124 98 52MB
German Pages 518 Year 1995
Stefan Funke · Die Verschuldungsordnung
Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts herausgegeben von
Heinz Grossekettler, Münster · Bernhard Großfeld, Münster Klaus J. Hopt, München· Christian Kirchner, Berlin Dieter Rückle, Trier · Reinhard H. Schmidt, Frankfurt/Main
Band 23
Die Verschuldungsordnung Ein Beitrag zur finanzwirtschaftliehen Ordnungspolitik
Von
Stefan Funke
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Funke, Stefan: Die Verschuldungsordnung : ein Beitrag zur finanzwirtschaftlichen Ordnungspolitik I von Stefan Funke. Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts ; Bd. 23) Zug!.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08466-7 NE:GT
D6 Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5065 ISBN 3-428-08466-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 (§
Vorwort Den vorliegenden Beitrag zur finanzwirtschaftliehen Ordnungspolitik habe ich während meiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Finanzwissenschaft der Westfalischen Wilhelms-Universität Münster von Dezember 1990 bis Oktober 1994 verfaßt Die Arbeit wurde im November 1994 von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt dem Referenten, meinem Lehrer Professor Dr. Heinz Grossekettler, auf dessen Anregung diese ordnungspolitische Untersuchung der öffentlichen Verschuldung zurückgeht und der mir stets für Diskussionen zur Verfügung stand. Des weiteren danke ich dem Korreferenten meiner Arbeit, Professor Dr. Georg Milbradt, sowie meiner Kollegin und meinen Kollegen am Institut für ihre hilfreichen Kommentare. Hierfür und für die weitere Unterstützung bin ich auch meiner Frau sehr dankbar. Münster, im März 1995
Stefan Funke
Inhaltsverzeichnis
1. Teil Zielsetzung, Gang der Untenuehung und Daten zur Staatsverschuldung
17
I. Zielsetzung und Gang der Untenuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundbegriffe, Ziele, Struktur und Entwicklung der ßfl'entlichen Verschuldung 1. Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschuldungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Komponenten eines konsolidierten Verschuldungs- und Schuldenplans . . . . . 3.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Die gesamte öffentliche Verschuldung, ihre Triger und ihre Koordinierungsinstitutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Die Gebietskörperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Die Sonderhaushalte des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Die Sozialversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Die Koordinierungsinstitutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die staatlich getbrderte und garantierte private Krcditaufuahme . . . . . . . . . . 3.4 Die neu eingegangenen Eventualverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ein Kurzüberblick über die Formen und Gläubiger öffentlicher Schulden . . . . . . 5. Die Entwicklung der Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland . . . .
2. Teil Legitimation der ßfl'entlichen Venehutdung und Notwendigkeit einer Venehuldungsordnung
17
. . . . .
20 20 24 25 25
. . . . . . . . .
26 26 30 38 41 43 45 SO 52
60
111. Ordoliberale Prinzipien als Legitimationsgrundlage staatliehen Handeins 60 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Die Wesenszüge der ordnungstheoretischen Konzeption des Ordoliberalismus als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3. Die ordoliberalen Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
8
Inhaltsverzeichnis
IV. Legitime RechtfertigungsgrUnde der Verschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Mängel einer 'freien' Marktwirtschaft: Wurzeln der Finanzpolitik . . . . . . . . .
71 71
2. Zielsetzungen der staatlichen Verschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
3. Die stabilisierungspolitische Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
3.1 Erläuterung und Operationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3.2 Vertragstheoretische Ziellegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3.3 Liberale Verschuldungspolitik als Gestaltungsaufgabe im Stabilisierungsbereich: das Fehlen eines Marktes filr Stabilisierungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
3.4 Die ökonomische Legitimation des Verschuldungsinstruments 1: Effektivität und Effektivit:ttsvoraussetzungen im Hinblick auf das Stabilisierungsziel . . . . . . . . 89 4. Allokative Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4.1 Erläuterung und Operationalisierung . .. . ...... . . . . . . .. . ... . . .. .. . . 100 4.2 Vertragstheoretische Ziellegitimation .... 113 4.3 Liberale Verschuldungspolitik als Gestaltungsaufgabe im Allokationsbereich: Regeln zur Bereitstellung einschließlich Finanzierung von KollektivgUtem . . . . . 115 4.4 Die ökonomische Legitimation des Verschuldungsinstruments 1: Effektivität im Hinblick auf die Erreichung einer verzerrungsfreien intertemporalen Allokation . 124 5. Distributive Zielsetzungen und Finanzierungsregeln . . . . . ...... .. . . . . . . . . . 130 6. Die ökonomische Legitimation des Verschuldungsinstruments II: Anforderungen an die Erforderlichkeil und Verhältnismäßigkeit der Verschuldung ........ .. .. . . 132 6.1 Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 6.2 Unterprinzipien fiir eine ordnungskonforme und verhältnismäßige Verschuldung 133 7. Zusammenfassung: Ökonomisch gerechtfertigter Verschuldungseinsatz .. . . . ... . 136 137 V. Notwendigkeit einer Verschuldungsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mängel der praktizierten Verschuldungspolitik und Gefahren filr die Volkswirtschaft 137 1.1 Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 7
I .2 Allokative Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138
1.2.1 Intratemporale allokative Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1.2.2 Intertemporale allokative Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . ...... . .. . . 148 1.3 Distributive Mängel . .. . . .... . .. ... . ..... . .... . .... .. .. . .. .. . 166 1.4 Stabilisierungspolitische Mängel ... . ..... .. . . ....... .. . . . 178 187 1.5 Zusammenfassung .. . 2. Analyse der Mängelursachen 1: Anreize zum fehlerhaften Gebrauch des Verschuldungsinstruments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2.1 Abriß der Ökonomischen Theorie der Politik, insbesondere der Ökonomischen 191 Theorie der Verschuldungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Das typische Verschuldungsverhalten der Entscheidungsträger im politisch-administrativen Führungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 2.2.1 Die Anreizstruktur der Regierungspolitiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 2.2.2 Die Anreizstruktur der Opposition . . . . . . . . . . . . . . . . .
215
2.2.3 Die Anreizstruktur der Verwaltungsspitze . .. . .. .
217
2.2.4 Zwischenfazit .... . .. . ... ... . ........ . .. 220 2.3 Das typische Wählerverhalten in Verschuldungsfragen ..... .. . . . . . . .. . . 221 2.3 .I Die Anreizstruktur des Wählers als Konsument und Financier öffentlicher Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
Inhaltsverzeichnis
9
2.3.2 Die Kontrollanreize . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . .. .. .... . . 235 2.3.3 Der Wähler als Gläubiger des Staates . .. ............... . . . . . .. 236 2.4 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .... ... . ... . ... 239 3. Analyse der Mängelursachen II: objektiv-technische Ursachen als Verstärkungsfaktoren fllr Fehlverhalten und negative Folgen der Verschuldungspolitik ...... .. . .. 241 3.1 Instrumentelle Unsicherheiten ........... .. . . . . .......... ... ... . 242 3.2 Das Bundesstaatsprinzip als Ursache verschuldungspolitischer Mängel . .. . . . 244 3.2.1 Mängel der verschuldungspolitischen Koordination ... .. ..... . .. . . 245 3.2.2 Verlassen auf das bOndisehe Prinzip .... . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . 248 3.2.3 Dysfunktionale vertikale Ausweichreaktionen .. .... ...... .. .. . .. 251 3.3 Abgrenzungsschwierigkeiten . . . ... . ... ... .. .. . .... . .... . . .... . . 3.4 Der Stand des öffentlichen Rechnungs- und Berichtswesens ......... .. ... 3.4.1 Verschuldungsrelevante Mängel des öffentlichen Rechnungswesens .. .. 3.4.2 Verschuldungsrelevante Mängel des öffentlichen Berichtswesens . .. . ..
252 255 255 262
4. Auswirkungen der Maastrichter BeschlUsse auf die deutsche Verschuldungspolitik . 263 4.1 Vorbemerkungen und grundsatzliehe lmplikationen einer Europäischen Währungsunion fllr die deutsche Verschuldungspolitik . .. ... . .......... . ..... . 263 4.2 Stärkung der verschuldungspolitischen Disziplinierung Deutschlands Ober den Markt? ............ . .. . ............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 4.3 Regelungen im Unionsvertrag zur Begrenzung der Verschuldung ...... . .. . 270 4.4 Abschließende Bewertung .. ............... . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . 277 5. Zusammenfassung ........ .. .... .. ....... .. . . . . . . . . . . . . . . . . . ... 279
3. Teil Eine positive Analyse existierender Verschuldungsregelungen und Konzeptionen zur Verschuldungsbegrenzung
281
VI. Mängelanalyse der Verschuldungsregelungen für den deutschen Staat . . . .. .. . 281
I. Die Verschuldungsregelungen auf der Bundesebene . . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Vorbemerkung . . . . . ............... ... . . ....... . . . . ..... . . . 1.2 Die Kernbestimmung des Art. I 09 Abs. 2 GG .. ... .......... . ... .. .. 1.3 Die zusätzliche Grenze aus Art. 115 Abs. I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Das Verhältnis von Art. 115 Abs. I Satz 2 GG zu Art. I 09 Abs. 2 GG ...... 1.5 Die Ausnahme der Regel-Ausnahme-Beziehung des Art. 115 Abs. I Satz 2 GG 1.6 Justitiabilität und Rechtsfolgen von Verstößen . . . ... . . . .. . . ... . ... . . . 1.7 Der Gesetzesauftrag nach Art. 115 Abs. I Satz 3 GG: die Forderung einer Verfahrensordnung . . . ... .. . . ..... . ... ... . ........ . . .. .. . . . .. . . 1.8 Eine weitere Verschuldungsgrenze aus Art. I 13 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9 Zwischenergebnis .. ...... .............. ... ........... ... . .. 2. Die Verschuldungsregelungen auf der Länderebene .. . .. ..... . . . ... . . .. . . 2.1 Besonderheiten der rechtlichen Regelungen der Kreditaufnahme gegenOber der Bundesebene . .... ..... ....... . .. ... . .. .. . . . . ........ . . . . . . 2.2 Bewertung .. . . ... . .. . .. . .... . . . .. . .. ... . . .. .. . . .. . ... ....
281 281 283 292 308 311 315 320 322 328 329 329 331
10
Inhaltsverzeichnis
VII. MAngelanalyse der gemeindlichen Verschuldungsregelungen ......... . . .. . . 333 1. Ökonomische Besonderheiten der Verschuldung von Gemeinden: normative Gedanken zur Legitimation der Gemeindeverschuldung . . .. . . ... ... . . . ......... 333 2. Eine wesentliche Rahmenbedingung fllr die Kommunalverschuldung: der gemeindliche Einnahmespielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 3. Rechtliche Begrenzungsvorschriften fllr die kommunale Kreditaufnahme: Darstellung und Bewertung ....................................... . .. .. .. . 352 3.1 Vorbemerkung zur Haushaltsrechtsreform von 1974 ........... . .. . . . . . 352 3.2 Rechtliche Voraussetzungen und Grundsatze der Kreditaufnahmebefugnisse .. . 353 3.3 Das Genehmigungsverfahren als institutionelle Verschuldungsbegrenzung . ... 360 3.4 Stabilisierungspolitische Sondervorschriften ... . .. . ........ . ..... . ... 374 4. Die Richtung der Reform des kommunalen Verschuldungssrechts in den neunziger Jahren ................. . ............. . . . . ............. . . . .. 378 5. Zusammenfassende Beurteilung: Lehren fl1r die Verschuldungsordnung ... . . . .. 382 VIII. Erfahrungen mit Verschuldungsbegrenzungsregelungen in ausgewlhlten Staaten . 384 I. Vorbemerkungen .. . ..... . . . .............. . . . ...... . . . ... . .. . .. 384 2. Begrenzungsregelungen in den USA ........... . ... . .... . . . ... . .. . . . 384 3. Begrenzungsregelungen in der Schweiz . ......... . . . .. . ......... . .. . . 396 4. Begrenzungsregelungen in ÖSterreich ............ . . . ............ . .... 401 5. Verfassungsmäßige Verschuldungsbeschränkungen in einigen europäischen Staaten . 404 6. Lehren fllr die Verschuldungsordnung der Bundesrepublik Deutschland ... . ... . 406 IX. Vorgeschlagene und erprobte Konzepte zur Begrenzung der Staatsvencbuldung . l. Vorbemerkung .. .. . . . . . . . .. . .. .. .. ....... . . . ............ . .. .. 2. Das Konzept der 'Sustainability' ............... . ..... .. .... . ... . .. . 2.1 Darstellung des Konzepts und der verwendeten Indikatoren . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Bewertung und Beitrag zur Rationalisierung der Verschuldungspolitik .... . . . 3. Das Konzept der Normalverschuldung ... . ..... . .. . ........... . ... . . . 3.1 Darstellung der Grundzuge des Konzepts .... . .. . .. .. . . . . ... . ..... . 3.2 Kritik und Beitrag zur Rationalisierung der Verschuldungspolitik .. . . ... . . .
4. Teil Die Vencbuldungsordnung
407 407 407 407 417 420 421 423
427
X. Konstruktion und Ausgestaltung der Vencbuldungsordnung fllr den Bund .. . . 427 l. Vorbemerkungen und Grundlagen .... . . . ..... . ........... . ... . .. . . 427 2. Ökonomische Grundsatze der Verschuldungsordnung . .. . ........ . ... . .. . . 429 2.1 Grundsatz der Legitimität und Bestimmtheit des Einsatzfeldes der Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben . . . . .. . .... .. .. . . .. . . ..... .. ...... . . 430 2.2 Grundsatz der Ziclkonformitllt des Verschuldungseinsatzes . ... . . . . . . . . . . 433 2.3 Grundsatz der Beachtung der verschuldungspolitischen Unterprinzipien zur Erforderlichkeil und Verhllltnismäßigkeit ..... . .. . .. . .. . . .. . . . .. . ... .. . 435
Inhaltsverzeichnis
II
2.4 2.5 2.6 2.7
3. 4. 5. 6. 7.
