Die Vandalen: Etappen einer Spurensuche 9783170188709, 3170188704

Der Vandalenname ist im davon abgeleiteten Begriff "Vandalismus" in den europäischen Sprachen präsent und von

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Table of contents :
Titel
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1 Statt einer Einleitung: Vandalenbilder
2 Die Anfänge im Licht der Schriftquellen
3 Wohnsitze und Siedelgebiete der frühen Vandalen
4 Die Vandalen in der unmittelbaren Peripherie des römischen Weltreichs
5 Römer, Vandalen und Goten bis zum Ende des 3. Jahrhunderts
6 Struktur und Verfasstheit der frühen Vandalen
6.1 Die Sakralität der Herrschaft
6.2 Königtum, Adel, Gemeinfreiheit
7 Die Vandalen im 4. Jahrhundert und der Beitrag der Goten zu einer vandalischen Identität
8 Das – kurze – Jahrhundert der Vandalen (405/6– 484)
8.1 Der Aufbruch nach Westen und der Übergang über den Rhein
8.2 „Ganz Gallien rauchte wie ein einziger Scheiterhaufen“
8.3 Die Heeres- und Sozialverbände (gentes) in Spanien bis zum Untergang der Silingen und der Alanen
8.4 Das vandalische Königtum und eine neue Ethnogenese in Spanien
8.5 Die Vandalen als Christen
8.6 Der Übergang nach Nordafrika 429 und die Eroberung Karthagos 439
8.7 Die zweite Staatsgründung
8.8 Die Außenpolitik unter Geiserich in ihrem Wechselverhältnis zur inneren Entwicklung des Vandalenreichs
8.9 Eine Periode der Ziellosigkeit? „Natürlich gegen diejenigen, denen Gott zürnt“
8.10 Geiserichs Thronfolgeordnung und die Regierung Hunerichs (477–484)
9 Noch ein halbes Jahrhundert: Von Gunthamund bis Hilderich (484–530)
10 Staat und Gesellschaft im vandalischen Nordafrika
10.1 Das Königtum
10.2 Heer und Flotte
10.3 Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft im Vandalenreich
10.4 Die Kultur der Vandalenzeit
10.5 Manichäer, Pelagianer, Donatisten, Juden unter der Vandalenherrschaft
11 „Die Usurpation, die ein Ende war“
12 Die Vandalenherrschaft in Nordafrika – ein gescheitertes Experiment
13 Was blieb von den Vandalen? Zur Aktualität des Vandalenthemas
Anmerkungen
Quellen- und Literaturverzeichnis
Stammtafel der Hasdingen
Kartenverzeichnis
Register
Personen- und Völkernamen
Orte und Räume
Begriffe und Sachen
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Die Vandalen: Etappen einer Spurensuche
 9783170188709, 3170188704

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00 Die Vandalen (Castritius).book Seite 1 Montag, 29. Januar 2007 2:22 14

Band 605

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00 Die Vandalen (Castritius).book Seite 3 Montag, 29. Januar 2007 2:22 14

Helmut Castritius

Die Vandalen Etappen einer Spurensuche

Verlag W. Kohlhammer

00 Die Vandalen (Castritius).book Seite 4 Montag, 29. Januar 2007 2:22 14

Umschlag: Gelimers Silberschale (Bibliothèque nationale de France, Cabinet des Medailles, Paris)

Alle Rechte vorbehalten © 2007 W. Kohlhammer GmbH Umschlag: Data Images GmbH, Stuttgart Karten: Peter Palm, Berlin Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany ISBN: 978-3-17-018870-9

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 Statt einer Einleitung: Vandalenbilder. . . . . . . . . . .

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2 Die Anfänge im Licht der Schriftquellen . . . . . . . .

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3 Wohnsitze und Siedelgebiete der frühen Vandalen

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4 Die Vandalen in der unmittelbaren Peripherie des römischen Weltreichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5 Römer, Vandalen und Goten bis zum Ende des 3. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6 Struktur und Verfasstheit der frühen Vandalen . . . 6.1 Die Sakralität der Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Königtum, Adel, Gemeinfreiheit . . . . . . . . . . . . . .

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7 Die Vandalen im 4. Jahrhundert und der Beitrag der Goten zu einer vandalischen Identität . . . . . . .

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8 Das – kurze – Jahrhundert der Vandalen (405/6– 484) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Der Aufbruch nach Westen und der Übergang über den Rhein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 „Ganz Gallien rauchte wie ein einziger Scheiterhaufen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Die Heeres- und Sozialverbände (gentes) in Spanien bis zum Untergang der Silingen und der Alanen . . 8.4 Das vandalische Königtum und eine neue Ethnogenese in Spanien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Die Vandalen als Christen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6 Der Übergang nach Nordafrika 429 und die Eroberung Karthagos 439 . . . . . . . . . . . . .

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8.7 Die zweite Staatsgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8 Die Außenpolitik unter Geiserich in ihrem Wechselverhältnis zur inneren Entwicklung des Vandalenreichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.9 Eine Periode der Ziellosigkeit? „Natürlich gegen diejenigen, denen Gott zürnt“ . . 8.10 Geiserichs Thronfolgeordnung und die Regierung Hunerichs (477–484). . . . . . . .

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9 Noch ein halbes Jahrhundert: Von Gunthamund bis Hilderich (484–530) . . . . . . .

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10 Staat und Gesellschaft im vandalischen Nordafrika 10.1 Das Königtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Heer und Flotte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft im Vandalenreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Die Kultur der Vandalenzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Manichäer, Pelagianer, Donatisten, Juden unter der Vandalenherrschaft. . . . . . . . . . . . . . . . .

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11 „Die Usurpation, die ein Ende war“ . . . . . . . . . . .

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12 Die Vandalenherrschaft in Nordafrika – ein gescheitertes Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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13 Was blieb von den Vandalen? Zur Aktualität des Vandalenthemas . . . . . . . . . . . .

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Anmerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . .

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Stammtafel der Hasdingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kartenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Register. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personen- und Völkernamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orte und Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffe und Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort

Völker und Nationen als politische Verbände und als Träger von Reichsbildungen und Staatswesen können spurlos verschwinden, aber auch unter günstigen Bedingungen wiedererstehen, wie es die politische Entwicklung nach der Wende etwa am Beispiel der baltischen Staaten gezeigt hat. Biologisch gesehen sind sie hingegen nie völlig verschwunden, haben in den Genen der heutigen Menschen ihre Spuren hinterlassen. Selbst für den Neandertaler wird mittlerweile sein genetisches Verschwinden in Zweifel gezogen. Goten und Vandalen, die mit der Völkerwanderung zunächst „die Morgendämmerung eines neuen Völkertages“ heraufführten, können als solche verschwundene, verloren gegangene Völker namhaft gemacht werden, sie stehen für das Szenario einer versinkenden Kultur, deren Anblick für die jeweilige Gegenwart gleichermaßen ergreifend wie beunruhigend wirkte. Die im Höchstfall sieben bis acht Jahrhunderte umfassende Spanne zwischen dem nachweisbaren ersten Auftreten und dem Untergang der Vandalen soll hier aus verschiedenen Perspektiven – soweit dies die schriftliche wie die gegenständliche Überlieferung hergibt – dargestellt werden. Die auf Grund der zu beobachtenden Aktualität des Vandalenthemas gerade in den letzten anderthalb Jahrzehnten enorm angewachsene wissenschaftliche Literatur ist weitgehend im Artikel „Wandalen“ im Reallexikon der Germanischen Altertumskunde erfasst und verarbeitet, so dass im Literaturverzeichnis dieses Buches nur die wichtigsten Arbeiten – nach Teilaspekten und Sinnzusammenhängen geordnet – aufgeführt sind. In den Anmerkungen sind deshalb allein die Quellen aufgeführt. Alle Jahresdaten – soweit nicht mit „v. Chr.“ versehen – sind auf die Jahre nach Christi Geburt zu beziehen. Wenn im Text öfter von „Barbaren“ und „barbarisch“ gesprochen wird, so geschieht dies aus dem Blickwinkel der antiken Beobachter und in deren Sprachregelung, nicht etwa im Sinne einer Hierarchisierung und abwertenden Beurteilung von Gemeinschaften und Gesellschaften bzw. Völkern. Von meinen ständigen Gesprächspartnern, die mich vor einer Reihe von Irrtümern bewahrt haben, möchte ich folgende Kollegin und Kollegen herausheben: Nicoletta Francovich Onesti, Wolfgang 7

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Haubrichs, Albrecht Greule, Matthias Springer, Roland Steinacher, Gerd Kampers, Jörg Jarnut, Frank M. Clover, Philipp von Rummel, Dirk Reitz und Dieter Geuenich. Zu besonderem Dank bin ich Frau Monica Wejwar für die intensive redaktionelle Betreuung verpflichtet.

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1 Statt einer Einleitung: Vandalenbilder

Den frühesten Bezeugungen von Vandalen in der römischen Antike lassen sich kaum substanzielle Informationen über sie entnehmen. Danach gehörten sie zur „barbarischen“ Welt des Nordens und waren häufig nicht mehr als bloße Namen. Man fasste sie entsprechend dem damals weit verbreiteten Bedürfnis nach Kategorisierung mit anderen Sozialverbänden (gentes) zu Großgruppen zusammen1. Mit den schon im 2. Jahrhundert in dem riesigen Raum östlich der Elbe und nördlich der Ostsee einsetzenden großen Migrationen wurden den Menschen im römischen Imperium dann auch konkretere Vorstellungen von den Vandalen vermittelt. Sie waren nun Landsucher, wollten im Römerreich mit Kind und Kegel Fuß fassen, wechselten dabei oft die Rollen, verbreiteten allerdings als Bittsteller und selbst als Kämpfer und Invasoren keine wirkliche Furcht. Römische Diplomatie wie römische Kriegskunst erwiesen sich vielmehr als überlegen; auch Anfangserfolge zahlten sich noch fast im ganzen 4. Jahrhundert für die Vandalen nicht aus. Dieses Szenario, das ebenso für viele andere damals Land suchende Gruppen galt, änderte sich schlagartig durch den großen Einbruch der Hunnen aus den Steppen Zentralasiens in die Weiten nördlich des Schwarzen Meeres. Er löste seit ca. 375 und in gewissen zeitlichen Abständen Völkerlawinen aus und trieb zahlreiche, vor allem germanische Sozialverbände in immer neuen Wellen auf die Reichsgrenze des Römerreichs an der unteren und mittleren Donau zu. Das durch Kriege auch an anderen Fronten geschwächte Imperium konnte auf Dauer die Landnahme dieser Gruppen auf Reichsboden nicht verhindern und musste dafür nun Modalitäten ihrer Indienstnahme und Formen von wenigstens oberflächlicher Integration entwickeln. Als Folge dieser längst sprichwörtlich gewordenen Völkerwanderung änderte sich auch die Wahrnehmung der „Barbaren“ seitens der römischen Welt. Man lernte zwischen den einzelnen Wanderverbänden deutlicher zu unterscheiden als dies zuvor der Fall war und wurde nun in die Lage versetzt, ein viel differenzierteres Bild der um Aufnahme bittenden oder sich mit Gewalt Zutritt verschaffenden Gruppen zu entwerfen. Dabei blieben – wie nicht anders zu erwarten – Wahrnehmung und Vorstellung von den Neuankömm9

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lingen von dem jeweiligen gesellschaftlichen und religiösen Standort der Berichterstattenden abhängig. Christliche Schriftsteller sahen sie anders als die Anhänger des alten Heidentums. Unterschichtangehörige, deren Auffassung sich allerdings auf Grund ihrer Schweigsamkeit nur sehr schwer eruieren lässt, sahen die Funktion der Barbaren im Geschichtsprozess wesentlich positiver als die Angehörigen der spätrömischen Ober- und Mittelschichten. Am bekanntesten, weil auch am merkfähigsten, ist die gewissermaßen landläufige Vorstellung von den Vandalen als nimmersatten Räubern und Plünderern, blindwütigen Zerstörern und kulturlosen Barbaren, die nicht einmal vor den Altären und Denkmälern Roms, der „Ewigen Stadt“, halt machten. Doch neben Ruchlosigkeit und Verschlagenheit attestierte man ihnen auch Kühnheit und Verwegenheit, wie sich an ihrem größten Sohn, dem Vandalenkönig Geiserich, überzeugend veranschaulichen ließ. Im Urteil seiner Gegner in Ostrom-Byzanz war er der „König des Landes und des Meeres“ 2 und zugleich „der gewaltigste Kämpfer unter allen Männern“ 3. Es ist diese Seite des wahrgenommenen Vandalentums, das ihren Namen zum Begriffswort werden ließ. Vandale und Vandalismus stehen seit dem späten18. Jahrhundert und bis auf den heutigen Tag für vieles, was an menschlichen Abgründen überhaupt denkbar war und ist. Für das 5. Jahrhundert lässt sich ein – allerdings bald verdrängtes – Vandalenbild ausmachen, das Ausfluss christlicher Deutungs- und Erklärungsversuche für die Unbilden und die Not der Zeit war. Salvian, als Priester in Marseille ein überaus eifriger Diener seiner Kirche, zeichnete wohl bald nach der Mitte des 5. Jahrhunderts in seinem Hauptwerk „Über die Weltregierung Gottes“ ein völlig anderes Bild von den Vandalen. Alle „Barbaren“ nicht – wie damals allgemein noch üblich – über einen Kamm scherend, stellte er den Vandalen ein überaus günstiges Zeugnis aus. Ausgehend von einer Schilderung und Brandmarkung der Lasterhaftigkeit der Bewohner Galliens und Spaniens erhob er die Vandalen zum wahren Gegenbild: „Aber um die Verurteilung der Unkeuschheit [der Spanier] noch klarer herauszustellen, kommt bei diesen hinzu, dass sie in der Hauptsache den Vandalen, das ist den keuschesten Barbaren, ausgeliefert wurden. Auf zweifache Weise wollte bei der Einnahme Spaniens Gott zeigen, wie sehr er die Lust des Fleisches hasse und die Reinheit liebe: einmal, indem er die Vandalen ganz allein wegen ihrer Reinheit zu Herren machte, und dann, weil er die Spanier ganz allein oder doch zum größten Teil wegen ihrer Unkeuschheit unters Joch beugte. Was weiter? Hätte es denn auf dem ganzen Erdkreis nicht tapferere Barbaren gegeben, denen Spanien hätte ausgeliefert werden 10

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können? Viele, ohne Zweifel, ja, wenn ich mich nicht täusche, sogar alle. Aber deshalb hat Gott den schwächsten Feinden alles ausgeliefert, um zu zeigen, dass nicht die Kräfte alles ausmachen, sondern die gute Sache, und dass wir nicht durch die Tapferkeit der einst so feigen Feinde niedergeworfen, sondern nur durch die Unreinheit unserer Laster überwunden wurden,…“ 4. Und noch konkreter ist das Bild, das Salvian von den Verhältnissen in Karthago am Vorabend der Eroberung der Stadt durch die Vandalen zeichnete: „Die barbarischen Völker dröhnten und tosten mit ihren Waffen um die Mauern von Cirta und Karthago herum, während die karthagische Gemeinde noch im Zirkus raste und im Theater schwelgte. Die einen wurden draußen abgeschlachtet, die anderen gaben sich drinnen der Unzucht hin. Der eine Teil des Volkes wurde draußen Gefangener des Feindes, der andere Teil wurde drinnen zum Gefangenen der eigenen Laster“ 5. Das ganze Spektrum der barbarischen Welt an seinem geistigen Auge vorüberziehen lassend, stufte Salvian – eigentlich überraschend – die Vandalen zu den schwächsten Feinden herab; auf Grund ihrer moralischen Überlegenheit und voller Abscheu vor dem Lasterleben der Römer waren sie jedoch stark genug, das Römerreich zu überwinden. Diese den Vandalen zuerkannte heilsgeschichtliche Rolle ergibt sich aus Salvians Überzeugung von der Zwangsläufigkeit einer durch die Sündhaftigkeit der Römer eingeleiteten, unaufhaltsam zum Untergang des Römerreichs führenden Entwicklung. Und schon eine Generation vor Salvian bezeugte ein anderer christlicher Priester, der weit gereiste, mit dem Heiligen Augustin in engem Kontakt stehende Spanier Orosius, sich relativ schnell einspielende erträgliche Verhältnisse zwischen den sich in Spanien festsetzenden Vandalen und der provinzialrömischen Bevölkerung6. Und es war wiederum Salvian, der den Vandalen in einer schicksalhaften militärischen Konfrontation mit einem römischen Heer in Spanien im Jahre 422, die mit einer völligen Niederlage der römischen Seite endete, bescheinigte, sie hätten in dieser Schlacht im Vertrauen auf das „Buch des göttlichen Gesetzes“ den römischen Soldaten „göttliche Aussprüche“ entgegen gerufen und ihnen dabei das im „Heiligen Buch“ Geschriebene kundgetan gerade wie die Stimme Gottes7. Das bedeutet wohl nicht mehr und nicht weniger als dass Salvian die Vandalen zu Soldaten Christi hochstilisierte. Wir haben es also bereits mit zwei Vandalenbildern bzw. -erzählungen zu tun, sicher mit recht unterschiedlicher Verfallszeit und Wirkmächtigkeit, aber zweifellos authentisch und existent. Und noch weitere kann man diesen zur Seite stellen, darunter eine Vorstellung und Beurteilung, die man als tendenzneutral klassifizieren 11

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1 möchte. Es handelt sich dabei um die Bewunderung der großen 2 physischen Leistung der Vandalen seitens antiker Beobachter, im 3 speziellen Fall durch einen zeitgenössischen Berichterstatter namens 4 Dexippos aus Athen. Dexippos hatte im Jahre 267 selbst Erfahrung 5 mit der Kampfkraft umherziehender germanischer Gruppen sam6 meln können und beschrieb später in griechischer Sprache die Ger7 manenkriege Roms der Jahre 238–274, aus welchem Geschichts8 werk lediglich ganz wenige Sätze in Form von Zitaten in späteren 9 und erhaltenen Geschichtswerken auf uns gekommen sind. Danach 10 soll Dexippos bezeugt haben, „dass sie [die Vandalen] vom [nörd11 lichen] Ozean an unsere Grenze [an die Grenze des Römerreichs] 12 innerhalb kaum eines Jahres gelangt sind, und das bei dieser ungeheuren 13 Entfernung“ 8. Hier stellt sich sogleich die Frage ein, wie Dexippos 14 seiner Bewunderung Ausdruck gegeben hätte, wenn er es hätte er15 leben dürfen, dass Vandalen später von den Donauländern an den 16 Rhein und durch ganz Gallien und Spanien zogen und schließlich 17 nach Nordafrika übersetzten. Jedenfalls entsprach die ungeheure 18 Mobilität der Vandalen der Bedeutung ihres Namens: „Die Ge19 wandten, die Beweglichen, die Raschen“, ob man hierin den Zufall 20 am Werk sehen mag oder nicht. Für die gut 100 Jahre andauernde Herrschaft einer vandalischen 21 22 Minderheit über eine erdrückende Mehrheitsbevölkerung provin23 zialrömischer und indigener maurischer Herkunft in Nordafrika 24 dominiert in den zugegebenermaßen recht tendenziösen Quellen 25 ein anderes Vandalenbild: Die ketzerischen Vandalen als Verfolger 26 der Rechtgläubigen, indem sie, die arianischen Christen, zu Chris27 tenverfolgern stilisiert wurden und die Vertreter der christlichen Or28 thodoxie sich dabei alle Mühe gaben, die Gräben sichtbar zu ma29 chen, die die Vandalen von der Mehrheitsbevölkerung sowohl 30 religiös als auch kulturell trennte. Diese allerdings von beiden Seiten 31 gezogene religiös-kulturelle Demarkationslinie war ein Politikum 32 ersten Grades und ist fraglos als eine wichtige Ursache für den Un33 tergang des nordafrikanischen Vandalenreichs anzusehen. Fragt man 34 sich, warum die Vandalen ihre spezifische christliche Sinnstiftung 35 den religiösen Verhältnissen in Nordafrika nicht angepasst haben, so 36 wird man bedenken müssen, dass anscheinend schon in Spanien ihre 37 religiöse Entwicklung endgültig abgeschlossen war und in einer 38 symbolischen Wahrheitserzählung gipfelte, die nicht mehr „umge39 dichtet“ werden konnte. Das Vandalenreich in Nordafrika war aber auch eine Erfolgs40 41 geschichte, und das sollte als ein weiteres Vandalenbild nicht unter42 schlagen werden. Unter schwierigsten Bedingungen – Bevölke43 44 12

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rungsverhältnisse, Klima, religiöse und kulturelle Trennlinien nicht nur nach einer Seite, technologischer Rückstand, Bildungsunterschiede jedenfalls zur provinzialrömischen Führungsschicht – ein Reich aufgebaut und für über 100 Jahre behauptet, dabei zeitweise mindestens den westlichen Mittelmeerraum fest unter Kontrolle gehalten zu haben, war eine beachtliche Leistung, die in der Regel kaum gewürdigt wird, zu sehr dominieren in den Quellen wie in den modernen Darstellungen die Aporien und Widersprüche der vandalischen Staatsgründung. Gerade wenn man auf die Endphase des Vandalenreichs blickt, gerät diese Erfolgsgeschichte aus dem Blick. Sie wird allerdings nicht dadurch zurückgeholt, dass man – wie in allerjüngster Zeit geschehen – die Vandalen zu Alleskönnern hochstilisiert, sie zu Lehrmeistern der Wikinger erklärt und angeblich dem Untergang in Nordafrika entkommene vandalische Gruppen zu den Gründervätern z. B. von Venedig macht. Als ein rein mittelalterlich-frühneuzeitliches Konstrukt, entsprungen aus christlichem Deutungshorizont und Weltverständnis, ist die Gleichsetzung von Wenden/Slawen mit den Vandalen anzusehen. Sie ermöglichte die Einordnung der Slawen in das Völkertableau, wie es im Frühmittelalter aufgestellt und immer wieder erweitert wurde und wiederum als Vorstufe der europäischen Nationsbildung zu gelten hat. Solche Pseudologien transportierten keine echten Erinnerungen mehr, die mit ihnen verbundenen Erzählungen sind für die Rekonstruktion der Geschichte und Kultur der historischen Vandalen vielmehr weitgehend wertlos. Wenn man sich mit den frühen Völkern oder besser vielleicht Gesellungseinheiten – gentes – in den Rand- und Kontaktzonen der Mittelmeerwelt und schließlich im Römerreich selbst beschäftigt, ist heute folgendes Vorverständnis grundlegend und unerlässlich, was zumindest äußerlich auch der Aufsplitterung in verschiedene Bilder und Geschichten dieser Gruppen entspricht. Die Auffassung von ihrer Uranfänglichkeit, Überzeitlichkeit und Statik, ja gewissermaßen ihrer Präexistenz ist seit den Forschungen von Reinhard Wenskus (s. Literaturverzeichnis) aufgegeben worden, und es herrscht Einigkeit darüber, dass es sich nicht um lediglich im Wechsel der Generationen darzustellende biologische Einheiten handelte. Nicht die gemeinsame Abstammung, sozusagen das Blut, schuf Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit, sondern die jeweils als gemeinsam anerkannte Überlieferung. Verbandsbildung war in erster Linie also eine Sache des Bewusstseins und des Bekenntnisses, die sich allerdings nicht gleichsam naturnotwendig und von selbst einstellte. Solche Prozesse der Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsbil13

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dung bedurften eines Katalysators bzw. eines Nukleus, von Wenskus mit „Traditionskern“ auf den Begriff gebracht. Darunter ist ein begrenzter Kreis von führenden Personen zu verstehen, die die Überlieferung verwalteten und bewahrten und ihr Wir- und Sonderbewusstsein erfolgreich auf andere Gruppen und Schichten übertrugen. Besondere Wirkmächtigkeit wird in diesem Zusammenhang dem Häuptling- bzw. Königtum attestiert. Demnach lösten kleine traditionstragende und -stiftende Nuklei, Häuptlinge oder Könige und ihr unmittelbarer Anhang, den Prozess der Gruppenbildung oder Ethnogenese aus; und umgekehrt konnten ethnische Traditionen auch schnell wieder verloren gehen. Ethnogenese (früher üblicherweise als Stammesbildung bezeichnet) war demnach ein kaum jemals zur Ruhe gelangender dynamischer Prozess mit den Konstituenten Eingliederung und Aufgliederung, Anschluss statt Zusammenschluss, Ausweitung und Abspaltung, Abwanderung und Niederlassung unter dem bestimmenden Einfluss ideeller Prämissen und Überzeugungen, die von der Anführerschaft bewahrt und monopolisiert wurden. Diese mittlerweile noch ergänzten und verdichteten Erkenntnisse lassen berechtigte Zweifel daran entstehen, dass es überhaupt angemessen und vertretbar ist, von den Vandalen zu sprechen und davon auszugehen, dass diese von ihrem Ausgangspunkt im Ostseeraum bis zur Reichsgründung in Nordafrika immer dieselben gewesen sind. Unstrittig sind – als alle und alles verbindendes Kontinuum – lediglich der Name und das darin zum Ausdruck kommende jeweils spezifische ethnische Bewusstsein. Allein daraus erwuchs in einem längeren Prozess die Handlungsfähigkeit der Gruppe. Nur eine solche Sicht der Entstehung der frühen Völker und Gemeinschaften erlaubt es, eine Geschichte der Vandalen überhaupt zu schreiben. Damit ist allerdings noch nicht das Problem erledigt, dass wir es in der Überlieferung mit mehreren und unterschiedlichen Vandalenbildern zu tun haben. Deren Reduktion wird allerdings dadurch erleichtert, dass sie mindestens teilweise verschiedenen historischen Entwicklungsphasen zuzuordnen sind und dass es zudem auch harte Fakten gibt, die gewissermaßen unverrückbare Richtpunkte setzen und damit als Ausweis der Richtigkeit der Darstellung gelten können. Dennoch bliebe auch bei einer viel reicheren Überlieferung als der vorliegenden eine Portion Vorstellungsgeschichte übrig, in die die verschiedenen Vandalengeschichten dann zu überführen sind. Sich dies bewusst zu machen, reicht aus, gegen einen nicht einlösbaren Anspruch auf die historische Wahrheit schlechthin gefeit zu sein. 14

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2 Die Anfänge im Licht der Schriftquellen Wie bei den Gründungsdaten von Städten oder Ortschaften ist es der Zufall der Überlieferung, der über die Erstnennung eines Sozialverbandes, einer Großgruppe, eines Stammes oder Volkes entscheidet. Die darüber allein Aufschluss gebenden antiken Quellen verwenden dafür in der Regel den Terminus gens (lat.) oder éthnos (griech.). Dass darin der Vandalenname verbunden mit insgesamt äußerst spärlichen Informationen erst seit der Mitte des 1. Jahrhunderts begegnet, sagt über Herkunft und Alter der Vandalen praktisch nichts aus. Zudem ist zu berücksichtigen, dass auch späte, ja wesentlich spätere Quellen als die, denen wir die Erstnennungen verdanken, in eine frühere Periode des Verbands zurückreichen und dabei wertvolles authentisches Material bewahrt haben können. Der früheste Beleg für die Existenz von Vandalen (in der Form Vandili) findet sich in dem enzyklopädischen Werk des älteren Plinius, das in 102 Büchern einen Überblick über das Wissen seiner Zeit, besonders über die Naturwissenschaften, gibt und im Jahre 77 abgeschlossen vorlag. Er informiert uns, dass es fünf Großgruppen von Germanen gäbe, und nennt als deren erste eben die Vandalen. Als diesen zugehörig gibt Plinius die Burgunder, die Warnen, die Chariner und die Gutonen9 an. Burgunder und Gutonen (Goten) werden nach modernen, vor allem sprachwissenschaftlichen Kriterien den Ostgermanen zugeordnet, was sich damit in Einklang bringen lässt, dass eine späte Überlieferung umgekehrt die Vandalen zu den gotischen Völkern zählt und ihre Sprache dem Gotischen zuschlägt. Aus der Reihung der anderen Großgruppen und den Angaben zu ihren Teilgruppen lässt sich auch eine allerdings nur grobe geographische Lokalisierung der Vandalen genannten Großgruppe erschließen. Es handelt sich um die weiten Gebiete südlich der Ostseeküste und westlich der Elbe bis weit in den ostmitteleuropäischen Raum hinein. Plinius entschuldigt die Ungenauigkeit seiner geographischen Verortung mit dem Hinweis, dass Germanien in seiner Gesamtheit noch nicht ausreichend erforscht sei10. Im direkten Anschluss an Plinius versah der anerkanntermaßen größte römische Historiker Tacitus in seiner im Jahre 98 erschienenen ethnographischen Schrift, die landläufig „Germania“ genannt wird, die Vandalen (Vandilii) mit dem Prädikat eines „wahren und alten Namens“11. Der Autor rekurriert hier auf einen wohl authentischen Traditionsstrang, der eine einzelstämmische Überlieferung 15

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verkörpert und damit von den üblichen Entstehungs- und Herkunftsmythen bei den Germanen etwas abweicht. Die religiöse Verankerung und Einkleidung der Herkunft der Vandalen im mythischen Geschehen ist jedoch bei Tacitus dadurch gewährleistet, dass auch die Vandalen auf den Urvater- und Gründergott aller Germanen, Mannus, zurückgeführt werden. Dem würde entsprechen, dass mit dem vandalischen Doppelkönigtum eine in besonderer Weise im Göttlichen und Numinosen verankerte, sehr altertümlich anmutende Herrschaftsform – und dies über mehrere Generationen und Jahrhunderte hinweg – nachzuweisen ist. Wie es eine lange Zeit gebraucht hat, bis die antiken Berichterstatter zwischen Kelten und Germanen unterscheiden konnten, so schwer taten sie sich auch, ihrem Bedürfnis nach Ordnung und Systematisierung der germanischen Welt Rechnung zu tragen. Eine einhellige Meinung darüber ließ sich aus den unterschiedlichen Informationen, die vor allem von Militärs und Händlern bezogen wurden, kaum gewinnen. Dennoch ist die Inkonsequenz eines Tacitus auffällig, der in seiner „Germania“12 ausführlich auf den östlichen Teil von (Groß-)Germanien (Germania magna) eingeht, die dort zu erwartenden Vandalen aber nicht erwähnt. Als Ersatz dafür scheint Tacitus13 die Großgruppe der Lugier anzubieten, die er zudem in ihren zahlreichen Unterabteilungen und relativ ausführlich vorstellt. Eine dieser Untergruppen, die Naharnavalen, verwaltete nach Tacitus den Kult der Alcis, der „Elchgötter“, welcher in der Forschung häufig zum Zentralkult der Lugier avanciert. Die Lugier werden dabei als ein Kultverband interpretiert, dem sich politische Verbände wie etwa die Vandalen sogar soweit und erkennbar unterordneten, dass sie auch unter dem Lugiernamen subsumiert werden konnten. Von einer sicheren Erkenntnis sind wir hier jedoch weit entfernt. So wissen wir nicht, ob der Elchkult der Naharnavalen der lugische Zentralkult schlechthin war, und vor allem ist nicht zu beweisen, dass es sich bei den Lugiern überhaupt um einen Kultverband handelte. Die Etymologie ihres Namens – „Eidgenossen“ – spricht nicht gerade dafür, lässt eher an einen durch gegenseitige Eidesleistung zustande gekommenen politischen Verband denken, dem allerdings die Vandalen angehört haben dürften. Auch ist es durchaus möglich, dass in der Außenwahrnehmung für dieselbe Großgruppe zeitweise zwei Bezeichnungen, nämlich Lugier bzw. Vandalen, in Geltung waren. Denkbar wäre, dass Plinius, der als römischer Offizier in Germanien tätig war, von einem einheimischen Gewährsmann den Vandalennamen in Erfahrung gebracht und übernommen hatte, andere Autoren wie der griechisch schreibende 16

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Strabon schon am Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. und später dann Tacitus den der römischen Welt vielleicht besser vertrauten Namen Lugier benutzt hätten. Aus uns heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen mögen dann in der Periode der Markomannenkriege (166–180 und 182), die in dem weiten Raum östlich der Oder und nördlich der mittleren Donau unter den dort siedelnden bzw. immer wieder die Wohnsitze wechselnden Gruppen neue Prozesse von Stammes- und Verbandsbildung auslösten, andere vielleicht ältere Überlieferungen wieder in Geltung gekommen sein, mit der Konsequenz, dass sich der Vandalenname gegenüber dem Namen Lugier allmählich wieder durchsetzte. In Zeiten reicherer Überlieferung, nachdem die Vandalen durch ihre Reichsbildungen zunächst in Spanien und dann in Nordafrika für die Römer zu einer festen Größe geworden waren und man sich mit ihnen intensiver befasst hatte, wurde nicht nur ihr Königsgeschlecht, sondern auch bisweilen das Gesamtvolk als Hasdingen bezeichnet. Diese pars pro toto-Benennung entspricht dem weit verbreiteten Muster, ein ganzes Volk nach einer sozialen Klasse bzw. genauer nach seiner Führungsgruppe zu benennen. Die Bedeutung des Wortes Hasdingen = Langhaarträger weist einen kultischen Bezug auf und passt eher auf ein königliches Geschlecht als auf den gesamten Wehr- und Sozialverband. Solche Langhaarträger waren auch die Merowinger, das Königsgeschlecht der Franken, deren mit dem langen Haupthaar verbundene magische, Glück und Heil der Gemeinschaft bewirkende Kraft von ihren Nachfolgern, den Karolingern, nicht einfach übernommen werden konnte. Mit der – christlichen – Salbung, die die Karolinger nach alttestamentarischem Vorbild gewissermaßen zu Priesterkönigen machte, wurde mit einiger Mühe dafür eine Kompensation gefunden. Allerdings ist der Quellenbefund hinsichtlich der synonymen Verwendung von Vandalen und Hasdingen bereits im 2. Jahrhundert keineswegs eindeutig. Denn streng genommen fällt Cassius Dio, ein griechisch schreibender Historiker aus dem ersten Drittel des 3. Jahrhunderts, als Kronzeuge für diese Gleichsetzung aus. Seine Schilderung der Markomannenkriege, in der er an zwei Stellen von Hasdingen spricht, ist nur in sehr späten und stark verkürzenden Auszügen erhalten. Den im byzantinischen Reich des Mittelalters sitzenden und schreibenden Exzerptoren war der Hasdingen-Name nun allerdings längst vertraut, und sie könnten von ihrem Kenntnisstand ausgehend die Vandalen mit ihrem Königsgeschlecht gleichgesetzt haben, so wie es seit dem 5. Jahrhundert üblich, Cassius Dio aber vielleicht noch gar nicht geläufig war. 17

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In der antiken Überlieferung findet sich für die Vandalen keine Herkunfts- bzw. Stammessage. Solche Texte stammen zwar jeweils aus einer viel späteren Zeit als die von ihnen geschilderten Gegebenheiten und Verhältnisse und sie sind noch dazu häufig aus einer Fremdperspektive heraus aufgezeichnet worden, können aber dennoch wertvolles authentisches, weit zurückreichendes Material enthalten. Denn sie gehen auf eine mündliche, meist in gebundener Rede vorgetragene Überlieferung zurück, die zwar im Abstand von etwa drei Generationen Aktualisierungstendenzen unterlag, aber andererseits schicksalhafte Auseinandersetzungen und primordiale Taten wie etwa die Landnahme in einer weit entfernten Region, die Orte erinnerungswürdiger Ereignisse und die Namen der Protagonisten dieses Geschehens durchaus zuverlässig bewahren konnten. Ausgehend von diesen Überlegungen lässt sich aus der Herkunfts- und Wandersage der Langobarden, die in verschiedenen Versionen aus einer sehr viel späteren Zeit als die darin geschilderten Ereignisse aufgezeichnet wurde, für die Anfänge und die Frühgeschichte der Vandalen deutlich mehr erkennen als aus Autoren wie Plinius oder Tacitus und damit eine Brücke schlagen zu den Auszügen aus Cassius Dio und aus Dexippos, der im letzten Viertel des 3. Jahrhunderts über Begegnung und Auseinandersetzung Roms mit den nördlichen Barbaren berichtete. Für die kollektive Erinnerung der Langobarden in der Periode ihrer Herrschaft in Italien spielten ein Schlachtensieg über die Vandalen und ihre damit verbundene „Umvolkung“ eine zentrale Rolle. Danach stießen sie, die zunächst Winniler hießen, von Skandinavien kommend auf dem Festland – und damit auf ihrer ersten Station – auf die Vandalen und konnten diese mit göttlicher Hilfe besiegen. Die durch die gentile Memoria der Langobarden festgehaltene schöne Geschichte hat folgenden Wortlaut: „Gegen die Führung der Winniler [Ebor und Agio und deren Mutter Gambara] setzten sich also die Anführer der Vandalen, Ambri und Assi, mit ihrem Heer in Bewegung und redeten die Winniler in folgender Weise an: Entweder ihr zahlt uns Tribut oder aber ihr bereitet euch auf eine Schlacht vor und kämpft mit uns. Darauf hin antworteten Ebor und Agio zusammen mit ihrer Mutter Gambara: Für uns ist es besser, uns auf eine Schlacht einzustellen als den Vandalen Tribut zu zahlen. Jetzt baten Ambri und Assi, die Anführer der Vandalen, Wodan, dass er ihnen den Sieg über die Winniler zuteil werden ließe. Wodan antwortete und sprach: Denjenigen, die ich bei Sonnenaufgang zuerst erblicke, werde ich den Sieg verleihen. Zur selben Zeit wandte sich Gambara mit ihren beiden Söhnen, nämlich Ebor und Agio, den Anführern der Winniler, mit der Bitte an Freia, sie möge den Winnilern geneigt sein. 18

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Darauf hin gab Freia den Rat, die Winniler sollten bei Sonnenaufgang kommen, ebenso sollten ihre Frauen, indem sie ihre Haare wie Bärte ins Gesicht hängen ließen, mit ihren Männern kommen. Als sich dann die Sonne leuchtend erhob, umkreiste Freia, die Gattin Wodans, das Bett, in dem ihr Gatte lag, richtete sein Antlitz zum Osten aus und weckte ihn auf. Und als jener aufsah, erblickte er die Winniler und deren Ehefrauen, denen die aufgelösten Haare ins Gesicht hingen. Und er sprach: Wer sind diese Langbärte? Freia sagte ihrerseits zu Wodan: So wie du ihnen den Namen gegeben hast, gib ihnen auch den Sieg. Und er gab ihnen den Sieg,… Seit dieser Zeit sind die Winniler Langobarden genannt worden“ 14. Die Region, in der sich dieses Geschehen abspielte, wird in der langobardischen Überlieferung Scoringa, „Land der Felsvorsprünge“, „Felsenland“, genannt und wäre vielleicht wegen der Steilküsten auf der Insel Rügen und dem gegenüberliegenden Festland zu lokalisieren. Da die Wanderungsstationen der Langobarden, „Langbärte“, wie sie nach dem Wunsch Wodans fortan hießen, in zwei Dreiergruppen namentlich aufgeführt werden, liegt der Gedanke an eine frühe, in Versform gebrachte mündliche Überlieferung nahe. Entsprechend könnte so in der langobardischen Wandersage ein realer geschichtlicher Vorgang beschrieben sein, der zugleich auch die Frühzeit der Vandalen erhellt. Für die Ermittlung der Zeitstellung der Niederlage der Vandalen ist damit allerdings wenig gewonnen. Auch diese mögen ihrerseits erst kürzlich in die Region Scoringa gelangt bzw. zur Abwehr der Langobarden dorthin aufgebrochen sein, vielleicht aus Jütland, dessen nördlichster Teil heute noch den Namen Vendsyssel („Bezirk der Vandalen“) trägt. Deshalb wird man den Kampf der Vandalen mit den Langobarden lediglich irgendwann in den letzten drei vorchristlichen Jahrhunderten zeitlich einordnen können und ihn als eine Momentaufnahme aus den großräumigen Migrationsprozessen von Völkern wie z. B. den Bastarnen und Skiren wie auch später den Goten am östlichen Rand des keltischen Kulturraums deuten. Diese Vorgänge lagen lange Zeit außerhalb des antiken Beobachtungsradius und fanden dem entsprechend in der einschlägigen Literatur keine Berücksichtigung. Bezogen auf die Anfänge der Vandalen lässt sich als Fazit Folgendes feststellen: Die Verhältnisse im Norden und Nordosten Europas jenseits des Rheins blieben lange außerhalb des antiken Gesichtskreises. Mit der Ankunft der Römer am Rhein ab der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. entstand auch ein gewisses Interesse an diesem Großraum, das die bisherigen, von einem eher magisch-mythischen Weltbild bestimmten Vorstellungen von diesem Rand der Welt mehr und mehr zu Gunsten einer „Landkarte“ veränderte, die 19

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auf Recherchen und Informationen vor allem durch Militärs und durch Kaufleute beruhte. Teil dieses vermehrten Kenntnisstands waren auch die Vandalen, wobei eine intensivere Beschäftigung mit ihnen wohl dadurch erschwert war, dass sie dem Informationen sammelnden römischen Reisenden oder dem rekognoszierenden Militär in unterschiedlicher Benennung einmal als Vandalen, zum anderen als Lugier begegnen konnten. Da die Vandalen auch für lange Zeit aus Gründen, die uns verborgen bleiben, eine gewisse Distanz zum Römerreich und dessen Grenzen an den Tag legten, dauerte es bis in die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts, als sie im Zusammenhang mit über weite Distanzen gehenden Wanderungsbewegungen verschiedener Verbände, die schließlich zu den Markomannenkriegen Roms führten, im unmittelbaren Dunstkreis des Imperiums auftauchten und an dessen Pforten im Bereich der unteren Donau anklopften.

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3 Wohnsitze und Siedelgebiete der frühen Vandalen

Das früheste Zeugnis in den Schriftquellen belegt – wenn wir der Herkunfts- und Stammessage der Langobarden in dieser Hinsicht Vertrauen schenken dürfen – die Anwesenheit von Vandalen irgendwo im Bereich westlich der Elbe und südlich der Ostsee. In Form der Doppelanführerschaft wiesen sie auch bereits eine gewisse Führungsstruktur und Herrschaftsorganisation auf. Für das Quellund Ausgangsgebiet der Elbe selbst findet sich bei Cassius Dio – und zwar nicht in einem Exzerpt, sondern in seinem originalen Bericht – die Bezeichnung „vandalische Berge“15. Diese Erwähnung geschah im Zusammenhang der Darstellung des letzten Okkupationsfeldzugs des römischen Oberbefehlshabers und Schwiegersohns des Augustus namens Drusus im Jahre 9 v. Chr., dessen Ziel es war, die Reichsgrenze mindestens bis zur Elbe vorzuverlegen. Da man den römischen Militärs fortgeschrittene geographische Kenntnisse durchaus zubilligen kann, dürfte es sich bei den „vandalischen Bergen“ um das Riesengebirge oder um die Sudeten insgesamt gehandelt haben. Weitere und genauere Angaben liegen nicht vor, es sei denn man bezieht die Nachrichten mit ein, die die Lugier und deren Siedlungsgebiet betreffen. Das „große Volk“ der Lugier, so der am Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. schreibende Geograph und Historiker Strabon, habe zeitweise zum Reich des Markomannenkönigs Marbod gehört, dessen Zentrum im böhmischen Kessel lag. Der in Rom erzogene Marbod hatte wohl unter sanftem Druck der Römer von den Regionen am mittleren und oberen Main aus mit seinen Markomannen Böhmen besetzt und dort ein Reich gründen können, dem in einer doch eher lockeren Konstellation neben den Lugiern auch andere Germanenstämme angehört haben sollen. Sowohl das Reich des Marbod als auch dessen Nachfolgereiche, deren Zentren sich an die Region nördlich der mittleren Donau in der heutigen Slowakei und damit in Grenznähe zum Römerreich verlagerten, standen verstärkt unter römischem, durch Subventionen bewirktem Einfluss. Römisches Geld und die ertragreiche Kontrolle des Bernsteinhandels erweckten bei den Nachbarstämmen Begehrlichkeiten, die in den Jahren 50 oder 51 dazu führten, dass der Herrschaft eines gewissen Vannius in 21

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Böhmen und Mähren ein Ende gesetzt wurde. Daran sollen auch die Lugier beteiligt gewesen sein16. Zu dieser politischen Konstellation würde auch die Nachricht passen, die Römer hätten im Jahre 92 die Lugier militärisch unterstützt17, wobei allerdings unklar ist, wo genau sich im Gebiet an der mittleren Donau dieses Lugierkontingent aufhielt. Sind auch das Siedelgebiet und der vornehmliche Lebensraum der Lugier nicht exakt zu lokalisieren, so wird man es doch grob in folgender Weise umreißen können: Nördlich der Sudeten und der westlichen Karpaten zwischen Oder und Weichsel bis hin zur mittleren Warthe mit einem Schwerpunkt vielleicht im späteren Schlesien. Im Hinblick auf diese geographische Fixierung der Lugier und auch der Vandalen, seien nun beide identisch oder die Vandalen den Lugiern bzw. die Lugier den Vandalen unterzuordnen, stellt sich die Frage nach der ethnischen Deutung der materiellen Hinterlassenschaft in jener Großregion in der Periode vom Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. bis in die hohe und späte römische Kaiserzeit. Hierzu ist allerdings die Skepsis der Forschung stark gewachsen, archäologisch definierbare Kulturgruppen mit Hilfe der schriftlichen Überlieferung ethnisch zu interpretieren. Diese Definition von Kulturgruppen geschieht über ein Kriterienbündel, das Sachgüter wie auch Grabformen und – wohl auch religiös bedingte – Beigabenbräuche berücksichtigt. Zudem wird in der archäologischen Forschung selbst moniert, dass die Absteckung von Kulturgruppen und ganzen Kulturprovinzen zu einseitig etwa über Fibelformen oder Keramiktypen geschieht und die wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen wie Siedlungsweisen, Produktionsstätten, technologische Entwicklungen und Verkehrsbeziehungen nur unzureichend berücksichtigt werden. So berechtigt diese Einwände sein mögen, es kann nicht außer Betracht bleiben, dass der für die Lugier bzw. Vandalen in jener Periode aus den literarischen Quellen ermittelte Siedlungsraum sich weitgehend mit einer Kulturprovinz deckt, die man nach dem wichtigen Gräberfeld bei Przeworsk in Südostpolen Przeworsk-Kultur nennt. Die in mehrere Entwicklungsetappen gegliederte Kultur hatte ihr Hauptverbreitungsgebiet im heutigen Mittel- und Südpolen von den Flüssen Oder im Westen bis zum Bug und oberem Dnjestr im Osten und von der Netze bis zum Karpatenbogen. Durch diesen von den Archäologen noch in Kulturprovinzen untergliederten Großraum verlief auch die berühmte Bernsteinstraße, die von der Ostsee zum Römerreich führte und bei Carnuntum an der Donau (heute Petronell) die Reichsgrenze erreichte. Für die Orga22

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nisation und den Schutz des Bernsteinhandels wird den Trägern der Przeworsk-Kultur von der Forschung eine führende Rolle zugesprochen, wie auch andererseits die festgestellte ungewöhnlich große Menge an Einfuhrwaren aus dem Mittelmeerraum als Beleg für einen umfangreichen Warenzufluss aus dem Römerreich gilt, der wiederum mindestens zum Teil über die Gewinne aus dem Bernsteinhandel finanziert wurde. Für die Besiedlung – die Siedlungen lagen bevorzugt in Flusstälern und waren unbefestigt – sind dabei Konzentrationen im Wechsel mit siedlungsleeren Räumen charakteristisch. Ausschläge der Sachgüter der Przeworsk-Kultur sind sogar weit im Westen etwa am Ostrand der Wetterau festgestellt worden, ohne dass damit bewiesen ist, dass Träger dieser Kulturform bis nach Osthessen gelangt wären. Die Zuweisung zur Przeworsk-Kultur und ihren Trägern beruht zur Hauptsache auf einer speziellen Keramik – mäanderartig verzierte Gefäße mit kantigen Rändern und x-förmigen Henkeln –, auf Brandbestattung und besonderem Grabritus, auf einer geschlechtsspezifischen Beigabensitte, sprich auf Waffengräbern, und auf einer durchorganisierten Eisengewinnung und der Verwendung von Eisen auch als Schmuck. Diese Leitformen, aus denen Zuordnungskriterien gewonnen wurden, konnten auch verlagert werden. Daraus wiederum kann man hypothetisch schließen, dass einer solchen Ausweitung und Veränderung der Kulturprovinz eine Wanderung ihrer Träger zugrunde lag. So lässt sich in einer der Stufen der Przeworsk-Kultur, die ungefähr für den Zeitraum von 150 bis 210 angesetzt wird, aus den Funden ihr Rückzug (und der ihrer Träger) aus der Region östlich der mittleren Weichsel ermitteln, andererseits aber eine Besiedlungsverdichtung in Oberschlesien, Zentralpolen und in der Region um Bromberg westlich der Weichsel (Kujawien) feststellen. Auffällig ist jedoch vor allem, dass sich im oberen Theißgebiet und im Karpatenbecken Waffengräber von der Art finden, wie sie für die Przeworsk-Kultur typisch sind. Diese Verschiebungen in die Gebiete untermittelbar an der Reichsgrenze im Bereich von Theiß und unterer Donau entsprechen nun in der Tat den Zeugnissen der schriftlichen Überlieferung, wie sie uns für die Vandalen nach der Mitte des 2. Jahrhunderts vorliegen. Hier ließe sich also das archäologische Bild mit den schriftlichen Quellen in Übereinstimmung bringen. Auch mag es kein Zufall sein, dass seit dem Auftauchen der Vandalen im Raum an der unteren Donau und jenseits des Karpatenbogens die literarische Bezeugung der Lugier äußerst spärlich wird, vielleicht sogar völlig endet, wenn man die ganz vereinzelten Nennungen aus sehr viel späterer 23

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Zeit als Lesefrüchte und Reminiszenzen auffasst, die lediglich die Belesenheit ihrer Autoren unter Beweis stellen sollen, mit der ethnischen Realität aber nichts zu tun haben.

