Die Verordnung über den Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane im Lichte des Transparenzprinzips [1 ed.] 9783428509799, 9783428109791

Der Autor untersucht, ob die Gemeinschaftsorgane bei Erlaß der »Verordnung über den Zugang der Öffentlichkeit zu EG-Doku

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Die Verordnung über den Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane im Lichte des Transparenzprinzips [1 ed.]
 9783428509799, 9783428109791

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CHRISTIAN HEITSCH

Die Verordnung über den Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane im Lichte des Transparenzprinzips

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera und Detlef Merten

Band 94

Die Verordnung über den Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane im Lichte des Transparenzprinzips

Von Christian Heitsch

Duncker & Humblot . Berlin

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrutbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-10979-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9

Inhaltsverzeichnis Einleitung .................................................................................................................... 7

A. Bisherige Handhabung des Zugangs zu Dokumenten ............................................ 8 B. Ergebnisoffenheit der primärrechtlichen Transparenzvorschriften ....................... 11 C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes ............................................................... 13

I. Primärrechtliche Teilaussagen ........................................................................ 14 11. Ansatzpunkte in der Europäischen Menschenrechtskonvention ..................... 17 III. Vergleich ausgewählter nationaler Rechtsordnungen .................................... 19 1. Publizität der Gesetzgebung ..................................................................... 19 a) Bundesrepublik Deutschland ................................................................ 19 b) Frankreich ............................................................................................ 22 c) Großbritannien ..................................................................................... 24 d) Schweden ............................................................................................. 25 e) Fazit ..................................................................................................... 26 2. Öffentlichkeit der Verwaltungsvorgänge .................................................. 27 a) Deutschland .......................................................................................... 27 b) Großbritannien ..................................................................................... 30 (1) Strafbestimmungen des Official Secrets Act ................................. 30 (2) Akteneinsicht zur Interessenwahrung ............................................ 32 (3) Der Verhaltenskodex über den Zugang zu Informationen ............. 33 (4) Das neue Informationsfreiheitsgesetz ............................................ 33 c) Schweden ............................................................................................. 35 d) Frankreich ............................................................................................ 38 e) Fazit ..................................................................................................... 40 IV. Bewertung anhand gemeinschaftsrechtlicher Regelungsstrukturen .............. 41

1. Die Union als föderales System geteilter Souveränität.. ........................... 41 2. Exkurs: Geteilte Souveränität und Grundgesetz ....................................... 47

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Inhaltsverzeichnis 3. Demokratische Legitimation im Verfassungsverbund .............................. 50 4. Die parlamentarisch-regulatorische Struktur der Union ........................... 52 a) Parlamentarisches und regulatorisches Demokratiemodell .................. 52 b) Legitimation und Transparenz ............................................................. 56 D. Konsequenzen für die Ausführungsvorschriften .................................................. 59 I. Öffentlichkeit der legislatorischen Tätigkeit... ................................................ 59 II. Zugang zu sonstigen Dokumenten der Organe ............................................... 60 E. Beurteilung der Verordnung 104912001 ............................................................... 63 1. Anwendungsbereich ........................................................................................ 63 II. Ausnahmeregelungen ..................................................................................... 64 III. Anwendbarkeit aller Ausnahmen auf legislative Dokumente ........................ 66 IV. Verfahrensregelungen und Dokumentenregister ............................................ 67 F. Zusammenfassung in Thesen ................................................................................ 70 Literaturverzeichnis .................................................................................................. 76

Einleitung Am 03.12.2001 ist die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission! in Kraft getreten. Sie bildet das vorläufig letzte Glied in einer Kette von Maßnahmen, in denen sich seit Anfang der Neunziger Jahre die Bemühungen der Unionsorgane um mehr Transparenz niedergeschlagen haben. 2 Die vorliegende Studie3 soll der Frage nachgehen, ob sich die Verordnung innerhalb des Gestaltungsspielraums hält, weIchen das Primärrecht und ein allgemeiner Rechtsgrundsatz der Transparenz den Gemeinschaftsorganen eröffnet. Hierzu werden zunächst die bisher geltenden internen Regelungen über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane sowie deren Handhabung durch Organe und Gerichte dargestellt (A.). Es folgt ein Überblick über die vom Wortlaut her ergebnisoffenen Vorschriften des EG-Vertrags über die Publizität (B.). Die Herleitung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes der Transparenz aus primärrechtlichen Teilaussagen, Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und mittels eines wertenden Vergleichs ausgewählter nationaler Rechtsordnungen (e.) und der daraus folgenden Grenzen des den Gemeinschaftsorganen zustehenden Gestaltungsspielraums (D.) bildet den Hauptteil der Arbeit. Sodann wird die Verordnung (EG) 104912001 anhand des Transparenzgrundsatzes beurteilt (E.). Am Ende der Arbeit steht eine thesenartige Zusammenfassung der wichtigsten Er~ebnisse (F.).

!

681.

ABl.EG 2001, L 145,43, dazu der Überblicksaufsatz von Wägenbaur, EuZW 2001,

2 Vgl. z. B. Beschluß des Rates v. 06.12.1993 (93/662/EG), ABl.EG 1993, L 304, 1, geändert durch Beschluß des Rates v. 06.02.1995 (95/24/EG, Euratom, EGKS), ABl.EG 1995, L 31, 41; die Bemühungen der Organe um mehr Transparenz beginnen mit der Erklärung Nr. 17 zum Recht auf Zugang zu Informationen in der Schlußakte des Vertrags von Maastricht, ABl.EG 1992, C 191, 101; Darstellung der Entwicklung bei EuGH, Rs. 58/94, Slg. 1996, 1-2169, Rn. 2 ff. (NURat); vgl. ferner Hix in Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 207 EGV, Rn. 21, sowie Schoo, ebendort, Art. 255 EGV, Rn. 4 ff. 3 Sie ist aus meinem Trierer Habilitationsvortrag vom l3.12.2000 hervorgegangen und wurde im Februar 2002 abgeschlossen.

A. Bisherige Handhabung des Zugangs zu Dokumenten Schon seit 1993 ennöglicht Art. 7 Abs. 5 GeschO des Rates in bestimmten Fällen eine Veröffentlichung der Abstimmungsprotokolle, nämlich: (1) wenn der Rat als Gesetzgeber entscheidet; dies gilt auch dann, wenn er einen gemeinsamen Standpunkt i. S. v. Art. 251 oder Art. 252 EG festlegt; (2) bei Abstimmungen durch die Ratsmitglieder oder deren Vertreter im Vermittlungsausschuß nach Art. 251 EG; (3) wenn der Rat im Rahmen der Titel V und VI EU handelt, nach einstimmigem Beschluß des Rates auf Antrag eines seiner Mitglieder; (4) in den anderen Fällen nach einem Beschluß, den der Rat auf Antrag eines seiner Mitglieder mit einfacher Mehrheit faßt. Die Fälle, in denen der Rat i. S. v. § 17 Abs. 5 GeschO als Gesetzgeber tätig wird, werden im Anhang zur GeschO wie folgt umschrieben: "wenn er auf der Grundlage der einschlägigen Bestimmungen der Verträge ... im Wege von Verordnungen, Richtlinien oder Entscheidungen Vorschriften erläßt, die in den oder für die Mitgliedstaaten rechtlich bindend sind; ausgenommen sind hierbei Entscheidungsprozesse, die zum Erlaß von internen Maßnahmen, von Verwaltungsakten oder Haushaltsmaßnahmen, von Rechtsakten betreffend die interinstitutionellen oder die internationalen Beziehungen oder von nicht bindenden Rechtsakten wie Schlußfolgerungen, Empfehlungen oder Entschließungen führen. Bei Entscheidungsprozessen, die zu Probeabstimmungen oder zur Annahme vorbereitender Rechtsakte führen, werden die Abstimmungsprotokolle nicht veröffentlicht." Der Zugang zu sonstigen Dokumenten des Rates ist mit Rechtswirkung gegenüber Dritten seit 1993 im Beschluß 931731/EG geregelt, den der Rat auf der Grundlage des Art. 151 Abs. 3 EGV Getzt Art. 207 Abs. 3 S. 1 EG) in Ausübung seiner internen Organisationsgewalt und in Umsetzung eines gemeinsam mit der Kommission verabschiedeten Verhaltenskodexes erlassen hat. 4 Der Beschluß verschafft den Bürgern ein umfassendes Recht auf Zugang zu Dokumenten des Rates. Er gilt gemäß Art. 151 Abs. 3 EGV i. V. m. Art. K.13 Abs. 1 EUV Getzt Art. 41 Abs. 1 EU) mangels ausdrücklicher Beschränkungen auch 4 Beschluß des Rates vom 20.12.1993 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten (931731IEG), ABl.EG L 340, 43; dazu EuGH, Rs. 58/94 (Fn. 2), Rn. 34 ff. Die Kommission hatte mit Beschluß vom 08.02.1994 (94/90IEGKS, EG, Euratom), ABl.EG 1994, L 46,58 für ihren Bereich i. W. gleichlautende Vorschriften erlassen. Für das Europäische Parlament gilt der Beschluß 97/6321EG, EGKS, Euratom vom 10.07.1997, ABl.EG L 263, 27. Nach Erwägungsgrund 17 der Verordnung 104912001 sollen diese Beschlüsse demnächst als "Sonderbestimmungen" im Sinne des Art. 255 Abs. 3 EG an die Verordnung angepaßt oder aufgehoben werden.

A. Bisherige Handhabung des Zugangs zu Dokumenten

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für Dokumente, die sich auf die Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Titel VI EUV) beziehen. 5 Sein Art. 4 enthält zwei Kategorien von Ausnahmen zu diesem Prinzip des allgemeinen Zugangs; diese müssen restriktiv ausgelegt werden, um die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes nicht zu beeinträchtigen. 6 Die erste Kategorie umfaßt die Fälle, in denen der Rat aus bestimmten Gründen den Zugang zu seinen Dokumenten verweigern muß. Der Zugang zu einem Dokument ist strikt ausgeschlossen, wenn durch die Verbreitung des Dokuments der Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit, internationale Beziehungen, Währungs stabilität, Rechtspflege, Inspektions- und Untersuchungstätigkeiten), der Schutz des Einzelnen und der Privatsphäre, der Schutz des Geschäfts- und Industriegeheimnisses, der Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft oder die Wahrung einer erbetenen Vertraulichkeit verletzt werden könnte (Art. 4 Abs. 1 Beschluß 93/731). Die zweite Kategorie betrifft Fälle, in denen der Rat den Zugang zwecks Geheimhaltung seiner Erörterungen verweigern darf (Art. 4 Abs. 2 Beschluß 93/731). Für die Fälle der ersten Kategorie war somit die Verweigerung des Zugangs zwingend vorgeschrieben, sofern dargelegt würde, daß die beantragten Dokumente unter einen der Tatbestände fielen? Dagegen hatte der Rat nach der zweiten Kategorie einen Ermessensspielraum, dem ein Anspruch des Bürgers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Zugang zu Ratsdokumenten korrespondierte. 8 Eine gerichtliche Überprüfung von Ermessensfehlern ist bislang aber nur hinsichtlich eines Ermessensnichtgebrauchs erkennbar. 9 Zugangsverweigerungen sind im übrigen nach Art. 253 EG zu begründen. Hierzu müssen die Geheimhaltungserfordernisse bezogen auf die jeweils verlangten Dokumente so konkret dargelegt werden, wie dies ohne Gefahrdung des zu schützenden Geheimnisses möglich ist. Die Begründung muß so abgefaßt sein, daß der Antragsteller seine Rechte verteidigen und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Der pauschale Hinweis auf einen der Ausnahmegründe genügt nicht. 10

5 EuG, Rs. 174/95, Slg. 1998, 11-2289, Rn. 81 ff. (Svenska loumalistverbundet / Rat). 6 Vgl. EuG, Rs. T-105/95, Slg. 1997,11- 313, Rn. 56 (WWF UK / Kommission); Rs. T-174/95 (Pn. 5), Rn. 110; EuGH, verb. Rs. C-174/98 P u. C-189/98 P, EuZW 2000, 347, Rn. 27 (NL u. van der Wal/Rat). 7 Vgl. z. B. EuG, Rs. T-174/95 (Pn. 5), Rn. 111 f. 8 Grundlegend EuG, Rs. T-194/94, Slg. 1995, 11-2765 (Carvel u. Guardian / Rat), Rn. 62 ff., dazu etwa T. Stein in Hummer (Hrsg.), Die Europäische Union nach dem Vertrag von Amsterdam, Wien, 1998, 141, 151 f.; Calliess, ZUR 1996, 143, 144; vgl. ferner EuG, Rs. T-105/95 (Pn. 6), Rn. 59. 9 So auch T. Stein (Pn. 8), 154. 10 Vgl. EuG, Rs. T-105/95 (Pn. 6) Rn. 65; Rs. T-124/96, Slg. 1998,11-231, Rn. 53 ff. (Interpore / Kommission); EuGH (Pn. 6), Rn. 17 ff., 27 f., EuZW 2000, 349 f.

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A. Bisherige Handhabung des Zugangs zu Dokumenten

Soweit die Europäischen Gerichte bislang Entscheidungen der Organe, in denen der Zugang zu Dokumenten abgelehnt wurde, für nichtig erklärt haben, geschah dies stets wegen einer nach Meinung des Gerichts unzureichenden Begründung. Nur ganz vereinzelt finden sich Ansätze für eine Interpretation der im Beschluß 931731lEG normierten Ausnahmetatbestände. ll Bislang ist auch offen, inwiefern die Gerichte eine von Rat oder Kommission offengelegte Abwägung zwischen dem Zugangsrecht des Bürgers und den Geheimhaltungsinteressen des Organs nachprüfen würden. Außerdem hat das EuG den Organen die Befugnis zugestanden, auch dann zwingende Ausnahmegründe der ersten Kategorie anzuführen, wenn daneben Ermessensausnahmen anwendbar wären. Auf diese Weise haben die Organe die Möglichkeit, sich der Offenlegung ihrer Ermessenserwägungen zu entziehen. 12 Insgesamt läßt die Rechtsprechung der europäischen Gerichte also in Fragen der Transparenz bis in jüngste Zeit sehr große Zurückhaltung erkennen. 13

11 S. z. B. EuGH (Fn. 6), Rn. 24 ff. zum Ausnahmetatbestand Schutz des öffentlichen Interesses an geordneter Rechtspflege; EuG (Fn. 5), Rn. 121 ff. zum Ausnahmetatbestand Schutz der öffentlichen Sicherheit. 12 So die Kritik von Furrer, ZUR 1997, 153, 155, an EuG, Rs. T-105/95 (Fn. 6), Rn. 61. 13 So auch die Bewertung von T. Stein (Fn. 8) 154; s. aber auch Davis, (2000) 25 E.L.Rev. 303, 306 ff., nach dessen Ansicht diese Zurückhaltung durch Gründe der Funktionenverteilung zwischen Gemeinschaftsgesetzgeber und Gemeinschaftsgerichten gerechtfertigt ist.

B. Ergebnisoffenheit der primärrechtlichen Transparenzvorschriften Der Amsterdamer Vertrag gewährt Unionsbürgern erstmals einen primärrechtlichen Anspruch auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (Art. 255 Abs. 1 EG).14 Nach Art. 255 Abs. 2 EG sollen allerdings Rat und Parlament innerhalb von zwei Jahren im Verfahren der Mitentscheidung "die allgemeinen Grundsätze und die aufgrund öffentlicher und privater Interessen geltenden Einschränkungen" für die Ausübung dieses Zugangsrechts festlegen. Darüber hinaus wird jedes der drei Organe Sonderbestimmungen für den Zugang zu seinen Dokumenten in seine Geschäftsordnung aufnehmen (Art. 255 Abs. 3 EG).15 Weitere primärrechtliche Bestimmungen über die Transparenz enthält Art. 207 Abs. 3 UAbs. 2 EG. Danach legt der Rat in seiner Geschäftsordnung zur Anwendung des Art. 255 Abs. 3 die Fälle fest, "in denen davon auszugehen ist, daß er als Gesetzgeber tätig wird, damit in solchen Fällen umfassenderer Zugang zu den Dokumenten gewährt werden kann, gleichzeitig aber die Wirksamkeit des Beschlußfassungsverfahrens gewahrt bleibt." Soweit der Rat hiernach als Gesetzgeber tätig wird, werden "in jedem Fall ... die Abstimmungsergebnisse sowie die Erklärungen zur Stimmabgabe und die Protokollerklärungen veröffentlicht." Art. 255 und Art. 207 EG gelten auch für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und für die Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Art. 28 Abs. 1, Art. 41 Abs. 1 EU). Die neuen Transparenzvorschriften überlassen den Organen selbst die Entscheidung darüber, welche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen sollen und welche nicht. Der Rat darf selbst festlegen, wann er als Gesetzgeber tätig wird und die Pflicht zur Veröffentlichung der Abstimmungsergebnisse und Protokollerklärungen ausgelöst wird. Auch die Normierung der Ausnahmetatbestände ist Sache des Rates und des Parlaments, ohne daß primärrechtlich festgelegt wäre, welche Interessen dem grundsätzlichen Anspruch auf Zugang

14 Vgl. jetzt auch Art. 42 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union; nach Auffassung von GA Leger, Rs. C-353/99 P (Rat / Hautala), 10.07.2001, http://curia.eu.int, Rn. 51 ff., ist die durch Aufnahme in die Charta anerkannte Grundrechtsqualität des Zugangsrechts bei der Auslegung des Art. 255 Abs. 1 EG zu berücksichtigen. IS Erwägungsgrund Nr. 17 der Verordnung (EG) 1049/200 1 sieht die bislang maßgeblichen Beschlüsse (Fn. 4) als derartige Sonderbestimmungen an.

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B. Ergebnisoffenheit der primiirrechtlichen Transparenzvorschriften

zu Dokumenten entgegenstehen können. Der Wortlaut der Art. 207 und 255 EGV veranlaßt für sich genommen deshalb nicht dazu, ein liberaleres Ausnahmenregime zu schaffen als es bislang im Beschluß 93173l/EG festgelegt iSt. 16 Der insoweit bestehende Gestaltungsspielraum der Organe könnte allerdings Grenzen aufweisen, die sich möglicherweise aus einem Transparenzprinzip als einem allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ergeben. Denn allgemeine Rechtsgrundsätze beeinflussen in ihrer Funktion als Rechtsprinzipien die Auslegung des primären Gemeinschaftsrechts. 17 Die Herleitung und Reichweite eines allgemeinen Transparenzprinzips l8 wird Gegenstand der folgenden Ausführungen sein, wobei nach gesetzgeberischer Tätigkeit und Zugang zu sonstigen Dokumenten differenziert werden soll. Sodann wird untersucht, ob sich die Verordnung 1049/200l/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission innerhalb der Grenzen hält, welche der allgemeine Transparenzgrundsatz dem Gestaltungsspielraum der Gemeinschaftsorgane setzt.

16 Vgl. T. Stein (Fn. 8), 155 f. Optimistischer dagegen Wichard in Calliess / Ruffert (Hrsg.), Kommentar des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 1999, Art. 207 EG, Rn. 7; Calliess, ebendort, Art. 1 EU, Rn. 38, sowie Wegener, ebendort, Art. 255 EG, Rn. 13. 17 Vgl. Szczekalla in Rengeling (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Umweltrechts, § 11, Rn. 27 ff., 31; ähnlich Bleckmann, NVwZ 1993, 824, 826; Wegener in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 220 EG, Rn. 28 Fn. 11l. 18 EuGH, 06.12.2001, Rs. C-353/99 P, http://curia.eu.int, Rn. 31 (Rat / Hautala), hat ausdrücklich offengelassen, ob ein ..Grundsatz des Rechts auf Information" anzuerkennen ist.

C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes Die Geltung allgemeiner Rechtsgrundsätze im internationalen Recht beruht ähnlich wie diejenige der Normen nationalen Rechts auf dem ideellen Anspruch normativer Verpflichtung und der Realität der Verwirklichung der Norm im Leben der Gesellschaft. 19 Wichtigster Anhaltspunkt für die ideelle Geltung internationaler Rechtsnormen ist die Rechtsüberzeugnung der zum jeweiligen Geltungsbereich der internationalen Rechtsordnung gehörenden Staatsvölker, anders gesagt der "Konsens" der "in staatliche Rechtsordnungen aufgeteilten Menschheit. ,,20 Die Frage ist allerdings, worin angesichts divergierender staatlicher Rechtsüberzeugungen dieser den Inhalt eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes bestimmende Konsens bestehen kann. Kurz gefaßt lautet die Antwort: in einer Synthese von Teilaussagen der jeweiligen internationalen Rechtsordnung als Ausdruck einer gemeinsamen Rechtsüberzeugung und aus den Aussagen der nationalen Rechtsordnungen der Staaten, die von der jeweiligen internationalen Rechtsordnung umfaßt werden. Damit ist vorgegeben, auf welche Weise Inhalt und Grenzen eines gemeinschaftsrechtlichen Publizitätsgrundsatzes zu ermitteln sind. Zunächst gilt es, seine primärrechtlichen Ansatzpunkte zu erfassen. Da die Europäische Menschenrechtskonvention gemäß Art. 6 Abs. 2 EU die maßgebliche Rechtserkenntnisquelle für die Gemeinschaftsgrundrechte ist,21 dürfen ihre publizitätsfördernden Gehalte nicht ver19 Hierzu und zum folgenden grundlegend K. M. Meessen, JIR 17 (1974), 283, 289 ff. in Anlehnung an Scheuner, GS Marcic, 889, 890 und Wehei, An den Grenzen des Rechts: Die Frage nach der Rechtsgeltung, 30 f.; vgl. ferner A. Schmitt Glaeser, Grundgesetz und Europarecht als Elemente Europäischen Verfassungsrechts, 1996, 170 ff., der die Entwicklung allgemeiner Rechtsgrundsätze, namentlich der Gemeinschaftsgrundrechte als Gegenstand der in Art. F Abs. 1 EUV (jetzt Art. 6 Abs. 3 EU) statuierten Pflicht zur Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten ansieht. 20 Mosler, Internationale FS Verdross, 1971,381,404. 21 Art. 6 Abs. 2 EU ordnet die Geltung von "Grundrechten" für die Europäische Union an, ist also nunmehr insoweit die maßgebliche "Rechtsquelle" i. S. der Terminologie von z. B. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 1994, 537 ff. Der Begriff der "Grundrechte" in Art. 6 Abs. 2 EU ist unter Rückgriff auf die dort genannten Rechtserkenntnisquellen EMRK und gemeinsame Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten auszulegen; die größte Bedeutung dafür hat die EMRK, die der einzige Text ist, in dem die Mitgliedstaaten "verbindlich erklärt haben, was für sie als Grundrecht gilt", vgl. Pernice, NJW 1990, 2409, 2414; EuGH, Gutachten 2/94, Slg. 1996,1-1759, Rn. 33 ff., hat klargestellt, daß keine unmittelbare Bindung der Europäischen Union an die EMRK besteht, anders noch z. B. Bleckmann, Die Bindung der Europäischen Gemeinschaft an die EMRK, 1986,79 ff.; Kugelmann, Grundrechte in Europa, 1997,51; Kühling, EuGRZ

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C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

nachlässigt werden. Sodann ist im Wege wertender Rechtsvergleichung 22 exemplarisch 23 die Reichweite des Öffentlichkeitsgrundsatzes in den Rechtsordnungen Deutschlands, Frankreichs, Englands und Schwedens zu ermitteln. Dabei ist zwischen Gesetzgebung und Zugang zu Verwaltungsvorgängen zu differenzieren. Die Aussagen der nationalen Rechtsordnungen sind schließlich im Lichte der Unionsstruktur und der besonderen Probleme einer Verwirklichung von Demokratie auf Unionsebene zu bewerten. Der gelegentlich gegen die wertende Rechtsvergleichung erhobene Einwand, sie führe im Ergebnis zu einer "schrankenlosen Rechtsschöpfungsbefugnis",24 soll als Warnung davor verstanden werden, das rechts politisch vielleicht Wünschenswerte vorschnell als Rechtsgrundsatz auszugeben.

I. Primärrechtliche Teilaussagen Wenn gemäß Art. lAbs. 2 EU in der Europäischen Union die Entscheidungen insbesondere "möglichst offen" getroffen werden sollen, wird dadurch zwar für die Unionsebene ein Transparenzgrundsatz formuliert. Dieser hält sich jedoch mangels verfahrensrechtlicher Ausführungsbestimmungen auf der Ebene der politisch-programmatischen Absichtserklärung und hat keine konkreten rechtlichen Wirkungen. 25 Art. 1 Abs. 2 EU gehört außerdem nicht zum nach Art. 46 EU justitiabien Unionsvertragsrecht. Bestimmungen, die von Art. 46 EU nicht erfaßt sind, können aber niemals Entscheidungsmaßstäbe für den EuGH sein. Insbesondere verwehrt es Art. 46 EU dem EuGH, die Gültigkeit sekundärer Akte am Maßstab nicht justitiabien Unionsprimärrechts zu überprüfen. Dies gilt selbst bei Inzidentfragen, soll die in Art. 46 EU ausgedrückte Beschränkung der Zuständigkeit des EuGH nicht unterlaufen werden. 26 Auch für 1997, 296, 297; vgl. zum ganzen ferner Kingreen in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 6 EU, Rn. 33 ff., 40, sowie Pauly, EuR 1998,242,253. 22 Grundlegend Zweigert, FS Dölle, Band 2, 401, 417 f.; ders., RabelsZ 28 (1964), 601,611; Meessen, JIR 17 (1974), 283, 301 f.; Nicolaysen, EuR 1972,383; vgl. ferner Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft, 1996, 13 m.w.N. 23 Zur exemplarischen Methode in der Rechtsvergleichung durch Strukturierung der Rechtsordnungen in sog. Rechtskreise grundlegend Zweigert / Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, §§ 3 IV, 5; dem für das öffentliche Recht folgend z. B. Ruffert (Fn. 22),89. 24 So Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), 190, 219; tendenziell Oppermann, Europarecht, Rn. 483. 25 Zur Bedeutung verfahrensrechtlicher Ausführungsbestimmungen für die Klassifikation von Bestimmungen des Unionsvertrags als Programmsätze BVerfGE 89, 155, 196. 26 Cremer in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 46 EU, Rn. 9; vgl. ferner Epiney, EuR 1994,301,307; zu weit gehend daher Curtin, C.M.L.Rev. 2000, 14 ff.