Grundsatz der BegrUndung und Darlegung der Verschuldungsaktivitaten . . .. . 442 Grundsatz der Vollstandigkeit und Transparenz des Verschuldungsausweises .. 443 Grundsatz der Öffentlichkeit der Verschuldungspolitik ........... . .. . .. 445 Grundsatz der Anhörung der Bundesverschuldungskommission vor der Versehutdungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 Übergangsregelungen zum stufenweisen Abbau der strukturellen Verschuldung . . . 448 Institutionelle Absicherung der Verschuldungsgrundsätze: die Bundesverschuldungskommission ....... .. . . . .. . ............. . .. . ........... . . . . . . 450 Rechtliche Absicherung der Verschuldungsgrundslltze: Änderungen des Art. 115 GG und das Verschuldungsverfahrensgesetz ... . ... ..... . .. . . . . . .. . .. . . . . . 457 Technische Absicherung der Verschuldungsgrundslltze: Verbesserung des öffentlichen Rechnungswesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 Zum Schuldenabbau, speziell zum Erblastentilgungsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469
XI. Besonderheiten einer Verschuldungsordnung im Bundesstaat ......... . .. .. . I. Die Ordnung der Verschuldung von Ländern und Gemeinden ...... . .. .. .. .. 2. Innerbundesstaatliche Absicherung der Verschuldungsgrundsätze . . ..... . . .. . . 2.1 Rationale Verschuldungspolitik im Bundesstaat . .... . . .. .. . .... . . . . . . 2.2 Der Grundsatz der teilautonomen Verschuldungspolitik ........ . ...... . .
5. Teil Hauptergebnisse und Ausblick
472 472 473 473 474
479
Literaturverzeichnis ........... . . . ................. . ..... . .. . .... . . . 488 Verzeichnis der zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
517
Verzeichnis der zitierten Drucksachen .. ....... . . .. .. . .. . .. .. . ... .. . . . .. . 517
Verzeichnis der Tabellen, Übersichten und Abbildungen Tabelle 1:
Der Verschuldungsplan der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . 37
Tabelle 2:
Der Gesamtschuldenplan der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . 38
Tabelle 3:
Investitionstätigkeit der Gemeinden .......... . .............. .. .. 335
Tabelle 4:
Kommunale Sachinvestitionen, Verschuldung und Kreditdeckungsgrad . .... 357
Tabelle 5:
Die Primärbudgetlücke im Öffentlichen Gesamthaushalt Deutschlands von 1991-1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ................. 415
Übersicht I: Grundschema zur Prüfung wirtschaftspolitischer Maßnahmen . . . . . . . . . . . 67 Übersicht 2: Verschuldungspolitische Unterprinzipien als Garanten der Forderungen nach Erforderlichkeil und Verhältnismäßigkeit des Instrumenteneinsatzes . . . . . . . 135 Übersicht 3: Zusammenfassende Zuordnung der verschuldungspolitischen Unterprinzipien zu den Mängeln, die sie verhindem sollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
Abb. 1:
Entwicklung der Verschuldung der Gebietskörperschaften und des Gesamtstaates 1962-1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
Abb. 2:
Entwicklung der Verschuldungsquote der Gebietskörperschaften und des Gesamtstaates 1962-1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
Abb. 3:
Entwicklung des Schuldenstandes der Gebietskörperschaften und des Gesamtstaates 1962-1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
Abb. 4 :
Entwicklung der Schuldenquote der Gebietskörperschaften und des Gesamtstaates 1962-1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
Abb. 5:
Entwicklung der Kreditfinanzierungsquote der Gebietskörperschaften 1962-1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
Abb. 6:
Entwicklung der Zinsausgabenquote der Gebietskörperschaften 1962-1992 . .
59
Abkürzungsverzeichnis Abb.
Abbildung
Abs. AER a.F. AO
Absatz American Economic Review alte Fassung Abgabenordnung
a.o. AöR
außerordentlich Archiv des öffentlichen Rechts
Art. Aufl.
Artikel Auflage
Bay. Vbl. BBankG
Bayrische Verwaltungsblätter Gesetz über die Deutsche Bundesbank (Bundesbankgesetz)
Bd. BGBI.
Band Bundesgesetzblatt
BIP
Bundeshaushaltsordnung Bruttoinlandsprodukt
BHO
BSP BSV
Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium der Wirtschaft Bruttosozialprodukt Bundesschuldenverwaltung
BVerfGG
Bundestag Bundesverfassungsgerichtsgesetz
BMF BMWi
BT
BVK CEPR c.p. DBW
Bundesverschuldungskommission (neu) The Centre for Economic Performance ceteris paribus Die Betriebswirtschaft
ders. dies.
derselbe dieselbe
DIW DÖV DStZ DVBI.
Deutsches Institut fllr Wirtschaftsforschung Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Steuerzahler Zeitschrift Deutsches Verwaltungsblatt
EG EGV
ERP
Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung vom 7. Februar 1992 Gesetz über die Errichtung eines Erblastentilgungsfonds (Erblastentilgungsfonds-Gesetz) European Recovery Program
ESvGR
Europäisches System volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen
ELFG
14 et al. EU
EUV
Abkürzungsverzeichnis et alii Europäische Union Vertrag Uber die Europäische Union vom 7. Februar 1992 (einschließlich der Protokolle zum Vertragswerk)
EWU
Europäische Wirtschafts- und Währungsunion Europäische Zentralbank
FAG
Finanzausgleichsgesetz (mit Jahresangabe) Frankfurter Allgemeine Zeitung
FHG FKP
Finanzhaushaltsgesetz (Schweiz)
Fn. GemHVO
Fußnote Verordnung Uber die Aufstellung und Ausftlhrung des Haushaltsplans der Gemeinden (Gemeindehaushaltsverordnung) Geschäftsordnung der Bundesregierung
EZB
FAZ
GeschOBReg
Föderales Konsolidierungsprogramm
GG GO Gp. GRH-Gesetz
Grundgesetz ftlr die Bundesrepublik Deutschland
H. HdF HdkWuP HdWW HG HGrG
Heft Handbuch der Finanzwissenschaft Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis
Gemeindeordnung Gliederungspunkt Balanced Budget and Emergency Deficit Control Act; in den Versionen'von 1985, 1987 und 1990 (Gramm-Rudman-Hollings-Gesetz)
Handbuch der Wirtschaftswissenschaft Haushaltsgesetz (mit Jahresangabe) Gesetz Uber die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz)
Hrsg. HS.
Herausgeber Halbsatz
i.d.F.
in der Fassung im engeren Sinne
i.e.S. i.O. i.V.m.
im Original in Verbindung mit
IWD IWF
Institut der deutschen Wirtschaft Internationaler Währungsfonds
i.w.S. JbfNPÖ
im weiteren Sinne Jahrbuch ftlr Neue Politische Ökonomie
Jg. KAGNW
Jahrgang Kommunalabgabengesetz ftlr das Land Nordrhein-Westfalen
KfW KMK LAF
Kreditanstalt ftlr Wiederaufbau Koordinationsmängeldiagnose-Konzept
LHO LVNW m.a.W.
Landeshaushaltsordnung Verfassung ftlr das Land Nordrhein-Westfalen (Landesverfassung NW) mit anderen Worten
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
Lastenausgleichsfonds
Abkürzungsverzeichnis N.F. n.F. NRK NTJ NW Ö-BV OECD 0. Jg. ÖTP
o.V. PAF Rdnr. S.
s. S-BV Sp. StWG SVR Tab. THA Tz. u.a.O. u.U. vgl. Vol. VOP WiSt WISU Zf. ZKF ZMT-Regel ZRP
15
Neue Folge neue Fassung Nettoressourcenkonsum National Tax Journal Nordrhein-Westfalen Österreichisches Bundesverfassungsgesetz Organisation for Economic Co-operation and Development ohne Jahrgang Ökonomische Theorie der Politik ohne Verfasser politisch-administratives Führungssystem Randnummer Seite; bei Rechtsquellen: Satz siehe Schweizerische Bundesverfassung Spalte Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (Stabilitäts- und Wachstumsgesetz) Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Tabelle Treuhandanstalt Textziffer und andere Orte unter Umstanden vergleiche Volume Verwaltungsftlhrung/Organisation/Personal Wirtschaftswissenschaftliches Studium Das Wirtschaftsstudium Ziffer Zeitschrift ftlr Kommunalfinanzen Ziel-Mittel-Träger-Kompetenzzuordnungsregel Zeitschrift ftlr Rechtspolitik
I. Teil
Zielsetzung, Gang der Untersuchung und Daten zur Staatsverschuldung I. Zielsetzung und Gang der Untersuchung Spätestens im deutschen Vereinigungsprozeß ist den politischen Entscheidungsträgem und der Öffentlichkeit deutlich vor Augen geführt worden, daß die staatliche Neuverschuldung bei der derzeitigen Ausgestaltung des verschuldungspolitischen Ordnungsrahmens als ein weitgehend unbeherrschbares Instrument der Finanzpolitik gelten muß. Die rasante Entwicklung des Schuldenanstiegs seit Mitte der 70er Jahre, noch beschleunigt- zum Teil in zahlreichen Nebenhaushalten-durch die deutsche Vereinigung, und die hohen Kreditaufnahmen der öffentlichen Hand auch in wirtschaftlichen Aufschwungphasen sind äußere Erscheinungsformen eines gravierenden Ordnungsdefizits im Verschuldungsbereich. Vieles weist darauf hin, daß das Verschuldungsinstrument in der Vergangenheitaufgrund institutioneller Defekte und daraus folgender Fehlanreize falsch eingesetzt wurde und auch weiterhin von Parlamenten und Exekutive falsch eingesetzt werden wird, wenn eine Reformierung des ordnungspolitischen Rahmens nicht erfolgt. Bei der Durchsetzung staatlicher Kreditaufnahme gab und gibt es wenig politische Widerstände, obwohl an der Zweckmäßigkeit der praktizierten Verschuldungspolitik erhebliche Zweifel angebracht sind. Durch einen zu leichtfertigen Gebrauch entsteht die Gefahr, daß die Verschuldung sachlich nicht gerechtfertigt ist. Deshalb sind Überlegungen zur Änderung bestehender und zur Ausgestaltung neuer Regelungen für einen im Hinblick auf ökonomische Funktionserfordernisse sinnvollen Einsatz der Kreditaufnahme dringend notwendig. Diese Erkenntnis, die auch vom Bundesverfassungsgericht geteilt wird, hat bisher im politisch-administrativen System der Parlamente, Regierungen und Verwaltungen zu keinen institutionellen Reformmaßnahmen geführt. Der Staat isttrotzder Fehlentwicklungstendenzen in diesem für die langfristige volkswirtschaftliche Entwicklung eminent wichtigen Bereich der öffentlichen Finanzwirtschaft bislang seiner Aufgabe nicht nachgekommen, die nur rudimentären Beschränkungs- und Steuerungsregeln für den Verschuldungseinsatz fortzuentwik-
2 Funke
18
I. Zielsetzung und Gang der Untersuchung
kein. Gleichwohl manifestiert sich der hohe Stellenwert der Verschuldung in der politischen Diskussion: Seit langem äußert sich dies etwa in wohlklingenden Bekundungen der Entscheidungsträger, die Neuverschuldung deutlich reduzieren zu wollen, um die gesamtwirtschaftlich schädlichen Folgen einer übermäßigen Verschuldung zu begrenzen. Nicht zuletzt soll mit dieser Arbeit denjenigen Akteuren, die es mit einem sachgemäßen Verschuldungsgebrauch ernst meinen, eine Argumentationsgrundlage und speziell mit der Verschuldungsordnung eine Handlungsempfehlung an die Hand gegeben werden. Es ist deshalb das Anliegen der Arbeit, zunächst das Ordnungsdefizit herauszuarbeiten und damit die Notwendigkeit einer Reform der nur rudimentären Ordnung des Verschuldungsbereichs zu betonen. Hierzu sind systematisch die legitimen Einsatzfelder sowie die Mängel der praktizierten Verschuldungspolitik und deren Ursachen zu ermitteln, die es durch Änderungen der institutionellen Strukturen zu heilen gilt. Das zentrale Ziel der Arbeit ist es, eine spezielle Verfahrensordnung tur den Einsatz des Verschuldungsinstruments zu entwerfen, bei deren Implementierung die verschuldungspolitischen Mängel des Status quo vermieden und die Ursachen adäquat berücksichtigt werden. Diese Verschuldungsordnung muß den Handlungsspielraum der Akteure im politisch-administrativen System soweit beschränken, daß deren Handeln im Einklang mit dem Gemeinwohl steht. Deshalb müssen gesamtwirtschaftlich vorteilhafte Regelungen zur Rationalisierung der Verschuldungspolitik tur eine unbestimmte Zahl zukünftiger Anwendungsflllle entwickelt werden, die ex ante zu fixieren und zwingend vorzuschreiben sind. Diese Untersuchung soll damit ebenfalls einen Beitrag leisten, sich auch in Verschuldungsfragen verstärkt ordnungspolitischem Denken zuzuwenden. Um diese Zielsetzung zu erreichen, bietet es sich an, wie folgt vorzugehen: Zunächst werden einige Grundlagen zum besseren Verständnis der Versehutdungsthematik gelegt. Hierzu zählt ein vollständiger Überblick über die Träger der Verschuldung und diejenigen Größen, die als Verschuldung verstanden werden müssen, sowie ein knapper Abriß der Verschuldungsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland. Diese eintuhrenden Darlegungen weisen bereits auf einige Aspekte des Regelungsdefizits. Im zweiten Teil der Arbeit gilt es, die facettenreiche Verschuldungsthematik aus ökonomischer und speziell ordnungspolitischer Sicht umfassend zu würdigen. In einem ersten Schritt ist die ökonomische Legitimität des Verschuldungsgebrauchs zu analysieren. In einem zweiten Schritt wird die Notwendigkeit einer Verschuldungsordnung detailliert begründet. Dies erfolgt auf der Basis spezifisch ordoliberaler Prinzipien der Wirtschaftspolitik. Mit deren Hilfe können die legitimen Einsatzfelder des Verschuldungsinstruments bestimmt und die Mängel und Gefahren der- weitgehend unsachgemäßen - Verschuldungspolitik in der Staatspraxis aufgespürt werden. Die vielfllltigen Ursachen dieser Mängel finden