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4 Die Vandalen in der unmittelbaren Peripherie des römischen Weltreichs

Es waren die großen Markomannenkriege Roms (mit Unterbrechungen zwischen 166 und 182), die auch die Vandalen verstärkt ins Blickfeld der römischen Administration wie der römischen Militärs geraten ließen. Die Rolle der Vandalen, die damals eher noch nicht unter dem Hasdingen-Namen bekannt waren, war dabei eher marginal, ihre Vorstöße wuchsen sich offensichtlich nicht zu einer echten Bedrohung des Römerreichs aus, wie das für die sogar nach Nordostitalien vorstoßenden Markomannen bezeugt ist. Entsprechend wenig detailliert und wenig aussagekräftig sind die auf uns gekommenen Berichte, in denen die Vandalen in der Regel lediglich summarisch als Bestandteil langer Völkerkataloge verzeichnet sind. Ausführlichere Darstellungen, aus denen ihr Anteil am Sturm auf die römischen Reichsgrenzen hätte deutlich werden können, sind nicht erhalten, vielmehr lediglich sehr späte, nämlich byzantinische Auszüge aus dem fast zeitgenössischen großen Geschichtswerk des Cassius Dio. In einem dieser Auszüge – zu beziehen auf die Jahre 171 oder 172 – sind folgende Aktivitäten festgehalten: „Die Astingi [Hasdingen] kamen unter ihren Anführern Raos und Raptos nach Dakien in der Hoffnung, sich dort ansiedeln zu können und als Bundesgenossen [Roms] Geld und Land zu erhalten. Als ihnen aber dies nicht gelang, ließen sie Frauen und Kinder bei Clemens [dem römischen Statthalter der drei dakischen Provinzen] zurück, um das Land der Kostoboken mit Gewalt in Besitz zu nehmen. Obwohl sie jene besiegt hatten, bedrängten sie Dakien dennoch nicht weniger“ 18. Ausgangspunkt dieses Vorstoßes könnte das Gebiet an der oberen Theiß gewesen sein, wenn die Hasdingen-Vandalen nicht von noch viel weiter entfernt gelegenen Gegenden in den römisch verwalteten Karpatenraum vorgestoßen waren. Seit den erfolgreichen Dakerkriegen Kaiser Trajans in den Jahren 101/2 und 105/6 hatten die Römer dort die Provinzialstruktur eingeführt und damit – zeitweise in drei Provinzen organisiert – die direkte römische Herrschaft im späteren Siebenbürgen, im östlichen Teil des Banats und in Oltenien, dem westlichen Teil der Walachei, begründet. Die Vandalen trafen damals auf eine reorganisierte, unter einem einzigen Statthalter stehende dakische Provinz, die mittlerweile auch 25

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mit einem 2-Legionenheer ausgestattet worden war. Insofern verwundert es nicht, dass der Vorstoß der Vandalen letztendlich erfolglos blieb. Mit militärischen Machtmitteln und mit geschickter Diplomatie konnte damals eine vandalische Landnahme auf Reichsboden abgewendet werden. Dass es sich um einen wirklichen Landnahmeversuch handelte und nicht um einen gefolgschaftlich organisierten, einzig auf die Jungmannschaft sich stützenden Raub- und Plünderungszug, geht eindeutig aus dem Hinweis des Dio-Exzerpts hervor, die Vandalen hätten ihre Frauen und Kinder dem römischen Statthalter anvertraut, als dieser sie – und zwar mit Erfolg – auf die Kostoboken hetzte. Die Kostoboken, zur Großgruppe der Thraker gehörend, saßen damals wohl im Gebiet nordöstlich der Donaumündung und des Sereth am Schwarzen Meer; deren Siedlungsgebiet war für einen Sozialverband, der wie die Vandalen zusätzlich zur Überlassung von Land und Wohnstätten Jahrgelder und weitere materielle Unterstützung forderte, wenig attraktiv. Und auch die Kriegsbeute dürfte eher mager ausgefallen sein. Dass die Vandalen – nachdem sie zuvor wohl einen Vertrag mit dem römischen Statthalter abgeschlossen hatten – ihre alte Forderung wieder aufgriffen und nach deren Ablehnung in ihr Ausgangsgebiet wohl unter Mitnahme der zunächst zurückgelassenen Frauen und Kinder zurückkehrten, anschließend aber erneut die römische Provinz Dakien bedrohten, hatte jedenfalls nicht in erster Linie seine Ursache in einem gleichsam irrationalen Drang „nach Süden zu den Fleischtöpfen einer Hochzivilisation“. Schon damals mögen auch die Vandalen – wie bei den Goten sicher nachweisbar – bewusst oder unbewusst Opfer eines Akkulturationsprozesses geworden sein, den ihre Bekanntschaft und Vertrautheit mit den Lebensgewohnheiten der Steppenvölker aus dem südrussischen und weiter dahinter liegenden Raum ausgelöst hatten. Diese spezielle Akkulturation lässt sich am besten mit „Verreiterung“ auf den Begriff bringen. Gemeint ist damit, dass eine Gemeinschaft zur Eigenproduktion und zur Erwirtschaftung der Grundversorgung nicht mehr fähig ist und dazu übergeht, das von gerade vorgefundenen und unterjochten Schichten hervorgebrachte Mehrprodukt zu konsumieren. Die Stationen eines solchen Prozesses lassen aus Bauern und/oder Viehzüchtern Seminomaden und aus diesen reine, unproduktive Schmarotzer werden, die, wenn das unterworfene bäuerliche Substrat nicht mehr vorhanden ist oder zu wenig produziert, auf Raub und Plünderung oder auf Unterstützung in Form von Subsidien für geleistete Dienste, die allein schon aus der Unterlassung von Überfällen und kriegerischen Handlungen bestehen können, angewiesen sind. Die in der Regel kurze Dauer 26

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völkerwanderungszeitlicher Reichsgründungen wird zu einem maßgeblichen Teil auf die „Verreiterung“ zurückzuführen sein, die eine auf Eigenleistung beruhende Subsistenzsicherung verhinderte. Nach Cassius Dio bzw. nach einem späten Auszug aus seinem Werk19 versuchten die Vandalen erneut, sich im römischen Dakien anzusiedeln und durch Lieferungen seitens der römischen Verwaltung versorgen zu lassen. Aber wiederum gelang es der römischen Diplomatie, unter Schonung der eigenen militärischen Ressourcen die Vandalen in die Schranken zu weisen. Die römischen Verantwortlichen in Dakien setzten die dem Römerreich vertraglich verpflichteten germanischen Lakringen, „die Übermütigen“, erfolgreich gegen die Vandalen ein. Nach einer empfindlichen Niederlage mussten sich die Vandalen verpflichten, alle Feindseligkeiten gegen Rom und seine Provinzen einzustellen und darüber hinaus militärische Hilfe gegen die Reichsfeinde zu leisten. Im Gegenzug billigte man ihnen ein Ansiedlungsrayon und Jahresgelder zu, ohne die sie die eigene Existenz anscheinend nicht mehr sichern konnten. Diesen Verpflichtungen seien die Vandalen im Großen und Ganzen auch nachgekommen. Die damals eingenommenen Wohnsitze sind in keinem Fall auf Reichsboden zu suchen, sondern dürften in ihrem damaligen Ausgangsgebiet gelegen haben, etwa nordöstlich des Donauknies und im Bereich der oberen Theiß. Dort befanden sich die Vandalen in einer Gemengelage mit anderen Land und Subsistenz suchenden Germanen- und Sarmatengruppen und damit in einem für sie unbefriedigendem Zustand. Wie lange das in den frühen 170er Jahren eingegangene Vertragsverhältnis mit Rom bestand, ist nicht bekannt. Wenn die Vandalen sich vor dem Friedensschluss des Jahres 180 unter Kaiser Commodus wieder den Reichsfeinden angeschlossen hätten, hätten sie jedenfalls zu den Zielgruppen gehört, die durch die auch inschriftlich bezeugte römische Offensive – in der amtlicher Sprachregelung „Feldzug gegen die Buren“ genannt20 – bekämpft und besiegt wurden. Allerdings sprechen die in den Quellen genannten Bedingungen für diesen Friedensschluss Roms mit den Markomannen und Quaden eher gegen eine solche Annahme. Diesen Hauptgegnern Roms in jener Zeit wurde nämlich darin untersagt, gegen die benachbarten sarmatischen Jazygen, Buren und Vandalen Krieg zu führen21, mit welcher Bestimmung die Vandalen ausdrücklich unter römischen Schutz gestellt wurden. Vielmehr spricht ihre damalige, aus der allerdings spärlichen Überlieferung rekonstruierbare Situation für die Annahme, dass sie und ihr Siedlungsgebiet eine Art römisches Protektorat bildeten und sie sich in der Endphase des großen Marko27

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mannenkriegs Roms mindestens neutral verhalten hatten. Das würde auch erklären, warum sie in der sog. Völkertafel der Biographie des Kaisers Marc Aurel22 unter den dort aufgeführten insgesamt 16 Kriegsgegnern Roms nicht genannt werden. Dass sie in derselben Quelle23 an einer früheren Stelle sehr wohl unter den besiegten – und also mit Rom kriegführenden – Völkern aufgeführt werden, ließe sich dann so verstehen, dass sie sich zunächst – wie es bezeugt ist – gewaltsam den Zugang zu einer römischen Provinz (Dakien) verschaffen wollten, sich später aber mit einer Indienstnahme für das Römerreich zufrieden gaben. Die von Cassius Dio geschilderten Kämpfe mit Kostoboken und Lakringen offenbaren jedenfalls die prekäre Situation der Vandalen und ihre Abhängigkeit von der römischen Reichspolitik und deren Finessen. Wenn nicht bereits die unablässige Landsuche der Vandalen auf römischem Reichsboden von der Zentrale in Rom als Kriegshandlung gewertet wurde, so könnte die Auffassung, sie seien damals Teil der großen gegen Rom Krieg führenden Koalition gewesen, auch auf ein Missverständnis der ethnischen Verhältnisse zurückgegangen sein. Die schon genannten Buren wie auch ein germanischer Verband namens Viktovalen („die Kampftüchtigen“) wurden zum lugischen Großverband gerechnet und konnten demgemäß auch als Vandalen aufgefasst werden. Diese Viktovalen hingegen zählten zu den Kriegsgegnern Roms im Markomannenkrieg und figurierten dementsprechend neben 15 anderen Verbänden auf der schon genannten Völkertafel.

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5 Römer, Vandalen und Goten bis zum Ende des 3. Jahrhunderts

Auch für das 3. Jahrhundert hat zu gelten, dass die flüchtige, streiflichtartige Erwähnung der Vandalen in den Quellen kaum die Rekonstruktion eines in sich schlüssigen, komplexen Bildes ihrer Situation unmittelbar an den Grenzen des römischen Reiches ermöglicht. So soll der römische Kaiser Caracalla (regierte 211–217) die Markomannen und Vandalen aufeinander gehetzt haben24, ohne dass wir über die Hintergründe dieses Konflikts in Kenntnis gesetzt werden. Die Siedlungsgebiete beider lagen doch recht entfernt voneinander, und dazwischen – in der heutigen Slowakei – siedelten die Quaden, wenn auch solche räumlichen Gegebenheiten bei der großen Mobilität der Verbände jenseits der Reichsgrenze an der mittleren und unteren Donau einen solchen Konflikt nicht grundsätzlich ausschlossen. Auch war es eine von der römischen Zentrale wie von den römischen Autoritäten vor Ort erfolgreich angewandte Strategie, die direkten Grenzanrainer von Gruppen in Schach halten zu lassen, die sozusagen in der zweiten Reihe hinter der Grenze wohnten. Sollte sich das Kerngebiet der Markomannen damals noch im böhmischen Kessel und in einer gewissen Distanz zur Reichsgrenze befunden haben, so würde die Indienststellung des ehemaligen Gegners, der einen dem Kimbern- und Teutoneneinfall vergleichbaren Schrecken verbreitet hatte, durchaus Sinn machen. Eine andere, weitaus größere Dimension und Qualität kriegerischer Auseinandersetzung wurden jedenfalls mit dem Generalangriff auf die römische Reichsgrenze an der unteren Donau unter Federführung der Goten erreicht, den man gewissermaßen als ein Vorspiel zum Hunnensturm von 375 und zum Übertritt einer Völkerlawine über die Donau im Jahre 405, der sog. Radagais-Invasion, ansehen kann. Der Geschichtsschreiber der Goten, Jordanes, schildert in seinen Getica („Gotisches“) diese hochdramatischen Ereignisse, die in die Jahre unmittelbar um die Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. gehören. „Die Donau mit den Seinen überquerend verwüstete Ostrogotha Mösien und die thrakischen Regionen. Gegen ihn, der [vom römischen Reich] abgefallen war, entsandte [Kaiser] Philippus den Senator Decius. Weil dieser nach seiner Ankunft nichts gegen die Goten ausrichtete, veranlasste er, indem er seine Soldaten aus dem Militärdienst entließ, dass diese 29

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ein Zivilleben führten, so als ob die Goten wegen deren Nachlässigkeit über die Donau gekommen wären. Und nachdem er – wie er glaubte – die gerechte Strafe über die Seinen verhängt hatte, kehrte er zu Philipp zurück. Die Soldaten jedoch, die sich nach so vielen Anstrengungen aus dem Militärdienst entlassen sahen, suchten voller Entrüstung ihre Zuflucht beim Gotenkönig Ostrogotha. Dieser nahm sie auf und durch ihre Worte ermutigt führte er bald darauf 300 000 Bewaffnete der Seinen in den Krieg. Auch zog er manche von den Taifalen und Asdingen [Hasdingen] auf seine Seite, dazu besonders 3000 Karpen aus einem sehr kriegerischen Volk, das oft gegenüber den Römern feindlich eingestellt war. Später wurden diese jedoch unter der Herrschaft von Diokletian und Maximian von dem Unterkaiser Galerius Maximinus besiegt und dem römischen Staat unterworfen. Zu diesen fügte Ostrogotha noch Goten und Peukiner von der Insel Peuke hinzu, die an der Mündung der sich in das Schwarze Meer ergießenden Donau liegt. Als ihre Befehlshaber setzte er Argaith und Guntherich ein, die in ihrem Volk die edelsten Lehrmeister waren. Hierauf durchquerten sie die Donau und verwüsteten zum zweiten Mal Mösien; sie griffen auch Marcianopolis, die berühmte Hauptstadt dieses Landes, an, welche sie lange belagerten, zogen schließlich aber, nachdem sie von denen, die in der Stadt eingeschlossen waren, Geld erhalten hatten, wieder ab“ 25. Dieser Bericht des Jordanes, eines romanisierten Goten, der kurz nach der Mitte des 6. Jahrhunderts eine stark verkürzte Version der „Gotengeschichte“ des Cassiodor, des Verwaltungschefs des Ostgotenkönigs Theoderich des Großen, vorlegte, enthält zwar zahlreiche Ungereimtheiten, an dem Faktum der Invasion eines multiethnischen Barbarenheeres in die römischen Provinzen an der unteren Donau ist jedoch nichts zu deuteln. Dieser sog. „Skythische Krieg“ zog sich – mit Unterbrechungen – über lange Zeit hin, Höhepunkte waren in seiner ersten Phase die Eroberung von Philippopolis (heute Plovdiv in Bulgarien) im Jahre 250 und im Hochsommer 251 die Schlacht bei Abrittus (heute Razgrad), in der Kaiser Decius und sein Sohn Herennius Etruscus Schlacht und Leben verloren. In der gotischen Geschichtsüberlieferung und -deutung aus der Zeit des ostgotischen Italiens wurden diese und andere Geschehnisse zum höheren Ruhm des Theoderich und seiner sich göttlicher Abkunft rühmenden Familie, der Amaler-Dynastie, monopolisiert und jeweils auf Könige aus diesem Geschlecht projiziert. Auf diese Weise kam der erst am Ende (!) des 3. Jahrhundert lebende Amaler Ostrogotha zu dem Ruhm, bereits um die Mitte des 3. Jahrhunderts Rom in seinen Grundfesten erschüttert zu haben. Was Struktur und Zusammensetzung des Invasionsheeres betrifft – einmal von den teilweise völlig überzogenen Zahlen für die Heeresstärke abgesehen –, sind die 30

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Informationen des Jordanes als authentisch anzusehen. Eine der Heeressäulen stand demnach unter dem Befehl einer Anführerzweiheit und ist den Hasdingen/Vandalen zuzuordnen wie auch die Belagerung und Eroberung von Philippopolis ihr zuzuweisen ist. Ein Reflex dieser Vorgänge – wenn auch in der Chronologie eigenwillig verändert – findet sich zudem in einer der spätantiken Kaiserbiographien, aus der hervorgeht, dass ein Skythenkönig Argunt die benachbarten Regionen verwüstet habe26. Der in dem genannten Text verwendete Skythenname ist ein Sammelbegriff für alle Barbaren aus dem nordpontisch-kaspischen Großraum und darüber hinaus und meint in dieser Zeit vor allem die Goten; und hinter dem Königsnamen Argunt verbergen sich die aus Jordanes’ Getica bekannten Namen Argaith und Guntherich als Produkt einer Kontraktion, eine für die spätantiken Kaiserbiographien charakteristische Spielerei. Der „Skythische Krieg“ war damit noch längst nicht beendet, vielmehr von Seiten der Angreifer zunehmend sogar auf maritime Aktionen im Schwarzen Meer und in der Ägäis ausgeweitet worden. Über eine Beteiligung der Vandalen in welcher Form auch immer lassen die Quellen hingegen nichts verlauten. Diese mögen sich wieder in ihr Siedelgebiet an der oberen Theiß zurückgezogen und auf eine weitere Chance gewartet haben, sich im Römerreich endgültig zu etablieren. Dass sie es im Jahre 270 erneut versuchten, ist auf Grund der großen römischen Siege durch die Reichsarmee wie durch äußerst entschlossene regionale Selbsthilfekommandos in den Jahren unmittelbar zuvor – Schlachten am Nestus in Thrakien und bei Naissus (heute Nisch) – verwunderlich genug. Die ständigen Herrscherwechsel an der Reichsspitze, die den Vandalen nicht verborgen geblieben sein dürften, und die damit verbundenen Möglichkeiten, Nutzen aus den Herrschaftsansprüchen rivalisierender römischer Generäle zu ziehen, andererseits mangelnde Vertrautheit mit den Mechanismen von Machtgewinnung und Machtausübung wie mit den neuesten militärischen Entwicklungen auf der römischen Seite mögen den neuerlichen Invasionsversuch ausgelöst haben. Darüber sind wir durch den zeitgenössischen Bericht des Atheners Dexippos unterrichtet, der gerade erst selbst in Mittelgriechenland mit einer regionalen Miliz einen Goteneinfall erfolgreich abgewehrt hatte. Der gerade erhobene neue römische Kaiser Aurelian (regierte 270–275), ein besonders tüchtiger Militär, konnte mit seinen Soldaten die Vandalen – wohl in der ungarischen Tiefebene – besiegen und ihnen harte Friedensbedingungen aufnötigen. Dazu heißt es bei Dexippos: „Die Könige und die Vornehmsten der Barbaren aber kamen herbei, nachdem sie zuvor benachrichtigt worden waren, und 31

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stellten Geiseln, die bei ihnen an Würde und Erfolg niemandem nachstanden. Ohne jegliche Bedenken gaben beide Könige ihre Kinder als Geiseln und mit ihnen taten andere, die ihnen an Würde kaum nachstanden, das Gleiche“ 27. Zusätzlich zu der Gestellung von Geiseln mussten die Vandalen 2 000 Reiter für das römische Heer stellen. Mit den Geiseln und den neuen Truppen zog Aurelian anschließend nach Italien28, um im folgenden Jahr auf dem Marsch in den Orient gewissermaßen im Vorbeigehen die Goten jenseits der Donau zu besiegen. Die vandalischen Reitertruppen dürften sich damals beim kaiserlichen Heer befunden haben; aus einem Teil von ihnen wird nach dem erfolgreichen Orientfeldzug des Kaisers gegen das von Rom abgespaltene Palmyra in Syrien auch jene dann in Ägypten stationierte Reitertruppe gebildet worden, die uns in einem spätantiken Staatshandbuch als ala VIII Vandilorum („vandalische Reitereinheit Nr. 8“)29 begegnet. Schon unter der Herrschaft des Kaisers Probus (regierte 276–282) sollen die Vandalen erneut mit den Römern ins Gehege gekommen sein. Nach dem um 500 n. Chr. schreibenden Historiker Zosimos besiegte der römische Kaiser sowohl die Longionen unter ihrem Anführer Semnon als auch Burgunder und Vandalen am Fluss Lech, demnach also weitab von den eigentlichen vandalischen Wohnsitzen; als deren Anführer wird ohne genaue gentile Zuordnung ein gewisser Igillos genannt30. Sowohl die Gegend des Kriegsgeschehens als auch die Nennung der Longionen (Sonderform des Lugier-Namens) und der Burgunder machen den Bericht, jedenfalls was die Beteiligung der Vandalen betrifft, verdächtig. Um seine Richtigkeit zu retten, ist daran gedacht worden, die von Zosimos genannten Vandalen nicht als die Hasdingen-Vandalen aus dem oberen Theißgebiet aufzufassen, sondern diese mit den Silingen gleichzusetzen. Vandalen, die als Silingen bezeichnet werden, begegnen ausdrücklich erst in Spanien im ersten Viertel des 5. Jahrhunderts n. Chr., was allerdings nicht ausschließt, dass eine vandalische (Unter)-Gruppe bereits vorher so genannt wurde oder sich selbst so bezeichnete. Der Name der Silingen hat sich im heutigen Schlesien erhalten, und Silingen werden bereits von dem in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. schreibenden Geographen Ptolemaios in dieser Region bezeugt. Sprachlicher Ausgangspunkt des Silingen-Namens ist wohl ein Gewässername, für den wiederum sowohl eine keltische als auch eine germanische Etymologie möglich ist. Wenn also der Bericht des Zosimos glaubhaft ist, müssen wir von einer Südwestwanderung der Silingen schon im letzten Viertel des 3. Jahrhunderts ausgehen, 32

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es sei denn, es handelte sich damals um einen Vorstoß zum Zwecke des Beutemachens und Plünderns und nicht um eine Landnahmebewegung. Überhaupt stellen die Stationen der späteren Westwanderung der Silingen mit deren Endpunkt im südlichen Spanien ein Rätsel dar, was in der Forschung dazu geführt hat, alle Nachrichten von Bewegungen der Vandalen, soweit sie nicht zu der bekannten Marschrichtung der Hasdingen/Vandalen passen, eben auf die Silingen zu beziehen. Ein unterstellter Aufenthalt im mittleren Maingebiet bleibt hierzu ebenso reine Vermutung wie ein Einfall in Gallien im Jahre 380, den Jordanes, Getica 141, den Vandalen zuschreibt. Wenn in der späten und aus vielen Gründen problematischen Biographie des Kaiser Probus summarisch davon gesprochen wird, unter ihm seien verschiedene Barbarengruppen – darunter auch Vandalen – auf römischem Reichsboden angesiedelt worden31, so liegt hier die Annahme nahe, dass der Autor Verhältnisse vom Ende des 4. Jahrhunderts auf die Regierungszeit des Probus zurückprojizierte, mit dessen Name wohl zurecht die Anfänge des militärischen Wiedererstarkens Roms verbunden wurden. Sichereren Boden hinsichtlich der historischen Rekonstruktion der Situation der Vandalen am Ende des 3. Jahrhunderts betreten wir hingegen mit einem Hinweis aus einer im Jahre 291 gehaltenen und dem Kaiser Maximian (regierte 285–305) gewidmeten Lob- und Preisrede (Panegyricus) auf eine kriegerische Auseinandersetzung unter barbarischen Gruppen an der Peripherie des Römerreichs32. In einem Rivalitätskrieg Land suchender Sozialverbände dürften sich die verbündeten Terwingen und Taifalen einerseits und die Gepiden und Vandalen andererseits – nach der jedenfalls im 6. Jahrhundert n. Chr. geltenden Zuordnung allesamt gotische Völker – kriegerisch auseinandergesetzt haben. Darüber liegt bei Jordanes, Getica 96–100, ein relativ ausführlicher Bericht vor. Danach seien aus der für beide Seiten verlustreichen Schlacht „bei der Stadt Galtis“ (ad oppidum Galtis) schließlich die Goten, gemeint sind damit die Terwingen und Taifalen, als Sieger hervorgegangen. Galtis wird irgendwo in der Region am oberen bzw. mittleren Pruth im Grenzgebiet zwischen dem heutigen Rumänien und der Republik Moldova lokalisiert. Von besonderem Gewicht ist dabei der Hinweis des Jordanes auf die Gleichartigkeit von Kampfesweise und Bewaffnung der genannten Kontrahenten33.

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Struktur und Verfasstheit der frühen Vandalen

6.1 Die Sakralität der Herrschaft Die Frühgeschichte der Vandalen – oder genauer gesagt die Vorstellung davon – lässt sich etwa im Unterschied zu den Goten oder Langobarden nur sehr bedingt anschaulich machen. Für die antike Welt galten gerade die nördlichen Barbaren zwar als geschichts- und zeitlos und damit als sich immer gleichbleibend, hinderte aber die Autoren der christlich gewordenen Spätantike nicht daran, sich mit ihnen zu beschäftigen und ihnen einen Platz in der Heilsgeschichte zuzuweisen. Diesem Ansatz verdanken die Vandalen ihre Berücksichtigung im umfangreichen Oeuvre des Bischofs Isidor von Sevilla (ca. 560–636), der seiner Schrift „Über den Ursprung der Goten“ einen kurzen Abriss der Geschichte der Vandalen und Sweben beifügte. Im Unterschied zur Gotengeschichte des Jordanes oder zu den aus dem Frühmittelalter stammenden Werken über die Ursprünge und Anfänge der Langobarden nahm Isidor jedoch keine Volksüberlieferung auf, wie sie wohl auch für die Vandalen in mündlicher Überlieferung vorgelegen haben wird. Wenn uns also die Quellen diesbezüglich im Stich lassen, so offenbaren sie doch andererseits im Hinblick auf die Herrschaftsstruktur und die Legitimation von Herrschaft bei den Vandalen einen eigentümlichen, antiquiert erscheinenden Zug. Er besteht in der bemerkenswerten Kontinuität einer Doppelanführerschaft, die uns erstmals in der langobardischen Herkunfts- und Stammessage für die Vandalen bezeugt ist und anscheinend über Jahrhunderte hinweg Bestand hatte. Diese Anführerzweiheit als das Strukturmerkmal bei den Vandalen schlechthin wird als Ausdruck einer besonderen religiös-sakralen Einbindung und Legitimierung von Herrschaft gedeutet und mit dioskurischem Herrscher- bzw. Königtum auf den Begriff gebracht. Dioskurisches Königtum ist eine in vielen auch außereuropäischen Kulturkreisen – vor allem aber bei den Indoeuropäern – nachweisbare Erscheinung und Institution. Sie geht auf die religiöse Idee von der Existenz göttlicher Zwillingsbrüder und Söhne des Himmelsgottes zurück und nimmt in einer Doppelanführerschaft und Anführerzweiheit – gewissermaßen als Repräsentanz und Agentur der Zwillingsbrüder auf Erden – Gestalt an. Am spartanischen Doppelkönigtum, das über Jahrhunderte hinweg Bestand hatte, lässt sich 34

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dieser Zusammenhang am deutlichsten aufzeigen: Die Dioskuren und göttlichen Zwillinge Kastor und Pollux wurden als Ahnen und Schutzherrn beider Königshäuser Spartas und zudem als Nationalgötter des gesamten Staatswesens angesehen; ihre Zweiheit verkörperte in einzigartiger Weise die Einheit von Volk und Staat, und die göttliche Hilfe und Wirkungsmacht wurden auf den Feldzügen durch das Mitführen eines amorphen Holzidols (dókana), das die Dioskuren versinnbildlichte, immer und immer wieder beschworen. Nun findet sich allerdings in den verstreuten, auf die vandalische Frühzeit zu beziehenden Schilderungen kein einziger Hinweis auf die Sakralität und göttliche Legitimierung der jeweils zu verschiedenen Anlässen genannten Anführerzweiheiten. Wenn man in der Forschung dennoch daran festhielt, war man gleichzeitig gezwungen, sehr komplexe Zusammenhänge zu konstruieren, die dadurch gekennzeichnet waren, dass auf einer Hypothese die nächste errichtet wurde, so als sei die vorhergehende Hypothese durch die nächste in gesichertes Wissen verwandelt worden. Konkret bedeutete dieses methodisch fragwürdige Vorgehen, dass man zum Nachweis der religiös-sakralen Verankerung des vandalischen Doppelkönigtums den Umweg über die Lugier und den lugischen, von den Naharnavalen betreuten Zentralkult der Alcis, der Elchgötter (s. auch S. 16), einschlug, damit stillschweigend voraussetzte, dass die Lugier in allen Perioden mit den Vandalen identisch waren. Tacitus, indem er die Naharnavalen als einen der bedeutendsten Teilstämme der Lugier einführt, berichtet dazu in seiner „Germania“ Folgendes: „Bei den Naharnavalen zeigt man einen Hain, eine uralte Kultstätte. Vorsteher ist ein Priester in Frauentracht; die Götter könnte man nach römischer Auffassung Kastor und Pollux nennen. Deren göttlichem Walten entspricht dieselbe Wirkmächtigkeit. Ihr Name ist Alcis [Elche bzw. Elchgötter]. Es gibt keine Bildnisse von ihnen, keine Spuren weisen auf einen fremden Ursprung des Kultes hin. Gleichwohl werden sie als Brüder, als Jünglinge verehrt“ 34. Übernimmt man die Kennzeichnungen der Dioskuren in anderen Kulturkreisen und passt diese den nordischen natürlichen Verhältnissen an, so hätten wir uns die Alcis als Elch- bzw. Hirschreiter oder sogar in theriomorpher Gestalt, also direkt als Elche oder Hirsche, vorzustellen, deren irdischer Part wiederum von einer Anführerzweiheit etwa in Form des Doppelkönigtums gespielt würde. Die Doppelkönige wären so für den ständigen Kommunikationsfluss zu den göttlichen Zwillingen zuständig und wären gleichzeitig die Garanten göttlicher Hilfeleistung in Notzeiten und Bedrohungen ihres Sozialverbands. 35

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Die Verankerung des vandalischen Doppelkönigtums im Numinosen und Sakralen lässt sich über den Umweg – der leicht zu einem Holzweg werden könnte – über den von den Naharnavalen verwalteten Elchkult der Lugier nicht wirklich beweisen, ja noch nicht einmal wahrscheinlich machen. Hingegen verspricht die Durchsicht der Königsnamen auf religiös-sakrale Bezüge hin aussichtsreicher zu sein. Dafür zur Verfügung stehen einmal die Personennamen der (Doppel-)Anführer und zum anderen der Name der königlichen Sippe, Hasdingen nämlich, der ab einem gewissen, nicht genau zu bestimmenden Zeitpunkt auch für den gesamten Verband stehen konnte. Von seiner Bedeutung her verweist der Hasdingen-Name in eine Periode vorchristlicher, magisch-mythischer Weltsicht und findet seine Entsprechung etwa in den „langhaarigen Königen“ (reges criniti) der merowingischen Franken. Wie bei den Merowingern lässt sich in der Bezeichnung der Angehörigen der vandalischen Herrscherdynastie als „Langhaarträger“ eine kultisch-heilscharismatische Aussage greifen, mit der wohl zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass die Träger dieser Haartracht und -pracht als Herrscher die Garanten für das Überleben und Blühen der Gemeinschaft darstellten. Es war lange Zeit üblich, diesen Zusammenhang im Begriff des Königsheils zu verdichten. Daraus würde sich nach den Vorstellungen der davon Betroffenen – wiederum wie bei den Merowingern – ergeben, dass mit dem Verlust der Haarpracht auch die Existenz der Gemeinschaft ernsthaft bedroht gewesen wäre. Für die Beherrschten erwuchs aus dieser unterstellten Kausalität allerdings auch die Möglichkeit, eine unbeliebte Herrschaft durch Scheren des langen Haupthaares zu beseitigen. Mit dem der Bezeichnung der Herrscher als „Langhaarträger“ eignenden kultisch-sakralen Bezug korrespondieren die Namen der ersten beiden überlieferten Doppelkönige. In dem spätestens im 7. Jahrhundert n. Chr. verschriftlichten und damit kanonisierten Herkunftsmythos der Langobarden figurieren die als Anführer der Vandalen genannten Ambri und Assi keineswegs als Blaupausen der langobardischen, der gegnerischen Seite, wie auch die Grundelemente der Erzählung auf eine echte und alte, zunächst mündlich weitergegebene und vielleicht in gebundener Rede ausgestaltete Überlieferung zurückgehen dürften. Dies legen die Struktur der Namen – es handelt sich um Kurzformen – sowie deren Alliteration und die Parallelität der Namenpaare (Ebor und Agio; Ambri und Assi) nahe. Das Aufeinandertreffen von vielleicht gerade auf dem Festland ankommenden Langobarden und sich dort bereits aufhaltenden Vandalen könnte der Stoff für ein Lied abgegeben haben, in dem 36

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wirkliches Geschehen reflektiert und dichterisch ausgestaltet worden war. Die antiken und frühmittelalterlichen Autoren wussten nachweislich von solchen Liedern und charakterisierten diese als „wahr und alt(ehrwürdig)“. Zusätzlich dazu lässt sich für die frühe vandalisch-langobardische Beziehungsgeschichte aus der altnordischen Überlieferung ein Reflex isolieren, der in gewisser Weise die Historizität des in der langobardischen Herkunfts- und Stammessage behaupteten Geschehens unterstreicht. In diesem Überlieferungsstrang begegnet nämlich ein Seekönig Vandill gepaart und in Reimbindung mit einem Vinnill. Winniler war bekanntlich vor der kriegerischen Auseinandersetzung mit den Vandalen der ursprüngliche Name der dann mit Hilfe Wodans siegreichen Langobarden. Die Namen Ambri und Assi der Anführerzweiheit der Vandalen dürften also echt sein, und ihre Deutung wichtige Schlüsse auf einen religiös-sakralen Hintergrund der Herrschaftslegitimation eröffnen. Sie stellt sich in der angedeuteten Weise dann ein, wenn man die Namen Ambri und Assi mit dem zweiten überlieferten Namenpaar, Raos und Raptos, in ein und denselben Kontext stellt, was allein schon durch hier ebenfalls vorliegende Alliteration nahe liegt. Bei Raos und Raptos handelt es sich unstreitig um kultische Namen, die – in der Bedeutung „Rahe“ und „Balken“ – auf einfache anthropomorphe Holzidole bzw. Pfahlgötzen verweisen, wie sie für die Germanen auch archäologisch nachgewiesen werden können. In Bezug auf das erste Namenpaar Ambri und Assi ist weitgehend unstrittig35, dass Assi gleich „Esche“ wiederum auf einen Pfahlgötzen verweist, hingegen eine eindeutige Etymologie von Ambri Schwierigkeiten bereitet. Wenn man wie bei Raos und Raptos die Möglichkeit von Synonymen ins Auge fasst, so käme auch im Falle von Ambri die Ableitung von einem germanischen Wort *ambr(a)- für Holz, Pflock, Stock in Frage. Sollte die Besonderheit des Holzstücks in seiner Aushöhlung bestehen, wie das auch angenommen wird, so könnte man an ein hölzernes Kultgefäß denken. Ob Ambri auf ein solches Kultgefäß verweist oder auf einen idolhaft gestalteten Holzpflock, der kultische Bezug des Namens wäre in jedem Falle gegeben. Ambri und Assi wie Raos und Raptos waren also kultische Namen, die bei den Germanen, aber nicht nur bei ihnen, auf die üblichen hölzernen und menschengestaltigen Pfahlgötzen verwiesen. Damit lassen sich auch die Motive der Namengeber mindestens annähernd aus der sprachlichen Formung der Namen rekonstruieren. In unserem Fall dürfte die eher seltene Eingliedrigkeit, die Alliteration und das paarweise Auftreten der Namen auf die besondere Sphäre des Religiösen und Numinosen verweisen. Die auf diese 37

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Weise ermittelte sakrale Verankerung des frühen vandalischen Königtums bzw. der Anführerschaft würde auch gut in die mit dem Dioskurischen verbundene Vorstellungswelt hineinpassen und damit einer Erscheinungsform entsprechen, wie sie in vielen frühen Kulturen nachweisbar ist. Für den Beweis einer religiös-sakralen Einbindung der vandalischen Doppelanführerschaft ist also der (Um-)Weg über den Kult der Alcis bei den Naharnavalen nicht notwendig. Nach den neuesten Erkenntnissen der Forschung36 beruht die noch bis ins 19. Jahrhundert ununterbrochen wirkende Herrschersakralität allerdings auf drei Elementen, nämlich auf der Vorstellung von der Bestellung der Könige durch Gott, auf der Überzeugung von der königlichen Sachwalterschaft Gottes auf Erden und auf einem real gedachten und ausgeübten Priestertum der Herrscher. Für die vandalischen Doppelkönige und ihre Nachfolger im nordafrikanischen Vandalenreich lässt sich eine priesterliche Funktion nicht nachweisen und sie existierte vielleicht auch gar nicht. Wohl können wir jedoch davon ausgehen, dass die beiden erstgenannten Elemente einer religiös fundierten – und in unserem Fall im Heidentum verankerten – Königsidee für die Hasdingen-Könige in vollem Umfang galten. Dies sollte ausreichen, um von einem sakralen Königtum bei den Vandalen sprechen zu können.

6.2 Königtum, Adel, Gemeinfreiheit Die Wichtigkeit sakraler Legitimierung von Herrschaft liegt auf der Hand. In einer auf Kampf, Krieg und ständiger Mobilität kaprizierten Gesellschaft war nämlich die Gewissheit, dass die Anführer die göttlichen Schlachtenhelfer schlechthin repräsentierten, d. h. die göttliche Hilfe direkt auf das Schlachtfeld selbst zu lenken vermochten, eine entscheidende mentale Voraussetzung für die Überzeugung von der eigenen Überlegenheit und Sieghaftigkeit. Nicht selten begegnet in diesem Wirkungszusammenhang allerdings noch eine weitere Seite religiös legitimierter Herrschaft. Gemeint sind damit kultisch-rituelle Handlungen der Herrschaftsträger als Konsequenz priesterlicher Funktionen und die Vollbringung von Wundertaten wie Erntesegen oder aktive Krankenheilung, wie es den französischen Königen noch im 19. Jahrhundert nachgesagt wurde. Diese Seite ist in den Quellen für die Hasdingen-Könige – wie bereits angemerkt – nicht bezeugt. Mit Hilfe von Analogieschlüssen, die der 38

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Kenntnis von Erscheinungsformen in anderen frühen Kulturen verdankt werden, lässt sich vermuten, dass die Macht des sakral legitimierten Doppelkönigtums zwar eingeschränkt, andererseits jedoch die Chance auf eine Zentralisierung und Stärkung der Macht in Richtung auf ein Heerkönigtum keineswegs verbaut war. Aber schon die Zweiheit der Anführerschaft setzte absoluten Herrschaftsansprüchen gewisse Grenzen. Zudem bezeugt eine zeitgenössische Quelle, dass der vandalische Adel – hier árchontes genannt – nahezu dasselbe Ansehen genoss wie die Könige selbst37. Erst Geiserich konnte erfolgreich – und zwar in Nordafrika, nachdem sich das Königtum durch die ständigen Migrationen und die dadurch bedingte Konzentration auf klare und schnelle Entscheidungen ein Übergewicht verschafft hatte – die Ansprüche des Adels auf Teilhabe an der Macht zunichte machen. Dass sich der vandalische Adel aber lange Zeit auf Augenhöhe mit den Königen sah, dürfte seinen Grund darin gehabt haben, dass er sich ebenfalls zu den „Langhaarträgern“ zählte und die damit verbundenen magischen, für den Gesamtverband Heil erwirkenden Kräfte auch für sich in Anspruch nehmen konnte. Im Banne einer im 18. und 19. Jahrhundert aufgekommenen und lange Zeit dominierenden Vorstellung, die germanische Gesellschaft hätte sich durch die Gemeinfreiheit ihrer Mitglieder von anderen Gesellschaften und Kulturen deutlich abgehoben und deren natürliche Freiheit sei das Gegenbild zur römischen Tyrannei gewesen, wurde dies auch für die Vandalen postuliert; sie seien in einer „Landesgemeinde“ organisiert gewesen. Entsprechend seien die existenziellen Fragen der Gemeinschaft von dieser mit entschieden oder sogar definitiv entschieden worden. So sei z. B. für den Übergang nach Nordafrika im Jahre 429 ein auch die Führerschaft bindender Entschluss gefasst worden. Es handelt sich dabei ersichtlich um der Germanenideologie verdankte Konstrukte, die mit der gesellschaftlichen, durch soziale Schichtung und unterschiedliche Partizipationsrechte gekennzeichneten Realität wenig zu tun hatten. Auch nach dem Abzug der Kerngruppe der Vandalen unter den hasdingischen Königen entstand bei der in den alten Wohnsitzen an der oberen Theiß verbliebenen vandalischen Restgruppe wohl keine Organisation, in der die Gemeinfreien das Sagen hatten, sofern diese überhaupt noch eine politische Organisation vorweisen konnte, nicht vielmehr in Kleinstgemeinschaften segmentiert war. In diesen Problemkomplex gehört auch das richtige Verständnis einer schönen Erzählung des oströmischen Historikers Prokop, der selbst Zeitgenosse und teilweise auch Mitbeteiligter an den erfolgreichen Feld39

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zügen Justinians gegen die Vandalen und die Ostgoten war, die den Untergang von deren Reichsbildungen besiegelten. Im 1. Buch seiner „Vandalenkriege“ 38 erzählt er folgende Geschichte: „Als die Vandalen einst, von Hunger getrieben, sich anschickten, ihre alte Heimat zu verlassen, blieb ein Teil von ihnen zurück und wollte sich aus einer gewissen Bedenklichkeit Godegisel nicht anschließen. Im Laufe der Zeit hatten die Zurückgebliebenen den Eindruck, sich reichlich ernähren zu können, während Geiserich und die Seinen Libyen in Besitz nahmen. Die Leute, die Godegisel nicht gefolgt waren, freuten sich über diese Kunde, da ihnen das Land nunmehr genügend Lebensmittel bot, doch kam ihnen die Furcht, es möchten einmal später entweder die Eroberer Libyens selbst oder deren Nachfahren irgendwie aus dem Lande getrieben werden und in die alte Heimat zurückkehren wollen; denn ihrem Vermuten nach würden die Römer den Verlust des Landes niemals verschmerzen, und so schickten sie Gesandte dorthin. Diese erschienen vor Geiserich und erklärten, sie freuten sich herzlich mit ihren Stammesgenossen über deren großes Glück, doch seien sie nicht mehr in der Lage, das Land weiterhin aufzubewahren, das jene verlassen hätten, um sich in Libyen anzusiedeln. Sie äußerten daher die Bitte, ihre Stammesgenossen möchten ihnen jedoch, falls sie auf ihre Heimat keinen weiteren Anspruch mehr erhöben, einen für sie wertlosen Besitz schenken; sie wollten unbestrittene Herren des Landes sein, damit sie im Falle eines feindlichen Angriffs auch fest entschlossen sein könnten, ihr Leben dafür einzusetzen. Geiserich und den übrigen Vandalen erschien ihr Vorbringen vernünftig und begründet,…ein alter Mann indessen, von vornehmer Herkunft und ob seiner Klugheit weit berühmt, widersetzte sich diesem Zugeständnis,…“. Daraufhin soll Geiserich die Gesandten unverrichteter Dinge habe abziehen lassen. Die Historizität der Gesandtschaft sollte man nicht vorschnell in Frage stellen, besitzen wir doch auch über andere völkerwanderungszeitliche Völker wie z. B. über Burgunder und Heruler Nachrichten, die belegen, dass Kontakte zwischen Auswanderern und Zurückgebliebenen auch über riesige Entfernungen hinweg aufrecht erhalten werden konnten. Allerdings lässt sich in diesem Fall die Erzählung von Anlass und Absicht der Gesandtschaft aus der alten Heimat als Konstrukt entlarven, orientiert sich doch Prokop offensichtlich an Modalitäten von Auswanderungs- und Ansiedlungsvorgängen, wie sie ihm aus der Überlieferung über die „große griechische Kolonisation“ zwischen 750 und 550/500 v. Chr. vertraut waren. Dass eine nicht mehr ausreichende Ernährungsgrundlage Auswanderung und Neuansiedlung auslösen konnten, wie das im Falle der Vandalen behauptet wird, kann durchaus als eine mögliche Ursache angesehen werden. Andererseits ist Hungersnot als Auswande40

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rungsgrund geradezu ein Topos, ein literarisches Versatzstück, dessen sich die antiken Berichterstatter gern bedienten. In welchem Maße die Vandalen bereits im 3. Jahrhundert in ihrer Akkulturation an die Lebens- und Kampfesweise der Steppenvölker fortgeschritten waren und ob sie zur bäuerlichen Produktion schon nicht mehr fähig waren, lässt sich kaum feststellen. Auf der anderen Seite war die „Verreiterung“ ursprünglich ackerbäuerlicher Bevölkerung mit einer hohen Dynamik, mit größerer Kräftekonzentration und strafferer militärischer Führung, mit überlegener Kampftechnik und besseren Waffen verbunden. Ob das vandalische Heeresaufgebot in dieser Zeit in Fünfhundertschaften – als Vorläufer der späteren Tausendschaften beim Übergang von Südspanien nach Nordafrika – organisiert war, ist nicht zu beweisen. Wenn Dexippos 39 berichtet, 500 Mann der Vandalen, die gerade ein Bündnis mit den Römern unter Kaiser Aurelian geschlossen hatten, hätten den Gesamtverband verlassen und wären raubend und plündernd durch die Gegend gezogen, so ist diese Nachricht kaum für eine Rekonstruktion der damaligen Heeresorganisation der Vandalen zu verwerten. Die Zahl 500 entlarvt sich vielmehr als ein römisches Ordnungs- und Strukturprinzip, das gern auch zur Beschreibung des Militärwesens der Fremdvölker benutzt wurde.