I. Primärrechtliche Teilaussagen

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die richterrechtliche Entwicklung allgemeiner Rechtsgrundsätze wird der EuGH nicht auf Bestimmungen der Verträge zurückgreifen dürfen, die seiner Zuständigkeit ausdrücklich entzogen sind. 27 Ein weiterer unionsvertragsrechtlicher Ansatzpunkt für einen Transparenzgrundsatz könnte Art. 6 Abs. 3 EU in Verbindung mit der von Schweden anläßlich des Beitritts zur Union abgegebenen "Erklärung zur Öffentlichkeit der Verwaltung u28 sein. Nach dieser Erklärung "sind und bleiben die Öffentlichkeit der Verwaltung und insbesondere der allgemeine Zugang zu Dokumenten sowie der verfassungsrechtliche Schutz von Personen, die Informationen an die Medien weitergeben, [... ] fundamentale Grundsätze, die Bestandteile des verfassungsrechtlichen, politischen und kulturellen Erbes von Schweden darstellen. Gemäß Art. 6 Abs. 3 EU hat die Union die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten zu achten. Diese Bestimmung wird gerade im deutschen Schrifttum29 häufig als konkrete Pflicht zur Rücksichtnahme auf diejenigen Grundwerte angesehen, welche das nationale Selbstverständnis der Mitgliedstaaten ausmachen. Bei einem Konflikt zwischen identitätsbildenden Grundwerten eines Mitgliedstaates und europäischem Recht haben die nationalen Werte hiernach zwar keinen Vorrang. Allerdings hat sich die Union um einen schonenden Ausgleich zu bemühen. 3o Hält man diese Deutung des Art. 6 Abs. 3 EU für richtig,31 könnte ein unionsvertraglicher Transparenzgrundsatz wie folgt beU

27 Toth, A Legal Analysis of Subsidiarity, in: O'Keeffe / Twomey (Hrsg.), Legal Issues of the Maastricht Treaty, 1994,38,48. 28 Abl.EG 1994, C 241,397, dazu auch Bemitz, C.M.L.Rev. 2001, 903, 919. 29 Vgl. demgegenüber die eher beiläufige Erwähnung des Art. F Abs. I EUV Uetzt Art. 6 Abs. 3 EU) z. B. bei Dashwood, (1996) 21 E.L.Rev. 113, Fn. I, bei dems., (1998) 23 ELRev. 202, sowie in Wyatt & Dashwood's European Union Law, 151, 182; als deutsche eher skeptische Stimme z. B. Lecheier, Arch VR 1994, 19: der EuGH werde nicht zögern, Art. 6 Abs. 3 EU als lediglich politisch-programmatische Bestimmung anzusehen. 30 Puttler (Fn. 33), Art. 6 EU, Rn. 195; Hilf, GS Grabitz, 1995, 165; sehr viel weitergehend Bleckmann, JZ 1997, 266 f., wonach die Vorschrift eine Wesensgehaltsgarantie für einen Kern von Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten enthält, die nicht nur entgegen Art. 46 EU justitiabel sein, sondern als Bestandteil eines ..europäischen ordre public" sogar im Rang über dem Primärrecht stehen soll; ebenfalls weitergehend A. Schmitt Glaeser, (Fn. 19), 178 ff., wonach die nationalen Rechtsordnungen im Rahmen der europäischen Kooperationsverfassung als grundsätzlich verbindliche Vorgabe betrachtet werden müssen. 31 Gelesen im Zusammenhang mit dem in Art. 2 Spiegelstrich 2 EU genannten und in der Präambel des Unionsvertrags nochmals hervorgehobenen Ziel der Union, ihre Identität auf internationaler Ebene zu behaupten, dürfte sich der rechtliche Gehalt des Art. 6 Abs. 3 EU darauf beschränken, das Nebeneinander von Union und Mitgliedstaaten im europäischen Mehrebenensystem primärrechtlich abzusichern, in diesem Sinne Pemice in Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Band 11, 1998, Art. 23 GG, Rn. 23; wohl auch Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der EU, 151 f.: Art. 6 Abs. 3 EU als kompetentielle ..Notbremse"; s. ferner Dashwood, (1998) ELRev. 202: ..The instruments comprising the written part of the European Union's constitution contain a variety of formal

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C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

gründet werden: Zur nationalen Identität eines Mitgliedstaats 32 werden auf jeden Fall diejenigen verfassungsrechtlich normierten Wertvorstellungen gehören, die aufgrund förmlicher Erklärung des Mitgliedstaats sein nationales Selbstverständnis ausmachen. 33 Der Transparenzgrundsatz bildet demnach ein Element der nationalen Identität Schwedens, welches die Union gemäß Art. 6 Abs. 3 EU allerdings nur zu "achten", nicht etwa zu bewahren oder zu sichern hat. Außerdem haben die übrigen Mitgliedstaaten auf die schwedische Erklärung reagiert, indem sie "die einseitige Erklärung Schwedens über Offenheit und Transparenz zur Kenntnis" genommen haben und davon ausgegangen sind, "daß Schweden als Mitglied der Europäischen Union den diesbezüglichen Gemeinschaftsvorschriften in vollem Umfang nachkommen wird." Der normative Gehalt eines so begründeten Transparenzgrundsatzes ist daher von vornherein nur ein äußerst geringer. Seine praktische Bedeutung verringert sich weiter deshalb, weil Art. 46 EU auch den Art. 6 Abs. 3 EU aus der Zuständigkeit des EuGH herausnimmt. Auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft steht dem Zugangsrecht der Unionsbürger zu Dokumenten des Europäischen Parlamentes, des Rates und der Kommission aus Art. 255 Abs. 1 EG die Vorschrift über das Amts- bzw. Berufsgeheimnis (Art. 287 EG) gegenüber. Demnach sind insbesondere die "Mitglieder der Organe" verpflichtet, "Auskünfte, die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen, nicht preiszugeben; dies gilt insbesondere für Auskünfte über Unternehmen sowie deren Geschäftsbeziehungen oder Kostenelemente." Neben den Mitgliedern der Organe, den Beamten und Bediensteten der Gemeinschaft verpflichtet Art. 287 EG nach dem Zweck der Vorschrift auch die Organe selbst zur Geheimhaltung. 34 Unter das Berufsgeheimnis fallen ihrem Wesen nach diejenigen Informationen, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind, dem jeweiligen Geheimschutzverpflichteten in amtlicher oder beruflicher Eigenschaft bekannt geworden sind und deren Geheimhaltung auch unter Berücksichtigung gegenläufiger Interessen an ihrer Verbreitung

indications that belonging to the Union in no way casts doubt on Members' continued existence as States, in the fuHest acceptation of that slippery notion. First and foremost, it is explicitly provided by Article F(l) TEU that ,[t]he Union shaH respect the national identities of its Member States'." 32 Dazu näher Bleckmann, JZ 1997,265 f.; Hilf, GS Grabitz, 1995, 157, 167 f. 33 So auch Puttler in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 6 EU, Rn. 191 a. E.; Hilf in Grabit, / Hilf (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Art. F EUV, Rn. 8, sowie ders., GS Grabitz, 1995, 167; a. A. Lecheler, ArchVR 1994, 19: die nationale Identität .. umfaßt sicherlich nicht einen wie auch immer zu definierenden verfassungsrechtlichen Minimalbestand". 34 Wegener in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 287 EG, Rn. 6; Hummer in Grabit, / Hilf, (Fn. 33) Art. 214 EGV, Rn. 7 a. E.

1I. Ansatzpunkte in der Europäischen Menschenrechtskonvention

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objektiv geboten ist. 35 Die in Art. 287 EG genannten Regelbeispiele sind wegen des Ausdrucks "insbesondere" keinesfalls abschließend 36 und wegen des Erfordernisses der Abwägung auch nicht zwingend. Als gegenläufige Interessen, aufgrund derer die Bekanntgabe gerechtfertigt sein kann, sind bislang die Begründungspflicht aus Art. 190 EGV (jetzt Art. 253 EG), die Wahrung der Verteidigungsrechte Dritter in Verwaltungsverfahren und die aus Art. 5 EGV (jetzt Art. 10 EG) folgende Pflicht zur Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Mitgliedstaaten erörtert worden. 37 In Betracht kommt nunmehr aber auch der Zugangsanspruch zu Dokumenten gemäß Art. 255 Abs. 1 EG. Primärrechtlich besteht also ein durch Interessenabwägung aufzulösendes Spannungsverhältnis zwischen dem Zugangsanspruch und der Geheimhaltungspflicht. Die Tatbestände, die eine Geheimhaltung rechtfertigen können, sind aber nicht abschließend festgelegt. Die prinzipielle lustitiabilität eines gemeinschaftlichen Transparenzgrundsatzes ist durch Art. 220 EG vorgegeben. Denn zum "Recht", dessen Wahrung hiernach Aufgabe des Gerichtshofs ist, gehören auch die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts. 38 Über die Intensität, mit der die europäische Gerichtsbarkeit die Beachtung eines Transparenzgrundsatzes zu kontrollieren hätte, ist damit aber noch nichts gesagt.

11. Ansatzpunkte in der Europäischen Menschenrechtskonvention Hier kommt als Grundlage für einen Zugangsanspruch zu Dokumenten des Rates zunächst Art. 10 Abs. 1 EMRK i. V. m. Art. 6 Abs. 2 und Art. 46 lit. d) EU in Betracht, der insbesondere die Freiheit zum "Empfang von Nachrichten oder Ideen" schützt. Sehr fraglich ist allerdings, ob die Gemeinschaftsorgane mittels dieses Rechts auf Information dazu veranlaßt werden können, Auskünfte über nicht allgemein zugängliche Vorgänge zu erteilen. Gewiß hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als logische Folge aus der Informationsfunktion der Medien ein Recht der Öffentlichkeit anerkannt, von den Me35 Dazu z. B. EuGH, verb. Rs. 296, 318/82 (Niederlande und Leeuwarder Papierwarenfabriek / Kommission) Slg. 1985, 809, Rn. 27; EuGH, Rs. 264/82 (Timex / Rat und Kommission) Slg. 1985,849, Rn. 24 ff.; Wegener in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 287 EG, Rn. 2; im Ergebnis auch Hummer in Grabitz / Hilf (Fn. 33), Art. 214 EGV, Rn. 20, mit etwas anderer Konstruktion. 36 Vgl. z. B. EuGH, Rs. 145/83 (Adams / Kommission) Slg. 1985, 3539, Rn. 34: Schutz eines Informanten. 37 Vgl. z. B. EuGH, Rs. 296, 318/82 (Fn. 35); Rs. 264/82 (Fn. 35); EuG, Rs. T-30/91 (Solvay / Kommission) Slg. 1995, 1I-1775, Rn. 88 ff.; Rs. T-353/94 (Postbank / Kommission) Slg. 1996, 1I-921, Rn. 84 ff; s. a. Hummer in Grabitz / Hilf (Fn. 34), Rn. 21; zum folgenden jetzt auch Hatje in Schwarze (Fn. 2), Art. 287 EGV, Rn. 1. 38 Vgl. Wegener in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 220 EG, Rn. 4 a. E. 2 Heitsch

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C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

dien verbreitete Informationen über Angelegenheiten von allgemeinem Interesse zu empfangen. 39 Und die ehemalige Europäische Kommission für Menschenrechte hat gelegentlich angedeutet, daß ein Bedürfnis danach besteht, daß die Medien selbst genau informiert werden, damit sie ihrerseits ihre Informationsfunktion gegenüber der Öffentlichkeit erfüllen können. Im konkreten Fall hat sie es jedoch dahinstehen lassen, ob das Recht der Antragsteller auf Empfang und Verbreitung von Nachrichten beeinträchtigt sei. 4o Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat schließlich mehrfach festgestellt, daß Art. 10 EMRK es einem Staat im wesentlichen verbiete, den Empfang von Informationen zu verhindern, die jemand weitergeben wolle. Unter Hinweis auf die Umstände der konkreten Fälle hat er aber eine Verpflichtung des Staates, dem Einzelnen tatsächlich bestimmte Informationen zu geben oder gar Informationen zum Zweck der Veröffentlichung zu sammeln, stets abgelehnt. 41 Sektoral begrenzt können derartige Pflichten aber durchaus exististieren, etwa gemäß Art. 8 EMRK bezogen auf Informationen über die von einem Betrieb ausgehenden Umweltgefährdungen. 42 Allgemein ist aus Art. 10 EMRK lediglich der Grundsatz abzuleiten, daß der Staat sein Informationssystem so einrichten muß, daß man sich tatsächlich über die wesentlichen Fragen informieren kann. Anderenfalls liefe das vom Gerichtshof dem Grundsatz nach anerkannte Recht des Publikums, angemessen informiert zu werden, völlig leer. 43 Weitere Ansatzpunkte für einen Publizitätsgrundsatz finden sich in der Präambel der EMRK sowie in Art. 3 des l. ZP. Die Präambel weist nämlich darauf hin, daß "die Aufrechterhaltung der [in der EMRK verankerten] Grundfreiheiten wesentlich auf einem wahrhaft demokratischen Regime beruht". In Art. 3 des 1. ZP zur EMRK haben sich die Hohen Vertragschließenden Teile zudem 39 EGMR, Sunday Times / UK, Series A, N. 30, § 65; daß das Empfangsrecht der Öffentlichkeit logisch von der Informationsfunktion der Medien abhängt, hat der EGMR erst in jüngerer Zeit herausgearbeitet, vgl. Guerra u. a. / Italien, RJD 1998-1,210,226, Rn. 53. 40 Vgl. EKMR, Atkinson u. a. / UK, 13366/87, DR 67, 244, 250: "In order that the media may perform their function of imparting information there is a need that they should be accurately informed." 41 Vgl. EGMR, Leander / Schweden, Series A, No. 116, 29 (Rn. 7): "The Court observes that the right to freedom to receive information basically prohibits a Govemment from restricting a person from receiving information that others wish or may be willing to impart to hirn. Article 10 does not, in circumstances such as those of the present case, confer on the individual a right of access to a register containing information on his personal position, nor does it embody an obligation on the Govemment to impart such information to the indivdual." Vgl. ferner EGMR, Gaskin / UK, Series A, No. 160, 21 (Rn. 52), sowie Guerra (Fn. 39), Rn. 53. 42 EGMR, Guerra (Fn. 39), Rn. 56 ff.,60. 43 Frowein in Frowein / Peukert, EMRK-Kommentar, Art. 10 EMRK, Rn. 13; im Ansatz ähnlich Curtin / Meijers, 32 C.MLRev. 391,400 f., wonach unausgesprochene Prämisse des Art. 10 EMRK eine erhebliche Offenheit der staatlichen Tätigkeit ist.

III. Vergleich ausgewählter nationaler Rechtsordnungen

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verpflichtet, in angemessenen Zeitabständen freie und geheime Wahlen unter Bedingungen abzuhalten, die ..die freie Äußerung der Meinung des Volkes bei der Wahl der gesetzgebenden Organe gewährleisten." Voraussetzung dafür, daß sich das Volk im Vorfeld der Wahlen eine Meinung über die Mitglieder gesetzgebenden Organe bilden kann, ist ausreichende Information über deren Tätigkeit unter Einschluß der Vorbereitung von Gesetzgebungsmaßnahmen. Zu wirklich freien Wahlen gehört die Möglichkeit, eine wohlinformierte Auswahl zwischen den Kandidaten zu treffen. Auf derart abstrakter Ebene setzt Art. 3 des 1. ZP gewiß eine hinreichende Offenheit staatlicher Tätigkeit voraus. 44 Einklagbare Rechte auf Zugang zu Informationen folgen daraus aber nicht.

111. Vergleich ausgewählter nationaler Rechtsordnungen Der Rechtsvergleich soll zunächst Hinweise darauf geben, was in den einzelnen Rechtsordnungen unter Gesetzgebung verstanden wird und ob eine nichtöffentliche Gesetzgebung zulässig ist. Sodann ist zu ermitteln, inwiefern das nationale Recht den Zugang zu amtlichen Akten eröffnet. Hierzu wird exemplarisch das deutsche, fanzösische, englische und schwedische Recht betrachtet.

1. Publizität der Gesetzgebung a) Bundesrepublik Deutschland Nach dem Grundgesetz ist für die Gesetzgebung unabdingbar eine maßgebliche Beteiligung des Parlaments (Art. 76 ff. GG). Die Struktur der Gesetze kann dagegen im modemen Sozialstaat variieren (z. B. "allgemeine", Maßnahme-, Plangesetze). Für den Begriff des Gesetzes kann unter dem Grundgesetz daher nur die Parlamentsbeteiligung charakteristisch sein: Gesetz ist jede Anordnung der gesetzgebenden Körperschaften im Gesetzgebungsverfahren und in der Form des Gesetzes. 45 Wenn Art. 20 Abs. 3 Hs. 2 GG die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an "Gesetz und Recht" anordnet, ist hiermit der Vorrang des Gesetzes 46 als zentraler Grundsatz des Rechts44 Wohl weitergehend Curtin / Meijers, 32 C.M.L.Rev. 391, 399 f. (1995), unter Berufung auf den nach Art. 31 WVK maßgeblichen Sinn und Zweck der EMRK. 45 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 506; Stettner in Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Band 11, Art. 76 GG, Rn. 8; Stern, Staatsrecht, Band 11, 1980, 568; Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, 156; "sub specie der Kompetenzordnung" auch Rozek in v. Mangoldt / Klein / Starck, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Band 2, Art. 70 GG, Rn. 22. 46 Dazu näher Stern, Staatsrecht I, 803 ff.

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C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

staatsgedankens angesprochen. Gefordert ist einerseits die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung i. S. einer Orientierung der Verwaltung am Gesetz, andererseits der Vorrang des Gesetzes i. S. einer Kollisionsregel, nach der kein untergesetzlicher Rechtsakt dem parlamentarischen Gesetz widersprechen darf. Im Umfang des formellen und materiellen Geltungsumfangs der Gesetze darf das Handeln der vollziehenden Gewalt deren Geltungsbefehl nicht widersprechen: Geboten ist, bestehende Gesetze anzuwenden (Befolgungsgebot); verboten ist, von ihrem Inhalt abzuweichen (Abweichungsverbot).47 Die von Art. 42 Abs. 1 GG geforderte Öffentlichkeit parlamentarischer Verhandlungen ist ein notwendiges Begleitinstrument der repräsentativen Regierungsform. 48 Sie sichert den Einfluß der Wähler auf die Gewählten durch die öffentliche Meinung49 und ist Voraussetzung für die in einem pluralistischen Gemeinwesen unverzichtbare Herausarbeitung und Artikulation von Interessen und Überzeugungen; sie klärt Konfliktlinien, ermöglicht Kompromisse und ist unerläßlich für die demokratische Legitimation parlamentarischer Entscheidungen. so Nur wenn das Entscheidungsverfahren der Repräsentanten transparent ist, kann das für das Funktionieren der parlamentarischen Demokratie unerläßliche Vertrauen des Souveräns entstehen. S1 So gesehen, ist die Öffentlichkeit parlamentarischer Entscheidungssuche und Auseinandersetzung ein wesentliches Element der parlamentarischen Demokratie und als solches von der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG umfaßt. s2 Das Öffentlichkeitsgebot des Art. 42 Abs. 1 GG ist nach h. M. auf die Verhandlungen des Plenums beschränkt; die Tätigkeit der Ausschüsse soll nicht erfaßt sein. 53 Daher kann der Bundestag für die Ausschußsitzungen Regelungen kraft seiner Geschäftsordnungsautonomie treffen. Demgemäß bestimmt § 69 Abs. 1 GeschO BT, daß Ausschußberatungen grundsätzlich nichtöffentlich sind, die Ausschüsse jedoch 47 Vgl. dazu z. B. Ossenbühl in lsensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band III, § 62 Rn. 2 ff.; Gusy, JuS 1983, 189, 191; Schulze-Fielitz in Dreier (Fn. 45), Art. 20 GG, Rn. 83. 48 Vgl. z. B. Smend, GS Jellinek, 1955, 11, 16; Morlok in Dreier (Fn. 45), Art. 42 GG, Rn. 20; Achterberg / Schulte in v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 45), Art. 42 GG, Rn. 1 f. 49 Hesse (Fn. 45), Rn. 152. 50 Vgl. Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, 1976,296 f. 51 BVerfGE 40,296,327. 52 Morlok in Dreier (Fn. 45), Art. 42 GG, Rn. 20 a. E. m. w. N.; zurückhaltender Kahl, ZG 1996, 226, sowie Maunz in Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 42 GG, Rn. 1; für "Staffage" hält dagegen Weber, Spannungen und Kräfte im westdeutschen Verfassungssystem, 80 mit Fn. 40, die Öffentlichkeit bei den Plenarsitzungen der modernen Parlamente. 53 BVerfGE 1, 144, 152; H. P. Schneider in Wassermann (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 42 GG, Rn. 5; Kahl, ZG 1996, 225; im Ansatz auch Achterberg / Schulte in v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 45), Art. 42 GG, Rn. 10, sowie Versteyl in v. Münch / Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Band 2, Art. 42 GG, Rn. 3.

III. Vergleich ausgewählter nationaler Rechtsordnungen

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die Öffentlichkeit zulassen dürfen. Die grundsätzliche Nichtöffentlichkeit der Ausschußberatungen soll für ein freieres Redeverhalten der Mitglieder sorgen, das Ausloten von Kompromißmöglichkeiten erleichtern und die Verlagerung politisch wichtiger Entscheidungen in informelle Fraktionsarbeitskreise verhindern. 54 Allerdings hat sich die parlamentarische Arbeit faktisch schon seit langem vom Plenum in die Ausschüsse verlagert, so daß die in den Ausschüssen getroffenen Entscheidungen vom Plenum praktisch nur noch ratifiziert werden. 55 Die normativen Anforderungen an das parlamentarische Geschehen müssen überall dort gelten, wo wesentliche parlamentarische Arbeit geleistet wird. Insbesondere darf die maßgebliche Vorbereitung parlamentarischer Entscheidungen nur dann einem engen Kreis von fachlich spezialisierten Ausschußmitgliedern überlassen werden, sofern die entscheidungslegitimierende Kommunikation mit dem Volk stattfinden kann. Die grundsätzliche Nichtöffentlichkeit der Ausschußberatungen ist daher verfassungsrechtlich nicht haltbar. 56 Soweit das Grundgesetz die Bundestagsausschüsse eigens erwähnt, unterstellt es übrigens Ausschüsse und Plenum durchgängig denselben Grundsätzen (Art. 42 Abs. 3, Art. 43 Abs. 1,2 GG). Daher kann das Wortlautargument nicht recht überzeugen, aus der fehlenden Erwähnung der Ausschüsse in Art. 42 Abs. 1 GG folge insoweit die Nichtgeltung des Öffentlichkeitspostulats. Soweit Ausschüsse des Bundestages nichtöffentlich tagen, werden ihre Berichte an das Plenum als Vorlagen gedruckt (§ 75 Abs. 2, § 77 Abs. 1 GeschO BT) und sind über die Bundestagsverwaltung öffentlich zugänglich. Der Öffentlichkeitsgrundsatz gilt gemäß Art. 52 Abs. 3 S. 3, 4 GG übrigens auch für den Bundesrat, jenes Organ also, in dem die Länder, vertreten durch Mitglieder ihrer Regierungen, an der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes sowie in Angelegenheiten der europäischen Union mitwirken. Er bezieht sich nach dem Wortlaut auf jeden Fall auf das Plenum, aber nicht auf die Ausschüsse, da diese ausnahmslos vorbereitend tätig sind. Richtiger Ansicht nach hat dagegen die Europakammer (Art. 52 Abs. 3a GG) öffentlich zu tagen, da sie Beschlußfunk-

54

69.

Vgl. Scheuner, FS Eschenburg, 143, 154; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff,

5S Hierzu für viele Achterberg / Schulte (Fn. 53), Art. 42 GG, Rn. 14; konsequent BVerfGE 80, 188,200, wonach die Ausschüsse "in die Repräsentation des Volkes durch das Parlament einbezogen" sind. S6 Morlok in Dreier (Fn. 45), Art. 42 GG, Rn. 24; differenzierend zwischen entscheidenden und vorbereitenden Ausschüssen Achterberg / Schulte (Fn. 53), Rn. 16; rechtspolitisch für verstärkte Ausschußöffentlichkeit z. B. Schneider (Fn. 53), Rn. 5; Versteyl (Fn. 53), Rn. 5; die Parlamente Bayerns und Berlins kennen übrigens seit langem die Ausschußöffentlichkeit, ohne daß Beeinträchtigungen der Arbeit bekannt geworden wären.

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C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

tionen wahrnimmt. 57 Vertraulich sind dagegen die Sitzungen des auf Kompromiß ausgerichteten Vermittlungsausschusses (§ 6 GOVermA).

b) Frankreich Im französischen Verfassungsrecht ist die Gesetzgebungskompetenz des Parlaments seit 1958 auf bestimmte Bereiche beschränkt ("le domaine de la loi,,).58 Deren Kern ergibt sich unmittelbar aus der Verfassung von 1958, und zwar an erster Stelle aus deren Art. 34. Nach dieser Vorschrift werden durch Gesetz geregelt insbesondere die Bürgerrechte, die Staatsangehörigkeit, der Personenstand und die Rechtsfahigkeit, das Strafrecht und das Strafverfahrensrecht, das Wahlrecht, die Besteuerung, die Verwaltungs- und Gerichtsorganisation, der Staatshaushalt und die Finanzierung der Sozialversicherung. 59 Nach umstrittener Rechtsprechung des Verfassungsrates können sich Gegenstände der Gesetzgebung aber nicht nur aus Bestimmungen des Verfassungstextes von 1958 ergeben, sondern auch aus den Menschenrechten und Grundsätzen, wie sie in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 und der Verfassungspräambel von 1946 formuliert und dann von der Präambel der Verfassung von 1958 in Bezug genommen wurden. 6O Außerhalb des so umgrenzten Bereichs der Gesetzgebung existiert ein selbständiges Verordnungsrecht der Exekutive ("le domaine du reglement", Art. 37 FrzVerf).61 Die Regierung ist durch Art. 37 Abs. 2 und 41 FrzVerf besonders ermächtigt, die Einhaltung der Grenze zwischen den Bereichen der Gesetzgebung und des selbständigen Verordnungsrechts gerichtlich durchzusetzen. Sie kann hierzu im Gesetzgebungsverfahren den Einwand der Unzulässigkeit der Gesetzgebung erheben, über dessen Berechtigung im Streitfall der Verfassungsrat entscheidet. Nach Erlaß eines Gesestzes kann sie beim Verfassungsrat die Feststellung beantragen, das Gesetz habe materiell verordnungsrechtlichen Charakter. Daraus folgt nach der Rechtsprechung des Verfassungsrats, daß das selbständige Verordnungsrecht nur zugunsten der Regierung besteht. Die ansonsten gemäß Art. 61 FrzVerf 57 Bauer in Dreier (Fn. 45), Art. 52 GG, Rn. 20, 22; § 45f GOBR schreibt denn auch grundsätzlich öffentliche Sitzungen der Europakammer vor. 58 Zum folgenden Pactet, Institutions politiques - Droit constitutionnel, 533 ff. 59 Die im Verfassungstext angelegte Unterscheidung zwischen Materien, die durch Gesetz "geregelt" werden, und solchen, für die das Gesetz nur "Grundsätze bestimmt", spielt in der Praxis keine Rolle mehr, da der Verfassungsrat allgemein zwischen der dem Parlament zustehenden - Infragestellung früherer Vorschriften und ihrer dem Verordnungsrecht unterfallenden Umsetzung unterscheidet, vgl. dazu Rivero / Waline, Droit administratif, Section 3, § 3, Rn. 57. 60 Vgl. Conseil constitutionnel, Decision n° 73-80 (28.11.1973), Rec., p. 75; kritisch dazu z. B. de Soto, R.D.P. 1974,889,897 ff. 61 Dazu näher Pactet (Fn. 58), 540 ff.

III. Vergleich ausgewählter nationaler Rechtsordnungen

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ebenfalls vor dem Verfassungsrat antragsberechtigten Parlamentarier könnten sich dagegen nicht darauf berufen, daß eine formellgesetzliche Vorschrift materiell verordnungsrechtlichen Charakter habe. Daher "habe die Verfassung nicht daran gedacht, eine in einem Gesetz enthaltene materiell verordnungsrechtliche Vorschrift als verfassungswidrig anzusehen. ,,62 Daraus folgt, daß "Übergriffe" des Parlaments in den Bereich des selbständigen Verordnungsrechts solange möglich sind, wie die Regierung damit einverstanden ist. Ein verkündetes Gesetz ist grundsätzlich63 jeglicher nachträglichen Verfassungskontrolle entzogen. Behörden und Gerichte sind nicht befugt, die Gültigkeit eines Gesetzes anzuzweifeln. Außerdem kann ein verkündetes Gesetz nur durch das Parlament selbst abgeändert werden. Dies gilt uneingeschränkt nur dann, wenn das Gesetz eindeutig einen zulässigen Gegenstand der Gesetzgebung regelt. Wenn allerdings das Gesetz auch Bestimmungen enthält, die möglicherweise materiell verordnungsrechtlichen Charakter haben, kann die Regierung mit Einverständnis des gemäß Art. 37 Abs. 2 FrzVerf angerufenen Verfassungsrats diese durch Verordnungen ändern. Außerdem kann sich die Regierung durch ein Ermächtigungsgesetz die Befugnis einräumen lassen, während eines begrenzten Zeitraums durch gesetzesvertretende Verordnungen solche Materien zu regeln, die eigentlich in den Bereich der Gesetzgebung fallen (Art 38 FrzVerf). Im Verhältnis zu "Ausführungsverordnungen" nach Art. 21 Frz Verf gilt der Vorrang des Gesetzes uneingeschränkt. 64 Die Plenarsitzungen der beiden am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Kammern sind gemäß Art. 33 FrzVerf öffentlich, wobei der Wortlaut der Debatten im ,Journal officiel' veröffentlicht wird. Auf Verlangen des Premierministers oder eines Zehntels der Mitglieder kann jede Kammer unter Ausschluß der Öffentlichkeit tagen. Dies soll letztmals am 19.04.1940 geschehen sein. 65 Die Parlamentsausschüsse sind seit 1988 berechtigt, die Öffentlichkeit ihrer Beratungen "durch geeignete Maßnahmen herzustellen." Anhörungen finden in Anwesenheit der Presse statt. Im übrigen wird ein "Bulletin des Commissions" veröffentlicht, welches die Tätigkeit der Ausschüsse darstellt. 66 Die Verhandlungen der paritätisch zusammengesetzten Vermittlungskommission ("Commission mixte paritaire"), die gemäß Art. 45 FrzVerf vom Premierminister ein62 Grundlegend Conseil Constitutionnel, Decision n° 82-143 (30.07.1982), Rec., p. 57, Rn. 11. 63 Die Verfassungsmäßigkeit eines bereits verkündeten Gesetzes kann allerdings noch anläßlich der Überprüfung solcher gesetzlicher Bestimmungen angezweifelt werden, welche es ändern, ergänzen oder sich auf seinen Anwendungsbereich auswirken, vgl. Conseil constitutionnel, Decision n° 85-186 DC (25.01.1985), Rec., p. 43, Rn. 3; zum Vorrang des Gesetzes (..La primaute de la loi") vgl. Pactet (Fn. 58),537 f. 64 Vgl. Conseil d'Etat, 02.02.l983, RDP 1984,212. 65 So jedenfalls Gicquel, Droit constitutionnel et institutions politiques, 676. 66 Gicquel (Fn. 65), 676.