I. Zielsetzung und Gang der Untersuchung
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sich maßgeblich in der vorherrschenden Verschuldungsneigung der am Willensbildungsprozeß beteiligten Gruppen, die mit Hilfe der Forschungsrichtung der Ökonomischen Theorie der Politik zu ergründen ist. Die Mängel resultieren aber auch aus einigen als objektiv-technisch zu bezeichnenden Faktoren. Da vielfach behauptet wird, die Wesensmerkmale einer zukünftigen Europäischen Währungsunion im allgemeinen und die in Maastricht beschlossenen Regelungen Uber die Verschuldung im speziellen wären geeignet, die Verschuldungsfilhigkeit des Staates sinnvoll zu begrenzen- gleichsam den Ordnungsrahmen hinreichend zu reformieren - , soll diese Behauptung ebenfalls kritisch beleuchtet werden. Zentraler Gegenstand des dritten Teils der Arbeit sind die konkreten rechtlichen Verschuldungsregelungen ftlr Bund, Länder und Gemeinden in Deutschland. Es ist im einzelnen zu untersuchen, warum diese nur unzureichend in der Lage sind, ihre Intention, einen Verschuldungsmißbrauch zu verhindern, zu erftlllen. Dabei werden die Schwachstellen der Regelungen und Lücken bzw. Unzulänglichkeiten im Regelungsgeflecht aufgezeigt, die das rechtliche Ordnungsdefizit ausmachen. Zugleich werden Ansätze zur Weiterentwicklung des Verschuldungsrechts gesucht. Bezüglich der verschuldungsrelevanten Verfassungsbestimmungen fiir den Staat erscheint es äußerst bedeutsam zu zeigen, wie diese auszulegen sind und wie sich eine Verschuldungsordnung in den bestehenden Rechtsrahmen einfUgen lassen könnte. Im Hinblick auf die - in der Literatur regelmäßig vernachlässigte - Kommunalverschuldung ist die besondere Funktion der Kreditfinanzierung von Gemeindeaufgaben zu berücksichtigen. Des weiteren werden in diesem Teil der Arbeit die Erfahrungen in einigen ausgewählten Staaten mit den dort existierenden Verschuldungsbegrenzungsvorschriften untersucht, um daraus weitere Erkenntnisse filr die Ausgestaltung einer bundesdeutschen Verschuldungsordnung zu gewinnen. Zudem soll geprüft werden, welchen Beitrag die von wissenschaftlicher Seite vorgeschlagenen Konzepte zur Verschuldungsbegrenzung, namentlich das Konzept der 'Sustainability' und das der Normalverschuldung, zur Rationalisierung der Verschuldungspolitik leisten könnten. Die Ergebnisse der vorstehenden Untersuchung münden im vierten Teil der Arbeit in die konkrete Konstruktion der Verschuldungsordnung fiir den Bund. Mit dieser Ordnung werden ökonomische Grundsätze ftlr eine rationale Verschuldungspolitik entwickelt, die im Willensbildungsprozeß zu beachten sein sollen. Außerdem werden Vorschläge unterbreitet, diese Grundsätze institutionell, rechtlich und technisch abzusichern, damit die Gewähr ihrer Befolgung im politisch-administrativen System gegeben ist. Hierbei wird in besonderem Maße auch auf die Praktikabilität und Umsetzbarkeit ins derzeitige Verschuldungsrecht Wert gelegt. Von theoretischer und praktischer Bedeutung erscheint ebenfalls die Problematik der institutionellen Ausgestaltung der Schuldentilgungsvorhaben des Bundes. Des weiteren gilt es, durch eine Ergänzung der Ordnung für ein aus gesamtstaatlicher Perspektive sachgerechtes Verschuldungsverhalten Sorge zu 2*
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II. Struktur und Entwicklung der Verschuldung
tragen und so die besondere Problematik der Verschuldungsfli.higkeit sämtlicher Gebietskörperschaften im Bundesstaat angemessen zu berücksichtigen. Dies mündet in notwendigen Modifikationen der grundsätzlich auch filr die Entscheidungsträger in den Ländern und Gemeinden gültigen Verschuldungsgrundsätze. Abschließend werden in einem filnften Teil die Hauptergebnisse der Arbeit zusammengefaßt.
II. Grundbegriffe, Ziele, Struktur und Entwicklung der öffentlichen Verschuldung Das zweite Kapitel befaßt sich als Einstieg in die Thematik mit einigen wichtigen Teilaspekten und Grundlagen, die bei der späteren Konstruktion einer Verschuldungsordnung zu bedenken sind. Es soll zunächst ein Überblick über einige institutionelle Fakten gegeben werden, die filr die nachfolgende Untersuchung der Verschuldungspolitik in einem Bundesstaat von Bedeutung sind. Außerdem gilt es, einige Zahlen anzufilhren, um die Größenordnung der aktuellen Verschuldung und des Schuldenstandes in Form einer qualitativen und quantitativen Bestandsaufnahme der gesamten öffentlichen Verschuldung zu verdeutlichen. Dies ist bedeutsam, da Stand und Entwicklung der öffentlichen Verschuldung einen ersten Hinweis auf die Mängel der gegenwärtigen Verschuldungspraxis geben und gleichsam Symptome von Regelungsdefiziten sind. I. Grundbegriffe
Grundlegend filr das ökonomische Verständnis und filr die Auslegung der relevanten Rechtsvorschriften zur Begrenzung der Staatsverschuldung ist die Unterscheidung der Begriffe Neuverschuldung und Schuldenstand des Staates, Deckungs- und Kassenverstärkungskredite sowie interne und externe Verschuldung. Da die Arbeit vorrangig darin bestehen wird, die Praxis der Nettoneuverschuldung aus ordnungspolitischer Sicht zu bewerten und Regelungen zum Verfahren einer rationalen Nettoneuverschuldung der öffentlichen Hand zu entwerfen, ist die Nettoneuverschuldung, im weiteren abgekürzt Verschuldung genannt, der verschuldungstechnische Kernbegriff dieser Arbeit. Unter Nettoneuverschuldung der öffentlichen Hand, oder synonym Nettokreditaufnahme, wird die Nettozunahme der Verbindlichkeiten der Träger staatlicher Verschuldung gegenüber Dritten verstanden. Das Eingehen zusätzlicher Schuldverpflichtungen während eines bestimmten Zeitraums, i.d.R. während eines Jahres, soll in dieser Arbeit deshalb als Verschuldung bezeichnet werden. Welche Träger hierbei zur öffentlichen Hand zu zählen sind, welche lnstitutio-
I. Grundbegriffe
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nen also mit 'Staat' verstanden werden sollen, wird weiter unten ausgeftlhrt. Die Bruttokreditaufnahme umfaßt dagegen die Summe sämtlicher Kredite, die während eines Jahres aufgenommen worden sind, und zwar auch jene, die zur Tilgung früher aufgenommener Verbindlichkeiten verwendet werden. Die Verschuldung läßt sich demnach aus der gesamten Kreditaufnahme eines Haushaltsjahres (Bruttokreditaufnahme) abzUglieh der Tilgungsleistungen an die Gläubiger im seihen Jahr errechnen. Umschuldungstransaktionen, die in einer Bruttoverschuldungsgröße ausgewiesen werden, lassen die Nettoneuverschuldung unberührt, sind aber ftlr die Kapitalmarktbeanspruchung von gewissem Belang und werden deshalb am Rande berücksichtigt. Bei sämtlichen Verschuldungsgrößen handelt es sich kreislauftheoretisch um Stromgrößen. Der Schuldenstand ergibt sich aus der Summe aller Verschuldungen der Vergangenheit. Er ist eine Bestandsgröße und umfaßt die Verbindlichkeiten, die der Staat zu einem bestimmten Zeitpunkt aufweist. Da die Größe Verschuldung besagt, um welchen Betrag dieser Schuldenstand während eines Zeitraums wächst, spricht man auch gleichbedeutend von Schuldenzuwachs. Die öffentliche Verschuldung während einer Periode geht i.d.R. auf einen negativen Finanzierungssaldo des betreffenden öffentlichen Haushalts zurück. Sie bildet jenen Teil des Haushaltsdefizits, der durch Kreditaufnahme finanziert wird und damit den Schuldenstand erhöht. Ein negativer Finanzierungssaldo kann des weiteren durch Münzeinnahmen, die in Deutschland aber nur dem Bund zustehen und zudem von quantitativ geringer Bedeutung sind, 1 sowie durch Entnahmen aus Rücklagen verringert werden. Da sich der Staat auf den Kredit- und Kapitalmärkten und mitunter auch auf den Geldmärkten finanzielle Mittel beschafft, ohne dabei Zwang auszuüben, wird diese Einnahmekategorie häufig als "marktmäßig"2 bezeichnet, und es wird - im Gegensatz zu anderen Einnahmearten - bei der öffentlichen Kreditaufnahme treffend von "freiwilligem Kredit" 3 gesprochen. Bei der Verschuldung handelt es sich nicht um eine hoheitliche Tätigkeit: Der Staat wird aus den von ihm aufgenommenen Krediten per Kreditvertrag gemäß § 607 BGB privatrechtlich verpflichtet.4 Obwohl die staatliche Kreditaufnahme grundsätzlich zwangsfrei erfolgt, ist die Ausübung von Zwang gleichwohl denkbar. Massiver Zwang liegt dann vor, wenn der Staat vor allem in Kriegs- und extremen Krisenzeiten auf die Zuteilung von Zwangs-
1 Sie belaufen sich regelmäßig bei Größenordnungen unter I Mrd. DM. Im Finanzplan bis 1997 sind jeweils 0,6 Mrd. DM angesetzt, vgl. BMF (1993, Hrsg., S. 56).
2
Dreißig, W (1981, S. 54).
Wittmann, W (1976, S. 6). Dieses Merkmal macht letztlich- wie noch gezeigt wird -die besondere Gefllhrlichkeit der Verschuldung aus. J
4 Vgl. Ebert, K. (1976, S. 77), Fischer-Menshausen, H. (1983, Rdnr. 7 zu Art. 115) und Kirchhof, P. (1990, Rdnr. 296).
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II. Struktur und Entwicklung der Verschuldung
anleihen zurückgreift. 5 Diese Verschuldungsform ist gelegentlich Gegenstand der politischen Diskussion und wurde auch zur Finanzierung der öffentlichen Ausgaben im Vereinigungsprozeß vorgeschlagen. Von den im Haushaltsgesetz bewilligten Kreditaufnahmen werden in dieser Arbeit die fundierten Schulden betrachtet und nicht die schwebenden Schulden, die auch Kassenverstärkungskredite6 genannt werden. Als fundierte Schulden gelten alle Kredite, die haushaltsmäßig vereinnahmt werden. 7 Mit ihnen sollen Ausgaben des Staates durch vorläufige Deckung dauerhaft finanziert werden, ohne sie zugleich endgültig zu decken. Kassenverstärkungskredite werden hingegen kurzfristig zur Überbrückung vorübergehender Kassenanspannungen aufgenommen. Die durch eine solche Kreditaufnahme bei Liquiditätsengpässen erlangten Mittel dienen als kurzfristiger finanzieller Puffer zwischen Einnahmen und Ausgaben. Sie sind grundsätzlich noch im Laufe des Haushaltsjahres zurückzuzahlen, spätestens in der ersten Hälfte des folgenden Haushaltsjahres.8 Kassenverstärkungskredite sind aufgrund ihrer besonderen Funktion fiir eine mittel- und langfristige Betrachtung nicht relevant. Gleichwohl könnten sie Ausdruck einer versäumten rechtzeitigen Fundierung sein und wären dann der Verschuldung hinzuzuaddieren. Es ist nämlich zu vermeiden, daß sich eine solchermaßen falsch eingesetzte Verschuldungsart zu einer "revolvierenden Dauerfinanzierung"9 entwickelt, die dann auch als solche ausgewiesen werden müßte. Insbesondere bei zahlreichen Kommunen wird immer wieder eine dauerhaft hohe Kassenverschuldung festgestellt, die eine an rechtliche Grenzen gestoßene Kreditfinanzierung ersetzen soll. Des weiteren ist in einer offenen Volkswirtschaft die Unterscheidung zwischen interner und externer Staatsverschuldung ebenfalls wichtig, weil sich die Verschuldungswirkungen deutlich unterscheiden. 10 Eine interne oder innere Verschuldung eines Staates liegt vor, wenn er mit Hilfe der Kreditaufnahme nur
5 Vgl. Wittmann, W. (1976, S. 36) und ausfllhrlicher zu diesem Einnahmeinstrument Höfling, W. (1993, S. 53-57). Von Zwang kann nicht gesprochen werden, wenn rechtliche Regelungen zur Bevorzugung staatlicher Schuldtitel an Kredit- und Kapitalmarkten existieren, wie etwa steuerliche Begünstigungen bestimmter staatlicher Verschuldungsformen. Hierbei handelt es sich vielmehr um Instrumente der steuerlichen Anreizpolitik.