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7 Die Vandalen im 4. Jahrhundert und der Beitrag der Goten zu einer vandalischen Identität Dem Zeitgenossen und Miterlebenden des Untergangs des Vandalenreichs in Nordafrika, Prokop aus dem palästinischen Caesarea, galten die Vandalen als einer der vielen gotischen Stämme, ja er zählte sie neben Ost- und Westgoten und Gepiden zu den allergrößten und bedeutendsten; diesen allen sei es sogar gelungen, das weströmische Reich in Besitz zu nehmen40. Seine Anschauung reicherte er noch mit folgenden Informationen über die gotischen Völker an: „Vor alter Zeit hießen sie Sauromaten und Melanchlainen (Schwarzmäntel); manche nannten sie auch getische Völker. Zwar führen sie alle, wie gesagt, getische Namen, unterscheiden sich aber sonst überhaupt nicht voneinander: Sie haben alle weiße Hautfarbe und blonde Haare, sind außerdem hochgewachsen und von stattlichem Aussehen und bedienen sich der gleichen Gesetze und derselben Art der Gottesverehrung. Sämtliche gehören nämlich dem arianischen Glauben an, sprechen nur eine Sprache, das sog. Gotische, und bildeten, wie mir scheint, in alter Zeit zusammen ein einziges Volk, das sich erst später nach den Namen der einzelnen Führer getrennt hat“ 41. Prokop steht mit diesen Feststellungen ganz im Banne der klassischen antiken Ethnographie, der es zu allererst darum ging, zuvor unbekannte Menschengruppen mit bereits bekannten Völkern in eins zu setzen, so dass auf diese Weise die Goten zu den schon lange bekannten Geten werden konnten. Andererseits besteht kein Zweifel daran, dass Goten und Vandalen in einer besonderen Beziehung zueinander standen. Über die – wohl sehr enge – Verwandtschaft ihrer Sprachen hinaus hat sich die spezifische vandalische Identität, ihre geistige und materielle Eigenart, an der gotischen immer wieder geschärft und durch ein Wechselverhältnis von Nähe und Distanz profiliert. Wohl eher als die unmittelbare Begegnung mit den Römern in den Rand- und Kontaktzonen ihres Reiches haben friedliche Begegnung wie kriegerischer Konflikt mit den Goten die Zusammengehörigkeit der Vandalen immer wieder und aufs Neue hergestellt. Auffällig ist dabei allerdings, dass unsere Quellen in der Regel nur von Niederlagen der Vandalen zu berichten wissen, nicht aber von Sieg und Erfolg. Das legt die Vermutung nahe, dass ein besonderer „Kitt“ Auseinanderbrechen und Auflösung der vandalischen Gemeinschaft verhinderte und dass wir diesen 42

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in der sakralisierten Herrschaft der Doppelkönige namhaft machen können, die fähig war, solche Schicksalsschläge aufzufangen. Jordanes, der allerdings in Bezug auf die Vandalen kein über jeden Zweifel erhabener Berichterstatter war, behauptet jedenfalls, die Goten unter dem König Geberich hätten in einer Schlacht am Ufer der Marosch (in Siebenbürgen) die Vandalen unter ihrem König Visimar (vielleicht „der Hochberühmte“) schwer geschlagen. Die Reste des Volkes hätten sich an Kaiser Konstantin (den Großen, regierte 306– 337) mit der Bitte um Aufnahme ins Römerreich gewandt und ihnen seien auch Wohnsitze in Pannonien zugewiesen worden, wo sie etwa 60 Jahre im Dienst des Reiches friedlich gelebt hätten42. Auch seien es diese Vandalen gewesen, die der römische Heermeister Stilicho, selbst vandalischer Abstammung, später nach Gallien gerufen hätte. Jordanes’ Nachrichten völlig in den Bereich der Phantasie zu verweisen, geht wohl nicht an; sie gehen direkt auf die „Gotengeschichte“ Cassiodors, des höchsten Verwaltungschefs im Ostgotenreich Theoderichs, zurück, der sich bemühte, auf authentische Überlieferungen zurückzugreifen. Andererseits ist es eher unwahrscheinlich, dass der vandalische Traditionskern – d. h. die Hasdingenkönige, von denen wohl einer die Schlacht überlebte, und die Führungsschicht – auf Reichsboden flüchtete bzw. dort offiziell Aufnahme fand. Wie so oft, wenn barbarische Gruppen eine Niederlage erlitten, spaltete sich ein Teil ab und unterwarf sich der Macht, von der sie am meisten, nämlich Schutz und Unterhalt, erwarten konnte. So dürfte es auch damals – in den Jahren 334 oder 335 – gewesen sein. Die Goten hingegen – genauer ein damals direkt an den Grenzen des Römerreichs an der unteren Donau stehender kampfkräftiger gotischer Verband – konnten bereits im Jahre 332 einen Vertrag mit Kaiser Konstantin abschließen, der ihnen gegen die Stellung von Hilfstruppen jährliche Geldzahlungen und den freien Handelsverkehr mit dem Imperium garantierte. Auf Grund der bruchstückhaften, äußerst spärlichen oder auch zweifelhaften Überlieferung lassen sich die Vorgänge im unmittelbaren Vorfeld der unteren Donau gegenüber den pannonischen und mösischen Donauprovinzen Roms (heute in Ungarn, Serbien und Bulgarien gelegen) nahezu für das gesamte 4. Jahrhundert nicht mehr zuverlässig rekonstruieren, vor allem was den Anteil der Vandalen daran betrifft. Möglicherweise wären Informationen, wie sie bei Jordanes vorliegen, zurechtzurücken, wenn das Geschichtswerk des Ammianus Marcellinus (ca. 330 – ca. 400), des letzten großen Historikers Roms, komplett erhalten wäre. Andererseits ist auffällig, dass in den erhaltenen Teilen dieses Werkes, die das Geschehen zwi43

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schen 353/4 und 378 ausführlich darstellen, die Vandalen überhaupt nicht auftauchen, so als hätte es sie gar nicht gegeben. Es hilft diesbezüglich auch nicht weiter, wenn der Antiochener Ammian in einem Rekurs einen bürgerkriegsähnlichen Konflikt bei den Sarmaten ausführlich schildert, der damit endete, dass ein Teil der sog. Herren-Sarmaten, die im Kampf mit den von ihnen versklavten Landsleuten unterlagen, zu den Viktovalen flüchtete und von diesen aufgenommen wurde43. In welcher Beziehung die Viktovalen zum vandalischen Traditionskern unter den Hasdingen-Königen standen, ist jedoch nicht zu eruieren. Hingegen steht außer Zweifel, dass es vor allem gotische Gruppen waren, mit denen sich die Vandalen in ihrem Kerngebiet an der oberen Theiß immer wieder auseinanderzusetzen hatten. Wenn im Stammbaum der (ost-)gotischen Amalerkönige der Sieger- und Prunkname Vandalarius vorkommt, so verweist dieser ebenfalls auf einen gotisch-vandalischen kriegerischen Konflikt, und zwar zum Nachteil der Vandalen. Man wird lediglich soviel vermuten können, dass sich in einer längeren Inkubationszeit die vandalische Identität unter Führung des (Doppel-)Königtums restituieren konnte und dass Volkszahl und Kampfkraft wieder zunahmen. Solche Mutmaßungen beruhen allerdings allein auf Rückschlüssen aus den Ereignissen seit dem Anfang des 5. Jahrhunderts. Der Einbruch der aus Zentralasien kommenden Hunnen in Europa traf zuerst das Großreich der Goten unter deren König Ermanarich und löste in den Jahren bald nach 370 die „Völkerwanderung“ aus, die sich dann relativ schnell zu einem Dammbruch für die römische Reichsgrenze an der Donau auswuchs. Schon im Jahre 376 überschritten gotische Scharen die untere Donau und siegten im August 378 in einer Art Vernichtungsschlacht über das Römerheer unter Kaiser Valens bei Adrianopel, der dabei selbst tot auf dem Schlachtfeld zurückblieb. Dieses Geschehnis war so bemerkenswert, dass ihm die Zeitgenossen den Charakter einer Zäsur zubilligten; nicht grundlos beendete Ammianus Marcellinus seine „Reichsgeschichte“ mit diesem Ereignis. Auch die Vandalen müssen die Auswirkungen des Hunnensturms am eigenen Leib erfahren haben, löste dieser doch eine Art Völkerlawine aus, deren Folgen sogleich an der gesamten Donaugrenze Roms spürbar waren. Auffällig aber ist, dass wir für das gesamte letzte Viertel des 4. Jahrhunderts nahezu nichts über die Situation der Vandalen erfahren. Von einem angeblichen Einfall von Vandalen in Gallien um das Jahr 38044, dessen Historizität äußerst fragwürdig ist, abgesehen, besitzen wir lediglich die pauschale Bemerkung des heiligen Hieronymus aus seiner Klause im fernen Bethlehem, wonach auch die Vandalen zu den Völkern 44

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gehört hätten, die in den zwanzig Jahren seit dem Auftauchen der Hunnen in Europa in die römischen Donauländer eingedrungen wären. Jedenfalls sollen auch die Vandalen als Ergebnis des Hunnensturms ihre Selbstständigkeit eingebüßt haben; für ihren Aufbruch in den Westen und ihren Durchzug durch Reichsgebiet (bald nach 400) wurden hunnischer Druck und das Bestreben, sich diesem zu entziehen, verantwortlich gemacht. Prokop, dem indigene Überlieferungen zugänglich waren, auf die er in der Zeit des Untergangs des Vandalenreichs in Nordafrika stieß, erzählt hingegen eine andere Geschichte45; danach wären sie – wie bereits angemerkt – wegen einer Hungersnot zusammen mit den Alanen aus ihrem Siedlungsgebiet nach Westen gezogen, um ihre Ernährungssituation zu verbessern. Sicher ist jedenfalls, dass es in jenen Jahren zu weiteren und zugleich machtvollen Vorstößen der Hunnen ins Schwarzmeergebiet und in Richtung auf die römische Reichsgrenze gekommen war. Als Ausgangspunkt des Abzugs der Vandalen nennt Prokop fälschlicherweise das Gebiet um die Mäotische See (heute das Asowsche Meer). Mit dieser Angabe verwechselt er allerdings die Ausgangsregion der Vandalen mit der der Alanen, eines Volkes iranischer Herkunft und Sprache. Der Aufbruch der Vandalen nach Westen dürfte vielmehr aus dem oberen Theißgebiet heraus erfolgt sein.

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Das – kurze – Jahrhundert der Vandalen (405/6– 484)

8.1 Der Aufbruch nach Westen und der Übergang über den Rhein Nach traditioneller, heute noch üblicher Forschungsmeinung brachen die Vandalen zusammen mit den Alanen, indem sie die von den Römern geschaffene Infrastruktur zum Donauknie hin benutzten, um das Jahr 400 in den Westen auf und zogen anschließend auf der Donaustraße innerhalb des römischen Pannonien zunächst weiter in den Ostalpenraum, schließlich sogar nach Rätien und ins Alpenvorland. Unterwegs hätten sich ihnen damals die in der heutigen Südslowakei sitzenden Quaden (Sweben) und weitere kleine Sozialverbände, darunter auch römische Provinzialbevölkerung, angeschlossen. Die Datierung dieses als Aufbruch einer „Völkerlawine“ apostrophierten Vorgangs wird ganz in den Anfang des 5. Jahrhunderts gesetzt, weil der römische Dichter Claudian46 in einem Lobpreis auf den römischen Heermeister Stilicho auch einen Plünderungszug von Vandalen in Rätien zur Zeit der Invasion der Goten Alarichs in Italien (im Jahre 401) erwähnt. Dieser Plünderungszug sei wohl durch einen Aufstand barbarischer Föderaten Roms in jener Region ausgelöst worden. Nach Claudian wurde der Aufstand schnell niedergeschlagen, und das von den Goten belagerte Mailand wäre durch ein neu aufgestelltes römisches Heer nun unter Einbeziehung auch vandalischer Kontingente entsetzt worden. Die Goteninvasion Italiens endete schließlich mit den gotischen Niederlagen in den Schlachten von Pollentia und Verona. Diese rühmenden, sozusagen druckfrischen Informationen über die Erfolge Stilichos, der mittlerweile sogar mit dem Kaiserhaus verschwägert war, dürften in ihrem Kern authentisch sein. Sie besagen – auf die Vandalen bezogen –, dass mindestens Teile der damaligen Invasoren nach einer Niederlage direkt in den Reichsdienst eingetreten waren. Es fragt sich allerdings, welchen Vandalen die Plünderer und anschließend sogleich Vertragspartner Roms zuzuordnen sind. Wenn im selben Gedicht des Claudian47 auch die Alanen unter den Hilfstruppen Stilichos erwähnt werden, so beweist dies keineswegs, dass es sich hierbei um die Alanen handelte, die weit aus dem Nordosten kommend zu den Vandalen aus dem oberen Theißgebiet gestoßen waren. Föderaten Roms alanischer Herkunft gab es nämlich längst auf römi46

400

600km

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Sizilien

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Mittelmeer

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Sog. Sieben Provinzen

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Sirmium

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Illyricum

Hasdingen

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Reich der Sasaniden

Armenia

Grenze des Ost- und Weströmischen Reiches

Vandalenzüge

Karte 1: Stationen der Vandalen: Jütland, Mittel- und Südpolen, oberes Theißgebiet (von dort zum Rhein)

200

Mauretania

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Córdoba

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Jütland

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Atlantischer Ozean

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Nordsee

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schem Reichsboden in der Nähe des Aufstandsgebiets. Es liegt vielmehr nahe, in den von Claudian genannten Vandalen Silingen aus dem schlesischen Raum zusehen, die damals eben unter den Namen der Großgruppe figurierten. Erst in unmittelbarer Gemengelage mit den hasdingischen Vandalen – und das geschah später in Spanien – setzten sich differenzierende Namen unter nahe verwandten Völkern durch. Für die römischen Beobachter und Berichterstatter waren Hasdingen wie Silingen allerdings in gleicher Weise Vandalen. Wenn dem so war, setzten sich die Vandalen im nordalpinen Raum sozusagen nach einer kurzen Verschnaufpause nicht erneut nach Westen in Bewegung, sondern sie gehörten zu der riesigen „Völkerlawine“ bisher unbekannten Ausmaßes, die im Jahre 405 die mittlere Donaufront durchbrach, Pannonien überrollte und in kurzer Zeit Italien und die nordalpinen Regionen erreichten (s. Karte 1). Mit dieser Invasion unter Führung des Goten Radagais – eine Quelle benennt die Gesamtzahl der Invasoren allerdings mit völlig unrealistischen 400 000 – wurde gewissermaßen das Endstadium der Zerstörung des weströmischen Reiches eingeläutet. Aufschlussreich ist hierzu nämlich die Information einer nahezu zeitgenössischen Chronik, der sog. Chronica Gallica von 45248, wonach sich die zunächst gemeinsam angreifenden und vorrückenden Verbände bald in drei Heere unter eigenen Führern aufgespalten hätten und die bei Fiesole in Italien unter persönlicher Führung des Radagais stehende Gruppe eben nur einen Teil der Angreifer umfasst hätte. Unmittelbare Folgen waren der Zusammenbruch der römischen Grenzverteidigung an der mittleren und wohl auch oberen Donau, aber auch die Flucht der römischen Provinzialbevölkerung in unzugängliche Ortslagen oder sogar deren Anschluss an die rasch durchziehenden Verbände, die nicht nur aus Kampftruppen bestanden, sondern auch mit Nichtkombattanten – Frauen, Kindern, alten Leuten – unterwegs waren. Dazu kamen auch an Rom vertraglich gebundene Barbarengruppen aus einer Region, die von der heutigen Slowakei über die Theißebene und Transsylvanien bis hin zum Banat reichte. Aus den Nachrichten über die anschließende Gallieninvasion und die dann später erfolgten Niederlassungen in Spanien lassen sich die Anführer wie die Zusammensetzung der beiden anderen Verbände neben dem unter Radagais erschließen. Einen Verband dürften verschiedene alanische Gruppen gebildet haben, von denen sich eine nach dem Rheinübergang unter Führung des Goar wieder den Römern anschloss. Den Alanen unter ihrem König Respendial könnten sich die Silingen, die vielleicht schon in den nordalpinen Raum 48

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vorgestoßen waren, zugesellt haben. Später in Spanien waren diese nämlich die unmittelbaren Nachbarn der Alanen. Die Alanen des Goar hingegen, die sich wieder auf ihren Bündnisvertrag mit den Römern besannen, werden dem „Dreivölkerverband“ (AlatheusSafrax-Gruppe) angehört haben, der bereits im Jahre 380 auf römischem Reichsboden in Pannonien angesiedelt worden war. Das dritte wandernde Heer bestand aus den Vandalen unter ihrem König Godegisel und ihren damaligen und auch späteren – in Spanien – Nachbarn, den Quaden, die sich in Spanien wieder Sweben nannten. Der im fernen Bethlehem sitzende heilige Hieronymus49 nennt in einem nahezu zeitgenössischen Brief als weitere Teilnehmer der Völkerlawine im Zusammenhang ihres Rheinübergangs noch eine Reihe weiterer Verbände, die – soweit es sich nicht vielleicht um Stammessplitter handelte – lediglich der Belesenheit und der Phantasie des Autors verdankt werden. Die unmittelbare Vorgeschichte, der Zeitpunkt und der Ort des Rheinübergangs bzw. der Rheinübergänge sind in der Forschung umstritten, da die Quellenlage dazu äußerst dürftig und sehr unterschiedlich auslegbar ist. Die Rekonstruktion der Vorgänge verkompliziert sich zudem, wenn man wie hier geschehen von zwei Heeressäulen und wandernden Verbänden ausgeht. Sicher ist hingegen, dass sich die militärische Großwetterlage für einen Rheinübergang und einen Vorstoß nach Gallien für die Invasoren äußerst günstig entwickelt hatte, weil der „Generalissimus“ des Westreichs, Stilicho, wegen des Einfalls der Goten Alarichs bereits seit dem Jahre 401 römische Eliteformationen aus den germanischen Provinzen und aus Gallien abgezogen und nach Italien zurückbeordert hatte. Bis in den Sommer des Jahres 406 hinein war der oberste Heermeister – zuletzt mit der Abwehr der Scharen des Radagais – in Italien gebunden, konnte sich deshalb nicht in die Auseinandersetzungen am Rhein einmischen. Die dürftige Überlieferung, die allerdings den Rheinübergang auf den Tag genau festlegt, ansonsten aber nur dann beredt wird, wenn es um die Formulierung böswilliger Beschuldigungen Stilichos als eines Hochverräters geht, wird in der Regel in einen auf den ersten Blick sinnvollen Zusammenhang gebracht: „Der Ausgangspunkt der Wanderung [der verbündeten Völker] ist nicht bekannt; das nächste Ziel war eine Übergangsstelle am Rhein. Die die Vorhut bildenden Alanen hatten bereits den Strom erreicht, wo ein Teil von ihnen unter Goar in römische Dienste trat, als die Vandalen von den Franken auf Grund des 401 mit Stilicho abgeschlossenen Vertrages überfallen wurden. Schon war der König der Hasdingen, Godigisel, mit angeblich 20 000 Mann gefallen: da eilte noch recht49

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zeitig ein anderer Teil der Alanen unter Respendial den Angegriffenen zur Hilfe und brachte den Franken eine schwere Niederlage bei. Nun stand die Straße nach Gallien offen, und ungehindert überschritten die ersten Scharen (die Hasdingen unter der Führung König Gunderichs, Godigisels Sohn) am letzten Tag des Jahres 406 den wahrscheinlich zugefrorenen Strom“ 50. Der Rheinübergang selbst wird ergänzend in der Nähe von Mainz angesetzt; sollte die Römerbrücke dort noch intakt gewesen sein, dann würde sich zudem die Annahme erübrigen, der Rhein sei damals zugefroren gewesen. Diese Vorstellung von endlosen, am Silvestertag des Jahres 406 den Rhein überquerender Scharen ist jedoch weitgehend künstlerischer Phantasie entsprungen. Die nackten in den Quellen vorfindlichen Fakten geben dies einfach nicht her. Strittig und eben nicht über jeden Zweifel erhaben sind Ort, Dauer und Zeitpunkt des Rheinübergangs, vor allem der Ort und der Zeitpunkt der Schlacht zwischen Vandalen und Franken und die daran unmittelbar anschließende Niederringung der Franken durch die Alanen Respendials. Hierzu ist eine andere, den Quellen gerecht werdende Rekonstruktion der damaligen Geschehnisse zu suchen. Ein Übergang über die Rheinbrücke würde auch bei einer Aufteilung der Völkerlawine in zwei Gruppen, wie es die Quellen nahe legen, mehrere Tage gedauert, jedenfalls der Silvestertag dafür nicht ausgereicht haben. Der Zeitpunkt selbst, womit dann der Beginn der Überquerung gemeint wäre, ist mit dem 31. Dezember genau fixiert, aber mindestens kann das Jahr dieses Geschehens offen bleiben. Die Konsulatsdatierung in den einschlägigen Chroniken ergibt das Jahr 406, wo es heißt: „Als [der Kaiser]] Arcadius zum 6. Mal und Probus Konsuln waren [d. h. im Jahre 406], fielen die Vandalen und Alanen nach Überquerung des Rheins in den gallischen Provinzen ein, und zwar ein Tag vor dem 1. Januar“. Man könnte diese Datumsangabe so verstehen, dass damit der erste Tag vor dem 1. Januar 406 gemeint sei, und dann wäre die Überquerung des Rheins bzw. ihr Beginn am 31. Dezember 405 erfolgt. Allerdings entspricht eine solche Interpretation nicht der römischen kalendarischen Praxis, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen. Nehmen wir einmal dennoch an, wir hätten es hier mit einer solchen eher ungewöhnlichen Datierungspraxis zu tun, würde sich allerdings eine ganze Reihe von Ungereimtheiten in der römischen Reichspolitik mehr oder weniger in Luft auflösen. Es würde vor allem die Untätigkeit der römischen Zentralregierung unter Stilicho erklären, denn diese hatte noch bis in den August des Jahres 406 alle militärischen Ressourcen auf die Bekämpfung der in Italien eingefallenen Scharen des Radagais zu 50

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konzentrieren. Gleichzeitig würde damit auch die Behauptung des Zosimos51 nachvollziehbar und gerechtfertigt, die ab Sommer desselben Jahres in kurzen Abständen erfolgten Usurpationen im römischen Britannien seien aus der Furcht heraus erfolgt, die in Gallien eingefallenen Vandalen, Alanen und Sweben könnten nach Britannien übersetzen, man müsse sie deshalb in Anbetracht der Tatenlosigkeit der Zentralregierung sozusagen auf eigene Faust schon in Gallien bekämpfen. Ein Rheinübergang bei Mainz, vielleicht auf der noch voll funktionsfähigen Römerbrücke, ist, wenn auch nur in einer Quelle aus dem 7. Jahrhundert (Fredegar) bezeugt, durchaus denkbar; dass der Rhein zugefroren gewesen sein soll, ist hingegen nirgends belegt und eine phantasievolle Ausmalung. Fredegar52 erzählt von einem Vandalenkönig Chrocus und seinem gemeinsam mit Sweben und Alanen durchgeführten Einfall ins römische Germanien und Gallien. Dessen Nachfolger Thrasamund hätte die Vandalen dann später nach Nord-Afrika geführt. Jedenfalls hätte Chrocus die Mainzer Römerbrücke für den Übergang seiner Vandalen über den Rhein kongenial (ingeniosae) genutzt. Es ist offensichtlich, dass Fredegar hier eine Passage in Gregor von Tours’ „Frankengeschichten“ 53 ausgestaltet, in der berichtet wird, dass die Vandalen unter König Gunderich Gallien verheert und sich schließlich nach Spanien begeben hätten, wohin ihnen die Sweben, d. h. die Alemannen, nachgefolgt seien. Letztere hätten anschließend Galizien in Besitz genommen, wo es wiederum zu einem Krieg zwischen Vandalen und Alemannen/Sweben gekommen sei. Fredegar verlegt Streit und Krieg zwischen den genannten Kontrahenten nach Gallien und lässt Chrocus nach zahlreichen Schandtaten und Verbrechen schließlich bei Arles in römische Gefangenschaft geraten, die wiederum mit dessen schimpflichem Tod endet. Die Historizität des Vandalenkönigs Chrocus lässt sich nun ebenso wenig retten wie andere Einzelheiten dieser phantasievollen Geschichte, zumal der angebliche Vandalenkönig Chrocus auf eine Verwechslung mit einem gleichnamigen Alemannenkönig zurückgeht, der bereits im 3. Jahrhundert bei Arles durch das römische Richtschwert den Tod fand. Es bleibt allerdings ein Rest an möglicherweise zuverlässigen Informationen: Sowohl der Übergang über den Rhein unter Benutzung der Römerbrücke als auch einige von Fredegar genannte Schauplätze wie etwa die kurzzeitige und erfolglose Belagerung Triers könnten durchaus erst in die Zeit der Gallieninvasion der Vandalen von 405/406 fallen. Den Rheinübergang vom Ende Dezember 405 oder 406 verbindet die Forschung, sich auf Gregor von Tours berufend, mit der 51

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Erzählung von der Schlachtenniederlage der Vandalen durch die Franken und ihre Rettung durch die Alanen Respendials. Der Bischof von Tours hat sie in einen verfassungsrechtlichen Exkurs eingepasst, in dem er die Frage erörtert, seit wann an der Spitze der Franken Könige gestanden hätten und wer als erster Frankenkönig namhaft zu machen sei. Zu diesem Zweck bemüht er folgendes Zitat aus einem ihm noch vorliegenden, heute aber nicht mehr erhaltenen Geschichtswerk (historiae = Zeitgeschichte) eines gewissen Renatus Profuturus Frigeridus: „In der Zwischenzeit zog der Alanenkönig Respendial, nachdem Goar zu den Römern übergegangen war, mit seinem Heer von Rhein weg, die Vandalen hingegen wurden in einen Krieg mit den Franken verwickelt. Als ihr König Godegisel dabei umkam und ungefähr 20 000 Mann in der Schlacht gefallen waren, hätte das gesamte Volk der Vandalen leicht vernichtet werden können, wenn nicht die Alanen mit ihrer Streitmacht zur rechten Zeit zu Hilfe gekommen wären“ 54. Übersehen wird dabei, dass dieser von Renatus Profuturus Frigeridus übernommene Bericht über die Beinahe-Katastrophe der Vandalen von Gregor von Tours zeitlich exakt eingeordnet ist, nämlich in das Jahr der Eroberung und Plünderung Roms durch die Goten Alarichs, also in das Jahr 410. Der zunächst siegreiche Kampf von königslosen Franken mit den Vandalen, in dem der Vandalenkönig Godegisel auf dem Schlachtfeld blieb, fand also wesentlich später – nämlich im Jahre 410 – und sicher weitab vom Rhein statt, waren die Alanen Respendials doch längst vom Rhein abgezogen. Diese Chronologie wird auch durch eine Angabe Isidors von Sevilla über die Regierungszeit Guntherichs, des Nachfolgers Godegisels bestätigt; dieser regierte demnach von 410 bis 428. Damit entfällt auch die Annahme, Franken hätten bereits zum Zeitpunkt des Rheinübergangs der „Völkerlawine“ östlich des Rheins – etwa im Untermaingebiet – gesiedelt. Vielmehr war es ein mit Rom föderierter fränkischer, unter römischer Führung stehender Verband (weshalb Gregor von Tours in seinen Quellen auch nicht den Namen von dessen König oder Anführer finden konnte), der im Jahre 410 und damit schon in Spanien die Vandalen beinahe vernichtet hätte. Wenn wir davon ausgehen, dass im Zusammenhang mit der großen Radagais-Invasion des Jahres 405 auch die Vandalen und die später mit ihnen in Spanien siedelnden Quaden-Sweben und Alanen in zwei Heeressäulen – neben der direkt unter dem Kommando des Radagais stehenden, die dann in Italien vernichtend geschlagen wurde – nach Westen aufgebrochen waren, müssen wir folgerichtig annehmen, dass es auch zwei verschiedene Rheinübergänge gab. Für die Alanen, die sich anschließend auch noch aufspalteten, bietet sich 52

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als Rheinübergang Mainz mit seiner Römerbrücke an. Denn die alanische Gruppe unter Goar, die alsbald in römische Dienste (wieder-)eintrat, ist noch in den Jahren nach 405/6 im Bereich der germanischen Provinzen und der Region am Rhein nachweisbar. Die Vandalen und Quaden-Sweben, denen sich vielleicht die Silingen irgendwo im nordalpinen Raum angeschlossen hatten, werden einen anderen Weg zum Rhein und dann nach Gallien gewählt haben. Einen Hinweis auf deren Marschrichtung lässt sich möglicherweise den Angaben des heiligen Hieronymus in einem nahezu zeitgenössischen Brief (aus dem Jahre 409) über damals geschehene Verwüstungen, die in ihrem Ausmaß zweifellos schon von den damaligen Berichterstattern überschätzt wurden, in der Rheinzone entnehmen: „Mainz, einst eine berühmte Stadt, haben sie eingenommen und völlig zerstört. In der Kirche wurden Tausende von Menschen niedergemacht. Worms musste eine lange Belagerung aushalten, bevor es dem Untergang anheim fiel. Die mächtige Stadt Reims, ferner Amiens, Arras, das an der äußersten Grenze liegende Gebiet der Moriner, Tournai, Speyer, Straßburg, alle diese Städte sind in den Besitz der Germanen übergegangen“ 55. Dieser von der Geographie her unsystematisch erscheinenden Aufzählung der betroffenen Örtlichkeiten lässt sich immerhin soviel entnehmen, dass eine der beiden Heeressäulen bereits etwa im Raum Straßburg über den Rhein gegangen war und dann auf der letztlich von Italien herführenden „Rheinstraße“ über Speyer, Worms, Mainz und Bingen bis nach Köln vordrang, um sich schließlich auf der von dort ausgehenden Fernstraße in das nordöstliche Gallien zu begeben. Ausgangspunkt dieses Zuges wäre dann der norisch-rätische Raum oder das Alpenvorland gewesen, erstes Ziel unter Benutzung des römischen Straßensystems und unter Vermeidung eines schwierigen Rheinübergangs das römische Straßburg. Mit Belagerungen, für die man über keine effektive Ausrüstung verfügte, hätte man sich dabei nicht aufgehalten, sich wohl aber durch Plünderung und Raub mit den entsprechenden Kollateralschäden die für den Vormarsch notwendigen Ressourcen verschafft. Auch mit den Truppen in den römischen Garnisonen, sofern sie sich nicht abgesetzt oder ergeben hatten, wird man sich nicht lange aufgehalten haben. Objekte der „Begierde“ auf dem schnellen Durchmarsch waren vor allem die eingelagerten Wintervorräte in den Hauptorten der römischen Verwaltungseinheiten, nicht die römischen Truppen, sofern sie sich nicht den Invasoren direkt entgegenstellten.

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8.2 „Ganz Gallien rauchte wie ein einziger Scheiterhaufen“ Dieser Vers aus einem Mahngedicht (Commonitorium) des Bischofs Orientius von Augusta (heute Auch im südfranzösischen Département Gers)56 will die Zerstörungen auf den Punkt bringen, die die Invasion der verschiedenen barbarischen Verbände bis in seine eigene Zeit, d. h. bis in die Jahre zwischen 430 und 440, für Gallien mit sich brachte. Präzise Angaben über deren Aufenthalt und seine Folgen lassen sich aus den sehr pauschalen Angaben von Autoren vor allem aus kirchlichen Kreisen Galliens und Spaniens nicht gewinnen, einmal davon abgesehen, dass der Aufenthalt in Gallien selbst zeitlich einigermaßen genau eingegrenzt werden kann (von Anfang 406 oder 407 bis Spätsommer/Herbst 409). Ihr Eindringen in Spanien durch den Übergang über die Pyrenäen vermeldet der spanische Chronist Hydatius jedenfalls für den 28. September bzw. den 13. Oktober 40957. So wissen wir auch nicht, wann die Vandalen, Quaden/Sweben, Alanen und Silingen – eher immer noch einzeln und wohl nicht als geschlossener Großverband – aus dem Nordosten Galliens in das südliche Gallien gezogen sind. Vandalen und Quaden/Sweben werden sich jedenfalls einige Zeit im Nordosten Galliens aufgehalten haben, die anderen Gruppen dürften den Marsch in den Süden wohl bereits früher angetreten haben. Die sehr pauschalen Angaben Salvians von Marseille über den Zerstörungskorridor, den sie in Germanien und Gallien hinterließen, lassen sich nämlich nicht auf ein genaues Itinerar (s. Karte 2) reduzieren. An den ummauerten Städten im südlichen Gallien scheinen auch ihre Überrumpelungsversuche zu keinem Erfolg geführt zu haben. Die schöne Geschichte von der Furcht der Barbaren vor dem Numinosen und von der Vergeblichkeit menschlichen Bemühens bei einem Anzeichen überirdischer Manifestation im Falle der Belagerung des südwestgallischen Bazas durch einen Vandalenkönig Gauserich würde – auf ihren Realgehalt reduziert – einen deutlichen Beleg für den Misserfolg der barbarischen Angreifer bei den Städtebelagerungen abgeben58. Nachweislich konnte jedenfalls Toulouse – vor allem dank der Tatkraft des dortigen Bischofs Exuperius – von den Vandalen nicht eingenommen werden. Überhaupt blieb allem Anschein nach das bevölkerungsreiche und wirtschaftlich noch blühende und intakte südöstliche Gallien vom Durchzug und temporären Aufenthalt der genannten Verbände weitgehend verschont. Und nicht viel anders wird es ihnen zuvor im nordostgallischen Raum gegangen 54

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Orte nach Hieronymus

Nordsee

Orte in sonstigen Quellen belegt Orte in hagiographischen Quellen belegt Münzschätze vereinzelte Zeugnisse möglicher Verlauf des Vandalenzuges Rhe in

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Karte 2: Mögliche Örtlichkeiten, die die Vandalen und ihre Verbündeten im römischen Germanien und Gallien heimgesucht haben könnten

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sein, auch wenn der weitab vom Schuss in Bethlehem lebende heilige Hieronymus die Einnahme von Reims, Tournai, Thérouanne, Arras und Amiens durch die Barbaren beklagte. Die Marschrichtung der Invasoren nach dem Rheinübergang, wie sie sich aus der Wehklage des heiligen Hieronymus erschließen lässt, orientierte sich letztendlich an dem wichtigsten römischen Einschiffungshafen nach Britannien, Boulogne-sur-Mer (Gesoriacum-Bononia), wo auch noch andere Fernstraßen ihren Endpunkt hatten. Demnach wäre es auch nicht völlig aus der Luft gegriffen gewesen, wenn allenthalben die Befürchtung aufkam, das eigentliche Marschziel sei Britannien gewesen. Die drei in Britannien aufeinander folgenden Usurpationen könnten dann auch tatsächlich durch solche (Fehl-)Informationen hervorgerufen worden sein. In der relativ kurzen Zeit des Aufenthalts der Vandalen und der anderen Heeres- und Sozialverbände in Gallien kam es allem Anschein nach zu keinen geregelten Ansiedlungsmodalitäten und Versorgungsleistungen seitens der römischen Autoritäten vor Ort. Die römische Zentrale in Ravenna, die alle Hände mit der Abwehr und Niederwerfung der in Italien eingefallenen Goten des Radagais zu tun hatte, verlor im Jahre 406 die Kontrolle über Britannien und im folgenden Jahr auch über Gallien, nachdem ein Usurpator, der sich Konstantin (III.) nannte, mit seiner Streitmacht Anfang März 407 nach Gallien übergesetzt war. Dieser wollte die Anerkennung als Mitkaiser durch den in Ravenna residierenden Kaiser Honorius (regierte 393–423) erreichen und zog deshalb sogleich in den Südosten Galliens, um von dort aus die Übergänge nach Italien kontrollieren und womöglich selbst in Italien eingreifen zu können. Von dieser politisch-militärischen Großwetterlage dürften die Invasoren auf jeden Fall profitiert haben. Sie erlaubte auch die Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen als die, wie sie von den barbarischen Verbänden im Nordosten Galliens vorgefunden wurden. Wenn ihnen der Sinn nicht von vorneherein auf die Gewinnung von Wohnsitzen in südlichen, reicheren Gefilden gestanden hatte, so dürfte das sich bis zu Handlungsunfähigkeit und Schwäche steigernde Machtvakuum im weströmischen Reich den Anstoß gegeben haben, sich ungerufen und auf eigene Faust in für besonders attraktiv gehaltene Gegenden aufzumachen. Die antiken Autoren, jeweils zeitgenössische Propaganda und polemische Auseinandersetzungen in der römischen Führungsschicht aufgreifend, berichten in jenen Jahrzehnten um die Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert in aller Regelmäßigkeit von Verrat an der römischen Sache durch die eine oder andere Seite rivalisierender 56

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politischer und gesellschaftlicher Gruppierungen. Beliebt war der Vorwurf an die jeweilige Gegenseite, man habe die Barbaren ins Land gerufen. Bei einer Persönlichkeit wie dem allmächtigen Heermeister Stilicho, der selbst barbarischer Herkunft war, fielen solche Parolen auf besonders fruchtbaren Boden. Was den Aufbruch der Invasoren aus Nordostgallien in den Süden bzw. Südwesten Galliens betrifft, war man im Hinblick auf seine Initiierung mit solchen Unterstellungen ebenfalls schnell bei der Hand. So soll der damals in Spanien amtierende oberste römische Militärbefehlshaber Gerontius für seine geplante Usurpation des Kaiserthrons und zur Bekämpfung des in Arles residierenden (Gegen-)Kaisers Konstantin III. die Vandalen, Quaden-Sweben und Alanen in seinen Zuständigkeitsbereich gerufen haben. Wohl auf unterschiedlichen Routen zogen die genannten Verbände jedenfalls durch Gallien und auf die Pyrenäenpässe zu. Welche Übergänge sie wirklich benutzt haben, ist nicht sicher zu ermitteln. Da das römische Oberkommando seine Truppen hauptsächlich im Nordosten Spaniens in Erwartung eines Vorstoßes des Usurpatorenregimes in Arles konzentriert hatte, könnten die Invasoren tatsächlich auf die westlichen Pyrenäenpässe ausgewichen sein. Sie dürften jedenfalls nicht nur einen Übergang benutzt haben, zumal wir davon ausgehen können, dass die verschiedenen Verbände in zwei Heeressäulen getrennt in Spanien Fuß fassten. Sie durchzogen wohl auf verschiedenen, nicht mehr nachvollziehbaren Routen das mittlere und südliche Gallien und gelangten anscheinend relativ ungehindert an die Pyrenäen. Die dort zur Bewachung und notfalls Sperrung der Pässe abgestellte Eliteeinheit der Honoriaci, überwiegend wohl aus Barbaren gebildet, kam ihren Pflichten nicht nach, ja sie hätte sich sogar auf die Seite der Invasoren geschlagen, wie eine zeitgenössische Quelle59 behauptet. Wenn dem so war, geschah dies sicher nicht aus Solidarität mit den Invasoren im Sinne von Einheit und Zusammenwirken des sog. äußeren Proletariats – eines reinen, die spätantiken gesellschaftlichen Verhältnisse völlig missverstehenden Konstrukts vor allem der marxistisch orientierten Forschung –, sondern auf Grund des totalen Befehlswirrwarrs und Tohuwabohus an der Reichsspitze. Dass es nach der erfolgreichen Festsetzung der Invasoren in Spanien schließlich zu vertraglichen Regelungen zwischen dem dortigen römischen Machthaber Gerontius und den Führern der aus Gallien gekommenen Verbänden kam, ist in keiner Weise ein Beleg für eine frühere Allianz der Vertragspartner und für die Anschuldigung, die Invasoren seien von Gerontius nach Spanien gerufen worden. Ein solcher ursächlicher Zusammenhang bestünde 57

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allenfalls, wenn sich eine wenigstens ungefähre zeitliche Koinzidenz zwischen der Usurpation des Gerontius und dem Auftauchen der Invasoren in Spanien nachweisen ließe. Die Usurpation des Gerontius, der seinen Gefolgsmann Maximus und nicht sich selbst von den unter seinem Kommando stehenden Soldaten zum Kaiser ausrufen ließ, geschah jedoch frühestens im August 410, wenn nicht sogar erst im Frühjahr 411, in welches Jahr dann auch das vertragliche Arrangement des Heermeisters – offiziell im Namen des Usurpators Maximus – mit den Invasoren gehört, die sich damals bereits fest im nördlichen Spanien etabliert hatten.

8.3 Die Heeres- und Sozialverbände (gentes) in Spanien bis zum Untergang der Silingen und der Alanen Wenn der in der Regel äußerst zuverlässige spanische Chronist Hydatius zu zwei verschiedenen Daten im Herbst 409 – 28. September bzw. 13. Oktober – die Ankunft der Invasoren in Spanien meldet, so könnte der Grund dafür gewesen sein, dass die barbarischen gentes eben in zwei unterschiedlich zusammengesetzten Verbänden und zu verschiedenen Zeiten über die Pyrenäen kamen, einmal die vandalisch dominierte Gruppe unter König Godegisel (Hasdingen) zusammen mit den Quaden-Sweben und zum anderen die Alanen unter Respendial; zu einer dieser beiden Sozial- und Heeresverbände mag die dann in Spanien Silingen genannte Gruppierung gehört haben, wenn diese nicht sogar erst einige Zeit später nachrückte. Die in enger Wandergemeinschaft mit den Hasdingen bezeugten Quaden begegnen in Spanien fortan unter dem altberühmten Swebennamen, und zwar deshalb, weil sie sich nun weit entfernt genug von ihren Jahrhunderte langen Nachbarn, den stammverwandten Markomannen, aufhielten. Auch die Markomannen, die einige Zeit zuvor aus ihren Siedelgebiet in Böhmen und Mähren nach Pannonien vorgedrungen waren, nannten sich fortan Sweben, bestand doch die Gefahr einer Verwechslung durch das Auseinandertreten und die Abwanderung in weit voneinander entfernte Regionen nicht mehr. Wenn die wenig differenzierende Überlieferung den Eindruck erweckt, die „Völkerlawine“ sei sowohl geschlossen über den Rhein in die germanischen und nordgallischen Provinzen Roms eingefallen und dann relativ bald sozusagen in geschlossenen 58

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Formationen durch ganz Gallien und anschließend über die Pyrenäen nach Spanien gezogen, so kann diese offensichtlich pauschalierende Darstellung den wirklichen Gegebenheiten und Verhältnissen nicht standhalten. Die zudem keineswegs einheitliche Führung hätte allein die logistischen Probleme dieses Massenaufgebots nicht bewältigen können. Die Versorgung der unproduktiven Massen war hingegen eher zu bewerkstelligen, wenn sie von der römischen Provinzialbevölkerung gegenüber einzelnen Verbänden und über größere Gebiete Galliens verteilt geleistet werden musste; allein durch Plünderung und sinnlose Zerstörung konnten die barbarischen Kämpfer und die sie begleitenden Frauen, Kinder und Alten nicht ernährt werden, zumal die Leistungsfähigkeit der Provinzialen durch Krieg, Bürgerkrieg, hohen Steuerdruck, Ausbeutung und Korruption auf einem Tiefstand angekommen war. In Spanien wurden die Eindringlinge keineswegs unbehelligt gelassen. Dort hatte sich das Usurpatorenregime des aus Britannien kommenden Konstantin III. durchgesetzt, das nun mit Hilfe der römischen Autoritäten vor Ort versuchte, die barbarischen Verbände wieder loszuwerden. Dem vorwiegend im südgallischen Arles residierenden Usurpator war es anscheinend gelungen, mit anderen ebenfalls über den Rhein vorgedrungenen Gruppen Verträge abzuschließen, die sowohl Schutz vor weiteren Invasionen Galliens aus dem Osten gewähren als auch militärische Unterstützung in Form von Hilfstruppen bereitstellen sollten. Die Rheingrenze – so heißt es60 – sei danach wieder gesichert gewesen. Zu diesen in ein Vertragsverhältnis zu dem britannischen Usurpator Konstantin III. getretenen Gruppen gehörten auch Franken, von denen ein nicht besonders gut unterrichteter Autor 61 behauptet, sie seien bereits nach dem Völkersturm über den Rhein von 405 oder 406 bekriegt und nahezu vernichtet worden. Welche Kämpfe damit konkret gemeint sein sollen, ist nicht auszumachen. Fränkische Kontingente haben wohl jedoch unter römischer Führung, da ihr Anführer nicht namhaft gemacht wird, im Jahre 410 und damit bereits in Spanien die Vandalen angegriffen. Sie hätten diese auch fast vernichtet, hätten nicht die Alanen unter ihrem König Respendial – vielleicht zusammen mit den Silingen – sie vor dem äußersten bewahrt, so der zeitgenössische Bericht des Renatus Profuturus Frigeridus, den Gregor von Tours in seine „Fränkischen Geschichten“ 62 wohl im Wortlaut integriert hat. Der damals auf dem Schlachtfeld erfolgte Tod des Vandalenkönigs Godegisel stimmt chronologisch mit der Regierungszeit und dem Todesjahr seines Sohnes und Nachfolgers Guntherich völlig überein: Dieser regierte insgesamt 18 Jahre63 und starb 59

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im Jahre 42864. Die große Schwächung der hasdingischen Vandalen, deren Untergang damals gerade noch abgewendet werden konnte, würde auch erklären, dass bis zum Eingreifen der (West-)Goten in Spanien der spanischen Öffentlichkeit die Alanen als die mächtigste Gruppe unter den barbarischen gentes galten. Die innerrömischen Auseinandersetzungen – in Spanien zwischen dem Usurpatorenregime in Arles, das sich in Spanien einzumischen begann, und dem dortigen römischen Oberkommandierenden Gerontius – kamen den Plänen und Wünschen der Invasoren sehr zustatten. Nachdem Gerontius seinen Klienten Maximus zum Kaiser hatte ausrufen lassen (in der zweiten Jahreshälfte 410 oder sogar erst im Frühjahr 411), wurde in dessen Namen ein Friedensvertrag abgeschlossen65. Der Vertrag begründete eine unbefristete Bundesgenossenschaft mit den Neuankömmlingen und garantierte ihnen die Niederlassung in dafür festgelegten Regionen Spaniens nach dem römischen Prinzip und Rechtsinstitut der Gastfreundschaft (hospitalitas). Diese vertragliche Regelung der Ansiedlung beinhaltete jedoch keineswegs eine staatsrechtlich sanktionierte Abtretung von Reichsgebiet. Die Einquartierung wiederum geschah wohl nach der Drittelnorm, wie sie in der Folgezeit dann auch in anderen Gebieten des Römerreichs üblich werden sollte. Die materielle Konsequenz für die bisherigen Eigentümer sah so aus, dass diese ein Drittel der Immobilien (Häuser, Grundstücke, Inventar etc.) und auch ein Drittel des für sie tätigen Menschenpotenzials den Barbaren übereignen mussten. Wie das in der sozialen Wirklichkeit funktionierte, ist schwer vorstellbar. Jedenfalls lassen die Quellen immer wieder Klagen der ursprünglichen Grundherrn über die Übergriffe der neuen Eigner verlauten. Da man sich in der Forschung nicht vorstellen konnte, dass ein solches System überhaupt funktionieren würde, hat man das Einquartierungs- und Aufteilungssystem als reine Fiktion verstehen wollen und die angesiedelten Barbaren zu Grundrentnern erklärt, denen ohne jegliche Tätigkeit und Verantwortung ein Teil der von den römischen Grundeigentümern zu erbringenden Steuerleistungen einfach zugewiesen worden sei. Nachdem sich die Zentrale in Ravenna auch in Teilen Spaniens wieder durchgesetzt hatte (spätestens im Jahre 413), wurde in einem Gesetz – das nur bei Prokop66, nicht in einem Gesetzbuch, bezeugt ist – verfügt, dass die Zeit der Anwesenheit und Dominanz der Vandalen in Spanien nicht auf die 30-jährige Verjährungsfrist angerechnet werden dürfe, innerhalb der man Rechtsansprüche auf Rückgabe enteigneten Besitzes geltend machen konnte. Es handelte sich 60

