenzo war am Tag zuvor von einem seiner Landsitze zurückgekehrt und hatte den Gesandten zufällig im Dom getroffen, wo sich die beiden kurz unterhielten. Da das Gotteshaus nicht der rechte Platz für ein vertrauliches Gespräch schien, verabredeten sie sich für den nächsten Tag. Auf seinem Weg zum Palazzo Medici am Morgen des 19. Januar nun stieß der Gesandte auf eine bedrohliche Menschenmenge: [Es herrschte] großer Tumult auf den Straßen, weil man einen jungen Florentiner, der einige Tage zuvor einen Diener der „Acht“ umgebracht haben sollte, zum Richtplatz führte. Er war nach Siena geflohen, doch die Sieneser hatten ihn wieder den Prioren überstellt. Während der junge Mann durch die Straßen geführt wurde …, schrie die aufrührerische Menge: „Flieh! Flieh!“ Dann drängten sie sich dazwischen und versuchten, ihn aus den Händen der Wachen des Podestà zu befreien. Woraufhin die mächtigen Otto höchstselbst herbeieilten und unter Androhung der Todesstrafe befahlen, die Piazza augenblicklich zu räumen. Die Gesandten aus Mailand und Genua sowie Lorenzino und Giovanni di Pier Francesco de’ Medici [Lorenzos Vettern], die für den jungen Mann um Gnade bitten wollten, waren mit ihrem Anliegen zum magnifico Lorenzo gegangen, der sich zur Zeit des Aufruhrs im Palast [der Prioren] aufhielt. Dieser beschwichtigte sie mit tröstlichen Worten, gab dann aber Anweisung, den Mann gleich auf der Piazza zu richten, indem er an einem Fenster des Palasts des Podestà gehenkt wurde. Anschließend befahl er, vier von denen, die „Flieh! Flieh!“ gerufen hatten, festzunehmen, jeden vier Mal auszupeitschen und anschließend für vier Jahre aus der Stadt zu verbannen. So wurde die Volkserhebung unterdrückt. An keinem Punkt machte der magnifico Lorenzo Anstalten, den Schauplatz zu verlassen, bevor er sich nicht versichert hatte, dass die Menge zur Ruhe gekommen war. … Ich blieb zusammen mit dem mailändischen Gesandten und einigen anderen Bürgern im Palast, denn es dünkte mir nun nicht der passende Zeitpunkt für ein Gespräch mit il Magnifico.

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Lorenzo: Landesherr und Bürger

An diesem Fall muss etwas durchaus Bemerkenswertes gewesen sein, das zumindest mildernde Umstände gerechtfertigt hätte. Sonst hätten sich wohl weder das Volk noch Lorenzos Cousins und gewiss nicht die beiden Gesandten für das Leben des Verurteilten eingesetzt. Welche Fakten für seine Entlastung sprachen, ist uns nicht bekannt. Aber es mutet schon höchst erstaunlich an, dass sich sowohl die Gesandten als auch seine Vettern mit ihrem Anliegen an Lorenzo wandten und dabei sicher davon ausgingen, dass er durch seine Intervention die Umwandlung der Todesstrafe in eine Haftstrafe, das Abhacken einer Gliedmaße oder womöglich sogar nur Verbannung bewirken konnte. Lorenzo bekleidete zu diesem Zeitpunkt kein öffentliches Amt, das ihn zu irgendeiner Autorität in diesem Fall berechtigt hätte. Dennoch hatte er nach Ansicht gut unterrichteter Zeitgenossen diese Macht, und er gebrauchte sie ja auch sofort – wenngleich nicht den Wünschen der Bittsteller entsprechend. Ganz plötzlich reichte allein sein Wort, um dafür zu sorgen, dass der Mann nicht zum „Richtplatz“ außerhalb der Stadtmauern gebracht, sondern umgehend mitten in der Stadt gehenkt wurde, was als Lektion und zugleich Ohrfeige für das erregte Volk zu verstehen ist. Damit nicht genug, ordnete Lorenzo gleich darauf die Verhaftung, Folter und Verbannung von vier Männern aus der protestierenden Menge an. Damit ernannte er sich selbst zum Richter, in anderen Worten zum De-facto-Herrscher. Denn in den italienischen Stadtstaaten nahmen nur Landesherren und Fürsten solches für sich in Anspruch, und selbst sie überließen die Rechtsprechung gewöhnlich einem Magistrat und übten ihre Macht nur selten so schonungslos direkt aus. Dieser Vorfall bietet folglich wie kein anderes Dokument Einblick in die Machtverhältnisse, die in der Arnostadt Ende der 1480er Jahre herrschten. Schlagartig ließ Lorenzo die Maske fallen, und er präsentierte sich als Herr von Florenz. Wie wir aus Berichten des Gesandten aus Ferrara wissen, machte er infolge zweier schwerer Gichtanfälle damals gerade wieder eine Phase schlimmer Schmerzen durch, was der Grund für sein scharfes Vorgehen an diesem Tag gewesen sein mag. Denn es ist keineswegs so, dass er immer eine strenge Auslegung des Strafgesetzbuchs befürwortete. Weit häufiger setzte er sich für Aufhebung oder Milderung eines harten Urteils ein – insbesondere dann, wenn es sich bei dem Delinquenten um ein Mitglied seines weit reichenden Klientennetzes handelte. So liefen Alamanno Rinuccini zufolge dank Lorenzos Einmischung sogar eine ganze Reihe von Mördern frei durch die Straßen von Florenz.

Denkwürdige Begebenheiten Da wir gerade dabei sind, Lorenzos unlauteren Aufstieg zur absoluten Macht zu verfolgen, soll ein bezeichnendes Ereignis aus Lorenzos letzten Tagen vorweggenommen werden, das sehr prägnant zeigt, in welche Richtung sich die Dinge entwickelten. Bis Mitte des 17. Jahrhunderts wurde gesalbten Königen gemeinhin eine gewisse Heiligkeit zugeschrieben. Die Menschen wollten einfach gerne glauben, dass hinter

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jeder weltlichen Autorität auch eine gewisse göttliche Macht stand. Von Stimmen aus der Antike beeinflusst, stellten einige Dichter und Denker der italienischen Renaissance diese Anschauung in Frage. Aber das gemeine Volk und auch viele Intellektuelle (darunter sogar Marsilio Ficino) verbanden politische Macht immer auch mit dem Übernatürlichen.2 In Florenz hatte Lorenzo eine solche Stellung gewonnen, dass man mit seinem Tod auch gewisse „übersinnliche“ Vorfälle in Verbindung bringen musste. Kurz bevor er starb, wollen einige Zeitgenossen das Heulen von Wölfen vernommen haben, während andere einen Kometen sichteten und wieder andere einen Kampf zwischen „übergroßen Schatten“ beobachteten, der von „schauerlichen und wirren Stimmen“ begleitet wurde. In einer Kirche der Stadt prophezeite eine Verrückte ein großes Feuer, und es gab Leute, die behaupteten, von Fiesole aus (das auf einem Hügel über Florenz liegt und auf die Arnostadt hinabschaut) seien drei Lichtstrahlen über Florenz gewandert und hätten über der Kirche San Lorenzo verharrt, in der die Grabstätten von Lorenzos Vater und Großvater, des ermordeten Giuliano und anderer Familienmitglieder lagen. Am 5. April 1492 schlug etwa eine Stunde vor Mitternacht während eines heftigen Gewitters ein Blitz mit solcher Gewalt in den Dom ein, dass mächtige Marmorblöcke aus der Kuppel ins Wanken kamen und mit ohrenbetäubendem Krach zu Boden stürzten – und zwar in Richtung des Palazzo Medici. Drei Tage später hauchte der sterbende Lorenzo sein Leben aus. Ganz Florenz hatte gewusst, dass er schwer krank war; seine Feinde hatten diese Tatsache mit großer Genugtuung tuschelnd in der Stadt verbreitet. Die Welt war voller Geister, so jedenfalls glaubte man damals, und einige Bürger waren überzeugt, dass Lorenzo einen Ring getragen hatte, in dem ein Geist gefangen saß, der, drei Tage vor seinem Tod befreit, mit solcher Energie entwichen sei, dass dabei der Dom zu Schaden kam. Lorenzos Hinscheiden erfüllte seine Freunde und Anhänger mit Schmerz und tiefer Trauer und in einigen Fällen sicher auch mit Furcht, doch viele Florentiner scheinen sich insgeheim auch gefreut zu haben. Wie aber kam es, dass man Lorenzo mit der Macht eines Zauberringes in Verbindung brachte? Vom gemeinen Volksglauben einmal abgesehen, kann die Antwort nur damit zu tun haben, dass die meisten Florentiner von seiner sagenhaften Sammlung antiker Kuriositäten gehört hatten – geschliffenen Edelsteinen, Kameen und Intaglien, Ringen, Münzen und Medaillons, marmornen Trinkgefäßen, Miniatur-Tischuhren, Bergen von Rosenkränzen und weiteren Kleingegenständen von herausragendem Wert. Lorenzo war bekanntlich überaus stolz auf diesen Schatz, der zudem Tintenfässer, Gürtelschließen, Silberbesteck und sogar Zierwaffen umfasste. Solch exotische Pretiosen beflügelten die Fantasie der Bevölkerung, und alle bedeutenden Gäste, die nach Florenz kamen, – Fürsten, Kardinäle und auswärtige Gesandte –, ließen bald verlauten, dass sie die Sammlung gerne sehen würden, wenngleich Lorenzo während des PazziKriegs gezwungen gewesen war, viele antike Münzen zu verkaufen. Die kleinen Kost-

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barkeiten wurden nach Lorenzos Tod inventarisiert und geschätzt. Einige Stücke taxierten Fachleute auf bis zu 500 Fiorini, während die drei großen Tafeln des grandiosen Bilderzyklus Schlacht von S. Romano von Paolo Uccello jeweils gerade einmal 50 Fiorini wert gewesen sein sollen. So bodenständig und praktisch veranlagt der florentinische Menschenschlag war, waren die Leute damals doch auch sehr abergläubisch. Viele Bürger meinten, in Lorenzos Macht eine göttliche Erhabenheit zu sehen, und schlossen daraus, dass er auch die Hilfe von Geistern anrufen konnte.3

Macht Das April-Komplott, das für die Verschwörer selbst zum Blutbad wurde, erwies sich letztlich für Lorenzo als Segen. Er nutzte Giulianos Märtyrertod und den unmittelbaren Erfolg seiner diplomatischen Mission nach Neapel, um seine Anhänger noch enger an sich zu binden, neue, verschärfte Kontrollmaßnahmen einzuführen, den hartnäckigen Widerstand zu unterdrücken und sich selbst über die Oligarchie emporzuheben. Der große Historiker und politische Theoretiker Guicciardini (geb. 1483), dessen Großvater und Großonkel mit Lorenzo an der Spitze der Regierung zusammengearbeitet hatten, brachte es auf den Punkt:4 Dieser [Pazzi-] Aufstand … hob seinen Namen und sein Vermögen in solcher Weise, dass es, wenn man so sagen will, ein überaus glücklicher Tag für ihn war! Sein Bruder Giuliano, mit dem er seinen Reichtum hätte teilen müssen, starb, und so fiel ihm der gesamte Besitz zu. Seine Feinde wurden kraft der Regierung glorreich beseitigt, desgleichen die dunklen Schatten und Verdächtigungen, die in Florenz über ihm gehangen hatten. Das Volk griff für ihn zu den Waffen … und sah ihn an diesem Tag, endlich, als Herrn der Stadt. Um sein Leben [vor Anschlägen] zu schützen, gewährte man ihm das Privileg, sich mit so vielen Waffenträgern zu umgeben, wie es ihm beliebte. De facto war er nunmehr der Herr des Staates …, und die gewaltige, aber nicht abgesicherte Machtposition, die er bis zu diesem Tag inngehabt hatte, wurde noch gewaltiger und nun auch gesichert. Dies [ein solcher Sieg] setzt jeder öffentlichen Zerrissenheit ein Ende. Mit der Auslöschung der einen Seite [oder Partei] wird der Kopf der anderen zum Herrn über die Stadt. Diejenigen, die bislang für ihn eintraten, wandeln sich von Gefährten zu einer Art Untertanen. Das Volk als Ganzes bleibt versklavt. Und dieser Status ist erblich.

Doch Lorenzo war mehr als das oben angesprochene „Glückskind“. Als die Verschwörung fehlschlug, nutzte er sie instinktiv zu seinem Vorteil. Ein Krieg, der immer weitere Kreise zog, und der Kampf gegen ständig steigende Staatskosten und lauter werdende Unmutsäußerungen zwangen ihn zu geschicktem Taktieren. Staatsherr, aber zugleich Dichter, leidenschaftlicher Leser, Kunstliebhaber, Träumer und Städteplaner? Ja, all das, und zwischen 1480 und 1490 für ein paar Jahre obendrein Schüler des Neu-

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platonikers Ficino. Doch selbst angesichts der Erkenntnis, dass „Realität“ und Vollkommenheit einer höheren Sphäre angehörten, gingen ihm seine irdischen Geschäfte doch immer vor. Zuerst und vor allem war er immer ein „Macher“, ein Mann der Tat, in dessen Denken seine Regierung und die Rolle, die er darin spielte, oberste Priorität genossen, und dessen persönliches Los mit dem der Familie Medici untrennbar verbunden war. Gleichzeitig aber machten diese Umstände – zusammen mit gefährlich überbordender Frustration und Machtsüchteleien anderer – sein Überleben von hoher Intelligenz, rascher Auffassungsgabe, einer gewissen Verschlagenheit und geistiger Flexibilität, aber auch Taktgefühl, ja Galanterie, abhängig. Es brauchte, kurz gesagt, Genialität. Und obwohl ihm niemand, nicht einmal sein schlimmster Feind, all diese Eigenschaften absprechen konnte, waren sie doch auch wesentlich mitverantwortlich für seine ständig wachsende Arroganz, seine Gier nach Macht, seine Grausamkeit und eine persönliche Empfindlichkeit, die ihn rachsüchtig und nachtragend werden ließ. Hören wir dazu die Worte seines erbitterten Gegenspielers, des Humanisten Alamanno Rinuccini:5 Lorenzo war von der Natur sowie durch Ausbildung und Übung mit solch überragenden Geistesgaben gesegnet, dass er seinem Großvater Cosimo in nichts nachstand. … Sein Verstand arbeitete so schnell, und er war geistig so flexibel, dass ihm alles, dem er sich als Knabe zuwandte, nur so zuflog und er bald alle anderen überflügelte. So lernte er das Tanzen, das Schießen, das Singen, Reiten, die Beherrschung mehrerer Instrumente und vieles mehr bereits in jungen Jahren und mit großem Vergnügen. Und ich denke, dass es aufgrund der Größe und Fülle seiner Fähigkeiten war, dass er – nachdem er unsere Bürger für furchtsam und unterwürfig befunden – den Entschluss fasste, sich der öffentlichen Würde, Macht und Autorität zu verschreiben und sich letztlich, wie Julius Cäsar, zum Herrn der Republik zu machen.

Dank seines Gespürs für raffinierte politische Schachzüge war Lorenzo in der Lage, rasch zu agieren. Manchmal freilich handelte er übereilt. Dies war etwa 1470 der Fall, als er zu früh versuchte, die Regierung an die Kandare zu nehmen, und prompt scheiterte. Nach seiner erfolgreichen Rückkehr aus Neapel aber, die das Ende des PazziKrieges ankündigte, verlor er keine Zeit mehr. Sein Machtinstinkt sagte ihm, dass jetzt der geeignete Zeitpunkt gekommen war, um aus der momentanen Siegeseuphorie Kapital zu schlagen. Während seines Aufenthalts in dem süditalienischen Königreich hatte wachsende Unzufriedenheit auch innerhalb der Oligarchie die Medici-Clique zunehmend in Angst versetzt. Nun galt es, den Ungetreuen eine Lektion zu erteilen. Sie mussten ins Abseits gedrängt oder ganz ausgeschlossen, die Reihen der Machthaber der Oligarchie ausgelichtet werden. Binnen weniger Wochen nach seiner Rückkehr aus Neapel starteten Lorenzo und seine Freunde einen neuen Versuch, die gesetzgebenden Räte zu hintergehen und eine Gesetzesvorlage durchzubringen, die einem verfassungskonformem Staatsstreich

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gleichkam. Dazu nötig war die Zustimmung dreier Ratsgremien sowie der Signoria. Allerdings rochen auch dieses Mal zwei der drei Gremien – obwohl sie bewusst hinters Licht geführt und mit Fehlinformationen versorgt worden waren – den Braten und hätten das Vorhaben um ein Haar gestoppt: Den Cento passierte der Gesetzentwurf mit einer einzigen Stimme, den Consilio populi mit zwei! Wurden Bestechungsgelder gezahlt, Gefälligkeiten versprochen oder hinter verschlossenen Türen Druck ausgeübt? Wir werden es wohl nie erfahren. Jedenfalls brachte man die Legislatoren mit dem Argument, gewisse Reformen (eine gerechtere Besteuerung, ein neues Wahlprüfverfahren und die Ausmerzung bestimmter „Mängel“ in der Regierung) seien dringend nötig, dazu, einem mit großen Machtbefugnissen Krisenmanagement (einer Balìa) zuzustimmen. Dies also war Lorenzos Braten oder, besser gesagt, sein Trojanisches Pferd, denn sobald sie ihre Balìa hatten, hatten Lorenzo und seine Leute praktisch freie Bahn.6 Die versprochenen neuen Steuergesetze wurden sehr spät eingebracht und waren keineswegs wirklich „fair“. Das angekündigte Prüfverfahren hinsichtlich der Wahlfähigkeit wurde schlichtweg ignoriert. Und auch die übrigen Themen waren sofort vom Tisch. Was jedoch innerhalb weniger Tage nach Antritt der Balìa das Licht der Welt erblickte, war ein neues Gremium, der Consilio dei Settanta (Rat der Siebzig). Motiviert durch Ämterpatronage und die Angst vor einer aufgebrachten Opposition hatte die Medici-Partei seit Jahren daran gearbeitet, die Macht der obersten Oligarchie auf möglichst wenige zu konzentrieren, ohne die breite politische Klasse merklich zu verändern. Diese „verfassungskonforme“ Taktik zahlte sich nun aus. Doch freilich blieb die Bedrohung durch „ungehorsame“ Politiker aus den höchsten Schichten – ehrgeizige Männer, die es weit nach oben geschafft hatten. Aus diesem Grund setzten Lorenzo und seine Berater nun auf eine Art Senat, der das Herz seiner Oligarchie bilden sollte: siebzig Männer, die zur Verschwiegenheit verpflichtet waren und trotz anfänglich auf fünf Jahre beschränktem Mandat dieses Amt lebenslang bekleiden sollten. Mit dieser privilegierten Gemeinschaft verfügte Lorenzo über ein Gremium, das er leichter teilen und unterjochen konnte, wenngleich er natürlich davon ausging, dass ihm die Settanta Treue und Gehorsam entgegenbrachten. Der Siebzigerrat besaß eine nie dagewesene Machtfülle: Von 1480 an wählte er praktisch sämtliche Signorien und kontrollierte auch die Gesetzgebung, da er als ausschlaggebendes Beratungsgremium fungierte und damit die Signoria einer ihrer wichtigsten Aufgaben beraubte. Außerdem wählten die „Siebzig“ ausschließlich aus ihren eigenen Reihen zwei neue Regierungsabteilungen: das Komitee der Acht und die Zwölf Prokuratoren. Erstere waren für die Außenpolitik zuständig, zweitere sollten sich um die innenpolitischen Angelegenheiten kümmern, darunter auch Justiz und Finanzen. Doch während Lorenzo & Co. – sich noch im Licht des neapolitanischen Triumphes sonnend – die „Siebzig“ installierten, berichtete der Gesandte aus Ferrara über diese und andere Veränderungen jüngsten Datums (3. Juli 1480): „Das Volk erscheint mir unzufriedener denn je.“ Und wenn an dieser Einschätzung des Diplomaten etwas

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Wahres war, dann musste der Erste Bürger von Florenz ständig auf der Hut sein, so manipulativ bleiben wie bisher und von Zeit zu Zeit mit eiserner Faust durchgreifen.7

Klient der Sforza Lorenzos Korrespondenz nahm einen erstaunlich großen Teil seiner Zeit in Anspruch und zeigt dabei den Landesherrn weit mehr als den Bürger. Mehr als 20.000 an ihn adressierte Briefe sind erhalten, und niemand weiß, wie viele Tausend mehr vernichtet wurden oder verloren gingen. Lückenhafte Memoranden seiner Sekretäre lassen darauf schließen, dass auch er Zehntausende Schreiben versandte und nicht selten fünf bis sechs Stunden pro Tag in seinen Gemächern verbrachte und Briefe diktierte oder von eigener Hand schrieb. Im Prinzip stand er an der Spitze eines Außenministeriums, und im Laufe der 1480er Jahre weitete er seine Macht so weit aus, dass praktisch sämtlicher Schriftverkehr mit auswärtigen Staaten über seinen Schreibtisch ging. Diese ungezählten Briefe waren an florentinische Gesandte, an Gouverneure der von Florenz abhängigen Gebiete, an Stadträte, Fürsten, Päpste und Kardinäle gerichtet, aber auch an weniger bedeutende Landesherren, Bischöfe und einige große Condottieri der Zeit, zum Beispiel die Vitelli, Orsini, Sanservino und die Baglioni, sowie an Militärs niedrigerer Ränge. Bemerkenswerterweise wird in keinem einzigen seiner erhaltenen und veröffentlichten Briefe Dichtkunst oder Literatur angesprochen, nur dann und wann findet sich die Bitte, Bücher ausleihen zu dürfen. In seinem Streben nach politischer Macht, möglicherweise auch nach noch höheren Zielen, entwickelte Lorenzo übrigens eine Vorliebe für Geschichtswerke.8 Sein Briefwechsel zeigt den einflussreichen Patron bei der Arbeit – er schickt Gesandte aus, erweist Freundschaftsdienste, erbittet Gefälligkeiten, bekundet Dankbarkeit oder empfiehlt Freunde, Klienten und Freunde von Freunden. Die Briefe schmeicheln, drängen, listen Argumente auf, ordnen an oder drohen, enthalten Anspielungen oder Spitzen, klingen häufig aber auch überaus liebenswürdig und beschwörerisch. Oft, ja es scheint fast zwanghaft, findet man in seinen Empfehlungsschreiben auch förmliche Freundschaftsbekundungen wie: „Tut mir diesen Gefallen aus der Liebe, die Ihr, wie ich weiß, für mich empfindet, oder aber im Namen meiner Liebe zu Euch, und behandelt diesen Mann und sein Anliegen so, als wäre er ich und sein Anliegen meins. Denn so empfinde ich für ihn.“9 Nun war Lorenzos Machtposition in Florenz in keinster Weise verfassungsmäßig verankert. Sie stützte sich vielmehr auf Strukturen, die sowohl auf Verhandlungen als auch auf mehr oder minder starkem Druck beruhten. Und obwohl sich der Aufbau der florentinischen (republikanischen) Regierung derart beugen ließ, konnte sie ihm die Autorität, die er für sich in Anspruch nahm und de facto auch besaß, doch niemals rechtmäßig übertragen. Er war an der Macht, weil er an der Macht sein konnte, und dies war nur möglich, weil führende Männer und Familien – die meisten davon „Aristokra-