" Vgl. die Definition in § 18 II Nr. 2 BHO (§ 13 I Nr. 2 HGrG). Die Ermächtigung zur Aufnahme von Kassenverstärkungskrediten wird im Bundeshaushaltsgesetz (HG) seit einigen Jahren auf maximal 8% des Haushaltsvolumens festgesetzt. Vgl. z.B. § 3 HG 1992. 7 Vgl. z.B. Statistisches Bundesamt (1991, Hrsg., S. 8). Fundierte Schulden werden auch als Finanzschulden oder Deckungskredite bezeichnet. Sie dienen der "Deckung von Ausgaben" (§ 18 II Nr. I BHO).
" Vgl. § 18 II Nr. 2 BHO/LHO.
" Diller, K. D. (1985, S. 304). "' Vgl. dazu ausfllhrlicher insbes. IV. 4.4 dieser Arbeit zur sog. Lastverschiebungskontroverse.
I. Grundbegriffe
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auf nationale Ressourcen zurückgreift; eine externe oder äußere Verschuldung, wenn (auch) ausländische Faktoren in Anspruch genommen werden. Der entscheidende Unterschied ist der, daß die äußere Verschuldung einen Import realer Ressourcen ermöglicht.'' Dieser Ressourcenimport ist fiir eine Volkswirtschaft immer dann notwendig, wenn ein rascher Auf- und Ausbau der Infrastruktur angestrebt wird, wie dies beispielsweise im deutschen Vereinigungsprozeß der Fall ist. Die externe Verschuldung hat somit stets einen Einfluß auf die Leistungsbilanz. 12 In volkswirtschaftlicher Betrachtung kann eine externe Verschuldung deshalb nur am Saldo der Leistungsbilanz abgelesen werden, weil dieser das Volumen an realen Ressourcen abbildet, das fiir das Inland (oder allgemeiner: ftlr die betrachtete Region) durch eine zusätzliche Verschuldung zur VerfUgung steht. Da in volkswirtschaftlicher Betrachtung die privaten Entscheidungen -und zwar inländischer wie ausländischer Wirtschaftssubjekte - , die auch als Reaktion auf staatliche Handlungen getroffen werden können, bei der Bestimmung der Auslandsverschuldung ebenfalls maßgeblich sind (Portfoliopräferenzen), kann es dem Staat bei Konvertibilität nicht gelingen, den Anteil der Auslandsverschuldung an der Gesamtverschuldung zu fixieren. 13 Diese Zweiteilung kann auch auf niedrigere staatliche Ebenen in einem fOderativ organisierten Bundesstaat wie Deutschland übertragen werden: Für eine einzelne Gemeinde läßt sich schon der außerhalb dieser Gemeinde aufgenommene Kredit aus Gemeindesicht als extern kennzeichnen, wenn damit ein Ressourcenimport verbunden ist. Maßgeblich ist somit die Richtung des Ressourcenflusses, nicht aber die Nationalität des Schuldtitelhalters oder das Land der Begebung einer Anleihe. Die Differenzierung in den Statistiken zwischen Inlands- und Auslandsverschuldung nach Gläubigem ist deshalb etwas irreleitend und aus gesamtwirtschaftlicher Sicht auch von untergeordneter Bedeutung. So stellt etwa die Deutsche Bundesbank heraus, daß das quantitative Gewicht ausländischer Gläubiger seit Anfang der 80er Jahre deutlich gestiegen ist und 1986 sogar 86% der gesamten staatlichen Neuverschuldung ausmachte. 14 1993 lag dieser Anteil bei rd. 70% (163,4 Mrd. DM).15 Auf reale Größen hat dies zunächst keinen
11 Vgl. Musgrave, R A. (1958, S. 79 f.), Cavaco-Si/va, A. A. (1977, S. II f.). Eine externe Verschuldung wird definiert als "a borrowing that increases the supply of resources in the period of its issue by making an import surplus possible, and whose servicing gives rise to a transfer of resources abroad in subsequent periods" (ebenda, S. II). 12 Ein Leistungsbilanzdefizit bedeutet stets eine externe Verschuldung des Inlandes. Vgl. ausfUhrlieh speziell zur Auslandsverschuldung Müller, H. W (1992, S. 4 f.). 11 Vgl. ebenfalls Müller, H. W (1992, S. 2, 186). Das bedeutet, daß die Auslandsverschuldung faktisch keinen Handlungsparameter des Staates darstellt. Vgl. zu weiteren, aber fllr diese Arbeit nebensächlichen Unterscheidungen in direkte, indirekte und induzierte private Auslandsverschuldung Gandenberger, 0. (1981, S. 12 ff.). 14
Vgl. Deutsche Bundesbank (1987, S. 18 f.) und dieselbe (1991a, S. 35 f.).
"Vgl. JWD (1994b, Hrsg., S. 8).
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II. Struktur und Entwicklung der Verschuldung
Einfluß; es zeigt lediglich den Anteil jener Gläubiger, die nicht der eigenen Regierungshoheit unterliegen. 2. Verschuldungsziele
Mit der Verschuldung verfolgen die Träger der öffentlichen Finanzwirtschaft i.d.R. ein bestimmtes oder sogar mehrere Ziele. Zumindest versuchen sie, die Verschuldung mit der Vorgabe eines Ziels zu rechtfertigen. Denn die Kreditaufnahme sollte nie Selbstzweck sein und könnte als solcher auch nicht durchgesetzt werden. Der Staat finanziert über die Einnahmen aus Krediten bestimmte öffentliche Ausgaben, die ihm aus der Erfiillung seiner Aufgaben entstehen. Im Hinblick auf die Verschuldung bietet es sich an, diese Aufgaben bzw. Ziele in konjunkturelle und nichtkonjunkturelle (außerkonjunkturelle) zu unterteilen.16 Die Zielsetzungen, die in der einschlägigen wirtschaftswissenschaftlichen Literatur diskutiert werden, sollen an dieser Stelle vorab nur genannt werden, um die Vielfalt möglicher Ziele zu verdeutlichen. Sie werden in Kapitel IV. dann aus ordnungspolitischer Sicht auf ihre Legitimierbarkeit geprüft. Es ist später ebenfalls zu untersuchen, ob die Verschuldung des Staates im Vergleich zu denkbaren alternativen Maßnahmen auch das effiziente Instrument im Hinblick auf die Erreichung eines jeden legitimen Ziels sein könnte. Die Ziele stellen sich im einzelnen grob wie folgt dar: Der Staat könnte erstens versuchen, mit Hilfe der Kreditfinanzierung zur Konjunkturstabilisierung beizutragen (Stabilisierungsziel). In Deutschland sind Bund und Länder verfassungsrechtlich verpflichtet, bei "ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen" (Art. 109 II GG), und auch die Gemeinden, als dritte staatliche Ebene, haben diesen Erfordernissen zu genügen. 17 Zweitens könnte der Staat mit seiner Verschuldung außerkonjunkturelle Ziele verfolgen, wie vor allem die Herstellung zeitlicher Äquivalenz bei der Finanzierung von Investitionsgütern (intertemporales Allokationsziel) oder die temporäre Überbrückung eines einmaligen Ausgabemehrbedarfs (Überbrückungsziel) und mit beiden Zielen eng verbunden eine gerechte intergenerative Lastenverteilung (Belastungsausgleichsziel). Ein weiteres Ziel könnte die Förderung der Vermögensbildung im privaten Sektor sein (Vermögensbildungsziel). Der Staat könnte allerdings auch allein aus dem Grund der Einnahmebeschaffung auf die Krediteinnahmemöglichkeit zurückgreifen, ohne dabei eines
'" Vgl. auch das Vorgehen von Milbradt, G. (1980, spez. S. 33 ff.) und Gandenberger, 0. (1981). 17
Vgl. § 16 StWG und z.B. § 62 I GO NW a.F. rsp. § 75 I GO NW n.F.
3. Komponenten eines Verschuldungs- und Schuldenplans
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der soeben genannten Ziele erreichen zu wollen (Einnahmeziel). 18 Bei einem solchen Verhalten würde die Kreditaufnahme allerdings zum Selbstzweck. 3. Die Komponenten eines konsolidierten Verschuldungs- und Schuldenplans
3.1 Vorbemerkung
Will man die gesamte öffentliche Verschuldung im Bundesstaat zum Gegenstand einer Verfahrensordnung machen, so muß man zunächst festlegen, was alles zur Verschuldung des Staates zählen sollte und in welchen sonstigen Bereichen Regelungsbedarf besteht. Vor allem muß dafür gesorgt werden, daß sich der Staat nur in Bereichen verschuldet, die in einem Verschuldungsplan erfaßt sind. Die Operationalisierung des Begriffes 'Verschuldung' muß als notwendige Bedingung für eine Rationalisierung der Verschuldungspolitik im Gesamtstaat gelten. Eine Verschuldungsordnung sollte deshalb als wichtigen Bestandteil einen Gesamtverschuldungsplan ftlr die Erfassung relevanter Stromgrößen und einen Gesamtschuldenplan für den Ausweis der entsprechenden Bestandsgrößen enthalten. 19 In einem Verschuldungsplan sollen neben der öffentlichen Kreditaufnahme i.e.S. zum einen sämtliche Größen zusammengetragen werden, welche dieselben oder zumindest sehr ähnliche Wirkungen wie die öffentliche Verschuldung erzielen. Zum anderen sind auch solche Größen zu verzeichnen, welche auf die öffentliche Verschuldung und den Schuldenstand der Zukunft einen erheblichen Einfluß erwarten lassen. Diese Wirkungen, die im zweiten Teil der Arbeit im einzelnen diskutiert werden, betreffen: - den staatlichen Impuls auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, - die Belastung der Kapitalmärkte durch die öffentliche Hand, - die Möglichkeit zur Verschiebung von Lasten in die Zukunft, - die Beschränkung des zukünftigen haushaltspolitischen Ausgabenspielraums sowie - die Beachtung des Verfassungsgebotes der Rechtsstaatlichkeit. In einer Verschuldungsordnung soll nicht nur die in den Haushaltsplänen der Gebietskörperschaften ausgewiesene Verschuldung geregelt werden, sondern ebenfalls diejenige, die aus den öffentlichen Rechenwerken - z.B. auch in den privaten Sektor - ausgelagert wird. Ferner dürfen solche potentiellen Ver-
" Vgl. Ziffzer, S. (1980, S. 29 f.). 19 Der 'Kreditfinanzierungsplan', der gemäß § 13 IV Nr. 3 BHOILHO (§ 10 IV HGrG) als Bestandteil des Gesamtplans verpflichtend ist, weist die Krediteinnahmen und Tilgungsausgaben eines Haushalts aus. Er ist somit nicht mit dem Verschuldungsplan identisch.
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II. Struktur und Entwicklung der Verschuldung
pflichtungen aus staatlichen Bürgschaften und Garantien nicht unberücksichtigt bleiben, die eigentlich als 'schuldennahe' bezeichnet werden müßten. Es ist deshalb zu fordern, daß drei wesentliche Größen in einem Verschuldungsplan erfaßt und ausgewiesen werden. Es sind dies: - die konsolidierte gesamte öffentliche Verschuldung, - die staatlich geförderte und garantierte private Kreditaufnahme, wie sie z.B. beim Eingehen von Leasingverbindlichkeiten im Zusammenhang mit der privaten Finanzierung öffentlich bereitgestellter Infrastruktur entsteht, sowie - die eingegangenen Eventualverbindlichkeiten des Staates, wie z.B. Gewährleistungen im Exportgeschäft. 3.2 Die gesamte öffentliche Verschuldung, ihre Träger und ihre Koordinationsinstitutionen Einen ersten - aber noch unvollständigen - Ansatz zur Abgrenzung des Staatssektors unter ökonomischen Gesichtspunkten, und damit zugleich zur Abgrenzung der staatlichen Verschuldung, bietet die Finanzstatistik?0 Danach setzt sich die staatliche Gesamtverschuldung aus den Nettokreditaufnahmen der Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden sowie von Gemeindeverbänden und der Sondervennögen des Bundes zusammen. Gemäß der Finanzstatistik zählen auch die Sozialversicherungen einschließlich der Bundesanstalt für Arbeit zum Staatssektor. Diese Institutionen sind aber nicht ennächtigt, Kredite aufzunehmen (s.u.). Gleichwohl sind die Sozialversicherungsträger- allerdings in abnehmendem Umfang - Gläubiger anderer staatlicher Stellen, und es können bei ihnen Finanzierungsdefizite entstehen, so daß sie bei der Ennittlung der konsolidierten staatlichen Gesamtverschuldung berücksichtigt werden müssen. Hinzu kommt die Zukunftsbelastung, die sich bei schrumpfender Bevölkerung durch das verschuldungsähnliche Umlagefinanzierungsverfahren ergibt. Die Träger staatlicher Verschuldung und deren jeweilige institutionelle Charakteristika sollen nun betrachtet werden. 3.2.1 Die Gebietskörperschaften Beim Bund wirken das Parlament und dessen Fachausschüsse (insbesondere der Haushaltsausschuß), der Bundesfinanzminister sowie die Bundessehuldenverwaltung (BSV) bei der Planung und Durchftlhrung der Kreditaufnahme zu-
2" Vgl. als Rechtsgrundlage das Gesetz über die Finanzstatistik i.d.F. vom 11.06.1980 (BGBI. I, S. 673, 782).