C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

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berufen werden kann, sind vertraulich. 67 Weitgehend im Verborgenen spielt sich der Entstehungsprozeß selbständiger Verordnungen ab. Verordnungsentwürfe werden in der Regel zwar zahlreichen Kommissionen oder Beiräten zur Äußerung vorgelegt; meist wird auch eine amtliche Begründung für den Verordnungserlaß angefertigt. All diese Dokumente müssen aber nicht veröffentlicht werden, und bleiben daher auch meist geheim. 68

c) Großbritannien In Großbritannien gilt der Vorrang des Parlaments ("Parliamentary Supremacy") als Verfassungs grundsatz. Demnach müssen die Gerichte die Gesetze ("Acts of Parliament"), die von Commons und Lords beschlossen sind und die Königliche Zustimmung ("Royal Assent") erhalten haben, anwenden und dürfen sie nicht für ungültig oder verfassungswidrig erklären. 69 Etwaige Verletzungen der parlamentarischen Geschäftsordnungen hindern die Wirksamkeit eines "Act of Parliament" nicht; es kommt nur darauf an, ob das Gesetz formell in Kraft gesetzt ist. 7o Die Gesetzgebungsmacht des Parlaments ist prinzipiell unbeschränkt und umfaßt insbesondere Modifikationen des Richterrechts ("Common Law"). Das Parlament kann seine Gesetzgebungsbefugnis allerdings durch Erlaß eines Gesetzes gegenständlich oder verfahrensmäßig beschränken und ist, solange das entsprechende Gesetz in Kraft bleibt, an diese Beschränkungen gebunden. 71 Weiterer wesentlicher Verfassungsgrundsatz ist die Vorherrschaft des Rechts über die Regierung und Verwaltung ("Rule of Law"). Hiernach sind Regierung und Verwaltung verpflichtet, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die vom Gesetzes- und Richterrecht gesetzten Grenzen ihrer Befugnisse zu beachten. 72 Dies gilt auch, wenn die Regierung in Ausübung sog. "Königlicher Vorrechte" ("Royal Prerogative") z. B. die Aufstellung und Organisation der Streitkräfte oder Angelegenheiten des öffentlichen Dienstes regelt. Das Parlament kann zwar durch Gesetz diese "Vorrechte" beschränken oder abschaffen; ihre Ausübung bedarf aber keiner vorherigen Ermächtigung

Delcamp in Duhamel (Hrsg.), Dictionnaire Constitutionnel, 173 f. Vgl. dazu mit kritischer Tendenz Morange, Recueil Dalloz, 1978, Chroniques, 3. 69 Bradley / Ewing. Constitutional and Adminstrative Law, 53 ff., 57 f.; aus der Rspr. z. B. Madzibamuto v. Lardner-Burke, [1969] 1 AC 645, 723; Manuel v. A-G [1983] Ch 77. 70 Pickin v. British Railways Board, [1974] AC 765, 786 ff. (Lord Reid). 71 Dazu näher Bradley / Ewing (Fn. 69), 69 ff.; Beispiel: freiwillige Akzeptanz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts durch Verabschiedung des European Communities Act 1972, dazu R v. Secretary oJ State Jor Transport. ex parte Factortame Ltd. (2), [1991] 1 AC 603, 658 f. (Lord Bridge). 72 Vgl. Bradley / Ewing (Fn. 69), 99 ff. 67

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III. Vergleich ausgewählter nationaler Rechtsordnungen

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durch das Parlament. 73 Was den Gesetzesbegriff angeht, wird zwischen "Public" und "Private Acts" unterschieden. Ein "Public Act" enthält allgemeingültige Regelungen; "Private Acts" regeln Angelegenheiten einzelner Personen, Unternehmen oder kommunaler Körperschaften. Die Unterscheidung hat aber nur Bedeutung für das Gesetzgebungsverfahren. 74 Damit ein Gesetz zustandekommt, müssen sich Commons und Lords grundsätzlich auf eine einheitliche Fassung einigen, wobei die Konsensfindung Gegenstand vertraulicher, informeller Verhandlungen ist. Gemäß den Parliament Acts 1911/1949 kann das Rouse of Commons die Ablehnung eines Gesetzentwurfes durch das Rouse of Lords dadurch überwinden, daß es das Gesetz nach Ablauf eines Jahres erneut verabschiedet. 75 Bis heute gilt das Recht des Rouse of Commons, die Vertraulichkeit seiner Beratungen sicherzustellen, als Bestandteil seiner Privilegien ("Parliamentary Privilege"). So hat das Parlament in Kriegszeiten gelegentlich die Presse und die Öffentlichkeit ausgeschlossen, um aus Gründen der nationalen Sicherheit die geheime Beratung bestimmter Angelegenheiten zu ermöglichen. Grundsätzlich tagt das Plenum jedoch öffentlich, die Ausschüsse dagegen häufig hinter verschlossenen Türen. Die Entscheidung, ob Parlamentsberatungen einer breiteren Öffentlichkeit außerhalb des Parlaments zugänglich gemacht werden dürfen, gehört traditionell ebenfalls zu den parlamentarischen Privilegien. Erst im Jahre 1971 hat das Rouse of Commons förmlich beschlossen, daß es in Zukunft die Veröffentlichung von Plenar- oder Ausschußberatungen nur noch dann als Verletzung seiner Privilegien ansehen wird, wenn das Plenum oder der betreffende Ausschuß in nichtöffentlicher Sitzung getagt hat. 76

d) Schweden Das schwedische Verfassungsrecht betrachtet als "Gesetze" diejenigen Normbeschlüsse, die der Reichstag faßt. 77 Es existiert eine Rangordnung von Rechtsnormen, wobei die Verfassung für jede Stufe unterschiedliche Verfahrensanforderungen aufstellt. An oberster Stufe befinden sich die Reichsgrundgesetze. Zu deren Änderung bedarf es zweier gleichlautender Beschlüsse des Reichstags, wobei der zweite erst nach Neuwahl des Reichstags vom neu ge73 Bradley / Ewing (Fn. 69), 271 ff., 280 ff.; Attomey-General v. De Keyser's Royal Hotel, [1920] AC 508; Council oJ Civil Service Unions v. Minister oJ State Jor Civil Service, [1985] AC 374, 409 ff. (Lord Diplock), 416 ff. (Lord Roskill). 74 Bradley / Ewing (Fn. 69), 200, 210 ff. 75 Vgl. näher Bradley / Ewing (Fn. 69), 212 ff. 76 Bradley / Ewing (Fn. 69), 238. 77 Zum folgenden Stjemquist, JöR n. F. 26 (1977), 315, 346 ff.; Text der Verfassung ebendort, 369 ff.

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C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

wählten Reichstag gefaßt werden kann (Kap. 8 § 15 SchwedVerf). Die Reichstags-Geschäftsordnung nimmt eine Zwischenstellung ein. Für die Änderung ihrer Hauptbestimmungen fordert die Verfassung nämlich entweder die Form der Grundgesetzgebung oder einen Reichstagsbeschluß mit JA-Mehrheit der Abstimmenden und absoluter Mehrheit der Abgeordneten (Kap. 8 § 16 SchwedVerf). In der Rangordnung folgen sodann die übrigen Gesetze, die durch einfachen Reichstagsbeschluß mit Mehrheit der Abstimmenden zustandekommen. Unter den Gesetzen stehen die Verordnungen der Regierung und die Normbeschlüsse staatlicher Behörden. Nach dem "Grundsatz der formellen Gesetzeskraft" gilt eine Norm solange, bis sie im vorgeschriebenen Verfahren geändert oder aufgehoben ist. Allerdings kann eine rangniedrigere Norm durch eine ranghöhere Norm verändert werden. Die Verfassung schreibt für bestimmte Materien - z. B. für die Regelung der persönliche Stellung des einzelnen sowie der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der einzelnen zueinander, des Verhältnisses der einzelnen zum Gemeinwesen sowie der Eingriffe, welche die persönlichen oder finanziellen Verhältnisse der einzelnen betreffen, der Einteilung des Reiches in Gemeinden und der Gemeindeverfassung - ausdrücklich die Gesetzesform vor, sog. "Geltungsbereich des Gesetzes". Grundsätzlich gilt, daß die Gesetzesform immer verwandt werden kann, wenn sie nicht verboten ist, aber immer benutzt werden muß, wenn sie ausdrücklich vorgeschrieben ist. Wird die Gesetzesform benutzt, ist der Gesetzesbeschluß bindend für die Regierung und für alle, die von ihm berührt werden. Die schwedische Verfassung selbst enthält keine Vorschriften über die Öffentlichkeit von Reichstagssitzungen, sondern überläßt die Regelung dieser Frage der Reichstagsgeschäftsordnung (vgl. Kap. 4 § 10 SchwedVerf). Gemäß Kap. 2 § 4 Reichstags-Geschäftsordnung 78 tagt der Reichstag grundsätzlich öffentlich. Die Sitzungen der nur vorbereitend tätigen (Kap. 4 § 3 SchwedVerf) Reichstagsausschüsse sind dagegen nicht öffentlich. 79 Der Reichstag kann aus Gründen der Sicherheit des Reiches oder mit Rücksicht auf die Beziehungen zu einem anderen Staat oder einer internationalen Organisation die Öffentlichkeit ausschließen, ohne daß es hierzu einer qualifizierten Mehrheit bedarf.

e) Fazit In allen betrachteten Verfassungsordnungen ist das "Gesetz" der vom Parlament erlassene Normbeschluß, der grundsätzlich nach öffentlicher Beratung zustandekommt. Nichtöffentliche Parlamentssitzungen gibt es praktisch nur in

78 Abgedruckt in Blaustein / Flanz (Hrsg.), Constitutions of the Countries of the World: Sweden (1976 - 1984),75 ff. 79 Stjemquist, JöR n. F. 26 (1977),339 f.

III. Vergleich ausgewählter nationaler Rechtsordnungen

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Kriegszeiten. Soweit eine zweite Kammer an der Gesetzgebung mitwirkt, ist das zur Konsensfindung vorgesehene Vermittlungs verfahren vertraulich. Über die Annahme eines Vermittlungsergebnisses wird dann aber wieder in öffentlicher Sitzung entschieden. In der nationalen Normenhierarchie steht das Gesetz weit oben; ein höherer Rang kommt lediglich - soweit diese existiert - einer geschriebenen Verfassung zu.

2. Öffentlichkeit der Verwaltungsvorgänge

a) Deutschland In Deutschland existiert auf Bundesebene bislang noch 80 kein allgemeines, von der Verteidigung rechtlich geschützter Interessen losgelöstes Akteneinsichts- und Informationszugangsrecht. Insbesondere läßt sich ein solches nicht aus der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) ableiten. Denn Behördenvorgänge sind keine "allgemein zugänglichen" Informationen. 81 Vielmehr gewähren § 29 BVwVfG und die gleichlautenden Bestimmungen der Landesverwaltungsverfahrensgesetze lediglich einen verfassungsrechtlich im Rechtsstaatsprinzip verankerten 82 Anspruch auf Einsicht in Verwaltungsakten, der zudem noch in mehrfacher Hinsicht beschränkt ist. Er gilt nämlich nur für die an einem Verwaltungsverfahren (§ 9 VwVfG) formell Beteiligten (§ 13 VwVfG). Anspruchsgegenstand sind nur die dieses Verfahren betreffenden Akten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung rechtlicher Interessen erforderlich ist. Das so begrenzte Akteneinsichtsrecht dient der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs und fördert die Waffengleichheit der Beteiligten, indem es ihnen ermöglicht, den entscheidungserheblichen Sachverhalt zur Kenntnis zu nehmen.

80 Der unter www.staat-modern.de auffindbare Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes, welches ein allgemeines Informationszugangsrecht gegenüber Bundesbehörden schaffen soll, befindet sich nach Auskunft des Bundesinnenministeriums vom 12.02.2002 gegenwärtig in der Ressortabstimmung 8\ Für viele Schultze-Fielitz in Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 5 I, 11, Rn. 57 ff., 60 m. w. N.; die Kritik bei Gurlit, Die Verwaltungsöffentlichkeit im Umweltrecht, 98 ff., 128 f., mündet in das Fazit, daß die Allgemeinzugänglichkeit von Verwaltungsvorgängen unter Berücksichtigung verfassungsrechtlich geschützter Geheimhaltungsinteressen gesetzlich angeordnet werden darf. 82 Vgl. z. B. Bank in Stelkens / Bank / Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 29 VwVfG, Rn. 1,4; Kapp / Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 29 VwVfG, Rn. 2; zu den konzeptionellen Verunsicherungen, welche für das deutsche Recht durch die Umweltinformationsrichtlinie ausgelöst wurden, instruktiv Reinhardt, DV 1997, 161 ff.; s. aber auch Hatje, EuR 1998, 734, 745 f., wonach der Umweltinformationsanspruch bislang nicht zu grundlegenden Umwälzungen im System der Verwaltungskontrolle geführt hat.

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C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

§ 29 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 VwVfG sehen Ausnahmen vom Recht auf Akteneinsicht vor. Soweit ein Ausnahmetatbestand vorliegt, ist die Behörde allerdings nur befugt, die Akteneinsicht nach Ermessen zu verweigern; eine Pflicht zur Verweigerung kann sich jedoch aus anderen Vorschriften, auch außerhalb des VwVfG ergeben. 83 Desnäheren nimmt § 29 Abs. 1 S. 2 VwVfG bis zum Abschluß des Verwaltungsverfahrens Entscheidungsentwürfe und Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung vom Anspruch auf Akteneinsicht aus. 84 Die Regelung soll den Entscheidungsfindungsprozeß der Behörde schützen und verhindern, daß durch die Einsichtnahme in noch nicht abschließend bearbeitete Entscheidungsentwürfe, die später möglicherweise nicht die Billigung der Behörde finden, unnötige Streitigkeiten entstehen. Nicht als Entscheidungsentwürfe oder Arbeiten zur unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung angesehen werden all diejenigen Vermerke o. dgl., die nur entscheidungserhebliche Tatsachen oder Vorgänge betreffen, aber noch keine Entscheidungsvorschläge oder Weisungen für den Entscheidungsinhalt enthalten. § 29 Abs. 2 VwVfG gibt der Behörde das Recht, die Akteneinsicht zum Schutz der ordnungsgemäßen Erfüllung behördlicher Aufgaben, aus Gründen des Staatswohls oder wegen berechtigter Interessen Dritter zu verweigern. Das Wort "soweit" verdeutlicht dabei, daß alle Ausnahmen des Abs. 2 nur für solche Akten bzw. Teile von Akten gelten, für welche die Ausschlußgründe zutreffen. 85 Wenn die Unkenntlichmachung einzelner Worte ausreicht, um den Geheimhaltungsinteressen Rechnung zu tragen, läßt das Gesetz auch nur diese zu. Im einzelnen ist der Akteneinsichtsanspruch nach Var. 1 ausgeschlossen, soweit durch Gestattung der Akteneinsicht die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt wird. 86 Dies umfaßt grundsätzlich den Schutz der Behörde vor übermäßiger Belastung durch Verlangen nach Akteneinsicht, die Fälle einer Gefährdung des Verfahrenserfolgs durch Kenntnis des Akteninhalts sowie die unangemessene Verzögerung einer in der Sache gebotenen raschen Entscheidung. Wegen der rechtsstaatlichen Bedeutung des Akteneinsichtsrechts ist diese Ausnahmevorschrift allerdings restriktiv zu handhaben und nur bei erheblichen konkreten Beeinträchtigungen anwendbar, die nicht durch zu.mutbare organisatorische Maßnahmen verhütet werden können.

Nach Var. 2 ist die Behörde ferner nicht zur Gestattung der Akteneinsicht verpflichtet, soweit das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohl des 83 Vgl. Kopp / Ramsauer (Fn. 82), § 29 VwVfG, Rn. 25; Bank (Fn. 82), § 29 VwVfG, Rn. 46, 52. 84 Dazu näher Kopp / Ramsauer (Fn. 82), § 29 VwVfG, Rn. 26 ff.; Bank (Fn. 82), § 29 VwVfG, Rn. 46 ff. 85 Kopp / Ramsauer (Fn. 82), § 29 VwVfG, Rn. 23; Bank (Fn. 82), § 29 VwVfG, Rn. 53. 86 Dazu näher Kopp / Ramsauer (Fn. 82), § 29 VwVfG, Rn. 29 ff.; Bank (Fn. 82), § 29 VwVfG, Rn. 54 ff.

III. Vergleich ausgewählter nationaler Rechtsordnungen

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Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde. 87 Das Wohl des Bundes oder Landes umfaßt vor allem die innere oder äußere Sicherheit, ferner die Beeinträchtigung des freundschaftlichen Verhältnisses zu anderen Staaten oder supranationalen Organisationen. Es kann auch dann Nachteile erleiden, wenn das Bekanntwerden des Akteninhalts die Erfüllung der Aufgaben einer Verfassungsschutzbehörde oder eines anderen Sicherheitsdienstes erschweren oder Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen gefahrden würde. Fiskalische Interessen genügen in der Regel nur dann, wenn die Funktionsfahigkeit des Staates in Frage gestellt wird. Die Verweigerung der Akteneinsicht aus Gründen des Staatswohls ist auch dann zulässig, wenn dadurch ein Beteiligter seine Rechte nur unzureichend wahrnehmen kann. Bei der Ermessensentscheidung über die Verweigerung bedarf es einer sachgerechten Abwägung der gegenläufigen privaten und öffentlichen Interessen. Die Behörde muß ihre Wertung der Umstände, welche die Geheimhaltungsbedürftigkeit begründen, so einleuchtend darlegen, daß im Steitfall diese Wertung unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Belange und in Abwägung mit den Interessen des Beteiligten noch als triftig anerkannt werden kann. Die Darlegung muß mehr enthalten als die bloße Umschreibung der gesetzlichen Gründe; die Begründungspflicht geht aber nicht so weit, daß die Begründung Rückschlüsse auf die geheimzuhaltenden Tatsachen eröffnen könnte. Verweigert werden kann die Akteneinsicht schließlich, wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen berechtigter Interessen Beteiligter oder Dritter geheimgehalten werden müssen (§ 29 Abs. 2 Var. 3 VwVfG).88 Mit den gesetzlich bestimmten Geheimhaltungspflichten sind v. a. die entsprechenden Regelungen des Datenschutzrechts gemeint, aber auch diejenigen des Rechts der inneren Sicherheit bezüglich der Verfassungsschutzbehörden und Geheimdienste. Die Formel, daß Akteneinsicht verweigert werden kann, wenn die Vorgänge "dem Wesen nach" geheimhaltungsbedürftig sind, geht auf eine Zeit zurück, in der die vom Wesentlichkeitskriterium89 näher bestimmte demokratische Komponente des Gesetzesvorbehalts noch nicht allgemein anerkannt war. Mit der Verabschiedung der Datenschutz- und Geheimdienstgesetze im Gefolge des Volkszählungsurteils90 ist der Anwendungsbereich dieser Klausel stark eingeschränkt worden. Im öffentlichen Interesse können insbesondere noch nachrichtendienstliche Feststellungen und Ermittlungsergebnisse von der Akteneinsicht ausgenommen sein, soweit ihre Offenle87 Vgl. näher Kopp / Ramsauer (Fn. 82), § 29 VwVfG, Rn. 34 ff.; Bonk (Fn. 82), § 29 VwVfG, Rn. 58 ff. 88 Dazu Bonk (Fn. 82), § 29 VwVfG, Rn. 61 ff. 89 Dazu grundlegend BVerfGE 40, 237, 248 ff.; Dreier in Dreier (Fn. 81), Vorbemerkung vor Art. 1, Rn. 86; Ossenbühl in lsensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band III, § 62 Rn. 32 ff., 41 ff. 90 BVerfGE 65, 1 ff., 41 ff.

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C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

gung Rückschlüsse auf Organisation, Arbeitsweise oder Personal der Staatsschutzbehörden erlauben und damit deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigen kann. Im privaten Bereich ist die Geheimhaltungsbedürftigkeit bejaht worden für Personalakten, sofern nicht überwiegende öffentliche Interessen ihre Offenlegung erfordern. Im übrigen stehen einer Akteneinsicht aus dem privaten Bereich im wesentlichen dieselben Gründe entgegen, die auch eine Geheimhaltungspflicht der Behörde gemäß § 30 VwVfG begründen, sofern nicht im Einzelfall im Rahmen der hier gebotenen Güter- und Interessenabwägung das Informationsinteresse des Beteiligten, der die Akteneinsicht begehrt, überwiegt. 91 Grundsätzlich ausgeschlossen ist damit die Akteneinsicht hinsichtlich solcher Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar wäre, sowie von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. 92 Im Verwaltungsprozeß sind Behörden zur Aktenvorlage verpflichtet und die Prozeßparteien haben ein Recht auf Einsichtnahme in die vorgelegten Akten (§ 99 Abs. 1 S. 1, § 100 Abs. 1 VwGO). Allerdings kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Aktenvorlage verweigern, wenn diese dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheimgehalten werden müssen. Das Gericht der Hauptsache ist an diese Weigerungserklärung gebunden. Die Parteien können jedoch die Nachprüfung beantragen, ob die Verweigerung der Aktenvorlage rechtmäßig ist. Zuständig dafür sind besondere Spruchkörper des Oberverwaltungsgerichts bzw. des Bundesverwaltungsgerichts, die ohne mündliche Verhandlung in einem sog. "in camera"-Verfahren entscheiden, d. h. nach Prüfung der Akten durch das Gericht unter Wahrung der Geheimhaltung auch gegenüber den Prozeßparteien (§ 99 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Abs. 2 VwGO n. F.).93 b) Großbritannien ( 1) Strajbestimmungen des Official Secrets Act

Die britische Verwaltung gilt als besonders wenig transparent. 94 Allerdings ist spätestens seit Ende der achtziger Jahre durchaus eine Entwicklung hin zu 91 Vgl. Kopp I Ramsauer (Fn. 82), § 29 VwVfG, Rn. 38; ähnlich Bank (Fn. 82), § 30 VwVfG, Rn. 20; für grundsätzlichen Vorrang der Akteneinsicht vor dem Geheimnisschutz gemäß § 30 VwVfG dagegen Borgs in Meyer I Borgs, VwVfG, § 29 VwVfG, Rn. 21, nach Fallgruppen differenzierend Burmeister I Winter, Akteneinsicht in der Bundesrepublik Deutschland, in Winter (Hrsg.), Öffentlichkeit von Umweltinformationen, 87, 113 ff. 92 Vgl. dazu Schröder, UPR 1985,394,396 ff. 93 Art. 1 Nr. 12 des Gesetzes v. 20.12.2001, BGBl. 13987, in Reaktion auf BVerfG, EuGRZ 2000,167,172 ff. Dazu Kuhlai Hüttenbrink, DVBl. 2002, 85, 87 f. 94 Vgl. Wegener, EuR 2000, 228 bei Fn. 6; Birtles [1973] PL 100, je m. w. N.

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mehr Offenheit erkennbar. 1989 wurde nämlich der berüchtigte § 2 des Official Secrets Act 1911 95 aufgehoben, der die unbefugte Weitergabe jeglicher Art von "amtsbezogener Information" durch Angehörige des öffentlichen Dienstes unter Strafe stellte, sofern sie nicht im Interesse des Staates geboten war; strafbar war auch die Entgegennahme durch Dritte, z. B. Journalisten, sofern diese hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, daß ihnen die Information unbefugt weitergegeben war. Diese Vorschrift wegen ihrer uferlosen Weite aufzuheben, war bereits in einem amtlichen Untersuchungsbericht aus dem Jahre 1971 empfohlen worden; der Bericht hatte sich andererseits aber mit bemerkenswerter Begründung gegen die Einführung der allgemeinen Aktenöffentlichkeit ausgesprochen: das Recht des Parlaments, Anfragen an den für die Verwaltungstätigkeit verantwortlichen Minister zu richten, sorge für ausreichende Verwaltungsöffentlichkeit. 96 Nach dem Official Secrets Act 1989 ist die unbefugte Offenlegung von amtlichen Informationen nunmehr grundsätzlich97 nur noch dann strafbar, wenn hierdurch bestimmte Verwaltungsinteressen geschädigt werden können ("damaging disclosure"). Zu diesen Interessen gehört die Funktionsfähigkeit der Geheimdienste und der Streitkräfte ebenso wie die auswärtigen Interessen des Vereinigten Königreichs sowie die Verhütung und Verfolgung von Straftaten. Der Beschuldigte kann allerdings anders als früher zu seiner Entlastung nicht mehr geltend machen, die Bekanntgabe sei im Interesse des Staates geboten gewesen. 98

95 Dazu Burmeister, Akteneinsicht in Großbritannien, in Winter (Fn. 91), 216 ff.; Bradley / Ewing (Fn. 69), 651; die uferlose Weite der Bestimmung wurde in der englischen Literatur mit Bezeichnungen wie "blunderbuss", "fishing net" oder "catch-all" akzentuiert, vgl. z. B. Bailey / Harris / Jones, Civilliberties - Cases and Materials, 421 f. m. w. N.; Birtles [1973] PL 102; s. ferner Jaconelli, 36 M.L.R. 68 (1973) mit dem Hinweis, daß ein Beamter, der verrät, wieviele Tassen Tee in seinem Dienstzimmer pro Tag getrunken werden, den Straftatbestand verwirklichen würde. 96 Departmental Committee on Seetion 2 of the Official Secrets Act 1911 (Chairman: Lord Franks), Cmnd.-Paper 5104 of 1972, Rn. 82, zitiert nach Burmeister (Fn. 94), 219; vgl. zur begrenzten Leistungsfähigkeit der Ministerverantwortlichkeit für die Kontrolle der Verwaltung instruktiv Riedei, Kontrolle der Verwaltung im englischen Rechtssystem, 257 ff., sowie Birtles [1973] PL 110; Wortlaut der Official Secrets Acts 19111989 bei Bailey u. a. (Fn. 95), 405 ff. 97 Für Angehörige der Geheimdienste ist die unbefugte Weitergabe amtlicher Informationen unabhängig davon strafbar, ob hierdurch die Funktionsfähigkeit der Dienste beeinträchtigt werden kann, vgl. Official Secrets Act 1989, § 1(1). Ebenfalls unabhängig von einer möglichen Beeinträchtigung der Amtstätigkeit strafbar ist die unbefugte Weitergabe von Informationen über Telephonüberwachungen und Hausdurchsuchungen durch die Geheimdienste, vgl. Official Secrets Act 1989, § 4(3). 98 Dazu kritisch Palmer [1990] PL 243, 251 f.