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ten“ – sich entschieden hatten, ihm diese zu überantworten, mit ihm zusammenzuarbeiten und schlimmstenfalls (zumindest in einigen Fällen) auch mit ihm unterzugehen. Es war die Macht getreuer Anhänger und cleverer Politiker, einflussreicher Herren und Patrone, wohlhabender Kaufleute und Großgrundbesitzer, „ehrbarer“ Ritter und Doctores der Rechte. Sie alle kannten die verschlungenen Wege der öffentlichen Ämter, politischer Seilschaften und geheimer Treffen hinter verschlossenen Türen. Ohne jegliche verfassungsmäßige Befugnis und unter dem Vorwand, es sei im Interesse bürgerlicher Eintracht – wobei eben diese zu den massivsten Störfaktoren gezählt haben dürfte –, übertrugen sie Lorenzo die Macht. Und indem sie ihn und sein Haus erhöhten, erhöhten sie auch sich selbst und ihre Familien und schufen bessere und sicherere Lebensumstände für all jene, die von jeher mit den Medici kooperiert hatten. Allerdings ist auch klar: Wären Tommaso Soderini & Co. an jenem Dezemberabend 1469 nicht zum Palazzo Medici gekommen, um Lorenzo als maestro di bottega („Chef des Ladens“) anzuerkennen, dann hätten die Truppen des Herzogs von Mailand versucht, ihn der Stadt aufzuzwingen. Natürlich hätte in diesem Fall eine vereinigte florentinische Oligarchie sofort Verbündete finden und sich der Bedrohung erfolgreich widersetzen können. Aber ob die hartnäckigen Mediceer sich zu einer solch großen Solidaritätsbekundung hergegeben hätten, ist doch mehr als fraglich. In der Beziehung zu Mailand war Lorenzo immer der Klient und Galeazzo Maria Sforza immer der Patron – auch wenn dieses Fürstenhaus fast durchgehend der größte Schuldner der Medici-Bank war. Bei seinem Tod 1466 schuldete Francesco Sforza den Medici 115.000 Dukaten, wobei gepfändete Juwelen sowie die Abtretung der Salzsteuer als Sicherheit dienten. Dem Historiker der Medici-Bank zufolge stiegen diese Schulden in den folgenden Jahren „auf die astronomische Summe von 179.000 Dukaten“.10 Andererseits verfügten die Herzöge als Herren eines der größten Staaten Italiens über schlagkräftige Truppen, die den Medici im Notfall zu Hilfe eilen konnten – immer vorausgesetzt freilich, die Familie behauptete ihre Macht innerhalb der Stadtmauern. Weder der erste noch der letztgenannte Punkt wurden jemals außer Acht gelassen. Dann und wann hat Lorenzo sich gewiss den spektakulären „mailändischen Artilleriezug“ vorgestellt, der 1472 „aus sechzehn großen Kanonen“ bestand, zu deren Transport „227 Karren und 522 Paar Ochsen“ nötig waren. Und dieser schweren Artillerie konnte Mailand eine Armee von 20.000 bis 40.000 Mann folgen lassen, darunter Kavallerieeinheiten mit bis zu 12.000 berittenen Soldaten. Lorenzo war dem jungen Prinzen Galeazzo Maria erstmals als Zehnjähriger in Florenz begegnet und dann wieder sechs Jahre später in Mailand aus Anlass einer Hochzeit zwischen dem neapolitanischen Königshaus und den Sforza. Zum dritten Mal trafen sie sich im Jahr darauf, als Lorenzo zur Taufe von Galeazzo Marias neugeborenem Sohn erneut nach Mailand reiste. Bei dieser Gelegenheit überreichte er der Herzogin übrigens eine schwere Goldkette mit einem riesigen Diamanten. Wesentlich intimer verlief ihre vierte und letzte Zusammenkunft, die im März 1471 stattfand, nachdem der Herzog mit einer prachtvollen Kavalkade aus zweitausend Reitern,

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fünfhundert Infanteristen, fünfhundert Paar Hunden und einer großen Menge Jagdfalken in Florenz eingetroffen war. Galeazzo Maria blieb neun Tage in der Arnostadt, und er und sein engster Zirkel weilten während dieser Zeit als Gäste im Palazzo Medici. Und während die Bürger das Ganze mit großen Augen verfolgten und Lorenzo nur umso mehr verehrten, gab es doch auch eine Hand voll besser unterrichteter Florentiner, die, wie etwa Rinuccini, Sforza für ein schändliches Ungeheuer hielten. Der Briefwechsel zwischen Lorenzo und dem Herzog war selbstverständlich sehr förmlich, aber auch offen und unverblümt und manchmal regelrecht emotionsgeladen. Wiederholt versichert Lorenzo, dass er seine Stellung in Florenz für Galeazzo Mario hält, dass er ganz der Diener des Herzogs ist, sein Instrument und „Wachs“ in seinen Händen, weshalb alles, was im Interesse „Eurer Erhabenheit“ (Vostra Celsitudine) ist, auch Lorenzo und Florenz zum Guten gereicht. Was unser Erster Bürger damit zum Ausdruck bringen wollte, war, dass ein mediceisches Florenz sich stets der mailändischen Außenpolitik anschließen würde. Und wenngleich diese überzogenen Formulierungen natürlich stark gekünstelt wirken, nahmen der Herr von Mailand und seine Berater diese Verpflichtung durchaus ernst und handelten danach.11 Vor diesem Hintergrund sind auch die späteren Anklagen zu sehen, denen zufolge die Pazzi und Erzbischof Salviati sich dafür eingesetzt hätten, die Unabhängigkeit von Florenz zu opfern und die Stadt der Befehlsgewalt von Papst Sixtus und dem König von Neapel zu unterstellen. Lorenzo und seine Verbündeten hatten Florenz bereits an die Sforza gebunden. Da die engen Beziehungen zu Mailand kaum mehr als zwei Jahrzehnte alt waren – sie gingen auf das Jahr 1450 zurück –, konnte der Medici-Zirkel allerdings schwerlich argumentieren, man bleibe damit lediglich einer bewährten alten Tradition treu. Das wäre schlichtweg Unsinn gewesen. In dem ständig in Bewegung befindlichen instabilen System des italienischen Staatsgefüges war es nämlich wesentlich klüger, auf politische Flexibilität zu bauen, das heißt, manchmal auch Venedig näher zu stehen oder dem Papst, oder selbst dem König von Neapel. 1470 jedenfalls waren Lorenzos Differenzen mit der Oligarchie so ausgesprägt, dass selbst Tommaso Soderini bekämpft und gekauft werden musste, und ein Großteil der Probleme rührte von der Überzeugung her, Florenz sei zum Sklaven der mailändischen Außenpolitik mutiert. Wie wahr diese Behauptung war, sollte Lorenzo im Herbst des Jahres 1479 erfahren, als sich die mailändische Politik unter dem aufsteigenden neuen Herrn, Ludovico Sforza, unvermittelt auf die Seite von König Ferrante schlug, was Lorenzo zu seiner überstürzten Reise nach Neapel zwang – an den Hof eines Königs, der ihn sehr wohl hätte nach Rom überstellen und damit Papst Sixtus und Graf Girolamo aushändigen können. Tatsächlich wünschte König Ferrante noch im Januar 1480, dass Lorenzo nach Rom ginge, „um die Vergebung [des Papstes] zu erbitten“. Doch Lorenzo hatte darauf erwidert, dorthin müsse man ihn schon in Ketten schaffen, und wenn das geschehe, sollte der König ihm auch gleich einen Beichtvater sowie einen Notar mit auf den Weg geben, der seinen letzten Willen aufsetzte.12

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Lorenzo: Landesherr und Bürger

Der Patron Stellen wir uns einen mächtigen Bürger – oder einen aufstrebenden Fürsten – vor, wie er öffentlich „Hof hält“ – beim Schlendern durch die Straßen von Florenz, über die weitläufige Piazza della Signoria oder beim gemächlichen Betreten der Domkirche. Dies war bis zum Tag der April-Verschwörung für den magnifico Lorenzo Routine, widersprach aber völlig den Gewohnheiten seines Vaters und Großvaters, die sich zeit-

Abb. 12 Totenmaske Lorenzo de’ Medicis

Der Patron

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lebens sehr viel unnahbarer gegeben hatten. Doch Lorenzo mit seiner Leichtigkeit im Umgang mit Worten und seiner ungezwungenen Art genoss öffentliche Auftritte, zeigte sich gerne und brillierte in Gesellschaft. Dass er beileibe kein schöner Mann war und mit kratziger, näselnder Stimme sprach, tat dem Ganzen keinen Abbruch. Er glaubte an seine Anziehungskraft und seine Fähigkeiten und muss sie oft eingesetzt haben, nicht zuletzt bei seiner Reise nach Neapel, wo sie ihm zu grandiosem Erfolg verhalfen. Gesandte, Freunde, Günstlinge und solche, die es werden wollten, Dichter und viele andere wurden häufig mit ihm im offenen Gespräch gesehen. Der Dom und der Platz vor dem Regierungspalast waren beliebte Treffpunkte. Dass vertrauliche und geheime Gespräche – sofern sie nicht gleich irgendwo ins florentinische Hinterland verlegt wurden – im Palazzo Medici oder in den Amtsräumen des Gonfaloniere di giustizia beziehungsweise der Prioren oder der „Acht“ stattfanden, versteht sich allerdings von selbst. Lorenzos unbefangenes Auftreten fand im April 1478 ein abruptes Ende. Furcht kam auf, und er stand nun zu sehr im Rampenlicht. Die damnatio memoriae, die „Auslöschung der Erinnerung“ an die Pazzi spiegelte eine Praxis wider, die nach römischem Recht Fürsten und Kaisern vorbehalten war. Man verhielt sich also, als wäre der Anschlag auf Lorenzos Leben ein „Majestätsverbrechen“ (crimen laesae maiestatis) gewesen. Urplötzlich widerriefen die „Acht“ sämtliche Waffenscheine. Herolde wurden ausgesandt zu verkünden, dass jeder Bürger eine Liste sämtlicher Waffen seines Haushalts aufstellen und abliefern musste. Nur eine winzige Hand voll ausgewählter Bürger erhielt eine Sondergenehmigung des Wachausschusses; und zum ersten Mal in der Geschichte der Republik Florenz gestand man einem Privatmann, Lorenzo, das Recht zu, sich innerhalb der Stadtmauern mit einer bewaffneten Eskorte aus zwölf bis vierzehn Mann zu umgeben, darunter einige hoch zu Ross, Bogenschützen, vier Armbrustschützen und Schwertkämpfer. Lorenzo scheint seinen Leibwächtern gern bildhafte Spitznamen gegeben zu haben, von denen einige überliefert sind: Knoblauchhelfer (Salvalaglio), Schwarzer Martin (Martino Nero), Buckliger Andreas (Andrea Malfatto) sowie Marghutte und Morgante, die Namen zweier Furcht erregender Riesen aus einem heroischen Ritterepos Luigi Pulcis. Es muss ein merkwürdiger Trupp gewesen sein, der da durch die Stadt zog, zumal einige der Bodyguards sicher ständig mit drohend gezücktem Schwert voranschritten. Etwa Ähnliches, wenngleich bei weitem nicht so Auffälliges hatte Florenz schon einige Jahre früher gesehen (1472), als man Lorenzo die blutige Unterdrückung eines Aufstands in der florentinischen Stadt Volterra zum Vorwurf machte. Da er sich bedroht fühlte, umgab er sich bei seinen Gängen durch Florenz damals für eine Weile mit einigen Soldaten. Doch die angebliche Gefahr löste sich rasch in Wohlgefallen auf.13 Seine neue Leibgarde sollte dagegen von Dauer sein. Indem sie ihn auch optisch von allen übrigen Bürgern abhob, verlieh ihm das damit verbundene bedrohliche Getöse noch zusätzliches Ansehen. Was mag es für ein Bild gewesen sein, wie er durch die Straßen von Florenz schreitet oder durch die Stadttore hinausfährt aufs Land, immer in Begleitung seiner bewaffeneten Garden, Privatmann und doch zugleich auch offiziel-

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ler Würdenträger? Jeder, der diesen kleinen Zug sah, muss ihn automatisch angestarrt haben. Und zieht man in Betracht, dass viele Menschen damals an die Existenz von Engeln und Teufeln glaubten, ist es eigentlich kein Wunder, dass manche sich auch vorstellen konnten, er trage einen Ring, in dem ein mächtiger Geist gefangen saß. Obwohl es sehr real war, hatte Lorenzos neues Image doch auch etwas Merkwürdiges. Er war der oberste „Pate“ der Stadt, und zwar schon seit Jahren. Von Kindesbeinen an dazu erzogen, hofiert, respektiert und gefürchtet zu werden, mit mächtigen Landesfürsten umzugehen und von seinen Mitmenschen eine gewisse Verehrung, um nicht zu sagen Unterwürfigkeit zu erwarten, empfand er seine neuen „Insignien“ wohl als durchaus angemessen. Anders als ein echter Fürst konnte er zwar in Zivil- und Strafrechtsfällen nicht persönlich Recht sprechen (obwohl wir gesehen haben, dass er bei einem drohenden Volksaufstand unverzüglich einschritt und im Schnellverfahren ein Urteil fällte), aber er konnte Fäden ziehen und auf die Entscheidungen der Otto und des Großen Kaufmannsrats Einfluss nehmen. Anders als dem Zehnerrat in Venedig oder den Herren in Ferrara war es ihm nicht möglich, sich in so genannten Notfällen über das Gesetz zu stellen. Er musste vielmehr hinter den Kulissen aktiv werden, mittels Freunden, Klienten, eingeschüchterter oder ehrgeiziger Männer, mittels (sanftem) Druck, Verhandlungsgeschick und unter Bevorzugung einiger Bürger und Benachteiligung anderer. Denn was gewöhnlich untergeht, wenn von seinem Klientennetzwerk die Rede ist, ist die lange Reihe der Verlierer – derjenigen, die auf der Strecke blieben, die (zu Recht oder zu Unrecht) abgewiesen wurden und unter den Vergünstigungen litten, die er anderen zuteil werden ließ. Von Malern und Bildhauern einmal abgesehen, kam im Florenz der Medici nämlich keineswegs der in den Genuss von Privilegien, der sich besondere Verdienste erworben hatte. Sie waren vielmehr der Lohn für geleistete Dienste beziehungsweise dafür, dass jemand die richtigen Leute richtig zu hofieren wusste.14 Sein verfassungsmäßig nicht abgesicherter, ja verfassungswidriger Status zwang Lorenzo, ein umfassendes Netz von Kontakten und Klienten zu knüpfen und zu pflegen. Er musste seine Augen überall haben oder im Vorhinein ahnen, was andere – darunter seine eigenen Leute – planten. Aus demselben Grund auch musste er ständig Gefallen einfordern und austeilen, sowohl schriftlich als auch mündlich. Häufig wurde er als Schlichter herangezogen, wenn zwei Bürger miteinander im Streit lagen, und er entwickelte sich zum führenden Vermittler der Stadt, der sich freute, wenn man seinen Rat suchte, und der stolz war auf sein Urteilsvermögen. Da diese Aufgaben mit der Zeit jedoch überhand nahmen, griffen ihm sein Bruder und auch seine Mutter unter die Arme. Er war gläubig, aber es gab keinerlei christliche Verpflichtung, die ihm abverlangt hätte, sieben oder acht verschiedenen Bruderschaften beizutreten. In Wahrheit dienten diese Kontakte denn auch hauptsächlich zu Spionagezwecken in den verschiedenen Stadtbezirken. Ja, er verschaffte sich sogar Zutritt zu örtlichen plebejischen Genossenschaften (potenze). Über seine unzähligen „Freunde“ hatte er Einblick in jeden Winkel von Florenz. Sein Einfluss reichte vom Gonfaloniere an der Spitze der florentinischen Regierung bis hinunter in die kleinen Gemeinden in der Nähe der Stadtmauer.15

Der Patron

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Alamanno Rinuccini zufolge hatte Lorenzo die Angewohnheit, Florenz Söldnerführer (gewöhnlich unbedeutende Landesherren) aufzudrängen, was die ohnehin drückenden Militärausgaben der Stadt weiter in die Höhe trieb, die Inhaber von Staatsanleihen um ihren Gewinn brachte und den Bürgern eine höhere Steuerlast auflud. Lorenzos Schriftwechsel zeigt, dass er häufig zugunsten von Condottieri intervenierte, und es ist durchaus denkbar, dass er dies mit dem Hintergedanken tat, sie als Klienten oder Abhängige zu gewinnen und damit in Krisenzeiten auf sie zurückgreifen zu können – wie es beispielsweise der Fall war, als er wenige Stunden nach dem April-Attentat mit Gualterotto da Vernio und Giovanni Bentivoglio in Verbindung trat. Trotzdem: So wichtig die Militärs auch sein mochten, bildeten sie doch nur eine der vielen Gesellschaftsschichten, die er sich warmhielt, um sie seinem riesigen Netz von Anhängern einzuverleiben. Dazu gehörten Bischöfe und Kardinäle ebenso wie Universitätsprofessoren, Ärzte, namhafte Juristen und Humanisten, auswärtige Höflinge, Beamte und Politiker der unterschiedlichsten Rangstufen. Diese breite Streuung war zum Teil Folge seiner Kontaktfreudigkeit, zum Teil aber auch einfach typisches Wesensmerkmal aller „großen Männer“ dieser Ära – seien es Kardinäle, hohe Gesandte oder Diplomaten, einflussreiche Höflinge oder Staatsmänner, von gebildeten Fürsten wie dem Herzog Federigo von Urbino und König Alfonso von Neapel ganz zu schweigen.16 Lorenzos riesiges Kontaktnetz umfasste alle sozialen Schichten und schloss auch Dienstboten und Arbeiter, Bauern und einfache Händler ein, die sich an ihn wandten, weil sie begnadigt, aus dem Gefängnis entlassen, bezahlt werden, einen Auftrag haben, ihre Schulden eintreiben oder sonst etwas wollten. Seine mächtigen auswärtigen Freunde und Bekannten bedrängten ihn ständig, sich vor Ort für ihre Klienten und einfachen Leute einzusetzen, während er im Gegenzug dasselbe in ihren Städten und Provinzen zu erreichen suchte. Guicciardini betont, Lorenzo sei derart von Argwohn besessen gewesen – ein Zug, den wohl man brauchte, um „eine freie Stadt auf Dauer zu unterdrücken“ –, dass „innerhalb der [florentinischen] Oberschicht keine Ehe geschlossen wurde, zu der er nicht seine Erlaubnis erteilt und an der er nicht teilgenommen“ hätte. Auf den ersten Blick erscheint diese Behauptung reichlich übertrieben, aber bislang ist nichts Gegenteiliges bekannt, und Lorenzo agierte in der Tat als Vermittler unzähliger Heiraten zwischen prominenten Familien wie den Strozzi, Pitti, Ridolfi, Serristori, Tornabuoni, Martelli, den Pandolfini und vielen mehr. Die Absprachen zu diesen arrangierten Ehen wurden häufig im Palazzo Medici getroffen, oft fanden sie auch auf einem Landsitz der Familie oder sogar in der Medici-Bank statt. Abgesehen davon, dass seine Funktion als Heiratsvermittler seine Autorität und Popularität stärkte, dürfte Lorenzos Interesse an den Patrizier-Hochzeiten auch damit zu tun gehabt haben, dass er auf diese Weise unliebsame Allianzen zwischen den führenden Familien verhinden konnte. Es ging ihm also darum, „sie so zu verbinden, dass sie keinen Schatten auf ihn warfen“. Besonderes Misstrauen brachte er Männern entgegen, die möglicherweise selbst Macht ausüben konnten, und die Folge war, dass „er manchmal junge Männer von

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hohem Rang und großen Fähigkeiten zu der Verbindung mit einer Frau [nötigte], die diese normalerweise nicht gewählt hätten“.17

Griff in die Staatskasse Nachdem sie in London, Mailand und Brügge bereits seit den frühen 1470er Jahren in ernsthaften Schwierigkeiten steckte, geriet die Medici-Bank endgültig in Bedrängnis, als mit dem Ausbruch des Pazzi-Krieges ihre Guthaben in Rom und Neapel beschlagnahmt oder eingefroren wurden. Fast zwei Jahre lang litt Lorenzo unter massivem Mangel an Bargeld. Mit Verlusten von rund 200.000 Fiorini konnte die Bank ihren ursprünglichen „majestätischen“ Reichtum nie zurückgewinnen, und obwohl Lorenzo alles daran setzte, seine verzweifelte Lage zu kaschieren, gelang es ihm nicht, sein Dilemma vor den Augen der wachsamen Bürger zu verbergen. Selbst Florenz war dafür einfach zu klein und – vor allem nach der April-Verschwörung, als ungeliebte Kriegssteuern und die Aussetzung der Zinszahlungen der Staatsschuldenverwaltung die Florentiner ganz besonders scharfsichtig machten – ein Ort, an dem der boshafte Klatsch gegen ihn immer neue Blüten trieb.18 Zuverlässige zeitgenössische Quellen versichern, dass Lorenzo seine Handlanger in der Regierung dazu nutzte, sich aus dem städtischen Steuersäckel zu bedienen. Die Schätzungen über die Höhe seines angeblichen Diebstahls schwanken allerdings stark: Cambi sprach von 50.000 Scudi (Fiorini), Piero Parenti nannte mehr als 158.000 Fiorini, und für Rinuccini belief sich die veruntreute Summe auf rund 200.000 Fiorini.19 Es ist schwierig, diese Beträge in eine Kaufkraft umzurechnen, die sie dem heutigen Leser verständlich macht. Vielleicht vermittelt es eine Vorstellung, dass diese Summe genügt hätte, eine kleine Armee für kurze Zeit ins Feld zu schicken, und dass die Gesamtbaukosten für die pompösen Palazzi Medici und Strozzi heute auf jeweils zwischen 30.000 und 35.000 Fiorini geschätzt werden. Für die runde Summe von 100.000 Fiorini konnten viertausend Studenten ein volles Jahr finanziert werden – Kost und Logis eingeschlossen. Und für dieselbe Geldmenge hätte man leicht ein Jahr lang auch etwa viertausend Bauarbeiter bezahlen können. Nun verleitet dieser Griff in die Staatskasse Historiker immer wieder dazu, sich von wesentlich wichtigeren Fakten ablenken zu lassen. Ganz offensichtlich war Lorenzo ja nicht einfach irgendein beliebiger Bürger. Er war, wenn auch ohne die geringste Legitimation, das inoffizielle Staatsoberhaupt, und deshalb muss seine unrechtmäßige Machtergreifung – als sein Hauptvergehen – zuallererst untersucht werden. Verglichen damit war der Diebstahl von öffentlichen Geldern eine Bagatelle, so sehr sich manche Zeitgenossen darüber empört und entrüstet haben mögen. Den Sitten der Zeit entsprechend schloss eine höhere Rechtsposition automatisch alle niedrigeren mit ein.20 Sicher wissen wir es natürlich nicht, aber es liegt nahe, dass Lorenzo kaum Gewissensbisse verspürte, als er sich so freizügig aus der Kasse des Monte bediente. Schließ-

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lich betrachtete er sich selbst als Ersten Diener der Stadt, als Patrioten und als ihren Schutzpatron. Da er der dritte Medici in Folge war, der als (mehr oder weniger) heimliches Staatsoberhaupt fungierte, sah er dies mit Sicherheit als sein politisches Erbe an – auch wenn er im Dezember 1469 den Herzog von Mailand um militärische Hilfe bat. Er argumentierte gewiss, es diene ja nicht nur eigenen Interessen oder denen seiner Familie, wenn er sich selbst zum Hüter erklärte, sondern geschehe auch für all die Familien, deren Loyalität den Medici zu ihrem hohen Rang verholfen hatte. Und mit dieser Begründung rechtfertigte er sicher auch das Gefühl, dass die finanziellen Verluste, die er im In- und Ausland erlitten hatte, mit der politischen Position seiner Familie zusammenhingen. Entsprechend notierte er einmal in einem kurzen Memorandum, dass in den Jahren zwischen 1434 und Ende 1471 „wir [die herrschenden Medici] die unglaubliche Summe von 663.755 Fiorini für Bauten, Almosen und Steuern ausgaben, andere Kosten noch gar nicht mit eingerechnet“. Ein gutes Drittel bis die Hälfte dieses Betrags –das sei an dieser Stelle angemerkt – waren Steuerzahlungen gewesen. Und das Aufschreiben dieser gewaltigen Summe – damit sie nicht in Vergessenheit geriet – muss sein Gewissen nicht unerheblich erleichtert haben.21 Ich gehe davon aus, dass Lorenzo sich mit Erfolg selbst einredete, er habe das Recht, die Hilfe des Monte in Anspruch zu nehmen. Es war kein Diebstahl. Es war der Lohn für eine lange Reihe von Dienstleistungen, die seine Familie für Florenz erbracht hatte, das Entgelt für eine so enge Bindung an die Stadt, dass er keinen Unterschied sah zwischen sich selbst und dem obersten Platz im Staate. Guicciardini, der sich dabei auf gut informierte Kreise berief, sollte später sagen, nur der Tod habe Lorenzos Pläne vereitelt, sich selbst zum Gonfaloniere auf Lebenszeit zu machen, zum ständigen „Chef“ der Signoria. Diese Behauptung leitet sich aus seinem Lebensweg ab, und sie impliziert auch, dass er beabsichtigte, das Amt an seinen Sohn Piero weiterzugeben – einer politischen Strategie folgend, deren Anfänge bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen.