3. Komponenten eines Verschuldungs- und Schuldenplans
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sammen. Der Bundesfinanzminister ist maßgebend an den Haushalts- und Verschuldungsplanungen beteiligt, und er ist im Rahmen der durch das Parlament bewilligten Ermächtigungen bei der Kreditaufnahme dafür zuständig, "wann, in welchen Formen, Beträgen und unter welchen Bedingungen Mittel im Wege des Kredits zu beschaffen sind.'t21 Bei der Erfüllung der verschuldungspolitischen Aufgaben bedienen sich Parlament und Regierung der selbständigen, weisungsunabhängigen Bundesoberbehörde BSV, welche die Schuldenaufnahme beurkundet, bei der Durchführung mitwirkt und den Schuldenstand verwaltet. 22 Die jährliche Verschuldung des Bundeshaushalts belief sich etwa im Durchschnitt der Jahre 1990 bis 1993 auf rd. 51 Mrd. DM oder rd. 12,3% der Gesamteinnahmen.23 Der Schuldenstand betrug Ende 1993 etwa 685 Mrd. DM. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang ein Hinweis auf die Praxis der Restkreditermächtigungen. 24 Diese öffnet der Exekutive einen in vielen Jahren erheblichen Verschuldungsspielraum zu Lasten des parlamentarischen Budgetbewilligungsrechts. Zwar sollte der nicht in Anspruch genommene Teil eines für ein Haushaltsjahr (t) vom Parlament bewilligten Kreditermächtigungsrahmens am Ende des Folgejahres (t+l) verfallen und kann in dieser Höhe nur dann auf das darauf folgende Haushaltsjahr (t+2) übertragen werden, wenn das Haushaltsgesetz dieses Jahres (t+2) nicht fristgerecht verabschiedet wird. Bei dem vom Bundesfinanzministerium praktizierten buchungstechnischen Verbrauchsfolgeverfahren, der sog. Fifo-Methode, werden die unausgenutzten Ermächtigungen des Vorjahres allerdings als erste verbraucht und stehen damit zusätzlich zur Verfllgung. Solange Reste verbleiben, werden diese immer wieder auf spätere Haushaltsjahre übertragen. Ein einmal entstandener Restermächtigungsbetrag kann damit, abweichend von der haushaltsrechtlichen Vorschrift, länger in Anspruch genommen und sogar über Jahre kumuliert werden. 25 In der Praxis ist eine solche, auf Dauer angelegte Kumulation von Restermächtigungen durchaus relevant; die Exekutive schafft damit ein Kontroll- und Informationsdefizit des Parlaments und der Öffentlichkeit.26
21
Gantner, M (1979, S. 24).
Vgl. ausfUhrlieh Friauf, K. H (1990, Rdnr. 66 ff.), Bundesschuldenverwaltung (1992, S. 51 f.), Höfling, W (1993, S. 380 ff.). Vgl. auch V. 3.4.2 dieser Arbeit. Der Bundesschuldenausschuß Ubt- unter dem Vorsitz des Präsidenten des Bundesrechnungshofs-, anders als der Name suggerieren könnte, ausschließlich die fachliche Aufsicht über die BSV aus. 22
21
Die Zahlen sind nach Angaben des Bundesrechnungshofs (1993, S. 23, 26) berechnet.
Vgl. hierzu kritisch Diller, K. D. (1986, S. 68 ff.) und ders. (1988, S. 616 f.). Die dauergesetzliche Rechtsgrundlage einer Restermächtigung ist der § 18 111 S. I BHOILHO (§ 13 II S. I HGrG). Diese Praxis wird auch auf Länderebene durchgefllhrt. 24
25 Zum Ende des Jahres 1985 beispielsweise ist dieses 'Kreditermächtigungspolster' auf 20,5 Mrd. DM angewachsen. Vgl. Diller, K. D. (1988, S. 616).
u. Vgl. Diller, K. D. (1986, S. 76).
II. Struktur und Entwicklung der Verschuldung
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Die 16 deutschen Bundesländer müssen zwar eine gesamtwirtschaftliche Mitverantwortung übernehmen (Art. 109 II GG), sind aber in ihrem Handeln auch von starken partiellen Interessen geleitet. Sie haben zudem den unterschiedlichen Belangen ihrer Gemeinden Rechnung zu tragen, deren Haushalte die Länder durch Zuweisungen mitfinanzieren. Jedes Bundesland ist de jure in seiner Haushaltswirtschaft autonom (Art. 109 I GG). Hierzu gehört auch die Verschuldung. Da die Länder einerseits nur in äußerst beschränktem Umfang Möglichkeiten haben, ihre eigenen Steuerquellen selbständig zu gestalten, andererseits aber ein großer Teil der Ausgabeverpflichtungen zumindest mittelfristig feststeht, erfüllt die Kreditaufnahme für die Länder "in besonderem Maße eine Pufferfunktion. "27 Die Entscheidungsmechanismen und die rechtlichen Voraussetzungen der Bundesländer entsprechen weitgehend denen des Bundes. Die Höhe der Verschuldung und des Schuldenstandes variiert zwischen den Ländern äußerst stark?8 Die Bundesländer insgesamt haben sich im Durchschnitt der Jahre 1990 bis 1993 in einer Höhe von jährlich rd. 31 Mrd. DM verschuldet, was einer Kreditfinanzierungsquote (Verschuldung zu Gesamteinnahmen) von 8% entspricht. 29 Der Schuldenstand belief sich Ende 1993 auf rd. 434 Mrd. DM. Die Verschuldung der Kommunen muß getrennt von Bund und Ländern betrachtet werden. 30 Art. 28 II GG garantiert den Kommunen ein Selbstverwaltungsrecht im Rahmen der geltenden Gesetze, das die finanz- und verschuldungspolitische Gestaltungsfreiheit einschließt. Im Bundesgebiet gibt es etwa 16.600 Kommunen.31 Lediglich etwa 4% der Gemeinden (i.e.S.) weisen aber eine Bevölkerung von mehr als 20.000 Einwohnern auf. 32 Die große Zahl der meist kleinen Gemeinden wird für die später zu stellende Frage, ob sich die Kommunen bei ihrer Kreditaufnahme primär einzel- oder gesamtwirtschaftlich orientieren - und auch orientieren sollten - , eine wesentliche Rolle spielen.
27 Gschwendtner, H (1980, S. 19). Vgl. auch Littmann, K. (1990, S. 40), der von einer "beklemmenden Situation" und "rigorosen Starrheiten" bei Einnahmen und Ausgaben der Länder durch die Regelungen der Finanzverfassung spricht. Diese Starrheilen werden bei der Beurteilung der rechtlichen Verschuldungsregelungen (s. VI. 2.) bedeutsam sein. 28 Mit Abstand am höchsten verschuldet sind Bremen und das Saarland. Auf die Verschuldungskrisen dieser beiden Länder wird noch eingegangen.
29 Vgl. Tab. I (II. 3.2.2) weiter unten und zu den Gesamteinnahmen der Länder BMF (1993, Hrsg., S. 142). 10 Die Begriffe 'Kommunen' und 'Gemeinden' werden synonym und als Oberbegriffe benutzt, unter die kreisangehörige Städte und Gemeinden, kreisfreie Städte (zusammengenommen: Gemeinden i.e.S.) sowie als Gemeindeverbände die Landkreise fallen. Die sog. höheren Kommunalverbände (z.B. die beiden nordrhein-westflllischen Landschaftsverbände}, werden nicht gesondert betrachtet. 11
Vgl. detailliert Statistisches Bundesamt (1993, Hrsg., S. 52).
12
Vgl. ebenda, S. 59 f.
3. Komponenten eines Verschuldungs- und Schuldenplans
29
Diese Angaben sind außerdem zur Untersuchung derjenigen Verschuldungsziele von Bedeutung, die aus ökonomischer Sicht von den Gemeinden zu verfolgen sind. Die wissenschaftliche Diskussion konzentriert sich im wesentlichen auf die Verschuldung von Bund und Ländern und läßt die Verschuldung der Kommunen außer acht oder erwähnt sie nur am Rande. In dieser Arbeit soll die Kreditaufnahme der Gemeinden als Sonderfall behandelt werden, da man Aussagen über eine ökonomisch sinnvolle Verschuldung des Gesamtstaates nicht ohne Beachtung der Besonderheiten der Gemeinden treffen kann. Die institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie das charakteristische Verhalten der Entscheidungsträger in den Kommunen unterscheiden sich nämlich zu sehr von denen auf der Bundes- und Landesebene.33 In den Gemeinden arbeiten in Angelegenheiten der Kreditaufnahme Kämmerer, Rat, Finanzausschuß und - was sich als besonders bedeutsam erweisen wird - Kommunalaufsicht zusammen. Aufgrund der gegenwärtig noch sehr unterschiedlichen Einnahmestruktur der Kommunen in West- und Ostdeutschland werden die finanzwirtschaftliehen Daten in den Statistiken noch getrennt aufgefiihrt. Die Verschuldung der westdeutschen Kommunen ist seit 1991 rapide angestiegen. So belief sich deren Kreditaufnahme 1991 auf 5,7 Mrd. DM, 1992 auf 7,7 Mrd. DM, und sie hat sich 1993 weiter auf 9,2 Mrd. DM erhöht. 34 Auch der Zuwachs bei den Zinsausgaben ist in den letzten Jahren beträchtlich. 1993 mußten fiir Zinsen I 0 Mrd. DM aufgebracht werden, was etwa 4,3% der Gesamtausgaben entsprach. Die Unterschiede der Verschuldung unter den einzelnen Kommunen sind erheblich, wobei sich typischerweise Großstädte - insbesondere in strukturschwächeren Gebieten- relativ stärker verschulden als kleinere Gemeinden. 35 Die ostdeutschen Kommunen griffen ebenso wie die Länder bereits 1992 - trotz beträchtlicher Zuweisungen aus dem Westen- in weit stärkerem Ausmaß auf Kredite zurück als die westdeutschen Gebietskörperschaften.36 Die Neuverschuldung pro Kopf in Ostdeutschland belief sich auf mehr als das Dreifache der Westverschuldung. 37 Das der Wohnungsversorgung in den neuen Bundesländern dienende Vermögen, das sich in der Rechtsträgerschaft der volkseigenen Betriebe der Wohnungswirtschaft der ehemaligen DDR befand, ist mit Wirksamwerden des Bei-
" Vgl. hierzu VII. dieser Arbeit. 34
Vgl. BMF (1994c, Hrsg., S. 156, 158), Deutsche Bundesbank (1994a, S. 42).
JS Vgl. Deutsche Bundesbank (1991a, S. 35). Die Ursachen hierftlr sind nicht unmaßgeblich auf das kommunale Verschuldungsrecht zurückzuftlhren. Vgl. VII. 3. 36
Vgl. BMF (1993, Hrsg., S. 149), Deutsche Bundesbank (1994a, S. 42).
37
Vgl. etwa DIW (l993c, S. 479).
II. Struktur und Entwicklung der Verschuldung
30
tritts mit gleichzeitiger Übernahme der anteiligen Schulden in das Eigentum der Kommunen als Rechtsnachfolger übergegangen? 8 Die anteiligen Schulden, die meist in kommunalen Wohnungsgesellschaften ausgegliedert wurden, werden auf ein beträchtliches Volumen geschätzt. Die Verantwortung fiir den Wohnungsbestand stellt für die Gemeinden in Ostdeutschland deshalb eine große finanzielle Belastung dar, die als ein Ergebnis der Solidarpaktverhandlungen allerdings zu einem Teil vom Bund übernommen wird. Die Betrachtung ausschließlich der Verschuldungsaktivitäten der Gebietskörperschaften ist unvollständig und unterzeichnet erheblich die tatsächliche öffentliche Kreditaufnahme. In Deutschland hat sich nämlich ein äußerst differenziertes Nebenhaushaltssystem mit nach außen undurchsichtigen Verschuldungsströmen entwickelt. Vor allem im Zuge der deutschen Vereinigung hat der Gesetzgeber eine Reihe verschuldungsfii.higer Nebenhaushalte beim Bund geschaffen und darüber hinaus die Verschuldungsaktivitäten der 'traditionellen' Sonderhaushalte massiv ausgedehnt. Durch diese institutionellen Neuerungen und Akzentverschiebungen hat sich das Erscheinungsbild des öffentlichen Sektors nachhaltig gewandelt und gleichsam eine "neue finanzielle Dimension"39 angenommen. In dieser Entwicklung zu einem "problemreichen 'doppelgleisigen' Schuldensystem"40 muß ein weiteres Symptom für Regelungsdefizite im Verschuldungsbereich gesehen werden. 3.2.2 Die Sonderhaushalte des Bundes Der Bund hat sich für einen beachtlichen Teil seiner Ausgaben Sonderhaushalte geschaffen, über die er einen Teil seiner Kredite aufnimmt und sie so als Finanzierungsquellen nutzt. Diesezusätzlichen Verschuldungsmöglichkeiten sind im Bundeshaushaltsplan nur unzureichend aufgeführt und werden i.a. auch im Bundestag nicht verhandelt. Zu den wesentlichen Nebenhaushalten gehören die rechtlich unselbständigen Sondervermögen und die rechtlich selbständigen Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts. 41 Die Kreditaufnahme liegt auch dort im öffentlich-rechtlichen Bereich.
'"Vgl. Art. 22 IV des Einigungsvertrages. 19
Deutsche Bundesbank (1993b, S. 43).
40
Mann, F K. (1978, S. 56).