C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

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(2) Akteneinsicht zur Interessenwahrung

Ein Aktenzugangsrecht für Personen, deren Interessen durch eine behördliche Maßnahme berührt sein können, ist zwar nicht allgemein, wohl aber für einzelne Verwaltungsbereiche gesetzlich gewährleistet. Hierzu gehört z. B. die grundsätzliche Offenlegung der Antragsunterlagen im umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren nach dem Environmental Protection Act 1990; ausgenommen hiervon sind nur diejenigen Angaben, die Geschäftsgeheimnisse enthalten ("Commercially Confidential Information") oder deren Offenlegung Interessen der nationalen Sicherheit entgegenstehen. 99 In anderen Verwaltungsbereichen bestehen immerhin Mitteilungspflichten. Soll, um nur ein Beispiel zu nennen, Grundbesitz enteignet werden, findet zuvor ein Anhörungsverfahren ("Public Inquiry") statt. In dessen Rahmen muß die Behörde den betroffenen Grundeigentümern 28 Tage vor dem Anhörungstermin die Gründe bekanntgeben, aus denen sie die Enteignung beabsichtigt. lOO Außerhalb derjenigen Bereiche, in denen Aktenzugangsrechte bzw. Mitteilungspflichten für Betroffene gesetzlich verankert sind, unterliegen behördliche Entscheidungen nur den richterrechtlichen Prinzipien der natürlichen Gerechtigkeit ("Rules of Natural Justice"). Hierzu gehört das Gebot hinreichenden rechtlichen Gehörs für diejenigen, deren Rechte oder Interessen von einer Verwaltungsmaßnahme betroffen sein können. Demnach muß die Behörde die wesentlichen Gründe mitteilen, deretwegen sie die Maßnahme erwägt, und den Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung geben. lOl Wenn es um die Durchsetzung wichtiger gesetzlich eingeräumter Rechte geht, müssen dem Betroffenen alle Unterlagen zugänglich gemacht werden, auf welche die Behörde die Ablehnung des Antrages stützen will; ausgenommen sind diejenigen Dokumente, die mit Recht als im öffentlichen Interesse geheimhaltungs bedürftig deklariert wurden. 102 Wenn Erwägungen der nationalen Sicherheit Anlaß für eine Verwaltungsmaßnahme sind, kann eine sehr pauschale Mitteilung an den Betroffenen ausreichend sein, die Anforderungen der "Natural Justice" zu erfüllen. Anders gesagt, müssen diese zurücktreten, soweit ihre Erfüllung zur Preisgabe

Näher Ball / Bell, Environmental Law, 305 ff. Vgl. Bradley / Ewing (Fn. 69), 749. 101 Dazu Riedel (Fn. 96), 108 ff.; Bradley / Ewing (Fn. 69), 786 ff.; aus der Rspr. z. B. Ridge v. Baldwin [1964] AC 40; A-G v. Ryan [1980] AC 718, 727 ff. (Lord Diplock); R. v. Norfolk County Council Social Services Department, ex parte M [1989]2 QB 619, 628 ff.; R. v. Gaming Board for Great Britain, ex parte Benaim and Khaida [1970] 2 QB 417; ähnliche Grundsätze gelten für amtliche Untersuchungen, vgl. Maxwell v. Department ofTrade and Industry [1974]1 QB 523. 102 R v. Army Board of the Defence Council, ex parte Anderson [1992] 1 QB 169, 188 f. 99

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von Informationen führen würde, die im Interesse der nationalen Sicherheit geheimzuhalten sind. 103

(3) Der Verhaltenskodex über den Zugang zu Informationen

Was Jedermannrechte auf Behördeninformationen angeht, gilt bislang noch der 1993 von der Regierung veröffentlichte, nicht justitiable Verhaltenskodex. 104 Demnach sollen Dienststellen der Zentralregierung hinreichend konkreten Anträgen auf Auskünfte tatsächlicher Art Folge leisten, sofern nicht wichtige Interessen (Staatsschutz, Landesverteidigung und auswärtige Beziehungen, Strafverfolgung, ministerielles Abwägungsgeheimnis, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Privatsphäre usw.) entgegenstehen. Lehnt die Behörde einen Auskunftsantrag ab, kann sich der Antragsteller über seinen Parlamentsabgeordneten an den Ombudsmann ("Parliamentary Commissioner for Administration") wenden.

(4) Das neue Informationsfreiheitsgesetz

Ende 2000 wurde unter der neuen, Anfang 2001 in ihrem Amt bestätigten Labour-Regierung das Gesetz über die Informationsfreiheit ("Freedom of Information Act 2000")105 verabschiedet, wonach innerhalb von längstens fünf Jahren ein Jedermannrecht auf Zugang zu Informationen geschaffen werden muß, die bei öffentlichen Behörden vorhanden sind. 106 Auch wenn das neue Informationsfreiheitsgesetz erst zu geringen Teilen in Kraft getreten ist, seien einige zentrale Bestimmungen kurz referiert: Die Behörden werden berechtigt sein, schikanöse oder wiederholte Anträge zurückzuweisen (§ 14 FOIA-GB) Zum Schutz materieller Geheimhaltungsinteressen wird es zwei Gruppen von Ausnahmen geben (§ 2 FOIA-GB). In den Fällen der ersten Gruppe wird der Zugang zu den betreffenden Informationen ohne weiteres ausgeschlossen sein ["absolute exemption", § 2 Abs. (3) FOIA-GB)]. Dies gilt für die folgenden acht Arten von Informationen: (1.) Informationen, die dem Antragsteller aufgrund anderer Gesetze zugänglich zu machen sind (§ 21 FOIA-GB); (2.) Infor-

103 R. v. Horne Secretary. ex parte Hosenball [1977] 1 WLR. 766, 778 ff. (Lord Denning M.R.); R. v. Horne Secretary. ex parte Cheblak [1991] 1 W.L.R. 890,903 ff. (Lord Donaldson of Lymington M.R.). 104 Dazu Birkinshaw [1993] PL 357 ff. 105 Im folgenden "FOIA-GB". 106 § 1 i. V. m. § 87 FOIA-GB; das Gesetz ist unter www.legislation.hmso.gov.uk zu finden; vgl. zum zugrundeliegenden "White Paper on Freedom of Information" Birkinshaw [1998] PL 176 ff.

3 Heitsch

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C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

mationen, welche der Behörde mittelbar oder unmittelbar von den Geheimdiensten übermittelt wurden, oder welche sich auf die Tätigkeit dieser Dienste beziehen (§ 23 FOIA-GB); (3.) Akten, die für ein Gerichtsverfahren oder für ein förmliches Verwaltungsverfahren angelegt wurden (§ 32 FOIA-GB); (4.) Informationen, deren Bekanntgabe die Vorrechte der beiden Parlamentskammern verletzen würde (§ 34 FOIA-GB); (5.) Informationen, über welche eine der Parlamentskammern verfügt und deren Bekanntgabe den ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz der kollektiven Verantwortung des Kabinetts 107 beeinträchtigen, den ungestörten und offenen Meinungsaustausch zwischen den Regierungsmitgliedern behindern oder auf andere Weise die effektive Erfüllung öffentlicher Aufgaben stören könnte (§ 36 FOIA-GB); (6.) bestimmte Kategorien personenbezogener Daten (§ 40 FOIA-GB); (7.) Informationen, welche der Behörde von Dritten vertraulich übermittelt wurden und deren Bekanntgabe an die Öffentlichkeit die Behörde oder den Dritten zur Klage wegen Schädigung durch Verletzung der Geheimhaltungspflicht berechtigen würde (§ 41 FOIAGB)108 sowie (8.) Informationen, deren Bekanntgabe nach einem anderen Gesetz oder nach Gemeinschaftsrecht unzulässig ist oder als Mißachtung des Gerichts ("Contempt of Court") strafbar wäre (§ 44 FOIA-GB). Die zweite Gruppe von Ausnahmen wird den Zugang zu den betreffenden Informationen nur dann ausschließen, wenn das öffentliche Interesse am Schutz der Geheimhaltung schwerer wiegt als das öffentliche Interesse an der Offenlegung der Informationen [§ 2 Abs. (2) UAbs. (a) FOIA-GB], wobei die einzelnen Tatbestände innerhalb dieser Gruppe noch in abgestufter Strenge formuliert sind. Dies gilt für folgende zwölf Fälle: (1.) Informationen, deren Geheimhaltung notwendig ist, um die nationale Sicherheit zu schützen (§ 24 FOIA-GB); (2.) Informationen, deren Bekanntgabe die Verteidigung der Britischen Inseln und Kolonien oder die militärischen Fähigkeiten, die Effizienz oder die Sicherheit britischer oder verbündeter Streitkräfte beeinträchtigen könnte (§ 26 FOIA-GB); (3.) Informationen, deren Bekanntgabe die internationalen Beziehungen oder die auswärtigen Interessen des Vereinigten Königreichs beeinträchtigen könnte (§ 27 FOIA-GB); (4.) Informationen, deren Bekanntgabe die Beziehungen zwischen der Zentralregierung und den Regionalregierungen beeinträchtigen könnte (§ 28 FOIA-GB); (5.) Informationen, deren Bekanntgabe die wirtschaftlichen oder finanziellen Interessen des Vereinigten Königreichs oder einer seiner regionalen Untergliederungen beeinträchtigen könnte (§ 29 FOIA-GB); (6.) Informationen, die sich zum Zweck der Durch107 Nach diesem Grundsatz dürfen sich Kabinettsangehörige nicht nachträglich von Entscheidungen des Kabinetts, an denen sie mitgewirkt haben, öffentlich distanzieren. Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Kabinetts dürfen nicht öffentlich ausgetragen werden. Ein Minister, welcher der Ansicht ist, er könne die Auffassung des Kabinetts nicht länger vertreten, muß zurücktreten. Vgl. Bradley / Ewing (Fn. 69), 112 ff. 108 Dazu McDonagh, [2001] P.L. 256, 259 ff.

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führung von Strafverfahren oder sanktions bewehrten Verwaltungsverfahren im Besitz einer Behörde befinden (§§ 30, 31 FOIA-GB); (7.) Informationen, deren Bekanntgabe die Tätigkeit von Rechnungsprüfungsbehörden beeinträchtigen könnte (§ 33 FOIA-GB); (8.) Informationen, die sich beziehen auf die Formulierung oder Entwicklung politischer Leitentscheidungen der Regierung ("government policy"), auf die Verständigung der Ministerien untereinander, auf die Beratung der Regierung durch die Kronanwälte oder auf die Arbeit der dem Minister persönlich zugeordneten Leitungsebene eines Ministeriums (§ 35 FOIA-GB); (9.) Informationen, die sich auf amtliche Kommunikation mit der Königin oder auf die Verleihung von Orden und Auszeichnungen beziehen (§ 37 FOIA-GB); (10.) Informationen, deren Bekanntgabe die physische oder geistige Gesundheit oder die Sicherheit einer Person gefahrden könnte (§ 38 FOIA-GB); (11.) Informationen, welche unter das anwaltliche Berufsgeheimnis fallen (§ 42 FOIA-GB) sowie für (12.) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie Informationen, deren Freigabe die wirtschaftlichen Interessen einer Person mit erheblicher Wahrscheinlichkeit beeinträchtigen würde (§ 43 FOIA-GB).I09 Das Verfahren der Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Informationen wird zwei stufig ausgestaltet sein. Auf der ersten Stufe wird der Antragsteller das Recht der Beschwerde beim Informationsbeauftragten ("Information Commissioner") erhalten. Dieser wird befugt sein zu überprüfen, ob die Ablehnung des Zugangsantrags rechtmäßig war. Hierzu wird er der Behörde gegenüber anordnen können, ihm alle zur Prüfung des Falles erforderlichen Informationen vorzulegen. Stellt er einen Rechtsverstoß fest, wird er die Behörde verpflichten können, diesen abzustellen (§§ 50 ff. FOIA-GB). Gegen Anordnungen des Informationsbeauftragten wird den Beteiligten das Recht der (weiteren) Beschwerde beim Informationstribunal ("Information Tribunal") zustehen, einem für das Datenschutzrecht und für das Informationsfreiheitsgesetz zuständigen quasigerichtlichen Spruchkörper. 110 Dieser wird berechtigt sein, Tatsachenfeststellungen und rechtliche Schlußfolgerungen des Informationsbeauftragten in vollem Umfang nachzuprüfen. Gegen Entscheidungen des Informationstribunals wird ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim High Court statthaft sein (§§ 57 ff. FOIA-GB).

c) Schweden In Schweden genießt das Recht des Bürgers auf freien Zugang zu offiziellen Akten Verfassungsrang. Grundlage ist das Pressefreiheitsgesetz, das den Rang

109

Dazu McDonagh, [2001] P.L. 256, 261 ff.

Allgemein zur Rechtskontrolle durch "Tribunals" in Großbritannien Bradley / Ewing (Fn. 69), 649 ff. 110

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C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

eines Reichsgrundgesetzes besitzt. Erstmals wurde das Aktenzugangsrecht im Jahre 1766 normiert, und zwar ausdrücklich als Ergänzung der Freiheit, offizielle Dokumente zu veröffentlichen. Auf diese Weise wurden die bestehenden Kontrollrechte des Parlaments gegenüber der Regierung und Verwaltung gewissermaßen in die Hände des vom Parlament repräsentierten Volkes gelegt. Dieser bemerkenswerte Schritt wurde durch das allgemeine politische Klima erleichtert, das seinerzeit in Schweden herrschte. Hier waren die öffentlichen Angelegenheiten schon sehr viel weniger als noch in anderen Ländern dem Arkanbereich zugeordnet und die Bürger hatten vor allem auf lokaler Ebene bereits verhältnismäßig weitgehende Mitwirkungsrechte. Nach einer kurzen Phase absolutistischer Restauration wurde im Gefolge der von der Bürokratie initiierten Verfassungsreform von 1810 das Aktenzugangsrecht als Ergänzung der Pressefreiheit wiederbelebt. Bis heute ist es unangefochtener Bestandteil der schwedischen Rechtskultur. 111 Kap. 2 § 1 des Pressefreiheitsgesetzes bestimmt, daß zur Förderung eines freien Meinungsaustauschs und einer allseitigen Aufklärung jeder schwedische Bürger befugt ist, offizielle Akten einzusehen. Grundsätzlich ist eine Akte offiziell, wenn sie bei einer Behörde verwahrt wird und als von der Behörde entgegengenommen bzw. angefertigt gilt (Pressefreiheitsgesetz, Kap. 2 § 3 Abs. 1).112 Eine Akte gilt als entgegengenommen, wenn sie bei der Behörde eingetroffen ist oder sich in den Händen eines zuständigen Amtsträgers befindet. Mit dieser Begriffsbestimmung werden auch Dokumente dem Zugangsrecht unterworfen, die nicht von der Behörde, sondern von Außenstehenden verfaßt wurden. In diesen Fällen wird dem Verfasser die Entscheidung aus der Hand genommen, ob das Dokument der Öffentlichkeit zugänglich zu machen ist. Eine Akte gilt als von einer Behörde angefertigt, wenn sie versandt wurde. Nicht versandte Akten gelten als angefertigt, wenn der Vorgang abgeschlossen oder die Akte geschlossen wurde. Zudem sind Skizzen, vorbereitende Schriftsätze, Vermerke, Beschlußvorlagen usw. keine offiziellen Akten, es sei denn, sie enthalten neue Informationen über relevante Tatsachen. Wenn sie aber förmlich archiviert sind, gelten sie stets als offiziell (Pressefreiheitsgesetz, Kap. 2 §§ 6, 7,9). Im Ergebnis schließt das Merkmal "offiziell" den Zugang der Öffentlichkeit zu vorläufigen Dokumenten weitgehend aus.

111 Vgl. Petren, VerwArch 49 (1958), 323; Herlitz, [1958] PL 50; ders., Elements of Nordic Public Law, 1969, 196 f.; Askelöf / Fememann-Heurgren, Akteneinsicht in Schweden, in Winter (Fn. 91),474 ff. 112 Zur Wirkung dieser Begriffsbestimmung vgl. Askelöf / Fememann-Heurgren (Fn. 111),482; Österdahl, 23 E.L.Rev. (1998), 339; das Pressefreiheitsgesetz, Kap. 2, ist abgedruckt bei Blaustein / Flanz (Fr!. 78), 167 ff.

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Gemäß Kap. 2 § 2 des Pressefreiheitsgesetzes darf das Recht, offizielle Akten einzusehen, nur begrenzt werden, wenn dies erforderlich ist mit Rücksicht auf

die Sicherheit des Reiches oder seine Beziehungen zu einem anderen Staat oder einer zwischenstaatlichen Organisation; die zentrale Finanzpolitik des Reiches, die Geld- und Währungspolitik; die Tätigkeit der Behörden zur Inspektion, Kontrolle oder anderer Aufsicht; das Interesse an der Verhütung und Verfolgung von Straftaten; das wirtschaftliche Interesse des Staates und der Gemeinden; den Schutz des Einzelnen in seinen privaten und wirtschaftlichen Verhältnissen; das Interesse an der Erhaltung von Tier- und Pflanzenarten. Einzelheiten sind in einem "Geheimhaltungsgesetz" geregelt, das lediglich den Rang eines einfachen Gesetzes hat. Folgende Merkmale der Ausnahmetatbestände verdienen besondere Hervorhebung: 113 Die Interessen, die eine Geheimhaltung rechtfertigen, sind jeweils konkret benannt, und die Liste der Ausnahmen ist abschließend. Absolute Geheimhaltung ist nur für die Akten der Steuerverwaltung vorgeschrieben. Grundsätzlich geheim sind Informationen, welche die Beziehungen Schwedens zu einem anderen Staat oder einer internationalen Organisation betreffen; ihre Offenlegung kommt nur in Betracht, wenn eine Störung der auswärtigen Beziehungen oder eine sonstige Schädigung des Landes offensichtlich ausgeschlossen ist. Die meisten Ausnahmetatbestände sind dagegen als Ermächtigungen formuliert, im Einzelfall den Zugang zu verweigern, wenn das geschützte Interesse beeinträchtigt wird. Zur Erleichterung des Zugangs zu amtlichen Dokumenten sind die Behörden in weitem Umfang verpflichtet, öffentlich zugängliche Register ihrer Dokumente zu führen. Darin aufzunehmen sind vielfach auch diejenigen Unterlagen, die unter einen Geheimhaltungstatbestand fallen. 114 Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens haben im übrigen ein Recht auf Akteneinsicht zur Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen. Es umfaßt auch vorläufige Unterlagen. Die Ausnahmetatbestände des "Geheimhaltungsgesetzes" gelten für dieses verfahrensbezogene Akteneinsichtsrecht grundsätzlich nur dann, wenn die gesetzlichen Geheimhaltungsinteressen das Interesse des Beteiligten am Zugang zu den Akten eindeutig überwiegen. 115 113 Dazu Österdahl, 23 E.L.Rev. 342 f. (1998); Askelöf / Fememann-Heurgren in Winter (Fn. 91),488 ff.; Auszug aus dem Geheimhaltungsgesetz ebendort, 505 ff. 114 Österdahl, 23 E.L.Rev. 340 (1998). 115 V gl. Herlitz [1958] PL 54, 65.

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C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

d) Frankreich In Frankreich scheint auf den ersten Blick das Selbstverständnis der Verwaltungselite, die sich als ein hoch professionalisiertes Corps mit Distanz zu Parteien und Interessen sieht, grundsätzlich der Verwaltungsöffentlichkeit entgegenzustehen. 116 Dennoch existiert seit 1978 auf einfachgesetzlicher Grundlage ein Iedermannsrecht auf Zugang zu Verwaltungsdokumenten, dessen Anwendungsbereich im Frühjahr 2000 unter weitgehender Bestätigung der bisherigen Verwaltungspraxis in einer Gesetzesnovelle präzisiert wurde. 117 Gegenstand des Akteneinsichtsrechts sind Dokumente der Verwaltung ("Documents administratifs"), d. h. alle Unterlagen, die sich im Besitz von Behörden des Staates, der Gebietskörperschaften oder von Anstalten, Körperschaften oder Gesellschaften befinden, die mit einer öffentlichen Aufgabe betraut sind; nach der Novelle kommt es nicht mehr darauf an, ob die Dokumente von der Verwaltung verfaßt sind oder ihr von einem Dritten überlassen wurden. Dieser weite Anwendungsbereich wird allerdings in zweifacher Hinsicht beschränkt: Zum einen bezieht sich das Akteneinsichtsrecht nur auf "abgeschlossene Dokumente" ("documents acheves"), so daß Entwürfe und noch informelle Vermerke dem Einsichtsrecht nicht unterliegen. Zum anderen sind ebenfalls nicht Gegenstand der Akteneinsicht die sog. "vorbereitenden Unterlagen" ("documents preparatoires"). Diese sind zwar für sich genommen abgeschlossen, aber ihrerseits nur zweckdienliche Teile oder notwendige Zwischenschritte im Ausarbeitungsprozeß einer anderen Entscheidung. Sie sind erst zugänglich, wenn die abschließende Entscheidung vorliegt. Der Antragsteller muß hinreichend genau angeben, in welche Dokumente er Einsicht nehmen möchte. Dies wird prinzipiell dadurch erleichtert, daß die Verwaltung gesetzlich verpflichtet ist, Verzeichnisse amtlicher Dokumente in Amtsblättern zu veröffentlichen. Die Literatur bemängelt allerdings, daß diese Verpflichtung in der Praxis nicht hinreichend beachtet wird. ll8 Nach der Neufassung des Gesetzes ist die Verwaltung ausdrücklich nicht gehalten, mißbräuchlichen Anträgen Folge zu leisten. Eine solche Mißbrauchsklausel war zuvor schon von der Verwaltungspraxis entwickelt, aber nur äußerst zurückhaltend angewandt worden. Als Indizien für Mißbrauch nennt das Gesetz nunmehr insbesondere die hohe Anzahl, die

116 Vgl. dazu Morange, Recueil Dalloz 1978, ehr., 3 f.; Winter, Akteneinsicht in Frankreich, in Winter (Fn. 91),177 f. m. w. N. 117 Loi N° 78-753 du 17 jouillet 1978, J.O., 2851, dazu Rivero / Waline (Fn. 59), 86 f. (auch zum rechtlichen Gehör - ..droit de la defense" - im Verwaltungsverfahren als weiterer Durchbrechung des Verwaltungsgeheimnisses); Roux, La transparence administrative en France, in Debbasch (ed.), La transparence administrative en Europe, 70 ff., 82 ff., sowie Winter (Fn. 116), 183 ff.; Loi W 2000-321 du 12 avril 2000, J.O., p. 5646, dazu Gouninl Laluque, A.J.D.A. 2000,486 ff. 118 Vgl. Z. B. Roux (Fn. 117),91.

III. Vergleich ausgewählter nationaler Rechtsordnungen

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ständige Wiederholung und den systematischen Charakter von Anträgen derselben Person. Zum Schutz öffentlicher und privater Interessen wird das Akteneinsichtsrecht durch zahlreiche Ausnahmetatbestände eingeschränkt, deren Wortlaut die Novelle im wesentlichen nur redaktionell überarbeitet hat. Während die Verwaltung jedoch früher bei Vorliegen eines Ausnahmetatbestands ein Versagungsermessen besaß, sind die Ausnahmen nunmehr zwingend. 119 Im einzelnen sind Dokumente nicht einsehbar, deren Freigabe Schaden für folgende öffentliche Interessen nach sich ziehen könnte: das Abwägungsgeheimnis der Regierung, d. h. der höchsten politischen Ebene und deren unmittelbarer Mitarbeiter; 120 die Geheimhaltung von Angelegenheiten der nationalen Verteidigung; die Leitung der Außenpolitik; den Staatsschutz, die öffentliche Sicherheit oder die Sicherheit von Personen; das Geldwesen und den Staatskredit; den Ablauf gerichtlicher Verfahren, wobei nur die Gefahr einer Benachteiligung der Beteiligten oder einer Störung der gerichtlichen Entscheidungsfindung die Zurückhaltung des Dokuments rechtfertigt;121 Ermittlungen wegen Steuer- und Zollvergehen; ansonsten gesetzlich geschützte Geheimnisse. Nur für den Betroffenen, nicht für Dritte einsehbar sind Dokumente, deren Freigabe Schaden für Geheimnisse des Privatlebens oder aus Personalakten, für das Arztgeheimnis oder für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse 122 nach sich ziehen könnte. Das gleiche gilt für sog. "personenbezogene" Unterlagen. Diese enthalten eine Beurteilung oder Einschätzung einer namentlich genannten oder leicht identifizierbaren natürlichen Person oder lassen Verhaltensweisen einer Person erkennen, deren Offenlegung dieser Nachteile bereiten könnte. Nach bisheriger Verwaltungspraxis konnte im übrigen ein Dokument im ganzen zurückgehalten werden, auch wenn nur Teile unter einen Ausnahmetatbestand fielen. Wie in der französischen Literatur kritisiert wird,123 hat der Ge-

119 Kritisch dazu Gounin I Laluque, AJ.D.A. 2000, 493 f. 120 Vgl. Roux (Fn. 117), 82. 121 Vgl. Roux (Fn. 117),85. 122 Hiervon ist das Know-how eines Unternehmens ebenso erfaßt wie Daten über die finanzielle Situation und über die Unternehmensstrategie, vgl. Roux (Fn. 117), 87. 123 Gouninl Laluque, AJ.D.A. 2000,494.

c. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

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setzgeber die Gelegenheit nicht genutzt, bei der Neufassung für diese Fälle das Prinzip des teil weisen Zugangs einzuführen.

e) Fazit Der Zugang der Öffentlichkeit zu Verwaltungsdokumenten ist in den betrachteten Mitgliedstaaten in unterschiedlich weitreichendem Maße gewährleistet. Die Bandbreite der Regelungen reicht vom Recht auf Mitteilung lediglich des wesentlichen Akteninhalts zur Wahrung rechtlich geschützter Interessen l24 über ein verfahrensinternes Akteneinsichtsrecht für potentiell in subjektiven Rechten Betroffene l25 und ein einfachgesetzliches Zugangsrecht für Jedermann l26 bis hin zur Verankerung eines solchen Rechtes in einem Verfassungsgesetz und Zusammenstellung der Ausnahmen in einem leichter zu ändernden einfachen Gesetz. 127 Vom Zugangsrecht ausgenommen sind in der Regel Dokumente, deren Bekanntgabe öffentliche Interessen oder die Interessen Privater beeinträchtigen könnte. Als öffentliche Geheimhaltungsinteressen sind anerkannt der Schutz der auswärtigen Beziehungen und der Landesverteidigung sowie des Geldwesens und des Staatskredits, der Staatsschutz und die Wahrung der Sicherheit von Personen sowie der Schutz des geordneten Ablaufs von Ermittlungsverfahren in Vorbereitung von Verwaltungssanktionen und gerichtlicher Verfahren. Die privaten Geheimhaltungsinteressen umfassen den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie des Persönlichkeitsrechts. Das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes schließt den Zugang aber nicht stets zwingend aus. Vielmehr sind die Ausnahmegründe häufig als Ermächtigungen an die Behörden formuliert, unter Berufung auf die von den Ausnahmetatbeständen geschützten Interessen den Zugang nach Ermessen zu verweigern. Vereinzelt gilt auch ein Prinzip des teilweisen Zugangs. Demnach darf eine Akte nicht deshalb als ganze zurückgehalten werden, weil ein Teil unter einen Ausnahmetatbestand fallt. Vielmehr erstreckt sich das Verweigerungsrecht nur auf diejenigen Aktenteile, auf die der Ausnahmetatbestand anwendbar ist. Soweit ersichtlich, ist diese Bandbreite repräsentativ für die übrigen Mitgliedstaaten. 128 So bislang noch in Großbritannien, vgl. oben bei Fn. 94 ff. So in Deutschland, vgl. oben bei Fn. 82 ff. 126 So in Frankreich, vgl. oben bei Fn. 116 ff. 127 So in Schweden, vgl. oben bei Fn. 111 ff. 128 Vgl. zur Bandbreite der Regelungen in den Mitgliedstaaten die Ausarbeitung der Kommission "Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, die sich im Besitz der Gemeinschaftsorgane befinden", AblEG. 1993, C 156,5, 11 f., sowie Öberg, European Integration On li ne Papers, Vol. 2 (1998), N" 8 (http://eiop.or.atJeiop/texteI1998008a.htm), 1: demnach gibt es inzwischen in den meisten Mitgliedstaaten zumindest ein einfachgesetzliches allgemeines Recht auf Zugang zu Dokumenten im Besitz von Behörden. In Griechenland ist dieses Recht allerdings von vornherein durch zahlreiche Be124

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IV. Bewertung anhand gemeinschaftsrechtlicher Regelungsstrukturen

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Auch in denjenigen Rechtsordnungen, in denen die Akteneinsicht für jedermann möglich ist, besteht eine Tendenz, den Zugang zu "vorläufigen" bzw. "vorbereitenden" Dokumenten so lange zu verweigern, bis die Entscheidung vorliegt, zu deren Vorbereitung die Dokumente ausgearbeitet wurden. Einzelne nationale Rechtsordnungen sehen zudem vor, daß das Gericht die Berechtigung der Vorlageverweigerung "in camera" zu prüfen hat. 129

IV. Bewertung anhand gemeinschafts rechtlicher Regelungsstrukturen Im folgenden Abschnitt soll der durch die Rechtsvergleichung ermittelte Befund in die Strukturen der Europäischen Union eingepaßt werden. Desnäheren ist herauszuarbeiten, welche Bedeutung die Öffentlichkeit der Ratstätigkeit unter Berücksichtigung der Supranationalität des Gemeinschaftsrechts, des erreichten Integrationsstandes und der in den Verträgen angelegten Dynamik des Integrationsprozesses für die demokratische Legitimation der Europäischen Union hat.