Der Lebensweg eines Fürsten Aller kaschierten, aber doch unumstrittenen Autorität zum Trotz, die er in den verschiedenen Ratsgremien der Stadt besaß, sollte Lorenzo doch nie die politische Sicherheit finden, die er so sehr erhoffte. Die Republik mit ihren zahlreichen Kurzzeitämtern und die florentinische Sitte, über alles Anstehende zu debattieren, wollten einfach nicht sterben, und auch die Gefahr eines weiteren Mordanschlags auf Lorenzo war nie völlig gebannt. Schon im November 1472, lange vor der Pazzi-Verschwörung, war unter den florentinischen Exilanten in Neapel ernsthaft über einen Handstreich debattiert worden, aber offensichtlich wurden die gedungenen Mörder dann doch wieder zurückgerufen. Ende September 1480 wurde in Poggio a Caiano, unweit von Lorenzos neuem Landsitz, ein Eremit aufgegriffen und angeklagt, ein Attentat auf den Herrn von Florenz zu planen. Um die Wahrheit aus ihm herauszuholen, ließen die „Acht“ ihm die Füße

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verbrennen, „bis das Fett heraustropfte. Dann musste er aufstehen und über grobes Salz laufen“. Er starb neunzehn Tage später. Im April 1481 wurden in Florenz überraschend drei Männer verhaftet und hingerichtet, weil sie sich verschworen hatten, den „Tyrannen“ (ihr Ausdruck) zu töten. Zwei von ihnen stammten aus vornehmen Familien. In ihrem Geständnis erklärten sie, sie hätten die republikanischen Freiheiten wiederherstellen wollen. Der Wachausschuss konfiszierte ihren gesamten Besitz und verfolgte auch ihre engeren Verwandten. Die Anklage lautete auf „Majestätsverbrechen“, so als hätte Lorenzo den Status eines offiziellen Fürsten inne. Ungefähr um dieselbe Zeit gab es laut Cola Montano noch weitere Komplotte, vornehmlich auf Betreiben eines pistoianischen Agitators und des verbannten Neri Acciaiuoli, Träger eines der prestigeträchtigsten Namen von ganz Florenz. 1484 – in einem Fall, dessen Einzelheiten Lorenzo höchstpersönlich zu verheimlichen suchte – wurde einer seiner Verwandten, Alessandro Tornabuoni, zu lebenslangem Exil in Sizilien verurteilt – wegen Verdachts auf Verschwörung. Und niemand weiß, wie viele weitere Mordkomplotte eines stillen Todes starben.22 Nachdem Lorenzo sich im August des Jahres 1488 mit dem Kriegsherrn und Signor von Bologna, Giovanni Bentivoglio, zerstritten hatte, fürchteten einige seiner Freunde, der Condottiere könnte versuchen, ihn in der Nähe von Poggio a Caiano ermorden zu lassen. Im Mai 1490 wurden, wiederum unter höchst obskuren Umständen, in Firenzuola zwei Auswärtige verhaftet, einer aus dem fernen Süden (Gaeta), und nach Florenz gebracht, wo man sie folterte und tagelang in Haft hielt. Der ganze Fall wurde mit strengster Verschwiegenheit behandelt, und nähere Einzelheiten sind bis heute nicht bekannt. Allerdings soll der Name des Königs von Neapel gefallen sein, und angeblich intervenierten auch zwei weitere Magnaten, der Herzog von Kalabrien und Giovanni Bentivoglio. Jedenfalls ging das Gerücht, die beiden Festgenommenen hätten den Auftrag gehabt, Lorenzo bei einer seiner Badekuren zu vergiften. Wie aber konnte Lorenzo angesichts solch drohender Schatten auf die sichere Zukunft seiner Familie zählen, und wie fand er den Gleichmut, sich seinen Büchern und dem Schreiben zu widmen? An seinen Dichtungen arbeitete er nur sporadisch, und sein Kommentar zu meinen Sonetten, eine interessante, aber unausgewogene Studie, blieb ebenso unvollendet wie die Gedichte De summo bono, Selve und seine beiden Eklogen. Die Pazzi waren nicht die Einzigen, denen auffiel, dass Lorenzo sich auf dem besten Weg zum Renaissance-Diktator befand. Was sein Großvater Cosimo zwar weithin allein auf die Beine gestellt, aber im Zusammenwirken mit ausgewählten Familien aufrechterhalten hatte, verwandelte Lorenzo nun in eine Solo-Performance, indem er einerseits (von ihm selbst ernannte) Emporkömmlinge an die Schlüsselpositionen setzte und andererseits mit den Aristokraten, die unter seiner Schirmherrschaft an der Macht waren, nach Belieben umsprang. Diese Taktik führte zu einer immer breiter werdenden Kluft zwischen ihm und der gesamten Patrizierschicht – den Guicciardini, Ridolfi, Albizzi, Gianfigliazzi, Rucellai und andere mehr. Nichts illustriert dies besser als die berechnende Heirats- und Karrierepolitik, die er in seiner eigenen Familie betrieb.

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Während ihres Aufstiegs an die Macht schlossen die Medici solide Ehen mit anderen florentinischen Familien, die großen Einfluss besaßen. Dies sorgte für das unerlässliche Netzwerk von Beziehungen in der Stadt – deshalb trotz unterschwelliger Spannungen zwischen den beiden Häusern übrigens auch die Heirat zwischen Guglielmo de’ Pazzi und Lorenzos älterer Schwester. Doch noch in derselben Generation brach die Familie Medici auch mit dieser Tradition, indem sie Lorenzo mit einer Frau aus der römischen Adelsfamilie Orsini verehelichte. Eine Handlung von großer Tragweite, implizierte sie doch, dass er zu bedeutend war, um sich mit einem florentinischen Mädchen zu vermählen. Die Verbindung nach Rom brachte die machtpolitischen Ambitionen der Medici offen zum Ausdruck. Drahtzieher war höchstwahrscheinlich Großvater Cosimo, der auch die steile Karriere eines entfernten Vetters, Filippo de’ Medici, ermöglicht hatte, der bis auf einen alle florentinischen Kleriker weit hinter sich ließ und Erzbischof von Pisa wurde (1461–74). Er war jener Geistliche, der während der Krise von 1466 fünfzehnhundert Bewaffnete aufstellte, um Lorenzos Vater zu unterstützen. Die oben erwähnte Ausnahme war Giovanni Dietisalvi Neroni, 1462–73 Erzbischof von Florenz, der seinen Bruder, einen herausragenden Politiker, mutig unterstützte und sich in besagtem Krisenjahr auf die Seite der Medici-feindlichen „Reformer“ stellte. Der einstige Erzfeind bezahlte für seine republikanische Einstellung mit lebenslanger Verbannung aus der Stadt. Und Papst Paul II. (1464–71) sah sich laufend mit diesem abtrünnigen Florentiner konfrontiert, da der Erzbischof sich entschieden hatte, sein Exil nach Rom zu verlegen.23 Nachdem die Medici durch Lorenzos Heirat eine Verbindung mit den Orsini hergestellt hatten, gab es kein Zurück mehr – der Weg zum inoffiziellen Fürstenthron war vorgezeichnet. Lorenzos Bruder Giuliano indes folgte einer scheinbar natürlicheren Bahn, die zwei Möglichkeiten offen ließ: das Leben als Geistlicher und Kardinal oder aber als Ehemann in einer dynastischen Heirat. Nichts weist darauf hin, dass er – ebensowenig wie Lorenzo – dafür vorgesehen gewesen wäre, sich im Handel und internationalen Bankwesen zu betätigen. 1473 versuchte Lorenzo wiederholt, seinen Bruder Papst Sixtus aufzunötigen, damit dieser ihm eine Kardinalswürde verschaffte. Doch wie wir gesehen haben, hatte der Heilige Vater Besseres zu tun, weshalb die beiden Brüder für Giuliano schließlich die Einheirat in eine hochstehende Familie näher in Betracht zogen. Eines der Häuser, die in diesem Zusammenhang im Gespräch waren, waren die Appiano, die Herren von Piombino an der südwestlichen Grenze des florentinischen Staatsgebietes. Sie waren mit Aragon über Blutsbande verknüpft. Doch aus nahe liegenden Gründen wurde daraus nichts, und 1480 wurde Semiramide, die Tochter Jacopos III. d’ Appiano, die die wahrhaft fürstliche Mitgift von 10.000 GoldFiorini mit in die Ehe brachte, stattdessen mit Lorenzos jüngerem Cousin Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici verheiratet.24 Lorenzos Anliegen um den Fortbestand seines Hauses wurde ab 1485 zu einer ständig quälenden Sorge, zumal seine gichtbedingten Schmerzen und Beschwerden zunahmen und ihn immer wieder an seine Sterblichkeit erinnerten. Seit frühester Jugend von

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der Vision mediceischer Erhabenheit und schicksalhafter Vorbestimmung geleitet, wurde er nun von der Frage nach der Zukunft seiner Kinder geplagt. Wobei an oberster Stelle natürlich die Heirat seines ältesten Sohns, Piero, stand. Wegen dieser entscheidenden Verbindung wandte Lorenzo sich erneut nach Rom an die Orsini, diesmal jedoch an einen mächtigeren Zweig der Familie. 1487, noch bevor er siebzehn Jahre alt war, wurde Piero, selbst zur Hälfte ein Orsini, mit Alfonsina Orsini getraut, der Tochter des verstorbenen Grafen von Tagliacozzo und Albe und Mündel des ungemein einflussreichen Virginio Orsini, eines der meistbeschäftigten Condottiere seiner Zeit. Um die Bedeutsamkeit dieser Heirat für die ganze Halbinsel zu unterstreichen, feierte man die Hochzeit in Neapel, im Schloss von König Ferrante in Anwesenheit des gesamten Hofes. Lorenzo hatte indes mindestens einen auswärtigen Gesandten in dem Glauben belassen, Alfonsinas Mitgift beliefe sich auf 30.000 Fiorini (eine Kunde, die sich wie ein Lauffeuer über ganz Italien verbreitete), obwohl die Summe in Wahrheit auf 12.000 neapolitanische Dukaten festgesetzt war. Außerdem hatte er Virginio zuvor ein hohes Darlehen gewährt, und es scheint, dass er den größten Teil dieser Schuld abschrieb, um diese Ehe in die Wege zu leiten. Hatte Lorenzo, dessen Familienwappen allmählich zum Pfandhaus-Emblem mutierte, also für seinen Sohn eine kleine Prinzessin gekauft?25 Die ehrgeizigen Absichten, die hinter der Verbindung – zuerst Lorenzos und dann Pieros – mit einer Orsini steckten, entgingen den Florentinern freilich nicht, und obwohl in der Öffentlichkeit natürlich kein abfälliges oder kritisches Wort darüber geäußert wurde, wurmte es doch viele. In Vergessenheit geriet das Thema nicht. Die Eheschließungen und beruflichen Karrieren der übrigen Medici bewegten sich in einer Bahn, die durch die „ruhmreiche Ausschaltung“ (Guicciardini) der Pazzi deutlich größere Chancen eröffnete.26 Als Lorenzo starb, war sein dritter Sohn, Giuliano, erst dreizehn, aber sein Lebensweg stand bereits fest, und der Offizier, Höfling, Musiker und Dichter sollte sein Leben als Herzog von Nemours beenden. 1495, 1498 und noch einmal im Jahr 1500 trat er gegen die neue Republik an und heiratete schließlich 1515 Filiberta, die Tochter des Herzogs von Savoyen. Dass Lorenzos älteste Tochter, Lucrezia, erst im Alter von achtzehn Jahren (1488) verheiratet wurde, lässt darauf schließen, dass sie ein unscheinbares, wenn nicht sogar unattraktives Mädchen war. Was das Äußere anging, konnten die Florentiner ausgesprochen kleinlich sein. In den 1460er Jahren etwa wusste die gesamte Oberschicht von Florenz, dass ein Pazzi-Mädchen, das im heiratsfähigen Alter war, auf einem Auge schielte, und diese Schwäche wurde überall breitgetreten und ihr zum Nachteil ausgelegt. Lorenzos Lucrezia heiratete schließlich in den vornehmsten Zweig des Geschlechts der Salviati ein. Diese Ehe, die die Freundschaft zwischen beiden Häusern demonstrieren sollte, festigte eine der heiklen lokalen Allianzen und diente – Lorenzos Gespür für solche Dinge war in der Tat brillant – gleichzeitig dazu, die Stadt an die „bürgerlichen“ Ursprünge der Medici zu erinnern.

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Die Tatsache, dass sich der schwer kranke, von Schmerzen und Sorgen geplagte Lorenzo zur Eile genötigt sah, zeigt sich nicht zuletzt an der Verheiratung seiner jüngsten Tochter, Contessina, die im März 1490 mit gerade einmal zwölf Jahren bereits in einen der vornehmsten Haushalte der Familie Ridolfi gegeben wurde, ihrerseits einflussreiche Unterstützer des Hauses Medici. Eine andere Tochter, Luisa, starb mit elf Jahren, war zu dieser Zeit aber bereits verlobt. Ein weiterer Spielball hochtrabender Ambitionen war Lorenzos Tochter Maddalena (geb. 1473), die die Beziehung Lorenzos zu Papst Innozenz VIII. sowie den spektakulären Aufstieg von Lorenzos zweitem Sohn, Monsignor Giovanni, in der Kirchenhierarchie ins Blickfeld rückt. Hier begegnen wir auch Giulio, dem unehelichen Sohn des ermordeten Giuliano, dessen erfolgreiche Laufbahn eng mit Monsignor Giovannis Karriere verknüpft war. Der Pate des illegitimen Giulio machte Lorenzo auf den Sohn seines Bruder aufmerksam, der wenige Monate vor der April-Verschwörung ohne Wissen der Öffentlichkeit zur Welt gekommen war. In einem Akt, dem der Geruch von Buße für Giulianos Seele anhaftet, bestimmte Lorenzo den Buben zu einer kirchlichen Laufbahn und hatte ehrgeizige Pläne mit ihm, die er mit großer Beharrlichkeit verfolgte. Noch bevor er zwölf war, besaß der Junge dank der Beziehungen seines Onkels eigene Pfründe, darunter die des reichen Priorats von Capua, das ihm der König von Neapel zugesprochen hatte. Später hielt sich der kluge und begabte Giulio an seinen Vetter, Kardinal Giovanni, erwarb schließlich selbst die Kardinalswürde und bestieg 1523 als Papst Klemens VII. den Heiligen Stuhl.

Ruhm und Rettung Giulios Karriere wurde möglich durch Monsignore Giovannis Aufstieg. Diese Geschichte beginnt im Jahr 1486, als Lorenzo sich daran machte, Sixtus’ Nachfolger, Innozenz VIII. (1484–92), zu hofieren, und umgehend ein Unternehmen einleitete, das den Medici zu Ruhm und Rettung gereichen sollte. Zu der Zeit freilich schien Lorenzo die gesamte römische Kurie gegen sich zu haben. Obwohl er bei einem gerade zu Ende gegangenen Krieg zwischen König Ferrante und Papst Innozenz Neutralität vorgespielt hatte, war Florenz (unter seiner Ägide) doch eindeutig auf Seiten Neapels gestanden – in erster Linie aus Furcht vor der militärischen Schlagkraft des Papsttums und dessen langer gemeinsamer Grenze mit Florenz im Süden und Südosten. Außerdem hatten sich Florenz und Genua über die Küstenfestung Sarzana zerstritten – beide Staaten beanspruchten sie für sich –, und der Papst war ein stolzer gebürtiger Genuese. Wenn es darauf ankam, konnte sich Lorenzo jedoch immer auf die Fähigkeit verlassen, die ihm noch jedes Mal aus der Bredouille geholfen hatte: sein geniales diplomatisches Geschick. Er war ein ausdrucksvoller, überzeugender Briefeschreiber, einer der Begründer der modernen italienischen Prosa. Und die Fürsten wussten, dass er Florenz

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in der Tasche hatte. Aus welchem Grund hätten die Oberhäupter des Orsini-Klans ihre Alfonsina dem jungen Medici zur Frau andienen sollen, wenn nicht aus der Annahme heraus, dass Lorenzos Erbe sozusagen Florenz mit in die Ehe bringen würde? Natürlich gewannen auch die Medici bei dem Deal, aber inzwischen waren sie ebenfalls eine gute Partie für die Orsini. Florenz warb schließlich häufig Armeen an, und die Orsini waren Söldner ebenso wie Priester, die nach hohen geistlichen Würden strebten.27 Die wachsende Freundschaft zwischen Lorenzo und Papst Innozenz wurde auch während des so genannten Baronenkriegs zwischen Rom und Neapel von einem geheimen Schriftwechsel begleitet. Anfang 1487 hatten sich die beiden Männer so weit einander angenähert, dass Innozenz „mit den Augen des magnifico Lorenzo zu sehen“ schien, und die beiden gelangten zu der Übereinkunft, Lorenzos Tochter Maddalena mit Franceschetto Cibò, dem illegitimen Sohn des Papstes, zu verheiraten. Noch während dieser Verhandlungen schrieb der florentinische Gesandte in Rom an Lorenzo, Papst Innozenz sei von dem Florentiner maestro derart eingenommen, dass er beschlossen habe, sich in politischen Fragen künftig ganz nach Lorenzos Rat zu richten. Der Brief des Gesandten gipfelte in den Worten: „Die Schlussfolgerung ist, dass Ihr Euch gleichwohl selbst als Papst ansehen dürft.“ Diese gewiss heftige Übertreibung vermittelt indes doch einen Eindruck von der Beziehung zwischen dem Statthalter Christi auf Erden und dem in den schönen Künsten bewanderten Staatsmann, der Florenz zu regieren schien.28 Was aber stand hinter dieser ungewöhnlichen Freundschaft? Lorenzo ging es sicherlich um seinen elfjährigen Sohn Giovanni, der bereits mit sieben Jahren die Tonsur erhielt und von Kindesbeinen an dazu erzogen wurde, hohe kirchliche Ämter zu bekleiden und ein Kirchenfürst zu werden. Für dieses Ziel musste die zärtlich geliebte Maddalena (sie war der Liebling ihrer Mutter) geopfert werden. Lorenzo gab vor, Innozenz hätte auf die Verbindung gedrängt, und er könne es sich nicht erlauben, den Heiligen Vater vor den Kopf zu stoßen. Deshalb habe er um Florenz’ willen zugestimmt. Warum? Die Beziehungen zwischen Florenz und der Kurie seien viel zu lange feindlich gewesen, und jedermann wisse doch, so Lorenzos Worte, „wie sehr diese Stadt [Florenz] von Natur aus zur Kirche hinneigt“. Selbstverständlich mache er sich Gedanken um das Mädchen, aber es müsse nun einmal sein. Er war überzeugt, die Ehre und das Überleben der Medici erforderten diesen Schritt. Nicht umsonst war man seit Jahren hinter einer Kardinalswürde her. Folglich wurde Maddalena mit dreizehn Jahren (im Mai 1487) offiziell mit Franceschetto („kleiner Franz“) verlobt. Dieser war vierundzwanzig Jahre älter als sie, untersetzt, „fett, langweilig, ständig betrunken“ und ein hemmungsloser Spieler. Im Januar 1488 fand dann die Hochzeit mit dem inzwischen zum Grafen von Anuillara ernannten Papstsohn statt, und die Ehe wurde vollzogen. (Zu Maddalenas Mitgift in Höhe von 4000 Fiorini gehörte, wie schon erwähnt, auch der Palazzo Pazzi.) Sieben Monate später gab Lorenzo über die wiedereröffnete Medici-Bank in Rom dem Papst ein Darlehen über 30.000 Fiorini.29 Von diesem Augenblick an ging es mit der Laufbahn des minderjährigen Geistlichen Giovanni sichtlich voran. Sah es zwischendurch so aus, als ließe der Papst die Sache

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schleifen, war Lanfredini, der florentinische Gesandte in Rom, sofort zur Stelle, um ihn unauffällig in die richtige Richtung zu dirigieren. Gleichzeitig hofierte Lorenzo verschiedene Kardinäle, vor allem den einflussreichen Ascanio Sforza, den Bruder des Herrn von Mailand – immer mit dem Hintergedanken, dass auch sie auf Innozenz einwirken sollten. In einem Brief an Kardinal Sforza behauptete Lorenzo, die Ehre höher zu schätzen als das Leben, und sprach dann ganz direkt das Kardinalat für Giovanni an. „Und sollte dieses mein Begehren nicht verwirklicht werden, weiß ich nicht, ob ich noch länger leben möchte. Kurz: Ich empfehle Euer Heiligkeit die Ehre dieser Republik und meiner eigenen Person und appelliere an Euch mit derselben Dringlichkeit, mit der ich Gott um das Heil meiner Seele ersuchen würde.“ Lorenzo wusste schöne Worte zu gebrauchen, aber er glaubte auch an Christus, seine Seele und die Kraft des Gebets.30 Gegen Ende 1488 erhielt er endlich Nachricht, dass Giovannis Erhebung unmittelbar bevorstehe. Am 19. Februar wurden für den dreizehnjährigen Giovanni gewisse Altersvorgaben aufgehoben. Sechs Tage später erhielt er in der Kapelle des Palazzo Medici die wesentlichen Weihen und am 27. Februar, obwohl er nie Jura studiert hatte, die Doktorwürde im kanonischen Recht. Und tatsächlich: Als Papst Innozenz am 19. März fünf neue Kardinäle ernannte, war Giovanni einer davon. Die frohe Kunde, eilends nach Florenz überbracht, erreichte Lorenzo bereits am folgenden Tag. Aufgrund von Giovannis skandalös geringem Alter hatte Innozenz verfügt, dass die Erhebung drei Jahre lang geheim gehalten werden müsse. Freilich umsonst. Lorenzo war außer sich vor Freude, sein engster Zirkel verbreitete die Kunde, und ganz Florenz feierte das Ereignis, das ja auch eine große Ehre für die Stadt bedeutete. Mit gewohnt gewandter Feder gelang es Lorenzo, Innozenz zu besänftigen. Doch natürlich war eine Geheimhaltung von Seiten der Medici mit Sicherheit nie wirklich geplant gewesen, denn es war wichtig für die Stellung des Hauses, dass eine solche Botschaft sofort bekannt, ja offen hinausposaunt wurde. Fünf Monate später zahlte die Medici-Bank 95.000 Fiorini in die Kasse der Apostolischen Kammer. Dieser Betrag war ein Darlehen, dem freilich der Geruch von Bestechungsgeld anhaftet. Und angesichts der in Rom üblichen Sitten ist anzunehmen, dass Simonie-Gelder auch in die Taschen des Kardinals Sforza flossen.31 Die beiden Schwiegerväter, der florentinische Bürger und der Heilige Vater, gaben zwar ein recht merkwürdiges Gespann ab, kamen sich aber naturgemäß nun noch näher. Lorenzos Briefe an den Papst enthielten mitunter fast als Anweisungen zu lesende Ratschläge, und bald kannte ganz Italien seinen Einfluss auf die Politik des Heiligen Stuhls. Selbst Fürsten wandten sich jetzt an ihn, wenn sie die Unterstützung der Kurie suchten. Lorenzo genoss mehr Ansehen denn je: Er schien zum bedeutendsten Vermittler und großen Powerbroker der Halbinsel aufzusteigen.32 In seinen letzten Jahren übte Lorenzo – obwohl unter Asthma leidend und von akuten Gichtanfällen, Arthritis, Magen- und Nierenbeschwerden geplagt – seine Herrschaft über Florenz zunehmend wie ein Diktator aus, während die adlige Elite seines unmittelbaren Umfelds sich immer mehr in die Rolle von Befehlsempfängern gedrängt

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sah. Die führenden Regierungsmitglieder, „Aufsteiger“ wie Niccolò Michelozzi und Ser Giovanni Guidi, waren ohnehin bereits Marionetten und seinen Wutanfällen, Launen und verbalen Ausfällen mehr oder weniger willfährig ausgeliefert. Lorenzo war jetzt häufig unterwegs, da er von einem toskanischen Kurbad zum nächsten reiste, aber in ständigem Kontakt mit den Regierungsgremien in Florenz, denen er Anweisungen zukommen ließ. Und er begann offenbar, die rituellen Liebes- und Freundschaftsbeteuerungen für bare Münze zu nehmen – obwohl er gewusst haben muss, dass die entsprechenden Formulierungen im Verkehr mit seinen Verwandten ebenso wie mit auswärtigen Landesherren und Fürsten nichts weiter als schöne Worte waren. Lorenzo sehnte sich also danach zu glauben, dass „seine“ Leute und „Freunde“, seien es Aristokraten oder Parvenüs, ihn tatsächlich „liebten“, weil er sich für sie eingesetzt hatte – ihn einfach dafür schätzten, was er wirklich war. Das heißt, er erwartete die Zuneigung und Treue, die Fürsten von ihren Untertanen erwarteten – ein, wenn man es genau betrachtet, durchaus erstaunlicher Wunsch. In Briefen, Gedichten und ohne jeden Zweifel auch bei persönlichen Begegnungen hatten Bürger Cosimo de’ Medici oft „Heiliger“, „Gott“, „Wohltäter“ und „Vater“ genannt, doch der gewiefte alte Bankier hatte sich von solchen Metaphern nicht täuschen lassen. Lorenzo dagegen, unter ganz anderen Bedingungen groß geworden, war praktisch dazu erzogen, selbst an seinen erhabenen Status zu glauben. Wenn es folglich einmal geschah, dass die Regierungsgremien in Florenz eine andere politische Ansicht vertraten und den Anweisungen, die er ihnen brieflich hatte zukommen lassen, nicht widerspruchslos folgten, äußerte er sich gerne sarkastisch über ihre überragende Staatskunst, die „viele Liebe und Loyalität“. Einmal schimpfte er: „Sobald ich mich weiter als zehn Meilen von der Stadt entferne, hört die Liebe und Loyalität meiner Freunde auf.“ Dabei war es gerade dies – Liebe und alles, was damit einherging –, was er ersehnte und worauf er sich verlassen können wollte. Und wenn es sich in Luft auflöste, sobald er Florenz den Rücken kehrte, dann hatte er, der großzügige und weise Lorenzo, es doch offenbar mit einem Haufen Undankbarer zu tun, womit in erster Linie sicher diejenigen Aristokraten gemeint waren, die weiterhin auf einer eigenen Meinung beharrten und die es, geschwätzig und eitel wie sie waren, einfach nicht fertig brachten, sich den republikanischen Gedanken aus dem Kopf zu schlagen.33 Allen körperlichen Beschwerden und aller Melancholie seiner letzten Lebensjahre zum Trotz: Er hatte das Ziel, das er sich gesteckt hatte, erreicht. Er hatte allen Grund, sich zu freuen. Der Knabe Giovanni war Kardinal. Was Lorenzo allerdings nicht vorhersehen konnte, war, dass sein Erfolg vom Geist der Pazzi und der April-Verschwörung überschattet war. Denn er hatte, wie Guicciardini bemerkte, diese Gefahren in einen Triumph umgemünzt, der alles überstieg, was unter normalen Umständen möglich gewesen wäre. Obendrein bot er seit dem 26. April 1478 das imposante Bild eines Mannes, der, umgeben von seiner bewaffneten Eskorte, die Stadt stets mit einem ganzen Tross von Anhängern, Freunden und Bediensteten verließ oder betrat – ein Auf-