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dabei nicht um einen bloßen Gesetzestraditionalismus ohne irgendwelche reale Folgen, sondern um eine vom römischen Recht eingeräumte Möglichkeit, sein Eigentum mit einer gewissen Aussicht auf Erfolg zurückzuerlangen. Solche Rückerstattungsklagen kamen später sogar im Vandalenreich in Nordafrika vor und konnten zum Erfolg führen, sofern dort nicht das Kerngebiet der Ansiedlung der Vandalen betroffen war. Die Einquartierungen und Abtretungen an die verschiedenen gentes betrafen sowohl das flache Land als auch die Städte und erfolgten für diese getrennt in verschiedenen Provinzen des größten Teils von Spanien. Den hasdingischen Vandalen wurde der östliche Teil der Provinz Gallaecia (heute Asturien und Galizien) zugewiesen, den Sweben (Quaden) der dem Meer zugewandte westliche Teil dieser Provinz. Die silingischen Vandalen kamen in der Baetica (in Südspanien) unter, die Alanen erhielten Landzuweisungen sowohl in der Lusitania (heutiges Portugal und westliches Spanien) als auch in der Carthaginiensis (südöstliches Spanien mit einem Teil der Mittelmeerküste). Lediglich das nordöstliche Spanien, die Provinz Tarraconensis mit den wichtigen Häfen und Verwaltungs- und Wirtschaftszentren Tarraco (Tarragona) und Barcino (Barcelona), fiel nicht unter die Verteilungsmasse (s. Karte 3). Angeblich soll über diese Verteilung der Zufall des Loses entschieden haben67. Sie offenbart hingegen vielmehr, wie es damals um die Machtverhältnisse zwischen den barbarischen Verbänden nach ihrer Festsetzung auf spanischem Boden bestellt war. Trotz der für diese Jahre bezeugten Dominanz der Alanen68 ist die totale Ungleichheit der zur Ansiedlung zugewiesenen Provinzen doch sehr auffällig. Die Lebensbedingungen in den verschiedenen spanischen Provinzen waren sehr unterschiedlich, im eher kargen Nordwesten Spaniens waren den das Mehrprodukt der römischen Provinzialbevölkerung konsumierenden Vandalen und Sweben sehr viel engere Grenzen gesteckt als etwa den Alanen und Silingen im reichen Süden und Südosten Spaniens. Allerdings darf man sich keine übertriebenen Vorstellungen von der Ansiedlungs- und ansatzweise Integrationsleistung der römischen Verwaltung und ihrer Steuersubjekte in diesen Jahren machen. Die Zahl der Angesiedelten kann zwar nur sehr ungenau geschätzt werden, und selbst diese Schätzungen sind nicht selten total überhöht. Es waren jedenfalls wohl nur einige Zehntausend, insgesamt vielleicht 100 000 oder wenige mehr, die damals versorgt werden mussten. Für die Angesiedelten kam ein weiteres Problem hinzu, dessen sie sich wohl zunächst gar nicht bewusst waren. Der Ansiedlungsvertrag war mit einem Usurpatorenregime ausgehandelt worden, das 62

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schon etwa ein Jahr später mit dem Tode des Gerontius im Süden Galliens auf einem Feldzug gegen Konstantin III. zusammenbrach. Sein Protegé Maximus wurde von seinen eigenen Truppen, die sich der Regierung in Ravenna unterstellten, abgesetzt und kam als Flüchtling und Bittsteller zu den Barbaren in Spanien, mit denen er noch kurze Zeit vorher einen Vertrag abgeschlossen hatte. Mochten ihre Anführer auch davon ausgehen, dass sie einen gültigen Vertrag in den Händen hatten, so dürfte doch bald klar geworden sein, dass sich Ravenna in keiner Weise an die Abmachungen gebunden fühlte und auch nicht daran dachte, durch eine nachträgliche Legalisierung den Vertragsabschluss von 410/411 staats- und völkerrechtlich zu sanktionieren. Mit Hilfe einer Rechtsfiktion wurde demgemäß die Zeit des Aufenthalts der gentes in Spanien als ungeschehen deklariert und übersprungen, so dass Eigentumsansprüche der ehemaligen Grundbesitzer noch sehr viel länger erhoben werden konnten als rechtlich sonst üblich. Allerdings konnten sich die neuen Herren zunächst relativ sicher fühlen, weil nach dem Untergang der Usurpatorenregimes Konstantins III. wie des Gerontius bzw. des Maximus in Gallien noch eine weitere Usurpation folgte, mit der sich die Zentralregierung auseinandersetzen musste. Aber schon im Jahre 413 ging auch dieser Spuk zu Ende. Andererseits entstand mit dem Erscheinen der Westgoten im südöstlichen Gallien und damit in der unmittelbaren Nachbarschaft der spanischen Provinzen eine völlig neue und keineswegs weniger bedrohliche Situation. Jedoch war der Spielraum der römischen Politik entscheidend gewachsen, standen ihr jetzt doch mehrere Optionen zu Gebote. Die inneren Verhältnisse in den von der Ansiedlung betroffenen spanischen Provinzen waren zu Anfang – wenn wir den römischen Berichterstattern Glauben schenken dürfen – von einer Welle von Brandschatzungen, Plünderungen und dadurch ausgelösten Unbilden wie Hungersnot und Pest gekennzeichnet. Dennoch brach der Widerstand der Einheimischen in den Städten und befestigten Orten, wo er am ehesten auch auf längere Zeit möglich gewesen wäre, recht schnell zusammen. Die Provinzialbevölkerung fand sich mit ihrem Knechtsdasein – wie es ein Chronist69 formuliert – ab, vielleicht in dem Bewusstsein, lediglich die Herren getauscht zu haben. Nach Orosius, dem Autor einer Weltgeschichte aus christlicher Sicht, die er im Auftrag des heiligen Augustinus schrieb, entwickelten sich sogar relativ schnell einigermaßen erträgliche Verhältnisse, spielten sich jedenfalls im Alltagsleben durch die Umstände erzwungene Formen von Pragmatismus und Koexistenz ein. Sie wirkten sich auch positiv auf die Kontakte mit der Bevölkerung 63

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1 der Regionen Spaniens aus, die nicht direkt von der Ansiedlung 2 betroffen waren70. Diese Entwicklung würde auch der ebenfalls 3 von Orosius bezeugten Selbstbescheidenheit der Neuankömmlinge 4 entsprechen, sollen sie doch gegenüber ihren römischen Verhand5 lungspartnern Folgendes geäußert haben: „Wir kämpfen miteinander 6 und erleiden Niederlagen auf unsere Kosten; wir siegen aber für dich [ge7 meint ist der römische Kaiser], und es ist ein ewiger Gewinn für das 8 Reich, wenn in unseren inneren Kämpfen beide streitenden Parteien zu9 grunde gehen“ 71. Den Wert dieses Zeugnisses für die Erhellung der 10 Beziehungsgeschichte zwischen römischer Provinzialbevölkerung 11 und den gentes mindert jedoch die Verwendung eines Barbaren12 stereotyps seitens des Orosius, demzufolge die Protagonisten der 13 überlegenen römischen Zivilisation nur den Platz des amüsierten 14 Zuschauers bei den Kämpfen der Barbaren untereinander einzu15 nehmen bräuchten. Und ebenso wenig glaubhaft ist die Informa16 tion desselben Autors, die Invasoren hätten in Spanien den Pflug in 17 die Hand genommen, was bei ihrer nachweislichen „Verreiterung“ 18 ausgeschlossen werden kann. Bei dem weit gereisten, aus der Nord19 westecke (aus Bracara, heute Braga) der Iberischen Halbinsel stam20 menden Orosius lässt sich überhaupt die Tendenz feststellen, die In21 vasion und deren Folgen zu verharmlosen, obwohl er doch selbst 22 Miterlebender und Miterleidender gewesen sein muss. Bei aller 23 sonstigen Distanziertheit verschaffen sich doch an einer Stelle seines 24 Werkes persönliche Empfindungen Luft, wenn er von einem noch 25 nicht lange zurückliegenden Erlebnis Folgendes berichtet: „Um ein26 mal von mir selbst zu berichten: Zuerst habe ich die Barbaren als Unbe27 kannte angesehen, dann habe ich sie als Feinde gemieden, anschließend 28 habe ich ihnen als Herren geschmeichelt und sie, die Ungläubigen, ange29 fleht, zuletzt bin ich ihnen entflohen, als sie mir nachstellten. Ich bin ihnen 30 nämlich entronnen, von einem plötzlich aufsteigenden Nebel eingehüllt, als 31 sie mich auf See verfolgten und mich mit großen Steinen und Pfeilen angrif32 fen, mich sogar schon beinahe mit ihren Händen festhielten“ 72. Diese Be33 gebenheit dürfte sich auf der Seereise des Orosius im Jahre 414 nach 34 Hippo Regius in Nordafrika und damit zum heiligen Augustinus 35 abgespielt haben. Seine Route wie auch die barbarischen Angreifer 36 zur See sind nicht auszumachen, auch ist nicht gesagt, dass sich der 37 Überfall auf das Schiff, in dem sich Orosius befand, im westlichen 38 Mittelmeer zutrug. Bei den unsicheren Verhältnissen auf dem fla39 chen Land in Spanien könnte sich Orosius auch von Bracara direkt 40 zu einem Atlantikhafen begeben haben; dann wären die Angreifer 41 swebische oder vandalische, vielleicht auch sächsische Seefahrer ge42 wesen. Wenn sich diese Episode im Mittelmeer abspielte, müsste 43 44 64

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man hingegen eher mit westgotischen, Piraterie betreibenden Angreifern rechnen. Allen diesen Nachrichten zum Trotz ist anzunehmen, dass es relativ schnell zu einem mehr oder weniger geordneten Zusammenleben zwischen Einheimischen und Neuankömmlingen kam. Auf der langen Wanderschaft hatte sich die Position des Königtums bei den Land nehmenden Gruppen gestärkt und sich wohl auch in einer strafferen Organisation innerhalb der Gemeinschaft niedergeschlagen, so dass sich Anarchie und Willkür nach innen wie nach außen in Grenzen hielten. Selbst der Tod des Königs, häufig gleichbedeutend mit der Auflösung jeglicher Ordnung und dem Untergang der Gemeinschaft, konnte durch die Sakralisierung der Königsherrschaft – so jedenfalls bei den Vandalen – aufgefangen werden. Namentlich werden uns im zweiten Jahrzehnt des 5. Jahrhunderts folgende Könige genannt: bei den – hasdingischen – Vandalen zunächst Guntherich, neben ihm jedenfalls noch in Spanien Geiserich, bei den Silingen Fredbal und bei den Alanen erst Respendial und dann Addac, bei den Sweben Hermerich. Dieser wohl sich recht bald einstellende Modus vivendi zwischen den Neuankömmlingen und den Alteingesessenen wurde dadurch jäh unterbrochen, dass es der römischen Diplomatie gelang, die Westgoten unter ihrem König Athaulf mit dem Auftrag nach Spanien zu schicken, die nach Rechtsauffassung der Regierung in Ravenna sich dort widerrechtlich Aufhaltenden zu vertreiben. Den gotischen Interessen kam dies insoweit gelegen, als der seit Mitte September 415 regierende neue westgotische König Valia wie schon sein Vorvorgänger Alarich (I.) Nordafrika als „Land der Verheißung“ im Visier hatte. Die Westgoten durchzogen darauf hin die Iberische Halbinsel im Küstenbereich des Mittelmeers – ohne mit den gentes in irgendeiner Weise in Kontakt zu kommen – und schickten auch eine Vorausabteilung über das Meer nach Nordafrika (wohl von einem Hafen noch weit vor der Meerenge von Gibraltar). Das Unternehmen scheiterte jedoch kläglich, zweifellos wegen der maritimen Unerfahrenheit der Westgoten, die zudem durch Abspaltungen noch geschwächt wurden. Kleine gotische Gruppen dürften sich den römischen Autoritäten in Spanien unterworfen haben und in deren Diensten dann auch nach Nordafrika gegangen sein. Die hungernde und in ihr Ausgangsgebiet in Nordostspanien zurückgekehrte westgotische Kerngruppe unter König Valia trat anschließend offiziell in den Dienst des Römerreichs und führte in den Jahren zwischen 416 und 418 einen regelrechten – und erfolgreichen – Vernichtungsfeldzug zunächst gegen die Silingen und anschließend 65

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gegen die Alanen. Diese Ereignisse sprechen auch eindeutig dafür, dass zu keinem Zeitpunkt die Regierung in Ravenna die Landnahme und Ansiedlung der verschiedenen Gruppen der „Völkerlawine“ von 405/406 anerkannt hatte und sich also an die Abmachungen eines Usurpatorenregimes wie desjenigen des Gerontius in keiner Weise gebunden fühlte. Von den römischen Autoritäten vor Ort wohl gut versorgt – es mangelte den barbarischen Gruppen immer an Nahrungsmitteln, Kleidung und Futter für die Reiterei, weniger an Waffen – wandten sich die Westgoten unter Valia zunächst gegen die Silingen und anschließend gegen die Alanen. Aus einem späteren Zusatz zur Chronik des Spaniers Hydatius erfahren wir, dass es Valia mit Hilfe einer List gelang, den Silingenkönig Fredbal gefangen zu nehmen; er wurde sogleich nach Ravenna überstellt, wo ihn Kaiser Honorius später aus Anlass der Feier seines 30-jährigen Regierungsjubiläums zur Schau stellen und anschließend umbringen ließ. Schwere militärische Niederlagen führten nahezu zur Vernichtung der Silingen. Und ähnlich erging es den Alanen unter Führung ihres Königs Addac. Die Überlebenden beider Gruppen unterstellten sich darauf hin den hasdingischen Vandalen. Anfang des Jahres 418 wurden die Westgoten allerdings von Constantius, dem neuen starken Mann im weströmischen Reich, der 421 für ganz kurze Zeit als Mitregent neben Kaiser Honorius treten sollte, über die Pyrenäen in das südliche Gallien zurückbeordert. Die Verschonung der Vandalen und Sweben auf Grund dieser Kehrtwende der kaiserlichen Politik mutet wie die Peripetie im antiken Drama an. Über die Gründe dieses überraschenden Abzugs der siegreichen Westgoten kann indes nur spekuliert werden. So könnte die Allianz zwischen den Westgoten Valias und der Regierung in Ravenna zeitlich befristet gewesen sein, so dass sich jene um einen neuen Vertrag bemühen mussten, für den durchzusetzen eine Anwesenheit im reichen Südgallien ein größeres Druckmittel darstellte. In Ravenna hingegen müsste man sich bewusst gewesen sein, dass mit den westgotischen Siegen die spanischen Provinzen keineswegs von allen Barbaren befreit worden waren. Und mit der Ansiedlung der Westgoten im südwestlichen Gallien, wie sie schon 418 auf dem Vertragswege zustande kam, war klar, dass damit ein starker und siegreicher barbarischer Verband wieder ganz nahe an die Kerngebiete des weströmischen Reiches rückte. Und was die Situation in Spanien betraf, so konnte man sich auch im weit entfernten Ravenna ausrechnen, dass Vandalen wie Sweben nicht auf Dauer in den nicht besonders attraktiven Regionen im Nordwesten der Iberischen 66

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Halbinsel festzuhalten waren. Denkbar ist allerdings als Erklärung für die Zurückziehung der Westgoten ein Strategie- und Politikwechsel der Zentrale in Ravenna. Möglicherweise favorisierte der tatkräftige ,Generalissimus‘ Constantius (im Jahre 421 Kaiser Constantius III.) eine Militärdoktrin, die weitgehend auf föderierte barbarische Truppenverbände noch dazu unter indigener Führung verzichten und mehr und mehr auf eigene Kräfte setzen wollte, um die allzu große Abhängigkeit von föderierten Barbarengruppen loszuwerden. Maßnahmen wie etwa die Neuerrichtung des Mainzer Grenzverteidigungskommandos am Mittel- und Oberrhein weisen in diese Richtung. Auch mag hinsichtlich der Verschonung der Sweben durch die Westgoten eine Rolle gespielt haben, dass der Westgotenkönig Valia mit der swebischen Königssippe nahe verwandt war. Dass sich die Position der Vandalen und Sweben nach den für deren Existenz so bedrohlichen Vorgängen in den Jahren zwischen 416 und 418 konsolidierte, gehört jedenfalls zu den nicht intendierten Folgen einer römischen Politik, die eigentlich ganz andere Ziele verfolgte. Immerhin sollten sich die Wege der Vandalen und Sweben nach 418 endgültig trennen, was die römische Politik durchaus auch als Erfolg verbuchen konnte.

8.4 Das vandalische Königtum und eine neue Ethnogenese in Spanien Das Königtum der Vandalen war seit seinen Anfängen, soweit man diese überhaupt ermitteln kann, kein wie auch immer vorgestelltes Volkskönigtum; es war religiös legitimiert und in der besonderen Form des Doppelkönigtums im Numinosen, im Bereich eines göttlich inspirierten Waltens und Wirkens, verankert. Wenn es sich im Zuge der Auseinandersetzungen mit Goten und Römern zum Heerkönigtum wandelte bzw. Elemente des Heerkönigtums in sich aufnahm, bedeutete dies lediglich einen zusätzlichen Befähigungsnachweis. Nach Ambri und Assi, Raos und Raptos, Argaith und Guntherich und nach einer lediglich namentlich nicht bekannten, von einem Zeitgenossen bezeugten Anführerzweiheit werden in der Überlieferung für Visimar und Godegisel keine Mitkönige genannt. Das muss aber nicht heißen, dass diese keine Mitkönige an ihrer Seite gehabt hätten. Das argumentum e silentio, also ein aus der Nichterwähnung erschlossener Beweis, ist ein schwaches Argument 67

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und sollte möglichst vermieden werden. Die Annahme, die vandalischen Könige aus der hasdingischen Königssippe seien durch Wahl seitens einer Heeresversammlung zur Herrschaft gelangt, ist verfehlt und wird einem unhaltbaren Konstrukt der Forschung vor allem des 19. Jahrhunderts verdankt, die die Gemeinfreiheit bei den Germanen insgesamt aufs Podest erhoben hatte. Von einem gewissen Mitspracherecht des Adels in den für die Gemeinschaft existenziellen Themen wird man allerdings ausgehen können. Ob die Legitimationsbasis von Herrschaft bei der Etablierung neuer Gemeinschaften in der Weise verbreitert wurde, dass man den vandalischen Krieger in den Willensbildungsprozess mit einbezog, ist nicht auszuschließen. Solche Prozesse konnten in Gang kommen, wenn sich etwa Restgruppen barbarischer gentes neu orientieren mussten und sich deshalb stärkeren Gemeinschaften anschlossen, ohne darin spurlos unterzugehen. Ein solcher Anschluss konnte im Extremfall zu einem mentalen Neuanfang bzw. zu einem Wechsel des Selbstverständnisses sogar bei der aufnehmenden Gemeinschaft führen, wie das Beispiel einer Gruppe von Donausweben lehrt. Diese fanden, von den (Ost-)Goten unerbittlich verfolgt, bei den Alemannen in Südwestdeutschland Aufnahme und bewirkten, dass diese sich mit den Neuankömmlingen zunehmend unter dem altberühmten Namen der Sweben begriffen. Die Nachrichten über das Königtum der Vandalen noch in Spanien, da z. T. zeitlich weit von den berichteten Vorgängen entfernt, werden von der Forschung größtenteils in Zweifel gezogen. Hierzu gehören auch der für 410 – und von einer zeitgenössischen Quelle – bezeugte Schlachtentod des Königs Godegisel in Spanien wie auch die gemeinsame Regierung seiner Söhne Guntherich und Geiserich73 als seine Nachfolger. Die Regierungszeit des Guntherich – 410 bis 428 – ist dabei allerdings unstrittig74. Abgelehnt und als phantasievolle Geschichte abgetan wird vor allem die Behauptung Prokops, die gemeinsam in Spanien regierenden Könige Guntherich und Geiserich hätten mit dem römischen Oberkommandierenden in Nordafrika Bonifatius, der zeitweise mit der römischen Zentrale in Ravenna gebrochen hatte, ein konspiratives Abkommen getroffen. Nach einer Invasion Nordafrikas durch die Vandalen sollte das Land zwischen den drei Verbündeten geteilt werden; von diesen Abmachungen habe Bonifatius aber bald wieder Abstand genommen. Nach dem gewaltsamen Tod des Guntherich im Kampf mit Germanen in Spanien habe Geiserich die Vandalen dann nach Nordafrika geführt. Warum die lateinischen Chroniken das Mitkönigtum des Geiserich unterschlagen, ist letztlich nicht zu klären. Geiserich war 68

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ein Sohn des Königs Godegisel und einer Sklavin wohl nichtgermanischer Herkunft, war also ein Halbbruder Guntherichs. Diese Abstammung war kein Grund zur Ausschließung von der Herrschaft, aber man erwartete von Männern solcher Herkunft den Beweis von überragender Tüchtigkeit. Deshalb mag Geiserich nicht sofort nach dem Tode seines Vaters und in Fortführung des traditionellen Doppelkönigtums zusammen mit Guntherich die Herrschaft angetreten haben. Für die Erneuerung und Fortführung des vandalischen Doppelkönigtums bietet sich auch folgendes Ereignis an: Als sich die Reste der Silingen und Alanen, die dem von den Westgoten veranstalteten Gemetzel entkommen waren, den Vandalen unterstellten, weil die eigene Führungsschicht mehr oder weniger vernichtet worden war, könnte Geiserich zum Mitkönig erhoben worden sein, um die Entstehung einer neuen gens nach Innen und nach Außen zu signalisieren. Der Titel des Vandalenkönigs – rex Vandalorum et Alanorum – ist zwar erst für die vandalische Periode in Nordafrika überliefert, aber er könnte durchaus schon in Spanien als Ausdruck für eine neue Ethnogenese entstanden sein. Die schon zuvor vorhandene polyethnische Struktur des vandalischen Heeresverbands (exercitus) erweiterte dadurch ihre Basis, ohne dabei die Orientierung auf die hasdingische stirps regia und deren sakrale Verankerung aufzugeben. Man hat deshalb auch von der Geburt eines „Alano-Vandal people“ gesprochen, um den Sachverhalt einer neuen Stammesbildung auf den Punkt zu bringen. Den Begriff einer „realen Personalunion“ sollte man dafür aber nicht verwenden; dies ist zu modern gedacht und wird dem Vorgang einer neuerlichen Ethnogenese nicht gerecht. Dass auch die Silingen einbezogen wurden, ohne dass dies nach Außen zum Ausdruck gebracht wurde, lässt sich allerdings durchaus begreiflich machen. Mit dem Verlust von König und Adel nach der Niederlage gegen die Westgoten dürfte ihre legitimierende Geschichtsüberlieferung mit der gentilen Memoria der hasdingischen Vandalen, wie solche die Anfänge und die Entwicklung der Gemeinschaft fixierenden Traditionen in der Wissenschaft genannt werden, wegen des gemeinsamen Ursprungs wieder eins geworden sein. Die alanische gentile Memoria ließ sich hingegen in dieser Weise nicht völlig inkorporieren, so dass man sich gezwungen sah, die Einheit aus der ursprünglichen Zweiheit mit regnum Vandalorum et Alanorum zum Ausdruck zu bringen. Dafür waren wohl weniger kulturell-zivilisatorische und sprachliche Verschiedenheiten ausschlaggebend, sondern Existenz und Beharrungskraft eines Sonderbewusstseins über die Zeiten und über die durchzogenen weiten Räume hinweg. Verantwortlich dafür dürften Reste des alanischen 69

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(Reiter-)Adels gewesen sein, den wir im Namenmaterial des Vandalenreichs im ehemals römischen Nordafrika noch ausmachen können. Gestärkt und neu formiert durch den Anschluss barbarischer Kleingruppen – darunter möglicherweise auch von Westgoten, die nicht mit ihrem König Valia nach dem Norden Spaniens und nach Gallien zurückgezogen waren – wandten sich die Vandalen gegen ihre bisherigen Verbündeten, die Sweben, und schlossen deren Heeresaufgebot in den „Nerbasischen Bergen“ (weit im Norden des heutigen Galiziens) ein. Einem überlegenen römischen Heer unter dem General Asterius, der erstaunlicherweise von einem hohen römischen zivilen Beamten unterstützt wurde, gelang es jedoch, diese Blockade zu durchbrechen und das swebische Heer vor dem Untergang zu bewahren75. Dieser Fehlschlag führte wohl auch zur endgültigen Aufgabe des zeitweiligen Siedelgebiets der Vandalen in Nordwestspanien und zu einem Marsch in den Süden. Aber schon bei Bracara (heute Braga im Norden Portugals) scheint es zu erneuten Kämpfen und Verlusten der Vandalen gekommen zu sein; man wollte wohl römischerseits verhindern, dass die Vandalen im Süden Spaniens Fuß fassten, nachdem gerade die Silingen und Alanen nahezu aufgerieben worden waren. Dennoch erreichten die Vandalen ihr Ziel und setzten sich für eine gewisse Zeit in der angestrebten Region fest, die allerdings nicht genau beschrieben werden kann. Es mag sich um Gebiete im südlichen und südöstlichen Spanien gehandelt haben, die zuvor von den Silingen und Alanen in Besitz genommen worden waren, ehe diese von den Westgoten vernichtend geschlagen wurden und als politische Verbände nahezu untergingen. Im südlichen Spanien setzten sich die Vandalen und die Reste der Silingen und Alanen, die sich ihnen angeschlossen hatten, wohl erst in den Jahren 419–420 fest, nicht schon 418, als man sich noch von den von den Westgoten erteilten Schlägen erholen musste. Nach einer nahezu zeitgenössischen Chronik76 fand im Jahre 420 in Spanien die Usurpation eines gewissen Maximus statt. Man wird ihn mit dem 410/11 von dem römischen General Gerontius erhobenen Usurpator identifizieren können, der nach dem Sturz des Gerontius zu den Barbaren geflüchtet war. Dazu stellt sich nun die Frage, auf welche Kräfte in Spanien sich Maximus bei seiner neuerlichen Usurpation stützen konnte. Sein Rückhalt in der provinzialrömischen Bevölkerung Spaniens und in der dortigen Grundbesitzeraristokratie kann angesichts der Erfolge der Konsolidierungspolitik der Zentralregierung in Ravenna in Gallien und auch in Spanien nicht sehr groß gewesen sein. Vielmehr liegt die Annahme 70

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nahe, dass Maximus eine Marionette im Gefolge der Vandalenkönige gewesen war, zu denen er sich 411 gerettet hatte. Damit wären die Vandalen dem Beispiel der Westgoten gefolgt, die unter ihrem König Alarich mit Waffengewalt den Senatoren in Rom einen der Ihren mit Namen Priscus Attalus als Kaiser aufoktroyierten, ihn aber bald wieder fallen ließen. Eine ähnlich kurze Episode stellte auch die Usurpation des Maximus dar, denn schon für das Jahr 422 wird seine Hinrichtung in Ravenna im Rahmen öffentlicher Spiele aus Anlass des dreißigjährigen Regierungsjubiläums des Kaisers Honorius berichtet. Anscheinend hatten ihn die Vandalen, von den römischen Operationen unter Asterius und Maurocellus und den militärischen Erfolgen der Römer eingeschüchtert, einfach im Stich gelassen. Die Preisgabe der Galionsfigur Maximus beendigte jedoch keineswegs die äußerst gefährdete Situation der Vandalen, auch wenn sie ihr durch ein Ausweichen in die Baetica (Südspanien) zu entgehen versuchten. Die weströmische Regierung in Ravenna beauftragte nämlich bereits im Jahre 422 den General Flavius Castinus, die Vandalen zu unterwerfen. Gedacht war römischerseits an eine konzertierte Aktion, an der sowohl westgotische, auf vertraglichem Weg in Dienst genommene Einheiten (foederati) als auch römische Truppen aus Nordafrika unter dem Kommando des Bonifatius teilnehmen sollten. Nach ersten Erfolgen der Römer strebte Castinus die völlige Vernichtung der Vandalen an, ohne anscheinend die Unterstützung durch die Armee des Bonifatius abzuwarten. Wohl überraschenderweise erlitt die römische Armee in einer offenen Feldschlacht aber eine schwere Niederlage. Wie immer bei römischen Misserfolgen sind die Quellen mit Verratsvorwürfen schnell bei der Hand. So sollen sich die gotischen Föderaten als treulos erwiesen77 bzw. die Uneinigkeit und die Rivalität innerhalb der römischen Armeeführung das Desaster herbeigeführt haben78. Castinus konnte sich nur mühsam nach Tarraco (Tarragona) retten. Strategische Fehler des römischen Oberkommandierenden dürften für die römische Niederlage eine völlig ausreichende Erklärung sein, auch wenn es möglicherweise mit der Einigkeit innerhalb der Expeditionsarmee nicht zum Besten stand. Für Salvian von Massilia79 waren dieses Ereignis und vergleichbare Vorgänge eine weitere Gelegenheit, den Ausgang der Schlacht zu einer Art Gottesurteil hoch zu stilisieren, durch das Gottes strafende Gerechtigkeit wegen der Sündhaftigkeit der Römer wieder einmal allen vor Augen geführt wurde. Mehr der modernen Forschung als der Meinung der Zeitgenossen nach gelten die Vandalen seit ihrer Ankunft in den Mittelmeerregionen als versierte Seefahrer, die wie später die Wikinger 71

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plötzlich auftauchten und blitzschnelle Landeoperationen und anschließende Plünderungszüge vornahmen. Sicher ist, dass sie sich seit ihrer Ankunft in Spanien auch mit der Seefahrt vertraut machten und die ausschließliche Dominanz der Reiterei zu Gunsten der Berücksichtigung von Fußkämpfern etwas zurückfuhren. Möglicherweise wagten sie sich bereits im Nordwesten Spaniens von ihrem ersten Siedelgebiet aus auf die offene See, taten dies jedenfalls nach der Eroberung wichtiger Hafenstädte wie beispielsweise Carthago Spartaria (Cartagena) an der Ostküste Spaniens. Römische Schiffe requirierend und die nautische Erfahrung römischer Seeleute nutzend, wagten sie sich spätestens seitdem aufs Meer und plünderten zunächst die Balearen und sogar die mittelmeerische Küste des römischen Mauretanien (Marokko). Diese maritimen Erfahrungen waren wichtige Voraussetzungen des wenige Jahre nach dem Sieg über die Armee des Castinus erfolgten Übergangs nach Nordafrika, dienten anscheinend bereits der Vorbereitung und der Erkundung für dieses Wagnis. Hierzu dürften sie auch Informationen abgeschöpft haben, die die Goten bei ihrem gescheiterten Versuch unter König Valia gesammelt hatten, waren doch kleine gotische Gruppen in Spanien zurückgeblieben; zudem standen in Nordafrika aus Goten rekrutierte Verbände unter römischem Kommando, unter denen vielleicht Einzelne als Informanten gewonnen werden konnte. Jedenfalls sollte man davon ausgehen, dass ein ständiger Informationsfluss nach Spanien hinsichtlich der Verhältnisse im römischen Nordafrika existierte und dass deshalb der schließlich vollzogene Übergang der Vandalen nach Nordafrika auf intensiver Erkundung und sorgfältiger Planung beruhte.

8.5 Die Vandalen als Christen Nach Salvian hätten die Vandalen – wie bereits angeführt (s. o. S. 11) – bei ihrem Schlachtensieg über die römischen Truppen unter dem Befehl des Heermeisters Castinus ihren Gegnern die Bibel gewissermaßen als ihr Feldzeichen entgegengehalten. Wenn dem so war – und es besteht eigentlich kein Grund, an dieser Nachricht zu zweifeln –, dann haben wir es mit einer Form von Buchmagie zu tun, die den unmittelbaren Beistand Gottes bewirken bzw. erzwingen sollte. Und nach einem sehr späten, byzantinischen Autor aus dem 12. Jahrhundert80 wären die Vandalen in Spanien im Besitz prächti72

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ger Evangelienhandschriften gewesen. Andererseits behauptet der spanische Priester Orosius, sie seien bei ihrem Übertritt über den Rhein (405 oder 406) noch Heiden gewesen81. Deshalb ist die Auffassung weit verbreitet, die Vandalen hätten erst in Spanien das Christentum – in Form eines Sonderbekenntnisses – angenommen. Nun lassen die Quellen nichts über einen Bekehrungsvorgang oder eine erfolgreiche Missionierung der Vandalen verlauten, im Gegensatz etwa zur Christianisierung der Goten oder der Franken. Zudem könnte das lange Festhalten am im Numinosen und Magisch-Mythischen verankerten Doppelkönigtum für die Zählebigkeit eines auf die Frühzeit zurückgehenden Heidentums germanischer Provenienz sprechen. Dem ist entgegenzuhalten, dass in der schon im 4. Jahrhundert weitgehend christianisierten Welt des Römerreichs heidnische Praktiken, vor allem auf dem Land, weiter geübt wurden, was häufig und zu Unrecht dahingehend missverstanden wird, das klassische Heidentum sei noch immer flächendeckend, nicht lediglich in kleinen isolierten Inseln, verbreitet gewesen. Für eine Bekehrung der Vandalen zum Christentum im Verlauf der großen Migration vom oberen Theißgebiet bis nach Spanien blieb aller Wahrscheinlichkeit nach keine Zeit. Vielmehr wird sie vor ihrem Aufbruch bereits die innergermanische Mission erreicht haben, die schon vor der Mitte des 4. Jahrhunderts Teile der Goten in den Gebieten jenseits der unteren Donau erfolgreich missioniert hatte und recht bald auch die übrigen „gotischen Völker“(die – späteren – Ostgoten, die Gepiden, die Vandalen und andere kleinere Gruppen) zur Annahme der christlichen Glaubensüberzeugung bewegte. Das bedeutete nicht, dass alle, die sich dem Zug angeschlossen hatten und sich dann etwa in Spanien als Vandalen begriffen, Christen waren; für die Führungsgruppe und deren unmittelbaren Anhang hat jedoch zu gelten, dass der alte Glaube aufgegeben worden war und man sich im Römerreich als Christen unter Christen bewegte. Wann genau den Vandalen allerdings klar wurde, dass ihr Christentum eine als häretisch verurteilte Variante davon war, wissen wir nicht; spätestens in Spanien dürfte ihnen dies jedoch bewusst geworden sein. Es ist üblich, die Vandalen und andere Großgruppen wie etwa die Goten glaubensmäßig als Arianer zu bezeichnen, genannt nach einem alexandrinischen Priester namens Arius, der sozusagen der Begründer dieser im Osten des Römerreichs beheimateten „Religionspartei“ war, und dies zur selben Zeit, als sich das Christentum gerade als Staatsreligion unter Kaiser Konstantin (I.) d. Gr. durchzusetzen begann. Kernpunkt der innerkirchlichen Auseinanderset73

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zung, in die sich allerdings die Staatsmacht sehr schnell einschaltete, war die theologische Frage nach dem Verständnis der göttlichen Dreieinigkeit. Vom monotheistischen Standpunkt aus, der von den Juden wie von den Christen rigoros behauptet wurde, waren das Problem und die daraus resultierende Unsicherheit und Diskussion darüber völlig berechtigt, wie denn die Begegnung mit Gott in seiner dreifachen Gestalt mit dem Glauben an die Einheit Gottes vereinbar sei. Schon in der Frühzeit des Christentums sind darauf verschiedene Antworten gegeben worden, eskaliert ist der Streit allerdings erst mit dem Auftreten des Arius, der den Nachdruck auf die Geschichtlichkeit des Menschen Jesus Christus legte. In der Konsequenz ist Christus damit herabgestuft und Gott in uneigentlichem Sinn, gehört also auf die Seite des Kreatürlichen, auf die Seite der geschaffenen Welt, und bedarf deshalb seinerseits der Erlösung. Wie aber sollte jemand, der selbst der Erlösung bedurfte, die Erlösung der Welt vollziehen, so wurde damals mit Recht gefragt. Da wiederum mit der Realität der Erlösung die Gewissheit des Heils untrennbar verbunden und die Heilsgewissheit nur gegeben war, wenn Christus voller Gott und voller Mensch war, bedeutete die Entgöttlichung Christi letztendlich den Verlust des Heils. Das 1. Ökumenische Konzil, das 325 unter dem Vorsitz Kaiser Konstantins in Nizäa zustande kam, erklärte die damals gefundene Glaubensformel (Symbolon) für verbindlich und bedrohte jede Abweichung von der „rechten Lehre“ (Orthodoxie) mit Sanktionen, indem diese sogar in die Reichsgesetzgebung aufgenommen wurde. Die damals verabschiedete Glaubensformel lautete folgendermaßen: „Christus kommt aus dem Wesen des Vaters, er ist gezeugt, nicht geschaffen, ist wesenseins (homo-úsios) mit dem Vater“. Die Arianer brachten ihre Überzeugung vom Verhältnis Gott Vater zu Gott Sohn auf die Kurzformel der Wesensähnlichkeit (homoi-úsios= wesensähnlich). Obwohl der Abfall von der Orthodoxie, Häresie oder Ketzerei genannt, sogar zum Staatsdelikt erhoben wurde, erfasste die Lehre des Arius weite Kreise. Kaiser aus der Osthälfte des Römerreichs wie Constantius II. (regierte 353–361 auch das Gesamtreich) oder Valens (regierte 364–378 das Ostreich) galten den Zeitgenossen als Anhänger der homöischen Richtung des Christentums und mussten durch ein weiteres ökumenisches Konzil, das von Konstantinopel im Jahre 381, und der dort vorgenommenen erneuten Verurteilung des homöischen Dogmas in die Schranken gewiesen werden. Die keineswegs seltene weltgeschichtliche Rolle des Zufalls offenbart sich an dem so wichtigen Vorgang der Christianisierung der germanischen Welt. Das im 4. Jahrhundert endgültig christianisierte 74

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Römerreich und die „nördlichen Barbaren“ begegneten sich damals am intensivsten in der Region an der unteren Donau und am Schwarzen Meer, für die der in Konstantinopel residierende Ostkaiser verantwortlich zeichnete. Ungeachtet der Konzilsbeschlüsse von Nizäa war der Arianismus nicht ausgemerzt worden, fand vielmehr im Klerus wie an der Spitze des Reichs dezidierte Befürworter und Anhänger. Entsprechend wurden die Missionsbemühungen unter den Völkern jenseits der unteren Donau sowohl von Anhängern der Orthodoxie als auch von Vertretern der homöischen Richtung des Christentums getragen. Größeren Anklang fand in der Gothia ein gewisser Wulfila („Wölflein“), dessen Vorfahren von Goten aus Kleinasien nach Transdanubien verschleppt worden waren und der sich als Gote unter Goten verstand. Im Jahre 341 war er zum Bischof der „Christen im getischen (gotischen) Land“ geweiht worden, kurz vor der Jahrhundertmitte musste er während einer Christenverfolgung über die Donau auf Reichsgebiet flüchten. Im mösischen (Nordbulgarien) Bergland um die Stadt Nikopolis wirkte er fortan als Chorbischof, dort entstanden ein Großteil seiner theologischen Schriften und sein berühmtestes Werk, die Übersetzung der Bibel ins Gotische. Seine direkten Adressaten, also die „Schäflein“ des „Wölfleins“, waren zwar die dort lebenden „Kleingoten“ (Gothi minores), aber sein Werk strahlte in kaum zu überschätzender Weise auch auf die „freien“ Goten und auf die anderen transdanubischen Gruppen aus. Während einer Kirchenversammlung in Konstantinopel im Jahre 383 ist Wulfila dann verstorben. Den Übertritt einer gotischen Großgruppe unter Führung eines gewissen Fritigern zu der von ihm verkündeten und gelebten Variante des Christentums – mit beträchtlichen Folgewirkungen für die weitere „innergermanische“ Mission – konnte er noch selbst erleben. An seinem – von der Orthodoxie abweichenden – Glaubensbekenntnis im Sinne des homöischen Symbolons hielt er noch auf dem Totenbett fest. Mit dem auf dem 2. Ökumenischen Konzil 381 verabschiedeten und staatlich sanktionierten Beschluss (Kanon), dass „die Kirchen Gottes unter den barbarischen Völkern nach der Weise regiert werden sollen, wie sie schon unter den Vätern herrschte“, wurde das Stammeschristentum und so auch das vandalische als ein häretisches gleichsam in den Untergrund gedrängt, damit einerseits eine Radikalisierung der christlichen Anschauung der Vandalen bewirkt, andererseits aber auch ein wichtiger Faktor für die Identitätsbildung neben der Sprache und neben der gemeinsamen Überlieferung bereitgestellt. Ansätze zu dieser Radikalisierung, wie sie sich später in Nordafrika in den Katholikenverfolgungen niederschlug, sind schon 75

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am Verhalten der Vandalen in Spanien festzustellen. König Guntherich, so wird berichtet82, soll bei der Plünderung des Kirchenschatzes der dem heiligen Vincentius geweihten Kirche in Hispalis (Sevilla) plötzlich vom Tod überrascht worden sein, was von den Katholiken Spaniens sogleich als dieser Schandtat auf dem Fuß folgende Strafe Gottes gedeutet wurde. Und von seinem Mitkönig und alleinigem Nachfolger Geiserich wird im selben Zusammenhang berichtet, er sei vom rechten Glauben, also von der (katholischen) Orthodoxie zum Arianismus abgefallen. Da es eher unwahrscheinlich ist, dass dem Christentum in der hasdingischen Königssippe zum damaligen Zeitpunkt in unterschiedlichen Glaubensrichtungen angehangen wurde, ist die Botschaft dieser Nachricht doch immerhin die, dass auch Geiserich mindestens in Spanien bereits Christ war. Der immerhin zwei Jahrzehnte währende Aufenthalt der Vandalen in Spanien hatte das Tempo ihrer religiösen Entwicklung zweifellos erhöht und ihr Christentum in eine spezifische Form symbolischer Wahrheitserzählung ausgestaltet. Als Sinn begründendes Erfahrungswissen stand es auch nach der Landung in Nordafrika und der dort in mehreren Schritten erfolgten Reichsbildung nicht mehr zur Disposition; dem Konflikt mit der christlichen Orthodoxie, der die übergroße Mehrheit der Bevölkerung dort anhing, konnte unter bewusster Inkaufnahme negativer Konsequenzen nicht mehr aus dem Weg gegangen werden.

8.6 Der Übergang nach Nordafrika 429 und die Eroberung Karthagos 439 Nordafrika als das „gelobte Land“ – im Vergleich zu den anderen Regionen der Westhälfte des Römerreichs konnte es im 5. Jahrhundert immer noch als prosperierend gelten, die städtische Zivilisation zeigte kaum Anzeichen von Niedergang und Verfall und auf dem flachen Lande erreichte die luxuriöse Lebensweise der Grundbesitzeraristokratie sogar einen neuen Höhepunkt – war wohl schon lange im Visier der vandalischen Könige und ihrer Führungselite. Unabhängig davon, wie eng die Kontakte und mögliche Verbindungen zwischen der vandalischen Führung und dem römischen Machthaber Bonifatius in Nordafrika wirklich waren, ist jedenfalls davon auszugehen, dass man über die dortigen Verhältnisse und be76

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sonders über die Bedeutung Nordafrikas für die Versorgung Roms und Italiens etwa mit den Grundnahrungsmitteln Getreide und Speiseöl recht gut informiert war. Für einen ständigen – bürokratischen – Informationsfluss zwischen Spanien und dem westlichsten Teil von Nordafrika, Mauretania Tingitana (heute Marokko) genannt, sorgte auch die römische Verwaltungseinteilung, bildete doch diese nordafrikanische Römerprovinz zusammen mit den spanischen Provinzen eine große Verwaltungseinheit (Diözese) unter dem Dach der gallischen Prätorianerpräfektur mit Sitz in Arles. Schon allein dadurch ergaben sich Kontakte mit hohen römischen Zivilbeamten und Militärs und damit vielfache Abschöpfungsmöglichkeiten, etwa die Straßenverhältnisse, die wirtschaftlichen und militärischen Ressourcen, die Stimmung unter der Bevölkerung und anderes mehr betreffend. Wenn man wie die Vandalen vielleicht schon in der alten Heimat an der oberen Theiß Hungersnöte erlebt hatte und auf der langen Wanderung keinen Beitrag zur Selbstversorgung leisten konnte, zudem die kargen Böden in ihrem ersten spanischen Ansiedlungsrayon wenig hergaben, selbst wenn man begonnen hätte, die eigene Lebensweise umzustellen und das Land zu bebauen, wenn man schließlich im südlichen Spanien einen ersten Vorgeschmack darauf erhielt, was alles an landwirtschaftlicher Produktivität als Grundlage für die Annehmlichkeiten eines besseren, angenehmen Lebens möglich war, mussten die Berichte über bestimmte Regionen in Nordafrika die Vorstellung von einem Land, in dem „Milch und Honig“ floss, beflügeln und die Illusion eines sorgenfreien Lebens hervorrufen. Weitere, den Vandalen und vor allem ihrem Lenker und Planer Geiserich unterstellte Motive hingegen sind im besten Falle als reine Spekulationen zu bezeichnen. Wenn von christlicher Seite (Salvian von Massilia83) dazu geäußert wurde, die Vandalen seien von Gott selbst wegen des sündhaften Lebens der nordafrikanischen Bevölkerung zur Eroberung des römischen Nordafrika ausgesandt worden, und diese mit Salvians Endzeiterwartung zusammenhängende Erklärung von der Forschung in der Weise auf den Kopf gestellt wird, die Vandalen hätten, angetrieben von einem antikatholischen – arianischen – Missionsbewusstsein, ihren bisherigen Raub- und Kaperzügen abgeschworen und gewissermaßen einen „Heiligen Krieg“ geführt, so wird diese Auffassung dem Denken der Vandalen ebenso wenig gerecht wie etwa die Frage, ob die Vandalen sich um die Legitimität ihres Vorgehens überhaupt gesorgt hätten. Es verbietet sich vielmehr methodisch, aus den räsonierenden Überlegungen vor allem der christlichen Zeitgenossen über den Niedergang und Ver77

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1 fall der römischen Staatsmacht auf das Denken und die daraus resul2 tierenden Aktionen der völkerwanderungszeitlichen Großgruppen 3 und ihrer Führungseliten zu schließen. 4 Der plötzliche Tod König Guntherichs, der lediglich unmündige 5 Kinder und eine Witwe hinterließ, so dass sich die Nachfolgefrage 6 jedenfalls zunächst nicht stellte, kam zweifellos dem Handlungsspiel7 raum Geiserichs und einer strafferen Planung des großen Wagnisses 8 der Invasion Nordafrikas zugute. Die günstigste Abfahrts- und Lan9 destelle dürfte schnell ausgemacht worden sein, als wesentlich 10 schwieriger wird sich die Logistik des Unternehmens herausgestellt 11 haben. Es musste für ausreichend Schiffsraum gesorgt werden, dessen 12 Bereitstellung auf Grund der zahlreichen spanischen Mittelmeer13 häfen und deren Kapazitäten vielleicht weniger Probleme bereitete 14 als die einigermaßen exakte Berechnung des notwendigen Trans15 portvolumens selbst. Voraussetzung für Letzteres war die Ermittlung 16 der Personenzahl für die Überfahrt nach Nordafrika, aber auch der 17 Zahl der Pferde für die so wichtige Reitertruppe und des Umfangs 18 der Ausrüstungsgegenstände überhaupt. Auch wird man davon aus19 gehen können, dass man sich für die Ernährung der Auszuschiffen20 den nicht ausschließlich auf die dann zu plündernden Kornspeicher 21 in Nordafrika verließ, sondern zumindest Notrationen auf der 22 Überfahrt mit sich führte. In diesem Zusammenhang macht die 23 Nachricht Sinn, Geiserich habe unmittelbar nach der Landung in 24 Nordafrika alle gerade Angekommenen zählen lassen und diese dann 25 in 80 Tausendschaften aufgegliedert84. Die überlieferte Zahl der Ge26 zählten wie auch der Zeitpunkt der Zählung wirft allerdings Pro27 bleme auf. Einmal spricht Prokop85 nur von 50 000 Menschen, die 28 damals nordafrikanischen Boden betreten haben sollten, und zum 29 anderen macht es wenig Sinn, dass angeblich erst nach der Anlan30 dung der Vandalen gezählt worden sei. Gerade für die Vorbereitung 31 der Überfahrt war es wichtig, ja unumgänglich, die zur Übersied32 lung nach Nordafrika Entschlossenen zu zählen, um eben für den 33 entsprechenden Schiffsraum sorgen zu können. Als Lösung dieses 34 Überlieferungsproblems bietet sich die Annahme an, es habe insge35 samt zwei Zählungen gegeben, vor der Einschiffung und nach der 36 Landung. Beides macht Sinn, denn es war keineswegs ausgemacht, 37 dass die, die von der spanischen Küste aufbrachen, auch wirklich in 38 Nordafrika ankamen. Eine Zählung nach der Landung hätte dann 39 der genauen Ermittlung der eingetretenen Menschenverluste ge40 dient, der nordafrikanische Bischof Victor von Vita, dem wir die 41 Nachricht von der Zählung nach der Landung verdanken, wäre 42 dann lediglich an der Feststellung der Zahl der wirklich Gelandeten 43 44 78