Einen KurzUberblick über jedes der 15 Sondervennögen des Bundes einschließlich Angaben zur Verschuldung und zum Schuldenstand gibt der jährlich erscheinende Finanzbericht des Bundes, vgl. z.B. BMF (1994c, Hrsg., S. 288-291). Vgl. des weiteren die jährlichen Bemerkungen des Bundesrechnungshofs, z.B. Bundesrechnungshof (1993, S. 17 ff.), und äußerst detailliert und umfangreich Kilian, M (1993, zu den Finanzierungsaspekten insbes. S. 674 ff. und S. 719 ff.). 41
3. Komponenten eines Verschuldungs- und Schuldenplans
31
Zu den größeren Sondervermögen, die in unmittelbarer Bundesverwaltung verwaltet werden, zählen der Lastenausgleichsfonds (LAF), das European Recovery Program (ERP-Sondervermögen), der Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes (Kohleverstromungsfonds) sowie nach dem rechtlichen Vollzug der deutschen Einheit der Fonds "Deutsche Einheit" und der Kreditabwicklungsfonds. Neben dem stark wachsenden Verschuldungsvolumen ist die Schaffung neuer Sonderfonds als Träger staatlicher Verschuldung kennzeichnend filr die Entwicklung der Verschuldung seit Mitte 1990, dem Beginn des Vereinigungsprozesses.42 Das "Kreditmanagement"43 des Bundes war seitdem auch mit der Mittelbeschaffung filr die neuen Sondervermögen beauftragt. Wegen seiner geringen und weiter abnehmenden Bedeutung soll der LAF nicht näher betrachtet werden. 44 Insgesamt kann festgestellt werden, daß die Bundesregierung notwendig werdende Kredite filr den Fonds aufgenommen und daß der Bund 1980 die Schulden des LAF mitübernommen hat. Auch das 'klassische' ERP-Sondervermögen, aus dessen Fondsmitteln Investitionskredite (Darlehensprogramme) zur Förderung der deutschen Wirtschaft gewährt werden, ist sehr eng mit dem Bund verbunden.45 Vor allem im Vereinigungsprozeß zeigt sich, daß die Bundesregierung diesen Fonds als "finanzielle Allzweckwaffe"46 einsetzt. Mit der Durchfilhrung der Programme sind als Hauptleihinstitute die Kreditanstalt ftlr Wiederaufbau (KfW) sowie die Deutsche Ausgleichsbank beauftragt. Auf diese sog. Seitenfinanzierung der Spezialkreditinstitute wird noch näher eingegangen. Der Wirtschaftsplan des ERP, in dem auch die Verschuldung festgeschrieben ist, durchläuft wie der Bundeshaushaltsplan Bundestag und Bundesrat und wird jährlich durch ein Gesetz festgestellt. 47 Seit Anfang 1993 haftet der Bund unmittelbar filr die Verbindlichkeiten, die sich bis Ende 1996 auf über 50 Mrd. DM erhöhen werden. 48 Aus dem verschuldungsfilhigen Koh/everstromungsfonds leistet der Bund konsumtive Subventionen, die sog. Verstromungshilfen, zugunsten des Kohlenbergbaus, um den Steinkohleeinsatz in der Elektrizitätswirtschaft zu fördern.
42 Vgl. Deutsche Bundesbank (1991a, S. 36 f.), dies. (1993b, S. 43). Noch nicht abschließend geklärt ist die konkrete Ausgestaltung des ebenfalls geplanten Entschädigungsfonds fllr enteignete AlteigentUmer, der deshalb nachfolgend nicht aufgeftlhrt wird. Vgl. zu einigen weiteren, im Zuge des Vereinigungsprozesses geschaffenen und geplanten neuen, aberunbedeutenden Nebenhaushalten Kilian, M (1993, S. 728).
43
BMF (1993, Hrsg., S. 109).
Vgl. zum LAF z.B. Ebert, K. (1976, S. 65), Tofaute, H. (1993, S. 59 f.). Dieser Fonds weist seit Jahren EinnahmeOberschUsse auf. 44
45
Vgl. Hansmeyer, K.-H. (1984, S. 141).
46
Kilian, M (1993, S. 728).
47
Vg1. BMF (1993, Hrsg., S. 284).
48
Vgl. Bundesrechnungshof (1993, S. 30).
32
II. Struktur und Entwicklung der Verschuldung
Das Sondervermögen untersteht dem Bundeswirtschaftsminister, ist der parlamentarischen Beschlußfassung jedoch entzogen. Durch eine Änderung des Verstromungsgesetzes 1987 wurde die Kreditermächtigung des heftig kritisierten Fonds auf jährlich 2 Mrd. DM heraufgesetzt, da die ordentlichen Einnahmen des Fonds erheblich hinter den Ausgaben zurückblieben. Der Schuldenstand betrug Ende 1993 rd. 5,3 Mrd. DM.49 Im Herbst 1990 wurde vom Bund und den alten Bundesländern das unselbständige Sondervermögen Fonds "Deutsche Einheit" eingerichtet.5° Aus diesem Fonds haben die ostdeutschen Länder und Gemeinden in den Jahren 1990 bis 1994 Zuschüsse erhalten, die sie temporar fiir ihren Ausschluß aus dem bundesdeutschen Länderfinanzausgleich entschädigen sollten. Der Fonds ist von ursprünglich 115 Mrd. DM zwischenzeitlich zweimal auf schließlich rd. 161 Mrd. DM aufgestockt worden. Er wurde von den westdeutschen Gebietskörperschaften zum größten Teil (60%) über Kreditaufnahmen finanziert. Den Schuldendienst hierfiir tragen der Bund und die westdeutschen Länder (einschließlich Gemeinden) je zur Hälfte. Inzwischen lief der Fonds Ende 1994 aus und wurde mit einem Schuldenstand von etwa 95 Mrd. DM in einen Bedienungs- und Tilgungsfonds umgewandelt, dessen genauer Auflösungszeitpunkt noch ungewiß ist. Mit einer jährlichen Annuität von 9,5 Mrd. DM soll der Schuldenstand über etwa 20 Jahre restlos abgetragen werden. Da die Gebietskörperschaften filr die Aufbringung der Tilgungsleistungen selbst Kredite aufnehmen könnten, muß eine solche Partialbetrachtung gleichwohl keinen Abbau der öffentlichen Schulden insgesamt bedeuten. Dies wird später noch problematisiert. Der Kreditabwicklungsfonds hat die Binnen- und Auslandsschulden des Republikhaushalts der ehemaligen DDR (rd. 28 Mrd. DM) sowie die staatlichen Verbindlichkeiten aus der Währungsumstellung (rd. 110 Mrd. DM) zusammengefaßt.51 Das Fondsvolumen, über das längere Zeit Ungewißheit herrschte, beläuft sich somit auf etwa 140 Mrd. DM. Als Ausgaben fallen zunächst die Zinszahlungen auf diese Verbindlichkeiten an. Hierfiir hat der Fonds Zinserstattungen erhalten, die in den Jahren 1991 bis 1993 jeweils zur Hälfte vom Bund und von der Treuhandanstalt getragen wurden (zusammen 30,4 Mrd.
49 Vgl. BMF (1994c, Hrsg., S. 289). Vgl. kritisch zu diesem undurchsichtigen Fonds Herz, W (1987, S. 23), Stern/Werner (1987, S. 85), Kilian, M (1993, S. 724 f.) undjUngst Wissenschaftlicher Beirat beim BMF (1994, Tz. 44). Aufgrund von DatenlOcken in s!lmtlichen offiZiellen Statistiken können die Kreditaufnahmen dieses Fonds in der nachfolgenden Zusammenstellung des Verschuldungplans nicht ausgewiesen werden.
so Das Sondervennögen wurde durch Art. 31 des Gesetzes zur Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 25.06.1990 (BGBI. II, S. 518) errichtet. Vgl. zu diesem Fonds z.B. BMF (1993, Hrsg., S. 38 f.), Bundesrechnungshof(l993, S. 29). SI Vgl. detaillierter Deutsche Bundesbank (1993b, S. 49 f.) und BMF (1994c, Hrsg., S. 39). Rechtsgrundlage dieses Fonds ist das Gesetz Ober die Errichtung eines Fonds "Kreditabwicklungsfonds" vom 23.09.1990 (BGBI. II, S. 885, 993).
3. Komponenten eines Verschuldungs- und Schuldenplans
33
DM). 1993 hat der Bund die vollständige Verantwortung fiir die Schuldenregulierung übernommen. Dieser ebenfalls als Interimslösung gedachte Fonds ist Ende 1994 zusammen mit den Gesamtschulden der Treuhandanstalt in den neu geschaffenen Erblastentilgungsfonds überfUhrt worden. 52 Mitte 1995 wird das Fondsschuldenvolumen nach der zusätzlichen Übernahme eines Teils (31 Mrd. DM) der Schulden aus der ostdeutschen Wohnungswirtschaft auf etwa 400 Mrd. DM ansteigen. Eines der vier bedeutsamen Ziele des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKP) besteht darin, die Bedienung und schrittweise Tilgung der durch den Vereinigungsprozeß sprunghaft angewachsenen öffentlichen Schulden sicherzustellen. Zu diesem Zweck wurde als ein Bestandteil des FKP im Mai 1993 das Erlastentilgungsfondsgesetz (ELFG) von Bundestag und Bundesrat beschlossen.53 Das damit zu errichtende, nicht rechtsfähige Sonder'vermögen' des Bundes, der vollständig die Ausgaben der Altschuldenregelung übernimmt (§ 4 II ELFG), wird der bislang größte Fonds in der deutschen und zudem europäischen Finanzgeschichte sein.54 Des weiteren hat bis Ende 1994 die Treuhandanstalt (THA) Kredite aufgenommen und werden deren Nachfolgeinstitutionen weiterhin Kredite aufnehmen. Aufgrund ihrer Schlüsselrolle beim Transformationsprozeß benötigte die THA die Fremdmittel zur Finanzierung eines großen Teils (etwa 75%) ihrer Ausgaben filr Sanierung, Stillegung, Sozialpläne, Zinsen und verbOrgte Kredite.55 Zwar ist sie formal-juristisch kein Sondervermögen und wird auch in den öffentlichen Statistiken dem Unternehmenssektor zugerechnet, doch sollte sie unter dieser Rubrik erfaßt werden, da ihre Beteiligungen mittelbare Beteiligungen des Bundes sind56 und da kein rentierliebes Vermögen vorhanden ist. Aus ökonomischer Sicht stellen die Beteiligungen deshalb letztendlich Bundesvermögen bzw. Bundesschulden dar. Zudem war die THA der Fach- und Rechtsaufsicht des Bundesfinanzministers unterstellt. Der THA stand zur Finanzierung ihrer Arbeit ein - mehrfach aufgestockter - jährlicher Kreditrahmen (Plafonds) in Höhe von 38 Mrd. DM zur Verfügung. 1994 zahlte sie allein 14 Mrd. DM an Zinsen auf ihre Schulden. Sie wird bis Ende 1994, dem Abschluß des operativen Geschäfts, einen Schuldenstand von etwa 230 Mrd. DM angehäuft haben, der - wie bereits erwähnt - vom Erblastenfonds übernommen wird.
52 Die Problematik der Schuldentilgung und speziell der Konzeption des Erblastentilgungsfonds ist Gegenstand des Kapitels X. 7. dieser Arbeit. sJ
Vgl. BGBI., Jg. 1993, Teil!, S. 984-986. Vgl. zur Entstehung Tofaute, H. (1993, S. 53).
54
Vgl. Kilian, M. (1993, S. 920).
Vgl. ausfllhrlicher Deutsche Bundesbank (1993b, S. 50 ff.), dies. (1994c, spez. S. 28) und IWD (1994a, Hrsg., S. 4 f.) . 55
56
Durch Art. 25 I des Einigungsvertrages hat der Bund die Haftungsübernahme garantiert.
3 Funke
II. Struktur und Entwicklung der Verschuldung
34
Weitere Kreditaufnahmen im Umfang von 45 Mrd. DM sind bereits ftlr die Nachfolgeinstitutionen der TIIA eingeplant.57 Damit sind aber noch nicht alle öffentlichen Bereiche aufgezählt, die erfaßt werden sollten. Die Verschuldung des Sondervermögens Deutsche Bundespost mit den Teilsondervermögen58 der Unternehmen Postdienst, Postbank und Telekom sowie der Deutschen Eisenbahn AG, die aus der früheren Bundesbahn und dem temporären Sondervermögen Reichsbahn hervorgegangen ist, werden in der Finanzstatistik nicht zum Staatsbereich gezählt. Diese Betriebsverwaltungen werden dem Unternehmenssektor zugerechnet, obwohl ihre Verschuldung aufgrund der filr sie typischen Formen und der bestehenden rechtlichen Vorschriften sowie der Entstehungsgründe und Konsequenzen auch der öffentlichen Verschuldung zugerechnet werden könnte. 59 Die Verschuldung dieser ebenfalls unmittelbaren Sondervermögen des Bundes spiegelt allerdings jeweils eine spezielle wirtschaftspolitische Problematik wider, die hier nicht vertieft werden kann. Gleichwohl sollte die Verschuldung von Post und Bahn in einem Verschuldungsplan ausgewiesen werden, da die Bundesregierung rsp. die aufsichtsfilhrenden Ministerien regelmäßig über die Kreditaufnahme dieser Unternehmen maßgeblich mitentscheiden,60 letztlich der Bund als Eigentümer filr die Schulden aufzukommen hat61 , er den Unternehmen eigentlich Eigenkapital zufUhren müßte, was c.p. zu einer offenen Ausweisung der Verschuldung beim Eigentümer Staat filhrte, und er die Bereitstellungs- und Herstellungskompetenz der angebotenen Güter (noch) filr sich beansprucht. Insbesondere die hohe und absehbare, weiter steigende Kreditaufnahme der Bahn62 läßt eine - zumindest nachrichtliche - Einbeziehung dieser Form öffentlicher Verschuldung in den Regelungsbereich einer Verschuldungsordnung notwendig erscheinen. Die unmittelbaren Auswirkungen auf den Bund wurden beispielsweise 1991 deutlich, als dieser Verbindlichkeiten (Anleihen) der Deutschen Bundesbahn in Höhe von 12,6 Mrd. DM übernahm.63 Die zinspflichtigen Verbindlichkeiten von Bundes- und Reichsbahn, rd. 72 Mrd. DM, sind am
57 Vgl. BMF (1994c, Hrsg., S. 40). Zu Beginn der THA-Aktivitaten (1990) wurden noch Privatisierungserlöse von etwa 600 Mrd. DM ftlr realisierbar gehalten. Vgl. Tofaute, H (1993, S. 55). 58
Vgl. § 2 I Postverfassungsgesetz von 1989 (BGBI. I, S. 1026).