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tritt, der umso denkwürdiger und eindringlicher wirkt, wenn man sich die Tatsache bewusst macht, dass er schwer krank war und häufig Schmerzen hatte. Bei der Überarbeitung seines Kommentars blickte er mit umständlicher Nostalgie auf seine Liebesgedichte und seine verflossene Jugend zurück, fügte jedoch bei der letzten Durchsicht (1490/91) und insbesondere in dem neuen Prolog eine Art platonische Liebe ein, eine Veränderung, die diese frühe Leidenschaft sublimieren und stilisieren sollte. Der Herr von Florenz steckte einen Claim ab – so als ahne er, dass Savonarola samt seinem religiösen Fanatismus bereits hinter der nächsten Ecke lauerte, was ja tatsächlich auch der Fall war. Auf Rat des brillanten Denkers und Fürsten Pico della Mirandola hatte Lorenzo den charismatischen Mönch 1489 übrigens selbst nach Florenz geholt.34 In der Zwischenzeit jedoch hatte Lorenzo Zeit, über Kardinal Giovanni und die Zukunft der unglücklichen Maddalena nachzusinnen, der frischgebackenen Schwiegertochter des Papstes. In Briefen an den Heiligen Vater beschwört er diesen, sich doch „als Papst zu zeigen“ und Franceschetto mit einem finanziellen Polster auszustatten, das es dem jungen Paar ermöglichen würde, in geziemendem Wohlstand zu leben. Nun hatte Innozenz auch eine illegitime Tochter und eine Enkelin, Perette, die er an einen reichen genuesischen Kaufmann verheiratet hatte, so dass sie offenbar in großbürgerlichen Verhältnissen lebte. Franceschetto und Maddalena indes hatten eher den Lebensstil von Adligen im Sinn – mit Einkünften aus Großgrundbesitz, Sinekuren und, wenn möglich, Steuern. Überraschenderweise traf Innozenz jedoch keinerlei entsprechende Vorkehrungen für das Paar. Die päpstlichen Lehen in den Marken und der Romagna waren alle vergeben. Und nach Lorenzos Tod sollte Maddalena sich gezwungen sehen, erst ihren älteren Bruder Piero um Unterstützung anzugehen und später dann den jüngeren, den Kardinal. Dieser war ein wohlhabender junger Geistlicher, für den Lorenzo ganz Europa nach Pfründen durchforstet hatte. (Auch die Filialen der Medici-Bank in Lyon und Rom hatte er zu dieser beharrlichen Suche immer wieder eingespannt.) Und nicht ohne Erfolg, denn selbst von Fürsten so weit entfernter Königreiche wie Frankreich und Neapel mit Kircheneinkünften ausgestattet, bezog Giovanni noch vor seiner Erhebung zum Kardinal Gelder aus siebenundzwanzig verschiedenen Pfründen (darunter sämtliche toskanischen Domherrenpfründe) – Zeugnisse der weit reichenden Beziehungen Lorenzo de’ Medicis.35 Auf den Jubel und das Erstaunen über Giovannis Erhebung reagierte Lorenzo mit den Worten, dies sei „die höchste Ehre, die dem Haus Medici jemals widerfahren“ sei und „das Größte, was unser Haus jemals erreicht hat“. Eine gewaltigere Leistung also als die Erfolge im internationalen Bankengeschäft, größer gar als die geniale Ergreifung der Macht in Florenz. Ungeachtet allen emotionalen Überschwangs sollte sich diese Beurteilung als erstaunlich hellsichtig erweisen. Kaum zwanzig Jahre später nämlich, im September 1512, stürzte einen Gruppe mediceischer Aristokraten, die sich ganz auf Kardinal Giovannis politisches Gewicht stützte, aber auch den angeblichen Beistand einer spanischen Armee besaß, die neu belebte florentinische Republik und setzte aber-

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mals die Medici als Machthaber ein. Papst Julius II., einer von Papst Sixtus’ „teuflischen“ Neffen, beglückwünschte die Florentiner diesmal zu ihrer glücklichen Hand. Und als sie 1527, wiederum aufgrund einer Welle republikanischen Feuereifers, abermals vertrieben wurden, konnten sie auf einen eigenen Papst zählen: Es war kein anderer als Giulio, der uneheliche Sohn des ermordeten Giuliano, der 1513 überraschend zum Kardinal erhoben worden war. Von wem? Von seinem Vetter (dem Ex-Kardinal) Giovanni, der im selben Jahr zum Papst gewählt worden war und den Namen Leo X. angenommen hatte. Giulio wiederum nutzte 1530 als Papst Klemens VII. (1523–34) ein Bündnis mit Kaiser Karl V. und seinem Belagerungsheer dazu, die letzte florentinische Republik endgültig zu zerschlagen. Als sich die Tore der unterworfenen Stadt öffneten, um die siegreichen Feldherren einzulassen, marschierten die Medici gleich hinter diesen ein – und blieben für immer. Lorenzo il Magnifico, nicht der Neuplatoniker, sondern der Politiker, hatte weit in die Zukunft geschaut und Recht behalten: Maddalenas Glück war ein lächerlicher Preis für zwei Medici-Päpste und das MediciHerzogtum Florenz.36

Ein Hauch von Heiligkeit Auch wenn im Volk die Ansicht verbreitet war, ein Geist in Lorenzos Ring verbinde ihn mit dunklen, heidnischen Mächten, war er selbst doch streng gläubig und nicht nur in den Schriften Platons und der meisten lateinischen Klassiker bewandert, sondern auch mit der Bibel und den Schriften des heiligen Augustinus vertraut. In seinen letzten beiden Lebensjahren verfasste er eine Folge von neun Lobeshymnen, alle zur Aufführung gedacht, sowie ein geistliches Drama über die Heiligen Johannes und Paulus (Februar 1491). Den Tod vor Augen, wandte er sich verstärkt spirituellen und Sühnethemen zu. Bis in seine letzten Wochen hinein blieb er jedoch, unbenommen aller Gläubigkeit, ein immens vielschichtiger, undurchschaubarer Mann voller Widersprüche. Obwohl er die politische Macht des Papsttums für einen tragischen Fluch hielt, der auf Italien lastete, und den hohen römischen Klerus als „Sumpf“ titulierte, kämpfte er doch verzweifelt darum, ein Kardinalat für die Familie zu erringen, und überließ dafür dem unsympathischen Sohn eines Papstes eine Tochter. Selbst die Wahl einer kirchlichen Laufbahn für Giulianos unehelichen Sohn war durch Ehrgeiz bedingt, und all das, weil Lorenzo – verständlicherweise vielleicht – das irdische Geschick der Familie Medici über alles andere stellte.37 Die Kluft zwischen seiner Gläubigkeit und seinen weltlichen Ambitionen wurde nie eleganter formuliert als in einem Brief vom März 1492 an seinen Sohn Giovanni, geschrieben, kurz bevor dieser zur Erlangung besonderer Weihen nach Rom reiste. Einerseits sieht Lorenzo Rom darin als „Pfuhl allen Lasters“, glaubt aber andererseits, dass „Gott Dich wunderbarerweise zum Kardinal gemacht“ hat – obwohl er, Lorenzo, doch für diese Ehre bezahlt und alle erdenklichen Fäden gezogen hatte, um sie zu

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erlangen. Er nimmt als gegeben an, dass die meisten Kardinäle von Lasterhaftigkeit und niederem Ehrgeiz getrieben sind, sieht aber keinen Zusammenhang zwischen diesen und der Tatsache, dass die meisten von ihnen auf demselben Weg in ihr hohes Amt gelangten wie Giovanni – nämlich durch Nepotismus oder Korruption. Er hält Giovanni an, sobald er sich in Rom eingerichtet hat, ein „gottgefälliges, vorbildliches und tugendhaftes Leben“ zu führen und sich der Bescheidenheit zu befleißigen sowie sich vor den vielen „Aufwieglern und Bestechern“ zu hüten, die „in Anbetracht deines Alters [versuchen werden], … dich in dieselbe Grube zu ziehen, in die sie selbst gefallen sind“. Bei diesem unnatürlichen Unterfangen solle Giovanni die Kraft sämtlicher „Tugenden [haben], die derzeit im [Kardinals-]Kollegium fehlen“.38 Leider wurde Giovanni (Abb. 13), das heißt Papst Leo X., den Wünschen seines Vaters zum Trotz ein Spiegel seiner Zeit: ein Simonist und Nepotist, der Kirchenämter und -würden zum Verkauf anbot und seinen Verwandten auf Kosten der Kirche ein weiches Nest baute. Wie er es in einem Brief an seinen Bruder, den Herzog von Nemours, ausdrückte: „Gott hat uns die päpstliche Würde geschenkt … genießen wir sie“! Lorenzo blieb nun nur noch, sein Leben in einem Hauch von Heiligkeit zu beschließen, und er enttäuschte keinen von denen, die, besorgt oder beflissen, um sein Sterbebett standen. Freunde, Familie und Bedienstete, alle in seiner Umgebung, bestaunten seine Frömmigkeit und begannen ihn schon halb als Heiligen zu sehen, als das reale

Abb. 13 Büste des Kardinals Giovanni de’ Medici, Antonio de’ Benintendi zugeschrieben

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und doch verzerrte Spiegelbild seines mächtigen Ring-Geistes. Poliziano will beobachtet haben, wie er mit Inbrust „ein silbernes, mit kostbaren Perlen und Edelsteinen verziertes Kruzifix“ küsste. Am Todestag des Magnifico im April 1492 erzählte ein Augenzeuge seinem ersten Sekretär Michelozzi: „Wenn Ihr Lorenzos Worte und seine Haltung in seinen letzten Stunden miterlebt hättet, sowohl zu Piero [seinem Sohn] als auch zu verschiedenen Geistlichen, seine Worte hinsichtlich Angelegenheiten der Seele und wie bewundernswert er sich [für den Tod] bereitmachte, das Herz würde Euch übergehen vor Stolz.“ In einem Brief, neun Tage nach Lorenzos Tod geschrieben und ebenfalls an Michelozzi gerichtet, notierte ein anderer Freund des Verstorbenen, der bis zuletzt bei ihm weilte:39 Ich beschwöre Euch, habt Geduld, und denkt daran, dass wenn Lorenzo seiner Geburtsstadt zu Lebzeiten geholfen hat, wie könnte er ihr da weniger helfen, wo er jetzt im Paradiese ist. Diese Stadt sollte sich in dem Wissen sonnen, einen solchen Beschützer in Gottes nächster Nähe zu haben, wo er sein muss, denn wenn nicht er, dann keiner. … Im Sterben hielt er sich wie im Leben. Er legte die Beichte ab und empfing das heilige Sakrament mit solcher Demut, dass alle, die dabei waren, aussagten, niemals etwas Hingebungsvolleres und Christlicheres gesehen zu haben.

Verfasst von einem Mann, der die Nähe des Todes spürt, halten die geistlichen Gesänge aus Lorenzos letzter Schaffensperiode Rückschau und widmen sich dem Mystizismus des 13. Jahrhunderts in Umbrien und des 14. Jahrhunderts in Siena. Er erbittet Erlösung von dieser erbärmlichen, finsteren und eitlen Welt, um über das Blut des Gekreuzigten in Liebe mit Christus vereint zu werden, und um ein ewiges Leben.

Epilo g Lorenzo war noch kein volles Jahr tot, da begannen sich einige der Aristokraten, die seine Machtergreifung ermöglicht hatten, gegen seinen Sohn Piero zu wenden, der ihnen zu ungehobelt dünkte und nicht kompetent genug erschien, den Platz seines Vaters einzunehmen. Das Ohr immer am Puls der Zeit, entdeckten die auswärtigen Gesandten sehr rasch die ersten Anzeichen von Abtrünnigkeit unter den führenden Florentinern – und dies in einem Italien, das ohnehin in Sorge war, weil König Karl VIII. von Frankreich ganz unverblümt ein Heer zum Einmarsch auf die Halbinsel aufstellte, um den aragonischen König von Neapel abzusetzen. Angesichts eines weiteren potenziellen französischen Anspruchs auf das Herzogtum Mailand zog auch dessen Herr, Ludovico Sforza, auf seiner fieberhaften Suche nach Unterstützung alle diplomatischen Register. Als Karl dann im August/September 1494 an der Spitze einer 30.000 Mann starken Armee samt mächtiger Artillerie die Alpen überquerte, machte sich unter den Fürsten und Führungseliten Italiens Angst und Zwietracht breit. Vor diesem angespannten Hintergrund nun begab sich Piero de’ Medici zum Feldlager des Königs, um sich mit Karl zu besprechen, der die Toskana durchqueren und auch einige Tage in Florenz Quartier nehmen wollte. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Politiker der Stadt stand Piero bereits seit längerem mit wachsender Skepsis gegenüber. Jetzt führten seine untragbaren Zugeständnisse an den König – darunter die törichte Preisgabe der Festungen Pisa und Sarzana – dazu, dass sich Regierung und Beratergremien offen gegen ihn wandten, weil er ohne ihr Mandat gehandelt hatte. Als Piero am 9. November, einen Tag nach seiner Rückkehr in die Stadt, in Begleitung einer bewaffneten Eskorte den Regierungspalast betreten wollte, wurde ihm der Zutritt verwehrt. Noch am selben Abend floh er zusammen mit seinen beiden Brüdern aus der Stadt. Er sollte niemals zurückkehren. Seine Abreise gab das Signal zu einem Aufstand gegen die gesamte Medici-„Tyrannei“, und in dem nachfolgenden allgemeinen Furor stürmte eine wütende Menge die Häuser von Lorenzos engsten Verbündeten und steckte einige sogar in Brand. Einer der ersten „Schurken“, die gefangen genommen, von den „Acht“ verurteilt und anschließend an einem Fenster des Bargello aufgeknüpft wurden, war Antonio di Bernardo Dini. Er hatte jahrelang mit Lorenzo zusammengearbeitet, sowohl bei den „Siebzehn Reformatoren“, einem mächtigen (wenngleich zweifelhaften) Gremium, als auch als oberster Beamter des Monte. Mit Sicherheit war er einer der Hauptkomplizen, als sich sein Chef so großzügig selbst aus der Staatskasse bediente.1

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Innerhalb weniger Wochen nach der Flucht der Medici kehrten an die Hundert Exilanten nach Florenz zurück, um wieder im Schoße ihrer Familien zu leben, ihr Eigentum zurückzufordern und ihre Hilfe beim Wiederaufbau der Republik anzubieten. Zuallererst jedoch – vier Tage nach Pieros überstürzter Abreise – „befreiten und entlasteten [die Prioren] alle Nachkommen des Messer Andrea di Guglielmino de’ Pazzi“, das heißt sämtliche Beteiligten der April-Verschwörung des Jahres 1478. Sie durften nun nach Florenz zurückkehren, ja wurden sogar dazu aufgefordert, und sie erhielten auch wieder das Recht, ein öffentliches Amt zu bekleiden. Zehn Wochen später, am 25./26. Januar, erließ die neue Regierung ein Gesetz, das gleich zu Eingang versicherte, Francesco und Messer Jacopo de’ Pazzi hätten „mit dem Ziele der Freiheit der Stadt und des Volkes von Florenz“ gehandelt, und zudem betonte, alle anderen Mitglieder der Familie, die nichts von dem Komplott gewusst hätten, seien zu Unrecht verbannt worden. Zudem ermächtigte das Gesetz die Pazzi und ihre Nachkommen, über eine fünfköpfige Ad-hoc-Kommission rechtliche Schritte gegen die „vielen“ Bürger einzuleiten, die sich mittels falscher oder betrügerischer Forderungen Teile des sequestrierten Pazzi-Vermögens einverleibt hatten. In einigen Fällen sei solches Eigentum „zu weniger als der Hälfte des gerechten Preises“ verkauft worden, und auch dafür sollte Wiedergutmachung geleistet werden. Obwohl nicht eigens aufgeführt, ließ die Regelung den Pazzi auch die Möglichkeit offen, ihr Wappen wieder anzunehmen, und selbstredend wurde ihnen ihre Vorrangstellung bei den Osterfeierlichkeiten wieder eingeräumt.2 Trotz der unbestrittenen Niedertracht des doppelten Mordversuchs im Dom zu Florenz war die allgemeine Stimmung gegen die Medici – und damit zugunsten der Pazzi – derart stark, dass die genannte Vorlage die beiden gesetzgebenden Gremien mit 151 zu 63 beziehungsweise 113 zu 47 Stimmen passierte. Viele, die gegen diese Maßnahmen votierten, dürften Männer gewesen sein, die entweder offen mit den Medici paktiert hatten oder sich durch zukünftige rechtliche Schritte der Pazzi bedroht sahen. Dass die Pazzi bereits Anfang Januar 1495 mehrere Prozesse angestrengt hatten, spricht für sich. Unter anderem reichten sie mit Rückblick auf das Jahr 1478 eine Forderung in Höhe von über 1400 Fiorini gegen die Lyoner Niederlassung der Medici-Bank ein.3 Nachdem also das Medici-Regime rückwirkend für verfassungswidrig erklärt worden war, bot sich den Anwälten der überlebenden Pazzi die Möglichkeit zu argumentieren, Lorenzo und die „Acht“ hätten die Familie widerrechtlich ihres Vermögens beraubt, da er, all seines politischen Einflusses zum Trotz, dem Gesetz nach nichts weiter gewesen sei als ein einfacher Bürger. Folglich war auch das Attentat im April 1478 nicht, wie man es immer wieder hingestellt hatte, ein „Majestätsverbrechen“ gewesen, sondern lediglich ein gewöhnlicher Mordanschlag auf zwei gewöhnliche Bürger.4 Eingedenk der Heiratsverbindungen der Medici mit den adligen Orsini und der politischen Gefahren, die derartige Allianzen bargen, verabschiedete die neue republikanische Regierung auch ein Gesetz, das allen Bürgern – männlichen wie weiblichen Geschlechts – untersagte, in fürstliche „Baronen“-Familien einzuheiraten, es sei denn,

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es handelte sich dabei um Florentiner. Das Bußgeld für eine solche Ehe betrug „eintausend große Fiorini“ und nahm der Familie, die dagegen verstieß – Vater, Brüdern und Söhnen –, jegliche Berechtigung auf ein öffentliches Amt.5 Ebenfalls wiederaufgegriffen wurde die Frage nach Lorenzos Griff in den Staatssäckel, und eine Kommission aus führenden Beamten, die die entsprechenden MonteBelege genau unter die Lupe nahmen, gelangte zu dem Schluss, dass Lorenzo 74.948 Fiorini unterschlagen hatte. Dieser Betrag wurde nun dem sequestrierten Medici-Vermögen entgegengestellt. Ob die Zahl korrekt war oder nicht, steht freilich auf einem anderen Blatt – nicht nur weil diese Angelegenheit zu diesem Zeitpunkt mehr als kontrovers war, sondern auch weil die obersten Monte-Beamten, die mit Lorenzo gemeinsame Sache gemacht hatten, die Einträge womöglich so zu kaschieren gewusst hatten, dass sich der Diebstahl nicht eindeutig zurückverfolgen ließ. Noch heute streiten sich die Gelehrten sowohl hinsichtlich der Methode von Lorenzos Betrug als auch der Höhe der unterschlagenen Summe.6 In der Zwischenzeit sah der Dominikanermönch Savonarola, der seit einiger Zeit in Florenz lebte und – wenngleich noch nicht mit seinem späteren Feuereifer – predigte, seine Zeit gekommen. Er vertiefte seine Inbrunst und schaffte es, seine Vision des Christentums mit den kollektiven Idealen des Republikanismus zu koppeln. Seine Botschaft erhielt einen Beigeschmack von „demokratischem“ Gedankengut. Und zur Bestürzung der konservativen alteingesessenen Elite fand er bei den meisten Florentinern enthusiastischen Beifall. Die Republik gewann immer mehr Leben, und in den nächsten drei Jahren beflügelte ein Anflug religiöser Leidenschaft die florentinische Politik und das Tempo des konstitutionellen Wandels. Angespornt von teils ausgesprochen hitzigen Debatten, sollte dieses politische Zwischenspiel Dimensionen annehmen, wie sie die Geschichte von Florenz bislang kaum gekannt hatte. Polizianos Coniurationis commentarium weist verschiedentlich Parallelen zu der Verschwörung des verarmten römischen Patriziers Catilina (108–62 v. Chr.) auf, der durch einen Umsturz politische Macht erlangen wollte – Parallelen, die auf Cicero und Sallust zurückgehen. Da der Kommentar jegliche Tugend den Medici zuspricht, wirft der traditionelle Name des Komplotts vom April 1478, „die Pazzi-Verschwörung“, seit jeher ein schlechtes Licht auf diese Familie, was freilich vorwiegend auf Poliziano zurückzuführen und von der katilinarischen Verschwörung überschattet ist. Mir ist bewusst, dass meine Sympathien bei der Nacherzählung der damaligen Ereignisse scheinbar auf der Seite der Pazzi liegen und ich mit den Medici oftmals hart ins Gericht gehe. In Wahrheit ist es sicherlich ein frommer Wunsch, eine solche Geschichte ohne jedwede Parteinahme erzählen zu können. Und davon abgesehen neigen Historiker, allem Bemühen um Sachlichkeit zum Trotz, nun einmal dazu, Stellung zu beziehen. Doch bei meiner Darstellung spielt noch etwas anderes mit hinein: Da die Geschichtsschreibung seit jeher Argumente gegen die Pazzi anhäuft und die Ereignisse im Licht der angeblichen Brillanz der Medici schildert, schien es mir nur angemessen,

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ja fast zwingend angesagt, eine gewisse Ausgewogenheit herzustellen – zumal in einer Zeit wie der unseren, in der Terrorakte ihren Teil dazu beitragen, jede rationale Argumentation im Anfangsstadium zu ersticken. Wir können es uns niemals leisten, die Vernunft außen vor zu lassen. Unabhängig davon, wie wir die Tat nennen – sei es April-Komplott oder PazziVerschwörung –, wird bei eingehenderer Beschäftigung mit der Materie sehr bald klar, dass sie nicht dazu dienen darf, eine der beiden Familien zu verdammen und die andere in den Himmel zu loben. Die ganze Angelegenheit reicht nämlich sehr viel weiter: Sie bezieht die besitzenden Stände der Stadt ebenso mit ein wie die Struktur ihres politischen Systems, und sie ist tief in der florentinischen Geschichte verankert. Was kulturelle und politische Vitalität angeht, stand Florenz zwischen etwa 1260 und 1530 unangefochten an der Spitze Europas. Weder Rom noch Venedig (von Paris oder London oder irgendeiner deutschen Stadt ganz zu schweigen) hatten Dichter und Denker von der Größe eines Dante, Petrarca oder Boccaccio hervorgebracht. Und keine andere Stadt verfügte über eine Schule von Malern, die es mit den florentinischen Meistern aufnehmen konnte. Poesie und Kurzgeschichten blühten wie nirgendwo sonst in Italien, und Gleiches gilt für das Wiederaufleben klassischer Literatur, wenngleich die damit verbundenen Namen heute fast nur noch Fachleuten bekannt sind. Die Theorien zweier großer politischer und historischer Denker, Machiavelli und Guicciardini, haben ihre Wurzeln in Florenz, genauer gesagt in den leidenschaftlichen, scharfen republikanischen Debatten, die auf die Flucht der Medici im Jahr 1494 folgten. Die analytische Sprache ihrer Schriften und viele ihrer Gedanken tragen eindeutig den Stempel jener Jahre. Unter anderem gab es in Florenz ein literarisches Genre, ricordanze genannt, das in ganz Europa seinesgleichen sucht. Es handelt sich um eine Art Familiensaga oder Memoiren, wobei gerade Letztere häufig durch Introspektive und Reflexionen bestechen. Zudem waren die Florentiner unglaublich sorgfältige Registratoren und Archivare. Deshalb ist Florenz auch die einzige Renaissancestadt, die sich für wirklich tief greifende soziologische Studien anbietet. Sowohl in seinem Umfeld als auch in diesem pulsierenden Mix aus Vernunft und Fantasie selbst spiegelte sich eine dynamische Gesellschaft, die sich trotz gelegentlichen Abgleitens in eine Oligarchie durch relative Flexibilität auszeichnete. Der gesellschaftliche Aufstieg erfolgte im Rahmen der Zünfte, und als diese um 1400 herum an Bedeutung verloren, setzten gewiefte Kaufleute und andere ihren Aufstieg fort – wenngleich dies freilich fast nur dann gelang, wenn sie bereits einem namhaften Geschlecht angehörten und es schafften, sich in den Kreislauf des öffentlichen Ämtersystems einzugliedern. Ein großer Name war kein Garant dafür, nicht von den gesellschaftlich weiter oben Stehenden ignoriert oder gar verhöhnt zu werden. Manchmal hatten unmittelbare Vorfahren das Familienvermögen nicht halten können; dann stand den Nachkommen ein verbissener Kampf bevor. Einige gingen gewiss unter. Aber ein Comeback war immer möglich. Sie konnten wieder aufsteigen, sich günstig verheiraten, die alten