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interessiert gewesen. Die Aufgliederung in die 80 Tausendschaften wäre dann tatsächlich erst nach der Landung geschehen, denn die Tausendschaft wird sowohl die Grundlage für die anvisierte Zuteilung von Grundbesitz als auch die Rekrutierungsbasis für das Heer gewesen sein. Jede Tausendschaft setzte sich aus den Kriegern und deren Familien zusammen; wie für die Westgoten belegt, war auch der vandalische Krieger ein „Tausendschaftssoldat“ (millenus miles bei den Westgoten, exercitalis bei den Ostgoten), der für sich und seine Familie ein Anrecht auf Grundbesitzzuteilung erwarb. Die 80 Tausendschaften in Nordafrika stellten also das untergliederte Land nehmende Invasionsvolk dar (und nicht das Heer selbst), auf deren Grundlage ein Aufgebot von kaum mehr als 10–15 000 Kämpfern zustande kam, die jeweils unter dem Kommando von Tausendschaftsführern (millenarii) standen. Als es dann später zur Ansiedlung der Vandalen im nordafrikanischen Kerngebiet kam, dürften die zu Tausendschaften zusammengeschlossenen Familien dann auch jeweils zusammengeblieben sein. Auch wenn alle Zahlen über Heeresstärken und Bevölkerungsverhältnisse aus der Antike mit großer Zurückhaltung zu betrachten sind (sie sind in der Regel total überhöht), so wird man die von Prokop überlieferte Zahl von 50 000 Menschen nach der Landung in Nordafrika doch als für zu niedrig angegeben ansehen müssen. Daraus würde sich etwa ein Fünftel bis ein Siebtel an aktiven Kriegern ergeben, mit denen man die Unterwerfung, Sicherung und herrschaftliche Durchdringung wesentlicher Teile Nordafrikas und seiner Bevölkerung nicht hätte bewerkstelligen können. Die Invasionspläne und die Vorbereitungen für die Überfahrt und die Anlandung in Nordafrika waren bereits im Frühjahr 429 abgeschlossen und dementsprechend bewegte sich der vandalische Wanderzug bereits auf die spanische Südküste zu, als ein ihm nachrückender swebischer Heeresverband unter dem Befehl eines gewissen Hermigar ausgemacht wurde. Die Sweben wollten anscheinend die von den Vandalen verlassenen Regionen im südlichen Spanien sofort besetzen und vielleicht zudem den vandalischen Auszug in eine Fluchtbewegung verwandeln. Darauf hin eilte eine vandalische Streitmacht unter dem Kommando Geiserichs – wohl überwiegend oder sogar ausschließlich Reiterverbände – zurück und brachte den Sweben bei Emerita (Mérida) eine schwere Niederlage bei; der Anführer der Sweben fand in den Fluten des Guadiana den Tod86. Diese Episode ist der historische Kern einer schönen, aber äußerst phantasievollen Erzählung, die sich bei Gregor von Tours in seinen „Frankengeschichten“ findet: „Und nicht lange nachher erhob 79

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sich ein Krieg zwischen beiden Völkern, weil sie nahe beieinander wohnten. Als sie gerüstet zum Kampf auszogen und schon zur Schlacht bereit waren, sprach der Alemannenkönig [Swebenkönig] so: ,Wie lange soll denn der Krieg das ganze Volk heimsuchen? Lasst doch, ich bitte euch, nicht viel Volk auf beiden Seiten umkommen, sondern zwei von uns mögen mit ihren Kriegswaffen auf den Kampfplatz treten und die Sache unter sich ausfechten. Wessen Kämpe dann siegt, der nehme das Land ohne Streit‘. Alle stimmten dem bei, auf dass nicht das ganze Volk durch das Schwert umkäme. Zu jener Zeit war aber König Guntherich schon gestorben und an seiner Stelle hatte Thrasamund die Königsherrschaft erworben. Als nun die Kämpen zusammentrafen, unterlag besiegt die Partei der Vandalen, deren Kämpe getötet worden war. Einen Auszugsbeschluss herbeiführend gelobte Thrasamund, dass er nach den notwendigen Vorbereitungen für den Abzug die Regionen Spaniens verlassen würde“ 87. Neben der Verwechslung Geiserichs mit dem späteren Vandalenkönig Thrasamund wird in dieser Geschichte der Ausgang des Kampfes zwischen Sweben und Vandalen geradezu auf den Kopf gestellt, um den Abzug der Vandalen aus Spanien mit der Niederlage gegen die Sweben begründen zu können. Wie der Tourser Bischof Gregor (oder vielleicht schon eine von ihm benutzte Quelle) darauf kam, in der besagten Auseinandersetzung den Sweben den Sieg zuzusprechen, ist schwer zu erklären. Vielleicht könnte eine gewisse Ratlosigkeit darüber mitgespielt haben zu verstehen, warum die Vandalen das reiche Südspanien verließen und sich in das afrikanische Abenteuer und damit in eine völlig ungewisse Zukunft stürzten. Der Kampf mit den Sweben verzögerte die Einschiffung nach Nordafrika um einige Wochen. Im Mai 429 war es dann aber soweit; eine Flotte mit ausreichender Transportkapazität wurde nahe des südlichsten Punkts der Iberischen Halbinsel, bei dem kleinen Hafen Iulia Traducta (heute Tarifa), zusammengezogen. Die Schiffe wurden sicher nicht ganz freiwillig zur Verfügung gestellt, wie es die Formulierung in den Chronica Gallica88 nahe legt: Sie wurden demzufolge in den Häfen Südspaniens requiriert. Zu den 80 000 Menschen, die auf diesen über die Meerenge gebracht werden mussten, gehörten die Angehörigen der vandalischen Gemeinschaft (gens Vandalorum et Alanorum), daneben aber auch Provinzialrömer, von denen wir einige aus dem unmittelbaren Umfeld des Königs sogar mit Namen kennen. Auch können wir davon ausgehen, dass von dem aus Provinzialrömern rekrutierten Schiffspersonal sich nicht ganz wenige nach der Überfahrt den Vandalen anschlossen. Was den genauen Ort der Anlandung in Nordafrika betrifft, schweigen die Quellen vollständig, wenn man davon absieht, dass sie den Seeweg mit 12 bzw. 80

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N

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Baesippo Algeciras Gibraltar Portus Albus

Baelo Mellaria Julia Traducta Punta Marroqui 13 km

28 km

Punta Ciris 17 km

Septem (Ceuta)

31 km

Tingis (Tanger)

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5

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Karte 4: Die Überfahrt nach Nordafrika (4 mögliche Zielhäfen) und die Fortsetzung des Marschs zu Lande oder zu Wasser (➙)

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7 römischen Meilen (17,76 bzw. 10,36 km) angeben. Man könnte dieses Schweigen damit erklären, dass man verschiedene Punkte der gegenüberliegenden Küste ansteuerte und jeweils dort landete. Das Gros der Invasoren mit der königlichen Sippe an der Spitze wird jedoch einen einzigen Punkt angesteuert haben. Dafür werden vor allem zwei Häfen in Betracht gezogen: Tingis (heute Tanger) und Septem Fratres (heute Ceuta). Die Entfernungen von Iulia Traducta sind beide Male beträchtlich, 31 bzw. 28 Kilometer, gerade im Vergleich zur kürzesten Verbindung zwischen Spanien und Nordafrika, die nämlich ca. 14 Kilometer beträgt. Wenn das heutige Ceuta als Ausschiffungshafen angesteuert worden wäre, hätte dies allerdings für den dann weiter einzuschlagenden (Land-)Weg einen deutlichen Vorteil gegenüber dem doch weit westlich liegenden Tanger bedeutet, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Weg von Ceuta in den Osten durch eine römische Straße bereits erschlossen war (s. Karte 4). Ob alle diese Überlegungen bei den Planungen für die Überfahrt eine Rolle gespielt haben, wissen wir nicht. Es ergeben sich jedenfalls folgende Fragen: Wurde die Überfahrt in einem einzigen Unternehmen durchgeführt oder musste man die Meeresstraße nach Afrika mehrfach überqueren, weil die Schiffskapazität nicht ausreichte, und was geschah mit den Schiffen nach Beendigung der Überfahrt? Diese Fragen können wir wegen des Schweigens der Quellen wiederum nicht beantworten und deshalb höchstenfalls darüber spekulieren. So kann man bezweifeln, ob die Vandalen die für eine einzige Überfahrt notwendige gewaltige Schiffskapazität wirklich zusammenbrachten. Und einmal in nordafrikanischen Häfen eingelaufen, wird man sicher mindestens einen Teil der Schiffe zurückgehalten haben; mit ihnen wäre dann jedenfalls die Basis für die maritime Aus- und Aufrüstung der Vandalen gegeben gewesen, auf Grund welcher die Vandalen sehr bald in der Lage sein sollten, nahezu jeden Punkt im westlichen Mittelmeer und darüber hinaus zu erreichen und militärisch zu bedrohen. Wenn die Gelandeten allerdings in Nordafrika ausschließlich den Landweg einschlugen, dann ist zu bedenken, dass es sehr schwierig gewesen wäre, auch nur einen Teil der Flotte mit ihren provinzialrömischen Schiffsbesatzungen bei der maritimen Unerfahrenheit der vandalischen Krieger unter Kontrolle zu behalten und die Schiffe daran zu hindern, in ihre Heimathäfen zurückzukehren. Organisierter Widerstand jedenfalls in der Mauretania Tingitania war nicht zu erwarten. Diese Provinz gehörte verwaltungsmäßig zu Spanien (bzw. mit den spanischen Provinzen zu einer größeren Ver82

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waltungseinheit, in der Sprache der römischen Bürokratie „Diözese“ genannt); was dort an römischen Militäreinheiten stationiert war, unterstand jedenfalls nicht dem ranghöchsten römischen Militärbefehlshaber (comes Africae) im römischen Nordafrika, Bonifatius. Dieser war allerdings nach einem langen, von bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen gekennzeichneten Hin und Her von der Regierung in Ravenna wieder in Gnaden aufgenommen worden. Wenn er mit den Vandalen, als sie sich noch in Spanien aufhielten, konspirative Beziehungen gepflegt hatte, wie Prokop89 berichtet, dann blieb dies Episode; vielmehr zeigte sich bald nach der Landung der Vandalen in Nordafrika, dass ihnen in dem mit Ravenna wieder versöhnten Bonifatius ein sehr ernst zu nehmender Verteidiger der Römerherrschaft gegenüberstand. Sein militärisches Potenzial ist jedoch eher gering zu veranschlagen; wohl kaum mehr als 10 000 Mann standen Bonifatius zur Abwehr der Eindringlinge zur Verfügung. Diesen seinen Möglichkeiten entsprechend, war Bonifatius gezwungen, seine Abwehrstrategie mehrfach zu ändern. Auch boten die in aller Regel befestigten Städte Nordafrikas immer eine verhältnismäßig sichere Zuflucht, wenn eine solche im kriegerischen Geschehen notwendig werden sollte; bei deren Verteidigung war man zudem nicht allein auf das professionelle Militär angewiesen, sondern konnte teilweise auch auf aus Bürgern bedrohter Gemeinwesen gebildete Milizen zurückgreifen. Die – weitgehend hypothetische – Rekonstruktion der Route, die die vandalische, aus Kriegern, Frauen, Kindern, alten Leuten bestehende Gemeinschaft samt dem dazugehörigen Tross einschlug, hängt jedenfalls für die erste Phase davon ab, wo man die Landung in Nordafrika vermutet. Verlegt man diese nach Septem Fratres (Ceuta), so könnte man daran denken, dass nur ein Teil der Vandalen, vielleicht die Reiterei wegen der Pferde, ausgeschifft wurde, während die Masse der Transportierten weiter auf den Schiffen verblieb und erst wesentlich später, nachdem vielleicht Hunderte von Kilometern Richtung Osten die Küste entlang zu Schiff zurückgelegt worden waren, an Land ging. Wenn die Landung in Tingis (Tanger) erfolgte, dann ist davon auszugehen, dass alle, die sich auf den Schiffen befanden, auch ausgeschifft wurden und auf den langen Marsch in die östlichen nordafrikanischen Provinzen aufbrachen. Hier konnte man die wichtige Römerstraße benutzen, die zunächst nach Süden führte, möglicherweise aber bald in die angestrebte Richtung Osten abbog und über den Pass von Taza zunächst nach Altava führte. Allein für die Entfernung zwischen Tingis und Altava sind etwa 700 Kilometer zu veranschlagen. Im August 429 könnten 83

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die Vandalen Altava als Etappenziel erreicht haben, wenn sie sich nicht vielleicht schon zuvor auf eine der beiden küstennäheren Römerstraßen begeben hatten. Die Annahme, Altava weit im Landesinneren der Provinz Mauretania Caesariensis sei eine Zwischenstation auf dem Marsch nach Osten gewesen, hängt allein von der Interpretation einer nicht einmal vollständig erhaltenen Inschrift ab, aus deren Text hervorgeht, dass zwischen dem 14. August und 1. September 429 eine Person „durch das Schwert der Barbaren“ (gladio periit a barbaris)90 ums Leben kam. Da mit den anscheinend marodierenden Barbaren auch Angehörige nie wirklich integrierter einheimischer (Berber-)Stämme gemeint sein könnten, muss es völlig in der Schwebe bleiben, ob die Vandalen damals durch die Region um Altava (zur Lage von Altava s. Karten 5 und 8) gezogen sind. Die erfolgreich verlaufene Überfahrt nach Nordafrika und die geglückte Ausschiffung Tausender und Abertausender von Menschen (und Tieren) schweißten die Gemeinschaft der Invasoren noch enger zusammen, ein Ereignis, das man ähnlich einem Schlachtensieg oder der unerwarteten Rettung aus existenzieller Gefahr durchaus als primordiale Tat begreifen kann. Auch handelte es sich bei diesen Migranten nicht um ungeordnete, von Flüchtlingselend gezeichnete Scharen, die gezielten Vertreibungsmaßnahmen ausgesetzt waren, sondern um Leute, die größtenteils davon überzeugt waren, dass sie einer besseren, ja besonders lichtvollen Zukunft entgegen gingen. Unter diesem Aspekt können die verhältnismäßig straff organisierten Vandalen und die, die sich ihnen angeschlossen hatten, als eine Art Bewusstseinsgemeinschaft verstanden werden, die solche Hoffnungen und Erwartungen in großem Maße internalisiert hatten und deshalb bereit waren, große Mühen und Leiden mit Blick auch auf eine vielleicht göttlich verstandene Fügung zu erdulden. Wie man sich den langen Marsch in eine bessere Zukunft allerdings in der Realität des tagtäglichen, von physischen Herausforderungen und ständigen Gefährdungen geprägten Ablaufs vorzustellen hat, bleibt für uns weitgehend im Dunkeln. Die hierzu sich ergebenden Fragen lassen sich kaum beantworten, einmal davon abgesehen, dass alle Mühsale bis zur endgültigen Niederlassung der Wander- und Bewusstseinsgemeinschaft irgendwie bewältigt wurden. Wie etwa konnte sichergestellt werden, dass die jeweils vorauseilenden Reitertruppen als die kampfstärksten Verbände der Vandalen nicht die Verbindung zu der vor allem zu Fuß gehenden Masse des Volkes verloren? Wie konnten ausreichende Lebensmittel vorgehalten werden, denn allein auf die Versorgung aus den durchzogenen 84

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Regionen konnte nicht gebaut werden? Welche Transportmöglichkeiten standen für den Personen- wie Warentransport zur Verfügung? Welche Tagesleistungen waren der Masse der zu Fuß Gehenden oder auch den Ochsenkarren, soweit man diese überhaupt zur Verfügung hatte, zuzumuten? Wie konnten die – besonders empfindlichen, aufwändiger Pflege bedürftigen – Pferde mit den notwendigen Wasser- und Futterrationen Tag für Tag versorgt werden? Während die Zumutbarkeit an physischen Leistungen gegenüber den Menschen nahezu unbegrenzt war, stellte sich dieses Problem bei den Pferden und ihrer Pflege als weitaus größer dar. Ob der Weitertransport der Pferde auf Schiffen etwa die nordafrikanische Küste entlang hier Abhilfe geschaffen hätte, ist wohl kaum zu entscheiden. Es darf dabei jedenfalls nicht außer Acht gelassen werden, dass die Pferde militärisch gesehen vom Beginn der Landung in Nordafrika an gebraucht wurden. Für diese und andere ähnliche Fragen finden wir in den Quellen keine Hinweise, lediglich wenn es zu Kampfhandlungen kam, fällt ab und an auch ein Blick auf Alltägliches, das für die Betroffenen allerdings mindestens so wichtig war wie der noch längst nicht eingelöste Scheck auf eine vorgestellte wunderbare Zukunft. Immerhin dürfte klar sein, dass man sich mit den logistischen Problemen des Vormarschs schon vor der Überfahrt nach Nordafrika beschäftigt hatte und sich nicht unvorbereitet von einem Tag zum anderen in Richtung auf ein imaginäres Ziel fortbewegte. Nahmen die Vandalen den etwa 700 km langen Landweg von Tingis nach Altava, so werden sie danach die küstennahe Römerstraße angestrebt haben, die die römischen befestigten (Hafen-) Städte verband. Zwar war hier stärkerer militärischer Widerstand zu erwarten, brachte aber andererseits für die ständig prekäre Versorgungslage beträchtliche Vorteile mit sich. In den Städten waren Getreidevorräte in weit größerem Umfang eingelagert, und auch sonst gab es vielfache Möglichkeiten zum Beutemachen und Plündern. Auch dürfte sich die Versorgungslage nach dem Verlassen der ressourcearmen Provinz Mauretania Tingitana deutlich verbessert haben. Über die von dem weiteren Vormarsch berührten bzw. betroffenen Örtlichkeiten gibt es keine Zeugnisse, so dass er nur hypothetisch rekonstruiert werden kann. Lediglich die Generalrichtung, nämlich auf die nordafrikanische Metropole Karthago zu, ist sicher. Welche Route(n) für die Durchquerung der Nachbarprovinz Mauretania Caesariensis benutzt wurde(n), ist jedenfalls nicht zuverlässig auszumachen; die Tatsache, dass die Provinzhauptstadt Caesarea (heute Cherchel) an der Küste lag und man dort auf die Erbeutung großer 85

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Lebensmittelvorräte hoffen konnte, könnte allerdings dafür sprechen, dass man spätestens von Altava an die Marschrichtung direkt auf die Mittelmeerküste zu geändert hatte (s. Karte 5). Das sich ständig weiter verzweigende – je weiter man nach Osten vorrückte – Straßensystem könnte auch zu einer Aufteilung bzw. Aufsplitterung der Marschkolonnen geführt haben, wie es dann später beim Erreichen des Territoriums der wichtigsten nordafrikanischen Römerprovinz, der Africa Proconsularis oder Zeugitana, auch tatsächlich geschah. Mit Blickrichtung Westen lagen vor der Proconsularis (heute ein kleiner Teil Ostalgeriens und das nördliche Tunesien) die Provinzen Mauretania Sitifensis und Numidia, in denen man sich jeweils nicht lange aufhielt. Im Belagerungswesen unerfahren und ohne über das notwendige Belagerungsgerät zu verfügen, konnten doch erstaunliche Erfolge bei der Erstürmung der befestigten Städte erreicht werden. Auch ist keineswegs gesichert, dass bei der Belagerung und Einnahme der befestigten Hafenstädte kombinierte Land- und Seeoperationen zum Tragen kamen, denn wir wissen nicht, ob die Vandalen damals noch über eine nennenswerte Flotte verfügten. Dafür waren die Vandalen anscheinend Meister in der Anwendung einer ganz speziellen Taktik. Nach den Schilderungen des katholischen Bischofs Victor von Vita91, dem ein Werk über die Katholikenverfolgung durch die Vandalen verdankt wird, verfügten diese über eine ganze Palette wirkungsvoller Einschüchterungspraktiken, Grausamkeiten und terroristischen Übergriffen, die die Belagerten sehr schnell zur Aufgabe zwangen. Ihr religiöser Fanatismus mag hier eine Rolle gespielt haben, den damals besonders die katholische Geistlichkeit zu spüren bekam. Erfolglos belagerten sie allerdings die numidische Provinzhauptstadt Cirta (heute Constantine) und später die Großstadt Karthago (nordöstlich des heutigen Tunis). Benutzten die Vandalen tatsächlich den Landweg über Altava und schlugen dann die Römerstraßen in die Küstenregionen Nordafrikas ein, dann hätten sie für die Strecke Altava – Hippo Regius (ca. 1200 km) ungefähr 7 Monate benötigt. Hippo Regius (heute Bône in Algerien), die erste größere Stadt der Proconsularis und wenige Kilometer vom Meer entfernt gelegen, war auch der Bischofssitz des heiligen Augustinus, der noch die ersten drei Monate der Belagerung durch die Vandalen erlebte. Augustinus starb am 28. August 430, die Stadt selbst kapitulierte allerdings erst nach fast 14 Monaten. In der Umgebung von Hippo Regius stellten sich auch erstmals die römischen Feldtruppen unter dem Kommando des Bonifatius zu einer offenen Schlacht; sie ging für die Römer verloren92, so dass 86

100

200

Septem

300km

Tingitana

Tingis

Malaga

Córdoba

Mauretania Caesariensis

Altava

Caesarea

Hippo

Sardinien

Numidia

Aurès

Cirta

Carthago

Lilybaeum

Rom

Leptis Magna

Caput Vada

Messina Sizilien

Syracusa

Hadrumetum Sullectum

Tripolitania

Byzacena

Mactar Thala Ruspe

Proconsularis

Edough Regius

Mare Mediterraneum

Tipasa

Carthago Spartaria

Balearen

Korsika

Karte 5: Der mögliche Landmarsch von Tingis (Tanger) oder von Septem (Ceuta) nach Altava und von dort an die Mittelmeerküste

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Oceanus Atlanticus

Cadiz Tarifa

Sevilla

Toledo

M Sit auret ife an nsi ia s

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sich Bonifatius nach Hippo Regius zurückziehen musste, um sich aber bald danach übers Meer nach Italien abzusetzen. Wenn in den Quellen für die Zeit ab der zweiten Jahreshälfte 430 Vorstöße der Vandalen bis in die südlich der Proconsularis gelegene Provinz Byzacena (heute das südliche Tunesien) registriert werden, so kann dies nur so erklärt werden, dass sich das vandalische Heer aufteilte und durch von der Reiterei vorgetragene Überraschungscoups den römischen Widerstand brechen wollte. Unter der Voraussetzung eines entschlossenen Abwehrwillens der Bevölkerung und unter Ausnutzung der militärischen Möglichkeiten, die befestigte Städte ihren Verteidigern boten, können Misserfolge der Vandalen eigentlich nicht verwundern. So scheiterte ein wohl noch vom gesamten Militäraufgebot der Vandalen unternommener Überrumpelungsversuch Karthagos, in dessen Mauern auch Eliteformationen des römischen Heeres gestanden haben dürften. Spätestens danach schwärmten Heeresteile der Vandalen in verschiedene Richtungen aus, und vielleicht wurde auch jetzt erst die Belagerung von Hippo Regius ernsthaft angegangen. Es ist nämlich denkbar, dass die Vandalen zunächst an der Stadt vorbeizogen, um für ihren handstreichartigen Überfall auf Karthago keine Zeit zu verlieren. Jedenfalls erwies sich die Belagerung von Hippo Regius als äußerst langwierig und für beide Seiten auch als sehr verlustreich; im Juli 431 zogen die Vandalen – nach Prokop von einer Hungersnot bedroht93 – sogar kurzzeitig wieder ab. Ihre Bewohner hätten aber ihrerseits die Stadt dann aufgegeben. Wenn diese Nachricht überhaupt zutrifft, dann macht eine solche Übergabe nur dann Sinn, wenn der Abzug von der Militärführung, also von Bonifatius, angeordnet worden war bzw. mit dessen Abreise nach Italien zusammenhing. Der gescheiterte Anschlag der Vandalen auf Karthago bot gewissermaßen den Auftakt zu Auseinandersetzungen einer neuen Qualität. Die politische Großwetterlage hatte sich insofern geändert, als die Regierung in Konstantinopel die Geschicke des römischen Nordafrika nun in die Hand nahm. Dort war der – nicht unbegründete – Eindruck entstanden, dass die Kräfte des Westreichs nicht in der Lage waren, die Vandalen aus Nordafrika zu vertreiben. Unter der Führung des ,Generalissimus‘ des Ostreichs, des Heermeisters Flavius Ardaburius Aspar, konnte ein Expeditionskorps, dem auch der spätere (Ost-)Kaiser Markian (regierte 450–457) angehörte, noch im Jahre 432 wohl in der Nähe Karthagos ungehindert an Land gehen und gegen die Vandalen aufmarschieren, vielleicht auch ein Hinweis darauf, dass diese auf See militärisch kaum präsent waren. Es kam dann anschließend nach dem Zeugnis des Prokop94 zu einer 88

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gewaltigen Schlacht, in der die Vandalen die Oberhand behielten. Markian geriet damals in vandalische Gefangenschaft. Bezüglich der Stichhaltigkeit des Berichts des Prokop über die große Schlacht und besonders über Gefangennahme und wundersame Freilassung Markians sind berechtigte Zweifel angebracht. Unstrittig ist, dass Aspar nach Nordafrika gekommen war, zweifellos mit militärischer Bekleidung; am 1. Januar 434 trat er in Karthago den Konsulat an. Dieser Konsulatsantritt fern der Hauptstadt und in Abstimmung mit der weströmischen Regierung in Ravenna war ein demonstrativer Akt, mit dem der Öffentlichkeit bedeutet werden sollte, dass Ostund Westteil des Römerreichs die Erhaltung eines römischen Nordafrika als eine gemeinsame Aufgabe verstanden. Auf den nach Italien zurückkehrenden Bonifatius folgte als ranghöchster Militär Aspar aus dem Ostreich, das Imperium stellte sich also gegenüber den Reichsfeinden als ein corpus unum, als unverbrüchliche Einheit im militärischen wie im zivilen Bereich mit Aspar als Konsul dar. Die militärische Potenz der Vandalen hingegen scheint man unterschätzt zu haben. Aspar dürfte nämlich über nur zahlenmäßig schwache Kräfte verfügt haben, vielleicht war sein Unternehmen auch von Anfang an lediglich als ein Akt der Demonstration gedacht. Ob der Kampf mit den Vandalen mehr als ein bloßes Scharmützel vielleicht vor den Toren Karthagos war, ist jedenfalls schwer zu sagen. Die gewaltige Schlacht, von der Prokop spricht, mag einer Übertreibung des Autors, die Geschichte der Freilassung Markians einem gewissen Maß an Phantasie verdankt sein. Sie traf zweifellos den Geschmack der damaligen Leser: „Die Feinde aber, die [nach der großen Schlacht] lebend in die Hände der Vandalen fielen, machten sie zu Sklaven und hielten sie in Gefangenschaft. Auch Markianos, der später nach dem Tode des Theodosios [II.] die Kaiserwürde erhielt, war unter ihnen. Damals befahl Geiserich allen Gefangenen, sich im Königspalast einzufinden, damit er auf Grund einer Überprüfung bestimmen könne, welchem Herrn ein jeder von ihnen seinem Wert entsprechend dienen solle. So kamen sie unter freiem Himmel zusammen, und da es Mittag und Sommerzeit war und alle unter der Hitze litten, ließen sie sich auf dem Erdboden nieder. Unbeachtet schlief irgendwo unter ihnen auch Markianos. Da schwebte, wie man sich erzählt, ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln zu ihren Häuptern, beschattete aber, indem er dauernd an der gleichen Stelle in der Luft stehen blieb, nur den Markianos. Geiserich, ein sehr scharfsinniger Mann, sah vom Obergeschoss aus den Vorgang; er vermutete ein göttliches Walten, ließ Markianos kommen und fragte ihn nach seiner Person, worauf dieser erklärte, er gehöre zu den Vertrauten Aspars – domesticus heißt er bei den Römern. Geiserich konnte jetzt das Verhalten des Adlers verstehen, und da er zugleich den 89

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großen Einfluss Aspars in Byzanz bedachte, ward es ihm klar, dass Markianos noch zur Kaiserwürde aufsteigen würde. Er hielt es daher für falsch, ihn zu töten,…So verpflichtete ihn Geiserich eidlich, dass er, wenn es in seiner Macht stehe, nie die Waffen gegen die Vandalen erheben werde. Unter diesen Bedingungen kam Markianos frei und konnte nach Byzanz zurückkehren, wo er nach Theodosius’ Tod späterhin den Kaiserthron bestieg. Und während er sonst in jeder Beziehung ein tüchtiger Kaiser war, kümmerte er sich nicht um die afrikanische Frage“ 95. Hintergrund und Ausgangspunkt der schönen, auf die divinatorischen Fähigkeiten Geiserichs abhebenden Geschichte sind die tatsächliche Gefangennahme Markians sowie die Tatsache, dass das Ostreich in dessen Regierungszeit im Vergleich zur späteren Entwicklung ihrer Beziehungen den Vandalen mehr oder weniger aus dem Wege ging. Gleichzeitig reihte sich Prokop damit in die Tradition antik-heidnischer Geschichtsschreibung ein, nach der die zukünftige Größe und Bedeutung einer Person schon frühzeitig aus Vorzeichen und sonstigen außergewöhnlichen Begebenheiten erkannt werden konnten. Solche Erzählungen sind in der Regel erst nach dem Erlangen einer herausragenden Position durch die Protagonisten, also post festum, entstanden. Die für beide Seiten – für die Invasoren wie für die römischen, anscheinend kaum wirklich koordinierten Abwehrkräfte – verlustreichen Kämpfe, die zudem zu keiner wirklichen Entscheidung geführt hatten, dürften die Bereitschaft zu Verhandlungen und zu einem Friedensschluss begünstigt haben. Auf Initiative der Regierung in Ravenna, die wieder die Federführung in der Auseinandersetzung mit den Vandalen übernommen hatte, schlossen der kaiserliche Gesandte Trygetius und Geiserich in Hippo Regius, wo Geiserich anscheinend seine Residenz aufgeschlagen hatte, im Jahre 435 einen Vertrag ab. Durch ihn wurde der Aufenthalt der Vandalen in Nordafrika rechtlich sanktioniert. In der nahezu zeitgenössischen Chronik des aquitanischen Klerikers Prosper heißt es dazu lapidar: „Mit den Vandalen wurde Frieden geschlossen und ihnen dabei einen Teil Afrikas zur Niederlassung übergeben“96. Angeblich soll Geiserich dabei auch einen eidlichen Verzicht auf weitere Eroberungen in Nordafrika geleistet haben97. Wo sich die Vandalen nun genau niederlassen durften und welche Modalitäten bei dieser Ansiedlung gelten sollten, ist nicht überliefert. Betroffen davon waren wohl küstennahe Gebiete der Provinzen Mauretania Sitifiensis, Numidia und – zu einem sehr kleinen Teil, nämlich um Hippo Regius herum – Proconsularis (s. Karte 6). Dieser den Friedenszustand herstellende Vertrag wurde anscheinend von den beiden Parteien unterschiedlich ausgelegt: Für 90

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Mauretania Caesariensis Sitifis

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Ansiedlungsgebiet

Mare Mediterraneum

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Tripolitania

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Karte 6: Die vertragliche Ansiedlung der Vandalen im Jahre 435

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Ravenna war es unmissverständlich klar, dass damit kein Reichsgebiet abgetreten worden war, obwohl man darauf verzichtet hatte, Geiserich in ein hohes römisches Militäramt aufzunehmen und damit für alle ersichtlich die Vandalen als Föderaten in den Dienst des Reiches zu stellen. Die Vandalen und Geiserich hingegen sahen sich in dem ihnen zugestandenen Niederlassungsgebiet in der alleinigen Regierungsverantwortung und Ravenna gerade nicht unterstellt. Hätten sie auf der Grundlage des Vertrags von 435 den Föderatenstatus eingenommen, wäre auf sie ein Katalog erheblicher Verpflichtungen zugekommen. Sie hätten dann beispielsweise die Stellung der römischen Feldtruppen (comitatenses) eingenommen, wären in den Städten garnisoniert und nicht etwa auf Landgüter oder Dörfer verteilt worden, wo sie ja in die Stellung von Eigentümern einrückten. Die Annahme, dass Geiserich der Regierung in Ravenna fortan auf derselben Augenhöhe entgegentrat, lässt sich auch nicht dadurch widerlegen, dass der Königssohn Hunerich damals als Geisel gestellt werden musste und aus Prokop98 hervorgeht, dass Geiserich in bemerkenswerter Umsicht und weiser Selbstbeschränkung dem Kaiser in Ravenna eine jährliche Tributleistung zusagte. Mit dieser Zusage dürften wohl jährliche Getreide- und Speiseöllieferungen nach Italien gemeint sein, die sicher nicht kostenlos erfolgten. Das Verhalten der Vandalen nach dem ihre Niederlassung in Nordafrika sanktionierenden Vertragsabschluss lässt vielmehr erkennen, dass nach ihrem Selbstverständnis ein souveränes vandalisches Staatswesen – regnum – vielleicht mit der Hauptstadt Hippo Regius zum Unterschied etwa zu ihrem vorherigen Aufenthalt in verschiedenen spanischen Provinzen entstanden war. Aus dem wandernden, mit einem großen Anhang versehenen bzw. belasteten exercitus, dem Heeresaufgebot der Vandalen und Alanen, war nun eine Art Staatsvolk geworden. Das schloss zwar nicht aus, dass die Erwerbung weiterer Gebiete angestrebt wurde bzw. sich der Schwerpunkt der Ansiedlung noch verlagern konnte, aber im Grundsatz existierte nun ein, wenn man so will international anerkanntes neues Staatsgebilde, zu dem auch die in Nordafrika vorgefundene provinzialrömische Bevölkerung gehörte. Maßnahmen und Vorgehen im Innern bestätigen dieses Verständnis des Vertragsabschlusses seitens der Vandalen. So scheute Geiserich auf religionspolitischem Terrain keine Konfrontation und leitete erste Verfolgungsmaßnahmen gegen die Anhänger und Vertreter der katholischen Orthodoxie ein. Bischöfe wurden verbannt, darunter der Biograph des heiligen Augustinus, Possidius, und sogar zum Hofstaat gehörende katholische Römer 92

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wurden unter Martern hingerichtet bzw. gegeißelt und versklavt, weil sie sich geweigert hatten, ihre Glaubensüberzeugung aufzugeben. Geiserich forcierte also von Anfang an ein Programm religiöser Vereinheitlichung im vandalischen Machtbereich, das jedem unmissverständlich klar machen musste, dass sich das vandalische regnum als staats- und völkerrechtlich völlig unabhängig und ungebunden verstand. Wenn eine Quelle99 für jene Jahre von besonders gegen Sizilien, aber auch andere Mittelmeerinseln gerichtete Aktionen über See berichtet, wird man dafür nicht die Vandalen verantwortlich machen dürfen. Die ständigen (Überlebens-)Kämpfe des Westreichs, verursacht durch immer neue Wellen einfallender Invasoren seit dem frühen 5. Jahrhundert, hatten dazu geführt, dass die römischen Autoritäten die Kontrolle über das westliche Mittelmeer mehr und mehr einbüßten und sich die Piraterie zu einer sogar die staatliche Existenz bedrohenden Gefahr entwickelte. Für maritimen Säuberungsaktionen großen Stils, wie sie in längst vergangenen Zeiten durch einen Pompeius oder Caesar erfolgreich durchgeführt worden waren, fehlten die Mittel; die vor allem bedrohten Küstenstädte waren weitgehend auf sich allein gestellt, wehrten sich allerdings gegen die Überfälle auch nicht selten mit einigem Erfolg. Die Gefährdung der Handelswege hingegen konnte mit solchen Selbsthilfemaßnahmen allerdings nicht abgestellt werden. Was nun die Vandalen Geiserichs in jenen Jahren ihrer festen Etablierung auf nordafrikanischem Boden betrifft, so steht es außer Zweifel, dass ihre militärischen Erfolge als Voraussetzung der Landnahme allein zu Lande erfolgten. Sie verfügten damals noch über keine Kriegsflotte, und ob ihnen eine Transportflotte zur Verfügung stand, ist ebenfalls fraglich. Die – auch nur ansatzweise geschehene – Verlagerung der vandalischen Aktionen auf See nahm frühestens mit der Inbesitznahme des großen karthagischen Kriegshafens samt dessen Schiffsbestand und den dortigen Versorgungsmagazinen ihren Anfang. Den kaiserlichen Regierungen in Ravenna und Konstantinopel müsste es bewusst gewesen sein, dass sich die Vandalen mit ihrem ihnen zugestandenen, verhältnismäßig unbedeutenden Ansiedlungsrayon nicht zufrieden geben würden. Aber sowohl in Ost wie in West gab es schwerwiegendere Probleme. Im Ostteil des Römerreichs standen religionspolitische Probleme im Vordergrund, die sich zu einer tiefen Spaltung der Gesellschaft zu entwickeln drohten. Auch die Abwehr der Hunnen in den Balkangebieten geschah nicht durch eine konzertierte Aktion, sondern nach dem St.-FloriansPrinzip. Darin war Konstantinopel letztendlich erfolgreicher, weil 93

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die Streitkräfte des Westreichs in Gallien zur Bekämpfung der Westgoten, der Burgunder und einer aufständischen Landbevölkerung, der sog. Bagauden, massiert waren. Das durch den Vertragsabschluss von 435 anscheinend gesicherte Nordafrika war etwas aus der Sichtweite der Regierung in Ravenna gerückt. Auf dem Hintergrund dieser (außen-)politischen Großwetterlage überfielen die Vandalen im Oktober 439 gewissermaßen in einem Handstreich die nordafrikanische Metropole Karthago und nahmen sie ein; ob dieser Überfall auch mit maritimer Unterstützung vorgetragen wurde, ist nicht bekannt. Er fand am 19. Oktober 439 statt; die Quellen prangern ihn als Folge von Vertragsbruch und Hinterlist seitens der Vandalen an. Der lakonische Kommentar des spanischen Chronisten Hydatius dazu hat folgenden Wortlaut: „Nachdem König Geiserich am 14. Tag vor den Kalenden des November (= 19. Oktober) mit großer Hinterlist Karthago eingenommen hatte, überflutete er das gesamte Afrika“ 100. Die Einnahme Karthagos durch die Vandalen muss wie ein Fanal mit offensichtlichen Konsequenzen für den Fortbestand der Römerherrschaft in Nordafrika gewirkt haben. Es war abzusehen, dass die Vandalen die Festsetzung in den reicheren Provinzen Africa Proconsularis (auch Zeugitana genannt) und Byzacena anstreben würden, sich also weiter in den Osten des römischen Nordafrika (heute mehr oder weniger mit Tunesien identisch) begeben wollten und deshalb neue völkerrechtlich bindende Vereinbarungen mit den Römern anvisierten. Es stellt sich dabei die Frage, wie das stark befestigte und wohl auch gut versorgte Karthago, über See mit den wichtigsten Hafenstädten Italiens verbunden, in einem Handstreich von den Vandalen eingenommen werden konnte. Eine Erklärung dafür mag darin zu sehen sein, dass die römischen Autoritäten vor Ort nicht mit einem plumpen Vertragsbruch seitens der Vandalen rechneten. Eine solche Einstellung würde aber eine totale Blauäugigkeit und Unerfahrenheit im Umgang mit barbarischen gentes und ihren Führern bedeuten, was nach den bisherigen Erfahrungen seit dem letzten Viertel des 4. Jahrhunderts allerdings äußerst unwahrscheinlich wäre. Objektive Gründe für das Versagen der römischen Militäradministration vor Ort lassen sich hingegen durchaus ausmachen: An deren Spitze stand damals keine überzeugende und einflussreiche Persönlichkeit wie etwa in den Tagen eines Bonifatius oder des Oströmers Aspar. Zudem hatten die großen militärischen Probleme des Westreichs in Gallien die gesamte Aufmerksamkeit der Zentrale in Ravenna auf diesen Kriegsschauplatz gelenkt und das militärische Potenzial weitgehend absorbiert. Inwieweit unter den subjektiven Gründen einzuordnende Gegebenheiten und Verhaltensweisen hin94

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zukamen, ist hingegen kaum zu beantworten, obwohl die christlichen Schriftsteller nicht müde werden, den Finger in diese allerdings von ihnen erst geöffnete Wunde zu legen. Für diese Autoren wie etwa den katholischen Bischof Victor von Vita, der gut eine Generation nach diesem Ereignis die Geschichte der Katholikenverfolgungen unter vandalischer Herrschaft aufschrieb, war der mit der Einnahme Karthagos besiegelte Untergang der Römerherrschaft in Nordafrika die unmittelbare Folge einer allen deutlich vor Augen geführten Bestrafung durch Gott wegen des sündhaften, von Luxus, Völlerei und Unzucht geprägten Lebenswandels vor allem der Bewohner Karthagos. Diese hätten sich ungeniert und in völliger Ahnungslosigkeit einem ausschweifenden Genussleben hingegeben, ohne dabei den geringsten Zweifel an der Vertragstreue der Vandalen zu haben. Auf die Einnahme Karthagos folgte die Unterwerfung weiter Gebiete der schon lange in den Blick genommenen Provinzen Proconsularis und Byzacena. Begleiterscheinungen dieser vandalischen Expansion und Unterwerfung waren Plünderungen, Zerstörungen, Verfolgung und Verbannung katholischer Kleriker und Enteignungen großen Stils. Die römischen Großgrundbesitzer (senatores) und die Stadträte (curiales) speziell von Karthago konnten zwischen Knechtschaft und Verbannung wählen; sie flohen sowohl in den Westen wie in den Osten des Römerreichs. Die Kleriker, an der Spitze der Bischof von Karthago Quodvultdeus, setzte man auf schadhafte Schiffe, in der Absicht, dass sie die Schiffspassage zu den angesteuerten Zielorten nicht überleben würden. Im Falle des Quodvultdeus erfüllte sich diese Absicht nicht, der Bischof erreichte ohne Havarie die Küste Italiens. Die Kirchengeräte und -schätze wurden geplündert, das Kirchenvermögen der arianischen Geistlichkeit übereignet. Zu einer mutwilligen Zerstörung der Kirchen selbst oder auch anderer öffentlicher Bauten ist es damals jedoch nicht gekommen, wohl aber zu Entweihungen, was die Kirchen betraf, und zu Umwidmungen weltlicher Bauten und Einrichtungen. Namentlich bekannt ist die Übereignung der bischöflichen Kathedrale in Karthago, der sog. Basilica Restituta, der Basilica Maiorum sowie zweier dem Hl. Cyprianus geweihten Kirchen an die arianische Geistlichkeit101. Die römische Seite, in allen Einzelheiten von der nicht kleinen Zahl von Flüchtlingen hervorragend informiert, machte sich keine Illusionen über den nun eingetretenen rechtlosen Zustand.