Dies gilt aus ökonomischer Sicht insbesondere fllr diejenigen Schulden, deren Amortisation wie bei der Bahn - nicht aus eigener Kraft zu erreichen ist. 59
'"'Siehe hierzu detaillierter und mit den relevanten Rechtsquellen etwa Höfling, W (1993, S. 69 und 327) und Kilian, M (1993, S. 722 und 883) sowie die Übersicht in BMF (1993, Hrsg., S. 284). 61
Vgl. BT-Drucksache V/3040, Tz. 136 und etwa auch SVR (1991 , Tz. 198).
Anfang 1992 schätztPost/ep, R.-D. (1992, S. 40) fllr die Bahnen eine DeckungsJUcke bis zum Jahr 2000 von 450 Mrd. DM. FUr diese Verluste hätte der Bund aufzukommen. 62
m
Vgl. Sch/esinger/Weber/Ziebarth (1993, S. 272).
3. Komponenten eines Verschuldungs- und Schuldenplans
35
1.1.1994 in ein weiteres neu errichtetes Sonder' vennögen' eingegangen, das sog. Bundeseisenbahnvennögen. Die Zinsen werden ab 1996 ausschließlich mittels Zinsdiensthilfen des Bundeshaushalts finanziert. Bis dahin ist der Fonds ennächtigt, jährlich bis zu 9,5 Mrd. DM an Krediten aufzunehmen, die ebenfalls den Bundeshaushalt in der Folgezeit belasten werden.64 Von 1998 an sind diese Altschulden dann mit jährlich 2,8 Mrd. DM zu tilgen. Die Vennutung, daß es sich bei Bahn und Post um "finanzwirtschaftliche Verschiebebahnhöfe"65 des Bundes handeln könnte, liegt gerade bei der Post nahe: Anstatt im Falle von Finanzierungsengpässen der Post deren Ablieferung an den Bundeshaushalt zu verringern oder den Bundeszuschuß zu erhöhen, läßt der Bund die Post zusätzliche Kredite aufnehmen, die u.U. betriebswirtschaftlieh nicht zu rechtfertigen sind. Bund und Länder haben sich als weitere Nebenhaushalte Sonderkreditinstitute errichtet, die staatliche Aufgaben außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltungen ausüben und dabei aus den Haushalten ausgelagerte Kredite aufnehmen. De facto fungieren sie deshalb als "verlängerter Ann der Finanz- und Wirtschaftspolitik"66. Die Kreditaufnahmen und die damit finanzierten Ausgaben (z.B. Kreditprogramme an die Wirtschaft) wirken auf die konjunkturelle Entwicklung ein, stellen Verbindlichkeiten des Staates dar und könnten zu einer 'Verschuldungs-Flucht aus dem Budget' mißbraucht werden. Sie müssen deshalb in der Entscheidungstindung über die Verschuldung des Bundeshaushaltes berücksichtigt werden. Auch diese Kredite sollten demzufolge ähnlich den Sondervermögen in einem Verschuldungsplan ausgewiesen und in einer Verschuldungsordnung berücksichtigt werden. Die mit Abstand größte dieser Institutionen ist die KjW. 61 Sie ist die vorrangige Hausbank der Bundesregierung und das Hauptleihinstitut fUr ERPKredite. Neben diesen Krediten und Bundeszuschüssen stammen die Refinanzierungsmittel der KfW hauptsächlich aus Kreditaufnahmen bei Banken und Kapitalsammelstellen sowie eigenen Wertpapieremissionen, also aus dem privaten Sektor. Im Jahr 1990 nahmen die größeren staatlichen Kreditinstitute
1'4
Vgl. Bundesrechnungshof (1993, S. 30) und jUngst Göbe/, H (1994, S. 13).
65
Diller, K. D. (1988, S. 618).
'"' Schlesinger/Weber/Ziebarth (1993, S. 271 ). Dickertmann, D. (1981 , S. 63) kommt nach einer Untersuchung der Kreditinstitute des Bundes zu dem Ergebnis, daß es sich dabei um "subventionspolitische Schattenhaushalte" handelt. Im 'Schatten' bleiben sie auch aufgrunddes mangelhaften Berichtswesens und der daraus resultierenden lntransparenz. Vgl. hierzu des weiteren ders. (1985, insbes. S. 43). 67 Der Bund halt 80% am Nennkapital der KfW, das Land NW 5,04%, und die übrigen Lander halten zusammen die restlichen 14,96% (s. Landtag NW, Drucksache 11/7501 vom 25.08.1994, S. A 87). Ein Überblick Ober die Bundesbeteiligungen an weiteren Kreditinstituten findet sich in BMF (1992, Hrsg., S. 50-60).
3*
36
II. Struktur und Entwicklung der Verschuldung
mit Sonderaufgaben Mittel in Höhe von annähernd 27,6 Mrd. DM auf.68 Seit der Vereinigung haben sie ihre Verschuldung schubartig ausgeweitet, um im Wege der sog. Seitenfinanzierung des Bundes über staatliche Kreditprogramme einen erheblichen Teil der Aufbauhilfe in Ostdeutschland zu leisten. 69 Sie entlasten damit den Bundeshaushalt von Kreditaufnahmen. Soweit die Verschuldung der staatlichen Kreditinstitute der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient, stellt sie eine zusätzliche öffentliche Verschuldung dar, gleichsam eine "Verschuldung auf Umwegen" 70• Weitere öffentliche Spezialkreditinstitute sollen nicht betrachtet werden, da die Problematik anband des einen Beispiels deutlich geworden sein dürfte.71 Addiert man die Verschuldungen aller (beachtenswerten) Nebenhaushalte des Bundes im Jahr 1992 (1990), so erhält man einen Betrag von annähernd 119 Mrd. DM (67 Mrd. DM), was 4,0% (2,8%) des Bruttoinlandsprodukts entsprach.72 Der Bund hat demnach in seinen Nebenhaushalten weit mehr an Krediten aufgenommen als im Bundeshaushalt Entgegen mancher öffentlicher Verlautbarungen handelt es sich mithin keineswegs um eine finanzwirtschaftliehe Bagatelle. Der Schuldenstand dieser Nebenhaushalte am Ende des Jahres 1993 (1990) betrug 553,4 Mrd. DM (191,1 Mrd. DM). Obwohl die Errichtung von Nebenhaushalten haushalts- und verfassungsrechtlich im Sinne einer Ausnahme von den klassischen finanzwirtschaftliehen Regeln der Vollständigkeit und Einheit des Budgets unter bestimmten Umständen zulässig ist, leiden darunter aber die Transparenz und der Aussagegehalt der Budgetpläne und Haushaltsrechnungen, was einen Kontrollverlust oder zumindest eine Kontrollverdünnung bedeutet.73 Hinzu kommt, daß die verfassungsrechtliche Kreditbeschränkung des Art. 115 GG nicht filr Sondervermögen gilt. Die bisherigen Ausruhrungen haben gezeigt, daß sich die Gesamtverschuldung und der Gesamtschuldenstand der öffentlichen Hand also nur durch Addition sämtlicher Verschuldungsaktivitäten der Gebietskörperschaften sowie der verschiedenen Fonds aus einem komplizierten Finanzgeflecht errechnen lassen.
68
Vgl. o.V. (199lb, S. 17).
Vgl. Deutsche Bundesbank (1993b, S. 56 f.) auch ftlr einen Überblick Ober die Kreditzusagen der großen Spezialbanken (Ktw, Deutsche Ausgleichsbank, Berliner Industriebank) an die neuen Bundesländer. 69
70 Dickertmann, D. (1985, S. 43). Es sei angemerkt, daß die nicht öffentlichen Aufgaben dienende Kreditaufnahme aus ordnungspolitischer Sicht grundsätzlich nicht von einer staatlichen Institution durchgeftlhrt werden sollte.
71 V gl. zu einer ausftlhrlichen Darstellung und ökonomischen Analyse der Kreditinstitute des Bundes Dickertmann, D. (1981) und derjenigen der Länder ders. (1985). 72
Siehe zu diesen und den folgenden Größen die Tabellen 1 und 2 weiter unten.
Rechtlich fixiert ist dieser Budgetgrundsatz in Art. 110 GG und § 11 BHO/LHO. Vgl. zur Rechtslage VI. 1.3 sowie zu den Gefahren V. 1.2.1 und V. 2.2.1 dieser Arbeit. 7'
3. Komponenten eines Verschuldungs- und Schuldenplans
37
Das soll in den beiden nachfolgenden Tabellen geschehen. Hierbei ist deutlich darauf hinzuweisen, daß die Verschuldungswerte derzeit aufgrund unterschiedlicher Berechnungsmethoden und Abgrenzungen in den einzelnen offiziellen Datenquellen teilweise erheblich voneinander abweichen und ein detaillierter Gesamtausweis sämtlicher Verschuldungsgrößen nirgends publiziert wird. 74 Um die Einheitlichkeit zu wahren, stützt sich die folgende Tabelle im wesentlichen auf die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Daten.75 Tabelle I Der Verschuldungsplan der Bundesrepublik Deutschland' Jahr
1989
1990
1991
1992
1993
I. Allgemeine Haushalte 15,4
51,6
30,2
20,3
74,2
Bundesländer
7,3
19,2
24,1
34,7
44,7
Gemeinden
2,1
4,2
15,1
16,4
18,3
[24,8]
[75,0)
[69,4)
[71,4]
[137,2]
1,1
2,4
6,9
8,0
4,0
20,0
31,0
24,0
13,3
14,9
0
0
0,1
4,3
19,9
30,5
39,0 12,5
Bund
[Zwischensumme] li. Sonderhaushalte ERP-Sondervermögen Fonds "Deutsche Einheit" Kreditabwicklungsfonds li/. Öffentliche Unternehmen Treuhandanstalt
-
Bundes- und Reichsbahn
1,3
4,4
7,3
13,4
Bundespost
2,0
4,8
10,3
15,4
8,0
12,4
16,3
30,0
27,3
k.A.
Hauptfllrderbanken des Bundes
IV Summe V Verschuldungsquote"
41,6
142,1
174,8
190,0
214,1
1,87%
5,88%
6,25%
6,32%
ca. 7%
Siehe Quellen und Anmerkungen unter Tabelle 2 auf der folgenden Seite.
74 V gl. zu den hieraus resultierenden Problemen V. 3.3. Zuverlässige Daten filr das Jahr 1994 liegen zum Zeitpunkt der Drucklegung der Arbeit noch nicht vor. 75 Die Verschuldung des Bundes wird von der Deutschen Bundesbank- mit Ausnahme 1990erheblich niedriger ausgewiesen, als etwa vom Bundesfinanzministerium und vom Bundesrechnungshof. Der Bundesrechnungshof(J993, S. 23) weist als Nettokreditaufnahme des Bundeshaushalts von 1989 bis 1992 die folgenden Summen aus (in Mrd. DM): 19,2; 46,7; 52,0; 38,6.
II. Struktur und Entwicklung der Verschuldung
38
Tabelle 2
Der Gesamtschuldenplan der Bundesrepublik Deutschland Jahr
1989
1990
1991
1992
1993
I. Allgemeine Haushalte
Bund
490,5
542,2
586,5
611,1
685,3
Bundesländer
309,9
328,8
369,9
389,1
433,8
Gemeinden
121,4
125,6
140,7
154,6
172,9
[921,8]
[996,6]
[1.097,1]
[1.154,8]
[1.292,0] 28,3
[Zwischensumme] Il. Sonderhaushalte
ERP-Sondervermögen
7,1
-
Fonds "Deutsche Einheit"
-
Kreditabwicklungsfonds• Kohlefondsd
0
111. Offentliehe Unternehmen
Treuhandanstalt" Bundes- und Reichsbahn Bundespost IV. Summe V. Schuldenquoteh
44,1
9,5
16,4
24,3
19,8
50,5
74,4
87,7
27,6
27,5
91,7
101,2
2,0
4,3
4,5
5,3
14,1
39,4
106,8
168,3
47,1
38,0
48,0
58,1
66,2
71,0
81,3
96,6
104,5
1.039,2
1.187,7
1.354,5
1.601,1
1.845,4
46,7%
49,1%
48,4%
53,2%
ca. 59%
Datenquellen zu beiden Tabellen: Deutsche Bundesbank (1993b, S. 45 ff.), dies. (1994a, S. 39 ff.), dies. (1994b, S. 10 f.), dies. (1994c, S. 28), dies. (1994d, S. 73' ff.) und dies. (1995, S. 56' ff.). Vgl. zum BIP Statistisches Bundesamt (1993, Hrsg., S. 680). Einige eigene Berechnungen. "Marktmäßige Nettokreditaufnahme in Mrd. DM; auf eine Nachkommastelle gerundet. Verschuldung und Schulden der Haushalte untereinander sind herausgerechnet h Verschuldungs- und Schuldenquote definiert im Verhältnis zum BIP. Obwohl der Term 'Quote' zur Bezeichnung dieser Verhältniszahlen streng genommen nicht korrekt ist, soll er aufgrund der verbreiteten Verwendung auch hier gewählt werden. ' Der Schuldenstand ist durch die -nicht marktmäßige - Übernahme von Altschulden entstanden. J Die Werte sind verschiedenen Finanzberichten des Bundes entnommen. ' Bei der THA resultiert der Schuldenstand auch aus den erheblichen Übernahmen von Altschulden und Verbindlichkeiten aus Ausgleichsforderungen der Unternehmen. Diese Größen sind nicht in den Nettokreditaufnahmen der Tabelle I enthalten.