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Familienpalazzi zurückkaufen und im Schlepptau auch andere, verarmte Verwandte wieder mit nach oben ziehen. Seit dem 12. Jahrhundert kämpfte das Volk von Florenz darum, sein eigener Herr zu sein. Zu diesem Zweck hatte es Kriege gegen Kaiser, Päpste, aufstrebende Tyrannen und benachbarte Stadtstaaten geführt. Innerhalb der Stadtmauern waren blutige Auseinandersetzungen im 13. Jahrhundert praktisch an der Tagesordnung: Die Florentiner hatten politische Splittergruppen und Oligarchien, mächtige Klans, Parteien, kriminelle Banden und bewaffnete Eliten bekämpft. Doch die ganze Zeit hindurch, über alle Unruhen, Konfrontationen und Konflikte hinweg, hatte bis ins 16. Jahrhundert hinein der Wunsch überwogen, über Politik zu sprechen, wenn nötig, hitzige Debatten auszufechten, und Mehrheitsentscheidungen herbeizuführen. Natürlich war dies einmal mehr der Fall und einmal weniger. Doch jedes Mal, wenn diesem Mitspracherecht der Untergang drohte, sammelte die Bewegung neue Kraft und schaffte es, stärker als zuvor zurückzukehren. Hierin ist in vielerlei Hinsicht der Schlüssel zum florentinischen Republikanismus zu sehen: in dem Beharren, über Steuern, öffentliche Ämter, Krieg, Wahlen, Führerfiguren und Alltagsgesetze, kurz: über Politik zu diskutieren. Und hierin lag auch die größte Bedrohung für die Medici-Oligarchie, wie Guicciardini es klarsichtig bemerkte, als er die Grenzen von Lorenzos Ambitionen aufzeigte und dabei insbesondere darauf hinwies, dass Florenz „eine Stadt [sei], die sich der Redefreiheit verschrieben [habe] und voll [sei] mit Menschen von überaus feinsinnigem und rastlosem Geiste“. Sicher, in erster Linie regierten immer das Geld und die angesehensten Familien. Doch es gab auch viele einflussreiche Bürger mit bescheidenem Vermögen, die sich mit ihresgleichen zusammentaten, um Entscheidungen gegen die großen Oligarchen und Plutokraten durchzusetzen. Das Bestreben, freien Handel zu treiben, ein öffentliches Amt zu bekleiden und – sagen wir es ruhig frei heraus – andere auszunutzen, seien es die eigenen Arbeiter und Bauern oder die benachbarter Stadtstaaten, förderte eine pragmatische Weltsicht, die Bereitschaft, soziale und politische Mobilität zu akzeptieren, und den Wunsch, nach immer neuen Horizonten Ausschau zu halten. Und dies war der Nährboden, auf dem Forschergeist gedieh und auf dem sich Malerei, Literatur und andere Künste entfalten konnten.7 Das Prinzip der rasch rotierenden Ämter trug dieser politischen Kultur in geradezu idealer Weise Rechnung: Die Männer warteten darauf, dass die Reihe an sie kam, Entscheidungen zu fällen und sich aktiv an der lebhaften politischen Diskussion zu beteiligen. Allerdings waren, wie Guicciardini auch bemerkte, die höchsten Ämter in diesem „kleinen Reich“ beschränkt. Sie reichten niemals für alle aus, zumindest nicht für all jene, die, wie etwa Rinuccini, glaubten, ein „Geburtsrecht“ auf ein hohes Amt zu haben. Folglich herrschte, solange die Republik Florenz bestand, ein ständiges Tauziehen zwischen den Gegnern und Befürwortern einer „restriktiven“ Regierung. Rivalität zwischen einflussreichen Bürgern aus vornehmen Familien, die eine auf sie beschränkte Oligarchie wünschten, auf der einen Seite, und, auf der anderen, „niedrigeren“ Bür-

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gern, die ein wesentlich vielseitigeres Stimmenarsenal ins „Rathaus“ bringen und der Politik eine breitere soziale Basis verschaffen wollten. Aus heutiger Sicht mögen diese Differenzen geringfügig erscheinen: Schließlich zielten beide Gruppierungen auf eine Oligarchie ab. Doch für Florenz und die Renaissance im Allgemeinen war der Unterschied enorm. In einer Stadt mit bestenfalls 45.000 Einwohnern bedeutete es, dass entweder zwischen vierzig und siebzig Bürger an der Macht waren oder aber eine Regierung das Sagen hatte, deren Anführer – auch während ihrer Zeit in einem der höchsten Ämter – immer mit großen, vielhundertköpfigen gesetzgebenden Ratsgremien zusammenarbeiten mussten, deren wechselnde Mitglieder sie ständig beobachteten und denen sie letztlich verantwortlich waren. Es war also sehr wohl eine Frage der Gegensätze: mehrere Hundert Männer (höchstens) versus mehrere Tausend. Es war die Frage einer Republik, in der die res publica, die Staatsangelegenheiten, entweder in Händen einiger weniger lagen – oder in Händen vieler. Dem erweiterten Wählerkreis gehörten auch einfache Ladenbesitzer und ehrgeizige Künstler an, Kleingrundbesitzer, Rechtsanwälte (notai) und „gewöhnliche“ Bürger, deren Familien einst zu den führenden gehört hatten. Allesamt Männer mit wenig Vermögen und geringem Besitz, gewiss, aber mit einem anderen Blickwinkel, wie wir heute sagen würden, und einer anderen Einstellung zur Verwendung von Steuergeldern, zum Krieg, zu Gerichtshöfen und zum Ablauf der Gesetzgebung. Natürlich waren auch ihre Beweggründe oft eigennützig oder parteilich. Aber sie standen außerhalb des magischen Kreises der inneren Oligarchie und konnten deshalb die unpopulärsten und ungerechtesten Entscheidungen der obersten „Chefs“ anfechten oder sogar ihre Wahl verhindern. Außerdem konnten ihre Ansichten außerhalb des Regierungspalastes, sobald sie darin eine Stimme hatten, dazu beitragen, dem Mittelstand Stärke und Respektabilität zu verschaffen, so dass die Oberschicht nicht auf längere Dauer unangefochten dominieren konnte. Nun hatte natürlich auch am Anfang der mediceischen Regierung der Versuch einer Partei gestanden, den anmaßenden Ansprüchen und einseitigen Aktionen einer anderen ein Ende zu setzen. Im Laufe dieser Anstrengung schlich sich jedoch ein überzogener Machtanspruch ein, gefördert von den Führern der Medici-Partei, Luca Pitti, Tommaso Soderini und anderen, sowie von denjenigen Bürgern, die als ruhige und zufriedene Satelliten in ihrer Einflusssphäre lebten. Eine ganze Weile bemerkten die Akteure sicherlich selbst nicht, was sie damit langfristig riskierten, und natürlich konnten sie nicht ahnen, in welche Richtung das Ganze gehen würde. Sie waren zu nah am Geschehen, einer scheibchenweisen Usurpation, und auch wenn dies letztlich zu einer Form von Tyrannei führte, so lag diese in ihrer vollen Ausprägung doch noch in weiter Ferne. Lorenzos Heirat mit der vornehmen Clarice Orsini markierte den Bruch mit der Vergangenheit und war insofern ein bedeutender Wendepunkt. In der patriarchalisch geprägten Gesellschaft dieser Zeit kann diese Ehe nur eine Entscheidung von Lorenzos Vater gewesen sein, wahrscheinlich auf Vorschlag von Cosimo, bevor dieser 1464 starb.

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Sorge um die Medici-Bank und die politische Zukunft mögen die beiden Männer bewogen haben, eine fundamentale Verlagerung in der Heiratspolitik für nötig zu erachten: Sie wollten eine Garantie für zuverlässige Unterstützung von auswärts. Welch anderes Motiv könnten die Florentiner auch hinter Lorenzos Verbindung mit einer mächtigen Familie von Militärs und Kirchenfürsten vermutet haben? Ende der 1450er Jahre hatten die Medici so viele Bürger ins Exil geschickt und noch weit mehr geheime Feinde in der Stadt, dass ihre Position auf der Kippe stand. Entweder sie hielten um jeden Preis an der Macht fest, oder aber sie gingen unter – und mit ihnen jede Menge andere Familien. Der eine bereits betagt, der andere schwer krank, erkoren die beiden Medici den begabten Lorenzo zum künftigen Machthaber. Und dieser brauchte wenig Anstoß. Die „Rebellen“ der 1460er Jahre – Girolamo Machiavelli, Agnolo Acciaiuoli, Dietisalvi Neroni, Niccolò Soderini und andere – erkannten die Gefahr einer beginnenden Tyrannis, doch wurden sie von Cosimo und Piero ausgehebelt, denen es in erster Linie um ihren eigenen Reichtum und Status ging, während die Aufständischen weniger klar umrissene Ziele im Auge hatten; sie wollten lediglich die politische Vormacht der Medici brechen und den Kreis der Regierenden erweitern. Eben wegen ihrer konkreten Zielsetzung und dank der handfesten Mittel, die ihnen zur Verfügung standen, konnten Cosimo, Piero und Lorenzo wesentlich rascher agieren und entschlossener zuschlagen. Immer und immer wieder denunzierte Papst Sixtus während ihrer langjährigen Fehde Lorenzo in Briefen, in Bullen und natürlich auch mündlich als „Tyrannen“ und drängte die Florentiner, ihn hinauszuwerfen, ihre republikanischen Freiheiten wiederaufzugreifen und den Pazzi-Krieg zu einem raschen Ende zu bringen. Er habe nichts gegen Florenz, wurde er nicht müde zu versichern. Schuld trage allein der böse und arrogante Usurpator. Hatte dieser Mann nicht die Politik des Papstes in kircheneigenen Landen zu unterminieren versucht? Fort mit ihm – und alles wäre wieder gut. Was Papst Sixtus im Sinne hatte, war zweifellos die Einbindung von Florenz in seine eigenen außenpolitischen Pläne für Mittelitalien. Diese Politik indes hatte nichts das Geringste mit Lorenzos ständig wachsender Macht in der Arnostadt zu tun – das war eine völlig andere Sache. Der päpstliche Angriff gegen ihn war folglich ein Appell an die stumme, unterdrückte und aufgebrachte Opposition in Florenz. Und Lorenzo hatte guten Grund, um seine Macht zu fürchten. Der Widerstand gegen sein Regime wuchs und wurde lauter. Am Vorabend seiner überstürzten Abreise nach Neapel bemerkte er selbst, dass der „vorherrschenden allgemeinen Meinung“ in der Stadt nach er allein der Grund für den verhassten Pazzi-Krieg war. Seit 1434 wurde der politische Diskurs in Florenz zunehmend eingeschränkt oder gänzlich unterdrückt, wenngleich der Widerstand natürlich gelegentlich aufflackerte und in den Jahren 1458 und 1566 jeweils in einer Art Staatsstreich gipfelte. Von dem Tag an, an dem sein Vaters starb, war Lorenzos ganzes Sinnen und Trachten darauf gerichtet, die oberste Autorität im Staat auf sich und einen kleinen Zirkel ausgewählter Freunde zu konzentrieren. Mit dem Rat der Siebzig war dieses Ziel erreicht. Fünf

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Wochen nach seiner glorreichen Rückkehr aus Neapel etabliert, bildete dieses Gremium seine handverlesene Oligarchie – vereint in einer einzigen Körperschaft. Die Settanta, die die florentinische Verfassung umgingen, weil sie über die Prioren und die drei gesetzgebenden Räte (darunter auch der Cento) gestellt waren, verdankten ihre Machtfülle allein Lorenzo und tanzten deshalb nach seiner Pfeife. Und zwangsläufig konnte nun auch der gefürchtete Wachausschuss bei der Verfolgung politischer „Straftäter“ sehr viel schärfer vorgehen. Die größte Gefahr, die die Mediceer für die republikanische Regierungsform darstellten, lag in ihrer Entschlossenheit, auf Dauer an der Macht zu bleiben, wobei die Befugnisse sich zunehmend auf einen Einzelnen konzentrierten – einen kommenden Fürsten gleichsam. Im Laufe dieses Prozesses mussten alle Kontrahenten und potenziell Gleichrangigen als Verräter hingestellt und anschließend ausgeschaltet, das heißt von der politischen Bühne entfernt werden. Damit war jede Möglichkeit politischen Wandels ausgeschlossen, und es gab auch keine echten Debatten mehr, nicht einmal unter den führenden Aristokraten. Eine weitere Folge waren die wachsende Signifikanz des Patronagesystems, ständiges Lavieren und Ja-Sagerei sowie fortschreitende Korruption, die sich von den Gerichtshöfen über alle möglichen Ämter bis hin zu den Finanzbehörden und selbstverständlich auch den gesetzgebenden Organen erstreckte. Wer die richtigen Beziehungen hatte, zahlte folglich wenig oder gar keine Steuern und konnte mit etwas Glück nicht nur die Rechtsprechung beugen, sondern sogar nach eigenem Gutdünken Gesetzesvorlagen einbringen. Doch das Unbehagen und die Zweifel aufmerksamer Bürger ließen sich nicht so einfach zerstreuen. Die April-Verschwörung und Lorenzos Trupp von Leibwächtern warfen düstere Schatten. Noch 1480 soll der florentinische Neuplatoniker Marsilio Ficino um sein Leben gebangt haben, weil er mit mindestens zwei der Verschwörer befreundet gewesen war (Erzbischof Salviati und Jacopo Bracciolini). Viele Bürger lebten in einer Atmosphäre beständiger Verunsicherung und Vorsicht. Einiges davon finden wir in Rinuccinis Dialog über die Freiheit, der die geheimen Sorgen in Wut und Trauer verwandelt. Schließlich wusste niemand besser als Rinuccini selbst, dass Ehrgeiz selbst dann blühte, wenn die politische Freiheit dahinwelkte, und dass viel zu viele Männer dem Opportunismus huldigten und im Interesse ihrer eigenen Karriere, ihrer Familie und ihres Bankkontos auf die Seite des Tyrannen wechselten. Lorenzo selbst dürfte auf den Vorwurf, er sei ein Tyrann und damit „gesetzlos“, sehr verärgert reagiert haben. Er muss schließlich von der Legitimität oder zumindest der Rechtmäßigkeit seines Status in der Republik überzeugt gewesen sein. Nur diese Einstellung erklärt, weshalb er Spione einsetzte, um den mutigen Humanisten Cola Montano aufzuspüren, warum er ihn festnehmen und hinrichten ließ (1482), obwohl seine Verwicklung in das Komplott der drei „Verräter“ von 1481 mehr als unwahrscheinlich war. Montanos wirkliches Verbrechen bestand, aus Lorenzos Sicht, darin, dass er eine lateinische Oratio an die Herrscher der Nachbarstadt und Mini-Republik Lucca verfasst hatte, in der die Medici und der Herr von Florenz als verräterische Tyrannen

Epilog

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angeprangert werden. Es war eine giftige Anfeindung, die zu Montanos Schrecken – so wenigstens gab er später in seinem Geständnis an – kurz nach der April-Verschwörung vom Bischof von Sarno, Antonio de’ Pazzi, und einem der größten Favoriten des Papstes und erbittertsten Feinde des magnifico Lorenzo, dem Hauptmann und Juristen Lorenzo Giustini aus Città di Castello, in höchster Eile gedruckt und in Umlauf gebracht worden war.8 Trotz Rinuccinis Angriff auf Lorenzo in seinem Dialog war die Republik jedoch noch lange nicht tot, wie es die Flucht und das Exil der Medici sowie das erstarkte Wiederaufleben einer republikanischen Regierung in den Jahren 1494/95 belegen. Als Reaktion auf die weit verbreitete Forderung nach einer „offenen“ Republik, rief das neue (teilweise „savonarolische“) Regime als eine seiner ersten Amtshandlungen den Großen Rat ins Leben, eine legislative Körperschaft mit 3500 Mitgliedern, die bis 1512 das verfassungsrechtliche Fundament der neuen Republik bildete. Aber ist es denkbar, dass die sozialen Grundfesten des florentinischen Republikanismus durch das Medici-Regime derart erschüttert waren, dass die Republik keine langfristige Überlebenschance hatte? Dass sie deshalb nicht in der Lage war, Kollaborateure an die Kette zu legen oder genügend Kraft zu sammeln, um den Schmeicheleien und Waffen zweier Medici-Päpste zu widerstehen? Es gibt keine eindeutige Antwort auf diese Fragen, und deshalb kann man auch nicht rundweg behaupten, der Tod der Republik sei unvermeidbar gewesen. Bei der Beschäftigung mit der Vergangenheit, in diesem konkreten Fall mit Florenz, aber auch allgemein, ist es vielleicht nicht klug, Möglichkeiten dadurch auszuschließen, dass man die historische Entwicklung in eine Schublade der Zwangsläufigkeiten steckt. Wir sollten immer offen sein für Überraschungen. Die jüngere Forschung hat eine ganze Reihe von Vorwürfen gegen Lorenzo erhoben: Er riss die florentinische Außenpolitik an sich, er manipulierte die Staatsschuldenverwaltung, er beeinflusste die Rechtsprechung, veruntreute öffentliche Gelder, besetzte Schlüsselpositionen in Verwaltung und Justiz mit seinen Spießgesellen und Klienten, minderte den Wert der Währung und zwang jungen Leuten unerwünschte Eheschließungen auf. All dies trifft zu, aber ebenso trifft zu, dass all dies nur durch das mediceische Regierungssystem ermöglicht wurde, das seinerseits von der Willfährigkeit und Kooperation – sei sie freiwillig, erkauft oder erzwungen – einer beträchtlichen Zahl führender Bürger und Familien abhing. Obendrein waren die Wurzeln dieses Systems weit älter als Lorenzo selbst. Er kam, erkannte die Möglichkeiten, packte sie beim Schopf und setzte sie in brillanter Weise um. Seine Geschöpfe, die Aufsteiger und Parvenüs, repräsentierten nichts anderes als ihren Patron. Nähme man ihn weg, wären auch sie sofort von der Bühne verschwunden, denn sie waren in keinster Weise in der politischen Schicht verankert und wären augenblicklich aus allen Ämtern abgewählt worden. Wie die Geschichte zeigt, war nicht einmal sein Sohn, der unbegabte Piero, in der Lage, eine Krise zu bewältigen und der aufkommenden republikanischen Flut Einhalt zu gebieten.9

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Epilog

Die Pazzi-Verschwörung schließlich war der Wendepunkt auf Lorenzos Weg zur absoluten Herrschaft. Nicht nur, weil die dadurch geweckte Furcht ihm und seinen Freunden ermöglichte, sich ein beträchtliches Maß an Macht anzueignen, sondern auch, weil das viele vergossene Blut sehr plastisch deutlich machte, wie verzweifelt die politische Lage in Florenz geworden war. Bei einem Anführer von solcher Begabung und angesichts des eisernen Griffes, mit dem seine Oligarchie die Schlüsselämter verwaltete, hätte es einen Krieg oder einen erfolgreichen Terrorakt gebraucht, um Lorenzo und seine Gefolgsleute zu stürzen. Die alte patrizische Obrigkeit konnte dies aus eigener Kraft nicht schaffen. Der Weg war zu schwierig, zu verschlungen und mit zu vielen Hinternissen gepflastert – in dieser Hinsicht hatten die Mediceer vorgesorgt. Peinliche Achtsamkeit und der subtile Einsatz von Gewalt waren die Regel geworden. Natürlich muss festgestellt werden, dass die Pazzi weder besonders selbstlos waren, noch von reiner Hochherzigkeit geleitet wurden. Aber selbst wenn es ihnen gelungen wäre, den Regierungspalast zu besetzen und Florenz ein oder zwei Tage zu halten, wäre ihr Staatsstreich nur dann erfolgreich gewesen, wenn sie die Unterstützung der Medici-kritischen Familien gewinnen und die Medici-feindliche Stimmung hätten ausnutzen können. In diesem Fall wiederum wären sie in einen kraftvollen Sog republikanischer Reformen geraten, der zu einer umgehenden Erweiterung der politischen Schicht geführt hätte. All seinen bemerkenswerten Eigenschaften zum Trotz – oder, genauer gesagt, dank ihnen – war Lorenzo der einzige Mann, der die Republik Florenz jemals an den Rand des Abgrunds brachte: Zuerst, indem er Furcht und Hoffnung säte, dann, indem er diese Furcht ausnutzte, um die persönlichen Ziele der Bürger für seine eigenen Zwecke einzuspannen. Und während er so seine ganze Kraft aufbot, die öffentliche Macht von Florenz in den Besitz der Medici zu bringen, wurde er nicht müde zu behaupten, das Wohl von Florenz und das Wohl der Familie Medici seien ein und dasselbe. Und irgendwann glaubte er das dann auch selbst.

Anmerk u n g en Diese Anmerkungen nennen Quellen sowie weitere Detailinformationen. Alle Namen und Abkürzungen beziehen sich auf Einträge in der Bibliografie.

Verschwörung 1

Über Lorenzo und 1488: M. Pellegrini, Congiure, 25–40. Bevölkerungszahlen: Larner, Lords of Romagna, 209–219; Zaghini, „La popolazione“, 257–261, und Martines, Power and Imagination, 230. 3 Über Caterinas Schmuck: Breisach, Caterina Sforza, 89. Papst Sixtus und Riario: Pastor, History, IV, 231–257. Die Landsteuer: Graziani, „Fra Medioevo ed età moderna“, 245f., in Vasina, Storia di Forlì. 4 Gesellschaft und Politik in der Romagna: Siehe die beiden Einträge unter Larner in der Bibliografie. 5 Zitate: Pasolini, Caterina, I, 197. Quellen: Cobelli, Cronache, 303–341; Bernardi, Cronache, 229–271. 6 Zitierte Briefe: Fabroni, II, 318–325, und Pasolini, III, 111–115. 7 Über Caterina und die Orsi-Verschwörung: Breisach, Caterina, 96–124. 8 Brief vom 29. April in Pasolini, III, 129f. 9 Breisach, 113–118. Zitat: Cobelli, 337f. 10 Siehe Kap. 13 und M. Pellegrini, 33f., 48–50; über Lorenzo und Papst Innozenz’ Pläne für seinen Sohn auch Pastor, History, V, 240, 265–270. 11 Über Galeotto Manfredi, siehe M. Pellegrini, 100–115. 12 Verschwörungen: Fubini, Italia, 220–252. 13 Texte für diese Verschwörung: Corio, L’Historia, 830–838; Verri, Storia, Kap. 18. Studien: Casanova, „L’uccisione“, und Belotti, Olgiati. Bonas Brief und Bericht über die Theologen/Kanoniker: Pasolini, III, 30–33. 14 Belotti, Olgiati, ist die beste neuere Arbeit; siehe auch Ilardi, „Assassination“. 15 Das 1477 veröffentlichte Gedicht von Paveri Fontana, Cola Montanos Erzfeind, ist wiedergegeben in Belotti, 114. 16 Zitat: Belotti, 141f. 17 Die grausame Hinrichtung: Belotti, 127f. 18 Über die kannibalische Anspielung: Belotti, 138. 19 Cola Montanos Schicksal: Lorenzi, Cola Montano, und Belotti, 34–50, 167–176. 2

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Basistexte für diese Verschwörung: Miglio, „Viva la libertà“; Giulari, Prose; Albertis Bericht in Watkins, Humanism and Liberty, 107–115; Cessi, Saggi, 65–128, und Pastor, History, II, 215–239. 21 Zitat in Pastor, II, 219. 22 Antiklerikalismus in Italien: Dykema und Oberman, Anticlericalism, und Martines, „Raging Against Priests“. Cessi, Saggi, 65–128, bestreitet, dass Porcaris Rede von 1447 an Hochverrat grenzte. 23 Basisinformationen zu dem Komplott: Pastor, II, 215–239, und Cessi, Saggi.