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8.7 Die zweite Staatsgründung Wenn man den Begriff des Staates durch das Vorhandensein der drei Elemente Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt definiert, so kann man ihn schon auf das Gebilde anwenden, das durch den (Präliminar-)Vertrag von 435 mit dem Westreich zustande gekommen war. Schon 435 gab es ein völkerrechtlich anerkanntes, den Vandalen überlassenes Territorium, das Staatsvolk bildeten die Vandalen und Alanen, und die Staatsgewalt wurde von einem kaum mehr in die Schranken zu verweisenden Königtum ausgeübt, das sich zudem mit der Abschaffung des Doppelkönigtums seit dem Verlassen Spaniens modernisiert hatte. Mit der Einnahme Karthagos und der vandalischen Expansion im Kerngebiet der Römerherrschaft in Nordafrika war allerdings ein vertrags- und rechtloser Zustand im Verhältnis zum Römerreich eingetreten. Für dessen Wahrnehmung und Beurteilung war es auch völlig unerheblich, ob durch den Vertrag von 435 die Vandalen rechtsförmlich in den Dienst des Reiches getreten waren oder nicht, in jedem Falle hatten die Vandalen unter Geiserich diesen Vertrag gebrochen und sich damit ins Unrecht gesetzt. Dies zu verschleiern, wurde auch nicht einmal im Ansatz versucht, im Gegenteil wurden die Vandalen jetzt über Nordafrika hinausgehend im westlichen Mittelmeer aktiv. Die gegen Sizilien und Unteritalien von den Vandalen schon im Jahre 440 vorgetragene Offensive – dafür war eine Flotte ausgerüstet und mit Kampfverbänden besetzt worden – dürfte nicht die Absicht gehabt haben, sich dort wirklich festzusetzen, sondern die kaiserlichen Regierungen zum Zwecke eines neuerlichen Friedensschlusses unter Druck zu setzen. Aber sowohl in Ravenna wie in Konstantinopel nahm man die Bedrohung sehr ernst, man traute wohl den Vandalen auch weitergehende Eroberungspläne zu. Wir verfügen über eine Reihe von Zeugnissen zu den ergriffenen Abwehrmaßnahmen, darunter Quellen urkundlichen Charakters wie etwa kaiserliche Verordnungen. Im Westreich wurde der Heermeister Sigisvult, der schon in Nordafrika – allerdings in einem Bürgerkrieg – Erfahrungen gesammelt hatte, mit der Bekämpfung der Vandalen beauftragt, im Jahre 441 kam sogar eine aus angeblich 1100 Transportschiffen bestehende Flotte aus Konstantinopel in den Häfen Siziliens an und entließ ein beträchtliches Interventionskontingent. In Konstantinopel selbst wurden die Befestigungen auf der Seeseite erneuert bzw. verstärkt, in Rom schadhaft gewordene Mauern und Türme wiederhergestellt102; auch in Neapel wurden die Befestigun96

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gen erneuert. Die Landung eines vandalischen Expeditionskorps auf Sizilien wurde dadurch natürlich nicht verhindert. Nach der Eroberung von Lilybaeum (heute Marsala) ganz im Westen der Insel durchzog es plündernd und brandschatzend die Insel, bei der Belagerung der Städte kam es jedoch nicht voran. Auch hier zeigte sich wieder, dass die Vandalen vor entschlossen verteidigten befestigten Städten den Rückzug antreten mussten. Sie verlegten ihre Aktivitäten dann auch noch nach Unteritalien, erlitten dabei aber eine Niederlage gegen eine römische Streitmacht. Auch auf diesem Unternehmen sollen die Vandalen ihren religiösen Eifer und ihren Hass auf die Katholiken ausgelebt haben, wobei sich diese Verfolgung, wie für die Vandalen überhaupt charakteristisch, ausschließlich oder zur Hauptsache gegen den katholischen Klerus richtete. Die Ankunft der angeblich riesigen Streitmacht, die Konstantinopel im Jahre 441 entsandt hatte, führte allerdings keine Wende zu Gunsten der sich verteidigenden Römer herbei, was auch daran zweifeln lässt, dass es sich um eine bedeutende Streitmacht gehandelt hat. Ohne auch nur das Geringste ausgerichtet zu haben, kehrte sie auf die Schiffe zurück und wurde nach Konstantinopel verbracht. Der Rückruf dieser Interventionsstreitmacht hing möglicherweise mit der Doppelbedrohung Ostroms durch die Hunnen und durch die Perser zusammen. Das politische Kalkül Geiserichs und seiner Berater – darunter begegnen auch vereinzelt hohe römische Funktionäre, die sich zu den Vandalen geflüchtet hatten – war aufgegangen, das Römerreich, in erster Linie von Ravenna vertreten, wurde erneut an den Verhandlungstisch gezwungen. Der Abschluss, der schon im Jahre 442 erreicht wurde, war zweifellos die Geburtsstunde eines im Verhältnis zum Römerreich souveränen, völkerrechtlich unabhängigen Barbarenstaates, eine Stellung, die für den Vertrag von 435 noch nicht endgültig als erwiesen angesehen wird. Er verpflichtete die Vandalen wohl zur Neutralität – in Anbetracht der ständigen Bedrohungen des Imperium Romanum durch eine Reihe von Reichsfeinden außerhalb und innerhalb seiner Grenzen eine besonders wichtige Vertragsklausel –, dürfte die Wirtschaftsbeziehungen mit dem Schwerpunkt Lebensmittelexporte nach Italien geregelt haben und bestimmte auch, was mit dem vergeißelten Königssohn Hunerich in Zukunft geschehen sollte. Zunächst sollte er wohl weiter am Kaiserhof in Ravenna erzogen werden und eine Kaisertochter zur Braut erhalten. Die wichtigste Vertragsklausel bestand jedoch in der unkonditionierten Abtretung des Teils des römischen Nordafrika, dessen Gewinnung die Vandalen anscheinend von Anfang an angestrebt hatten. Nach einem gallischen Chronisten wurde das lateinische Nordafrika – 97

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d. h. die lateinisch geprägten Territorien dieses Großraums – zwischen dem Westreich und den Vandalen „zu genau festgelegten Teilen“ (certis spatiis)103 aufgeteilt. Zum vandalischen Machtbereich (s. Karte 7) gehörten fortan die römischen Provinzen (Africa) Proconsularis mit der Metropole Karthago und Byzacena, ,grosso modo‘ also das heutige Tunesien sowie Teile Numidiens (Ostalgerien) und Tripolitaniens (Westteil der römischen Provinz Tripolitania, heute ein größerer Küstenstreifen im Bereich von Tripolis). Der westliche Teil Numidiens und die drei mauretanischen Provinzen verblieben unter direkter römischer Kontrolle. Dazu steht nicht im Widerspruch, dass Kaiser Valentinian III. (regierte 425–455) die Hoffnung auf die Wiedergewinnung der abgetretenen Gebiete keineswegs aufgab, wie es kaiserliche Verordnungen104 erkennen lassen. Andererseits war nicht ein für alle Mal auszuschließen, dass die Vandalen versuchen würden, die ihnen abgetretenen Gebiete zu arrondieren, wenn sich die Möglichkeit dazu bieten würde. In Nordafrika selbst war trotz der chaotischen, durch die Invasion und deren Bekämpfung verursachten Verhältnisse kein die vandalische Herrschaft ernstlich gefährdender Widerstand zu erwarten. Dieses auf den ersten Blick erstaunliche Verhalten kann man jedoch nicht damit erklären, dass die unterdrückten und ausgebeuteten Unterschichten mit den Invasoren gemeinsame Sache gemacht hätten. Die Annahme eines solchen Ursache-Wirkungsverhältnisses ist ein dem Klassenkampfdogma des historischen Materialismus entnommenes Theorem, das auf keinen Fall allgemeine Gültigkeit beanspruchen kann. Einer solchen Betrachtungs- und Erklärungsweise steht vor allem der unzweifelhafte kulturelle und religiöse Gegensatz zwischen den barbarischen Invasoren und der breiten Masse der provinzialrömischen Bevölkerung Nordafrikas entgegen. Das schließt aber nicht aus, dass sich bestimmte Segmente der dortigen Gesellschaft, vor allem unterdrückte religiöse Minderheiten und indigene, nicht romanisierte Bevölkerungsgruppen, mit der Unterwerfung unter die vandalische Herrschaft leichter taten als das Gros der Bevölkerung. Der Vertrag vom Jahre 442 stand auch am Beginn eines neuen, vom Königtum ausgehenden Herrschafts- und Reichsverständnisses. Die Ereignisse vor der Eroberung Karthagos im Oktober 439 wurden in dem Konstrukt eines neuen vandalischen Selbstverständnisses zur Vorgeschichte herabgestuft, wobei man an antike, den Provinzialrömern in Nordafrika durchaus vertraute Traditionen anknüpfte. Geiserich führte nämlich die Zeitrechnung nach seinen Regierungsjahren ein und begründete damit eine vandalische Ära getreu den zahlreichen antiken Vorbildern, d. h. das Jahr 439 wurde zum Jahr 1 98

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100

150 km

Mauretania Caesariensis

Numidia

Cirta

Rusicade

Sabratha

Mare Mediterraneum

Carthago

Tripolitania

Byzacena

Proconsularis

V A N D A L O R U M

Karte 7: Die neuen Siedelgebiete durch den Vertrag von 442

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der vandalischen Zeitrechnung. Seine in jenem Jahr bereits seit ca. 20 Jahren bestehende Königsstellung ließ er also nicht berücksichtigen. Dementsprechend weist der Laterculus regum Vandalorum et Alanorum, eine aus Nordafrika stammende und dort fortgesetzte Version der Chronik des Prosper, für die Regierungszeit Geiserichs 37 Jahre, 3 Monate und 6 Tage aus und nicht mehr als 50 Jahre, wenn man die spanischen Anfänge Geiserichs mitzählen würde. Ob mit diesem Neuanfang auch die Propagierung eines neuen Begriffs und Verständnisses vom Königtum und von dem darin zum Ausdruck kommenden rex-Titel (rex Vandalorum et Alanorum) – etwa im antikrömischen Sinn – verbunden war, muss zumindest offen bleiben. Die neuen Untertanen in den den Vandalen überlassenen römischen Provinzen Nordafrikas – die überwiegend katholischen Provinzialrömer, die noch in intakten Stammesorganisationen lebende (Rand-) Bevölkerung, die die Quellen unter der Bezeichnung „Mauren“ zusammenfassen, die kleine Gruppe von Goten, die sich bereits vor den Vandalen in Nordafrika aufhielt, schließlich die Juden und judaisierende Gruppen – könnten diese Neuerung durchaus so verstanden haben. Sie wie auch die Arianisierungspolitik im religiösen Bereich zielten langfristig auf eine Identitätsstiftung hinaus, wenn nicht im Rahmen der gens Vandalorum et Alanorum, so doch in Form der Identifikation aller dieser Gruppen mit dem regnum, dem Vandalenreich in Nordafrika. Der gens war eine Reichsgründung gelungen, und von diesem ihrem regnum sollten die entscheidenden Impulse zur Bildung eines neuen Staatsvolks ausgehen. Gens und regnum standen also in einem sich gegenseitig befruchtenden Wechselverhältnis oder sollten als ein solches funktionieren. Mit der endgültigen Anerkennung der vandalischen Herrschaft über wesentliche Teile des kulturell gesehen lateinischen Nordafrika kamen nicht nur bewusstseinsmäßige Prozesse in Gang, deren Ergebnisse und Folgen im Jahre 442 noch nicht abzusehen waren. Ebenso waren die materiellen Auswirkungen für die einheimische Bevölkerung beträchtlich, auch wenn die Einzelheiten hierzu sehr strittig sind. In den den Vandalen unterstellten Territorien, die nun sukzessiv herrschaftlich erschlossen wurden, dürften die Umwälzungen jedenfalls erheblich gewesen sein. Die sog. sortes Vandalorum – die Landlose, die den vandalischen Familien zur Ansiedlung angewiesen wurden – nahmen jedoch bei weitem nicht das gesamte, den Vandalen durch den Vertrag vom Jahre 442 abgetretene ehemalige Provinzialgebiet ein. Auch bei einer großzügigen Landverteilung verblieben bei der zahlenmäßigen Schwäche der Nutznießer große Teile des bebaubaren oder durch Viehzucht nutzbaren Landes in der 100

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Verfügung der bisherigen Besitzer. Andererseits waren vielfache Ansprüche auf Zuweisung von Grundbesitz und den dazu gehörigen Baulichkeiten, von menschlichen Ressourcen und beweglicher Habe zu befriedigen. Die Welle von Enteignungen großen Stils, die bereits nach der Eroberung Karthagos eingesetzt hatte, pflanzte sich nun fort und traf besonders die reiche senatorische Oberschicht und die Mitglieder der städtischen Kurien, die in der Regel auch Landbesitzer waren. Davon in Mitleidenschaft gezogen war allerdings nicht das gesamte Staatsgebiet, sondern vornehmlich die Proconsularis und wohl der nördliche Teil der Byzacena, vielleicht auch kleinere Gebiete im vandalischen Teil von Numidien. In diesen Regionen waren die Ansprüche der königlichen Familie, die der vandalischalanischen Oberschicht, der Gemeinfreien und der arianischen Geistlichkeit, die dabei nicht zu kurz kommen sollte, zu befriedigen. Es versteht sich, dass diese Versorgung abgestuft, also dem gesellschaftlichen Rang entsprechend, erfolgte. Vor allem in der südlichen Byzacena überlebten römischer Grundbesitz und die raffinierte und deshalb große Begehrlichkeiten hervorrufende römische Lebensweise. Dort konnten die römischen possessores (mittlere und große Grundbesitzer) z. T. bleiben, z. T. dahin zurückkehren, erhielten ihre Güter vielleicht sogar restituiert oder konnten diese zumindest zurückkaufen, wie dort gefundene, auf Holztafeln geschriebene Kaufurkunden, die sog. „Tablettes Albertini“ vom Ende des 5. Jahrhunderts, belegen. Man deutet diese Urkunden als Beweis dafür, dass sich nach einem halben Jahrhundert vandalischer Herrschaft die alte römische Grundbesitzerschicht wieder verstärkt etablieren konnte. Der damit verbundene Anschauungsunterricht verfeinerter römischer Kultur fand in den Neubesitzern eifrige Nachahmer; die vandalische Oberschicht, die in den Großgrundbesitz eingerückt war, wollte hier in nichts nachstehen, eignete sich mehr und mehr das Ideal der römischen Senatsaristokratie von einem Leben in Muse und schöngeistiger Beschäftigung an, ab und an unterbrochen durch Zerstreuung bietende Jagdveranstaltungen oder durch den Besuch von Theater und Zirkus. Diese gesellschaftliche Entwicklung, deren negative Auswirkungen sich im militärischen Bereich sehr bald zeigen sollten, war sozusagen die – nicht intendierte – Gegenströmung zum staatlicherseits initiierten Vereinheitlichungsprozess, indem die Kultur einer Klasse, die die politische Macht eingebüßt hatte, sich im oberen gesellschaftlichen Segment bei ihren Überwindern mehr und mehr bis hin zur Unterscheidungslosigkeit durchsetzte: Die Eroberten holten die Eroberer zu sich zurück. 101

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Expropriation und Neuverteilung setzten eine funktionierende bürokratische Maschinerie voraus, die allerdings mindestens noch in Teilen als ein Erbe einer hoch ausdifferenzierten römischen Verwaltung vorhanden war. So berichtet Prokop, erst Geiserich habe die Steuerkataster in Nordafrika für ungültig erklärt und vernichten lassen105. Das würde – nach ihrer Benutzung und Auswertung für die Landzuweisungen – auch Sinn machen, denn die neuen Eigentümer erhielten ihre Ländereien als steuerfreien und erblichen Besitz. Die bisherigen Eigentümer wurden vertrieben oder sogar versklavt, einige hatten sich bereits vorher – wohl besonders in der vertragslosen Zeit zwischen 439 und 442 – nach Italien und sogar ins Ostreich abgesetzt. Ihre an die Scholle gebundenen Kolonen (coloni, Pächter) schlossen sich ihnen nicht an, wechselten vielmehr einfach den Herren, blieben dabei wohl weitgehend ungeschoren, denn es war kaum zu erwarten, dass sich die „verreiterten“ Vandalen trotz günstigerer Bedingungen wieder der Landwirtschaft widmen würden. Sie waren vielmehr auf die Arbeit und das von den Pächtern erwirtschaftete Mehrprodukt für ihren eigenen Konsum angewiesen. Soweit es Kleinbesitz, von freien Kleinbauern bewirtschaftet, überhaupt noch gab, dürfte er weitgehend ungeschoren geblieben sein. Auch der umfangreiche königliche Besitz – des Königs und der Mitglieder der stirps regia, der königlichen Sippe der Hasdingen – ging kaum zu Lasten der zur Verfügung stehenden Landverteilungsmasse; der traditionell in Nordafrika große Fiskalbesitz wurde einfach in königlichen Besitz umgewandelt. Dem arianischen Klerus und der entstehenden arianischen Staatskirche wiederum wurden im Wesentlichen die konfiszierten kirchlichen Gebäude samt Inventar und die kirchlichen Ländereien übertragen, die katholischen Kleriker teils vertrieben, teils in ihrer Wirkungsfreiheit stark eingeschränkt, ohne damit allerdings wie eigentlich intendiert den katholischen „Religionsbetrieb“ abstellen zu können. Katholisch zu sein in den wiederkehrenden Zuspitzungen des Verhältnisses der Vandalen zur römischen Provinzialbevölkerung bedeutete nämlich zunehmend, gegen die Politik der aufoktroyierten Uniformierung und Assimilierung Widerstand zu leisten bzw. geleistet zu haben. Die Botschaft Geiserichs nach dem Vertrag von 442 hingegen war eindeutig: Wenigstens im Kerngebiet des Vandalenreichs sollte die arianische Geistlichkeit an die Stelle der katholischen treten und mit der Bekehrung der Provinzialrömer zur homöischen Version des Christentums eine sozusagen ideologische Klammer geschaffen werden, die den so unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen im vandalischen Nordafrika ein Zusammengehörig102

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keitsgefühl zu geben vermochte. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden auch auf uns sehr kleinlich wirkende Bestimmungen gegen die Katholiken erlassen. So erging die Vorschrift, die Verstorbenen unauffällig und in aller Stille zu begraben, um zu verhindern, dass die Begräbnisfeierlichkeiten zu Bekenntnis- und Propagandazwecken umgemünzt wurden. Selbst in die Gestaltung der Predigttexte wurde hineinregiert, wohl aus Furcht, es könnten darin Anspielungen auf den König und die Herrschaft der Vandalen in herabsetzender Weise und in böser Absicht vorkommen. Wenn sich zwischenzeitlich einmal die Situation der katholischen Kirche und ihrer Gläubigen besserte und sich eine Art Tauwetter ankündigte, so war dies keine grundsätzliche Wende in der Religionspolitik, sondern der politischen Großwetterlage verdankt. So konnte endlich im Oktober 454 mit Deogratias wieder ein katholischer Bischof in Karthago ordiniert werden, ob zuvor bereits andere – vertriebene – Bischöfe in ihre Sprengel zurückkehren konnten, ist hingegen nicht überliefert. Innere Schwierigkeiten nach einer schnell niedergeschlagenen Adelsverschwörung führten wohl dazu, dass der am westlichen Kaiserhof weilende Königssohn Hunerich nach Karthago zurückkehrte – wohl im Jahre 445 – und dass seine westgotische königliche Braut verstümmelt nach Toulouse zurückgeschickt wurde, um dem Eheprojekt des Königssohns mit einer Kaisertochter sichtbaren – im wahren Sinne des Wortes – Ausdruck zu verleihen. Dies und die Unterlassung vandalischer Raubzüge nach Italien und zu den Inseln des westlichen Mittelmeers sollten der römischen Zentrale in Ravenna die Zuverlässigkeit des vandalischen Vertragspartners unter Beweis stellen.

8.8 Die Außenpolitik unter Geiserich in ihrem Wechselverhältnis zur inneren Entwicklung des Vandalenreichs Mit den geglückten Staatsgründungen, vor allem aber seit dem Vertrag von 442 konnten die Vandalen und ihre Staatsführung den Regierungen in Ravenna und Konstantinopel auf derselben Augenhöhe begegnen, und zwar auch ohne dass in jedem Fall militärische Machtmittel eingesetzt werden mussten. Seitdem kann man mit Fug und Recht auch von einer vandalischen Außenpolitik sprechen, war man doch nach eigenem Verständnis – das sich auch zunehmend 103

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zum Verständnis der Gegenseite entwickelte – Partner, nicht Teil des Römerreichs. Dabei entwickelten sich die völkerrechtlichen Beziehungen zum Ost- und zum Westreich durchaus unterschiedlich. So stellte für das Verhältnis zum Westreich die Ermordung des Kaisers Valentinian III. im Jahre 455 eine wirkliche Zäsur dar; auch wenn dieses offiziell noch weitere 21 Jahre bestand, wurde es von den Vandalen – modern gesprochen – als Völkerrechtssubjekt nicht mehr akzeptiert. Man betrachtete es von vandalischer Seite vielmehr als eine Art Verfügungsmasse, auf die der Kaiser in Konstantinopel wie auch die völkerwanderungszeitlichen Reiche auf dem Boden des Westreichs – neben dem regnum der Vandalen die Reiche der Westgoten, Sweben, Burgunder und Franken – je nach der machtpolitischen Konstellation ihren Einfluss ausüben und darüber befinden konnten. In Abstimmung mit Konstantinopel wollte vor allem Geiserich dieses Erbe oder einen wesentlichen Teil davon antreten, sein Blick war wohl auf die großen Mittelmeerinseln und auf das südliche Italien gerichtet. Dabei ging er allerdings nicht so skrupellos vor wie ihm teilweise in den Quellen unterstellt wird. In den schicksalshaften Monaten des Hunneneinfalls in Gallien in den Jahren 451/52 verhielten sich die Vandalen neutral, trotz aller diplomatischen Bemühungen Attilas, eine gegen Rom und die Westgoten gerichtete Allianz zu schmieden. Auch für die im Frühjahr 450 ausgebrochene und wohl ein ganzes Jahr andauernde Hungersnot in ganz Italien waren die Vandalen nicht verantwortlich. Die nordafrikanische Getreideflotte versorgte hauptsächlich die nominelle Hauptstadt des Westreichs, nämlich Rom, und insgesamt war die Abhängigkeit der Versorgung Italiens vom nordafrikanischen Getreide deutlich zurückgegangen. Die Hungersnot hatte natürliche Gründe und wurde nicht durch eine von den Vandalen durchgesetzte Unterbrechung der Getreideversorgung aus Nordafrika verursacht. Auch die Unterbindung des Schiffsverkehrs zwischen Sardinien und Italien, auf die eine kaiserliche Verordnung vom Jahre 452 hinweist106, kann nicht einfach den Vandalen angelastet werden. Auf verwandtschaftliche Beziehungen zum theodosianischen Kaiserhaus setzend, das sowohl durch den Westkaiser Valentinian III. als auch durch Kaiser Markian (regierte 450–457) in Konstantinopel repräsentiert wurde, konnte Geiserich an einem Sieg der Hunnen nicht interessiert sein. Die Ermordung Kaiser Valentinians III., des zukünftigen Schwiegervaters des Königssohns Hunerich, im März 455 war die Ursache für einen prinzipiellen Politikwechsel, der wiederum auch beträchtliche Auswirkungen auf die Innenpolitik im Vandalenreich zeitigte. Einmal waren die überstürzten ersten Regierungshandlungen des 104

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neuen Westkaisers Petronius Maximus (regierte März-Mai 455), eines Senators ohne große eigene Hausmacht, eine echte Herausforderung für Geiserich und die Vandalen. Petronius Maximus hatte zwar die höchsten Staatsämter bekleidet, als reiner Zivilist suchte er jedoch seine Autorität und Legitimität durch die Anknüpfung an die theodosianische Dynastie zu festigen. Er zwang die Kaiserinwitwe Eudoxia gegen deren Willen zur Ehe und verlobte die Kaisertochter Eudocia, die längst dem vandalischen Königssohn Hunerich versprochen war, mit seinem Sohn Palladius. Zum anderen hatten Geiserich und die Vandalen anscheinend ein vom römischen unterschiedliches Vertragsverständnis. In einer rein personalistischen Auffassung betrachteten sie den im Jahre 442 geschlossenen Vertrag mit dem Tode des Kaisers für hinfällig und entschlossen sich zu einer Intervention mit dem Ziel der Eroberung Roms, wo sich der neue Kaiser und der Senat aufhielten. Dass Geiserich zu diesem Unternehmen erst die Aufforderung der in eine neue Ehe hineingezwungenen Kaiserin(-witwe) gebraucht hätte, gehört zu den vielen unhistorischen Anekdoten, die in jener Periode umliefen. Schon die zeitgenössischen Quellen sprechen diesbezüglich von einem bloßen Gerücht. Die für eine starke Interventionsarmee notwendige Transportflotte stand anscheinend ohne weiteren großen Aufwand bereit, um die Segel nach Italien zu setzen. Und schon gut zwei Monate nach der Ermordung Valentinians III. lief diese Flotte im Hafen von Portus ein, der durch einen Kanal mit dem Tiber verbunden war. Nach der Ausschiffung zog die Streitmacht Geiserichs, die neben den üblichen vandalischen Kontingenten erstmals auch aus Mauren rekrutierte Einheiten umfasste, auf der via Portuensis ohne Umschweife auf Rom zu. Dort war bereits eine Absetzbewegung – besonders unter den besitzenden Schichten – in Gang gekommen, der sich am 31. Mai 455 auch der neue Kaiser selbst anschließen wollte. Daran wurde er von einem Soldaten burgundischer Herkunft gehindert, der ihn durch einen Steinwurf tötete; der Leichnam des Kaisers wurde anschließend von der empörten Menge geschändet und landete schließlich im Tiber. Warum die Vandalen allerdings erst drei Tage später, am 2. Juni 455, in die Ewige Stadt einrückten, wird nicht gesagt. Möglicherweise scheuten sie den Sturm auf die gut befestigte Stadt und wollten eine Entwicklung abwarten, die ihnen die Stadt mehr oder weniger kampflos in die Hände spielen sollte. Als Repräsentanten schickten die Bürger Roms den Vandalen – wie schon beim Hunneneinfall in Italien im Jahre 452 bewährt – den Bischof von Rom, Papst Leo I., entgegen. Auf dessen Bitten soll der 105

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Vandalenkönig zugestanden haben, auf Mord, Zerstörung und Brandstiftung zu verzichten und sich mit intensiver Plünderung zu begnügen. Ob auch die Schonung der Kirchenschätze vereinbart werden konnte, ist nicht bezeugt; Nachrichten über deren Plünderung und Wegführung sind allerdings sehr viel späteren Datums. Man kann sich das Echo auf die dritte Eroberung Roms im Laufe seiner über tausendjährigen Geschichte und deren Wirkung auf die Zeitgenossen nicht gewaltig genug vorstellen. Dieses Ereignis sorgte dafür, dass der Vandalenname im kollektiven Gedächtnis der Völker und Nationen einen besonderen und unvergänglichen Platz erhielt. Die vierzehntägige systematische Plünderung der immer noch nominellen Hauptstadt des Römerreichs, die sich gerade anschickte, mit dem Primat ihres Bischofs ein Äquivalent für den Verlust als Regierungssitz des Römerreichs zu erwerben, übertraf alles, was man bisher von den Reichsfeinden – und das waren im Laufe der Jahrhunderte nicht wenige – erlebt und erlitten hatte. Entsprechend breit war auch der Niederschlag in der Berichterstattung, der letztendliche Abzug der Vandalen musste als ein ausschließlich der Gnade Gottes verdanktes Wunder dünken. Während der zwei Wochen währenden Besetzung Roms räumten die Vandalen akribisch die Kaiserpaläste, die Stadtpaläste der Senatsaristokratie, die öffentlichen Gebäude, die heidnischen, z. T. bereits als Museen dienenden Tempel und weitere ansehnliche private Gebäude gründlich aus und verfrachteten die geraubten Gegenstände, die häufig aus Edelmetall bestanden, auf die in Portus liegende Flotte. Vandalisches Beutegut wurden damals auch von den Römern geraubte Kunstschätze und liturgisches Gerät wie etwa der von Kaiser Titus (regierte 79–81) im Jahre 70 nach Rom überführte Schatz aus dem Tempel von Jerusalem. Eines der damit wohl völlig überladenen vandalischen Transportschiffe – seine Fracht bestand vor allem aus wertvollen Statuen – soll auf der Rückfahrt nach Karthago untergegangen sein107. Nicht allein diese gewaltsam angeeignete materielle und ideelle Beute begründete den einmalig schlechten Ruf der Vandalen, so dass ihnen eine späte Nachwelt mit dem Begriff Vandalismus „ein besonderes Brandmal“ aufdrückte und sie damit wohl bis in alle Ewigkeit stigmatisierte, sondern auch die Verschleppung von Menschen, sofern sie einen herausgehobenen gesellschaftlichen Status hatten oder über bestimmte Fertigkeiten und Kenntnisse verfügten, trug zu diesem zweifelhaften Ruhm erheblich bei. Diese Wirkungsgeschichte muss einigermaßen erstaunen, kam es doch zu keinen Exzessen und Gewaltorgien, zu keinen mutwilligen Zerstörungen und Brandstiftungen. Möglicherweise ist es die „Menschenbeute“ gewesen, die 106

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die Vandalen so sehr in Verruf brachte. Zu dieser Menschenbeute gehörten die Kaiserinwitwe Eudoxia selbst und ihre Töchter Eudocia und Placidia, der Sohn des im Jahre 454 ermordeten Generalissimus Aetius namens Gaudentius und viele Senatoren. Die vandalische Flotte kehrte darauf auf direktem Wege nach Karthago zurück, die Beute wurde ausgeladen, um die Menschenbeute wurde geschachert, soweit sie nicht von Geiserich selbst beansprucht wurde. So konnte der katholische Bischof von Karthago Deogratias durch Veräußerung kostbaren Kirchengeräts zahlreiche Gefangene, denen die Sklaverei drohte, freikaufen und ihnen in zwei der Hauptkirchen Karthagos Asyl angedeihen lassen. Während die Kaiserinwitwe Eudoxia und die eine ihrer beiden Töchter, Placidia, auf Verlangen Kaiser Markians nach Konstantinopel entlassen wurde, wurde die andere Tochter Eudocia mit dem Königssohn Hunerich verheiratet. Das Völkerrechtssubjekt Vandalenreich war in den Augen der römischen Beobachter wieder zum Raubstaat degeneriert, der vertragsbrüchig und ohne Maß und Ziel die zivilisierte Welt terrorisierte. Und in der Tat rechtfertigten die innere Entwicklung und die Aktivitäten nach außen in den auf die Eroberung und Plünderung Roms folgenden Jahre in gewisser Weise eine solche Einschätzung, auch wenn wir mit Übertreibungen der den Vandalen überwiegend feindlich gesinnten Autoren der Zeit rechnen müssen. So ist zunächst einmal die Meldung zu relativieren, die Vandalen hätten nach der Eroberung und Plünderung Roms das gesamte (Nord-)Afrika in Besitz genommen108. Von geringen Arrondierungen ihres Staatsgebiets abgesehen – so wurde die numidische Hauptstadt Cirta (heute Constantine) in das Vandalenreich inkorporiert – behaupteten die Vandalen lediglich das ihnen durch den Vertrag von 442 zugestandene Territorium. Die Situation hatte sich gegenüber der vorherigen Periode allerdings insofern geändert, dass die im Westen des Vandalenreichs gelegenen Gebiete gewissermaßen nun herrenlos geworden waren, es dort lediglich regionale Autoritäten gab und man so gegen die immer wieder aus den unwegsamen Gebirgszonen und den Steppengebieten vorstoßenden und marodierenden maurischen Gruppen auf sich allein gestellt war. Man kann den Vandalen diesbezüglich eine Haltung weiser Selbstbeschränkung bescheinigen; das Erbe Roms im gesamten römischen Nordafrika anzutreten, hätte ihre Kräfte und Möglichkeiten jedenfalls total überfordert. Kriegerische Auseinandersetzungen auf nordafrikanischem Boden wurden anscheinend nur dann geführt, wenn indigene Gruppen gegen das Territorium der Vandalen selbst vorgingen oder wenn die Vandalen gezwungen waren, das Rekrutierungspotenzial für ihre 107

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Unternehmungen im Mittelmeer zu erweitern, d. h. wenn sie im Krieg gefangene oder angeworbene Mauren in ihre Heere aufnahmen. Die rigorose, zeitweilig auf Eis gelegte Religionspolitik Geiserichs wurde nach den einschneidenden Ereignissen des Jahres 455 wieder aufgenommen. Der im Jahre 457 erfolgte Tod des katholischen Bischofs der Metropole Karthago, Deogratias, gab dazu den Startschuss. Der für die Katholiken im Vandalenreich wichtigste Bischofsstuhl wurde nicht wieder besetzt, zahlreiche Bischöfe wurden in der Folgezeit des Hochverrats verdächtigt und verbannt, im Todesfalle durften keine Nachfolger bestellt werden. Kirchen wie die Bischofskirche in Karthago wurden zugesperrt, Kirchengeräte konfisziert und damit die Durchführung der Gottesdienste deutlich erschwert. Bei eingetretenen Vakanzen wurden Klerus und Kirchenvolk daran gehindert, einen neuen Bischof zu wählen. Davon sollen – in einem längeren Zeitraum – 164 Bischofssitze betroffen gewesen sein109, wobei nicht einmal klar ist, ob diese Zahl auf das gesamte vandalische Staatsgebiet zu beziehen ist. Bei der Rigidität und Glaubensfestigkeit der katholischen Christen Nordafrikas, traditionell gepaart mit einer hohen Bereitschaft zum Martyrium und gekennzeichnet durch eine nahezu ekstatische Verehrung der Märtyrer, waren Widerstand und Unruhen geradezu vorprogrammiert. Klugerweise richtete der Staatsapparat allerdings sein Vorgehen darauf hin aus, möglichst Martyrien zu vermeiden; diese Politik der Märtyrervermeidung scheint dann auch verhältnismäßig erfolgreich gewesen zu sein. Auch wenn katholische Autoren wie etwa Victor von Vita von einer großen Zahl von Märtyrern sprechen, sind uns doch namentlich nur ganz wenige Fälle bekannt. Ihre geringe Anzahl kann nicht dem Zufall der Überlieferung angelastet werden, denn Märtyrergedenktage wurden immer besonders sorgfältig notiert und feierlich begangen. Wenn es entsprechende Fakten in der Regierungszeit Geiserichs gegeben hätte, wären sie zweifellos überliefert worden. Allerdings liegt die Annahme nahe, dass der König eine Politik des langen Atems in der Religionsfrage einschlug: Durch Suspendierung vom Amt und durch Verhinderung der Bischofswahlen blieben viele katholische Gemeinden führungslos, so dass die Hoffnung seitens der Vandalen bestand, dass sich viele Gemeindemitglieder von der katholischen Kirche abwenden würden. In diesen Kontext – Abwendung von der katholischen Orthodoxie und sozusagen öffentlich gemachte Bekehrung zum Arianismus durch die Wiedertaufe110 – gehört auch eine Verfügung Geiserichs in Bezug auf seine Hofhaltung und die seiner Söhne. Auf den Ratschlag der 108

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arianischen Geistlichkeit hin sei die Anordnung ergangen, in diesen Bereichen nur noch Arianer zu beschäftigen111. Ob es sich hierbei wirklich um eine Restriktionsmaßnahme Geiserichs gehandelt hat oder ob sie nicht erst in die Zeit der schweren Katholikenverfolgung unter Geiserichs Sohn Hunerich gehört, ist strittig; sie würde sich jedenfalls inhaltlich besser in die Verfolgungspolitik Hunerichs einordnen lassen, Victor von Vitas Zeugnis wäre dann die Rückprojizierung einer späteren Maßnahme. Sollte bereits Geiserich zu diesem Zwangsmittel gegriffen haben, so bietet sich hierfür die Erklärung an, dass es sich lediglich um eine auf die Zukunft gerichtete Maßnahme gehandelt hat. Katholiken wären demnach im Hofdienst belassen, weitere hingegen nicht mehr eingestellt worden. Die – arianische – Wiedertaufe konnte demnach als „billet d’entrée“ (Eintrittskarte) für die Tätigkeit und den Aufstieg am Königshof gelten. Die nach dem Jahre 455 letztlich ungeklärte Machtfrage im Westteil des Römerreichs mit den häufigen Herrscherwechseln und dem Auf und Ab von Aktion und Reaktion – bis schließlich jegliche Aktivität unterblieb – begünstigte zweifellos den Konsolidierungsprozess vandalischer Herrschaft über zentrale Teile des ehemaligen römischen Nordafrika. Anscheinend verzichteten die Vandalen in weiser Selbstbeschränkung auf die herrschaftliche Durchdringung und Sicherung des gesamten ehemaligen römischen Territoriums, vielleicht mit Ausnahme der – dann auch nur temporären – Besetzung einiger wichtiger Hafenstädte an der Mittelmeerküste der mauretanischen Provinzen. Eine entsprechende Zurückhaltung legten die Vandalen auch in Bezug auf die Inkorporierung der gebirgigen Landschaften und der wüsten- bzw. steppenartigen Zonen jenseits der Küstengebiete und der landwirtschaftlich nutzbaren Räume. Daraus hatten sich die Römer bereits seit der großen Reichskrise in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts weitgehend zurückgezogen und die einheimische, unter dem Namen Mauren zusammengefasste Bevölkerung mehr oder weniger sich selbst überlassen. Die Mauren waren Nomaden oder Seminomaden, trieben Viehzucht, wohl auch Karawanenhandel und zerfielen in eine ganze Reihe kleiner Stammesgruppen, von denen sich einige für die vandalischen Interessen in Dienst stellen ließen. Wenn allerdings der zeitgenössische römische Dichter Sidonius Apollinaris, der einer vornehmen gallo-römischen Familie entstammte, Schwiegersohn eines (west-)römischen Kaisers war und schließlich auch zu einem Bischofsamt (in Clermont-Ferrand) gelangte, in einem seiner Gedichte behauptete, eine große Anzahl maurischer Stämme habe sich 109

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damals mehr oder weniger widerstandslos den Vandalen unter Geiserich unterstellt112, so verdient diese Nachricht trotz der namentlichen und Authentizität suggerierenden Aufzählung dieser Stämme keinen Glauben. Bis in die frühen 80er Jahre des 5. Jahrhunderts verhielten sich diese Stämme weitgehend ruhig, bildeten zudem für die vandalischen Heere ein bald unverzichtbar werdendes Menschenpotenzial und nahmen an einigen vandalischen Expeditionen in die Küstenregionen des westlichen Mittelmeeres teil. Es ist wohl vor allem diese sich entwickelnde Vertrautheit mit Staatlichkeit überhaupt, die bei den kaum gegliederten maurischen Stammesgesellschaften so etwas wie rudimentäre staatliche Strukturen entstehen ließen. Gegen Ende des 5. Jahrhunderts lässt sich nämlich eine ganze Reihe kleiner Fürstentümer – vom Westen des römischen Nordafrika bis weit in seinen Osten (Tripolitanien) hinein – auf dieser stammesmäßigen Grundlage nachweisen (s. Karte 8), mit denen sich die Vandalen zunehmend auseinandersetzen mussten, da jene mehr und mehr zu einer Gefahr für das regnum Vandalorum wurden.

8.9 Eine Periode der Ziellosigkeit? „Natürlich gegen diejenigen, denen Gott zürnt“ Der Chronist der Katholikenverfolgung seitens der Vandalen, Victor von Vita, stellt ergänzend zu seiner Behauptung, die vandalische Herrschaft habe sich nach 455 über das gesamte römische Nordafrika ausgedehnt, auch lapidar fest, Geiserich habe damals neben vielen anderen Inseln im Mittelmeer auch die großen Inseln Sardinien, Sizilien, Korsika und die Balearen seinem Herrschaftsbereich einverleiben können113. Diese Mitteilung unterstellt Geiserich und den Vandalen eine zielgerichtete Expansionspolitik. In ihrer Pauschalität ist sie kaum vertrauenswürdig. Zudem bezeugt der über zuverlässige Quellen verfügende Prokop, dass die Vandalen nach der Ermordung Valentinians III. alljährlich zu Frühlingsbeginn ihre Flotten, bemannt auch mit maurischen Hilfstruppen, aus Karthago auslaufen ließen, um Überfälle zu Plünderungs- und Verschleppungszwecken an den Küsten Siziliens, Italiens und auch zunehmend im adriatischen Raum und bis hin zu den griechischen Inseln durchzuführen114. Geiserich habe seine Angriffe ohne Grund gegen den 110

8

Leptis Magna Oea

Sabratha

Ruspe

Hadrumetum

Capsa

Nammes

Syracusa Carthago

6

300km 200 100 0

Tingis

Córdoba

Malaga Oceanus Atlanticus

S

Toledo

1

Altava

2

Djeddar

Caesarea

Carthago Spartaria

Balearen

3

4

5

Thala

Mare Mediterraneum

Hippo Regius

7

Sardinien

Lilybaeum

Rom Korsika

Marseille N

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Sizilien

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Karte 8: Die maurischen Herrschaftsbildungen in Nordafrika während der Vandalenzeit: 1 Altava (Oranie); 2 Ouarsenis; 3 Hodna; 4 Aurès; 5 Nememcha; 6 Capsa; 7 Thala; 8 Cabaon (benannt nach einem maurischen Häuptling); s. auch „Edough“ auf Karte 5, S. 87.

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Nächstbesten gerichtet, und, einmal beim Auslaufen einer der Flottenexpeditionen von einem Steuermann nach dem Ziel befragt, habe der König geantwortet: „Natürlich gegen diejenigen, denen Gott zürnt!“115. Damit hätten die Vandalen eine Gewohnheit wieder aufgenommen, wie sie sie in den Zeiten vertragsloser Zustände mit dem Römerreich an den Tag gelegt hatten. Zur Bewertung aller dieser Nachrichten wird man zunächst einmal bedenken müssen, ob sie wirklich alle auf die Vandalen zu beziehen sind oder ob nicht ein Teil von ihnen der allgemeinen, im Mittelmeer existierenden und in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts noch zunehmenden Piraterie anzukreiden ist. Solche Bedenken betreffen beispielsweise die Notiz des Hydatius zum Jahre 445, die Vandalen hätten ihre Schiffe bei Turonium an der Küste der Gallaecia (Galizien, Nordwestspanien) gelandet und zahlreiche Familien von dort entführt116. Ist es wirklich denkbar, dass die Vandalen den weiten Schiffsweg durch die Straße von Gibraltar, dann die Westküste der Iberischen Halbinsel in nördlicher Richtung entlang, bis zu den kargen Küstengebieten einer ehemals römischen, jetzt von den Sweben besetzten Provinz gesegelt seien, um dort einige Familien zu versklaven? Die in ihrem Grundbestand – nämlich den Überfall und die Verschleppung betreffend – sicher authentische Information passt viel besser etwa zu den seeräuberischen Sachsen, von denen wir wissen, dass sie keine Probleme hatten, von der Nordsee her auch die Biskaya zu besegeln. Es fragt sich auch, wie intensiv die von Victor von Vita behauptete Eroberung, herrschaftliche Durchdringung und organisatorische Erfassung in diesem Inselreich seitens der Vandalen wirklich waren. Sie unterhielten auf den genannten Inseln wohl eine ganze Reihe von Stützpunkten und Häfen, die sie mehr oder weniger ungestört anlaufen konnten und die ihnen eine lose Kontrolle über das westliche Mittelmeer erlaubte. Dadurch war es ihnen immerhin möglich, nahezu jederzeit die Küsten Italiens, Galliens und Spaniens zu erreichen und zu bedrohen. Und tatsächlich konnten Stützpunkte auf den Balearen, auf Sardinien und Korsika bis zum Ende der vandalischen Staatlichkeit behauptet werden. Wesentlich komplizierter als Victor von Vita behauptet stellte sich in jenen Jahren die Situation in Sizilien dar. Die Gefährdung Unteritaliens im Blick setzte sich die Regierung in Ravenna gegen die Vandalen jedenfalls zunächst kräftig zur Wehr und verbuchte dabei zwei durchaus Aufsehen erregende militärische Erfolge. Im Jahre 456 konnten nämlich römische Truppen – beide Male unter dem Kommando des späteren ,Generalissimus‘ Rikimer – vandalische Expeditionskorps bei Agrigent auf Sizilien bzw. später auf Korsika besiegen117. Das brachte 112

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allerdings nur vorübergehend eine Beruhigung und Konsolidierung der Sicherheitslage, mussten sich doch die Vandalen durch neue und wohl kaum erwartete Aktivitäten seitens des Westreichs geradezu herausgefordert fühlen. Mit dem Regierungsantritt des energischen Kaisers Maiorian (regierte 457–461) im Westteil des Römerreichs drohte nämlich der vandalischen Herrschaft in den Kerngebieten des ehemals römischen Nordafrika eine ernsthafte Gefahr. So gelang es den Römern zum einen, die unmittelbare Gefährdung Italiens dadurch zu bannen, dass ein weiteres, aus Vandalen und Mauren bestehendes Expeditionskorps in Kampanien gestellt und in die Flucht geschlagen wurde. Und anschließend unternahm Maiorian den gigantisch zu nennenden Versuch, im Kampf gegen Burgunder, Westgoten und Vandalen den gesamten Westen des Römerreichs seiner Autorität zu unterwerfen. Dazu wurden die barbarischen Völker des Ostalpen-Mitteldonau-Raums als militärische Kraftreserve sozusagen neu entdeckt und erschlossen und aus ihnen ein für die damaligen Möglichkeiten und Verhältnisse gewaltiges Heer rekrutiert. Dieses Heer aus dem Donauraum wurde dem Kaiser durch einen namentlich leider nicht genannten Heermeister zugeführt, dessen Charakter und Verdienste der Dichter Sidonius Apollinaris nicht müde wird, in den höchsten Tönen zu preisen118. Bei ihm könnte es sich um den späteren norischen Heiligen Severinus gehandelt haben, von dem wir wissen, dass er vor seiner conversio, der Aufnahme eines heiligmäßigen Lebens ohne selbst Kleriker oder Mönch zu sein, die höchsten Staatsämter inne hatte. Das Vorhaben Maiorians, das wir durch unser Mehrwissen bedingt nicht von vornherein als aussichtslos apostrophieren dürfen, scheiterte letztendlich an der geschickten Taktik der Vandalen, aber auch an Uneinigkeit und Verrat auf römischer Seite sowie an der mangelnden Unterstützung durch Konstantinopel. Im Zusammenhang mit der Schilderung dieses Unternehmens erzählt Prokop auch die schöne Geschichte vom heimlichen Aufenthalt des Kaisers in Karthago: „Da Maiorinus [Maiorian] es für zweckmäßig fand, zuvor die Stärke der Vandalen und Geiserichs Wesensart zu erkunden,…wollte er sich bei diesem Unternehmen nicht auf andere verlassen, sondern sich durch eigenen Augenschein überzeugen. Er ging daher in der Rolle eines kaiserlichen Gesandten zu Geiserich und legte sich einen anderen Namen bei. … Als er nun vor Geiserich hintrat, suchte ihn dieser unter anderem auch damit einzuschüchtern, dass er ihn wie einen Freund in das Magazin führte, wo sämtliche Waffen in großer Zahl und in hervorragender Ausführung gestapelt waren. Da sollen sich diese von selbst bewegt und einen starken, ganz ungewöhnlichen Lärm verursacht haben, so dass Geiserich im Augenblick an 113

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ein Erdbeben dachte. Als er aber dann nach Verlassen des Raums nach dem Erdbeben sich erkundigte und niemand sonst etwas davon wusste, verwunderte er sich sehr, konnte sich aber den Vorfall nicht erklären. Maiorinus aber kehrte, nachdem er seine Absicht erreicht hatte, nach Ligurien zurück und führte darauf sein Heer im Fußmarsch zu den Säulen des Herakles, um die Meerenge dort zu überschreiten und von diesem Punkt aus die restliche Strecke nach Karthago zu Land zurückzulegen“ 119. Dass der spätere Kaiser unerkannt in Karthago geweilt und Geiserich ihn in den Arsenalen herumgeführt habe, ist unhistorisch. Andererseits ist sicher, dass diese Geschichte häufig erzählt und wohl auch geglaubt wurde; man wird sie Prokop spätestens während seines Afrikaaufenthalts zugetragen haben, wie dieser ja auch sonst durch Befragung die eine oder andere wichtige Information in Erfahrung bringen konnte. Fragen müssen wir uns jenseits des Problems ihrer Historizität allerdings, welche Funktion diese Geschichte in der Wahrnehmung und Beurteilung der Vandalenzeit durch die Zeitgenossen und die darauf folgende Generation hatte. Zunächst könnte man daran denken, dass ihr Ansatz- und Ausgangspunkt das Faktum der zeitweiligen Anwesenheit – als Gefangener – des späteren oströmischen Kaisers Markian gewesen war. Die Namensähnlichkeit Markianos – Maiorinos/ Maiorianus wäre ein Indiz dafür. Zum kaiserlichen Inkognito passt nun auch der von Prokop berichtete Ausgang des römischen Angriffs auf das Vandalenreich. Im Gegensatz zur gesamten sonstigen Überlieferung sei Maiorian nämlich unmittelbar vor Antritt des Feldzugs an der Ruhr gestorben120. Danach hat also ein gnädiges Schicksal die Vandalen vor den Römern unter dem kraftvollen Kaiser Maiorian gerettet, deren König damals zudem voller Angst gewesen sei121. Wie aus der sonstigen Überlieferung hervorgeht, brach Kaiser Maiorian selbst nach ersten Fehlschlägen noch vor der Ausschiffung der Flotte, die nur zu einem Teil im Hafen beim heutigen Cartagena lag, das so groß angelegte Unternehmen ab; auch Verrat soll dabei eine Rolle gespielt haben. Dieser Misserfolg schlug relativ schnell auf die Herrschaft Maiorians zurück. Nach Italien zurückkehrend, wurde er im August 461 auf dem Weg nach Rom von dem damals allmächtigen Heermeister Rikimer seiner Würde entkleidet und kurz darauf ermordet. Ob es zwischen den Vandalen und dem Kaiser zuvor noch zum Abschluss eines Friedensvertrags gekommen war, ist mindestens strittig, sogar eher unwahrscheinlich. Es macht dabei Sinn, die dauernde Festsetzung der Vandalen auf den Balearen, auf Korsika und Sardinien – ob mehr punktuell oder sogar flächendeckend – mit dieser erfolgreichen Abwehr des großen Unternehmens 114

Tipasa

Karte 9: Die maximale Ausdehnung des direkten vandalischen Herrschaftsbereichs

Oea

M i t t e l m e e r

Sizilien

Rom

REICH DER VANDALEN

Karthago

Lilybaeum

Sardinien

Hippo Regius

Die maximale Ausdehnung des direkten vandalischen Herrschafts-Bereichs vor dem Untergang des Reiches 533/34 verlorene Gebiete

Septem

Balearen

Korsika

Kreta

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A t l a n t i s c h e r O z e a n

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Maiorians in Verbindung zu bringen. Während die Balearen bzw. die dortigen Stützpunke sozusagen als Außen- und Horchposten für authentische Informationen über die Verhältnisse in Gallien und Spanien gedient haben dürften, wird man die Gründe für die ebenfalls dauerhafte vandalische Präsenz auf den großen Mittelmeerinseln Korsika und Sardinien in anderen Überlegungen und Motivationen suchen müssen. Trotz anfänglicher Rückschläge gerieten jedenfalls beide Inseln unter vandalische Herrschaft, die bis zum Ende des Vandalenreichs in Nordafrika und sogar noch kurze Zeit darüber hinaus behauptet werden konnte (s. Karte 9). Die dortigen Bistümer gehörten zur nordafrikanischen Kirchenprovinz, entsprechend eng waren die Verbindungen, die sich in von Nordafrika ausgehenden Klostergründungen etwa auf Sardinien ebenso niederschlugen wie in der Aufnahme von ins Exil verwiesenen nordafrikanischen Bischöfen. Korsika mit seinen Wäldern war wegen des Rohstoffs Holz zum Schiffsbau für die Vandalen von großer Bedeutung und wie Sardinien diente es auch als Verbannungsort für einzelne Aufrührer oder auch widerständige Gruppen. So waren die noch nach dem Untergang der vandalischen Herrschaft auf Sardinien bezeugten barbaricini von den Vandalen auf die Insel verschleppte Mauren, die sich dort jedoch jeglicher Autorität erfolgreich entziehen konnten. Auch scheint die Insel mindestens zwischenzeitlich von den Römern zurückerobert worden zu sein; in den frühen 80er Jahren des 5. Jahrhunderts gehörte sie allerdings wieder zum Vandalenreich. Beflügelt durch die mehrere Monate andauernde kaiserlose Zeit im Westreich setzten die Vandalen auch ihre Strategie der Raubund Plünderungszüge nach Sizilien und Unteritalien fort. Diese vor allem die Zivilbevölkerung drangsalierenden, sogar Küstengebiete an der Westküste der Balkanhalbinsel in Mitleidenschaft ziehenden Aktivitäten brachten immerhin den Kaiser in Konstantinopel, Leo I. (regierte 457–474), – wohl im Einverständnis mit dem Machthaber in Italien, Rikimer – an den Verhandlungstisch. Das Ergebnis war ein Friedensvertrag mit beträchtlichen Zugeständnissen beider Seiten, von dem wohl damals bereits absehbar war, dass seine Einhaltung schwierig werden würde, weil die römische Seite keineswegs mit einer Stimme sprach, waren doch die zu erfüllenden Auflagen ungleich verteilt. Die Vandalen entließen darauf hin die Kaiserinwitwe Eudoxia und deren jüngere Tochter Placidia nach Konstantinopel in die Freiheit, zudem erhob Geiserich für den zukünftigen Gemahl der Placidia, Olybrius – der sich gerade in Konstantinopel aufhielt –, die Forderung, diesem das Kaisertum im Westreich zu übertragen. Für die Herausgabe der beiden kaiserlichen Frauen 116