3.2.3 Die Sozialversicherungen Des weiteren sind die Sozialversicherungen als (indirekter) Träger der öffentlichen Verschuldung von volkswirtschaftlicher- und speziell verschuldungspolitischer - Bedeutung. Die Sozialversicherungen stellen neben den Gebietskörperschaften einschließlich ihrer Nebenhaushalte den zweiten großen
3. Komponenten eines Verschuldungs- und Schuldenplans
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Teilbereich der öffentlichen Haushalte dar. 76 Der filr die Gebietskörperschaften gängige Weg einer Defizitfinanzierung durch Kreditaufnahme ist für die Sozialversicherungsträger allerdings ausgeschlossen.77 Wenn die Ausgaben die Einnahmen überschreiten, haben die Sozialversicherungen drei Möglichkeiten, dieses Defizit zu finanzieren: Erstens können sie auf ihre Rücklagen zurückgreifen, was allerdings aufgrund des praktizierten Umlageverfahrens nur sehr begrenzt möglich ist. Zweitens kann der Bund Zuschüsse leisten (Art. 120 I S. 4 GG). Er ist sogar gesetzlich verpflichtet, die Finanzierung sowohl der Bundesanstalt für Arbeit wie auch der gesetzlichen Rentenversicherung sicherzustellen.78 Das durch Bundeszuschüsse zu deckende Defizit der Bundesanstalt fllr Arbeit betrug beispielsweise im Jahr 1993 (1992) 24,5 Mrd. DM (rd. 14 Mrd. DM).79 Da sich der finanzielle Ausgleich stets auf den Bundeshaushalt auswirkt, kann dies indirekt zu einer zusätzlichen Ausweitung der öffentlichen Verschuldung fuhren, gleichsam zu einer Stellvertreterverschuldung des Bundes. Drittens wird fUr die Sozialversicherungen eine Beitragserhöhung notwendig, wenn beide Finanzierungswege ausscheiden. Ein Ausgabenüberschuß in den Haushalten der Sozialversicherungen beeinflußt mithin sowohl die geamtwirtschaftliche Gütemachfrage als auch die Lage auf den Kredit- und Kapitalmärkten. 80 Das Defizit der Sozialversicherungsträger kann aber noch weitere, fUr die Volkswirtschaft drastische Wirkungen erzeugen, die sich durch eine Untersuchung der erwarteten Reaktionen bei weiteren Beitragserhöhungen ermitteln lassen. Dies wird später erfolgen (s. V. 1.1). Bei den gesetzlichen Sozialversicherungen ist im Hinblick auf die Verschuldungsproblematik außerdem zu beachten, daß das Umlageverfahren in der gesetzlichen und knappschaftliehen Rentenversicherung (Leistungsvolumen 1991: rd. 253 Mrd. DM)81 selbst wie eine interne Staatsverschuldung wirkt und deshalb als versteckte Verschuldungsform bezeichnet werden kann.82 Dies gilt darüber hinaus ebenso für die Versorgungszusagen an Beamte (Pensionsverpflichtungen). Bei einer internen Staatsverschuldung erwerben die Gläubiger in
76 Vgl. etwa Kirchhof, F. (1990, Rdnr. 1), Deutsche Bundesbank (1991b, S. 30) sowie dies. (1994a, S. 45 ff.). Zu den Sozialversicherungen zählen im wesentlichen die gesetzliche Renten- und Krankenversicherung sowie die Bundesanstalt ftlr Arbeit. 77
Vgl. Kirchhof, F. (1990, Rdnr. 39), Kilian, M (1993, S. 682).
Vgl. Hansmeyer, K.-H (1984, S. 141), Kilian, M (1993, S. 733, 736). Nach herrschender juristischer Meinung kann aus Art. 120 GG kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Zuschußleistungen hergeleitet werden. Vgl. z.B. Klein, F. (1987, Rdnr. 32). 70
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Vgl. Deutsche Bundesbank (1994a, S. 47.).
"" Vgl. z.B. Deutsche Bundesbank (1991b, S. 35 f.). "' Vgl. Statistisches Bundesamt (1993, Hrsg., S. 506). "2
Vgl. z.B. auch Richter, W (1992, S. 182).
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der Gegenwart Zinsansprüche, während die Steuerzahler in der Zukunft mit Zinsverpflichtungen belastet werden. Bei der umlagefinanzierten Rentenversicherung hat die Rentnergeneration Rentenansprüche, während die erwerbstätige Generation mit Zahlungsverpflichtungen belastet wird, denen allerdings zukünftige Rentenansprüche gegenüberstehen. In beiden Fällen findet eine intertemporale Umverteilung von Einnahmen zwischen Bevölkerungsschichten statt.83 Deshalb sind Aussagen über den Grad der Gerechtigkeit der staatlichen Lastenverschiebung zwischen den Generationen dann nicht möglich, wenn die Sozialversicherungen aus einer Gesamtbetrachtung ausgeklammert bleiben und durch diese Vernachlässigung das Gesamtbelastungspotential nicht berücksichtigt wird. Ist dies den Entscheidungsträgem nicht bewußt und wird es ihnen nicht bekannt gemacht, kann es leicht zu Fehlentscheidungen über die Finanzierungsart öffentlicher Ausgaben kommen, die sich in einer nicht zu rechtfertigenden Lastenverschiebung manifestieren. Derzeit finden die verschuldungsähnlichen Zukunftsbelastungen durch die entstehenden Renten- und Pensionsansprüche der Beitragszahler noch wenig Beachtung im politisch-administrativen Führungssystem (PAF), obgleich diese Ansprüche fllr den Staat in der Zukunft zu erfüllende Verbindlichkeiten bedeuten (Ansprüche auf zukünftiges Sozialprodukt), für die derzeit keine Rückstellungen gebildet werden. Die derzeitige 'Unbekümmertheit' manifestiert sich in besonderem Maße in den politischen Entscheidungen über die Ausgestaltung der unbestritten notwendigen Pflegefallabsicherung. Auch diese soll entgegen der Empfehlungen ökonomischer Sachverständiger84 nach dem Umlageverfahren, also gleichsam durch zusätzliche Verschuldung, finanziert werden. Dieses Problem wird sich noch als schwergewichtig erweisen. Obwohl es den Sozialversicherungen, wie oben angefllhrt, rechtlich untersagt ist, Kredite aufzunehmen, müssen sie doch wegen der Wirkungen und Gefahren ihrer Defizite (Stellvertreterverschuldung sowie Beitragserhöhungen) und des praktizierten Umlageverfahrens (staatliche Verbindlichkeiten) im Rahmen einer Verschuldungsordnung beobachtet werden. Des weiteren sind die Sozialversicherungen gegenwärtig noch Gläubiger eines geringen Teils der Verschuldung und des Schuldenstandes anderer öffentlicher Träger. Diese Verschuldung müßte streng genommen bei der Ermittlung der konsolidierten Gesamtverschuldung saldiert werden. Dies geschieht in den offiziellen Statistiken jedoch noch nicht. Aufgrund der verschlechterten Finanzsituation der Sozialversicherungsträger sind die Kreditaufnahmen bei den
"' Kosten im Sinne eines Faktorverzehrs entstehen daraus gleichwohl nur in Höhe der Transaktionskosten, denn bei der Umverteilung als solcher findet bekanntlich kein Faktorverzehr statt. "' Vgl. etwa die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF (1990).
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Sozialversicherungen jedoch in ihrer Bedeutung stark rückläufig, so daß auch eine Saldierung kaum relevant ist. 85 3.2.4 Die Koordinierungsinstitutionen Eine aufeinander abgestimmte Planung des verschuldungspolitischen Handeins der zahlreichen Träger, die vielfach von unterschiedlichen Zielvorstellungen geleitet werden, stellt eine Grundvoraussetzung filr eine rationale Verschuldung in einem Bundesstaat dar. Die Koordination sollte vor allem der Ex-anteKontrolle darüber dienen, daß nicht ein Träger staatlicher Verschuldung durch seine Verschuldungsabsichten die gesamtwirtschaftliche Entwicklung im Staat in Gefahr bringt. Sie soll eine Situation sicherstellen, die langfristig als stabil gelten kann. Da auf die Abstimmung zwischen dem Bund und seinen Sondervermögen bereits eingegangen wurde, sollen nun kurz die Koordinierungsinstitutionen zwischen den Ebenen der Gebietskörperschaften in Deutschland erläutert werden. Hier sind als institutionelle Besonderheiten der Verschuldungsplanung vor allem die Deutsche Bundesbank sowie der Konjunkturrat und der Finanzplanungsrat zu nennen.
Die Abstimmung durch die Bundesbank - Die Deutsche Bundesbank hat sich als Hausbank der öffentlichen Verwaltungen (Funktion des 'fiscal agent' 86) mit den Kreditaufnahmevorhaben zu befassen. Dies gilt insbesondere für die Verschuldung des Bundes. Die Bundesbank hat als Kennerirr der gesamtwirtschaftlichen Situation die Bundesregierung "in Angelegenheiten von wesentlicher währungspolitischer Bedeutung zu beraten" (§ 13 I BBankG). Der Koordinierung der Kreditaufnahme dient die Bestimmung, daß die öffentlichen Wertpapieremissionen in erster Linie von der Bundesbank begeben werden sollen und anderenfalls die Begebung zumindest im Benehmen (Informationspflicht) mit der Bundesbank zu erfolgen hat (§ 20 li BBankG). 87 Die Mitwirkung der Bundesbank beschränkt sich aber hauptsächlich auf den Zeitpunkt und die Form der Kreditaufnahme sowie auf die Zinssätze und Laufzeiten, also auf schuldenstrukturpolitische Aspekte. Auf die Höhe der Kreditaufnahme hat sie keinen unmittelbaren Einfluß. Im Bundesbereich werden de facto alle Emissionen durch oder mit Hilfe der Bundesbank durchgefilhrt. Die Landesregierungen genügen hingegen lediglich ihrer Pflicht, die Bundesbank zu informieren, und
•s Vgl. z.B. Deutsche Bundesbank (1994d, S. 75"). Der Gläubigeranteil am öffentlichen Gesamtschuldenstand ist von 5% 1970 kontinuierlich bis auf rd. 0,4% 1993 gesunken. "'' Vgl. genauer Irmler, H (1976, S. 89). Diese Funktion der Bundesbank bleibt auch nach Eintritt in die zweite Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion am 1.1.1994 uneingeschränkt erhalten. Vgl. Deutsche Bundesbank (1994e, S. 43). "'Vgl. Irmler, H (1976, S. 98) und Deutsche Bundesbank (1994e, S. 43).
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begeben ihre Emissionen ansonsten i.d.R durch die Landesbanken. Im Bundesbankgesetz sind dagegen keine Vorschriften enthalten, welche die Mitwirkung der Bundesbank auch bei der Aufnahme von Schuldscheindarlehen vorsehen, die sich zu einem Hauptinstrument staatlicher Kreditfinanzierung entwickelt haben. Das Bundesfinanzministerium stimmt aber auf freiwilliger Basis die Darlehenskonditionen mit der Bundesbank ab. 88 Außerdem werden im Bundesbankgesetz keine Sanktionsmöglichkeiten genannt. Die Wirksamkeit der Bestimmung wird dadurch in Frage gestellt, denn ein Verstoß gegen sie hat keine Auswirkung auf Gültigkeit oder Ordnungsmäßigkeit einer Emission, die ja auch über eine andere Institution als die Bundesbank begeben werden kann. 89 Solche formellen Schwächen werden aber zu einem großen Teil durch die "moralische Stärke der Notenbank" 90 ausgeglichen. Darüber hinaus ist festzustellen, daß die Bundesbank schon von sich aus eine Koordination von staatlicher Verschuldung und Geldpolitik anstrebt, da zwischen beiden Politikbereichen vielfältige Wechselbeziehungen bestehen und die Bundesbank das Ziel verfolgt, die Währung zu sichern (§ 3 BBankG). Zudem kann sie durch den Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden geldpolitischen Instrumente in vielfältiger Weise auf die öffentliche Verschuldung Einfluß nehmen. Insgesamt kann der faktische Einfluß der Bundesbank auf das Verschuldungsverhalten der öffentlichen Hand nur schwer abgeschätzt werden. Die Abstimmung durch Konjunktur- und Finanzplanungsrat. - Eine gewisse Abstimmung in Verschuldungsangelegenheiten, welche die Handlungsfreiheit der einzelnen Träger öffentlicher Verschuldung beeinflußt, wurde durch die Einrichtung des Konjunkturrates (§ 18 StWG} im Jahre 1969 institutionalisiert,91 der sich aus Vertretern der Gebietskörperschaften zusammensetzt und vom Bundeswirtschaftsminister geleitet wird. Allerdings kann dieses Gremium den politischen Entscheidungsträgem lediglich Empfehlungen erteilen. Zu seinen Aufgaben zählen u.a. regelmäßige Beratungen über "die Möglichkeiten der Deckung des Kreditbedarfs der öffentlichen Haushalte" (§ 18 li S. 2 StWG}. Da die Bundesbank die Beratungsaufgabe als eine der wichtigsten im Rahmen ihrer vielfältigen Aufgaben als 'fiscal agent' auffaßt92 , ist sie ebenfalls im Ausschuß für Kreditfragen der öffentlichen Hand(§ 18 III StWG} des Konjunkturrates vertreten und stimmt dort den Kreditbedarf der öffentlichen Hand ab.93 Der Regelungsgegenstand beschränkt sich aber auch in diesem Gre-
•• Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim BMF (1978/1988, S. 294). •• Vgl. Hansmeyer, K.-H (1984, S. 142). 9