1. Die Union als föderales System geteilter Souveränität

Das Bundesverfassungsgericht hat bekanntlich aufgrund einer strikt völkerrechtlichen Sicht des Gemeinschaftsrechts die Europäische Union bzw. die Gemeinschaften charakterisiert als einen "Staatenverbund" souverän bleibender Staaten; diese handelten im zwischenstaatlichen Bereich regelmäßig durch ihre Regierungen und steuerten dadurch die Integration, welche daher primär gouvernemental bestimmt seiYo Dieser Verbund ist - so das Gericht weiter - auf dingungen und Ausnahmen beschränkt; in Italien hängt es davon ab, ob der Antragsteller sich auf ein besonderes Interesse berufen kann. In Spanien und Portugal ist das Recht auf Zugang zu behördlichen Informationen zwar in der Verfassung verankert, es gibt jedoch noch keine Umsetzungsvorschriften. In Großbritannien ist das Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet, aber in seinen wesentlichen Teilen noch nicht in Kraft gesetzt. Lediglich Deutschland und Luxemburg kennen bislang noch kein alIgemeines Aktenzugangsrecht; immerhin wird aber in Deutschland ein auf die Bundesverwaltung beschränktes Informationsfreiheitsgesetz vorbereitet. In Brandenburg wurde ferner auf Landesebene 1998 ein Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz verabschiedet, Bbg. GVBI. 1998,46, dazu z. B. Partsch, NJW 1998, 2559 ff. 129 So in Deutschland, vgl. oben bei Fn. 93. 130 BVerfGE 89, 155, 186, 188, 190; vgl. zuvor schon P. Kirchhofin lsensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band VII, 1992, § 181 Rn. 50 ff., 66; dem BVerfG folgend z. B. lsensee, FS Everling, 572 ff., 582 f.; Streinz, Europarecht, Rn. 203 ff., Rn. 423c; vgl. ferner Huber, VVDStRL 60 (2001), 219 ff.; vorsichtig abwägend Schröder, DVBI. 1994, 316, 320; zum folgenden jetzt auch Heitsch, EuR 2001,809 ff.

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C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

Fortentwicklung angelegt, wird von den Mitgliedstaaten getragen und achtet deren nationale Identität. Er nimmt hoheitliche Aufgaben wahr und übt dazu hoheitliche Befugnisse aus. Seine hierzu erforderliche demokratische Legitimation bezieht er in erster Linie von den Staatsvölkern über die nationalen Parlamente. 131 Fraglich ist allerdings, ob dieses Verständnis der Europäischen Union in der Sache zutrifft. Gewiß sind sowohl die Europäische Union als auch die drei Europäischen Gemeinschaften völkerrechtlich gegründete internationale Organisationen (Art. 1 Abs.l EU, Art. 1 EG; Art. 1 Abs. 1 EAG, Art. 1 EGKS). Die drei Gemeinschaften unterscheiden sich jedoch von sonstigen internationalen Organisationen durch ihre Supranationalität. Hiermit wird ein erhöhter Verdichtungsgrad der Organisation gekennzeichnet. Zu dessen Merkmalen gehört an erster Stelle die Autonomie des Gemeinschaftsrechts in dem Sinne, daß es eine dem nationalen Recht gegenüber eigenständige Rechtsordnung darstellt. Diese Eigenständigkeit beruht auf mehreren Faktoren. Insbesondere wurden durch die Verträge kraft Gemeinschaftsrechts besondere Gemeinschaftsorgane errichtet, welche die Gemeinschaftsgewalt ausüben. Die für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts und für die Überwachung seiner Einhaltung zuständigen Organe - Gerichtshof und Kommission - sind von den Mitgliedstaaten institutionell unabhängig. Nach den Verträgen ist es möglich, Sekundärrecht gegen den Widerstand einzelner Mitgliedstaaten zu schaffen. Außerdem sind die Gemeinschaften international handlungsfähig und mit echten Hoheitsrechten ausgestattet. Die Mitgliedstaaten haben insoweit aufgrund ihrer gleichgerichteten verfassungsrechtlichen Integrationsklauseln 132 durch einen "Gesamtakt staatlicher Integrationsgewalt,,133 einen Rechtskörper geschaffen, der für sie selbst und ihre Bürger verbindlich ist. Aus dieser Eigenständigkeit des Gemeinschaftsrechts folgt sein (Anwendungs)Vorrang gegenüber dem Recht der Mitgliedstaaten,134 der zudem einen primärrechtlichen Anker in Art. 249 Abs. 2, 3 131 BVerfGE 89, 155, 181, 184 ff. 132 Überblick bei Oppermann (Fn. 24), Rn. 618. 133 H. P. lpsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 60 ff.; s. ferner z. B. Nicolaysen, EuR 2000, 495, 502. 134 EuGH, Rs. 6/64, Slg. 1964, 1251, 1269 f. (Costa/E.N.E.L.); Rs. C-213/89, Slg. 1990,1-2433 Rn. 18 ff. (Factortame); Rs. 106177, Slg. 1978,629, Rn. 13 ff. (SimmenthallI); Rs. 103/88, Slg. 1989, 1839, Rn. 28 ff. (Costanzo); BVerfGE 22, 292 ff.; s. ferner für viele Everling, FS Mosler, 172, 176 ff.; Wichard in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 1 EG, Rn. 2; Wegener, ebendort, Art. 220 EG, Rn. 18; Oppermann, (Fn. 24), Rn. 616 ff.; Pemice in Dreier (Fn. 45), Art. 23 GG, Rn. 20; sowie Herdegen, Europarecht, Rn. 79 f. Die von BVerfGE 89, 155, 188,209 f. in Anspruch genommene Befugnis zur Kontrolle und ggf. Verwerfung sog. "ausbrechender Rechtsakte" der europäischen Organisationen berührt die für die Funktion der Gemeinschaftsrechtsordnung konstitutiven Grundsätze der Autonomie, einheitlichen Anwendung und des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts. Sie ist daher allenfalls denkbar, wenn die Gemeinschaft ihre Kompetenzgrenzen offensichtlich und generell überschreitet und zugleich die gemeinschaftsrechtli-

IV. Bewertung anhand gemeinschaftsrechtlicher Regelungsstrukturen

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EG sowie jetzt noch deutlicher in Ziffer 2 des Amsterdamer Subsidiaritätsprotokolls aufweist. Charakteristisch ist ferner die unmittelbare Wirkung des Gemeinschaftsrechts für die Einzelnen. 135 Diese ist positivrechtlich festzumachen an der auch an die Völker, d. h. die Bürger, der Mitgliedstaaten gerichteten Präambel des EG-Vertrages sowie an der in Art. 234 EG vorausgesetzen Möglichkeit der einzelnen, sich vor nationalen Gerichten auf das Gemeinschaftsrecht zu berufen. Im Rahmen der Europäischen Union werden die Gemeinschaften "ergänzt" (Art. 1 Abs. 2 S. 1 EU) durch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und die Polizeiliche und Iustizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PIZS). Auch im Bereich dieser nicht vergemeinschafteten Aktionsfelder ist die Europäische Union allerdings im Begriff, sich ebenfalls zu einer supranationalen Organisation zu entwickeln. 136 Was die PIZS angeht, hat der Amsterdamer Vertrag den von den Mitgliedstaaten unabhängigen Organen Kommission und Gerichtshof eine wichtigere Rolle eingeräumt: Dem EuGH ist die Kontrolle von Maßnahmen nach Titel VI EU übertragen worden (Art. 35 Abs. 6, 7 EU). Die Kommission hat ein Initiativrecht erhalten, das demjenigen der Mitgliedstaaten gleichrangig ist (Art. 34 Abs. 2 S. 2 EU). Die Union ist nunmehr imstande, die Mitgliedstaaten durch Beschlüsse oder Rahmenbeschlüsse zu binden (Art. 34 Abs. 2 lit. b), c) EU), deren Zustandekommen nicht mehr von der positiven Einstimmigkeit im Rat abhängt (Art. 41 EU i. V. m. Art. 205 Abs. 3 EG). Mögen auch die Rahmenbeschlüsse nicht unmittelbar wirksam sein, sind dennoch bei verspäteter oder unvollständiger Umsetzung Schadensersatzansprüche einzelner nicht von vornherein ausgeschlossen.1 37 Im Bereich der GASP wurde der Raum für Mehrheitsbeschlüsse erweitert und ebenfalls das positive Einstimmigkeitserfordernis aufgegeben (Art. 23 EU). Art. 11 EU nennt als Akteur der GASP im Außenverhältnis nur noch die Union und weist den Mitgliedstaaten zumindest auf dem Papier eine lediglich unterstützende Rolle zu. Und die neu geschaffene Kompetenz des Rates zum Abschluß völker-

chen Kontrollmechanismen offensichtlich vollständig versagen; vgl. dazu z. B. Kokott, AöR 119 (1994), 207, 213; Frowein, ZaöRV 1994, I, 8 f.; Meessen, NJW 1994, 553; Pemice in Dreier (Fn. 45), Art. 23 GG, Rn. 26 ff. m. w. N. 135 EuGH, Rs. 26/62, Sig. 1963, 1,5 f. (van Gend & Loos); Rs. 8/81, Sig. 1982,53, Rn. 29 (Becker); verb. Rs. C-87-89/90, Slg. 1991,1-3757, Rn. 16 (Verholen); vgl. zum Ausschluß der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien in Horizontalverhältnissen z. B. EuGH, Rs. C-91192, Sig. 1994, 1-3325, Rn. 22 ff. (Facini Dori); näher zum ganzen Ruffert in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 249 EG, Rn. 17 ff., 41 f., 69 ff. 136 Vgl. zum folgenden Wichard in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. I EG, Rn. 10 ff. 137 Vgl. Brechmann in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 34 EU, Rn. 9; ablehnend Harings, EuR-Beiheft 2/1998,81,88.

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C. Herleitung eines Publizitäts grundsatzes

rechtlicher Verträge (Art. 24, 38 EU) läßt sich nach freilich umstrittener Ansicht als Vertragsschlußkompetenz der Union selbst deuten. 138 Indem Art. 1 Abs. 2 EU von der mit diesem Vertrag erreichten "neue[n] Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas" spricht, bestätigt er erneut den offenen, dynamischen, aber auch von Anfang an auf politische, nicht ausschließlich wirtschaftliche Finalität angelegten Charakter des europäischen Integrationsprozesses. 139 Den Gemeinschaften und nunmehr auch der Union kam stets die Funktion zu, Segmente der bisher von den Mitgliedstaaten erfüllten öffentlichen Aufgaben selbständig durch unabhängige Organe und eigenständiges Recht wahrzunehmen, weil die Mitgliedstaaten sie in der modemen Welt nicht mehr hinreichend bewältigen können. Wie S. I der EGV -Präambel formuliert, sollte die Gemeinschaft nach Absicht der Mitgliedstaaten von Anfang an die "Grundlagen für einen immer engeren Zusammenschluß der Europäischen Völker" schaffen. Auf der Handlungsebene benennt Art. 2 EG die Integration, d. h. die Schaffung des Gemeinsamen Marktes und der Wirtschafts- und Währungsunion sowie die weiteren gemeinsamen Politiken und Maßnahmen, als Mittel zur Erreichung bestimmter sachbezogener Ziele: harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens, hohes Beschäftigungsniveau, sozialer Schutz, Wachstum, Stabilität, Weubewerbsfahigkeit, Umweltschutz, Hebung der Lebenshaltung und - erneut - engere Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten. Das Ziel, hiermit Frieden und Freiheit zu wahren und zu festigen, sowie die Aufforderung an die anderen Völker Europas, sich diesen Bestrebungen anzuschließen, wird im vorletzten Satz der Präambel ausdrücklich unterstrichen. Nur hierfür werden die Tätigkeiten der Gemeinschaft generell beschrieben, die Organe errichtet, Handlungsbefugnisse definiert und Verfahren ihrer Ausübung geregelt. Nur insoweit haben sich die Mitgliedstaaten nach Art. 10 EG zur Mitwirkung und Solidarität verpflichtet, von der die Wirksamkeit der Gemeinschaftsgewalt abhängt. Dies wird mit der auf H. P. Ipsen zurückgehenden Bezeichnung der Gemeinschaft als ,,zweckverband funktioneller Integration" grundsätzlich richtig erfaßt. Allerdings sollte der Begriff nicht dahingehend mißverstanden werden, daß die Gemeinschaft ursprünglich nur als wirtschaftliche Einheit, als gemeinsamer Markt gedacht ge-

138 Wichard in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 1 EG, Rn. 12; überwiegend wird die Vorschrift jedoch als verkürzte Fonnulierung für ein Bündel von Verträgen der Mitgliedstaaten verstanden, vgl. z. B. Cremer in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 24 EU, Rn. 4; Streinz, EuZW 1998, 137, 141; Krück in Schwarze (Fn. 2), Art. 11-28 EU, Rn. 20; offengelassen bei Hilf / Pache, NJW 1998, 70S, 709. 139 Dazu Everling, DVBI. 1993, 937 f.; H. P. lpsen, (Fn. 133), 66 f.; 196 ff.; Schwarze, NJ 1994, 2 f.; Pemice in lsensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band VIII, § 191 Rn. 21 ff.; Hertel, Supranationalität als Verfassungsprinzip, 153 f.

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wesen sei. l40 Vielmehr gehörte von Anfang an zum Wesen der Integration als eines Vergemeinschaftungsprozesses, daß der Gegenstand der Vergemeinschaftung in strikter Unterscheidung zwischen Vorgängen wirtschaftlicher und politischer Integration nicht zu erfassen ist. Insbesondere der Automatismus, mit dem die Integration eines Sektors gewissermaßen kraft Sachzusammenhangs häufig entsprechende Integrationsbedürfnisse in anderen Sektoren ausgelöst hat, war Schrittmacher zunehmender Politisierung der Vergemeinschaftung. Auf diese Weise hat bereits der schlichte Fortgang des Integrationsprozesses seinen Politikgehalt mehr und mehr intensiviert. Man denke nur an die Auswirkungen der Öffnung der Märkte und der Beihilfenaufsicht auf die Arbeitsmarkt-, Agrar-, Industrie-, Regional- und Umweltpolitik der Mitgliedstaaten oder an diejenigen der gemeinsamen Handelspolitik auf die Außenpolitik. 141 Für die Charakterisierung von Union und Gemeinschaften als "Zweckverbände funktioneller Integration" ist das Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 EG, Art. 2 S. 2 EU) von erheblicher Bedeutung. Indem es den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung bekräftigt, stellt es sicher, daß die Befugnisse der Gemeinschaft nur ausgeübt werden, wenn die Ziele der jeweiligen Maßnahmen auf nationaler Ebene allein nicht voll zu verwirklichen sind und "daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können." Daraus folgt, daß politisches Handlungszentrum die Staaten bleiben, deren Völker sich zur Erfüllung bestimmter Aufgaben - Friedenssicherung, Wirtschaftswachstum, Umweltschutz usw. -, soweit zur wirksamen Zielerreichung notwendig, der in den Verträgen vorgesehenen Mittel bedienen und zu diesem Zweck den durch die Verträge geschaffenen Organen bestimmte Kompetenzen anvertraut haben. Dies ist kein Verzicht der Staaten, sondern der Staat "gibt seiner Tätigkeit lediglich eine andere Richtung. ,,142 Indem das Gemeinschaftsrecht, maßgeblich gefördert vom EuGH, den einzelnen zum Wächter über die Einhaltung der Gemeinschaftsverträge eingesetzt hat,I43 ihn zum Inhaber von Grundfreiheiten und Grundrechten sowie von durchsetzbaren Rechten aufgrund Sekundärrechts erhoben hat,l44 hat es andererseits verhindert, daß die Gemeinschaftsangelegenheiten allein Sache der

140 So aber z. B. Rupp, ZRP 1993,211 ff.; Schachtschneider, APuZ B 28/93, 6 f.; P. Kirchhof, EuR Beih. 1/1991, 11, 13, sowie in lsensee / Kirchhof (Fn. 130) § 183 Rn. 48 f.; Scholz, NJW 1992,2593, und die Gemeinsame Verfassungskommission, BT-Drs. 12/6000,20. 141 Vgl. H. P. lpsen in lsensee / Kirchhof (Fn. 130) § 181 Rn. 50 ff.; Oppermann / Classen, APuZ B 28/93, 11, 12. 142 So schon K. Vogel, Die Verfassungsentscheidung für eine internationale Zusammenarbeit, 31; dem folgend z. B. Pernice (Fn. 139), Rn. 23 a. E. 143 So EuGH, Rs. 26/62 (Fn. 135). 144 Umfassend dazu Everling, ZfRV 1992,242 ff.

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C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

Mitgliedstaaten und ihrer Regierungen sind. 145 Dies würde auch für eine eventuelle Auflösung der Union bzw. der Gemeinschaften gelten, bei welcher die Besitzstände der Unionsbürger zu respektieren wären. l46 Aus diesem Grund handelt es sich auch um eine Union der Bürger Europas. 147 Die Mitgliedschaft in der Union, der sich die nationalen Verfassungen durch ihre Integrationsklauseln öffnen, verändert daher jeden Staat grundlegend, insbesondere auch im Verhältnis zum Bürger. Denn die Ausschließlichkeit des rechtlichen Bezugssystems Staat-Bürger wird durch die vertragliche Konstituierung einer neuen, supranationalen Hoheitsgewalt der Gemeinschaft aufgehoben. Zugleich bringt jede Änderung der Unionsverfassung, d. h. der in den Verträgen verkörperten rechtlichen Grundordnung der Union, materielle Änderungen der nationalen Verfassungen mit sich, kann daher ungeachtet ihrer Einkleidung in völkerrechtliche Verträge als gemeinsame Ausübung der verfassungsgebenden Gewalt durch die Völker der teilnehmenden Staaten angesehen werden. 148 Diesem Befund wird der Begriff "Europäischer Verfassungsverbund" besser gerecht. 149 Hiermit wird nämlich die gestufte Struktur und Einheit der durch nationale Verfassungen und Unionsverträge konstituierten Ordnung verdeutlicht. Statt des Volkes eines Staates sind hinsichtlich der Gemeinschaft bzw. Union Legitimationsgrundlage und Adressatenkreis des hoheitlichen Handeins die Völker und damit die Bürger aller durch die Gemeinschafts- bzw. Unionsverfassung verbundenen Staaten. Insofern bildet die Union ein föderales System mit geteil-

Schwarze, NJ 1994,3; Frowein, EuR 1995, 315 f. Everling, DVBI. 1993,936,942. 147 Darauf weist mit Recht hin Everling, Integration 1994, 165, 167 f., 169: "Staatenund Bürgerverbund"; vgl. ferner Hilf in Hommelhoff / Kirchhof (Hrsg.), Der Staatenverbund der Europäischen Union, 76; Nicolaysen, EuR 2000, 495, 502, sowie Classen in v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 45), Art. 23 GG, Rn. 5. 148 Pemice, C.M.L.Rev. 1999,703,717 f.; ders., VVDStRL 60, 164 ff. (2001); nach der Präambel des Grundgesetzes ist es bezeichnenderweise gerade nicht der Staat - so aber BVerfGE 89, 155, 183 - sondern das "Deutsche Volk", welches "als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen" entschlossen ist; auch Huber, VVDStRL 60, 226 (2001), konstatiert immerhin das faktische Ende der nationalen Verfassungsautonomie durch die Mitgliedschaft in der EU, freilich mit der Einschränkung "solange sie denn anhält." 149 Grundlegend Pemice, EuR 1996,27,29 ff., dort auch zum folgenden; vgl. ferner ders., JöR n. F. 48 (2000), 211 f. Eindringlich zur Unbrauchbarkeit einer an der nationalstaatlichen Rechtsordnung orientierten verfassungsrechtlichen und -theoretischen Begrifflichkeit für die Beschreibung der Unionsstruktur z. B. Schuppert, StWuStPr 4 (1994), 53 ff.; Beutler, FS Böckenförde, 109, 123 f.; Hertel, JöR n. F. 48 (2000), 233, 242 ff.; Kritisch zur Verwendung des Verfassungsbegriffs für die Unionsverträge v. a. Grimm, JZ 1995,581,586; C. Koenig, NVwZ 1996,549,551, sowie ders., DÖV 1998, 268 ff., jeweils aufgrund einer am tradierten Nationalstaat entwickelten Verfassungstheorie. 145

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IV. Bewertung anhand gemeinschaftsrechtlicher Regelungsstrukturen

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ter Souveränität. 150 Die Bürger konstituieren darin gemäß den jeweiligen Vorgaben ihrer nationalen Verfassungen je nach Eignung für die Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gestuft auf Landes-, auf Staats- und auf supranationaler Ebene Träger öffentlicher Gewalt und setzen diese miteinander in Bezug. Den Gedanken geteilter, auf die Bürger der durch die Föderalverfassung verbundenen Staaten zurückzuführender Souveränitäten hat bereits Madison formuliert: 151 "Die Regierungen des Bundes und der Staaten sind in der Tat nur unterschiedliche Bevollmächtigte und Treuhänder der Bevölkerung,152 ausgestattet mit je verschiedenen Befugnissen und vorgesehen für je verschiedene Zwecke." Auch der deutschen Bundesstaatslehre des 19. Jahrhunderts war das Konzept geteilter Souveränität in der Zeit vor der diplomatisch-undemokratischen Reichsgründung durchaus geläufig. 153 Mittels eines auf die Legitimation von Staatsgewalt reduzierten Souveränitätsbegriffs kann es in eine demokratische Theorie föderaler Systeme eingebaut werden!54 Volkssouveränität ist dann der Legitimationszusammenhang zwischen dem jeweiligen Träger öffentlicher Gewalt und den betreffenden Bürgern, als deren "Bevollmächtigter und Treuhänder" (Madison) er handelt und deren Rechtssphäre er gestaltet: Unionsbzw. Gemeinschaftsorgane und Unions bürger, Staatsorgane und Staatsbürger, Landesorgane und Landesbürger.

2. Exkurs: Geteilte Souveränität und Grundgesetz

Das Grundgesetz erklärt in seinem Eingangsartikel die freie Selbstbestimmung der ausweislich der Grundrechtsartikel (Art. 6, Art. 4 i. V. m. Art. 140, Art. 9 GG) als in unterschiedliche Gemeinschaften eingebunden und durch sie 150 Ähnlich Frowein, EuR 1995,315,320; s. ferner Steindorff, AöR 116 (1991), 460, 465; Beutler, KJ 1996,52,54; der Sache nach auch Hilf (Fn. 147),78 f., sowie Denninger, JZ 2000,1121,1125 f.; ablehnend Hobe, Der Staat 37 (1998), 521, 545. 151 Hamilton / Madison / Jay, The Federalist Papers, No. 46,: "The federal and State governments are in fact but different agents and trustees of the people, constituted with different powers and designed for different purposes." Übersetzung C. H. 152 Zur im Wort "people", das von Madison im Ubrigen synonym mit "citizens" bzw. "constituents" gebraucht wird, implizierten Pluralität vgl. Bryde, StWuStPr 5 (1994), 305,312. 153 Waitz, Das Wesen des Bundesstaats, in ders., GrundzUge der Politik, 1862, 164 ff.; zum Wandel des Bundesstaatsmodells nach 1867170 z. B. Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, TUbingen, 2001, 65 ff. m. w. N. 154 Die mit Blick auf das traditionell republikanische schweizerische Bundesstaatsrecht formulierte Aussage zur Bundesstaatstheorie bei Fleiner-Gerster, Allgemeine Staatslehre, 1980, 190, ist zu verallgemeinern: "Wenn wir aber nun Souveränität nicht als oberste, nicht mehr ableitbare Staatsgewalt verstehen, sondern davon ausgehen, daß dasjenige Volk souverän ist, das seiner Staatsgewalt in seinem Territorium die Legitimität verleiht, können wir eine Teilung der Souveränität zwischen Gliedstaaten und Bundesstaat durchaus akzeptieren."

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C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

geprägt gedachten Menschen zur ideellen Voraussetzung seiner staatlichen Ordnung. Es betrachtet "darum" unveräußerliche Menschenrechte als "Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft", auch des von ihm konstituierten Staates. ISS Auf dieser Basis ordnet es das deutsche Staatswesen insbesondere als Demokratie, normiert es den Grundsatz der Volkssouveränität. Hiermit sucht es, wie auch genetisch nachweisbar ist, Anschluß an die westlichen Demokratien zu gewinnen ls6 und damit deutsche Sonderwege zu überwinden. Gewiß ist die Vorstellung, der Staat sei eine vorgegebene, nach Ursprung, Existenz und Legitimität von den durch ihn umfaßten Individuen losgelöste souveräne Einheit, nicht nur der Staatstheorie des deutschen staatsrechtlichen Positivismus geläufig, soweit diese nämlich den Staat als souveräne rechtliche Persönlichkeit voraussetzt. 157 Vielmehr hat sie in der kontinentaleuropäischen Demokratietheorie insofern weitergewirkt, als sich dort verschiedentlich die Auffassung findet, der überindividuelle und dem Staat vorgegebene Volkssouverän oder die Nation sei Inhaber der höchsten politischen Gewalt im demokratischen Staat. Wenn das Grundgesetz nun aber die Selbstbestimmung freier Individuen zur ideellen Grundlage seiner staatlichen Ordnung macht, versteht es den Staat nicht als vorgegebene politische Einheit der Gruppe Volk oder Nation. Vielmehr ist der Staat Organisation, d. h. ein zur "Einheit der Entscheidung und Wirkung planmäßig organisiertes Handlungsgeftige".158 Die Konstituierung dessen, was seine Einheit ausmacht, wird von Menschen durch den Zusammenhang sozialen Handeins bewirkt. Die Einheit des Staates ist deshalb nicht vorgegeben, sondern aufgegeben. 159 Wenn nach Art. 20 Abs. 2 GG alle StaatsgeISS Dazu v. a. Hesse (Fn. 45), Rn. 116 ff.; Häberle in Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band I, § 20 Rn. 57 ff.; Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, 423 ff.; BVerfGE 40, 287, 291: die Bundesrepublik Deutschland ist "primär auf die freie, selbstbestimmte (Art 1 Abs. I GG) Integration aller politischen Meinungen und Kräfte im Rahmen und durch die Grundsätze der Verfassung angelegt"; BVerfGE 44, 125, 141 f. (Hervorhebung C. H.): "Der Staat des Grundgesetzes ist der Entscheidungs- und Verantwortungszusammenhang - zunehmend eingebettet in internationale Wirkungsbereiche -, vermittels dessen sich das Volk nach der Idee der Selbstbestimmung aller in Freiheit und unter der Anforderung der Gerechtigkeit seine Ordnung ... setzt. Weil er der freien Selbstbestimmung aller unter Gewährleistung von Frieden und Ordnung einen Rahmen verbürgt, kommt dem Staat Hoheitsgewalt ... zu." Vgl. ferner Nicolaysen, EuR 2000, 495, 506. 156 Bryde, StWuStPr 5 (1994), 317 f. Besonders deutlich wird die Anknüpfung an die nordatlantisch-westeuropäische Verfassungs tradition bei Süsterhenn, 2. Plenarsitzung des Parlamentarischen Rates, in: Deutscher Bundestag / Bundesarchiv (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Akten und Protokolle, Band 9, 55 f. (Dokument Nr. 2); vgl. ferner Ca rio Schmid, ebendort, 35 ff., insbesondere 35 f. 157 Vgl. Grabitz, DVBI. 1977, 786, 788 f.; zum auf den Nationalstaat bezogenen Demokratieverständnis in anderen EU-Mitgliedstaaten Huber, VVDStRL 60, 223 f. (2001). 158 Heller, Staatslehre, 228 ff., 237. 159 Grabitz, DVBI. 1977,789; Hesse (Fn. 45), Rn. 5 ff.