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wurde den Vandalen ein beträchtliches Lösegeld gezahlt, die kaiserliche Prinzessin Eudocia, die Verlobte des Königssohns Hunerich, blieb in Karthago zurück und wurde mit Hunerich verheiratet. Überdies sagten die oströmischen Unterhändler zu, die – riesigen – Vermögen Valentinians III. und des 454 ermordeten ,Generalissimus‘ Aetius dem vandalischen Königshaus zu überstellen. Die Hasdingen traten auf diese Weise in der Person des Königssohns Hunerich als die legitimen Erben sowohl des Kaisers als auch seines mächtigen Heermeisters auf. Dass der Ostkaiser Leo I. über diese große materielle Hinterlassenschaft gar nicht verfügen konnte, sondern von der Zustimmung des Machthabers im Westreich Rikimer abhängig war, dürfte Geiserich und seinen Beratern nicht unbekannt gewesen sein. Anscheinend ging es den Vandalen um den Besitz eines Rechtstitels, den sie auch in der Gestalt von Gewaltanwendung ,einklagen‘ konnten, sollte sich die Angelegenheit nicht in dem verabredeten Sinne entwickeln. Es kam dann auch so wie es abzusehen war; das Westreich unter Rikimer verweigerte die Erfüllung der Zusagen des Ostkaisers, und die Vandalen reagierten in der längst üblichen Weise mit Überfällen und Razzien, wobei sie ihre Ziele je nach Beuteerwartung aussuchten und immer wieder veränderten. In den Jahren 462, 463 und 465 suchten sie Sizilien heim, erlitten dabei aber 465 durch ein Heer unter dem Kommando des (west-)römischen Generals Marcellinus eine Niederlage. Demselben Kommandeur gelang es auch im darauf folgenden Jahr, Sardinien den Vandalen zu entreißen und wieder in römischen Besitz zu nehmen. Innerrömische Streitigkeiten und Rivalitäten führten jedoch dazu, dass der fähige Militär Marcellinus kalt gestellt wurde und sich nach Dalmatien zurückzog. Die politische Großwetterlage hatte sich allerdings in jenen Jahren grundlegend geändert – und dies keineswegs im Sinne der Vandalen. Als dafür verantwortlich suggerieren die zeitgenössischen Quellen u. a. ein von den Vandalen betriebenes Bündnis mit den Westgoten, den Sweben und einem von Ravenna abtrünnigen römischen Machthaber in Gallien, Aegidius. Dass es dabei um die Verabredung eines konzertierten militärischen Vorgehens gegen den Machthaber in Italien, Rikimer, gegangen sei, ist wohl eine Unterstellung, die der Beliebtheit von Verschwörungsgerüchten und -theorien verdankt wird. Gut bezeugt und glaubhaft sind jedoch die diplomatischen Aktivitäten, die damals von Konstantinopel ausgingen. Einem Gesandten Kaiser Leos (I.) gelang es zunächst, Marcellinus und seine militärische Gefolgschaft aus der selbst gewählten Isolierung herauszuholen und für die Sache des Römerreichs wie117

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derzugewinnen. Ohne Erfolg blieben hingegen zwei diplomatische Versuche, mit den Vandalen zu einem dauerhaften Friedensschluss zu gelangen. Die Situation verhärtete sich im Gegenteil noch, als im Frühjahr 467 von Konstantinopel aus in Abstimmung mit Rikimer ein neuer Kaiser für das Westreich eingesetzt wurde. Die Erhebung des Anthemius zum Kaiser im April 467 nach einer mehr als 1½-jährigen Vakanz auf dem Kaiserthron im Westreich war jedoch in jeder Beziehung ein Affront gegen die Vandalen. Sie war ein Signal für die Zurückweisung der materiellen Ansprüche des hasdingischen Königshauses wie auch der politischen Forderung, den Vertreter der theodosianischen Kaiserdynastie und Gemahl der Kaisertochter Placidia, Olybrius, der gleichzeitig der Schwager des vandalischen Königssohns Hunerich war, zum Kaiser zu erheben. Und diesem politischen Signal sollte noch im selben Jahr auch ein militärisches folgen. In Karthago deklarierte man die Vorgänge in Italien und das nicht erwartete Zusammenspiel zwischen Konstantinopel und Ravenna als eine Art Vertragsbruch und bereitete sich auf eine größere kriegerische Auseinandersetzung vor. Ob allerdings die Verlagerung der Piraterie und der Razzien seitens der Vandalen auf Ziele im südwestlichen Adriaraum, auf die Küstenstriche der Peloponnes und die südliche Ägäis, wie von Victor von Vita und von Prokop belegt122, sozusagen als unmittelbare Reaktion auf die neue Situation bereits in die Jahre 467 und 468 gehören, ist wenig wahrscheinlich. Vielmehr wird man in der in der Regel gut informierten vandalischen Zentrale Karthago, wo durch die guten Seeverbindungen zahlreiche Informationsstränge zusammenliefen, sehr schnell in Erfahrung gebracht haben, dass sich ein gewaltiges Unwetter über dem Vandalenreich zusammenbraute. Vorbote dafür war der allerdings auf Grund ungünstiger Winde aufgehaltene und noch vor der nordafrikanischen Küste zur Rückkehr gezwungene Flottenvorstoß des zum Heermeister aufgestiegenen Marcellinus123, ein Misserfolg, der den Kaiser in Konstantinopel dazu veranlasste, mit außergewöhnlichen Anstrengungen eine gewaltige Flotte zusammenzubringen und sie mit einer für damalige Verhältnisse riesigen Landungstruppe auszustatten. Merkwürdigerweise schweigen – mit einer einzigen Ausnahme – die Quellen aus dem Westreich über diesen Invasionsversuch (expeditio ad Africam), umso detaillierter ist dafür aber die Überlieferung aus dem Ostteil des Römerreichs. Die dabei genannten Zahlen zu den eingesetzten (Transport-)Schiffen (1 100), den Seeleuten (7 000) und der Heeresstärke (über 100 000 Mann) sowie zu den dafür aufgewendeten Summen (64 000 Pfund Gold und 118

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700 000 Pfund Silber) lassen sich auf ihren Wahrheitsgehalt nicht wirklich überprüfen. Was die Truppenstärke betrifft, dürfte die genannte Zahl wohl deutlich – wie immer bei den Angaben über die Heeresstärken in der Antike – übertrieben sein und mit der Pauschalzahl 100 000 lediglich eine über das gewöhnliche Maß hinausgehende Truppenstärke gemeint sein. Die genannten Kosten hingegen mögen im Wesentlichen hinkommen, das genannte Volumen war durchaus von Konstantinopel aufzubringen, wie es etwa die für den Staatsschatz damals genannten Summen nahe legen. Hinzukam, dass auch das Westreich einen finanziellen Beitrag zu leisten hatte. Die angegebene Zahl für die Schiffe reduziert sich in dem Maße, in dem auch die Zahl für die Heeresstärke herunterzufahren ist. Ob die Entsendung dieser großen Flotte mit einem starken Interventionsheer in Kombination mit einem von Ägypten aus vorgetragenen Vorstoß zu Land gegen das vandalische Tripolitanien zu sehen ist, wie Prokop angibt124 oder ob es sich hierbei um zwei auch zeitlich getrennte militärische Operationen handelte, ist nicht zu entscheiden. Jedenfalls scheiterte das grandiose Unternehmen am heutigen Kap Bon in Tunesien etwa 60 km vor Karthago, wo die große Flotte unter dem Kommando des Basiliskos, des Schwagers des Kaisers Leo, vor Anker gegangen war. Richtig ist jedenfalls, dass der römische Oberbefehlshaber mit der Flotte nicht direkt nach Karthago segelte, um dort die Entscheidung zu suchen, sondern sich auf Verhandlungen mit dem Vandalenkönig einließ. Dieser spiegelte ehrliche Friedensabsichten vor und bat um einen fünftägigen Waffenstillstand, der ihm auch gewährt wurde. Einige Quellen unterstellen dem römischen Befehlshaber Bestechlichkeit – ein Vorwurf, mit dem man bei Misserfolgen immer sehr schnell bei der Hand war –, zu konstatieren sind jedenfalls eine überhaupt nicht angebrachte Sorglosigkeit und auch Unfähigkeit seitens des Basiliskos. Als nach Ablauf des Waffenstillstands günstige, auf die ankernde Flotte und ihre untätigen Mannschaften und Truppen zuwehende Winde aufkamen, setzten die Vandalen eine große Zahl von Brandern (in Brand gesetzte Schiffe) in Bewegung, die auf die römische Flotte zutrieben und nach dem Zusammenstoß deren Schiffe zum größten Teil in Brand setzten. Nur mit Mühe konnte sich Basiliskos mit wenigen Schiffen nach Sizilien retten. Ob den Vandalen damals bewusst war, wie knapp sie dem Untergang ihrer Staatlichkeit entgangen waren, bleibt dahingestellt. Das Scheitern der oströmischen Intervention am Kap Bon bescherte dem Vandalenreich in Nordafrika die Existenz über weitere zwei Generationen. Auch waren seine sofortigen Folgen erheblich; 119

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das Westreich verfiel in Bürgerkrieg und Agonie, und in Konstantinopel wuchs die Bereitschaft, mit den Vandalen zu einem Modus vivendi zu kommen, auch wenn im Jahre 470 möglicherweise der Versuch unternommen wurde, auf dem Landweg von Tripolitanien aus Karthago anzugreifen. So erlebte man in Karthago im Jahre 472 die Genugtuung, dass – wenn auch nur für wenige Monate – das Kaisertum im Westen an den Schwager Hunerichs, Olybrius, überging und man Sizilien dem Vandalenreich einverleiben konnte. Auch mit Konstantinopel mag eine Übereinkunft abgeschlossen worden sein, die die Vandalen jedoch nicht daran hinderte, jetzt verstärkt mit Überfällen und Raubzügen verschiedene Küstenregionen des Ostreichs heimzusuchen. Hierzu drücken sich die Quellen wieder recht pauschal aus, so dass wir deren Aussagen wohl relativieren müssen. Im Jahre 474 wurde Nikopolis in Epirus überfallen und eingenommen und wohl im selben Jahr die Insel Zakynthos im Ionischen Meer verwüstet. Unmittelbar zuvor hatten die vandalischen Briganten am Kap Tainaron (heute Kap Matapan), dem südlichsten Punkt der Peloponnes, eine Schlappe erlitten. Im Zusammenhang der Eroberung und Verwüstung der Insel Zakynthos soll Geiserich nach Prokop125 ein besonders grausames Verbrechen begangen haben, das sich auch kaum – wenn es wirklich geschah – unter dem modernen Begriff Vandalismus subsumieren ließe. Nachdem zuvor viele Einwohner der Insel niedergemacht worden seien, hätte man 500 angesehene Männer auf die Schiffe verbracht, um sie der Sklaverei zuzuführen; unterwegs jedoch seien diese auf Befehl des Königs in Stücke gehauen und ins Meer geworfen worden. Ein solch ungeheuerliches Verbrechen passt nur sehr schwer in das bisher bekannte Instrumentarium von Gewaltanwendung und Grausamkeit bei den Vandalen und steht auch einer gewissen Rationalität entgegen, die die Vandalen bei ihren Streifzügen sonst an den Tag legten. Denn die Vornehmen (dókimoi) von der Insel Zakynthos hätten der vandalischen Staatskasse nach einem Freikauf sehr viel Geld eingebracht, und wäre ein solcher nicht erfolgt, dann wäre ihre Arbeitskraft noch von Wert gewesen. Geht man jedoch von der Richtigkeit dieses Zeugnisses Prokops aus, so ist zu überlegen, ob das Abschlachten so vieler Menschen andere Gründe gehabt hat. Vielleicht hatten die dókimoi auf hoher See gemeutert oder sie waren deshalb über Bord geworfen worden, weil ein schlimmer Sturm die Entlastung der Schiffe notwendig machte (wobei man allerdings noch unnötige Grausamkeiten begangen hätte). Es fällt auch auf, dass Prokop seinen Bericht darüber mit der Bemerkung abschließt, solche Handlungen habe es bereits in alten Zeiten gegeben, womit er zum Ausdruck 120

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bringen will, dass diese grausame Tat nicht allein für die Vandalen typisch war. Es kann andererseits kaum Zweifel daran bestehen, dass die Vandalen Schrecken und Furcht verbreiteten und dass sich davon auch die Bewohner von Gebieten anstecken ließen, die für Plünderungszüge und Raubfahrten der Vandalen nicht in Frage kamen. Das mag der Hintergrund für Hinweise in den Quellen sein, nach denen auch die Insel Rhodos von den Vandalen geplündert worden sei und man sich selbst in Ägypten und Alexandria auf deren Erscheinen eingestellt habe. Mit dem Regierungsantritt des neuen Kaisers Zeno (regierte – mit einer kurzen Unterbrechung – von 474 bis 491) in Konstantinopel, im Februar 474 Nachfolger des gerade verstorbenen Kaisers Leo I., wurde eine neue Phase der Beziehungen zwischen dem Römerreich und den Vandalen eröffnet. Zeno hatte einen hochrangigen staatlichen Funktionär namens Severus mit dem Auftrag nach Karthago geschickt, die Chancen für einen dauerhaften Frieden mit dem Vandalenreich auszuloten. Die Verhandlungen, die auch im Namen des sich in Auflösung befindlichen Westreichs geführt wurden, konnten zu einem beide Seiten befriedigendem Abschluss gebracht werden. Dieser Friedensvertrag war unbefristet, d. h. nicht an die aushandelnden Machthaber gebunden, war mit einer Ewigkeitsformel ausgestattet, konnte also lediglich bei einem massiven Vertragsbruch aufgekündigt werden, enthielt wohl auch eine Neutralitätsklausel und eine ganze Reihe weiterer präziser Bestimmungen, darunter sicher auch die endgültige Anerkennung der vandalischen Herrschaft über die Gebiete, die die Vandalen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beherrschten. Davon betroffen waren die wichtigsten Teile des lateinischen Nordafrika und die Inseln im westlichen Mittelmeer (s. Karte 9, S. 115). Vereinbart wurde damals auch die Rückkehr der exilierten Kleriker nach Nordafrika. Weitere Regelungsgegenstände des Vertrags dürften die freie Religionsausübung für die Katholiken in der Hauptstadt Karthago – nicht aber die Wiederbesetzung des dortigen Bischofsstuhls –, die Rückgabe der der königlichen Familie überstellten Gefangenen ohne Lösegeld und die Einräumung der Möglichkeit des Freikaufs der anderen versklavten Gefangenen bei Einverständnis der neuen Eigentümer gewesen sein. Es war ein Friedensschluss, dem Prokop ausdrücklich attestiert, dass er bis zum Regierungsantritt Justinians I. (regierte 527–565) Bestand hatte126. Der Friedensschluss des Jahres 474 hatte – jedenfalls in der Auslegung der Vandalen – die uneingeschränkten Interventionsmöglichkeiten im gesamten westlichen Mittelmeerraum zur Konse121

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quenz, ohne ein Eingreifen Konstantinopels befürchten zu müssen. Die Probe aufs Exempel zeitigte die schon im Jahre 476 erfolgte Überlassung Siziliens an den neuen Machthaber in Italien, den ehemaligen römischen Offizier wohl thüringischer Herkunft namens Odoaker. Dieser hatte den letzten Kaiser des Westreichs, Romulus, genannt „das Kaiserlein“ (Augustulus), abgesetzt und sollte fortan ca. 1½ Jahrzehnte aus eigener Machtvollkommenheit, gestützt auf Truppen überwiegend barbarischer Herkunft, Italien und die angrenzenden Territorien regieren. Die Abmachung mit dem neuen Machthaber in Italien offenbart erneut die Fähigkeit Geiserichs zur Selbstbeschränkung; obwohl Sizilien über Jahrzehnte im Zentrum der Expansionsbestrebungen der Vandalen gestanden hatte, verzichtete der König aus klugem politischen Kalkül auf die Auseinandersetzung mit einer – neuen – Macht, die vielleicht in Zukunft als Gegengewicht zum Kaiser in Konstantinopel nützlich werden konnte. Zudem war die Überlassung der Insel an Odoaker so geregelt, dass dieser den Vandalen dafür einen jährlichen Tribut zu zahlen hatte, Geiserich damit in die Position eines Lehnsherrn Odoakers einrückte, wenn man diese, eigentlich für mittelalterliche Verhältnisse zutreffende Terminologie einmal verwenden möchte. Möglicherweise sah Geiserich darin auch einen Scheck auf die Zukunft, nämlich für die Gewinnung einer auf der Grundlage römischen Rechts und römischer Tradition legitimierten Oberherrschaft über das ehemalige weströmische Reich zu Gunsten seines Sohnes Hunerich, des Gemahls einer Prinzessin aus der theodosianischen Kaiserdynastie, deren Vertreter in beiden Reichsteilen in mehreren Generationen geherrscht hatten. Damit hinterließ der König seinem Nachfolger, als er am 24. Januar 477 hochbetagt starb, neben einer konsolidierten und völkerrechtlich anerkannten Herrschaftsbildung in Nordafrika und auf verschiedenen Inseln des westlichen Mittelmeers eine keineswegs aussichtslose Option auf die Herrschaft über Italien und Sizilien.

8.10 Geiserichs Thronfolgeordnung und die Regierung Hunerichs (477–484) Geiserich hatte per Gesetz – in den Quellen ist auch von Testament die Rede – eine neue Thronfolgeordnung erlassen, wonach immer der älteste männliche Vertreter der Königssippe beim Tode eines 122

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Königs dessen Nachfolge antreten sollte. Es ist zweifellos zu kurz gedacht, wenn man die Bedeutung dieser Regelung in der Weise herunterspielt, dass sich damit in der Nachfolgefrage ja nichts änderte: Hunerich war nämlich nicht nur der älteste Sohn Geiserichs, sondern auch das älteste männliche Mitglied der stirps regia. Für die Einführung der nach dem Senioratsprinzip ausgerichteten Sukzessionsordnung waren wohl vielmehr die persönliche Erfahrung Geiserichs bei seinem Herrschaftsantritt und die weit in die „Vorzeit“ zurückreichende Institution des vandalischen Doppelkönigtums, der man sich noch bewusst war, ausschlaggebend. Geiserich selbst hatte im Jahre 428 die Nachfolge eines Kinderkönigs an seiner Seite durch Gewaltanwendung verhindert und er wollte auch für die Zukunft gewährleistet wissen, dass nur ein politisch und militärisch erfahrenes Mitglied seiner Familie zum Königtum gelangte. Es ist also Geiserich zuzutrauen, dass er über den Tag seines Todes weit hinausdachte. Hunerich war ein fähiger Herrscher, in vielem Geiserich ähnlich, von der Religionspolitik einmal abgesehen durchaus fähig zum Kompromiss und zur Selbstbeschränkung. Dass die von katholischen Autoren monopolisierte Überlieferung ihn als fanatischen Gegner des Katholizismus kennzeichnet, dem schließlich als letztes und verabscheuungswürdiges Mittel die Anordnung einer mit der Wiedertaufe verbundenen Zwangsbekehrung zum Arianismus eingefallen war, besagt für ein Gesamturteil über seine Regierungszeit eher wenig. Wäre doch diesbezüglich zu bedenken, ob diese auch theologisch umstrittene Maßnahme wirklich Ausdruck seines religiösen Fanatismus war oder ob dafür nicht noch andere Konzepte etwa allgemein- oder strukturpolitischer Art eine Rolle spielten. In Nordafrika selbst hatten sich bereits in der Endphase der Herrschaft Geiserichs die Rahmenbedingungen geändert, und es waren strukturelle Defizite entstanden bzw. nie ausgeräumt worden, die dem Nachfolger nicht angelastet werden können. Einmal wäre hierzu die ungeklärte Machtfrage im Hinblick auf die indigene Bevölkerung, in den Quellen verallgemeinernd Mauren genannt, in den Randund Kontaktzonen des Vandalenreichs zu nennen, die die kaum gesicherten Grenzen des Vandalenreichs bedrohten bzw. die Randgebiete infiltrierten. Zum anderen dürfen die Schwächemomente im militärischen Bereich nicht außer Acht gelassen werden, die sowohl die Landstreitkräfte als auch die Flotte betrafen. Bei der geringen Volkszahl der Vandalen mussten weitere Kämpfer vor allem aus dem Menschenpotenzial der einheimischen Gebirgs- und Wüstenbewohner rekrutiert werden, auch um die menschliche Ressource, 123

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die die römische Provinzialbevölkerung darstellte, zu schonen, da diese die hohe Produktivität der Landwirtschaft sichern musste. Auf die städtische Bevölkerung zurückzugreifen, machte wohl auch wenig Sinn, musste diese einerseits Handel und Gewerbe aufrecht erhalten und war sie andererseits dem Kriegshandwerk seit Generationen entwöhnt. Die für die Vandalen immer wieder erwähnten, erfolgreichen blitzartigen Überfälle und Razzien haben den Eindruck entstehen lassen, als hätten sie über eine große und effiziente Kriegsflotte verfügt. Die dazu einschlägigen Quellen verraten genau das Gegenteil. Seeschlachten haben die Vandalen nicht durchgeführt und sie waren auch dazu nicht in der Lage, hingegen verfügten sie über eine große Transportflotte – unter Einbeziehung auch privaten Schiffsraums, wenn dies notwendig war –, die kompetent und funktional die vandalischen Einsatzkommandos und Expeditionskorps zu den Zielhäfen und -gebieten verbrachte. Damit ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass die Vandalen in der Wahrnehmung ihrer Zeitgenossen in den Küstenregionen des Mittelmeers als die Seefahrernation schlechthin galten. Einen Nachklang davon meinte man in den Bezeichnungen wentilseo und wendelmeer für das Mittelmeer im althochdeutschen Hildebrandslied bzw. bei Autoren und Texten des 15. Jahrhunderts fassen zu können. Die Etymologie lässt nur ,mit großen Bauchschmerzen‘ die Deutung „Vandal(en)meer“ (= Mittelmeer) zu, sondern weist eher auf die Gleichung wentilseo = „die feste Erde umschlingendes Meer“ im Sinne einer Übersetzung des antiken Okeanosbegriffs (oceanus) hin. Was die Religionspolitik betrifft, erweckt Hunerich allerdings den Eindruck, dass er radikaler – man könnte auch sagen, ideologischer – war als sein Vorgänger. Seiner Gemahlin, der Kaisertochter Eudocia, war der am Königshof herrschende krude Arianismus so unerträglich geworden, dass sie nach 16 Jahren Ehe noch in der Regierungszeit Geiserichs (im Jahre 472) nach Jerusalem flüchtete und dabei sogar ihre Kinder zurückließ. Von Bemühungen Hunerichs, sie zurückzugewinnen, ist nichts überliefert; ebenso nahm er Abstand davon, das Erbe der Eudocia wie auch die Erfüllung älterer materieller Forderungen gegenüber Konstantinopel anzumahnen und einzufordern. Unter Vermittlung seiner Schwägerin, der Kaisertochter und Exkaiserin Placidia, konnten auch noch andere Konflikte mit Konstantinopel beigelegt werden. So verzichtete Hunerich auf die Erstattung von Schäden, die karthagischen Kaufleuten bei Handelsgeschäften im Machtbereich des Kaisers in Konstantinopel entstanden waren. Diese Politik des Ausgleichs als Schwäche auszu124

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legen, ist wohl zu einfach; auch Geiserich war dieses Politikmuster nicht fremd. Und wenn der König zuließ, dass nach einer über zwanzigjährigen Vakanz der Bischofsstuhl in Karthago mit einem gewissen Eugenius wiederbesetzt werden durfte (im Jahre 480 oder 481), so gestand er dies nicht unkonditioniert zu: Im Gegenzug verlangte Hunerich vom Kaiser in Konstantinopel die ungehinderte Ausübung des arianischen Gottesdienstes in der Stadt am Bosporos und in den östlichen Provinzen des Römerreichs127. Im Grundsatz wich der neue König nicht von der Absicht seines Vorgängers ab, mit einer oszillierenden Politik von Zuckerbrot und Peitsche die katholische Kirche und ihre Kleriker und Anhänger zu schwächen und eine arianische Staatskirche aufzubauen. Außenpolitisch zweifellos erfolgreich und über die Option verfügend, gegebenenfalls seine Ansprüche auf den Westteil des Römerreichs mit einiger Aussicht auf Erfolg in die Waagschale werfen zu können, mühte sich Hunerich innenpolitisch mit zwei Problemen ab, die er in seinem Sinne schließlich nicht zu lösen vermochte. Nahezu seine gesamte Regierungszeit war durch die Kämpfe mit den Mauren des Aurès (Gebirgsregion im Osten Algeriens in Fortsetzung der Ketten des Sahara-Atlas, s. Karten 5, S. 87 und 8, S. 111) überschattet, ohne dass es zu einem durchschlagenden Erfolg der vandalischen Seite gekommen wäre. Nach Prokop128 erlangten die dortigen Stämme sogar die völlige Unabhängigkeit von den Vandalen. Jedenfalls übten diese Vorgänge in der südwestlichen Grenzregion des Vandalenreichs eine Sogwirkung auch auf andere einheimische Stämme aus, die sich immer mehr der – sehr oberflächlichen – Kontrolle durch die Vandalen entziehen konnten und schließlich einen wesentlichen Faktor in dem Untergangsszenario der vandalischen Herrschaft in Nordafrika bildeten. Das zweite Problem – aus späterer Sicht völlig unnötig ins Leben gerufen – betraf den Versuch des Königs, die von Geiserich etablierte und damals anscheinend auch auf breite Zustimmung stoßende Thronfolgeordnung umzustoßen. Die Folge war eine schwere konstitutionelle Krise, weil Hunerich seinen ältesten Sohn Hilderich zum Thronerben einsetzen wollte und dabei auf heftigen Widerstand in der königlichen Familie, in der Führungsschicht und hier besonders bei den Gefolgsleuten seines Vaters und ebenso in der arianischen Geistlichkeit stieß. Die Reaktion des Königs darauf war völlig unverhältnismäßig; mit dem Vorwurf der Verschwörung wurden weltliche wie geistliche Würdenträger auf grausame Weise umgebracht oder mindestens in die Verbannung geschickt. In dieses Klima der Angst und der Situation der verkehrten Fronten gehört auch das Angebot Hunerichs an die 125

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in Karthago versammelten katholischen Bischöfe, mit einer Eidesleistung die Herrschaftsnachfolge Hilderichs zu unterstützen und dafür als Gegenleistung wieder in ihre Diözesen zurückkehren zu dürfen129. Sie sollten allerdings die Kommunikation mit der Reichskirche einstellen, eine Forderung, die einen gewissen Realitätsverlust bei dem Vandalenkönig erkennen lässt. Dieses königliche Angebot an die katholische Kirche Nordafrikas war wohl tatsächlich ernst gemeint und stellte eine Peripetie, eine totale Wendung der Dinge wie in einem antiken Drama, in der traditionellen vandalischen Religionspolitik dar. Man wird dafür den geradezu verzweifelten Versuch des Königs verantwortlich machen können, dem seinen Nachfolgeplänen widerstrebenden Reichsvolk der Vandalen und Alanen die katholischen Provinzialrömer fortan gleichberechtigt an die Seite stellen zu wollen. Wenn nicht allein tagespolitischem Kalkül entsprungen – was letztendlich nicht zu klären ist – hätte das Konzept der Erweiterung des Reichsvolks auf die katholischen Provinzialen Nordafrikas in gewisser Weise zukunftsweisend sein können. Die katholischen Bischöfe lehnten die Konstituierung einer von der Reichskirche völlig getrennten Landeskirche einhellig ab und gerieten damit endgültig in das Visier einer vom König sukzessiv in Gang gesetzten Verfolgungspolitik. Damit habe er – davon war die katholische Seite überzeugt – seine wahre Natur als blutrünstiger Tyrann der schlimmsten Art offenbart. Das rigorose Vorgehen gegen den katholischen Klerus erfolgte jedenfalls in mehreren Phasen, nachdem zuvor die Opposition im Königshaus und in der Führungsschicht durch grausame Bestrafung niedergeschlagen worden war. Unter den Opfern befanden sich einige der nächsten Verwandten des Königs, hohe Staatsfunktionäre samt ihren Verwandten und ihrem Personal, sogar der arianische Bischof – mit dem Titel Patriarch – von Karthago Iucundus, und andere Mitglieder des arianischen Klerus. Die Bestrafung reichte von Verbannung und Abschiebung in trostlose, todbringende Wüstenregionen bis zu den grausamsten Arten der Tötung wie etwa durch Verbrennen. Für die sich anschließende Katholikenverfolgung wurde ein besonders ausgeklügeltes Vorgehen, möglicherweise beeinflusst vom neuen arianischen Patriarchen Cyrila, angewandt. So sollten in Karthago alle Kirchenbesucher vom Klerus abgewiesen werden, die katholische Gottesdienste in vandalischer Tracht besuchten. Wahrscheinlich erfolgte zudem ein Verbot aller Staats- und Hofämter für Nichtarianer. Wer von diesen den geforderten Glaubenswechsel nicht vollzog, wurde unter Verlust seines Besitzes nach Sardinien verbannt. Geplant war auch die Einführung der Bestimmung – die aber dann aus 126

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Rücksicht auf etwaige negative Auswirkungen zu Lasten der arianischen Kirchen und deren Geistlichkeit im oströmischen Reich anscheinend nicht durchgeführt wurde –, das Vermögen verstorbener Bischöfe dem Fiskus anheim fallen zu lassen und deren Nachfolger mit je 500 Goldmünzen (solidi) zur Kasse zu bitten. Besonders prekär wurde die Lage der katholischen Kirche, als der König und seine Helfeshelfer nahezu 5 000 Bischöfe, Kleriker und auch angesehene katholische Laien wohl zu Anfang des Jahres 483 zusammentreiben ließen und sie zunächst im Süden der Proconsularis internierten, um sie anschließend in den Süden der Byzacena und von da in maurisches Stammesgebiet zu deportieren; nach Victor von Vita130 sollen davon insgesamt 4 966 Personen betroffen gewesen sein. Eine Liste mit den Namen der „Märtyrer und Bekenner“ aus der Gegend südlich von Sicca Veneria (heute Le Kef in Tunesien) hat sich auf einer Inschrift131 anscheinend erhalten. Mit diesen Gewaltmaßnahmen war das Tischtuch zwischen der vandalischen Staatsführung und der katholischen Kirche in Nordafrika noch nicht endgültig zerschnitten. Der König beraumte für den 1. Februar 484 ein Religionsgespräch aller katholischen und arianischen Bischöfe in Karthago an und stellte sich damit in die Tradition der nordafrikanischen Kirche, die es gewohnt war, dogmatische Differenzen auf solchen Kirchenversammlungen zu diskutieren und zu klären. Auf der Versammlung, zu der allein 466 katholische Bischöfe gestoßen sein sollen, kam es jedoch zu keiner Übereinkunft zwischen den Religionsparteien. Es wäre zu einfach anzunehmen, dieses „Reichskonzil“ hätte eine bloße Alibifunktion für den König gehabt. Dass es aus dem Ruder lief – durch vom arianischen Bischof („Patriarch“) Cyrila verursachte Tumulte –, war keineswegs von vornherein abzusehen. Die Folge des Scheiterns waren jedenfalls zwei königliche Edikte vom 7. und vom 25. Februar 484, die interessanterweise ganz in der Tradition der kaiserlichen Ketzergesetzgebung standen. Mit dem ersten Edikt ordnete der König die vorübergehende Schließung sämtlicher katholischer Kirchen in seinem Reich an, mit dem zweiten Edikt verfügte er den Übertritt aller Katholiken zum arianischen Bekenntnis bis zum 1. Juni 484 132. Obwohl für den Vollzug des Übertritts eine Frist eingeräumt worden war, wurden die Verfolgungen sogleich wieder aufgenommen und dadurch eine große Anzahl von Bischöfen zu der vom König gewünschten Eidesleistung bezüglich der Anerkennung des Königssohnes Hilderich als Thronfolger gezwungen. Damit retteten sie zwar ihr Leben, ihre geistliche Funktion verloren sie aber dennoch: Auf den Gütern in der Nähe ihrer jeweiligen Bischofssitze wurden 127

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sie in den Status von – an die Scholle gebundenen – Kolonen versetzt, eben weil sie nach Auslegung des Königs mit ihrem Schwur gegen das biblische Verbot der Eidesleistung verstoßen hatten. Die verhältnismäßig wenigen Bischöfe, die sich der Eidesleistung verweigert hatten, wurden nach Korsika verbannt und mussten dort für die staatlichen Werften Holz fällen. Man darf sich die Resultate der Anwendung der Edikte nicht zu bescheiden vorstellen, trotz der traditionellen Bekenntnis- und Märyterfreudigkeit der nordafrikanischen Christen. So lässt der Hauptverhandlungsgegenstand auf der Lateransynode vom 13. März 487 in Rom – nämlich das Problem der Wiederaufnahme der Gestrauchelten (lapsi) in die Kirchengemeinschaft – deutlich erkennen, dass es damals zu vielen Zwangsbekehrungen und -übertritten gekommen war. Zwei Ereignisse, die noch im Jahre 484 anscheinend ohne Vorboten eintraten, konterkarierten allerdings den Erfolg des eingeschlagenen Kurses der Verfolgung und Vertreibung der Katholiken. Im Sommer 484 kam es zu einer für die nordafrikanischen Verhältnisse völlig ungewöhnlichen Hungersnot, bei deren Bewältigung die staatlichen Behörden weitgehend versagten, und am Ende des Jahres verstarb Hunerich anscheinend völlig unerwartet. In katholischer Ausdeutung waren beide Ereignisse unleugbare Zeugnisse und Ausflüsse eines göttlichen Strafgerichts für die Verbrechen des Königs und auch für die Verfehlungen derjenigen, die sich seinen Befehlen gebeugt hatten. Die von katholischer Seite verbreiteten Legenden über die fürchterliche Krankheit des Königs und seine entsetzlichen Leiden (Würmerfraß, Selbstzerfleischung) sollten aller Welt die Unmittelbarkeit der strafenden Hand Gottes sichtbar machen. Ob Hunerichs gewaltsame Bekehrungspolitik vom Anfang an zum Scheitern verurteilt war, wie es uns unser Mehrwissen nahe legt, sollte nicht so kategorisch bejaht werden wie dies im Allgemeinen geschieht. Dass sie mit einer konstitutionellen Krise zusammenfiel, schränkte ihre Erfolgsaussichten allerdings beträchtlich ein. Wenn man den Versuch einer Gesamtbeurteilung der Regierungszeit Hunerichs machen möchte, wird man nicht umhin können, in ihm durchaus den wahren Nachfolger Geiserichs zu sehen und beider Regierungen eher als ein Kontinuum zu betrachten.

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9 Noch ein halbes Jahrhundert: Von Gunthamund bis Hilderich (484–530) Hunerichs Nachfolge konnte ohne erkennbare innenpolitische Probleme und getreu der Thronfolgeordnung Geiserichs dessen damals ältester Enkel Gunthamund (regierte 484–496) antreten. Mit ihm, der als wenig profilierte Durchschnittspersönlichkeit gilt, begann die spätvandalische Epoche in Nordafrika. Von einem eher gemäßigten Kurs in der Innen- und Religionspolitik zu sprechen und dafür „die sinkende Macht des nordafrikanischen Staatsgebildes“ und die spätestens jetzt einsetzende Akkulturation der Lebensweise der Vandalen an die sie umgebende Hochkultur der provinzialrömischen Oberschicht verantwortlich zu machen, erinnert allzu sehr an das Klischee eines geradezu gesetzmäßigen Prozesses von Machtverlust und Sittenverderbnis ursprünglicher Naturvölker, die es allmählich verlernt haben sollen, mit den Verführungen ihrer Umgebung sorgfältig und ihre eigenen Stärken und Tugenden bewahrend umzugehen. Von einer wirklichen Wende in der Unterdrückungs- und Verfolgungspolitik gegenüber den Katholiken kann nämlich keine Rede sein, von einigen allerdings Aufsehen erregenden und deshalb unzulässig verallgemeinerten Maßnahmen einmal abgesehen. So konnte im Jahre 487 der katholische Bischof Eugenius von Karthago wieder auf seinen Bischofssitz zurückkehren und die Kirche des heiligen Agileus in Besitz nehmen, die sich bald zum kirchlichen Zentrum der Katholiken in Karthago entwickeln sollte. Bis zum 10. August 494 blieben die katholischen Kirchen geschlossen, erst von diesem Zeitpunkt an konnten die katholischen Kleriker aus dem Exil zurückkehren und auch wieder über Kirchenbesitz verfügen. Auch kam es in jener Periode zu zahlreichen Klostergründungen sowohl in Nordafrika als auch auf den von den Vandalen beherrschten Inseln. Jedenfalls sprach der Bischof Gelasius von Rom noch im Jahre 496 von den Verfolgern im Vandalenreich, die bis auf seine Tage (hodie) von Verfolgungen nicht abließen. Nach Prokop133 war Gunthamund sogar noch ein ärgerer Verfolger als sein Vorgänger. Wenn Gunthamund den Würgegriff gegenüber der katholischen Kirche und ihren Sachwaltern etwas lockerte, so mag dies zur Hauptsache in der Zunahme der Konflikte mit den in ihren traditionellen Stammesorganisationen lebenden maurisch-berberischen 129

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gentes in den Rand- und Nachbargebieten des Vandalenreichs begründet gewesen sein. Zum einen erhöhte sich anscheinend generell der Organisationsgrad indigener Bevölkerungen in bisher von den Vandalen kontrollierten Gebieten und es entwickelten sich staatsähnliche Gebilde, die weiter reichende Ziele hatten als nur auf bloßen Raub und Plünderung auszugehen. Zum anderen kamen wohl auch Einfälle von weit herkommenden nomadisch lebenden Streifscharen hinzu, die deshalb schwer zu fassen und zu vernichten waren, weil sie gerade kaum organisiert waren und über keine Führungsstruktur verfügten. Allerdings hatte sich die politische Großwetterlage nicht zum Nachteil der Vandalen geändert; mit der endgültigen Machtübernahme der arianischen Ostgoten unter Theoderich in Italien und Sizilien seit 493 zeichnete sich vielmehr eine auf gemeinsamer religiöser Anschauung basierende Allianz ab, die die religions- und kirchenpolitischen Aktivitäten des vandalischen Königs eher noch beflügelt haben dürfte. Auch hatte der Vandalenkönig schon zwei Jahre zuvor auf die jährlichen Tributzahlungen für Sizilien verzichten müssen, was immerhin den Vorteil hatte, dass ein möglicher Dauerkonflikt mit den Ostgoten abgewendet wurde. Nachfolger des am 3. September oder 3. Oktober 496 verstorbenen Gunthamund wurde anscheinend unangefochten sein Bruder Thrasamund, der auf eine fast dreißigjährige Regierungszeit (496– 523) zurückblicken sollte. Jedenfalls ist in den Quellen weder bei diesem Herrschaftswechsel noch im Laufe der langen Regierungszeit des neuen Königs von Ansprüchen des Hunerich-Sohns Hilderich die Rede. Charakteristisch für diese lange Periode ist eine vom König gesteuerte dezidierte Orientierung an der römischen Kultur, aber gleichzeitig auch der Versuch, den Katholizismus der großen Mehrheit der Bewohner des Vandalenreichs durch geistige Anstrengung und durch Überzeugungskraft, durch Verlockung und Bestechung besonders des katholischen Klerus und eben nicht einseitig durch rohe Gewalt zu überwinden. Man kann diesen Politikansatz in gewisser Weise als einen Wettbewerb der Ideen und der besseren Argumente bezeichnen, allerdings nicht unter wirklich gleichen Bedingungen. Zu diesem Zweck griff der König – nach dem Urteil Prokops134 ein schöner und hochherziger Mann, nach zeitgenössischen Quellen von scharfem Verstand und wissenschaftlicher Bildung – zum Beweis der Überlegenheit der arianischen Glaubensüberzeugung auch selbst mehrfach zur Feder, regte religiöse Streitgespräche an und setzte sich besonders mit dem führenden Kopf der Katholiken des Vandalenreichs, dem Bischof Fulgentius 130

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von Ruspe, auseinander, der dafür eigens aus der Verbannung nach Karthago geholt worden war. Diese schriftlich und mündlich geführten Debatten brachten jedoch nicht den vom König gewünschten Erfolg, und als das Volk von Karthago Fulgentius in Kundgebungen feierte, wurde dieser erneut in die Verbannung nach Sardinien geschickt. Da die Überzeugungsarbeit – im weitesten Sinne – letztendlich nicht zum Erfolg führte, kam es auch wieder zu Zwangsund Verfolgungsmaßnahmen gegenüber dem katholischen Klerus. Durch königliches Dekret wurde untersagt, verwaiste Bischofsstühle wiederzubesetzen. Da sich die katholischen Gemeinden nicht daran hielten, griff der König zum Mittel der Exilierung in unwegsame Grenzregionen des Vandalenreichs oder nach Sardinien; dort sollen sich zeitweise 120 Exulanten aufgehalten haben. Unter den Verbannten befand sich auch der katholische Bischof Eugenius von Karthago, der möglicherweise sogar nach Südfrankreich gegangen war. Gegen die Klöster und die Ausbreitung des Mönchtums soll der König hingegen nicht mit Verfolgungsmaßnahmen eingeschritten sein, so dass es sogar in Nordafrika zu Klostergründungen kommen konnte135. Dass die von Thrasamund inaugurierte Religionspolitik nicht aufgehen würde, war jedenfalls von den Zeitgenossen nicht abzusehen. Hinzukam die vom König eingegangene enge Verbindung zum damals mächtigen Reich der Ostgoten in Italien, dessen König Theoderich nach 507 auch die Regierungsgewalt im Westgotenreich – d. h. im süd- und südwestlichen Gallien und in Spanien – ausübte und zeitweise alle völkerwanderungszeitlichen Nachfolgestaaten auf dem Boden des ehemaligen weströmischen Reiches in ein Allianzsystem eingebunden hatte. In dieses durch Heiratsverbindungen befestigte Bündnissystem waren im Jahre 500 auch die Vandalen mit einbezogen worden. Damals schloss der verwitwete Thrasamund die Ehe mit der ebenfalls verwitweten Schwester Theoderichs, Amalafrida. Zu deren beachtlicher Mitgift gehörten das Gebiet von Lilybaeum im Westteil Siziliens und 6 000 Bewaffnete, die Amalafrida nach Karthago begleiteten. Das in Nordafrika spätestens seit den Tagen des Bonifatius vorhandene gotische Element wurde dadurch zweifellos gestärkt und stellte wohl fortan einen wirklichen Machtfaktor im Vandalenreich dar. Die 6 000 Krieger – Adlige und deren Knechte – wurden zweifellos mit Land ausgestattet, denn dass man sie kaserniert hätte, ist nicht vorstellbar. Es wird also zu Ansiedlungsmodalitäten gekommen sein, die sicher nicht auf den Beifall derjenigen gestoßen sind, die als Altsiedler von Umwidmungen und Neuarrangements betroffen waren. Allerdings hielt die gotische Heirat des Vandalenkönigs 131

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nicht das, was sich der Ostgotenkönig davon versprochen hatte. Als es nämlich um die Behauptung des Westgotenreichs gegen die fränkische Bedrohung und Expansion ging, hielten sich die Vandalen sehr zurück und leisteten sogar dem westgotischen Usurpator Gesalech, der sich gegen das ostgotische Protektorat über das Westgotenreich zur Wehr gesetzt hatte, aber dann nach Nordafrika geflohen war, finanzielle Hilfe. Wenige Jahre später kamen die Beziehungen allerdings wieder ins Lot, zunächst durch ein von reichen Geschenken (die jedoch umgehend zurückgeschickt wurden) begleitetes Entschuldigungsschreiben Thrasamunds, im Jahre 519 durch die Zustellung wilder Tiere aus Nordafrika für die in Rom abzuhaltenden Spiele anlässlich des Konsulatsantritts des Eutharich, des Schwiegersohns Theoderichs. Ansehen und Macht Thrasamunds litten jedoch vor allem durch das weitere Vordringen maurischer Stämme auf bisher von den Vandalen direkt beherrschtes oder zumindest kontrolliertes Gebiet. Wenn sich auch die eigentlichen Gebietsverluste wohl erst in der Regierungszeit seines Nachfolgers einstellten, so war nicht zu übersehen, dass die vandalische Staatsführung, der über Jahrzehnte hinweg spektakuläre Erfolge gegen das Römerreich gelungen war, gegen den äußerst mobilen Feind aus den Bergen, den Steppen und Wüsten kein wirkliches Rezept besaß. Das Problem mit den Mauren war ungelöst und sollte auch nach der Eroberung des Vandalenreichs durch Ostrom weiter bestehen. Mauren ist als eine Art Sozionym und gleichzeitig als ein die ethnisch-kulturellen Verhältnisse und Verschiedenheiten berücksichtigender Sammelname anzusehen, der in Nordafrika für alle die stand, die noch in eine Stammesgemeinschaft integriert waren und weder in den Städten noch in ländlichen, Gebietskörperschaften attachierten Siedlungen lebten. Der berühmte Fund von mit Tinte beschriebenen Täfelchen aus Zedernholz („Tablettes Albertini“), auf denen in den Jahren von 493 bis 496, also noch unter der Regierung Gunthamunds, Landerwerb und die Bedingungen der Landbearbeitung protokolliert wurden, legt auch für die stetig wachsende Gefährdung des Lebens in der Region des Djebel Mrata (im Südwesten des heutigen Tunesien an der Grenze zu Algerien) durch die Mauren ein dokumentarisches Zeugnis ab. Inschriftlich nachgewiesen ist ganz im Westen des heutigen Algerien für das Jahr 508 sogar ein rex Maurorum et Romanorum – König der Mauren und Römer – namens Masuna, dessen Herrschaftsgebiet vielleicht bis hin zum Aurès-Gebirge im südlichen Numidien reichte. Diese Titulatur lässt erkennen, welcher Grad an herrschaftlicher Organisation und Staatlichkeit in Regionen außer132

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halb des vandalischen Machtbereichs bereits erreicht worden war und dass sich anscheinend nach dem Vorbild des regnum Vandalorum et Alanorum eine Form der Ethnogenese vollzog, an der sogar am Ort gebliebene römische Bevölkerungssplitter beteiligt waren. Auch innerhalb der vandalischen Provinzen sammelten sich maurische Gruppen bzw. stießen in diese vor, um sich dort festzusetzen; die Überfälle und Raubzüge aus unzugänglichen Regionen wandelten sich mehr und mehr in regelrechte Landnahmevorgänge und Niederlassungen durch einen stetigen Strom der Infiltration seitens dieser Gruppen. Eine größere kriegerische Auseinandersetzung wird für die Regierungszeit Thrasamunds zudem mit Steppennomaden aus Tripolitanien berichtet. Der König soll gegen die Truppen des Maurenfürsten Cabaon, der sich auch der katholischen Bevölkerung fürsorglich angenommen habe, eine schwere Niederlage erlitten haben136. Auch diese Kämpfe dürften in der Provinz Byzacena stattgefunden haben; das Ausmaß der vandalischen Niederlage mag allerdings von Prokop übertrieben worden sein. Zu den zunehmenden Schwierigkeiten im Innern gesellte sich seit der Thronbesteigung Kaiser Justins I. (regierte 518–527) in Konstantinopel – in der Staatsführung von Anfang an stark beeinflusst von seinem Neffen Justinian (I.), der dann noch zu Lebzeiten Justins I. zum Mitkaiser erhoben wurde – eine auf das Schicksal der Katholiken in den Germanenreichen stärker achtende und zu ihren Gunsten intervenierende Politik Ostroms. So geht aus einem Schreiben Justins I. an den Bischof von Rom, Hormisdas, hervor, dass der Kaiser durch eine Gesandtschaft nach Karthago diplomatischen Druck auf den Vandalenkönig ausübte, um zu erreichen, dass sich die Lage der katholischen Bischöfe in Nordafrika verbesserte. Auch dürfte es Konstantinopel nicht entgangen sein, dass der Thronerbe Hilderich, der Sohn des Hunerich und nach dem Senioratsprinzip der präsumtive Nachfolger Thrasamunds, eine andere Einstellung zur Katholikenfrage hatte. Dies war kein Geheimnis und führte seitens des Königs dazu – bestärkt durch die Königin Amalafrida –, Hilderich einen Eid auf die seit Geiserich praktizierten Prinzipien vandalischer Religionspolitik abzunehmen. Weder sollte Hilderich jemals die verbannten Katholiken zurückholen noch den Kirchenbesitz restituieren. Als Thrasamund am 6. Mai 523 starb, trat Hilderich die Herrschaft formell erst am folgenden Tag an und nutzte die eintätige Vakanz des Königsthrons dazu, die Rückkehr der verbannten Bischöfe anzuordnen, den Kirchenbesitz zurückzugeben und für die verwaisten Bistümer Neuwahlen zuzulassen. Am 7. Mai 523 trat Hilderich dann die Herrschaft offiziell an. Anscheinend setzte der 133

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gemini diadematis heres, der „Erbe zweier Kronen“137, mit seinem radikalen Kurswechsel in der Religionspolitik auf eine wirkliche Aussöhnung mit der katholischen Bevölkerungsmehrheit und deren Sachwalter, dem katholischen Klerus. Ob Hilderich darüber hinaus weitergehende persönliche Pläne verfolgte, ist nicht bezeugt, dass er sich als der einzige Spross der letzten Kaiserdynastie und als Schwager des schon 472 verstorbenen weströmischen Kaisers Olybrius feiern ließ, könnte so gedeutet werden, dass er im engen Anschluss an Konstantinopel auf ein Ende der ostgotischen Herrschaft im Westen des Römerreichs hinarbeitete und sich gleichzeitig als Prätendent und potenzieller Erneuerer des Kaisertums im Westen in Erinnerung bringen wollte. Unter Hilderichs Regiment wurde sogleich der Bischofsstuhl von Karthago mit einem gewissen Bonifatius wiederbesetzt, ebenso die Abhaltung von (Regional-)Konzilien sofort ermöglicht. Und am 5. Februar 525 konnte Bonifatius sogar in Karthago ein gesamtafrikanisches Konzil eröffnen, an dem allerdings nur 61 Bischöfe teilnahmen. Sie kamen zu einem ganz geringen Teil, nämlich 2, aus den mauretanischen Provinzen, ebenfalls nur 2 aus Tripolitanien, die übrigen aus Numidien und der Proconsularis; die Bischöfe aus der Byzacena fehlten komplett, weil ihr Primas Liberatus den Vorrang des Bischofs von Karthago nicht anerkannte. Wenn man diese Zahl mit der Teilnehmerzahl des von König Hunerich anberaumten Religionsgesprächs des Jahres 484 vergleicht (466 gegenüber 61 im Jahre 525), so bedarf dieser riesige Unterschied der Erklärung. Neben der Unsicherheit der Wegeverhältnisse und Reisemöglichkeiten – jedenfalls soweit die Gebiete in den Randlagen des römischen Nordafrika betroffen waren – und des Boykotts der Bischöfe der Byzacena werden vor allen die immer noch vorhandenen vielen Sedisvakanzen dafür verantwortlich gewesen sein. Die Verhandlungen in Karthago offenbarten jedenfalls zur Genüge, wie groß auch die Spannungen innerhalb der Funktionsträger der katholischen Kirche – zwischen den Bischöfen und zwischen Bischöfen und Äbten – mittlerweile geworden waren. Die Verfolgungszeit hatte zwar Gegensätze überdeckt, sie aber keineswegs aufgehoben. Auch der königliche Wunsch, die Rechte des Bischofs von Karthago gegenüber dem Bischof von Rom zu stärken, was auf die Bildung einer – zwar katholischen – Landeskirche in Nordafrika hinausgelaufen wäre, mag den einen oder anderen Bischof von einer Teilnahme am Konzil abgehalten haben. Für die Arianer am Königshof, für die arianische Geistlichkeit und die breite Masse der Vandalen war der Kurswechsel des Königs 134

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schlicht Hochverrat und wohl auch ein wichtiger Grund für seinen späteren Sturz. Dieser Kurswechsel zeitigte auch außenpolitisch große Konsequenzen: Die Annäherung, ja der Anschluss an Konstantinopel bedeutete die Abkehr von der Allianz mit den Ostgoten138. Möglicherweise versuchten die Königinwitwe Amalafrida und deren militärisches Gefolge, dies durch einen Staatsstreich zu verhindern, dem Hilderich dann zuvorgekommen wäre. Jedenfalls wurde Amalafrida gefangen gesetzt, ihr gotisches Gefolge umgebracht. Der von Theoderich darauf hin geplante Rachefeldzug kam durch den Tod des Amalers nicht mehr zustande, sein jugendlicher und schwacher Nachfolger Athalarich musste sich mit einem schriftlichen Protest begnügen. Das so kunstvolle und zeitweise auch – als Gegengewicht zu Ostrom – funktionierende Bündnissystem der Germanenreiche auf römischem Boden unter ostgotischer Führung war damit endgültig kollabiert, mit damals jedoch noch nicht absehbaren Folgen für die gesamte Staatenwelt im Westen des Mittelmeergebiets. Die gewisse Distanzierung vom Arianismus muss bei vielen Vandalen und hier nicht nur in der Oberschicht und im arianischen Klerus zu einer Identitätskrise geführt haben, wofür man zweifellos die Herrschaft Hilderichs verantwortlich machte. Hinzukamen die ständigen Kämpfe mit den Mauren, deren Einfälle nun auch die zentralen Gebiete vandalischer Herrschaft, so etwa die Ostküste des heutigen Tunesien, heimsuchten und zu einem militärischen Fiasko führten. Eine vernichtende Niederlage des vandalischen Heeres – als deren Befehlshaber werden zwei verschiedene Personen genannt – gegen maurische Scharen unter Führung eines gewissen Antalas setzte hier den Schlusspunkt139. Eine breite, vom Heer und von der Führungsschicht wie vom arianischen Klerus getragene Umsturzbewegung, in der der nächstberechtigte in der Thronfolge, ein Urenkel Geiserichs mit Namen Gelimer, eine führende Rolle spielte, setzte Hilderich mit dem Vorwurf der Unfähigkeit und des Hochverrats zu Gunsten des Kaisers in Konstantinopel – mittlerweile war Justinian I. Alleinherrscher – ab und kerkerte den König und seine engsten Familienangehörigen ein (am 15. Juni 530).