Aufsteiger 1

Über Heiraten: Martines, Social World, 57–62, 199–237; Klapisch-Zuber, La maison; Molho, Marriage Alliance; Fabbri, Alleanza matrimoniale; Kuehn, Law, Family; Dean und Lowe, Marriage. 2 Lucrezias Briefe: Tornabuoni, Lettere, 62–64; Maguire, Women, 129–132. Cosimo wollte ein Kardinalat für die Medici: Fubini, Italia, 80. 3 Zu den Orsini: Litta, Famiglie celebri, IV. 4 Martines, „A Way of Looking“, vorwiegend über Alessandra. Siehe auch Gregory, Selected Letters, 1–20. 5 Zitierte Briefe: A. Strozzi, Lettere, 106–108, 119–123. 6 Marcos Brief ist zu finden in M. Parenti, Lettere, 93–95. 7 Über Heiratsvermittler in Florenz: Fabbri, 139–154. 8 Über Differenzen mit dem venezianischen Adel: Finlay, Politics, 59–96, 196–226, und Queller, The Venetian Patriciate. 9 Über absteigende Familien: Siehe Dei, Cronica, 86f., 90f. 10 Über die Familie Pazzi: mein Kapitel 4 und Litta, Famiglie celebri, IV, „Pazzi di Firenze“, Tafel VII. 11 Pieros Beziehung zu Tranchedini: Phillips, Memoir, 16f. Medici-Heiraten: Pieraccini, I, 49–75, 95–140, 157–284. Lucrezias Mitgift: Tornabuoni, Lettere, 3. Im 14. Jahrhundert brachen führende Familien häufig mit ihren „Magnaten“-Verwandten, änderten ihren Familiennamen und nahmen den Status von „Bürgerlichen“ an. 12 Das Folgende sind Erkenntnisse von Brucker, „The Medici“. Sznura, L’espansione urbana, behandelt den Immobilienmarkt im Florenz des 13. Jahrhunderts. 13 De Roover veröffentlichte eine Standardstudie über die Medici-Bank. Holmes, „How the Medici“, enthält eine Anmerkung zu Giovanni di Bicci. 14 Martines, Social World, 353–378, nennt die obersten 1200 florentinischen Steuerzahler der Jahre 1403 und 1427. De Roover, 374, sieht Florenz als das Finanzzentrum Europas und erwähnt erstmals Lorenzos Behauptung hinsichtlich Giovanni. 15 Anmerkungen zu Palla Strozzi und der Familie Panciatichi basieren vorwiegend auf Conti, L’imposta, 344–348, sowie Dei, Cronica, 86. D. Kent, Rise of the Medici, 179f.,

Anmerkungen

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erwähnt Heiratsverbindungen der Panciatichi mit verschiedenen führenden Familien. 16 Lorenzos Beobachtung: in Fabroni, II, 42. 17 Gutkind, Cosimo, ist nach wie vor eine nützliche Biografie. Über den Namen und Mythos: Brown, „The Humanist Portrait“. 18 De Roover, 10–20, 109–116, behandelt Wucher, Zinsen und Wechsel. Dieses Thema müsste noch weiter erforscht werden. Siehe L. Armstrong, „The Politics of Usury“. De Roover, 74, über Cosimos mailändische Besitztümer und seine Steuererklärung von 1457. Trotz Bullard, Filippo Strozzi, bleiben die wahren Profite der päpstlichen Bankiers im Dunkeln. 19 Brucker, „Economic Foundations“, 9f., und De Roover, 108–141, 374. Goldthwaite, „The Medici Bank“, in Banks, Palaces, betont den „individuellen“ gegenüber dem „familiären“ Besitz von Banken. Über Sforzas Schulden: De Roover, 141. 20 Maguire, Women, 23f., erwähnt in diesem Zusammenhang Piero. Siehe De Roover, 358–361 zu Pieros Übernahme der Bank im Jahr 1464. 21 Der Krieg mit Mailand: Brucker, Civic World. Besteuerung: Molho, Florentine Public Finance, und Conti, L’imposta diretta. Martines, „Forced Loans“, beleuchtet die gezielte Besteuerung. 22 Die besten Berichte über florentinische Politik in den 1420er und frühen 1430er Jahren in: F. Pellegrini, Sulla repubblica; Brucker, Civic World, 425–500; D. Kent, Rise of the Medici, und die Verfassungs-Studie von Fubini, Italia, 62–86. 23 De Roover, 54, über den Verbleib von Cosimos Kapital. 24 Exilanten: D. Kent, Rise of the Medici, 355–357; Rubinstein, Government, 18, und Dei, Cronica, 53. Hinsichtlich Durchschnittsangaben scheint Deis Zahl 500 eher korrekt als die 300 eines anderen Zeitgenossen. 25 Die Krise des Jahres 1458: Rubinstein, Government, 88–135. 26 Martines, Lawyers, 485, über Girolamo Machiavelli. Zu den auf ihre Landsitze verbannten Bürgern: Rubinstein, Government, 103, 108; auch Dei, Cronica, 65f., und Cambi, Istorie, I, 361f. 27 Über den zwölfjährigen Patron: Lettere, I, 3–5. 28 Machiavellis zweite Verhaftung: Buoninsegni, Storie, 127. 29 Als bezahlte Informanten der Sforza arbeiteten Acciaiuoli und Neroni über den mailändischen Gesandten in Florenz. Rubinstein, Government, 128, erwähnt die gängige Praxis, offizielle Versammungen im Palazzo Medici abzuhalten. 30 Über Acciaiuoli und Neroni siehe Gutkind, Cosimo, 125f., 128, 162–164, Rubinstein, Government, 136f., und Clarke, The Soderini, 38–94. 31 Die Krise von 1466: Rinuccini, Ricordi, c–civ; Municchi, La fazione; Pampaloni, „Fermenti“, eine gute dreiteilige Studie, und Gori, „La crisi del regime“. Siehe auch Rubinstein, Government, 136–173, und Phillips, Memoir, 222–259. 32 Zitat: Dei, Cronica, 69. 33 Die Ereignisse lassen sich nachlesen bei Rubinstein, 160–164. Siehe Pampaloni, „Nuovi tentativi“, 578, zu Acciaiuolis Worten vom 30. August. Über Piero und die Erz-

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bischöfe: Clarke, „A Sienese Note“, 50. 34 Zitat aus Gondis Ricordanze, in Ridolfi, Gli archivi, 87. 35 Über Lorenzo hoch zu Ross: Clarke, „A Sienese Note“, 47. 36 Der Dichter: Romano, in Massèra, Sonetti, 146. 37 Zur Genialität der Politik in italienischen Renaissancestädten: Martines, Power and Imagination, Kap. 9. 38 Die sieben Punkte werden von vielen Quellen abgehandelt, aber das beste einbändige Werk dazu ist Rubinstein, Government. Siehe auch Ninci, „Techniche“. Das Bußgeld für „unverdeckte“ Bohnen (Punkt 6) waren vier bis fünf Fiorini (25 Lire); die Bohnen mussten mit der Hand verdeckt werden: F. Pellegrini, Sulla repubblica, xv. Punkt 7 ist meine eigene These, die aber auf vielfältigen Quellen basiert: siehe Martines, „Corruption“.

Porträt: Manetti 1

Guicciardinis Worte in seinen Opere (Dialogo del reggimento di Firenze), 275, gesprochen von dem Gesprächspartner Bernardo del Nero. 2 Quelle: Vespasiano, Le Vite, I, 485–538 und II, 515–622. Einige seiner Schriften: Wittschier, Giannozzo. Verschiedene Studien: Martelli (1989), „Profilo ideologico“, und „L’esilio di Giannozzo“; auch Field, The Origins, 64–71, und Connell, „The Humanist Citizen“. Giannozzo als lateinischer Redner: Vespasiano, II, 579. 3 Über die Manetti: Martines, Social World, 131–135, 176–178. 4 Seine Laufbahn in öffentlichen Ämtern: Martines, Social World, 176–190. 5 Giannozzos Bemerkung zu Cosimo: Vespasiano, II, 583. Cosimos gewaltiges Understatement: De Roover, 74. 6 Über Besteuerung: Conti, L’imposta diretta, 303–318. 7 Capponis Erwiderung: Vespasiano, II, 569. 8 Über Luca Pitti: Vespasiano, II, 601. 9 Siehe Martelli, „Profilo“ (1989) und „L’esilio“. 10 Die Briefe stehen in Wittschier, Giannozzo, 45–48.

Die Familie Pazzi 1

Die Familie Pazzi: Litta, Famiglie celebri, IV, „Pazzi di Firenze“, vii–ix; auch Davidsohn, Storia, I–IV, über die Legende vom „heiligen Feuer“, I, 1067f.; Saalman, Filippo Brunelleschi, 211–234, und Herzner, „Die Segel-Imprese“. 2 Über den Palazzo Pazzi: Moscato, Il Palazzo Pazzi. 3 Der große Klan spaltete sich um 1200 in zwei Linien auf: Die Val d’Arno-Pazzi blieben kaisertreue Ghibellinen. Die florentinischen Pazzi wurden Guelfen, Anhänger des Papsttums, und schlossen sich der Partei der „Schwarzen“ an. Siehe Davidsohn, Storia,

Anmerkungen

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I, 878, 1067f.; II, 338, 419, 483, 801; Forschungen, III, 42f., 67, 69, 143; IV, 242f., 248, 264, 373. Über die beiden Pazzi in der Hölle: Dante, Inferno, XII, 137f., und XXXII, 6–69. Über den Mob: Brucker, Florentine Politics, 368. 4 Rittertum in Florenz: Salvemini, La dignità cavalleresca. 5 Die Beschäftigung der Pazzi mit dem Bankwesen ab 1250 wird behandelt bei Davidsohn (oben) und Sapori, Studi, 1046. 6 Listen der führenden Steuerzahler der Stadt um 1400: Martines, Social World, 351–365. 7 Saalman, 441f., veröffentlichte Andreas popolano-Antrag. Aufenthalt in Barcelona: Melis, Documenti, 284. 8 Andrea und Papst Eugen: Jacks, Caferro, The Spinelli, 196. Die Erhebung in den Ritterstand: Salvemini, 145. Saalman, 231, über Bankeinlagen. 9 Sämtliche Informationen über Andreas Vermögen sind seiner Steuererklärung von 1427 entnommen: ASF, Catasto, 57, fols. 1450r–1490r, Paginierung oben rechts; und Catasto, 80, II, fols. 186r–193v. Molho, Florentine Public Finance, 181, führt die Kriegsanleihen der Medici und der Pazzi auf. 10 Daten aus: Mallett, Florentine Galleys, 46, 58, 81f., 88f., 158, 212. Fiorini-Transporte: Dei, Cronica, 98. 11 Venezianische Schätzungen und Cambini-Profite: Tognetti, Banco Cambini, 147, 149–153. 12 Spallanzani, „Le aziende“, zur Steuerbelastung. Auch Goldthwaite, „The Medici Bank“, behauptet in seinem Buch Banks, Palaces, dass die einzelnen Pazzi-Firmen alle einem einzigen Unternehmen angehörten. Für De Roover, 77–86, war jedes MediciUnternehmen eigenständig und unabhängig von den anderen Medici-Firmen. PazziFirmen (ragioni) waren ebenso aufgebaut. Vorzeitige Volljährigkeit der Söhne: Saalman, 217. 13 Kreuzverflechtungen: ASF, Catasto, 57, fols. 1470–1473. 14 Details über die Pfarrkirchen und Kapellen in S. Pier Maggiore: Paatz, Die Kirchen von Florenz, III, 171; IV, 690; VI 634f., 637. Davidsohn, Storia, II, 228, n. 1, zeigt, dass die Pazzi bereits im frühen 13. Jahrhundert in diesem Viertel etabliert waren. 15 Herlihy und Klapisch-Zuber, Les Toscans, 245f., 251–259, beleuchten das Ausmaß, in dem die Florentiner die florentinische Toskana aufgekauft hatten. 16 Die Angaben dieses Absatzes stammen aus: ASF, Catasto, 478, I, fols. 8r–22v, oben rechts. 17 Unbegrenzter Kredit für die Pazzi: De Roover, 91. Pazzi und päpstliche Einnahmen aus Deutschland: Esch, „Überweisungen“, 301, 309, 327, 350–357, 373f. 18 Zu der Aufspaltung in einzelne Haushalte sowie Daten zu ihren Monte-Anteilen und Besitztümern: ASF, Catasto, 682, fols. 908r–912r. 913r–916v, 917r–931r; auch Saalman, 222f., 442–444. 19 Steuern über zehn Jahre; Dokument in Saalman, 444f. 20 Weiteres Material: ASF, Catasto, 828, fols. 544r–50v, 551–560v; und Catasto, 829, II, fols. 516r–524v.

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Zu Luca Pitti: Goldthwaite, „Local Banking“, 33, in seinem Buch Banks, Palaces. Die Erklärungen von 1469: ASF, Catasto, 927, II, fols. 491r–496r, 504r–508r; und Catasto, 928, II, fols. 29r–33r. 23 Über Guglielmo und Nasi: Tognetti, Banco Cambini, 299. 24 De Roover, 91, 94, 164, 282, 310, 315, 335. 25 De Roover, 164; allerdings ging das päpstliche Alaunmonopol erst im Juni 1476 an die Pazzi-Bank über. 26 Guglielmos Sohn in Bruges: Holmes, „The Pazzi Conspiracy“. 27 Zu den Geschichten: Martines (1994). 22

Porträt: Soderini 1

Über Tommaso Soderini: Clarke, The Soderini, und ihr zusammenfassender Aufsatz, „Lorenzo de’ Medici and Tommaso Soderini“. 2 Lorenzos Briefe an Sforza: Lettere, I, 51f., 52, 54f., 63f., 127f., II, 68–75, 123–127. 3 Die hier genannten Fakten finden sich bei Clarke, Soderini, 14–64.

Auftritt Lorenzo 1

Quellen für dieses Kapitel: Lettere, I–V; Valori, Vita; Fabroni; Rochon; Rubinstein (1966); Soranzo, „Lorenzo“; Fubini, Italia; Frantz; A. Strozzi, Lettere; M. Parenti, Lettere. 2 Zum Aufstand in Prato: Ammirato, Istorie, V, 379–380; Lettere, I, 122, 155f. Weitere Pläne für Mordanschläge auf Lorenzo werden von verschiedenen Quellen genannt, darunter auswärtige Gesandte, Rinuccini, Medici-Agenten und Cola Montano. 3 Zeuge und Zitat: Valori, Vita, 46. 4 Lorenzo mit fünf und zehn Jahren: Rochon, 73f. Das Jagdgedicht: Uccellagione di starne (La caccia col falcone). 5 Lorenzos frühe Empfehlungsschreiben: Lettere, I, 3–6. Als Heiratsvermittler und Patron: Salvadori, „Rapporti personali“; F.W. Kent, „Lorenzo . . . Amico“. Del Piazzo, Protocolli, erwähnt die Flut von Briefen. 6 Siehe Rochon, 74–77; Lettere, I, 14–16; Rubinstein, „Lorenzo de’ Medici“, 44. 7 Rochon, 74f.; Lettere, I, 18–20. 8 Zu vielen literarischen Studien siehe Orvieto, Lorenzo. Zu seinen Liebesgedichten: Martines, Strong Words, 99f. Die Übersetzung von: „Io seguo con disio quel più mi spiace“: Lorenzo, Opere, I, 152, Zeile 1–4, 9–11. Der Bezug zu Petrarca ist verblüffend. 9 Soranzo, „Lorenzo“, 44–47; Rubinstein, „Lorenzo“, 41, und Government, 174f.; und Martelli, „La cultura“, über das Colleoni-Komplott. 10 In vorderster Front der Oligarchie: Giannozzo Pitti und der Jurist Domenico Martelli. Bericht des Gesandten: Cappelli, Lettere, 250.

Anmerkungen 11

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Giulianos Unglücklichsein: Lettere, I, 398f. Lorenzo war neunzehn Jahre alt, als er verheiratet wurde: Rochon, 98f. 12 Die Reise nach Rom, um Clarice Orsini abzuholen: Rochon, 98. Die Pazzi in zeitgenössischen Versdichtungen: Orvieto, Lorenzo, 20; Rochon, 91, 455; Perosa, „Storia di un libro“, 104f. 13 Pazzi-Prioren: ASF, Priorista Mariani, bobina 2, fol. 185r. 14 Lorenzos Gespräche mit dem mailändischen Gesandten in den 1470er Jahren, erwähnt in Lettere, I–II (bes. II, 68–75, 123–127), zeigen seine Einstellung den Pazzi gegenüber, was sich auch in Polizianos Witz über Renato Pazzi spiegelt: Dempsey, Inventing, 101f. Über das scharfzüngige Florenz: Martines, Strong Words, Kap. 2, 7, 8, 10. 15 Über den mailändischen Gesandten: Soranzo, „Lorenzo“, 44f.; Lorenzo in Lettere, I, 48–55, Anmerkungen (Dez. 1469); und Buser, Beziehungen, 443f. 16 Lorenzos Kampagne von 1470/71, die Kontrollen zu verschärfen: Rubinstein, Government, 176–194. Bestechung: Da die hochrangigsten florentinischen Politiker bisweilen unverblümt das Geld fremder Fürsten annahmen, hatten sie gewiss auch wenig Skrupel, „niedrigere“ Männer zu Hause zu bestechen. In Venedig war es gängige Praxis. 17 Vorgehen gegen Jacopo de’ Pazzi: Rubinstein, Government, 185; Fubini, „La congiura“, 225f. Niccolini-Pazzi-Heirat, Lettere, I, 39. 18 Jacopos Position wird erörtert bei Soranzo, „Lorenzo“, 52; für Fubini, Italia, 93–95, 241–243, stand er bereits 1470 im Medici-feindlichen Lager. Rubinstein, Government, 192f., über die drei Pazzi polizze. 19 Kauf von Imola: Lettere, I, 443–446; II, 476; und Fubini, Italia, 276, n.74. Auch der Herzog von Urbino und Lorenzo Giustini liehen Geld für Imola. Zu Salviati, siehe Hurtubise, Une famille, 54–57. 20 Empfehlungsschreiben für die Pazzi: Del Piazzo, Protocolli, 15, 35, 500, 501, 504, 506, 507, 514, 524. Zur Begebenheit mit der Maultier-Karawane: Lettere, I, 485–492. 21 Zum Inhalt dieses Absatzes: Lettere, II, 52f., 66–68, 74. 22 Zu Salviatis Ernennung: Fubini, Italia, 97–101. Lorenzos Krankheit: Lettere, II, 49, n.1. Sixtus über Lorenzo als Kaufmann und Bürger: Lettere, II, 124, n.4; und Brown, The Medici, 216. 23 Dieses und das nächste Zitat: Lettere, II, 57–61, 68–75. 24 Bullard, Lorenzo il Magnifico, 43–79, zeigt Lorenzos große Sorge um sein „Image“. 25 Lorenzos Worte und Salviatis Antwort: Lettere, II, 73. 26 Die Begebenheit mit dem Pferd: Lettere, II, 123, n.2. 27 Fubini, Italia, 287f., 318–322, zu Antonio Pazzi, der Bischofswürde von Sarno und der Mission nach Frankreich. 28 Die Worte des Gesandten: Lettere, II, 115, Brief vom 24. August. 29 Die Worte des Gesandten: Lettere, II, 118–120. 30 Zitat: Lettere, II, 123–125. 31 Die Zugeständnisse des Papstes und Lorenzos Worte an den Gesandten: Lettere, II, 126.

256

Anhang

32

Zum Wahren des Anscheins: die verblüffende Scheinheiligkeit von Lorenzos Brief vom 28. Dezember 1475 an Papst Sixtus, Lettere, II, 142f. 33 Siehe Lettere, II, 144, zum Alaun-Vertrag, und 126f., 276, zur Enterbung von Beatrice Borromei. 34 Zum Konformismus in Renaissancestädten, insbesondere Florenz: die Aufsätze in Martines, Renaissance Sextet. 35 Andrea leitete ein Medici-Unternehmen: Hurtubise, Une famille, 48. Garbero Zorzi, „La Collezione“, 189f., zu Sforzas Besuch in Florenz. D. Kent, Cosimo, hebt Cosimos Gläubigkeit, Patriotismus und gute Absichten hervor: siehe Martines, TLS. 36 Chellini, Ricordanze, 183: Ficino ,sta per ripetitore cum Piero de Pazzi’ (Okt. 1451); auch Vespasiano, Vite, II, 309–320, über Piero de’ Pazzi. 37 A. Strozzi, Lettere, 59–62, Brief vom 15. März 1462. 38 Marcos Kommentar: M. Parenti, Lettere, 50f. (Pieros großartiger Einzug), 77, 90, 116, 153, 180, 197 u.a. Erhebung in den Ritterstand in Florenz: Salvemini, 147. 39 Zitate: A. Strozzi, Lettere, 59–62.

Blutiger April 1

Quellen für dieses Kapitel: Poliziano, Della Congiura; P. Parenti, Storia, 12–20; Landucci, Diario, 17–21; F. Strozzi, „Ricordo“, in Capponi, Storia, II, 520–523; Valori, Vita, 107–116; Guicciardini, Storie, Kap. IV; Machiavelli, Istorie, VIII; plus Material in Lettere, III; Ammirato, Istorie, VI, 1–16; Fabroni, Laurentii, I, 58–77; Roscoe, Life, I, 173–232. Englische Übersetzungen von Poliziano und Landucci siehe Bibliografie. Perosas Anmerkungen zu Poliziano sind essenziell. Wichtige Studien: Frantz, Sixtus IV, 174–259; Fubini, Italia, 87–106, 220–326. 2 Florentinische Bruderschaften und Orden: Henderson, Piety and Charity. Zu Pfarrkirchen und anderen Sakralbauten: Fanelli, Firenze, 10, 28f., 58. 3 Nur das Urteil gegen die Verschwörer nennt das Emporheben der Hostie als Signal: ASF, Podestà, 5160, fol. 52v. 4 Die Entfernungsangaben beruhen auf Schätzungen meinerseits. 5 Zum Grundriss des Palazzo: Rubinstein, Palazzo Vecchio, 18–24. 6 Giusti, BNCF, Ms. II. II. 127, fol. 122v. Dr. Rita Maria Comanducci machte mich freundlicherweise auf diese Quelle aufmerksam. 7 Zitat: Poliziano, Congiura, 45, Perosas Anmerkungen. 8 Quellen: Landucci, 17–21; Machiavelli, Istorie, VIII. 9 Zu Jacopos Leichnam: Poliziano, 58f.; Landucci, Diario, 21f. Polizianos 2. Auflage enthält die Angaben über die Sonne nicht mehr. 10 Römische Gesetzgebung: Cavallar, „I consulenti“, 337, n. 76. 11 Quellen siehe Kap. 11. Landucci, 22, erwähnt die Auktion in der zecca. Die weiteren Einzelheiten sind meine eigenen Rückschlüsse.

Anmerkungen

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12

Ich überprüfte das Gesetz in ASF, Provvisioni, 169, fols. 24v–26v. Es steht in Fabroni, II, 112–115, und Roscoe, I, Appendix XXIII, 62–65. 13 Zu den Rechten zur Münzprägung: Jacks, Caferro, The Spinelli, 23. 14 Zum Bankrott: Martines, Strong Words, Kap. 6. Schandbilder: Consorterie, 159f. 15 Botticelli: ASF, Otto, 48, fol. 35v; auch, Consorterie, 159f. 16 Schon im Herbst 1478 traf Lorenzo Vorkehrungen, um die Heiratsrechte der Kinder seiner Schwester Bianca sicherzustellen: Lettere, VIII, 30, n.3. Ihr Sohn Cosimo Pazzi bezog weiterhin Geld von der florentinischen Domkirche: AOSMF, Deliberazioni, II, 2, Reg. 5 (1476–82), fol. 45r–v. 17 Vasari, Vite, III, 234f.

Todesstrafe und „Kannibalismus“ 1

Zu dieser frühen Zeit: Jones, The Italian City-State, 333–650, und Martines, Power and Imagination, Kap. 3–8. 2 Die Gesetze dieser Zeit nennen höhere Strafen für Verbrechen, bei denen Blut floss; z. B. Statuta … Florentiae, I, 323, 325–326; Aegidianae constitutiones, 288; Ascheri, L’Ultimo Statuto, 304, 330–332; Statuti … Udine, 47f.; siehe auch Pullan, Chambers, Venice. 87–104. Nachfolgend einige spezielle Studien: Ruggiero, Violence; Chambers, Dean, Clean Hands; Gundersheimer, „Crime and Punishment“. 3 Zitate: „Ich bin der“, in Giustinian, Laudario, I, 374f., und Lorenzo, Opere, II, 138f., Zeile 35. 4 Dekrete, Chroniken und Tagebücher nehmen oft Bezug auf Hinrichtungsstätten: siehe Edgerton, Pictures; Rondini, „I Giustiziati“; und Fineschi, „La rappresentazione“. 5 Quellen zu diesem Abschnitt: Molho, Sznura, Alle Bocche, 167–168; Landucci, Diario, 181. 6 Busechino: Molho, Sznura, 82f. 7 Sanuto, Diarii, VI, col. 53. Zum zweiten Fall aus dem Jahr 1513: Pullan, Chambers, Venice, 89f. 8 Bruderschaften: Black, Italian Confraternities; Weissman, Ritual Brotherhood. Eisenbichler, „Lorenzo“, befasst sich mit der Schwarzen Bruderschaft. Fineschi, „La rappresentazione“, nennt die Route des florentinischen Todeszugs. 9 Edgerton, Pictures, 138–146, 192–198; und Martines, Strong Words, 42. Landucci, Diario, 4–5, zum Gherucci-Mädchen. Zu Meineid und Fälschung: Statuta … Florentiae, I, 336f., 341; und Statuta … Papie, Rubrik 37. 10 Roverbellas Gedicht: Text, Martines, Strong Words, 42–44. 11 Geschehnisse im Mai 1503: Rondini, „I Giustiziati“, 226, und Landucci, Diario, 255f. 12 Die Angaben basieren auf Edgerton, Pictures, 231–38, und Gundersheimer, „Crime and Punishment“, 110–113. 13 Zum Kannibalismus: Belotti, 138. Gewalttaten der Söldner: Caferro, Mercenary Com-

258

Anhang

panies; Covini, „Alle spese di Zoan Villano“; Albini, Guerra. 14 Siehe Cronaca della città di Perugia, 415. 15 Das beste Überblickswerk zu den religiösen Bräuchen in Florenz: Trexler, Public Life. Dazu Martines, Strong Words, 37–81; und Galletti, Laude spirituali. 16 Material in Brucker: Renaissance Florence, 172–212. Giambullaris Gedicht: Galletti, Laude, 256. 17 Martines, Violence, behandelt politische Gewalt. Das Gedicht steht in Corsi, Rimatori, 928. Die „Hunde“ stehen nicht wörtlich im Original, geben aber den Tenor des Gedichtes treffend wieder.