IV. Bewertung anhand gemeinschaftsrechtlicher Regelungsstrukturen

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walt vom Volke ausgeht, wird mit diesem Satz daher nicht eine Willenseinheit des Volkes fingiert, sondern die reale Unterschiedlichkeit und Gegensätzlichkeit der Meinungen, Interessen und Bestrebungen innerhalb des Volkes vorausgesetzt, die stets erneut die Herstellung politischer Einheit als Bedingung der Entstehung und des Wirkens staatlicher Gewalt notwendig macht. l60 Der politische Prozeß, in dem dies geschieht, soll nach Art. 20 Abs. 2 S. I GG Sache des ganzen - an dieser Stelle gerade nicht mit dem Attribut "deutsch" versehenen 161 - Volkes sein. Alle Angehörigen des Volkes sollen real die gleiche Chance haben, sich in organisiertem Zusammenwirken nach den Regeln der Verfassung durchzusetzen und - wenn ihnen dies gelingt - in Parlament und Regierung staatliche Gewalt auszuüben. Dabei ist die politische Herrschaft von Parlament und Regierung von der Mehrheit des Volkes anvertraute, dem Volk gegenüber verantwortliche, zeitlich und sachlich begrenzte Herrschaft. Sie unterliegt der Kritik und Kontrolle und wird modifiziert durcI1 Anteilnahme des Volkes an der politischen Willensbildung, insbesondere durch die von Art. 5, 8 und 9 GG ermöglichte Bildung und Artikulation einer öffentlichen Meinung. Zugleich bekräftigt 162 das Grundgesetz in seinem Art. 23 Abs. I S. 1,2 n. F. die zuvor schon in der Präambel verankerte verfassungsrechtliche Pflicht der Bundesrepublik Deutschland, sich an der Entwicklung der Europäischen Union zu beteiligen, sowie die früher in Art. 24 GG enthaltene Ermächtigung zur Übertragung von Hoheitsrechten auf die europäischen Organisationen. Da Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG außerdem durch den Gebrauch des Präsens die kontinuierliche Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland an der Union voraussetzt, sichert er die Übertragung der Hoheitsrechte deutlicher als der alte Art. 24 GG als unmittelbare Konsequenz dieser Mitwirkung verfassungsrechtlich ab. Die Beachtung der Gemeinschaftshoheit ist daher jetzt zumindest auch auf Art. 23 GG zu stützen. 163 So gesehen, trägt das Grundgesetz auch das hier vertretene, vom einzelnen Menschen her gedachte Konzept geteilter Souveränität, ist die nach Maßgabe der Art. 79 Abs. 3 i. V. m. Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG änderungsfeste "stl,llltliche Identität" Deutschlands diejenige eines in den Verfassungsver-

160 Zum grundgesetzadäquaten Verständnis der Volkssouveränität Hesse (Fn. 45), Rn. 133 f., 149 f. 161 Mit diesem Befund ist noch nichts darüber ausgesagt, ob die Verfassung es zulassen würde, Ausländern das Wahlrecht zum Bundestag zu verleihen. Hiergegen spricht, daß Art. 8 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 GG wichtige demokratische Freiheitsrechte, durch deren Ausübung die Mediatisierung des Volkes durch die "besonderen Organe" des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG abgeschwächt werden kann, nur Deutschen zugestehen. 162 Vgl. näher z. B. Schwarze, JZ 1993,589,591; Pemice in Dreier (Fn. 45), Art. 23 GG, Rn. 17 m. w. N.; s. a. Heitsch, EuGRZ 1997,461,462 f. 163 Vgl. Frowein, ZaöRV 1994, 11 f. bei Fn. 42.

4 Heitsch

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C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

bund der EU integrierten demokratischen und sozialen Bundesstaates. l64 Denn die Grundsätze des Art. 20 GG, welche die Staatlichkeit der Bundesrepublik betreffen, sind in Konkordanz mit der Europaklausel der Präambel sowie mit Art. 23 Abs. I S. 1 und Art. 24 Abs. 1 GG zu verstehen. Art. 79 Abs. 3 GG nimmt sie nur mit diesem qualifizierten Gehalt in Bezug. 165 Welche letzten Grenzen der europäischen Integration sich daraus ergeben könnten, ist hier allerdings nicht zu erörtern. 166

3. Demokratische Legitimation im Verfassungsverbund Wie oben dargelegt,167 bilden im Verfassungsverbund der Europäischen Union die Bürger der zur Union verbundenen Staaten das Legitimationssubjekt der Unionsgewalt. Es kommt daher darauf an, einen hinreichend effektiven Gehalt an demokratischer Legitimation zwischen der Ausübung der vertragsgemäßen Befugnisse durch die Unionsorgane und den Unionsbürgern herzustellen. 168 Ob Demokratie auf Unionsebene prinzipiell möglich ist, hängt entgegen mancher Stimmen in der deutschen Literatur allerdings nicht davon ab, daß dort bereits ein geistig, sozial, kulturell, vielleicht sogar ethnisch homogenes "europäisches Volk" existiert. 169 Nach dieser Ansicht dürfte sich eine Gruppe erst dann politisch organisieren, wenn sie homogen ist. Diese Auffassung beruht auf einer einseitigen, verabsolutierenden und wohl auch zu wenig differenzierten Sichtweise der Entstehungsgeschichte des deutschen Nationalstaats im 19. Jahrhundert. Damit wird zum einen die historisch sehr viel wichtigere Herausbildung einer hinreichend homogenen gesellschaftlichen Struktur durch gemeinsame politische Praxis, durch funktionierende gemeinsame Institutionen übersehen. Vor allem aber schließt die Bindung an ein apriori homogenes Volk nicht nur Demokratie oberhalb der staatlichen Ebene aus, sondern erklärt

164 Vgl. Pernice in Dreier (Fn. 45), Art. 23 GG, Rn. 25 m. w. N.; anders aber z. B. Kaufmann, Der Staat 36 (1997), 521, 528: Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 GG, dessen kardinales Schutzgut die souveräne Staatlichkeit ist. 165 So besonders deutlich Steinberger, FS Bernhardt, 1995, 1313, 1324; s. ferner Pernice, AöR 120 (1995), 100 f.; Oppermann / Classen, APuZ B 28/93, 11, 18 ff.; Tomuschat, EuGRZ 1993,489,496; Bryde in v. Münch / Kunig (Hrsg.), GrundgesetzKommentar, Art. 79 GG, Rn. 49a. 166 Sehr weitgehend Fink, DÖV 1998, 133, 135 ff. 167 Bei Fn. 130 ff., 149 ff. 168 So im Ansatz, allerdings bezogen auf Staatsgewalt und Staats volk, auch BVerfGE 89, 155, 182. 169 Für strikte Beschränkung von Demokratie auf den Nationalstaat aber z. B. P. Kirchhof, EuR Beih. 111991, 11, 13 f.; Huber, StWuStPr 3 (1992), 349, 360 f.; Murswiek, Staat 1993, 161, 176 f.; Di Fabio, Staat 1993, 191, 202 ff.; Ossenbühl, DVBI. 1993,628,634; zum ganzen jüngst auch Bleckmann, JZ 2001, 53 ff.

IV. Bewertung anhand gemeinschaftsrechtlicher Regelungsstrukturen

51

zugleich auch manche Mitgliedstaaten der Union für prinzipiell demokratieunfahig. 170 Dabei kennzeichnet die Unionsbürgerschaft gemäß Art. 17 ff. EG durchaus eine Zusammengehörigkeit der Völker der Mitgliedstaaten, indem sie einen neuen politischen und rechtlichen Status für deren Bürger begründet. 171 Denn die Rechte und Pflichten, die mit der Unionsbürgerschaft verbunden sind, werden nicht von der staatlichen Rechtsordnung vermittelt, sondern ergeben sich unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht. Auf diese Weise bringt die Unionsbürgerschaft die Errungenschaften, die der bisherige Integrationsprozeß den Bürgern der Mitgliedstaaten gebracht hat, auf eine Kurzformel. Zugleich ist sie aber auch deutlicher Ausdruck des Selbstverständnisses der Union als einer politischen Einheit. Was diese Einheit zusammenhält, ist nicht eine vorgegebene geistige, soziale und politische Homogenität der Bürgerschaft. Vielmehr ist es auf der Grundlage gemeinsamer (Verfassungs)Geschichte und Erfahrung l72 ihr gemeinsamer Wille, den Frieden untereinander zu sichern,I73 nationale Grenzen zu überwinden und zu beseitigen und so den freien Verkehr von Gütern, Dienstleistungen, Personen und Kapital zu ermöglichen, dabei Gleichbehandlung, Freiheit, Sicherheit und Wohlfahrt zu gewährleisten und den Herausforderungen der Globalisierung durch gemeinsame Institutionen, rechtliche Garantien und demokratische Verfahren zu begegnen. Kurz gesagt, diese Grundlage der Identität entwickelt sich aus der Einigung auf die in gemeinsamer Tradition verankerten Werte Föderalismus, demokratische Verfassungs staatlichkeit, Gesetzesbindung der öffentlichen Gewalt, Gleichberechtigung aller Bürger und Rechtsschutz durch gerichtliche Entscheidung. 174 Dennoch wird es wohl noch geraume Zeit an demjenigen "gemeinsamen Mythos" fehlen, der für unentbehrlich gehalten wird, wenn man von einem Volk sprechen will. Daraus folgt aber nicht, daß Demokratie in der Union unmöglich wäre, sondern nur,

170 Bryde, StWuStPr 5 (1994), 309 f.; zum Ablauf in den U.S.A., wo bereits Ende des 18. Jahrhunderts gemeinsame Institutionen der Union geschaffen wurden; sich aber in der Bevölkerung erst sehr viel später ein Gefühl der Zusammengehörigkeit entwickelt hat, Fischer / Neff, 44 I.C.Q.L., 904, 915 (1995). 171 Dazu Pemice, C.M.L.Rev. 1999, 703, 720 ff.; Kluth in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 17 EGV, Rn. 6 f.; ansatzweise BVerfGE 89, ISS, 194 f. (Hervorhebung C. H.), wonach die Unionsbürgerschaft "zwar nicht eine der gemeinsamen Zugehörigkeit zu einem Staat vergleichbare Dichte besitzt, dem bestehenden Maß existenzieller Gemeinsamkeit jedoch einen rechtlich verbindlichen Ausdruck verleiht." Auch EuGH, Rs. C-85/96, Slg. 1998, 1-2691, Rn. 62 (Sala) hat den "Status" des Unionsbürgers als Grundlage für die Rechte und Pflichten aus den Verträgen anerkannt. 172 Dazu instruktiv Stolleis, KritV 1995,275,281 ff. 173 Zur Bedeutung der Gemeinschaften für die Sicherung des Friedens zwischen den Mitgliedstaaten nochmals eindringlich Nicolaysen, EuR 2000, 495, 505 ff. 174 Vgl. dazu noch Zuleeg, AJCL 1997, 50S, 521 f. .

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C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

daß sie in einer der Unionsstruktur adäquaten Weise zu gewährleisten ist. 175 Die demokratische Kontrolle der Unionsgewalt muß auf die durch das rechtliche Band der Unionsbürgerschaft verbundenen Bürger der Mitgliedstaaten bezogen werden. 176 Dabei ist zu berücksichtigen, daß in der gegenwärtigen institutionellen und kompetenziellen Struktur der Union zwei Demokratiemodelle miteinander verwoben sind.

4. Die parlamentarisch-regulatorische Struktur der Union

a) Parlamentarisches und regulatorisches Demokratiemodell Diese kann man als parlamentarisch und funktionell-regulatorisch charakterisieren. 177 Dem parlamentarischen Modell liegt eine Demokratietheorie zugrunde, der zufolge die Parlamente als die wesentlichen Vermittler demokratischer Legitimation gelten. Sie müssen daher ein entscheidendes Mitspracherecht in Fragen der Ausübung öffentlicher Gewalt haben, damit diese als demokratisch legitimiert gelten kann. Dieses Modell liegt bekanntlich der geläufigen Definition des europäischen Demokratiedefizits l78 zugrunde: Das Problem soll deshalb entstehen, weil viele der Befugnisse, die auf die Union übertragen sind, rechtssetzender Natur und deshalb traditionell Vorrecht der Parlamente sind. Der parlamentarische Ansatz impliziert zudem, daß Parlamente imstande sind, die Tätigkeit der Exekutive zu kontrollieren und daß die Exekutivfunktion im wesentlichen nur in der Umsetzung politischer Grundsatzentscheidungen der Legislative besteht. Grundlage des funktionell-regulatorischen Demokratiemodells ist die strukturelle Ähnlichkeit der Gemeinschaften mit den U.S.-amerikanischen unabhängigen Regulierungsbehörden. 179 Es versucht daher, Ergebnisse der amerikanischen Diskussion über die demokratische Legitimation dieser sog. "unabhängigen vierten Gewalt" auf den europäischen Zusammenhang zu übertragen. Insbesondere berücksichtigt es, daß die Gemeinschaften ähnlich wie die amerika-

So auch Oppe nnann / Classen, APuZ B 28/93, 15. So auch Pemice, DV 1993, 477 f.; vgl. grundlegend zum "gemeinsamen Mythos", der eine Gruppe von Menschen erst zum "Volk" macht, v. Simson, EuR 1992, 3ff. J77 Vgl. zum folgenden näher Dehousse, 35 C.M.L.Rev. 595, 598 f., 599 ff. (1998). 178 Vgl. dazu z. B. Pemice, DV 1993,483; Classen, AöR 119 (1994), 238, 246 ff., 249 ff.; Oeter, ZaöRV 1995, 659 ff.; Hatje, Die gemeinschaftsrechtliche Steuerung der Wirtschaftsverwaltung, 401 ff., je m. w. N. 179 Vgl. Majone in ders. (Hrsg.) Regulating Europe, 284, 287 ff.; Caporaso, JCMS 1996,29,39 ff. 175

176

IV. Bewertung anhand gemeinschaftsrechtlicher Regelungsstrukturen

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nischen Regulierungsbehörden nur für bestimmte Aufgaben zuständig sind. 180 Hierzu dürfen die Gemeinschaften nach dem Subsidiaritätsgrundsatz (Art. 5 Abs. 2 EG) nur tätig werden, wenn sie die betreffende Aufgabe besser erfüllen können als die Mitgliedstaaten, sei es wegen des grenzüberschreitenden Charakters der jeweiligen Sachprobleme oder deshalb, weil nationale Maßnahmen der Staaten Auswirkungen für ihre Partner haben können. Zu den Aufgaben der Gemeinschaften gehört aber nicht nur die sog. negative Integration,181 also die Beseitigung von Hindernissen für die Ausübung der Grundfreiheiten und für den freien Wettbewerb. Vielmehr haben die Gemeinschaften zunehmend flankierende Aktivitäten auf den Feldern des Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitsschutzes entfaltet. Schließlich stellt das Modell in Rechnung, daß die Verantwortlichkeit der Gemeinschaftsorgane Rat und Kommission gegenüber den Bürgern und deren gewählten Vertretern auf nationaler ul!d Unionsebene in vielfacher Hinsicht abgeschwächt ist. Ähnliches gilt für die amerikanischen unabhängigen Regulierungsbehörden im Verhältnis zum Präsidenten und zum Kongreß. Von besonderer Bedeutung sind die institutionellen Folgen, die das funktionell-regulatorische Modell im Kontext der Europäischen Integration hat. Insbesondere werden hier rein intergouvernmentale Regelungen wegen des damit verbundenen Zwangs zur Einstimmigkeit dem aus der institutionellen Asymmetrie von positiver und negativer Integration resultierenden Problemdruck nicht gerecht. 182 Während nämlich die negative Integration bereits aufgrund der unmittelbaren Wirkung der Grundfreiheiten ihren Lauf nimmt, hängt der Fortgang der positiven Integration von einem Tätigwerden der Gemeinschaftsorgane ab. Andererseits sind nationale Stellen allzu leicht geneigt, ihre Befugnisse strategisch zugunsten einheimischer Unternehmen zu gebrauchen. Daher legt das Modell großen Wert darauf, für Regulierungsaufgaben supranationale Institutionen zu schaffen, die wegen ihrer institutionellen Unabhängigkeit von den Mitgliedstaaten vermutlich strenger sein werden, wenn es um die einheitliche Durchsetzung unions weiter Standards geht. Allerdings können supranationale Einrichtungen diese Rolle nur erfüllen, wenn ihre institutionelle Autonomie wirklich erhalten bleibt. Auch wenn etwa die Kommission selbstverständlich nicht in einem politischen Vakuum agieren kann und soll, hängt ihre Glaubwürdigkeit doch davon ab, ob sie in ihrer Alltagsarbeit unabhängig von Einwirkungen der nationalen Regierungen oder der Parteipolitik bleiben kann. Art. 213 Abs. 2 EG trifft dementsprechend umfassende Vorkehrungen, die Un-

180 Zum Prinzip der Einzelermächtigung nunmehr sehr deutlich EuGH, Rs. C-376/98, Slg. 2000, 1-8419 (D / Parlament und Rat), Rn.83 f., 107. 181 Im Sinne von Pinder, 24 The World Today (1968), 88, 90 ff. 182 Vgl. dazu z. B. Scharpf, StWuStPr 5 (1994),475,479 ff., 484 ff.; Lübbe-WolfJ, VVDStRL 60, 246, 252.

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C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

abhängigkeit der Kommission zu gewährleisten. 183 Im funktionell-regulatorischen Demokratiemodell gilt außerdem im Anschluß an Madison l84 die Konzentration von Macht in denselben Händen, "sei sie in denjenigen eines einzelnen, einiger weniger oder vieler, sei sie Folge von Vererbung, Selbsternennung oder Wahl" als Grundübel. Daher bedarf es hier eines Systems gegenseitiger Hemmung und Kontrolle der Machtausübung. Vor allem liegt es in der Logik des funktionell-regulatorischen Modells, daß für die demokratische Legitimation der europäischen Organe auf Methoden zurückzugreifen ist, die in den nationalen Verfassungen eine weniger wichtige Rolle spielen. 185 Die für die europäischen Institutionen erforderliche Autonomie steht nämlich der Herausbildung jenes Typs repräsentativer Demokratie entgegen, der in westeuropäischen Staaten verbreitet ist. Die Institutionen müssen daher ihre Legitimation aus anderen Quellen beziehen. Hinreichend klare Vorgaben nach Möglichkeit auf Primärrechtsebene müssen die zu erreichenden Ziele festlegen (Preisstabilität, ein hohes Niveau des Verbraucher-, Gesundheits- und Umweltschutzes usw.). Die supranationalen Institutionen müssen zur Rechenschaft über die Fortschritte verpflichtet sein, die bei der Umsetzung dieser Ziele erreicht wurden. Genauso wichtig sind verfahrens mäßige Anforderungen. Entscheidungsabläufe müssen hinreichend transparent sein, damit Vertreter der verschiedenen interessierten Kreise sich Gehör verschaffen können. 186 Die gerichtliche Kontrolle der Unionstätigkeit kann ebenfalls dazu beitragen, daß die demokratische Rückkopplung zwischen Unionsgewalt und Unionsbürgern erhalten bleibt. 187 Der Amsterdamer Vertrag verfestigt in seinen institutionellen Regelungen die von Beginn an in den Europäischen Verträgen angelegte, seit der Einheitlichen Europäischen Akte jedoch stärker akzentuierte Kombination des parlamentarischen mit dem funktionell-regulatorischen Demokratiemodell. 188 Der Ausbau des - weiterhin doppelsträngigen - parlamentarischen Legitimations-

183 Auch Dehousse, C.M.L.Rev. 1998, 595, 602, sieht hierin ein von Anfang an in der Instutionenstruktur der Gemeinschaft angelegtes Element des funktionell-regulatorisehen Modells. 184 Madison (Fn. 151), (Federalist No. 47), (Übersetzung C. H.): "The accumulation of all powers, ... , in the same hands, whether of one, a few, or many, whether hereditary, self-appointed, or elective, may justly be pronounced the very definition of tyrannny." Zum Konzept der "checks and balances" vgl. auch Federalist No. 51. 185 Dazu Dehousse, C.MLRev. 1998,505,601 f. 186 Vgl. dazu Majone (Fn. 179),291 ff. 187 Näher Mancini / Keeling, 57 MLR. (1994), 175, 181 ff.; Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998,69; Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997,218 ff.; Zuleeg, FS Reich, 1997, I, 7 f.; Lübbe-Wolff, VVDStRL 60,246, 278 f. (2001). 188 Zum folgenden Dehousse, C.M.L.Rev. 1998,603 ff.

IV. Bewertung anhand gemeinschaftsrechtlicher Regelungsstrukturen

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zusammenhangs verkörpert sich für das Europäische Parlament vor allem im erweiterten Anwendungsbereich des Mitentscheidungsverfahrens (Art. 251 EG)189 sowie in der nochmaligen Stärkung seiner Mitwirkungsrechte bei der Ernennung der Kommission (Art. 214 Abs. 2 EG).l90 Die Kontrollmöglichkeiten der nationalen Parlamente werden durch das "Protokoll (Nr. 9) über die Rolle der einzelstaatlichen Parlamente in der Europäischen Union,,191 verbessert. Darin ist insbesondere die unverzügliche Zuleitung aller Konsultationsdokumente sowie aller Vorschläge für Rechtsakte an die nationalen Parlamente auf der Ebene des Primärrechts vorgeschrieben. Um den Parlamenten Gelegenheit zur Prüfung der Kommissionsvorschläge zu geben, müssen in der Regel zwischen deren Zuleitung an die Mitgliedstaaten und dem Ratsbeschluß mindestens 6 Wochen vergehen; Fristunterschreitungen sind besonders zu begründen. Der Ausbau von Verfahrensweisen und Strukturen, die dem regulatorischen Modell entsprechen, ist bereits durch die Einheitliche Europäische Akte erheblich beschleunigt worden. 192 Seit deren Verabschiedung hat die Tätigkeit der Gemeinschaft in den Bereichen Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutz stetig zugenommen. 193 Im Amsterdamer Vertrag wurden die Kompetenzen der Gemeinschaft im Bereich des Gesundheits- und Verbraucherschutzes deutlicher formuliert, was auf eine stärkere Bereitschaft der Mitgliedstaaten schließen läßt, der Gemeinschaft hier eine autonome Rolle zuzubilligen. Von sehr viel größerer Bedeutung als diese Änderungen ist der Wegfall jener Klausel, die bislang Harmonisierungsmaßnahmen im Rahmen der Gesundheitspolitik ausschloß (Art. 152 Abs. 4 EG). Wichtig ist ferner, daß hier wie auch im Bereich des Umweltschutzes nunmehr das Mitentscheidungsverfahren vorgesehen ist (Art. 175 Abs. 1 EG). Dies gilt in Abweichung von den allgemeinen Bestimmungen über die Agrarpolitik auch für Gesundheitsschutzmaßnahmen im Bereich des Veterinärwesens und des Pflanzenschutzes. Da diese Politikfelder von Interesse für die Gesamtheit der Unionsbürger sind, hat sich das Parlament hier häufig für besonders weitreichende Schutzmaßnahmen ausgesprochen. Die Verstärkung der Rolle des Parlaments im Amsterdamer Vertrag könnte deshalb dazu beitragen, die Präsenz Europas in diesen Politikbereichen auszubauen. Vgl. die Liste bei Kluth in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 251 EG, Rn. 9. Dazu Ruffert in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 214 EG, Rn. 2 f.; s. jedoch auch Dehousse, C.M.L.Rev. 1998, 609 f., der das Zustimmungsrecht des Parlaments zur Benennung des Kommissionspräsidenten als Kodifikation der schon seit Maastricht üblichen Praxis ansieht. 191 Abgedruckt bei Calliess / Ruffert (Fn. 16),2245 f. Zum Primärrechtsrang der Protokolle Schmalenbach, ebendort, Art. 311 EG, Rn. 2. 192 Vgl. dazu Dehousse, C.M.L.Rev. 1998,602,613 ff. 193 Zur Herausbildung eines als umfassend, gesamthaft und tendenziell abgestimmt konzipierten Sekundärumweltrechts seit Inkrafttreten der EEA vgl. Calliess in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 175 EG, Rn. 3 m. w. N.; sehr kritisch zur hier ursprünglich fehlenden Kohärenz z. B. Breuer, Entwicklungen des Europäischen Umweltrechts, 24, 63. 189

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c. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

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Die Erweiterung und Ausdifferenzierung der Schutzverstärkungsklauseln bei Harmonisierungsmaßnahmen (Art. 95 Abs. 4, 5 EG) und die neue Revisionsklausel (Art. 95 Abs. 7 EG) sind ebenfalls Belege dafür, daß den nationalen Regierungen sehr an einer Weiterentwicklung der Risikoregulierung auf europäischer Ebene gelegen war. Auf welche Weise dies geschehen wird, ist noch nicht genau erkennbar. Jedenfalls erfordert Risikoregulierung komplexe Entscheidungen, die nicht in Form abstrakter Rechtsnormen getroffen werden können. Derartige Normen können vorschreiben, daß Arzneimittel sicher und Lebensmittel bekömmlich sein müssen oder daß Industrieanlagen keine Umweltbeeinträchtigungen hervorrufen dürfen. Sie können auch sehr detaillierte Verfahrensregelungen für die Risikoabschätzung enthalten. Letztlich wird die Entscheidung darüber, ob Produkte vermarktet oder Anlagen in Betrieb genommen werden dürfen, aber von bürokratischen Strukturen gefällt werden. Wie nunmehr an mehreren Stellen im Vertrag ausdrücklich anerkannt ist (Art. 95 Abs. 3, 5 EG), müssen diese bei ihrer Regulierungstätigkeit unter anderem die jeweils verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigen.

b) Legitimation und Transparenz Dem Zugang zu Gemeinschaftsdokumenten kommt im gemischt parlamentarisch-regulatorischen Legitimationsmodell erhebliche Bedeutung zu. Dies folgt daraus, daß hier die Vermittlung demokratischer Legitimation nicht nur Sache der Parlamente sein kann, und daß die Legitimationsleistung der Parlamente strukturellen Grenzen unterliegt. Was die Kontrolle der Gemeinschaftstätigkeit durch die nationalen Parlamente angeht, werden die Abgeordneten mit Dokumenten überhäuft, von denen nur ein äußerst geringer Teil für die Parlamente politisch relevant ist. Weitaus überwiegend handelt es sich um Vorgänge, die sich wegen ihres in hohem Maße technischen Inhalts kaum für eine parlamentarische Befassung eignen. Aus diesem Grunde kommt es auch nur höchst selten selten zu einem über bloße Kenntnisnahme hinausgehenden Beschluß etwa des Deutschen Bundestages. 194 Mit der Ausweitung des Mehrheitsprinzips im Rat geht zudem der unmittelbare Einfluß der nationalen Parlamente auf die europäische Rechtssetzung mehr und mehr zurück. 195 Die Vertreter der nationalen Regierungen für ihr Verhalten im Rat zur politischen Verantwortung zu ziehen, wird den nationalen Parlamenten jedoch erheblich erleichtert, wenn die Abstimmungsergebnisse, Erklärungen zur Stimmabgabe und die Protokollerklärungen im Rat gemäß Art. 207 Abs. 3

194 195

Vgl. Everling, DVBI. 1993,936,946; Kabel, GS Grabitz, 241, 259 f. Newman, FS Pescatore, 481, 497; Magiera, FS Everling, 789, 793.

IV. Bewertung anhand gemeinschaftsrechtlicher Regelungsstrukturen

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UAbs. 2 S. 3 EGV veröffentlicht werden müssen. 196 Hieraus ergibt sich, daß die Fälle, in denen der Rat als Gesetzgeber tätig wird, eher weit zu fassen sind. Die erweiterten Möglichkeiten für das Europäische Parlament, bei der Rechtsetzung mitzuwirken, haben durch die Herstellung von Öffentlichkeit in den parlamentarischen Verfahrensabschnitten nur sehr begrenzt zum Aufbau demokratischer Zurechnungszusarnmenhänge beigetragen. Denn das Parlament übt seine Befugnisse in der Regel unter Berücksichtigung einer europapolitischen Gesamtverantwortung aus. Es beschränkt sich daher auf Detailkritik, die nur wenig öffentlichkeitswirksam ist. Dem Zuwachs an phasen weiser Öffentlichkeit steht die Verkomplizierung der Entscheidungsprozesse gegenüber. Hierdurch wird - ähnlich wie bei den gelegentlich als "byzantinisch" bezeichneten Verfahren im U.S.-Kongreß oder zwischen deutschem Bundestag und Bundesrat - das für ein rein parlamentarisches System zentrale Prinzip der Verantwortung für die jeweils eigene Entscheidung weitgehend außer Kraft gesetzt. Von den Komitologie-Verfahren ist das Parlament im übrigen noch weitgehend ausgeschlossen. Wegen der vorwiegend technischen Natur der auf Unionsebene zu entscheidenden Fragen hat es sich andererseits noch nicht zu einem Forum entwickeln können, in dem die politische Debatte über wichtige gesellschaftliche Fragen von gemeinschaftsweitem Interesse vorangetrieben werden könnte. 197 Zur Ergänzung der von Parlamenten vermittelten demokratischen Legitimation bedarf es im gemischt parlamentarisch-regulatorischen Modell der Möglichkeit, alle von den Entscheidungen der Gemeinschaftsorgane betroffenen Interessen im Entscheidungsprozeß zu beteiligen. Dies ist erforderlich, um zu venneiden, daß die Entscheidungen systematisch zugunsten der mächtigsten und bestorganisierten Interessen ausgehen, die Organe gewissennaßen zu Gefangenen dieser Interessen werden. 198 Außerdem könnte sich in einem maßgeblich von den jeweiligen Fachöffentlichkeiten angestoßenen Prozeß der Diskussion über Einzelheiten europäischer Rechtsetzung mit der Zeit so etwas wie eine "gesamteuropäische Öffentlichkeit" herausbilden. Der prinzipiell offene Zugang zu Dokumenten des Rates, der Kommission und des Parlaments, wie ihn Art. 255 EGV vorsieht, ist ein wichtiger Schritt hierzu. Denn er versetzt die (Fach)öffentlichkeit, d. h. primär die organisierten Interessenvertreter, überhaupt erst in die Lage, die für eine effektive Beteiligung notwendigen Detail-

Vgl. Dehousse, C.M.L.Rev. 1998,608. Vgl. Kabel, GS Grabitz, 879, 897 f.; Dehousse in Hayward (Hrsg.), The Crisis of Representation in Europe, West European Politics, Special Issue, 1995, 118, 124 f.; zur Bedeutung der Transparenz für die Abmilderung von Defiziten des repräsentativdemokratischen Legitimationszusammenhangs auch Lübbe-Wolf!, VVDStRL 60, 246, 276 ff. (2001), ähnlich wie hier. 198 Vgl. in diesem Sinne Dehousse, C.M.L.Rev. 1998,595,617, im Anschluß an Sunstein, 72 Virginia Law Review (1986), 271 ff. 196

197

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C. Herleitung eines Publizitätsgrundsatzes

kenntnisse über die Gemeinschaftsaktivitäten zu erlangen. 199 Transparenz der Rechtsetzungsvorgänge, insbesondere im Rat, würde es ferner den nationalen Regierungen erschweren, über die europäische Ebene Entscheidungen herbeizuführen, die auf nationaler Ebene nicht durchsetzbar sind, und im selben Atemzug lautstark zu beklagen, daß Brüssel sich überall einmischt. 200 Den Strukturen der Gemeinschaft und dem primärrechtlich vorgegebenen Spannungsverhältnis zwischen Zugangsanspruch (Art. 255 Abs. 1 EG) und Geheimnisschutz (Art. 287 EG)201 wird daher ein Modell des Aktenzugangsrechtes am besten gerecht, in welchem die Verweigerung des Zugangs um des Schutzes öffentlicher oder privater Geheimhaltungsinteressen willen nur zulässig ist, soweit im Einzelfall eine konkrete Beeinträchtigung dieser Interessen dargelegt ist und eine Interessenabwägung stattgefunden hat. Die Geheimhaltungsinteressen Dritter sind verfahrensmäßig abzusichern. Über den Dokumentenbestand der Organe sind öffentlich zugängliche Register zu führen.

199 Rechtspolitisch wünschenswert wäre, die Einwirkung von Interessenverbänden auf die Rechtsetzung nach dem Vorbild U.S.-amerikanischer "informal ru1emaking"Verfahren zu formalisieren. Hierzu wären Normentwürfe mit den ggf. zugrundeliegenden Untersuchungen stets zu veröffentlichen, Repräsentanten aller betroffener Interessen müßten Gelegenheit zur Äußerung erhalten und die Organe müßten verpflichtet werden, die im Rahmen des Beteiligungsverfahrens erhobenen Anregungen und Einwände begründet zu verarbeiten, in diesem Sinne auch Lübbe-Wolff, VVDStRL 60,246, 279 ff., 283 (2001). 200 Dazu Pemice, DVBI. 2000, 866, 874, mit folgender Aussage des ehemaligen Bundeskanzlers Kohl: "Wenn man sich im Bundestag ... nicht durchsetzt, versucht man es über die Bundesländer, d. h. über die zweite Kammer ... Scheitert es im Bundesrat auch, dann wendet man sich an die geschätzten Kollegen im Europäischen Parlament. Die finden gemeinsam mit den nationalen Ressorts oft Mittel und Wege, um dann in Brüssel über irgendeine Stelle - und wenn es in der Sache noch so absurd ist - möglichst weiterzukommen, vielleicht sogar bis auf die Ebene einer Richtlinie. Im Ergebnis heißt das: Im Bayerischen oder im Mainzer Landtag schimpft man dann gemeinsam über die Brüsseler Regelung, aber vorher hat man alles getan, um genau diese Brüsseler Regelung zu erreichen." 201 Dazu oben bei Fn. 34 ff.

D. Konsequenzen für die Ausführungsvorschriften I. Öffentlichkeit der legislatorischen Tätigkeit Ausgangspunkt für eine nähere Umschreibung der legislatorischen Tätigkeit des Rates ist der durch Rechtsvergleichung ermittelte Befund. Demnach gilt in den betrachteten Rechtsordnungen als "Gesetz" die vom Parlament beschlossene verbindliche Anordnung, die i. d. R. auf der Rangstufe\ unterhalb der geschriebenen Verfassung steht. Dementsprechend wird der Rat jedenfalls dann als Gesetzgeber tätig, wenn er im Rahmen der in den Verträgen vorgesehenen Verfahren über Rechtsakte beschließt, die in den oder für die Mitgliedstaaten verbindlich sind. Dies umfaßt die Rechtsakte des Art. 249 Abs. 2-4 EG, alle in Art. 34 Abs. 2 EU genannten Maßnahmen sowie internationale Übereinkommen, die von der Gemeinschaft oder gemäß Art. 24 EU abgeschlossen wurden. Zur legislatorischen Tätigkeit gehören im Mitentscheidungs- bzw. Zusammenarbeitsverfahren auch die Annahme gemeinsamer Standpunkte i. S. d. Art. 251 Abs. 2 und Art. 252 lit. a EG sowie die Entscheidung über vom Parlament vorgeschlagene Abänderungen (Art. 251 Abs. 3 EG, Art. 252 lit. e EG). Darüber hinaus weisen alle diejenigen Entscheidungen einen legislatorischen Gehalt auf, welche auf den Erlaß sog. ungekennzeichneter Rechtsakte gerichtet sind?02 Außer den im Vertrag genannten Beschlüssen z. B. über die Veränderung der Mitgliederzahl von Organen (Art. 213 Abs. 1 UAbs. 2, Art. 221 Abs. 4, Art. 222 Abs. 3 EG) sind dies auch interne Anweisungen, interinstitutionelle Vereinbarungen und Selbstverpflichtungen des Rates, soweit diese Rechtswirkungen entfalten. 203 Zu nennen sind desweiteren sonstige Entschließungen des Rates mit normativer Kraft, etwa zur Konkretisierung der Pflicht aus Art. 10 EG. Soweit der Rat hiernach als Gesetzgeber handelt, sind nach Art. 207 Abs. 3 UAbs. 2 S. 3 EG die Abstimmungsergebnisse, die Erklärungen zur Stimmabgabe und die Protokollerklärungen zu veröffentlichen. Zu den legislatorischen Dokumenten der Gemeinschaft gehören selbstverständlich auch die Vorschläge der Kommission, im Bereich der Art. 34 Abs. 2 EU und Art. 67 Abs. 1 EG die Initiativen der Mitgliedstaaten und die Standpunkte des Europäischen Parlaments im Zusammenarbeits- oder Miteintscheidungsverfahren. 202 Dazu näher Ruffert in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 249 EG, Rn. 121 ff.; Everling, GS Constantinesco, 133, 147 ff.; Oppermann, (Fn. 24) Rn. 577 ff. 203 Diese Kategorien zählt der Rat bisher nicht zur legislatorischen Tätigkeit, vgl. Anhang zur Geschäftsordnung des Rates (Fn. 2).

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D. Konsequenzen fUr die Ausführungsvorschriften

Zu sonstigen auf die legislatorische Tätigkeit bezogenen Dokumenten des Rates besteht gemäß Art. 255 Abs. 3 i. V. m. Art. 207 Abs. 3 UAbs. 2 S. 2 EG "umfassenderer" Zugang, soweit trotz Offenlegung die Funktionsfähigkeit des Beschlußverfahrens gewahrt bleibt. Um nach Möglichkeit zu verhindern, daß unter Berufung auf die vorgeblich notwendige Vertraulichkeit der Beratungen der Zugang in weitem Umfang verweigert wird, bedarf es neben der obligatorischen Darlegung einer Beeinträchtigung und der Interessenabwägung verfahrensrechtlicher Vorkehrungen. Konkret heißt dies, daß zur Wahrung der Funktionsfähigkeit des Beratungsverfahrens der Zugang zu Dokumenten nur verweigert werden darf, wenn der Rat dies auf Antrag eines Mitglieds im Einzelfall beschließt. Derartige Vorkehrungen sieht bereits seit 1993 Art. 7 Abs. 5 GeschO-Rat vor, allerdings mit umgekehrter Tendenz. Sieht man von Bedürfnissen der nationalen Sicherheit in Situationen existenzieller Bedrohung durch äußere Feinde ab, so ist nach nationalem Verfassungsrecht die Funktionsfähigkeit des Vermittlungsverfahrens in Systemen mit zwei Gesetzgebungsgremien die einzige Rechtfertigung dafür, Teile eines Gesetzgebungsverfahrens vertraulich stattfinden zu lassen?04 Entsprechendes gilt auf Unionsebene für die legislatorische Tätigkeit des Rates. Soweit die Verteidigung noch in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, kann nur die Funktionsfähigkeit des Beratungsverfahrens es rechtfertigen, den Zugang zu Dokumenten zu verweigern, welche die legislatorische Tätigkeit des Rats betreffen. Ein Rückgriff auf sonstige Geheimhaltungsinteressen ist insoweit ausgeschlossen.

11. Zugang zu sonstigen Dokumenten der Organe Was den Zugang zu anderen Dokumenten der Organe gemäß Art. 255 Abs. 1 EG angeht, bedarf es nach den oben 205 skizzierten Grundsätzen insbesondere einer weitreichenden Reform der bislang angewandten Ausnahmeklauseln: Die Interessen, aus denen der Zugang verweigert werden kann, sind abschließend aufzuzählen und hinreichend konkret zu benennen. Als gemeineuropäische Geheimhaltungsinteressen sind konkret benannte öffentliche Interessen und Interessen Privater anzuerkennen, nämlich: 206 als öffentliche Interessen der Schutz der auswärtigen Beziehungen, der Verteidigung und militärischer Belange, der Währungsstabilität und der Vertraulichkeit nachrichtendienstlicher Tätigkeit

204 Dies ist Ergebnis des Rechtsvergleichs, s. o. bei Fn. 57 (Deutschland), Fn. 67 (Frankreich) sowie bei Fn. 74 f. (Großbritannien). 205 Nach Fn. 198. 206 Ähnlich der Katalog der Ausnahmetatbestände in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 90/313IEWG, Abl.EG 1990, L 158,6.

H. Zugang zu sonstigen Dokumenten der Organe

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sowie die Wahrung der Sicherheit von Personen und der Schutz des geordneten Ablaufs von Ermittlungsverfahren in Vorbereitung von straf- oder verwaltungsrechtlichen Sanktionen sowie gerichtlicher Verfahren; als private Interessen der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie des Persönlichkeitsrechts. Die bisherige Auffangklausel zum Schutz des Interesses des Organs an der Vertraulichkeit seiner Beratungen ist zu streichen. Unabhängig von der Art des betroffenen Geheimhaltungsinteresses ist die Entscheidung, im Einzelfall den Zugang zu verweigern, in das Ermessen des Organs zu stellen und an die Darlegung einer konkreten Beeinträchtigung sowie an eine Interessenabwägung zu binden. Für die Fälle, in welchen die Ausnahmetatbestände nur auf Teile eines Dokuments anwendbar sind, ist den Organen vorzuschreiben, soweit zumutbar den Rest des Dokuments zugänglich zu machen. 207 Vom Recht der Verwaltungsöffentlichkeit in den Mitgliedstaaten gedeckt ist es, Entwürfe und vorbereitende Dokumente vom Zugangsrecht auszuschließen. Da der Zugangsanspruch um der demokratischen Legitimation der regulatorisch tätigen Organe willen der (Fach)öffentlichkeit die Beteiligung an deren Entscheidungsprozessen ermöglichen soll, stößt hier anders als auf der Ebene der Mitgliedstaaten der allgemeine Ausschluß vorläufiger und vorbereitender Dokumente zwar auf Bedenken. Daher wäre zu erwägen, ob die Verweigerung des Zugangs auch in diesen Fällen nur möglich sein darf, wenn die Beeinträchtigung eines Geheimhaltungsinteresses konkret dargelegt ist und das Geheimhaltungsbedürfnis gewichtiger ist als das Zugangsinteresse. Rechtssätze, die in den nationalen Rechtsordnungen nicht nachweisbar sind, können jedoch nicht als allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts anerkannt werden. Deshalb ist der allgemeine Ausschluß des Zugangs zu vorbereitenden Dokumenten und Entwürfen auch auf Gemeinschaftsebene hinzunehmen, soweit diese Dokumente nicht die gesetzgeberische Tätigkeit betreffen. Anspruchsgegenstand sind grundsätzlich auch Drittdokumente, d. h. solche, die den anspruchsverpflichteten Organen von Mitgliedstaaten, Privatpersonen oder sonstigen selbst nicht unmittelbar anspruchsverpflichteten europäischen Einrichtungen übermittelt wurden,z°8 Um die berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Verfasser von Drittdokumenten zu schützen, sind verfahrensrechtliche Vorkehrungen erforderlich, aber auch ausreichend. Desnäheren ist dem Verfasser eines Drittdokuments vor dessen Offenlegung Gelegenheit zu geben, sein Interesse an der Geheimhaltung darzulegen; das anspruchs verpflichtete Organ hat darüber eine hinreichend begründete Entscheidung zu erlassen und dem Verfasser des Dokuments mitzuteilen. Vor dem Vollzug der Entscheidung 207 So auch EuG, 19.07.1999, Rs. T-14/98 (Hautala / Rat), Slg. 1999, H-2489, Rn. 87 f.; 06.04.2000, Rs. T-188/98 (Kuijer / Rat), Slg. 2000, 11-1959, Rn. 54 ff. 208 So unter Hinweis auf die Erklärung Nr. 35 zum Amsterdamer Vertrag auch Wegener in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 255 EG, Rn. 9, gegen Röger, DVBI. 1994, 1184.

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D. Konsequenzen für die Ausführungsvorschriften

muß das Organ dem Verfasser die Möglichkeit geben, Nichtigkeitsklage vor den Gemeinschaftsgerichten zu erheben?09 Durch derartige Verfahrensanforderungen kann auch sichergestellt werden, daß die Beurteilung der Schutzwürdigkeit privater Geheimhaltungsinteressen nicht der alleinigen Entscheidung des jeweiligen Organs überlassen bleibt. Um die praktische Ausübung des Zugangsrechts zu erleichtern, haben die Organe öffentlich zugängliche Register der bei ihnen vorhandenen Dokumente einzurichten; darin sind auch solche Unterlagen zu verzeichnen, deren Offenlegung möglicherweise zum Schutz von Geheimhaltungsinteressen verweigert werden kann. Der Ratsbeschluß 2000/23/EG 21O über das öffentliche Register der Ratsdokumente wurde schon in seiner ursprünglichen Fassung diesen Anforderungen nicht voll gerecht, da er vorsah, zum Schutz bestimmter Geheimhaltungsinteressen keinen Betreff von Verschlußsachen in das Register aufzunehmen. Wenn aber nach Art. 2 Nr. I des Ratsbeschlusses 2000/527/EG211 als Verschlußsache eingestufte Dokumente über Fragen der Sicherheit der Union einschließlich der militärischen oder nichtmilitärischen Krisenbewältigung nicht einmal mehr in das Register der Ratsdokumente aufzunehmen sind, verstößt dies gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz der Publizität. Die gerichtliche Kontrolle einer Verweigerung des Zugangs muß den Anforderungen entsprechen, die sich aus dem Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ergeben. 212 Dieser wird als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts aus Art. 6, 13 EMRK sowie aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten hergeleitet. 213 Im Streit um den Zugang zu Dokumenten würde ein "in camera-Verfahren" diesem Prinzip am besten Rechnung tragen. 214

209 So im Wettbewerbsrecht EuGH, Rs. 53/85, Slg. 1986, 1965, Rn. 29 (AKZO Chemie / Kommission); Rs. C-36/92 P, Slg. 1-1911, Rn. 38 (SEP / Kommission). 210 AblEG. Nr. L 9/22, 13.01.2000. 211 AblEG. Nr. L 212/9, 23.08.2000. 212 Dazu z. B. EuGH, Rs. 222/84, Slg. 1986, 1651, Rn. 18 (Johnston); Rs. 222/86, Slg. 1987,4097, Rn. 14 (Heylens); Rs. 257/85, Slg. 1987, 1561, Rn. 10 (Dufay / EP); Kingreen in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 6 EU, Rn. 173; v. Danwitz, NJW 1993, 1108, 1114. 213 Garantien effektiven Rechtsschutzes enthalten die Verfassungen Deutschlands, Finnlands, Griechenlands, Schwedens und Spaniens. 214 Durchgeführt in EuG, Rs. T-l11/00 (British-American Tobacco / Kommission), 10.10.2001, http://curia.eu.int, Rn. 41.

E. Beurteilung der Verordnung 1049/2001 Im folgenden Abschnitt wird zu untersuchen sein, ob die Organe beim Erlaß der Verordnung (EG) 1049/2001 215 die Grenzen beachtet haben, welche der vorstehend hergeleitete Transparenzgrundsatz ihrem legislatorischen Entscheidungsspielraum für den Erlaß von Ausführungsvorschriften im Sinne von Art. 255 Abs. 2 EG setzt.

I. Anwendungsbereich Anspruch auf Zugang zu Dokumenten haben wie schon nach den bisherigen Regelungen 216 alle Unionsbürger sowie alle natürlichen oder juristischen Personen mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat (Art. 2 Abs. 1 VO). Den Organen ist die Befugnis eingeräumt, das Zugangsrecht auf natürliche oder juristische Personen auszudehnen, die im EU-Ausland ansässig sind (Art. 2 Abs. 2 VO). Daß die Verordnung insofern nur eine Kann-Bestimmung enthält, ist durch den Gleichheitssatz und die Bedeutung des Zugangsrechts für die demokratische Ordnung der Union gerechtfertigt. Die Möglichkeit der Umgehung liegt allerdings auf der Hand. 217 Zur Offenlegung der Dokumente verpflichtet sind nur die Organe Kommission, Rat und Europäisches Parlament (Art. 1 lit. a VO). Mit der bisherigen Rechtsprechung ist zwar anzunehmen, daß Beratungen und Dokumente der zahlreichen zur Unterstützung dieser Organe tätigen Ausschüsse dem jeweiligen Organ zuzurechnen und damit ebenfalls Gegenstand des Zugangsanspruchs sind. 218 Die Beschränkung auf drei Organe ist jedoch inkonsequent, da es laut Art. 7 EG noch weitere Gemeinschaftsorgane gibt, und vor dem Hintergrund des hier vertretenen Transparenzgrundsatzes problematisch. Beim Wort genommen ermöglicht sie es nämlich, durch die Einrichtung neuer dezentraler Verwaltungseinrichtungen und Agenturen Teile des Verwaltungshandelns dem

Im folgenden "VO" genannt. Fundstellen in Fn. 4. 217 In diesem Sinne auch Wägenbaur, EuZW 2001,681. 218 Vgl. EuG, Slg. 1999, 11-2463, Rn. 62 (Rothmanns International/Kommission) zum Ausschuß für den Zollkodex, EuG, Rs. T-l11/00, 10.10.2001 (British American Tobacco / Kommission) zum Verbrauchssteuerausschuß. 215

216

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E. Beurteilung der Verordnung 1049/2001

Infonnationsanspruch zu entziehen. 219 Allerdings ist es durch Art. 255 Abs. 1 EG vorgegeben, den Anwendungsbereich der Verordnung auf die drei Organe Kommission, Rat und Parlament zu beschränken. Eine rechtsgrundsatzkonfonn extensive Auslegung des Primärrechts wäre durch den eindeutigen Wortlaut der betreffenden Vertragsbestimmung begrenzt. Daher scheint es auf den ersten Blick nicht möglich zu sein, die Offenlegungspflicht auf weitere Organe, Einrichtungen und Agenturen der Gemeinschaft auszudehnen. "Um die vollständige Anwendung dieser Verordnung auf alle Tätigkeiten der Union zu gewährleisten" sollen jedoch laut Erwägungsgrund Nr. 8 der VO "alle von den Organen geschaffenen Einrichtungen die in dieser Verordnung festgelegten Grundsätze anwenden". Soweit die Kommission jeweils im Verwaltungsrat der dezentralen Verwaltungseinrichtungen und Agenturen der Gemeinschaft vertreten ist,220 sollten die betreffenden Institutionen und ihre Dokumente daher der Kommission zugerechnet werden, so daß die Verordnung 1049/2001 insoweit anwendbar ist. 221 Der Gegenstand des Zugangsanspruchs ist weit gefaßt. Offenzulegen sind alle Dokumente, d. h. alle Infonnationen unabhängig von der Fonn des ihrer Fixierung dienenden Datenträgers, aus dem Tätigkeitsbereich der Union, die von dem jeweiligen Organ erstellt wurden oder bei ihm eingegangen sind und sich in seinem Besitz befinden (Art. 2 Abs. 3, Art. 3 lit. a VO).

11. Ausnahmeregelungen Die bisherigen Regelungen des Zugangsrechts kannten zwingende und fakultative Ausnahmen. Art. 4 VO dagegen unterscheidet zwischen drei Gruppen von Tatbeständen, bei deren Vorliegen die Organe den Zugang zu einem Dokument jeweils "verweigern" bzw. der Zugang "verweigert wird".222 Gemäß Art. 4 Abs. 1 des bisher maßgeblichen Ratsbeschlusses 93/731/EG "darf' der Zugang "nicht gewährt werden", wenn ein Ausnahmetatbestand gegeben ist. Im Vergleich zu dieser eindeutigen Formulierung einer Ablehnungspflicht mildert die Verwendung des Indikativs in Art. 4 VO die Bindung der Gemeinschaftsorgane ab. Unter Berücksichtigung des Transparenzgrundsatzes können die Aus219 Wegener in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 255 EG, Rn. 8; vgl. auch Wägenbaur, EuZW 2001, 681 f. 220 Dies ist laut Wägenbaur, EuZW 2001, 682, allgemein der Fall. 221 Wohl noch weitergehend Wegener (Fn 219), der unter Berufung auf den Offenheitsgrundsatz des Art. 1 Abs. 2 EU eine entsprechende Anwendung des Grundsatzes der Informationsfreiheit allgemein gegenüber nicht in Art. 255 Abs. I EG genannten Gemeinschaftsorganen und -einrichtungen für möglich hält. 222 An die bisherigen Regelungen angelehnt die Systematisierung durch Wägenbaur, EuZW 2001,682 ff.; zum bisherigen Ausnahmeregime vgl. oben bei Fn. 6 ff.

H. Ausnahmeregelungen

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nahmeregelungen des Art. 4 Abs. 1 bis Abs. 3 VO daher als bloße Ermächtigung an die Organe verstanden werden, ggf. den Zugang zu verweigern. Im übrigen sind die materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Ablehnung eines Zugangs antrags unterschiedlich streng. Für Art. 4 Abs. 1 VO genügt die "einfache" Beeinträchtigung des jeweiligen Schutzguts. Desnäheren handelt es sich um den Schutz der öffentlichen Sicherheit, den Schutz der Verteidigung und militärischer Belange, den Schutz der internationalen Beziehungen, den Schutz der Finanz-, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft oder eines Mitgliedstaats sowie um den Schutz der Privatsphäre und der Integrität des einzelnen. Mit Rücksicht auf den Transparenzgrundsatz ist der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" restriktiv auszulegen, so daß nur Sachverhalte umfaßt sind, deren Sicherheitsrelevanz von einigem Gewicht ist. Für dieses Verständnis spricht auch das Gewicht der anderen in Art. 4 Abs. 1 VO genannten Interessen. 223 In Betracht kommt die innere oder äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats, die Versorgung mit wichtigen Rohstoffen, von denen geradezu die Existenz eines Landes abhängt, oder die Verhütung erheblicher Straftaten. 224 Art. 4 Abs. 2 VO erlaubt die Versagung des Zugangs zum Schutz geschäftlicher Interessen unter Einschluß des geistigen Eigentums, zum Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung sowie zum Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten. Hier genügt grundsätzlich die "einfache" Beeinträchtigung des jeweiligen Geheimhaltungsinteresses, um den Zugang zu verweigern, es sei denn, es besteht ein überwiegendes Interesse an der Offenlegung des Dokuments. Bei der Interpretation des für sich genommen sehr weiten Begriffs der "geschäftlichen Interessen" kommt der von Art. 287 EG geforderten Abwägung zwischen Geheimhaltungs- und Zugangsinteresse besondere Bedeutung zu. Anderenfalls bestünde das Risiko einer übermäßigen Einschränkung des Zugangsanspruchs. 225 Am strengsten sind die Voraussetzungen für die Geheimhaltung derjenigen Dokumente, welche für den internen Gebrauch eines Organs erstellt wurden oder bei ihm eingegangen sind (Art. 4 Abs. 3 VO). Wenn sich derartige Dokumente auf eine Angelegenheit beziehen, in der das Organ noch keinen Beschluß gefaßt hat, ist es zulässig, einen Antrag auf Zugang abzulehnen, "wenn die Verbreitung des Dokuments den Entscheidungsprozeß des Organs ernstlich beeinträchtigen würde, es sei denn es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung" (Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 VO). Unter den gleichen Voraussetzungen ist es zulässig, eine Untergruppe der internen Dokumente

223 So auch Wägenbaur, EuZW 2001, 683, allerdings ohne Berücksichtigung des Transparenzgrundsatzes. 224 So bereits die bisherige Rspr, vgl. EuG, Rs. T-174/95 (Pn. 5), Rn. 121 m. w.N. 225 In diesem Sinne auch Wägenbaur, EuZW 2001,683.