Ein hoher Offizier gesteht 1

Monteseccos Geständnis: Capponi, Storia, II, 510–520. Da sich meine Übersetzung an die Reihenfolge des Originals hält, sind die Seitenzahlen bei Capponi nicht einzeln aufgeführt. 2 Die Gemächer des Grafen: Lettere, II, 469. 3 Zum Palazzo Pazzi in Rom: Pastor, IV, 302, Anmerkung. 4 Fubini, Italia, 87–106, und sein Quattrocento, 235–282, zeigen den Hintergrund des Komplotts. 5 Über Salviati: Hurtubise, Une famille, 54–58. 6 Über Salviati und Sixtus: Bizzocchi, Chiesa, 174, 214, 264f.; Consorterie, 172–175, und Pastor, History, IV, 294–296. 7 Über Salviati: Fubini, Quattrocento, 268–270, 291. 8 Zitate: Fubini, Italia, 83f.; Lettere, I, 105; II, 201, n.3. 9 Machiavelli, Histories, 327; Guicciardini, Storie, 34. 10 Wichtiges zu Papst Sixtus: Pastor, History, IV, 198–296; Litta, Famiglie celebri, IX; Weber, Genealogien zur Papstgeschichte, I, lxxxv–lxxxvi, und 336–341; Miglio, Un pontificato; Lombardi, „Sisto IV“; Di Fonzo, I Pontefici. Zu seinem Nepotismus: Shaw, Julius II, 9–50. „Schamlose Verherrlichung“, in Clark, Melozzo, 21. Mein Dank gilt Professor Barbara Hallman, die mich auf Webers Buch aufmerksam machte. 11 Guicciardini, Storie, 33f. 12 Über den Herzog: Clough, „Federigo da Montefeltro“. 13 Zu den italienischen Bürgerwehren: die Studie von Jones, „The Machiavellian Militia“. 14 P. Parenti, Storia, 18. 15 Zur Familie Bracciolini: Martines, Social World, 123–127, 210–214. Über Jacopo: Bausi, „Paternae Artis Haeres“ und „Politica e cultura“. 16 Über Baroncelli: Valori, Vita, 139; Ganz, „Paying the Price“, 250; Fubini, Quattrocento, 258, 270, 285, und Grunzweig, xxxii–iii. 17 Thomas James: Lettere, II, 469.

Anmerkungen

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Todfeinde: Papst und Bürger 1

Zu Papst Sixtus: Anmerkungen zu Seite 159. Weber, Genealogien, I, lxxxvi, vermutet, dass Leonardo, Herzog von Sora, der leibliche Sohn des Papstes war. 2 Lorenzo in Rom, Oktober 1471: Lettere, I, 351–355. 3 Lorenzo für Luigi Pulci, Fabroni, II, 24. 4 Zum Pazzi-Krieg und seinen Folgen: Lettere, III–IV, mit Anmerkungen und Kommentar; Frantz, 260–351; Guicciardini, Storie, 39–48; und die Exkommunikationsbulle in Roscoe, Life, I, Appendix XXVI, 68–75. 5 Lorenzos Treffen mit Bürgern: ASF, Consulte e Pratiche, 60, fol. 159r–v; Rubinstein, „Lorenzo“, 57. 6 Zitat: Perosa, zu Poliziano, Congiura, viii–ix. Zu den zwei Dekretalien: Bizzocchi, Chiesa, 267. 7 Brief: Di Benedetto, „Un breve di Sisto IV“, 376–378. Die Florentina Synodus steht in Roscoe, I, Appendix XXVII, 75–98. Das Epigramm: in Lettere, II, 71, n. 7. 8 Zu Becchis Schmährede: Frantz, Sixtus IV, 238–259. Zu Becchi selbst: Grayson, „Gentile Becchi“. 9 Über die Excusatio: Fabroni, II, 167–181; und Brown Bartolomeo Scala, 84–87, 158f. 10 Drei Auflagen des Werkes: Perosas Anmerkungen in Poliziano, Congiura, viii, xvi–xvii. 11 Florentinischer Antiklerikalismus: Martines, „Raging“. 12 Anonymes Gedicht: Flamini, „Versi“, 315–330. 13 Gedicht für Lucrezia: Flamini, „Versi“, 330–334. 14 Lucrezias Gedichte: Tornabuoni, Poemetti sacri. 15 Anonyme Aufzeichnungen (März 1479): Brown, „Lorenzo und Public Opinion“, 77, n.56. Familie Vettori: R. D. Jones, Francesco Vettori, 3. 16 Brief: in Lettere, II, 269. 17 Tognetti, „Problemi di vettovagliamento“, und Brucker, „Economic Foundations“, 5f. 18 Reise nach Neapel: Lettere, IV, 391–400; Pontieri, Per la storia, 170–188; De Angelis, „Lorenzo a Napoli“. Geschenke: Ammirato, Istorie, VI, 46. 19 Brief an die Prioren und Lorenzos Wut: Lettere, IV, 286, 292, n.2. Die anonyme Flugschrift: Rubinstein, „Lorenzo“, 63, n. 62. 20 Forderungen des Papstes: Lettere, IV, 33f.; Ammirato,VI, 34. 21 Ausgaben und Zitat: Valori, Vita, 119f. 22 Zu seiner Nase und seinem Geruchssinn: Valori, Vita, 46. Brief an Piero: Lettere, VIII, 68–79. 23 Guicciardini, Storie, 52. 24 Zitat: Lettere, IV, 336. 25 Die Mission nach Rom: Ammirato, Istorie, VI, 49.

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Anhang

Die Ächtung der Pazzi 1

Zum Hintergrund: Martines, „Political Opposition“. Über Perugia: Cronaca della città. Bologna war weniger betroffen: Ady, The Bentivoglio. Selbst in Mantua liefen die Dinge aus dem Ruder: Chambers, Dean, Clean Hands. 2 Zum verfassungsmäßigen Stand der „Acht“: Martines, Lawyers, 135f., 410f.; Antonelli, „La magistratura“; Zorzi, L’Amministrazione della giustizia; Consorterie politiche, 151–176. Lorenzo im Wachausschuss: ASF, Otto, 48, fol. 2r (Vorgänge Mai–August 1478). Die beiden Männer nahmen kaum an Sitzungen teil und traten bald zurück. 3 Zur Aussendung von Spionen der „Acht“: ASF, Otto, 33 (Mai–August 1473), fols. 3r, 3v, 10v, 35r. Zu tamburi: Otto, 221, fols. 60v, 100r. Belohnungen: Otto, 224, fols. 72r–v; 211, 60v. 4 Zitate: ASF, Podestà, 5160, fol. 52r. Die „Acht“ ließen wichtige Entscheidungen über den Podestà laufen. Z.B. ASF, Otto, 50 (Nov.–Feb. 1479), passim. 5 Da Monteseccos Geständnis keinen anderen Pazzi nennt, weist dies auf die mögliche Unschuld der anderen hin. Der neue Kodex der „Acht“: Consorterie, 153. 6 Beschlagnahmung von Ware auf hoher See: Consorterie, 169f. Auktionen: Landucci, Diario, 21, 22. Mitgiften: Kirshner, „Pursuing Honor“. Persönlicher Besitz: ASF, Otto, 48, fols. 6v, 15r. 7 Das Gesetz gegen die Pazzi: ASF, Provvisioni, 169, fols. 24v–26v. Die Abstimmung: fol. 26r–v. Aberkennung der Osterprivilegien: BNCF, Magl., 127, fol. 98, „Carro del fuoco sacro che per la Casa de Pazzi il giorno del Sabbato Santo si conduceva alla chiesa di S. Gio. batista e alle case loro, non si faccia piu per detta Casa de Pazzi ma per i Consoli di Calimala.“ Diesen Hinweis verdanke ich Dr. Luca Boschetto. 8 Das Gedicht: Flamini, „Versi in morte“. 9 Ausrufer waren in den Städten damals ein vertrauter Anblick. ASF, Otto, 48 (Mai– Aug. 1478), erwähnt die Ausrufung der Pazzi-Schuldner nicht. Obwohl es keine schriftlichen Belege mehr gibt, ordneten die „Acht“ an, dass alle Bürger eine Aufstellung ihrer Waffen abgaben: siehe Giusti, BNCF, Ms. II. II. 127 (14. Mai). Meine Behauptung zu den Pazzi-Schuldnern basiert auf ASF, Capitani, 74, fols. 117r–118r, wo die Suche nach allem Besitz der Frescobaldi, Baldovinetti und Balducci aufgeführt ist, der Verschwörer von 1481. 10 Siehe ASF, Otto, 58, fols. 67v–70r, zeigt die „Acht“ (7.–15. Juni 1481) bei der Verfolgung der Rechnungsbücher und Schuldner der drei „Verräter“ von 1481, die alle am 6. Juni hingerichtet wurden. Die Akten enthalten zahlreiche Notizen zu Geschäftspapieren. ASF, Otto, 221, fol. 224r, zeigt, dass im Januar 1490 sogar ein wichtiges Rechnungsbuch aus dem Tribunale di Mercanzia entwendet wurde. 11 Akten der Torre-Beamten (stark verblichen): ASF, Capitani, 77, I–II. Forderungen von Rinuccini und Renatos Witwe: Capitani, 77, I, fols. 60r, 350r–v. Die zweitgrößte Mitgift (8500 Fiorini) hatte ein Bardi-Mädchen der Familie Acciaiuoli: Ganz, „Paying the Price“, 241. Eine „Prinzessin“ aus Appiano brachte in den Nebenzweig der Medici

Anmerkungen

261

eine Mitgift von 10.000 „großen Fiorini“ mit. Siehe Anm. 24 in „Lorenzo: Landesherr und Bürger“. 12 Lorenzos „Reservierung“ von Renatos Haus: Del Piazzo, Protocolli, 55. Maddalenas Mitgift: Hook, Lorenzo, 171. 13 Lorenzo und seine Vettern: Fryde, Humanism, 143–157. 14 Umgang mit dem Pazzi-Nachlass: Del Piazzo, 50, 51, 54, 111; und Grunzweig, Correspondence, xxxiii, über die Entsendung von Ranieri da Ricasoli nach Brügge. 15 Pazzi-Syndizi, 22.–24. Dezember 1479: ASF, Provvisioni, 170, fols. 100r–102r. 16 Quelle: ASF, Balie, 38, fols. 1r–4r. 17 Hierzu und zum Folgenden: ASF, Balie, 38, fols. 4v–5r, 5v–11r, 11v–12r, 12v–13r. 18 Hinweise zu Renato, seinem Bruder und Immobilienverkauf: ASF, Balie, 38, fols. 19r, 21v, 27r, 29v, 30r, 31v. Ein Anwalt der Erzdiözese Pisa focht den Verkauf von Guglielmos Anteil an dem Besitz an: ASF, Balie, 38, fols. 27v–28r. 19 Zu den Salzgeschäften der Pazzi: ASF, Balie, 38, fols. 92r–97v. 20 Zu der Venezianerin: ASF, Capitani, 77, I, fols. 350r–315r; ASF, Balie, 38, fols. 98r– 105v. 21 Frick, Dressing Renaissance Florence, behandelt den bemerkenswerten Marktwert herrschaftlicher Kleidung. 22 Zum Druck der Syndizi auf Guglielmo und die in Gefangenschaft befindlichen Pazzi: ASF, Balie, 38, fols. 106r–108r, 109r–111r. 23 Literatur: Martines, „Corruption and Injustice“, 377–386. 24 Zitate: Dante, Purgatorio, XVI, 96; Inferno, III, 1–3. 25 Die beiden Pazzi-Bischöfe: Poliziano, Congiura, 83f.; Buser, Beziehungen, 472–475; Lettere, II, 115, 119f.; Lorenzi, Cola, 58–59; Litta, Famiglie, IV, „Pazzi,“ Tafel vii. Andrea di Giovanni wurde 1482 Bischof von Sarno. 26 Die Strafmaßnahmen der „Acht“: ASF, Otto, 221, fols. 1r, 3r, 17v, 81r, 87v (Exil im Alter von elf Jahren); 224, fol. 3r, und Consorterie, 162–165. Manche Exilanten mussten sich wöchentlich melden. 27 Die Verschwörung von 1481: Lettere, V, 226–228, und Anmerkungen; Consorterie, 162–165. Zu Acciaiuoli und Altoviti sowie dem Vorwurf gegen Guglielmo: Lorenzi, Cola, 62, 66, 76f., 80–82. Soderini und sein Besitz: ASF, Capitani, 74, fols. 117v, 123v, 124v, 127r, 130v. 28 Inventar: ASF, Capitani, 74, fols. 137r–139r. 29 Die fünf Hochzeitstruhen: Callmann, Apollonio, 79f.

Porträt: Rinuccini 1

Quellen für dieses Kapitel: Rinuccini, Ricordi und Dialogus de libertate; Giustiniani, Alamanno Rinuccini und Lettere ed orazioni; Martelli, „Profilo ideologico“ (1985). Watkins, Humanism and Liberty, 193–224, gibt den Dialogus in englischer Übersetzung wieder.

262

Anhang

2

Diese Passage steht am Anfang von Rinuccinis Dialogus. Eine Zusammenfassung des Dialogus, 272f., 277–279, 282–288. 4 Materialien: Dialogus, 293–298, 299–302. 5 Zitate: Rinuccini, Ricordi, cxxviii; Dialogus, 273. 6 Familiengeschichte: Rinuccini, Ricordi, die Einführung von Aiazzi; und Martines, „Nuovi documenti“. 7 Ein großes Vermögen: Martines, Social World, 110–112, und Giustiniani, Alamanno, 14–16. 8 Zitate: Martines, Social World, 347; Giustiniani, Alamanno, 145, n.6. 9 Steuererklärung: ASF, Catasto, 912, fol. 14. 10 Verhaftet und freigesprochen: ASF, Otto, 58, fols. 12v, 77v. 11 Giustiniani, Alamanno, 24, 114–117, 130, 157. 12 Die Auseinandersetzung mit Lorenzo: Fubini, Quattrocento, 108–122, und die freundlichen Briefe, Giustiniani, Lettere, 216–218. 13 Auf Seiten der Medici: Martelli, „Profilo“ (1985). 3

Lorenzo: Landesherr und Bürger 1

Bericht des Gesandten: Cappelli, Lettere, 305. Merkwürdige Begebenheiten: Guicciardini, 73; Valori, 143f.; Masi, 16f.; Landucci, 63f.; Rinuccini, Ricordi, cxlvi. Reaktionen auf Lorenzos Tod: Brown, „Lorenzo and Public Opinion“, 61. 3 Lorenzos Kunstsammlung: Wackernagel, World of Renaissance Artist, 254–258; Garbero Zorzi, „La collezione“; Beck, „Lorenzo il Magnifico“. 4 Zitat: Guicciardini, Storie, 37f. 5 Zitat: Rinuccini, Ricordi, cxlvii. 6 Rubinstein, Government, 197–202. 7 Zitat: Rubinstein, Government, 201, n.1. 8 Del Piazzo, Protocolli, nennt viele Tausend Briefe von Lorenzo, von denen rund 1900 erhalten sind: Ricci, Rubinstein, Censimento. Zu Briefen an ihn: F. W. Kent, „Patron– Client Networks“, 290–292. 9 „Liebe“ in Empfehlungsschreiben: Martines, Strong Words, 13–36. 10 Sforza-Schulden und Zitat: De Roover, 141, 273. Lorenzos Treffen mit Galeazzo Maria: Rochon, 73–87, 202–208. Zur Artillerie: Mallett, „Diplomacy“, 236. 11 Lorenzo als Klient: siehe Anm. 2 in „Porträt: Soderini“. 12 Lorenzo an Ferrante: De Angelis, „Lorenzo a Napoli“. 13 In den 1480er Jahren traf Lorenzo sich mit Gesandten im Dom. Waffenverbot: ASF, Otto, 48 fol. 3v; 221, fols. 1r, 3r. Seine bewaffnete Eskorte: Otto, 48, fol. 9r; 50, fol. 39r; 67, fol. 5r. Zu Salvalaglio und gezogenen Waffen: Cambi, Istorie, II, 65, 67. Soldatenschutz im Jahr 1472: Corazzol, Corrispondenze, 296. 2

Anmerkungen 14

263

Kaufmannsrat: Astorri, „Note sulla Mercanzia“. Zu Lorenzos Klientennetz: Bruscoli, „Politica matrimoniale“, und Anm. 3–5 in „Auftritt Lorenzo“. Bruderschaften: Sbregondi, „Lorenzo“. 16 Siehe Rinuccini, Ricordi, cxlvii. Unterstützung von Söldnerführern: Lettere,VII, 8–9; Corazzol, 254. 17 Dazu: Guicciardini, Storie, 79. Lorenzo, Heiratsvermittler: Bruscoli, „Politica matrimoniale“, 347–398. 18 Bankprobleme: Valori, 121; De Roover, 366; Fryde, „Lorenzo . . . Finances“, in seinem Buch Humanism. Lorenzos Geldnöte: Lettere, III, 38, 124–126, 143, 153–154, 161, 165, 174, 175–182, 249. 19 Diebstahl: Cambi, Istorie, II, 54f.; P. Parenti, Storia, I, 198; Rinuccini, Ricordi, cxlviii– cxlix. 20 Kosten der Palazzi: Goldthwaite, Building, 167, zum Palazzo Strozzi. Brenda Preyer bestätigt meine Medici-Schätzung. Universitätskosten: Ich rechnete ein Minimum von 25 Fiorini jährlich; selbstverständlich konnten junge Männer aus reichem Hause, die einen eigenen Diener hatten, sehr viel mehr ausgeben. Siehe Martines, Social World, 117; und Lawyers, 90. Meine Lohnschätzungen beruhen auf Goldthwaite, Building, 347–348, 436–439, und 260 Arbeitstagen im Jahr. 21 Zu dieser Summe: Fabroni, II, 42. 22 Zu den Mordkomplotten: Corazzol, 453 (nicht zur Ausführung gekommen); Lorenzi, Cola, 59–62, 67f., 76f., 80f.; Cappelli, 254f., 303, 309. Die Füße des Eremiten: Landucci, 36f. 23 Die Eheschließungen der Medici behandelt Pieraccini, La stirpe, I, 49–75, 95–140, 157–284. Zu dem Medici-Erzbischof von Pisa und seinen 1500 Männern: Clarke, „A Sienese Note“, 50; Bizzocchi, Chiesa, 233f. 24 Verbindung mit den Fürsten von Appiano: Bruscoli, „Politica“, 356. 25 Alfonsinas Heirat und Mitgift: Fabroni, II, 316, n.2. 26 Heiraten: Pieraccini, I, 215–243. Bruscoli, „Politica“, 365, nennt verschiedene Heiratsdaten für Lucrezia und Contessina. 27 Lorenzos Verhältnis zu Papst Innozenz: Picotti, Giovinezza, 160–234. Seine Schreiben: Bessi, „Lorenzo letterato“, 101–106. 28 Lorenzos geheime Korrespondenz und was der florentinische Gesandte sagte: Bizzocchi, Chiesa, 343–344; und M. Pellegrini, „Innocenzo VIII“, 7. 29 Über Maddalena: Pieraccini, I, 233–240. Über Franceschetto: Hook, Lorenzo, 171, und Falconi, 96. 30 Lanfredini in Rom, den Papst „bei der Stange“ haltend: Picotti, 176–177. Lorenzos Erklärung an Ascanio Sforza: Falconi, 96f. 31 Über die Stadien von Giovannis Weg zum Kardinalat: Picotti, Giovinezza, Kap. 3; Palmarocchi, „Lorenzo“, und Falconi, 96, über die 95.000 Fiorini Simoniegeld. Brown, Bartolomeo Scala, 108f., n.137, merkt an, dass Lorenzo Innozenz im Juli 1488 30.000 Fiorini lieh und im August 1489 nochmals 95.000. Waren dies gewöhnliche Darlehen? 15

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Lorenzo und Papst Innozenz: Lorenzo, Scritti, 659–671. Lorenzos Krankheit: Martelli, Studi, 198, 205. 33 Die hier genannten Zitate: Martelli, Studi, 198, 205. 34 Martelli, Studi, 51–133, ist eine herausragende Untersuchung zu Lorenzos Überarbeitungen des Comentario. 35 Briefe an Innozenz: Lorenzo, Scritti scelti, 660–662; Moreni, Lettere, 5–34. Giovannis Pfründe: Picotti, 67–159. 36 Was Lorenzo sagte: Lorenzo, Scritti, 671–675. Hintergrund zu 1512 und 1527: Stephens, The Fall, und Butters, Governors. 37 Die Lobeshymnen: Lorenzo, Laude. Das von einer religiösen Bruderschaft aufgeführte Werk steht in Lorenzo, Opere, II, 71–115. 38 Brief an Giovanni: Lorenzo, Scritti, 671–675. 39 Briefe an Michelozzi: zitiert in Martelli, Studi, 222, und sein „Il Cristianesimo di Lorenzo“, 90.

Epilog 1

Brandstiftung bei Lorenzos Anhängern im Dezember 1494: Cerretani, Storia, 207f.; P. Parenti, Storia, 152. Zu den „Siebzehn Reformatoren“: Brown, The Medici, 151–211. 2 Beschluss vom 13. November: ASF, DSCOA, 96, fol. 92r. Gesetz vom Januar: ASF, Provvisioni, 185, fols. 53r–54r. Ich verdanke meine Kenntnisse in dieser Hinsicht der Großzügigkeit von Professor Osvaldo Cavallar. 3 Forderungen gegen die Lyoner Filiale: Merisalo, Le collezione, 5, 81f. 4 Ansprüche der Pazzi im Jahr 1495: Cavallar, „Il tiranno“, und „I consulenti“. 5 Zu dem neuen Verbot von Eheschließungen mit Adligen: ASF, Provvisioni, 185, fols. 40v–41v. 6 Die veruntreute Summe: De Roover, 367. 7 Zitat: Guicciardini, Storie, 74. 8 Colas Oratio: in Lorenzi, Cola, 132–144. 9 Siehe alle o. g. Arbeiten von Brown, Astorri, Bruscoli und den Verfassern von Consorterie.

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273

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Stammtafeln

275

Die Famili e Med i c i

Giovanni di Bicci Gründer der Medici-Bank 1360–1429

Cosimo 1389–1464

Lorenzo 1395–1440

Pierfrancesco gest. 1476

Piero 1418–1469 + Lucrezia Tornabuoni

Lorenzo gest. 1503

Lorenzo der Prächtige 1449–1492 + Clarice Orsini

Giuliano 1453–1478

Giovanni gest. 1498

Bianca + Guglielmo de’ Pazzi

Giulio (unehelich) 1478–1534 Papst Klemens VII. Fünfzehn Kinder

Piero 1471–1503 + Alfonsina Orsini

Giovanni 1475–1521 Papst Leo X.

Giuliano gest. 1516 Herzog von Nemours

Maddalena + F. Cibò, Sohn von Papst Innozenz VIII.

276

Anhang

Die Familie d ella R o v e r e (von Papst S ixtu s IV.)

Leonardo della Rovere fl. 1400

Raffaelo

Luchina + G.G. Basso

Francesco Sixtus IV. 1471–1484

Graf Girolamo 1438–1488 + Caterina Sforza

Bianca + Paolo Riario

Violante + Antonio Sansoni

Pietro Kardinal 1471

Raffaele Sansoni Riario Kardinal 1477 (hatte 16 Erzbistümer inne)

Agostino Erzbischof

Girolamo Kardinal 1477

Maria + Grosso Zwei Kardinäle 1503, 1505

Giuliano Kardinal 1471 Papst Julius II.