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E. Beurteilung der Verordnung 1049/2001

auch dann geheimzuhalten, wenn das Organ den Beschluß in der Sache gefaßt hat. Dies betrifft Dokumente mit Stellungnahmen zum internen Gebrauch im Rahmen von Beratungen und Vorgesprächen innerhalb des betreffenden Organs (Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 VO). Es ist zwar mit dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der Transparenz vereinbar, vorbereitende Dokumente vom Zugangsrecht auszuschließen. 226 Die Organe bleiben jedoch aufgefordert, in ihre Ausführungsbestimmungen, welche die Verordnung ergänzen, verfahrensrechtliche Vorkehrungen aufzunehmen, die verhindern können, daß unter Berufung auf die vorgeblich notwendige Vertraulichkeit der Beratungen der Zugang übermäßig eingeschränkt wird. 227 Dem Transparenzprinzip entspricht es, daß diejenigen Teile eines Dokuments, die keiner Ausnahme unterliegen, freigegeben werden müssen (Art. 4 Abs. 6 VO). Dieses Gebot steht mit Blick auf den Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung zu Recht unter dem Vorbehalt, daß es nicht zu einem Verwaltungsaufwand führen darf, der im Verhältnis zum Interesse des Antragstellers am Erhalt der nicht unter eine Ausnahme fallenden Informationen unverhältnismäßig ist. 228

III. Anwendbarkeit aller Ausnahmen auf bestimmte legislative Dokumente Art. 13 VO regelt die Veröffentlichung von Dokumenten im Amtsblatt. Ohne Einschränkungen sind demnach lediglich die in Art. 254 Abs. 1 und 2 EG sowie in Art. 163 Abs. 1 EAG genannten Rechtsakte zu veröffentlichen (Art. 13 Abs. 1 Hs. 1 VO). Dies ist vor dem Hintergrund des Transparenzgrundsatzes auch unbedingt erforderlich, da es sich hierbei um Akte handelt, die in den oder für die Mitgliedstaaten Rechtswirkungen entfalten. Auf schwere Bedenken stößt dagegen Art. 13 Abs. 1 Hs. 2 VO. Denn demnach werden "vorbehaltlich der Artikel 4 und 9 der vorliegenden Verordnung" veröffentlicht die Vorschläge der Kommission im Rechtssetzungsverfahren, die Gemeinsamen Standpunkte des Rates und die Standpunkte des Europäischen Parlaments im Rahmen des Zusammenarbeits- und des Mitentscheidungsverfahrens, die Rahmenbeschlüsse und Beschlüsse im Sinne des Art. 34 Abs. 2 EU, die vom Rat aufgrund von Art. 34 Abs. 2 EU erstellten Übereinkommen, die subsidiären Übereinkommen der Mitgliedstaaten gemäß Art. 293 EG sowie die internationalen Übereinkünfte, die von der Gemeinschaft oder gemäß Art. 24 EU abgeschlossen werden. Damit werden für bestimmte legislatorische

Vgl oben nach Fn. 207. Zu diesem Erfordernis oben vor Fn. 204. 228 So auch EuG, Rs. T-204/99 (Mattila / Rat), 12.07.2001, curia.eu.int, Rn. 68 f. 226 227

IV. Verfahrensregelungen und Dokumentenregister

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Akte 229 alle Ausnahmetatbestände unterschiedslos für anwendbar erklärt. Wie herausgearbeitet,230 kann die Geheimhaltung legislatorischer Dokumente aber nur mit der Erwägung gerechtfertigt werden, sie sei zur Wahrung der Funktionsfähigkeit des Beschlußverfahrens erforderlich. Art. 13 Abs. 1 Hs. 2 VO überschreitet daher diejenigen Grenzen, welche das Transparenzprinzip dem Gestaltungsspielraums der Organe beim Erlaß von Ausführungsvorschriften nach Art. 255 Abs. 2 EG setzt. Jeglicher Bezug zu schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen fehlt bei Art. 13 Abs. 2 VO. Demnach werden nämlich nur "soweit möglich" veröffentlicht die Initiativen der Mitgliedstaaten im Bereich der Art. 67 Abs. I EG oder Art. 34 Abs. 2 EU, die Gemeinsamen Standpunkte im Sinne des Art. 34 Abs. 2 EU, Richtlinien und Entscheidungen, die nicht unter Art. 254 Abs. 1 EG fallen, sowie Empfehlungen und Stellungnahmen. Auch dieser Vorbehalt ist daher mit dem Transparenzgrundsatz unvereinbar.

IV. Verfahrensregelungen und Dokumentenregister Die Verordnung ermöglicht, die oben 231 geforderten verfahrensrechtlichen Vorkehrungen zum Schutz der Geheimhaltungsinteressen Dritter umzusetzen. Es ist den Organen ausdrücklich vorgeschrieben, Dritte bezüglich der von diesen stammenden Dokumente zu konsultieren, um zu beurteilen, ob eine der Ausnahmeregelungen anwendbar ist (Art. 4 Abs. 4 VO). Wenn das Organ das jeweilige Dokument entgegen der Auffassung des Dritten freigeben will, muß es hierüber eine Entscheidung (Art. 249 Abs. 4 EG) treffen und diese dem Verfasser des Dokuments mitteilen. Die Entscheidung darf erst nach Ablauf der Frist für die Nichtigkeitsklage (Art. 230 Abs. 5 EG) vollzogen werden. Dem Dritten steht unproblematisch die Klagebefugnis nach Art. 230 Abs. 4 EG zu, da er Adressat der Entscheidung ist. 232 Eine Sonderregelung besteht bezüglich Dokumenten, die aus einem Mitgliedstaat stammen. Gemäß Art. 4 Abs. 5 VO kann der Mitgliedstaat das Organ ersuchen, das betreffende Dokument nicht ohne seine Zustimmung zu verbreiten. Wie Erwägungsgrund Nr. 10 der Verordnung ausführt, beruht diese Regelung auf der gleichlautenden Erklärung Nr. 35 zur Schlußakte des Vertrags von Amsterdam. Anders als die im gegenseitigen Einvernehmen der Mitgliedstaaten beigefügten "Protokolle" gemäß Art. 311 EG, sind die "Erklärungen" nicht Vertragsbestandteil. Die Erklärung NT. 35 kann nur nach Art. 31 Abs. 2 WVK Zum Begriff der legislatorischen Akte oben vor Fn. 202. s. o. bei Fn. 204. 231 Bei Fn. 208 f. 232 Dazu Cremer in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 230 EG, Rn. 44. 229

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E. Beurteilung der Verordnung 1049/2001

zur Auslegung des EG-Vertrags herangezogen werden,m was nicht zur Vereitelung des primärrechtlich vorgesehenen Zugangsanspruchs führen darf. Außerdem sind die Mitgliedstaaten gemäß Art. 10 EG verpflichtet, alles zu unterlassen, was den korrekten Vollzug der Verordnung 104912001 durch die Gemeinschaftsorgane behindern könnte. 234 Aus Art. 4 Abs. 5 VO in Verbindung mit der Erklärung Nr. 35 zur Schlußakte von Amsterdam ergibt sich daher zwar eine Befugnis der Mitgliedstaaten, die Zustimmung zur Freigabe der von ihnen stammenden Dokumente zu verweigern. Dieses Recht ist allerdings an die Versagungsgründe aus Art. 4 Abs. 1 bis Abs. 3 VO gebunden. Im Ergebnis führt Art. 4 Abs. 5 VO nur dazu, daß die Auffassung des Mitgliedstaats über das Vorliegen eines Versagungsgrunds für die anspruchs verpflichteten Organe maßgeblich ist. Lehnt eines der Organe einen Zugangsantrag aufgrund fehlender Zustimmung des Mitgliedstaats ab, unterliegt diese Entscheidung aber nach den allgemeine Regeln der Kontrolle durch die Gemeinschaftsgerichte. Diese können auch prüfen, ob tatsächlich ein Versagungsgrund gegeben ist. 235 Besonderheiten gelten auch für die Behandlung sog. sensibler Dokumente. Darunter versteht Art. 9 Abs. 1 VO Dokumente, die gemäß den Bestimmungen der betreffenden Organe zum Schutz grundlegender Interessen der Europäischen Union oder eines oder mehrerer Mitgliedstaaten in den in Art. 4 Abs. 1 lit. a) genannten Bereichen, insbesondere in Bezug auf die öffentliche Sicherheit, die Verteidigung oder auf militärische Belange als "TOP SECRET", "SECRET" oder "CONFIDENTIAL" eingestuft sind. Einerseits dürfen diese Dokumente nur mit Zustimmung des Urhebers freigegeben werden (Art. 9 Abs. 3 VO). Andererseits ist gemäß Art. 9 Abs. 4 VO die Entscheidung eines Organs über die Verweigerung des Zugangs zu einem sensiblen Dokument so zu begründen, daß die Geheimhaltungsinteressen nicht beeinträchtigt werden können. Im Zusammenhang gelesen, erlauben diese Bestimmungen den Schluß, daß bei sensiblen Dokumenten ähnlich wie bei Dokumenten aus den Mitgliedstaaten die Auffassung des Urhebers für die Entscheidung des Organs darüber maßgeblich sein soll, ob ein Versagungsgrund gegeben ist oder nicht. Diese Entscheidung unterliegt nach allgemeinen Grundsätzen der Kontrolle durch die Gemeinschaftsgerichte. Wegen Art. 5 VO wird es nicht mehr ohne weiteres möglich sein, das gemeinschaftsrechtliche Zugangsregime dadurch zu umgehen, daß die Offenle-

So auch Schmalenbach in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 311 EG, Rn. 3 m. w. N. Zur Pflicht der Mitgliedstaaten, alles zu unterlassen, was die vertragskonforme Durchführung des Gemeinschaftsrechts, insbesondere seine administrative Anwendung im Einzelfall, beeinträchtigen könnte, vgl. für viele Kahl in Calliess / Ruffert (Fn. 16), Art. 10 EG, Rn. 45 i. V. m. Rn. 11 m. w. N. 235 Zu kurz gegriffen Wägenbaur, EuZW 2001, 682, wonach die Mitgliedstaaten die Freigabe ihrer Dokumente de facto verbieten können. 233

234

IV. Verfahrensregelungen und Dokumentenregister

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gung von Dokumenten, die von Gemeinschaftsorganen stammen, bei der Behörde eines Mitgliedstaates in Anwendung dessen vielleicht liberaleren Einsichtsrechts gestellt wird. Zwar sind die Mitgliedstaaten nicht unmittelbar an die Verordnung l049/2001gebunden, da diese gemäß Erwägungsgrund Nr. 15 keine Änderung der nationalen Vorschriften über den Zugang zu Dokumenten bewirkt. Bevor ein Mitgliedstaat jedoch über einen nach nationalem Recht gestellten Antrag auf Offenlegung eines von einem Gemeinschaftsorgan stammenden Dokuments entscheidet, muß er das betreffende Organ gemäß Art. 5 Abs. 1 VO konsultieren, um eine Entscheidung zu treffen, welche die Verwirklichung der Ziele der Verordnung nicht beeinträchtigt. Da die Verordnung nur von "Konsultation" spricht, wird der Mitgliedstaat nicht an die Auffassung des Organs über das Vorliegen eines Versagungsgrundes gebunden sein. Allerdings ist das Organ nicht gehindert, diese Frage nach Art. 249 Abs. 4 EG dem Mitgliedstaat gegenüber verbindlich zu entscheiden. Die Vorschriften des Art. 11 VO über die Dokumentenregister entsprechen grundsätzlich den Anforderungen des Transparenzgrundsatzes. Art. 9 Abs. 3 VO, wonach sensible Dokumente nur mit Zustimmung des Urhebers im Register aufgeführt werden dürfen, ist im Zusammenhang mit Art. 11 Abs. 2 S. 2 VO zu lesen. Nach dieser Bestimmung sind die Hinweise auf Dokumente so abzufassen, daß der Schutz der in Art. 4 aufgeführten Interessen nicht beeinträchtigt wird. Der Urheber eines sensiblen Dokuments darf daher die Zustimmung zur Aufnahme ins Register nur bei Vorliegen eines Ausnahmetatbestands verweigern, was aus praktischen Gründen allerdings nicht zu kontrollieren sein wird. 236

236 Vgl. zum Problem schon Schräder, DV 4 (1971), 301, 309 f., wonach rechtliche Sanktionen für eine Publizitäts verweigerung gesetzgeberisch unüberwindbare Schranken haben können. S Heitsch

F. Zusammenfassung in Thesen 1. Seit 1993 existieren über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane Regelungen, welche diese Organe in Ausübung ihrer internen Organisationsgewalt erlassen haben. Diese sehen zahlreiche Ausnahmetatbestände vor, bei deren Vorliegen die Offenlegung eines Dokuments unzulässig ist bzw. verweigert werden darf. Die Gemeinschaftsgerichte haben bei der Kontrolle der Handhabung dieser Vorschriften bis in neueste Zeit große Zurückhaltung walten lassen. 237

2. Art. 255 Abs. 1 und Art. 207 Abs. 3 EG gewährleisten erstmals auf der Ebene des Primärrechts einen Anspruch der Unionsbürger auf Zugang zu Gemeinschaftsdokumenten. Allerdings sind die Organe befugt, die allgemeinen Grundsätze über die Ausübung sowie die Ausnahmetatbestände durch Sekundärrechtsakt festzulegen (Art. 255 Abs. 2 EG). Jedes Organ kann außerdem in seine Geschäftsordnung "Sonderbestimmungen" aufnehmen (Art. 255 Abs. 3 EG). Der Wortlaut all dieser Bestimmungen veranlaßt für sich genommen nicht dazu, ein liberaleres Ausnahmenregime zu schaffen, als es bislang in den organinternen Regelungen festgelegt ist. Allerdings könnte der Gestaltungsspielraum der Organe durch einen allgemeinen Rechtsgrundsatz der Transparenz beschränkt sein, sofern sich dieser aus primärrechtlichen Teilaussagen und einem wertenden Vergleich der exemplarisch ausgewählten Rechtsordnungen Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und Schwedens herleiten läßt. 238

3. a) Für die Ebene der Union erlauben zwar Art. 1 Abs. 2 EU sowie Art. 6 Abs. 3 EU in Verbindung mit der schwedischen "Erklärung zur Öffentlichkeit o. bei Fn. 4 ff. s. o. bei Fn. 14 ff., 19 ff.

237 S. 238

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der Verwaltung" den Schluß auf die Existenz eines Transparenzgrundsatzes. Dieser hält sich jedoch auf der Ebene der politisch-programmatischen Absichtserklärung und entfaltet keine konkreten rechtlichen Wirkungen. Außerdem gehört er nicht zum gemäß Art. 46 EU justitiabien Unionsvertragsrecht und kann daher nicht als Prüfungsmaßstab für Sekundärrecht dienen. 239 b) Auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft steht dem Zugangsrecht der Unionsbürger aus Art. 255 Abs. 1 EG die Vorschrift über das Amts- und Berufsgeheimnis (Art. 287 EG) gegenüber. Das hierdurch gekennzeichnete Spannungsverhältnis ist durch Interessenabwägung aufzulösen. 24o c) Aus Art. 10 Abs. 1 EMRK folgt lediglich, daß der Staat sein Informationssystem so einrichten muß, daß man sich tatsächlich über die wesentlichen Fragen unterrichten kann. Auf ähnlich abstrakter Ebene setzen auch die Präambel der EMRK sowie Art. 3 des 1. ZP eine hinreichende Offenheit staatlicher Tätigkeit voraus. Einklagbare Rechte auf Zugang zu Informationen ergeben sich daraus aber nicht. 241

4. Der Vergleich der exemplarisch ausgewählten Rechtsordnungen führt zu folgenden Zwischenergebnissen: a) "Gesetz" ist jeweils der vom Parlament erlassene Normbeschluß, der grundsätzlich nach öffentlicher Beratung zustandekommt. Nichtöffentliche Parlamentssitzungen gibt es praktisch nur in Kriegszeiten. Soweit eine zweite Kammer an der Gesetzgebung mitwirkt, ist das zur Konsensfindung vorgesehene Vermittlungsverfahren vertraulich. Über die Annahme eines Vermittlungsergebnisses wird dann aber wieder in öffentlicher Sitzung der Kammern entschieden. In der nationalen Normenhierarchie steht das Gesetz weit oben; ein höherer Rang kommt lediglich, soweit diese existiert, einer geschriebenen Verfassung ZU. 242 b) Der Zugang der Öffentlichkeit zu Verwaltungsdokumenten ist in unterschiedlich weitreichendem Maße gewährleistet. An einem Ende des Regelungsspektrums steht ein Recht auf Mitteilung lediglich des wesentlichen Akteninhalts zur Wahrung rechtlich geschützter Interessen. Das andere Extrem bildet ein verfassungsrechtlich verbürgtes Zugangsrecht für Jedermann, wobei die Ausnahmen in einem leichter zu ändernden einfachen Gesetz stehen. Dazwis. s. 241 s. 242 s. 239

240

o. o. o. o.

bei Fn. bei Fn. bei Fn. bei Fn.

25 ff. 34 ff. 39 ff. 45 ff., 58 ff., 69 ff., 77 ff.

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schen steht das verfahrensinterne Akteneinsichtsrecht für potentiell in subjektiven Rechten Betroffene und das einfachgesetzlich verankerte Zugangsrecht für Jedermann. Vom Zugangsrecht ausgenommen sind Dokumente, deren Bekanntgabe öffentliche Interessen oder Interessen Privater beeinträchtigen könnte. Als öffentliche Geheimhaltungsinteressen sind anerkannt der Schutz der auswärtigen Beziehungen und der Landesverteidigung sowie des Geldwesens und des Staatskredits, der Staatschutz und die Wahrung der Sicherheit von Personen, der Schutz des geordneten Ablaufs von Ermittlungsverfahren in Vorbereitung von Verwaltungssanktionen sowie derjenige des geordneten Ablaufs gerichtlicher Verfahren. Die privaten Geheimhaltungsinteressen umfassen den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie des Persönlichkeitsrechts. Das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands schließt den Zugang aber nicht stets zwingend aus. Vielmehr sind die Ausnahmegründe häufig als Ermächtigung an die Behörden formuliert, unter Berufung auf die von den Ausnahmetatbeständen geschützten Interessen den Zugang nach Ermessen zu verweigern. Vereinzelt erstreckt sich das Verweigerungsrecht auch nur auf diejenigen Aktenteile, auf die der Ausnahmetatbestand anwendbar ist. Generell besteht die Tendenz, den Zugang zu "vorläufigen" bzw. "vorbereitenden" Dokumenten so lange zu verweigern, bis die Entscheidung vorliegt, zu deren Vorbereitung die Dokumente ausgearbeitet wurden. Einzelne nationale Rechtsordnungen sehen zudem vor, daß das Gericht die Berechtigung der Vorlageverweigerung "in camera" zu prüfen hat. 243

5. a) Im Maastricht-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht die Europäische Union bzw. die Europäischen Gemeinschaften als einen "Staatenverbund" souverän bleibender Staaten charakterisiert; diese handelten im zwischenstaatlichen Bereich regelmäßig durch ihre Regierungen und steuerten dadurch die Integration, welche daher primär gouvernemental bestimmt sei. Wesentlicher Einwand gegen diese Sichtweise ist, daß das Gemeinschaftsrecht den einzelnen zum Inhaber von Grundrechten und Grundfreiheiten sowie von durchsetzbaren Rechten aufgrund Sekundärrechts erhoben hat. Daher sind die Gemeinschaftsangelegenheiten keineswegs allein Sache der Mitgliedstaaten und ihrer Regierungen. Vorzugswürdig ist es daher, die Union als gestuftes System geteilter Souveränität, als Europäischen Verfassungsverbund zu deuten. Legitimationsgrundlage und Adressaten des hoheitlichen HandeIns der europäischen Organe sind die Völker und damit die Bürger aller durch die Unionsverfassung verbundenen Staaten. Die Bürger konstituieren im Europäischen Verfassungsverbund

243

s. o. bei Fn. 80 ff., 94 ff., 111 ff., 116 ff.

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gemäß den jeweiligen Vorgaben ihrer nationalen Verfassungen, je nach Eignung zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gestuft auf den Ebenen des Landes, des Staates und der supranationalen Organisation, Träger öffentlicher Gewalt und setzen diese miteinander in Bezug. Volkssouveränität ist der Legitimationszusammenhang zwischen dem jeweiligen Träger öffentlicher Gewalt und den Bürgen, als deren "Bevollmächtigter und Treuhänder" (Madison) er jeweils handelt und deren Rechtssphäre er gestaltet,244 b) Im Verfassungsverbund der Europäischen Union kommt es darauf an, einen hinreichend effektiven Gehalt an demokratischer Legitimation zwischen der Ausübung der verfassungsmäßigen Befugnisse durch die Unionsorgane und den Bürgern der zur Union verbundenen Staaten herzustellen. Dies setzt nicht voraus, daß auf Unionsebene bereits ein homogenes "europäisches Volk" existiert. Im übrigen bringt die Unionsbürgerschaft gemäß Art. 17 ff. EG nicht nur die Errungenschaften des bisherigen Integrationsprozesses für die Bürger auf eine Kurzformel, sondern ist auch Ausdruck des Selbstverständnisses der Union als einer politischen Einheit,245

6. a) Die demokratische Kontrolle der Unions gewalt muß auf die durch das rechtliche Band der Unionsbürgerschaft verbundenen Bürger der Mitgliedstaaten bezogen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß in der gegenwärtigen institutionellen und kompetenziellen Struktur der Union ein parlamentarisches und ein funktionell-regulatorisches Demokratiemodell miteinander verwoben sind. b) Im parlamentarischen Modell gelten die Parlamente als die wesentlichen Vermittler demokratischer Legitmation. Daher müssen sie ein entscheidendes Mitsprachrecht in Fragen der Ausübung öffentlicher Gewalt haben, damit diese als demokratisch legitimiert gelten kann. Zugleich setzt das Modell voraus, daß Parlamente imstande sind, die Tätigkeit der Exekutive wirksam zu kontrollieren, und daß die Exekutivfunktion im wesentlichen nur in der Umsetzung politischer Grundsatzentscheidungen der Legislative besteht, Auf Unionsebene spiegelt sich das parlamentarische Demokratiemodell im doppelsträngige Legitimationszusammenhang wider, dessen einer Strang über die nationalen Parlamente und die nationalen Vertreter im Ministerrat und dessen zweiter Strang über die mehr und mehr erweiterten Beteiligungs- und Mitentscheidungsrechte des direkt gewählten Europäischen Parlaments verläuft.

244 S. o. bei Fn. 130 ff., 146 ff. 245 s. o. bei Fn. 168 ff.

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c) Das funktionell-regulatorische Demokratiemodell versucht, Ergebnisse der amerikanischen Diskussion über die demokratische Legitimation der unabhängigen Regulierungsbehörden auf den europäischen Zusammenhang zu übertragen. Es berücksichtigt, daß die Gemeinschaften ähnlich wie die amerikanischen Regulierungsbehörden nur für bestimmte Aufgaben zuständig sind. Hierzu dürfen die Gemeinschaften zwar nur nach Maßgabe des Subsidiaritätsgrundsatzes tätig werden. Sie sind jedoch sowohl für die negative Integration als auch für die positive Integration auf den Feldern z. B. des Umwelt-, Verbraucher-, Arbeits- und Gesundheitsschutzes zuständig. Ferner stellt das Modell in Rechnung, daß die Verantwortlichkeit der Kommission und des Ministerrats gegenüber den Bürgern und deren gewählten Vertretern auf nationaler und Unionsebene in vielfacher Hinsicht abgeschwächt ist. Ähnliches gilt für die amerikanischen Regulierungsbehörden im Verhältnis zum Präsidenten und zum Kongreß. Wegen der strukturellen Asymmetrie zwischen negativer Integration durch unmittelbar wirkende Grundfreiheiten und positiver Integration durch aktive Rechtsetzung sowie wegen der Neigung nationaler Regierungen zum Protektionismus legt das Modell Wert auf die institutionelle Unabhängigkeit der supranationalen Regulierungsorgane. Für die demokratische Legitimation dieser Organe ist daher auf andere Methoden zurückzugreifen, als sie in einer repräsentativen Demokratie möglich wären. Hierzu gehören insbesondere hinreichend klare Zielvorgaben im Primärrecht, verbunden mit einer Pflicht zur Rechenschaft der supranationalen Institutionen über Fortschritte bei der Umsetzung dieser Ziele. Ferner müssen die Entscheidungsabläufe hinreichend transparent sein, damit alle interessierten Kreise sich Gehör verschaffen können. Die gerichtliche Kontrolle der Unionstätigkeit kann ebenfalls dazu beitragen, daß die demokratische Rückkopplung zwischen Unionsgewalt und Unionsbürgern erhalten bleibt. Elemente des funktionell-regulatorischen Demokratiemodells auf Unionsebene sind insbesondere die Bestimmungen über die Unabhängigkeit der Kommission, die Handlungsermächtigungen im Bereich des Umwelt-, Verbraucher-, Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie die Schutzverstärkungs- und Revisionsklauseln (Art. 95 Abs. 5 und Abs. 7 EG)?46

7. Dem Zugang zu Gemeinschaftsdokumenten kommt im gemischt parlamentarisch-regulatorischen Legitimationsmodell erhebliche Bedeutung zu. Denn hier kann die Vermittlung demokratischer Legitimation nicht nur Sache der Parlamente sein. Außerdem unterliegt die Legitimationsleistung der Parlamente hier strukturellen Grenzen, die sich allerdings durch Transparenz der Entschei-

246 S. o. bei Fn. 177 ff., 188 ff.

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dungsfindung der Organe, insbesondere des Ministerrats, abschwächen lassen. Daraus folgt, daß der Bereich legislatorischer Tätigkeit der Organe eher weit zu fassen ist. Die Transparenz der Rechtsetzungsvorgänge kann die von den Parlamenten vermittelte demokratische Legitimation in mehrfacher Hinsicht ergänzen. Denn sie erleichtert es den organisierten Interessen, sich am Entscheidungsprozeß zu beteiligen, und kann durch einen von den jeweiligen Fachöffentlichkeiten getragenen Prozeß der Diskussion über Einzelheiten europäischer Rechtsetzung mit der Zeit so etwas wie eine "gesamteuropäische Öffentlichkeit" schaffen. Den Strukturen der Gemeinschaft und dem primärechtlich vorgegebenen Spannungs verhältnis zwischen Zugangsanspruch und Geheimnisschutz wird daher ein Modell des Aktenzugangsrechts am besten gerecht, in welchem die Verweigerung des Zugangs um des Schutzes gemeineuropäischer öffentlicher oder privater Geheimhaltungsinteressen willen nur zulässig ist, soweit im Einzelfall eine konkrete Beeinträchtigung dieser Interessen dargelegt ist und eine Interessenabwägung stattgefunden hat. Die Geheimschutzinteressen Dritter sind verfahrensrechtlich abzusichern und über die Gemeinschaftsdokumente sind öffentlich zugängliche Register zu führen. 247

8. Die Verordnung 1049/2001 hält sich mit Ausnahme ihrer Bestimmungen über die Veröffentlichung bestimmter Arten legislativer Dokumente (Art. 13 Abs. 1 Hs. 2, Abs. 2) im Rahmen des vom allgemeinen Rechtsgrundsatz der Transparenz eröffneten Gestaltungsspielraums. 248

247 248

s. o. bei Fn. 194 ff., 202 ff. s. o. bei Fn. 215 ff., 229 f., 231 ff.

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