Bartolomeo Bischof von Massa & Ferrara

Leonardo Römischer Präfekt + Giovanna von Aragonien (damals Herzog von Sora)

Giovanni + Giovanna da Montefeltro Nachfolger Leonardos als Römischer Präfekt & Herzog von Sora

Giovanni della Rovere (Turiner Zweig)

Cristoforo Kardinal 1477

Domenico Kardinal 1478

Francesco Maria Herzog von Urbino

Stammtafeln

277

Die Famil ie P a z z i

Andrea de’ Pazzi 1371–1445

Piero gest. 1464

Jacopo hinger. 1478

Francesco hinger. 1478

Antonio gest. 1451

Guglielmo verbannt 1478 + Bianca de’ Medici

Drei Töchter Elena Albiera Apollonia

Giovanni verhaftet 1478 + B. Borromeo

Sechs Töchter Catarina Antonia Elisabetta Cenesta Camilla Maddalena

Andrea Bischof von Sarno 1482

Antonio in Bruges Dez. 1478

Renato hinger. 1478

Andrea verh. 1478

Niccolò verh. 1478

Cosimo Erzbischof von Florenz 1508

Giovanni verh. 1478

Galeotto verh. 1478

Antonio Bischof von Sarno & Mileto

Dreizehn weitere Söhne und Töchter

Lionardo verbannt Rom 1478

Zwölf weitere

Abbildungs n ach w e i s Abb. 1: Ausschnitt aus Domenico Ghirlandaio, Die Bestätigung der Regel des hl. Franziskus, Kirche Santa Trinita, Sassetti-Kapelle, Florenz (AKG Berlin/S. Domingie) Abb. 2: Piero del Pollaiuolo, Galeazzo Maria Sforza, Galleria degli Uffizi, Florenz (AKG London/Erich Lessing) Abb. 3: Palazzo Vecchio, Florenz (AKG London/Orsi Battaglini) Abb. 4: Palazzo Pazzi, Florenz (Archivi Alinari) Abb. 5: Palazzo Medici, Florenz (Scala) Abb. 6: Andrea del Verrocchio, Büste des Giuliano de’ Medici (Andrew W. Mellon Collection, National Gallery of Art, Washington) Abb. 7: Büste des Lorenzo de’ Medici, vermutlich nach einer Vorlage von Orsino Benintendi und Andrea del Verrocchio (National Gallery of Art, Washington) Abb. 8: Melozzo da Forlì, Sixtus IV. ernennt Platina zum Präfekten der Bibliothek. Pinacoteca Vaticana, Rom (AKG London/Erich Lessing) Abb. 9: Leonardo da Vinci, Bernardo Bandini Baroncelli als Gehenkter. Bayonne, Musée Bonnat, inv. 659 (AKG London) Abb. 10: Bertoldo di Giovanni, Medaille zur Erinnerung an die Pazzi-Verschwörung. Museo Nazionale del Bargello, Florenz (AKG London/Rabatti-Domingie) Abb. 11: Pazzi-Altarbild, möglicherweise von Andrea del Castagno. Sammlung Contini Bonaccosi, Palazzo Pitti, Florenz (Scala) Abb. 12: Totenmaske des Lorenzo de’ Medici. Palazzo Medici-Riccardi (Scala) Abb. 13: Büste des Kardinals Giovanni de’ Medici, Antonio de’ Benintendi zugeschrieben (mit freundlicher Genehmigung der Kuratoren des Victoria & Albert Museum, London)

Regis ter

Acciaiuoli, Agnolo 52–55, 245 Acciaiuoli, Familie 49, 53, 201 Acciaiuoli, Neri 201, 228 Accolti, Francesco 171 Acquapendente, Schäfer von 141 Adimari, Familie 39, 40–44, 196 Adimari, Fiammetta 40 Alaun, päpstliches Monopol 84, 100, 195 Alberti, Familie 38, 130 Albizzi, Familie 44, 45, 72, 76, 78, 88, 201, 207, 228 Albizzi, Messer Rinaldo degli 49 Alfonso, Herzog von Kalabrien 180 Alfonso, König von Neapel 66, 225 Altoviti, Giovanni 201 Apollonio di Giovanni 203 Appiano, Familie 229 Appiano, Semiramide d’ 229 Arezzo, Bischof von 167, 172, 175 Arquà, Gasparo d’ 137 Avignon 52 Medici-Bank 47, 177, 196, 197 Pazzi-Bank 73–76, 80, 82, 84 Bagnone, Stefano da 126, 164 Barcelona, Pazzi-Geschäfte 71–78, 83 Bardi, Familie 79, 162 Bardi, Matteo de’ 31 Baroncelli, Bernardo Bandini 131, 163 und Medici-Attentat 115, 116, Baroncelli, Familie 162, 196 Baroncelli, Maria 164

Baroncelli, Pierantonio Bandini 162 Becchi, Gentile 92, 172 Benintendi, Antonio de’ 237 Benintendi, Orsino 132 Bentivoglio, Familie 23, 92 Bentivoglio, Giovanni 171, 225, 228 Bisticci, Vespasiano da 65, 108 Bona von Savoyen 25, 30, 178 Borromei-Bank, Brügge 76 Borromei, Beatrice 107 Verlust der Erbschaft 127, 169 Borromei, Familie 101 Boscoli, Francesco 73, 76, 78 Botticelli, Sandro 14, 15, 111, 131 Bracciolini, Jacopo 161 als Verschwörer 118, 119, 122, 123, 129, 131, 161, 165, 246 Bracciolini, Poggio 161 Brucker, Gene 45 Brügge 74, 196 Medici-Bank 47, 164, 177, 226 Pazzi-Unternehmungen 73, 76, 84, 85, 162, 195, 198 Bruto, Giovan Michele 174 Bulgarini von Siena (Jurist) 171 Buondelmonti, Familie 40, 44, 161 Busechino (Mörder) 137 Cambi, Giovanni 226 Cambini-Bank, Rom 74 Canto de’ Pazzi 130 Capponi, Francesco di Niccolò 197

282

Capponi, Familie 74, 208 Capponi, Gino 148 Capponi, Neri 65 Carafa, Diomede, Graf von Maddaloni 182 Castagno, Andrea del 202 Castellina 171, 178 Castiglione, Branda da, Bischof von Como 26 Cavalcanti, Familie 45, 116 Certaldo 178 Cibò, Franceschetto 194, 232 Cini, Bartolo 136 Città di Castello 32, 103, 147, 157, 170, 247 Colle Val d’Elsa 178 Colleoni, Bartolomeo 145 Condottieri 144–148 Coniurationis commentarium 174 Corio (Historiker) 27 Corsellini, Giuliano di Francesco 82 Il Cortegiano (Castiglione) 66 Cortona 178 Damnatio memoriae (Auslöschung der Erinnerung) 129, 223 Dante Alighieri 70, 111, 176, 199, 242 De Roover, Raymond 46 Dei, Benedetto 50, 54, 74, 138, 153 Dialogus de libertate (Rinuccini) 206 Della congiura dei Pazzi (Poliziano) 16 Dini, Antonio de Bernardo 137, 239 Este, Borso d’, Marchese von Ferrara (Herzog von Modena) 54, 95 Este, Ercole d’, Herzog von Ferrara 177 Estouteville, Guillaume d’, Kardinal von Rouen 162, 194 Eugen IV., Papst 71 Excusatio Florentinorum 174

Anhang

Faenza 23, 92, 150 Federigo, Prinz von Neapel 93, 148, 159, 225 Ferrante, König von Neapel 13, 92, Absichten in Mittelitalien 104, 170 als Verschwörer 106, 148, 159–162, Einfall der Türken 185 Parteinahme für Pazzi 98 und Genua 176 Verhandlungen mit Lorenzo 179–185, 220 Ferrara 14 Exekutionen 141 Gesandter in Florenz 213, 214, 218 Ficino, Marsilio 108, 149, 215, 217, 246 figura (Image) 102 Filiberta von Savoyen 230 Florentina Synodus 172–175 Florenz Accoppiatori (Wahlleiter) 52, 58 als europäisches Finanzzentrum 14, 46, 251 Ämterkreislauf 52, 57 Außenpolitik 65, 90, 99, 218, 247 Balìa (Notstandsregierung) 51, 55, 57, 58, 94, 98, 208, 210, 218 Bargello (Gerichtshof) 30, 124, 126, 131, 138, 191, 239 Bekleidungskodex 70 Capitano del popolo (Richter) 31 Cento (Hunderterrat) 53, 97, 98, 192, 218, 246 Consilio comunis 192 Consilio dei Settanta (Rat der Siebzig) 218, 245 Consilio populi 192, 218 Dieci (Kriegsrat) 169, 177–181 Dodici Buonomini (Zwölferrat) 63 Fave scoperte (Wahlbohnen) 58 Gonfaloniere di giustizia (offizielles Staatsoberhaupt)17, 50, 57, 58,

Register

Florenz 79, 91, 96, 97, 109, 118, 151, 208, 223, 224, 227 Heiratspolitik 35–45 Hinrichtungen 135–140 Kriegsanleihen 49, 72, 76, 78 La-Croce-Tor 121 Magnati (Fürsten)17, 70, 71, 228 Manipulation 52, 55, 90, 97, 157 Medici-feindliche Opposition 50, 51, 53, 54, 55, 58, 61, 87, 89, 95, 96, 144, 161, 166, 189, 190, 194, 208, 218, 245, 248 Medici-Oligarchie 42, 55, 62, 63, 65, 96, 130, 195, 201, 207, 243 Mercato Nuovo 138 Mercato Vecchio 66, 136, 137, 138 Monte (Staatsanleihen) 58, 64, 72, 83, 129, 226, 227, 239, 241 Osterfeierlichkeiten 69, 240 Otto („Acht“, Wachausschuss) 50, 52, 54, 55, 58, 98, 104, 122, 123, 126, 131, 165, 170, 189, 190, 191, 198, 200, 201, 205, 213, 224, 228, 246 Palazzo della Signoria 112, 121, 165 Palazzo Vecchio 56 Parlamento (Bürgerversammlung) 51, 55, 57 Pest 72, 176 Piano (Antireformerpartei) 53 Piazza della Signoria 66, 95, 109, 121, 123, 125, 126, 222 Podestà (oberster Richter) 120, 124, 131, 190, 191, 198, 213 Ritterstand 61, 70 Santa Croce, Kirche 71, 76, 112, 127, 138, 162 Santa Maria del Fiore, Kathedrale 112, 164 „Schwarze“ 45, 70

283

Schwarze Bruderschaft 138, 140 Signoria (Magistrat, Prioren) 17, 44, 49–58, 61, 62, 63, 66, 67, 79, 95, 96, 97, 99, 102, 103, 105, 109, 112, 121, 123, 125, 126, 165, 181, 207, 208, 218, 222, 227 Steuerkrise 63 Steuern 47–49, 59, 62, 80 Steuerschätzung 64, 80 Tamburi (Holzkästen) 190, 260 Torre 193, 194, 195, 197, 198, 201, 261 Tribunale di mercanzia (Gerichtshof der Kaufleute) 75, 261 Verbannung 29, 40, 45, 49, 50, 52, 56, 66, 81, 91, 131, 169, 189, 192, 200, 214, 229 Wahlbeutel 50, 54–59, 95, 208 Wahlfähigkeit 52, 56, 57, 93 Wahlmanipulation 53, 90, 98 Wahlrecht 51–53, 58 „Weiße“ 70 Zecca (Münze) 129, 130, 139, 257 Folter 17, 28–30, 51, 52, 189, 190, 214 Forlì (Vergeltung an Riario) 19–23, 31 Fortebracci, Carlo 146, 150 Frankreich, Pazzi-Verbindungen 72 Franzesi, Napoleone 119, 131 Franzone (Diener) 27, 28, 29 Friedrich III., Kaiser 174 Genua 14, 20, 30, 64, 116, 146, 158, 177, 213, 231 Ghirlandaio, Domenico 15 Giambullari, Bernardo 144 Giovanni, Bertoldo di 186 Giusti, Giusto 120, 121 Giustini, Messer Lorenzo 121, 157, 159, 160, 165, 247 Gondi, Carlo 55 Graziani (Chronist) 142

284

Gregor XI., Papst 175 Guasconi, Girolamo 64, 73, 75 Guelfen 70, 109 Guicciardini, Francesco 61, 125, 151, 156, 216, 225, 227, 228, 230, 234, 242, 243 Guidi, Ser Giovanni 44, 234 Heiratspolitik 35–45 Imola 20, 23, 54, 99, 112, 146, 147, 156, 157, 160, 170 Innozenz VIII., Papst 21, 184, 231 Italien Ämterrotation 30 Todesstrafe 135 Vergeltung üben 18 James, Thomas, Bischof von Lyon 164 Jean, Prinz von Anjou 92 Julius II., Papst 236 Kalixtus III., Papst 82 Kannibalismus 22, 28, 141–143 Karl V., Kaiser 236 Karl VII., König von Frankreich 73 Karl VIII., König von Frankreich 239 Klemens VII., Papst (siehe auch Giulio de’ Medici) 231, 236 Krieg der acht Heiligen 175 Lamberteschi, Familie 79, 81 Lamberteschi, Lamberto 79, 81 Lampugnani, Familie 29, 141 Lampugnani, Giovanni Andrea 25, 26, 28, 29, 141 Landucci, Luca 128 Lanfredini, Giovanni (Botschafter) 233 Leichenschändung 29, 133 Leo X., Papst 236 Leonardo da Vinci 111, 163 Lucca, Republik 14, 49, 92, 246

Anhang

Ludwig XI., König von Frankreich 108, 171, 183, 197 Lyon 74, 84, 100, 158, 164, 196, 197, 198, 235 Machiavelli, Girolamo 51, 52, 245 Machiavelli, Niccolò 14, 24, 52, 111, 125, 151, 160, 242 Macinghi, Filippo 38 Maffeis, Celso de 25 Mailand 13, 14 Ambrosianische Republik 26, 28 Attentat in Santo Stefano (1476) 25–31, 249 Krieg mit Florenz 49 Medici-Bank 47, 48 Manetti, Bernardo 62 Manetti, Familie 62, 88 Manetti, Giannozzo 61–67, 80, 88, 97 Manfredi, Galeotto 23, 92 Marseille 73, 84 Martini, Francesca di Messer Giovanni 193 Martyrium, Symbolik des 140 Medici, Bianca de’ 44, 85, 86, 199 Medici, Contessina de’ 168, 231 Medici, Cosimo de’ als Bankier 47, 48 Autorität 87, 245 Kriegsanleihen 49, 72 und Manetti 62–65 und Soderini 52, 53 Verbannung nach Padua/Venedig 49 Medici, Filippo de’, Erzbischof von Pisa 54, 229 Medici, Giovanni de’ 49, 92, 106, 107, 169, 237 Medici, Giovanni di Averardo (Giovanni di Bicci) 45–47 Medici, Giuliano de’, Herzog von Nemours 230

Register

Medici, Giuliano de’ (gest. 1478) 24, 115, 119, 120, 164, 175, 189 Medici, Giulio de’, Kardinal (siehe auch Klemens VII.) 231, 236 Medici, Lorenzo de’ („Der Prächtige“) 15, 132, 222 als Außenpolitiker 98, 221 als Heiratsvermittler 35, 92, 225 Attentat auf 111–129 Aussehen 92 Briefe 92, 103–105, 180, 183, 219, 231 Bruderschaft, Mitglied 143, 224 Erziehung 91–95 Eskorte 223, 234 Exkommunikation 158, 167, 169 Freundschaft zum Herzog von Mailand 87, 95, 100 Gedichte 92, 94, 228 Gesundheit 214, 229, 233 Gran maestro 83, 87, 104, 184 Heirat 37–42, 96 im Kriegsrat 169 im Wachausschuss 189 innere Oligarchie 107 Kindheit 92 Konflikt mit Salviati 99, 101–104, 105, 106 Konflikt mit Sixtus IV. 112 Sammlung antiker Kuriositäten 215, 216 Tod 214, 215, 238 und Innozenz VIII. 21, 184, 231–235 verfassungswidriger Status 240 Zauberring 215, 224 Medici, Lorenzo di Pierfrancesco de’ 194, 229 Medici, Lucrezia de’ (Lucrezia Tournabuoni) 36, 37, 38, 44, 88, 168, 176, 230 Medici, Luisa de’ 231

285

Medici, Maddalena de’ 23, 36, 192, 194, 231, 232, 235 Medici, Palazzo 52–55, 87, 92, 95, 107, 108, 113, 114, 115, 117, 120, 124, 125, 169, 213, 215, 220, 221, 223, 225, 233 Medici, Pierfrancesco de’ 53 Medici, Piero de’ (Lorenzos Sohn) 133, 227 Heirat 203 Flucht aus Florenz (1494) 238 Medici, Piero de’ (Lorenzos Vater) 36, 44 als Bankier 48 als Stratege 54 Gesundheit 48, 52 Tod 87, 95 Medici, Vieri di Cambiozzo 46 Medici-Bank 46, 75, 220, 225 Avignon 177 Brügge 47, 162, 177 Filialen 47 Geschäfte mit dem Papst 84, 99, 103 Kreditverweigerung gegenüber Sixtus IV. 147 Mailand 93, 177 Neapel 183 Rom 36, 44, 88 Venedig 177 Melozzo da Forlì 153, 159 Michelozzi, Niccolò 234, 238 Mitgift 25, 35–44, 81, 130, 147, 162, 198, 229–232, 250, 261 Mob 21, 70, 124–126, 139, 174, 253 Molinella, Schlacht von 145 Montano, Cola 26, 30, 31, 201, 228 Hinrichtung 246 Montefeltro, Familie, siehe Urbino Montesecco, Giovan Battista, Graf von 167, 173, 174 Verwicklung in April-Verschwörung 112–115

286

Festnahme 126 Geständnis 145–160, 164 Montone, Carlo da 170, 173 Montpellier 72, 73, 78 Mozzi, Jacopo de’ 82, 162 Nardi, Bernardo 91 Nasi, Francesco di Lutozzo 82, 84, 197 Neapel französische Ansprüche auf 182 Medici-Bank 47 Neroni, Dietisalvi 52–55, 229, 245 Neroni, Giovanni, Erzbischof von Florenz 54 Niccolini, Familie 44 Niccolini, Otto 98 Nikolaus V., Papst 31 Nori, Francesco 116 Olgiati, Gerolamo 25, 26, 27, 28, 29, 30, 32 Orsi, Andrea 22 Orsi, Checco 21, 22 Orsi, Ludovico 21, 22 Orsini, Alfonsina 230–232 Orsini, Clarice 36–38, 96, 194, 244 Orsini, Rinaldo 149 Orsini, Virginio 230 Otranto, Einfall der Türken (1479) 185 Panciatichi, Gebrüder 46, 64 Parenti, Marco 40–43, 109 Parenti, Piero 160, 226 Paul II., Papst 93, 168, 229 Pazzi, Albiera de’ 79 Pazzi, Andrea di Giovanni de’ 200 Pazzi, Antonio di Piero de’ (Bischof von Sarno und Mileto) 104, 164 Pazzi, Francesco de’ 101 Medici-Komplott 106, 115–121 Hinrichtung 122

Anhang

in Rom 150 und Botticelli-Schandbild 131 Pazzi, Galeotto de’ 125, 199 Pazzi, Giovanni di Antonio de’ 97, 99, 101 Pazzi, Guglielmo de’ 84, 93, 96, 116, 124, 192, 201, 229 Pazzi, Lena (Elena) de’ 79 Pazzi, Lionardo de’ 125 Pazzi, Lisa di Piero de’ 98 Pazzi, Messer Andrea di Guglielmino de’ 70 als Ritter 71 Bann für Nachkommen 130, 240 Steuerstundung 80 Tod 79 Pazzi, Messer Jacopo de’ Geschäfte 83–84 Hinrichtung 126 Medici-Komplott 116–122, 145–158 und Erzbischof Salviati 150–158 und Botticelli-Schandbild 131 Pazzi, Messer Piero de’ 40, 44, 70, 109, 125, 191, 203 Pazzi, Oretta de’ 202, 212 Pazzi, Palazzo 69, 77, 81, 122, 232 Pazzi, Pazzo de’ 69 Pazzi, Piero di Andrea de’ 96 Pazzi, Raffaele de’ 124 Pazzi, Renato de’ 212 Geschäfte 84, 85 Hinrichtung 124 Medici-Komplott 86 und Botticelli-Schandbild 131 und Lorenzo de’ Medici 100 Pazzi-Bank 72 Avignon 73, 75, 76, 82, 197 Brügge 84 Genf 73 Landbesitz 38, 72, 77, 81 Niederlassungen 72, 78, 84

Register

Marseille 84 Rom 73 Pazzi-Kapelle 71, 80, 112 Pazzi-Krieg 14, 174, 175, 205, 206, 209, 245 Petrucci, Cesare 118 Pisa, Erzbischof von 99, 101, 105, 106, 114, 117, 123, 147, 149, 161, 169, 170, 190, 229 Pitti, Lucca 39, 40, 50–56, 65, 83, 88, 151, 225, 244 Poggeschi 53 Poggibonsi 178 Poggio a Caiano 227, 228 Poggio Imperiale 178 Poliziano, Angelo 15, 16, 111, 117, 123, 127, 128, 149, 151, 156, 162, 164, 174, 175, 209, 238, 241 Pollaiuolo, Brüder 14 Pollaiuolo, Piero del 24 Porcari, Stefano 24, 31–33 Port-de-Bouc 73, 74 Portinari, Tommaso 164 Porto Pisano 74 Pucci, Puccio 49 Pulci, Luigi 169, 176 Radda 171 Ragusa (Dubrovnik) 196 René von Anjou (Anwärter auf den Thron von Neapel) 70, 71, 151 Riario, Caterina Sforza 20, 21, 147 Riario, Girolamo, Graf 19, 30, 99, 101– 105, 141, 146–149, 153, 173, 178–181 Riario, Octavian 22 Riario, Pietro, Kardinal 99, 149, 153 Ricasoli, Familie 38, 40, 44 Ricasoli, Raniero und Lorenzo 197 Ricordanze 242 Ridolfi, Antonio 42, 98, 117, 225, 228, 231

287

Ridolfi, Familie 231 Rinuccini, Alamanno 54, 106, 193, 204–211, 214, 217, 221, 225, 226, 243, 246 Rinuccini, Messer Francesco 207 Romagna 20, 23, 99, 106, 145, 153, 159, 168, 170, 179, 180, 184, 235 Roverbella, Gregorio 139 Rovere, Francesco della, siehe Sixtus IV., Papst Rovere, Raffaele della 159 Sacramoro, Filippo 179 Salviati, Bartolomeo 149 Salviati, Francesco, Erzbischof von Pisa 99, 101, 102, 105 Hinrichtung 122, 123 Medici-Komplott 115–122 und Botticelli-Schandbild 131 Salviati, Jacopo di Alamanno 44 Salzmonopol, französisches 197 Sanseverino, Roberto di 195 Sansoni Riario, Raffaele, Kardinal Freilassung 171 Medici-Komplott 116 Sicherheitsverwahrung 124, 169, 174 Sarno, Bischof von 86, 100, 124, 164, 196, 200, 247 Savonarola 176, 235, 241 Scala, Bartolomeo 167, 174 Schisma, abendländisches 175 Sensali (Heiratsvermittler) 42 Serristori, Familie 44, 225 Serristori, Giovanni 121 Serristori, Maddalena 192 Sforza, Ascanio 178, 233 Sforza, Caterina siehe Riario, Caterina Sforza Sforza, Francesco, Herzog von Mailand 24, 28, 48, 51, 65, 93, 220

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Anhang

Sforza, Galeazzo Maria, Herzog von Mailand 24, 30, 87, 92,93, 99, 101– 107, 183, 210, 220, 221 Attentat 25–27 Sforza, Ippolita Maria (spätere Herzogin von Kalabrien) 183 Sforza, Ludovico 179, 221, 239 Siena, Republik 14, 31, 64, 91, 93, 146, 155, 159, 169, 171, 178, 180, 184, 187, 213, 238 Sittenkodex 67 Sixtus IV., Papst 13, 17, 19, 20, 25, 85, 99, 112, 146, 149, 154, 167, 175 Soderini, Dianora Tornabuoni 88, 89 Soderini, Niccolò 55, 88, 201, 245 Soderini, Paolantonio 183 Soderini, Tommaso 87–90, 96, 98, 220, 221, 244 Southampton 74 Sozzini, Bartolomeo 171 Strozzi, Alessandra Macinghi 38, 108 Strozzi, Filippo 40, 41, 181 Strozzi, Matteo 38 Strozzi, Palla di Nofri 46 Stufa, Agnolo della 97 Stufa, Sigismondo della 117, 190

Uccello, Paolo 216 Urbino, Federigo da Montefeltro, Herzog von 14, 104, 105, 107, 145, 148, 153, 157, 158, 159, 161, 167, 169, 171, 225

Tanagli, Familie 39, 40, 41, 42 Temperani, Manno 53 Terza rima (Gedicht) 175 Todesstrafe 17, 29, 30, 33, 135–141, 144, 160, 191, 199, 213, 214 Tolentino, Giovan Francesco da 121, 157, 159, 160, 165, 178 Tornabuoni, Alessandro 228 Tornabuoni, Giovanni 44, 88 Tornabuoni, Lucrezia 36, 44, 168, 176 Toscanelli, Paolo 111 Tosinghi, Familie 73 Tosinghi, Francesco 78

Wechselgeschäfte 74

Valencia 74, 84, 196 Valori, Niccolò 162, 184 Vasari, Giorgio 132 Venedig, Republik 14, 16, 23, 28, 32, 93, 221, 224, 242 Allianz mit Florenz 13, Hinrichtungen 136 interne Machtkämpfe 42 Medici-Bank 46, 47, 48, 49 Scuoli grandi 143 Zehnerrat 128 Vernio, Gualterotto da 225 Verrocchio, Andrea del 14, 132 Vespucci, Piero 118 Vettori, Familie 148, 176 Villani, Alberto 122 Visconti, Carlo 25, 28 Vitelli, Niccolo 103, 147, 157, 170, 173, 219 Volterra 103, 125, 131, 185, 196, 199, 223 Volterra, Antonio Maffei da 164

Zwangsanleihen 80, 81