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10 Staat und Gesellschaft im vandalischen Nordafrika 10.1 Das Königtum Überblickt man die 100 Jahre vandalischer Herrschaft vom Übergang nach Nordafrika bis zum Sturz des letzten legitimen Königs Hilderich und die wenigen Jahre (530–533/34) des sofort einsetzenden Existenzkampfes um den Fortbestand der Staatsgründung Geiserichs, so lässt sich eine Reihe parallel – manchmal auch zeitlich versetzt – verlaufender gegenläufiger Entwicklungen und Tendenzen beobachten. In deren Bewertung ist sich die Forschung keineswegs einig und wie sollte sie auch, sind sich doch schon unsere Quellen durchaus darüber uneins, welche Rolle den Vandalen im göttlichen Heilsplan – wir würden sagen, in der weltgeschichtlichen Entwicklung – zukam. In den Augen ihrer katholischen Gegner war das von Geiserich gegründete und von seinen Nachkommen über mehrere Generationen hinweg behauptete regnum Vandalorum et Alanorum ein auf Raub und Gewalt basierender Staat, dem auch offiziell zunächst die völkerrechtliche Anerkennung versagt blieb. Trotz Katholikenverfolgung und immer wieder aufflammenden Expansionsgelüsten und daraus resultierenden Kriegszügen, die aber häufig nicht von Raub- und Plünderungszügen zu unterscheiden waren, gelang es dem Vandalenreich, sich allmählich in die Völkerfamilie rund um das Mittelmeer einzugliedern. Von Hilderich abgesehen, stellten sich ihre Könige auf dieselbe Stufe wie die Kaiser in Ravenna und Konstantinopel und ließen sich nicht in die Familie der Könige unter dem Kaiser als Familienoberhaupt einordnen. Keiner von ihnen handelte je im römischen Auftrag wie etwa die West- und Ostgotenkönige, die Könige der Burgunder und selbst die Frankenkönige und keiner ließ sich durch die Übernahme eines römischen Amtes in das spätrömische Beamtensystem einordnen, wie das bei den Machthabern in den anderen völkerwanderungszeitlichen Reichen üblich war. Die unter Geiserich erreichte Machtfülle des Königtums, die an dessen Nachfolger mehr oder weniger ungeschmälert weitergegeben wurde, soll allerdings mit einer fortschreitenden Entmündigung der freien Vandalen (und Alanen) einhergegangen sein. Diese Sicht geht letztendlich auf die in der Verfassungsgeschichtsforschung des 19. Jahrhunderts vorherrschende Meinung von der germanischen 136

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Freiheit und Gleichheit zurück. Danach seien Volkswille und Adelsmacht auch noch in Nordafrika in entscheidenden Situationen beachtet worden, auch wenn sich die Gewichte allmählich zu Gunsten des Königtums verschoben hätten und an die Stelle des Geschlechts(Geburts-)Adels ein neuer, allein dem König verpflichteter Dienstadel getreten sei. Diese Auffassung übersieht oder unterschätzt mindestens die Sakralität der Herrscherstellung der Hasdingen-Könige, die im Fortgang der vandalischen Geschichte mit Elementen des Heerkönigtums angereichert werden konnte. Beides zusammen ergab die Ausnahmestellung des rex Vandalorum et Alanorum und entwickelte sich – gegründet auf die außerordentlichen militärischen Erfolge in der Geiserich-Zeit – zu einem „herrscherlichen Despotismus“, wie wir ihn sonst weder im Römerreich noch in den anderen völkerwanderungszeitlichen Staaten auf römischem Reichsboden, vielleicht nicht einmal im Frankenreich der frühen Merowinger, wiederfinden. Der neue (Dienst-)Adel orientierte sich ausschließlich an Königtum und Herrscherfamilie und hatte keine Gelegenheit, ein davon losgelöstes Selbstverständnis und ein Eigengewicht zu entwickeln. Von daher erstaunt es auch nicht, dass – wenn vielleicht auch nur in Einzelfällen – Personen ursprünglich unfreien Standes in die höchsten Positionen aufsteigen konnten.

10.2 Heer und Flotte Die von der Sakralität der vandalischen Doppelkönige ausgehende und zum Heerkönigtum gewandelte Herrscherstellung Geiserichs und seiner Nachfolger beruhte bis zum Ende der vandalischen Staatlichkeit zu einem großen Maße auf der Schlagkraft und dem Erfolg der Reitertruppen. Allein schon durch diese Tatsache waren der Größe ihrer Heere Grenzen gesetzt, die sich überdies schon durch die verhältnismäßig geringe Volkszahl der Vandalen ergaben. Auch auf die Expeditionen und Raubzüge von Nordafrika über das Mittelmeer hinweg nahmen sie ihre Pferde mit. Für den Fußkampf bedienten sie sich vor allem maurischer Hilfstruppen, wie überhaupt die maurischen gentes bei dem für das vandalische Staatsvolk charakteristischen Menschenmangel ein immer wichtiger werdendes Rekrutierungspotenzial darstellten, soweit sich diese dem nicht entzogen. Maurische Söldner wurden vor allem als Besatzungstruppen für die vandalischen Außenbesitzungen angeworben, andere mauri137

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sche Gruppen, die in Gefangenschaft geraten waren, wurden dorthin deportiert, wo sie einen ständigen Unruheherd bildeten und sich wie etwa auf Sardinien sogar der Botmäßigkeit der Vandalen entzogen. Die auf Sardinien noch lange nach dem Ende der vandalischen Herrschaft nachweisbaren, politisch nicht eingegliederten barbaricini („Barbarennachkömmlinge“) dürften die Nachkommen aus Nordafrika verschleppter Mauren gewesen sein. Die vandalischen Reiter waren – etwa im Gegensatz zur persischen oder zur spätantiken Kavallerie – kaum gepanzert und kämpften in der Regel mit Stoßlanzen und Schwertern; Wurflanzen und Pfeil und Bogen kamen bei ihnen jedoch auch vor. Der Fernkampf war allerdings ihre Sache nicht, die Taktik bestand zur Hauptsache darin, im überraschenden Angriff den Feind niederzureiten bzw. in die Flucht zu schlagen. Wie man ihnen Stand halten konnte, offenbart die schöne von Prokop erzählte Geschichte von der Niederlage des vandalischen Heeres unter König Thrasamund im Kampf gegen die Mauren des Cabaon. Zur Abwehr eines Reiterangriffs der Vandalen hatte dieser rings um sein mobiles, mit Frauen und Kindern sich auf dem Marsch befindlichen Heer die wohl zum Transport benutzten Kamele postieren lassen. Zwischen den einzelnen Tieren standen die maurischen Kämpfer, durch aneinander schließende Schilde geschützt und mit Fernwaffen ausgerüstet. Die heranstürmenden Reiter schafften es jedoch nicht, ihre Pferde zu einem erfolgreichen Einsatz zu dirigieren, weil diese – vom Anblick und wohl auch dem ungewohnten Geruch der Kamele völlig in Verwirrung gebracht – scheuten, sich ineinander verkeilten und damit jeden geordneten Angriff unmöglich machten. Damit wehrlos den Fernwaffen der Mauren ausgesetzt, blieb ihnen nur die Flucht, soweit sie überhaupt mit dem Leben davonkamen140. In der Belagerung befestigter römischer Städte waren die Vandalen unerfahren und auch nicht entsprechend ausgerüstet. Und wenn sich die Mauren in die Berge zurückzogen, konnten sie ihnen nur selten beikommen. In ihrem Herrschaftsgebiet ließen die Vandalen die Befestigungsanlagen der Städte in der Regel verfallen. Auch verfügten sie über keine Kriegsflotte; in ihren Schiffarsenalen waren wohl vor allem Transportschiffe aufbewahrt bzw. aufgedockt, die für regelrechte Seeschlachten nicht geeignet waren, mit denen jedoch auch Pferde transportiert werden konnten. Die Schiffe gehörten nicht ausschließlich dem Staat, sondern wohl auch privaten Schiffseignern. Den Schiffsbestand darf man sich nicht allzu groß vorstellen, am Ende des Vandalenreichs betrug er vielleicht nur ca. 120 Schiffe. Bei Schiffsneubauten wurde anscheinend der Bau 138

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relativ kleiner, aber wendiger Schiffe bevorzugt, auf denen vielleicht nur 40 bis 50 Kämpfer befördert werden konnten. Von den Schiffsmannschaften einmal abgesehen, wurden keine Provinzialrömer zum Militärdienst rekrutiert. Von einem sozialen Verfall des Vandalentums – hier ist vor allem der Verlust der Kriegstüchtigkeit durch angeblich vom Wohlleben verursachte Erschlaffung gemeint – zu sprechen, geht keineswegs an. Dies ist ein ideologisch bedingtes Klischee, wonach das „kräftige germanische Volkstum“, in den Süden und in diesem Fall nach Nordafrika gekommen, dem Klima und einer ihm fremden und Sitten und Gesundheit verderbenden Lebensweise Tribut gezollt hätte. Die Grenzen im Süden zwischen Kulturland einerseits und Steppe bzw. Wüste andererseits zu sichern oder zumindest erfolgreich zu kontrollieren – wie das den Römer mit ihren Grenzbefestigungsanlagen (limites) über einen beachtlichen Zeitraum hinweg gelungen war –, gelang den Vandalen nicht oder sie versuchten es aus Mangel an menschlichen Ressourcen erst gar nicht. Es gehörte wohl auch zu den Prinzipien vandalischer Kriegführung und damit auch Herrschaftssicherung, dass die Expeditionskorps über See und die Heere von den Königen selbst oder von Mitgliedern der königlichen Sippe angeführt wurden. Für die ganz wenigen Fälle, in denen eine solche Anführerschaft nicht ausdrücklich bezeugt ist, wird man annehmen können, dass es sich ebenfalls um Mitglieder der stirps regia gehandelt hat. So verweist der Name des vandalischen Befehlshabers Hildimer, der wohl 528 oder 529 gegen die Mauren des Antalas eine schwere Niederlage einstecken musste, eindeutig auf die Zugehörigkeit zur hasdingischen Königsfamilie.

10.3 Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft im Vandalenreich Ein besonderes Kennzeichen des spätantiken Staats war eine ausdifferenzierte Bürokratie mit einer nicht kleinen Zahl von hierarchisch gegliederten Verwaltungsebenen. Finanzverwaltung und Rechtspflege standen dabei im Zentrum staatlichen Verwaltungshandelns, das sich auf der lokalen Ebene traditionell auf eine Art Honoratiorenverwaltung stützen konnte, d. h. auf ein amtliches Handeln einschließlich staatlicher Hoheitsfunktionen, das von Angehörigen der begüterten Schicht ohne Bezahlung und mehr oder weniger freiwil139

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lig erbracht wurde. Vor allem die Steuereinnahmen des Staates wurden auf diese Weise gesichert, da die mit deren Einziehung Betrauten für ein ordnungsgemäßes Steueraufkommen persönlich haftbar gemacht wurden. Auch in der Vandalenzeit konnte diese Funktion für den Betreffenden – seine offizielle Bezeichnung war procurator – äußerst ruinös sein, eher selten war damit die Möglichkeit persönlicher Bereicherung verbunden. Insgesamt scheint der Steuerdruck unter den Vandalen nicht zugenommen zu haben – im Unterschied zur nachfolgenden oströmischen Periode Nordafrikas –, verfügten doch der König und die Königsfamilie über große und ertragreiche Besitzungen, deren Erträge auch zu Gunsten staatlicher Aufgaben verwendet werden konnten. Vor allem mögen auch die gewaltigen Beutegewinne aus den vandalischen Raubzügen die Staatskasse entlastet haben. Wenn sich in den Quellen trotzdem Klagen über zunehmenden Steuerdruck finden, so wird man diese nicht überbewerten dürfen. Einmal werden diese Klagen zu allen Zeiten erhoben und zum anderen stammen sie aus einer Richtung, die der vandalischen Herrschaft besonders kritisch gegenüberstand; gemeint sind der katholische Klerus und Teile der ehemaligen großgrundbesitzenden Führungsschicht, die ihren Einfluss und ihre Privilegien eingebüßt hatten. In der Staats- und Finanzverwaltung einschließlich der Rechtspflege wie auch in der königlichen Hofhaltung waren darin erfahrene Provinzialrömer tätig, die auch dafür Sorge trugen, dass für diese Tätigkeitsfelder adäquater Nachwuchs ausgebildet wurde, können wir doch davon ausgehen, dass die traditionellen Bildungsangebote auch in der Vandalenzeit weiter aufrecht erhalten wurden; man hat in diesem Bereich sogar gegenüber der Endphase der Römerherrschaft einen gewissen Aufschwung erkennen wollen, waren doch Könige wie Gunthamund, Thrasamund und Hilderich und anscheinend auch viele Angehörige der vandalischen Oberschicht geradezu versessen darauf, an römischer Kultur, Bildung und Lebensweise zu partizipieren und deren geistigen und künstlerischen Anforderungen voll Genüge zu leisten. Nur wenn man das Militärwesen und seine Organisation mit einbezieht, kann man – wie das für das Ostgotenreich in Italien üblicherweise getan wird – von einem dualistischen Staatsaufbau sprechen. Gemeint ist damit das Nebeneinanderexistieren einer barbarischen und einer römischen Verwaltung. Uns sind allerdings auch nur sehr wenige aus den traditionellen spätrömischen Eliten stammende Funktionsträger in der Administration des Vandalenreichs bekannt. Dies dürfte aber in erster Linie dem Zufall der Überlieferung geschuldet sein; für das 140

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Nordafrika dieser Periode fehlen uns Gesetzeswerke, die z. B. für das Ost- und das Westgotenreich auf uns gekommen sind, ebenso wie etwa mit der amtlichen Korrespondenz (Variae) Cassiodors, des „Kanzlers“ des Ostgotenkönigs Theoderich, vergleichbare Aufzeichnungen. Auch die Fokussierung unserer Quellen auf die Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Arianern mag dazu geführt haben, dass das Interesse an der Darstellung des Verwaltungsalltags nicht allzu groß war. Jedenfalls steht die Vandalenzeit gerade auf der höchsten Verwaltungsebene für die Schaffung übersichtlicherer und personalmäßig anscheinend geschrumpfter Strukturen, wobei vor allem der Verwaltungsweg deutlich verkürzt worden war. Der praepositus regni, eine Art „Reichskanzler“, war in gewisser Weise der Nachfolger des spätrömischen vicarius Africae und verfügte über ein Büro (officium), in dem mit der Amtssprache Latein und überhaupt mit der Verwaltungspraxis vertraute Provinzialrömer ihren Dienst taten. Namentlich sind als Reichskanzler allerdings lediglich zwei Personen bekannt, beide trugen vandalische Namen und waren wohl auch Vandalen, so dass aus dem religiösen Bekenntnis kein Problem erwuchs. Auch die Funktionen des Provinzstatthalters (iudex provinciae) und des Prokonsuls in Karthago lebten jedenfalls in den Amtsbezeichnungen fort, ihre Funktionen dürften aber stark eingeschränkt gewesen sein. So waren die iudices provinciarum und die Vorsteher ihrer Büros (primates) wohl auf die Tätigkeit im Gerichtswesen beschränkt. Das könnte dafür sprechen, dass die Verwaltungsebene, die in der römischen Periode Nordafrikas durch die Statthalter gebildet wurde, in der damaligen Form nicht mehr existierte, und dass deren Funktionen auf mehrere Köpfe verteilt waren. Auch der Prokonsul in Karthago – in diesem Amt kennen wir namentlich mit Victorianus und Pacideius ebenfalls nur zwei Amtsträger – dürfte in seiner Tätigkeit allein auf die richterliche Funktion beschränkt gewesen sein. Besser unterrichtet sind wir über die Strukturen im Bereich der königlichen Hofverwaltung, des Sicherheits- und Polizeiwesens und der lokalen Verwaltungen. Die großen Güterkomplexe des Königs und seiner Verwandten wurden von procuratores genannten Funktionsträgern provinzialrömischer Herkunft verwaltet, die wiederum über die Zwischenstufe der (königlichen) Großpächter (conductores) das Land durch meist an die Scholle gebundene Pächter (coloni) bestellen ließen; erstaunlicherweise galten für die Verpachtung selbst noch dieselben Grundsätze wie schon 300 Jahre zuvor unter römischer Herrschaft. Auf den Großgütern war wie schon damals die 141

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Zentralgewalt – etwa durch einen staatlichen Funktionär – nicht vertreten. Und wie seit Jahrhunderten gewohnt, wenn schon nicht bewährt, kam dem Eigentümer auch die Rechtsprechung im Streitfall zu. Dabei dürfte sich die wirtschaftliche Situation der ländlichen Unterschichten wohl nicht verschlechtert haben, und ebenso ist nicht bekannt, dass die Vandalen durch gesetzliche Maßnahmen zu Gunsten der römischen Grundeigentümer (possessores) eingriffen, wenn deren Pächter sich durch Flucht ihrem bisherigen Aufenthaltsort und ihrer bisherigen Tätigkeit entzogen. Vom Königshof in Karthago nahmen jedenfalls alle politisch, sozial und rechtlich relevanten Maßnahmen ihren Ausgang. Neben dem ,Ersten Minister‘ stand dafür eine ganze Reihe von Funktionsträgern zur Verfügung, Provinzialrömer wie auch Vandalen, deren Uniformität äußerlich in einer als vandalisch erkennbaren Amtstracht dokumentiert wurde. Genannt werden in den Quellen Notare, Referendare, maiores domus (höhere Hofbeamte), Schreiber (wohl mit juristischer Ausbildung), die alle für die Reichsverwaltung arbeiteten, neben Chargen, die niedere Hofdienste versahen. Die comites (Einzahl: comes) genannten Funktionsträger waren wohl königliche Beauftragte, die zu Sondermissionen eingesetzt und einem sich immer wieder verändernden Kreis von Vertrauten und Tischgenossen der vandalischen Könige, den domestici, entnommen wurden; zu diesen domestici gehörten auch Angehörige des arianischen Klerus. Die Außenbesitzungen – Sardinien, Korsika, die Balearen – wurden jedenfalls am Ende der Vandalenzeit von einem auf Sardinien residierenden Statthalter verwaltet, der dem König direkt unterstand. Zentralisiert war auch z. T. wenigstens die Verwaltung natürlicher Ressourcen wie die Nutzung der Wälder oder der Steinbrüche und Bergwerke, der ebenfalls Prokuratoren genannte staatliche Funktionäre vorstanden. Die vandalische Verwaltung war insgesamt ein Abbild der spätrömischen; sie funktionierte aber wohl besser als ihr Vorbild, weil sie verschlankt worden war und in der Regel nicht in bürokratische Sackgassen führte. Dass sie damit nicht unbedingt gerechter wurde, lässt sich vielleicht annehmen, keineswegs aber nachweisen. Dass wir über das Polizeiwesen und die Ausübung des Gewaltmonopols im Vandalenreich recht gut informiert sind, hat seinen Grund darin, dass die überwiegend aus katholischer Sicht verfassten Quellen sehr ausführlich auf die Verfolgungsmaßnahmen – und deren staatliche Handlanger – gegen die Katholiken Nordafrikas und auf das eine beachtliche Phantasie aufweisende unmenschliche Strafensystem eingehen. Für den Vollzug der Strafen gab es eine ganze 142

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Palette von Staatsdienern wie Vollstreckungsbeamte, Folterknechte und Gefängniswärter und für die Verbrechensaufklärung ein die römische Institution der agentes in rebus nachahmender Untersuchungs- und Bespitzelungsapparat sowie mit den vigiles („Wächter“) auch ein rudimentäres Polizeiwesen. In die religiöse Strafverfolgung schalteten sich zudem immer wieder Organe und Vertreter der arianischen Kirche ein, weil die staatlichen Institutionen hier wohl ihren Pflichten nur sehr zögerlich nachkamen. Im kommunalen Bereich funktionierte – soweit feststellbar – die traditionell auf die Schicht der Kurialen (oder Dekurionen = Stadträte) gestützte städtische Selbstverwaltung mindestens noch leidlich. Ihre kontinuierliche Existenz ist durch zahlreiche, auch inschriftliche Belege sehr gut bezeugt, ebenso auch ihr intensives und kontinuierliches Engagement für die Bürger. Wie schon zu Ende der vorhergehenden Epoche lässt sich für die Städteverwaltung im Vandalenreich kein Vertreter der Zentralgewalt nachweisen. Und genauso wie in der Periode, als das Christentum im Römerreich noch nicht Staatsreligion war, führten die Vertreter der regimentsfähigen Schicht in den Städten ehrende Rangprädikate und auf das klassische Heidentum verweisende Ehrentitel wie flamen (perpetuus) und sacerdotalis, obwohl sie mit ganz wenigen Ausnahmen (katholische) Christen waren. Wenn König Hunerich in seinem Katholikenedikt von 484141 im engen Anschluss an die spätrömische Ketzergesetzgebung und in Form eines Strafenkatalogs auch die gesamte Palette städtischer Funktions- und Würdenträger vorlegte, denen bei Nichtbeachtung des Konversionsgebots hohe Geldstrafen drohten, so ist dies kein aus bedeutungsloser Wiederholung der Kaisergesetzgebung bestehender Gesetzestraditionalismus, sondern spiegelt die gesellschaftliche Schichtung in den Städten Nordafrikas und die noch vorhandene Differenzierung der städtischen Ämter wieder. Auch zeigt eine Klausel im Hunerichedikt, dass die ordines civitatum, d. h. die städtischen Amtsträger in ihren verschiedenen Verwaltungsfunktionen, zugleich Organe der Rechtsprechung waren142. Die Aufrechterhaltung und Förderung der lokalen, auf die städtische Führungsschicht gestützte und dadurch kostengünstige Selbstverwaltung – denn es gab für diese Tätigkeit keine Bezahlung – hatten im Herrschaftsbereich der Vandalen einen besonders hohen Stellenwert, weil die Zwischeninstanz zwischen königlicher Regierung und den städtischen Gemeinden in Form der traditionellen Provinzverwaltung anscheinend weitgehend aufgegeben worden war. Die Vertretung der Gemeinden nach außen und zur Zentrale mag wohl über die Bischöfe gelaufen sein, was aber in der Regel nur Erfolg 143

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versprach, wenn man für die städtischen Belange die Fürsprache eines arianischen Bischofs oder Klerikers gewinnen konnte. Der zweifellos vorhandene Rückgang – von einem völligen Verschwinden kann man wohl deshalb nicht sprechen, weil der Zufall der Überlieferung auch hier eine Rolle spielen mag – der „curial patronage“, Ausdruck und Praktizierung einer Kultur von Stiftungserwartung und -bereitschaft, kann nicht als Beweis dafür ins Feld geführt werden, dass die Städteverwaltung in Nordafrika unter vandalischer Herrschaft zusammengebrochen war. Wie in vielen anderen Teilen des Römerreichs schon in der spätantiken Epoche waren Mode und Praxis des Inschriftensetzens im öffentlichen Raum zum höheren Ruhm der Stifter zurückgegangen und hatten privaten Formen einer Erinnerungskultur Platz gemacht. Von einer dirigistischen, vom Staat weitgehend bestimmten Wirtschaftsordnung kann im Vandalenreich ebenso wie schon in der vorherigen Periode der Römerherrschaft keine Rede sein. Diesbezüglich ist immer mit Recht betont worden, dass das Verhältnis zwischen privater und staatlicher Wirtschaft – die es in wenigen und traditionellen Sektoren auch gab – etwa dasselbe gewesen ist wie in der Zeit der Herrschaft der römischen Kaiser über Nordafrika. Ob wir die Organisation der so wichtigen Agrarproduktion, den Austausch von Gütern im Inland, den Fernhandel sowohl mit den Küstenstädten des westlichen wie auch des östlichen Mittelmeers oder die Zollpolitik in den Blick nehmen, so lässt sich gegenüber den früheren Verhältnissen keine Zäsur erkennen. Diese Kontinuität setzte sich sogar mehr oder weniger bruchlos weit über das ganze 6. Jahrhundert und die Vandalenzeit hinaus fort, um erst mit der islamischen Eroberung und auch hier nicht sofort und auf allen Sektoren abzubrechen. Vielmehr entwickelte sich unter der „paix vandale“, der von den Vandalen hergestellten und aufrechterhaltenen Sicherheit und Ordnung, nach den Gesetzen des Marktes, nur ganz selten unterbrochen von direkten Eingriffen des Staates, ein beträchtlicher Binnenhandel und ein über Karthago und andere Küstenstädte abgewickelter Außenhandel mit den für Nordafrika traditionellen Exportschlagern als da waren vor allem Getreide, Öl, Marmor, Feinkeramik, wilde Tiere einerseits und Importen von kostbaren Stoffen, von Schmuck und sonstigen Luxusgegenständen andererseits. So stammte noch in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts an die 90 Prozent der Keramik in Rom aus nordafrikanischer Produktion. Und für Karthago weisen archäologische Funde aus, dass die Stadt ein bedeutender Umschlagplatz für den Granathandel war und blieb. 144

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Handwerk und Gewerbe blieben in der Hand der Provinzialrömer, der Staat hielt lediglich über die Waffenproduktion und den Schiffsbau seine kontrollierende Hand. Wenn auch regional unterschiedlich kann man für die Vandalenzeit auch geradezu von einem Bauboom sprechen, der immer noch vorhandene oder neu zustande gekommene Reichtum wurde in den Bau luxuriöser Landsitze und Bäder investiert und in Zeiten der Windstille bezüglich religiös motivierter Verfolgungen kamen Kirchen- und Klosterbauten hinzu. Diese Kontinuität in der repräsentativen Architektur reichte sogar über die Vandalenzeit deutlich hinaus. Warenaustausch und Bauboom setzten ein funktionierendes Transport- und Verkehrswesen voraus, um das sich vor allen die Städte unterstützt durch die Zentrale Karthago kümmerten. Ist jedenfalls für die Städte im Küstengebiet des vandalischen Herrschaftsbereichs eine durchgehende ökonomische Kontinuität im Vergleich zur vorhergehenden Epoche festzustellen, so war die Situation der Städte im Landesinnern allerdings eher durch ein Nebeneinander von Behauptung und Niedergangs des wirtschaftlichen Niveaus gekennzeichnet. So waren die Städte dort nun wohl weitgehend vom Fernhandel abgekoppelt. Das aus den spätrömischen Kaisergesetzen deutlich werdende Problem der Landflucht und des daraus resultierenden Arbeitskräftemangels auf den Gütern lässt sich für die Vandalenzeit nicht nachweisen. Auch weniger ertragreiche Böden wurden in die landwirtschaftliche Produktion einbezogen, sogar mit der Anlage von Baumkulturen Investitionen vorgenommen, die sich erst mittel- und langfristig amortisierten. Hinzu kam, dass durch die Vandalen die Viehzucht neue Impulse erhielt; betroffen davon war vor allem die Pferdezucht, die zuvor im römischen Nordafrika nicht wirklich heimisch gewesen ist (Berühmt dafür war im Altertum allerdings die kulturell griechisch dominierte Cyrenaica.). Die aus Spanien von den Vandalen mitgebrachten Pferde dürften hier den Grundstock gebildet haben. In welchem Verhältnis „freie“ Arbeit – in ihren verschiedenen Spielarten – und Sklavenarbeit auf dem Land zueinander standen, ist nicht zu beantworten. Im römischen Nordafrika spielte die Sklaverei in der Landwirtschaft wie auch in den Städten bis zum Beginn der Vandalenzeit eine große Rolle, wie aus den Schriften des heiligen Augustinus deutlich hervorgeht. Unter den Vandalen dürfte sich dies nicht wesentlich geändert haben, denn diese entdeckten neue Quellen der Versklavung: Entführung und Verschleppung des Menschenpotenzials nach Nordafrika auf den Raubzügen und Razzien in den Küstenstrichen des Mittelmeeres. Allerdings waren sie auch nur zu sehr bereit, den Verschleppten durch Freikauf die Frei145

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heit zurückzugeben. Aussicht auf Lösegeld scheint sogar die Hauptantriebsfeder für die Gewinnung der „Menschenbeute“ gewesen zu sein. Auf das große Menschenpotenzial, das die verschiedenen maurischen Gruppen in den z. T. sehr unwegsamen Grenzregionen darstellten, wurden hingegen keine systematischen „Sklavenjagden“ durchgeführt, wie sie etwa in der Neuzeit gang und gebe waren und das Sklavenproblem in der Neuen Welt begründeten. Wenn es als Folge von kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Mauren zu massenhaften Gefangennahmen kam, wurden diese Kriegsgefangenen den Sklavenmärkten – von denen wir auch gar keine Zeugnisse besitzen – anscheinend nicht zugeführt, sondern auf die Außenbesitzungen der Vandalen wie etwa nach Sardinien deportiert. Diese Praxis dürfte vor allem in der späten Vandalenzeit Nordafrikas angewandt worden sein, als die Bedrohung durch die Mauren erheblich zunahm und man keine Gelegenheit dazu geben wollte, dass den maurischen Invasoren versklavte Landsleute in großen Scharen zuliefen. Als die Vandalen nach Nordafrika kamen, blickten sie selbst bereits auf eine lange Erfahrung mit der Sklaverei zurück; nach der Überwindung der Meeresenge und der Landung in Nordafrika wurde deshalb auch die Zahl der Sklaven festgestellt. In den hundert Jahren des nordafrikanischen Vandalenreichs stellten diese wie in den Perioden zuvor keine homogene Masse dar; die Sklaven des königlichen Haushalts waren besser gestellt und bildeten gewissermaßen eine eigene Statusgruppe, die Situation der in der Hauswirtschaft tätigen Sklaven dürfte sich von den Verhältnissen, denen die Sklaven auf dem Land ausgesetzt waren, deutlich unterschieden haben. Unterschiedlich waren auch die Zustände auf dem Großgrundbesitz gegenüber denen auf den mittleren und kleineren Gütern. Dass wir so wenig über die soziale Differenzierung der Sklaven wissen, erklärt sich daraus, dass die Vandalen kein Gesetzbuch hinterlassen haben. Dem entsprechend fehlen auch Zeugnisse, die die hohe Regelungsdichte bezogen auf die Sklavereiverhältnisse aufweisen, wie sie als Erbe des Römerreichs für andere völkerwanderungszeitliche Staaten nachweisbar ist. Einzelfälle eines gewaltigen sozialen Aufstiegs sind überliefert; so erreichte ein Sklave gotischer Herkunft den Posten eines Statthalters von Sardinien und konnte sogar zu einem ernsthaften Rivalen des vandalischen Königs, in diesem Falle Gelimers, werden. In der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung des Vandalenreichs waren die Sklaven jedenfalls ein integraler Bestandteil; ob diese zusammengebrochen wäre, wenn man die Sklaverei abgeschafft hätte, ist nicht einzuschätzen. Theoretische Diskussionen über die 146

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Abschaffung der Sklaverei, etwa von theologischer Seite, sind geführt worden, aber ohne Konsequenzen für die gesellschaftliche Realität. Die Betroffenen selbst konnten kein Gemeinschaftsbewusstsein entwickeln, zu unterschiedlich waren ihre Interessenlage, ihr ethnisch-kulturell-religiöser Hintergrund und ihre reale Situation. Eine Unfreie unbekannter ethnisch-kultureller Zugehörigkeit war die Mutter Geiserichs. Dass wir ihren Namen nicht kennen, ist nicht verwunderlich. Von den Gemahlinnen der hasdingischen Könige und Prinzen nennen uns die Quellen lediglich zwei mit Namen, nämlich die Kaisertochter Eudocia, die mit Hunerich verheiratet wurde, und die ostgotische Prinzessin Amalafrida, die Gattin König Thrasamunds. Ihre Lebensverläufe könnten nicht unterschiedlicher sein. Eudocia floh nach 17 Jahren Ehe unter Zurücklassung ihrer Kinder nach Jerusalem, wie es schon ihre Großmutter getan hatte, an deren Seite sie nach ihrem Tode auch in Jerusalem begraben wurde: ein handfester politischer wie gesellschaftlicher Skandal mit sicher auch beträchtlicher Außenwirkung. Amalafrida hingegen wurde bei dem Herrschaftswechsel von Thrasamund auf Hilderich von dem neuen Vandalenkönig zunächst kaltgestellt und dann ermordet. Nicht viel anders war es auf Grund eines Politikund Allianzwechsels einer westgotischen Königstochter unbekannten Namens, der ersten Gemahlin Hunerichs, ergangen. Mit der Behauptung, sie habe ihn vergiften wollen, schickte sie Geiserich, verstümmelt an Nasen und Ohren, zu ihrem königlichen Vater zurück. Auffällige Namensgleichheiten und Namensanklänge lassen daran denken, dass zwischen den Hasdingenkönigen bzw. -anführern und den Angehörigen der burgundischen Königsfamilie des 5. und 6. Jahrhunderts verwandtschaftliche Beziehungen bestanden. In beiden königlichen Sippen begegnet der Name Godegisel, und zudem häufen sich in beiden königlichen Familien die mit *guntho (Kampf) zusammengesetzten Namen. Andererseits dürfte in Gesellschaften, für die Lebensformen und Eigenschaften wie Kampf, persönliche Tapferkeit und Sieg die oberste Stufe ihres Wertesystems einnahmen, eine diese Wertschätzung widerspiegelnde Namengebung nicht verwundern und könnte deshalb durchaus autonom erfolgt sein. Die Frauen der Vandalen bleiben also weitgehend anonym, auch die der Oberschicht. Nur ganz vereinzelt begegnen sie nämlich auf Inschriften und in der vandalenzeitlichen lateinischen Literatur. Andererseits können wir davon ausgehen, dass Frauen informell beträchtlichen politischen Einfluss ausüben konnten und wohl auch 147

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ausübten. Sie dürften darin hochgestellten Römerinnen in nichts nachgestanden haben. Gehen wir die gesellschaftliche Skala weiter nach unten, lassen uns die Quellen völlig im Stich. Wir können hierzu lediglich auf die Information verweisen, dass nach dem Untergang der Vandalenherrschaft in Nordafrika die Soldaten der oströmischen Truppen bevorzugt Vandalinnen heirateten. Das macht auch durchaus Sinn, denn auf Grund der Deportation eines Großteils der vandalischen Krieger nach Anatolien und an die Kriegsschauplätze im Osten des Römerreichs dürfte es einen bedeutenden Frauenüberschuss im jetzt wieder römisch gewordenen Nordafrika gegeben haben, ganz abgesehen von den vandalischen Kriegstoten in den Kämpfen der Jahre 533 und 534. Unter diesen Neuverheirateten mag auch manch eine reiche Erbin gewesen sein, deren Vermögen zwar konfisziert worden war, die aber mit Hilfe ihres neuen, römischen Ehegatten den Versuch wagen konnte, die Restitution ihres Besitzes einzuklagen. Jedenfalls ist es kaum möglich, sich ein auch nur einigermaßen zutreffendes Bild vom Status und von den Möglichkeiten der Vandalinnen in einer Gesellschaft zu machen, in der Kampf und Krieg, persönliche Tapferkeit, Wagemut und nicht zuletzt Gewalt bis zu ihrem Untergang einen hohen Stellenwert zumindest ideell hatten. Den Warenfluss und vor allem größere Wirtschaftstransaktionen erleichterte die von den Vandalen beibehaltene Münzgeldwirtschaft. In Nordafrika liefen nämlich die in römischen Münzstätten geprägten Münzen als gültige Zahlungsmittel weiter um, und die Vandalen sorgten dafür, dass der Geldumlauf durch das Vorhandensein einer ausreichenden Menge an Münzgeld aufrecht erhalten werden konnte, indem sie die gängigen römischen Silber- und Bronzemünzen in der wieder eingerichteten Münzstätte Karthago nachprägten. Die Goldmünzen, die ebenfalls weiter umliefen, kamen hingegen aus den Prägeanstalten vor allem des Ostreichs. Die Nachahmungen, die als „protovandalisch“ bezeichnet werden, waren in Wahrheit Gepräge schon aus der Regierungszeit Geiserichs. Im großen Stil wurde diese von den Vandalen verantwortete Prägung von Silberund Bronzemünzen dann von König Gunthamund und dessen Nachfolgern betrieben. Deren Münzen wurden nun im Gegensatz zu den Prägungen der Geiserich-Zeit auch als solche kenntlich gemacht. Als 533/34 Konstantinopel die Herrschaft in Nordafrika übernahm, konnte man auf ein durchaus ausreichend ausdifferenziertes Münzgeldsystem zurückgreifen, das erlaubte, Geschäfte in jeder Größenordnung abzuwickeln. Auch beweist das durchgehende Vorhandensein von Bronzemünzen, dass im Kauf und Verkauf 148

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von Dingen des täglichen Bedarfs Münzgeld durchaus eine Rolle spielte, auch wenn vor allem auf dem flachen Land die Tausch- und Naturalwirtschaft sehr verbreitet gewesen sein dürfte. Selbst in entfernten Grenzregionen des Vandalenreichs wie etwa im südlichen Numidien waren im Wirtschaftsleben Schriftverkehr, Rechnungsführung und Warenkontrolle durch die örtlichen Behörden an der Tagesordnung, wie die unweit des antiken Mascula (Khenchela) gefundenen Ostraka (beschriftete Tonscherben) von Bir Trouch aus der Zeit Königs Gunthamunds belegen. Bedroht wurden Handel und Wandel, das arbeitsteilige Produktionssystem und der von einer dünnen Oberschicht angehäufte Reichtum, durch den allerdings – wenn auch in einem bescheidenen Rahmen – die Existenz weiterer Schichten der Bevölkerung gesichert war, durch die marodierenden und/oder bessere Lebensbedingungen suchenden maurischen Gruppen, die zu befrieden oder sogar zu integrieren es zunehmend nicht mehr gelang.

10.4 Die Kultur der Vandalenzeit Um die kulturellen Leistungen im vandalischen Nordafrika einschätzen zu können, bedarf es einer adäquaten Vergleichsebene. Eine solche kann eigentlich nur in den anderen völkerwanderungszeitlichen Staaten auf römischem Reichsboden gesucht und gefunden werden. Wenn dies geschieht, dann schneidet die Vandalenzeit erstaunlich gut ab. Der Beitrag der Vandalen dazu ist allerdings kaum zu bemessen, weil er von dem Prozess der Romanisierung ihrer Oberschicht völlig durchdrungen und eingehüllt ist. Für diese wurde die romanitas, die Pflege und die Wertschätzung der kulturellen Traditionen und der darauf abzielenden Erziehung, zunehmend zu einem gegenwärtigen Ideal, dem man sich in allen seinen Facetten mit großer Hingabe widmete. Die erhaltenen literarischen und künstlerischen Erzeugnisse aus dieser Zeit lassen es jedenfalls zu, von einer „vandalischen Renaissance“ in Nordafrika zu sprechen. Wie in Bezug auf das Städte- und Wirtschaftsleben kommen wir nicht umhin, von einer beachtlichen, so – wegen gewisser Voreinstellungen – eigentlich nicht zu erwartenden Kontinuität im kulturellen Bereich zu sprechen. Die vandalische Oberschicht, der Mitglieder der hasdingischen Königssippe in diesem kulturellen Akkulturationsprozess vorauseil149

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ten, fand nicht nur Gefallen an der kultivierten Lebensweise der spätrömischen Aristokratie, die die Muse und die schönen Dinge des Lebens wie eine prachtvolle Wohn- und Badekultur, den Genuss, den die Inszenierung der Jagd verschaffte, und die Beschäftigung mit Literatur, Kunst und Wissenschaft in einem vorher kaum gekannten Maße auskostete, sondern sie versuchte auch, mit einer eigenen Note diesen Lebensgenuss zu verfeinern und zu steigern. Diese eigene Note ist mindestens darin zu sehen, dass sich die Angehörigen dieser Schicht selbst in den ästhetischen Diskurs einbrachten oder ihm überhaupt neues Leben einhauchten. Dabei war es schon keine geringe Leistung, auf einem kulturellen Trümmerfeld, bedingt durch die Flucht der meisten Vertreter der römischen Provinzialaristokratie, die schon erreichte Kulturhöhe zurückzugewinnen und zu einer neuen Blüte zu bringen. Belege dafür sind einerseits die materiellen Relikte, die die Archäologie dem Boden entreißen konnte, und andererseits Produkte literarischen Schaffens einschließlich des theologischen Schrifttums, die in der Zeit um 500 ihresgleichen suchten. Wenn auch beschränkt auf einen kleinen Kreis von Gebildeten und künstlerisch Ambitionierten, für deren eigenes Schaffen wie auch für deren bloßen Kunstgenuss Vergil der Maßstab aller Dinge war, können wir von einer Art Salonkultur sprechen, die damals eine Ausnahme darstellte. Ein von außen kommender Beobachter wie Prokop hat allerdings angesichts des Untergangs der vandalischen Staatlichkeit in diesem Prozess der Angleichung an die Lebensweise und kulturellen Orientierungen der zum Teil aus der Proconsularis vertriebenen römischen Aristokratie den entscheidenden Knackpunkt für den Sieg der Oströmer gesehen: „Von allen uns bekannten Völkern sind ja die Vandalen am meisten verweichlicht, am abgehärtesten aber die Maurusier [Mauren]; denn seit der Eroberung Libyens nahmen ja sämtliche Vandalen Tag für Tag warme Bäder und hatten ihre Tafel mit den schmackhaftesten und besten Speisen besetzt, was Land und Meer eben bieten. Sie trugen reichsten Goldschmuck, dazu medische Gewänder, die man jetzt serische heißt, und brachten ihre Tage in Theatern, auf Rennbahnen und bei sonstigen Lustbarkeiten, am meisten aber mit Jagden zu. Außerdem gab es bei ihnen Tänzer und Schauspieler sowie zahlreiche Darbietungen für Auge und Ohr, kurz alles, was bei Menschen Musik heißt und sonst als sehenswert gilt. Die Mehrzahl von ihnen wohnte in gutbewässerten und mit Bäumen reich bestandenen Lustgärten: bei jeder Gelegenheit veranstalteten sie Trinkgelage und übten sich eifrig in allen Arten von Liebesgenuss“143. Diese Schilderung enthält sicher einerseits eine gute Portion an Übertreibung und Klischee, andererseits wird man davon ausgehen dürfen, dass die den Vandalen 150

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zuvor unbekannten Annehmlichkeiten des Lebens eine besondere Anziehungskraft auf sie ausübten. Der Bischof Fulgentius von Ruspe, der bedeutendste Vertreter der katholischen Christenheit Nordafrikas in spätvandalischer Zeit, der sich sozusagen auf Augenhöhe in theologischen Fragen mit König Thrasamund auseinandersetzte, geißelte in diesem Zusammenhang insbesondere die Thermen und das damit verbundene gesellschaftliche Leben als Stätten der Unzucht144. Die Amtssprache im vandalischen Nordafrika – und damit wohl auch die Sprache des gesamten Schrifttums – war das Latein der spätrömischen Zeit. Mit ihm kamen die Vandalen spätestens in Spanien in intensive Berührung. In Nordafrika wird die vandalische Führungsschicht sehr schnell zweisprachig geworden sein; schon in der dritten Generation seit dem Übergang über die Pyrenäen dürfte das Vandalische weitgehend verloren gegangen sein, vielleicht abgesehen von wenigen Sprachinseln in geschlossen von Vandalen besiedelten und abseits der Städte gelegenen Kleinregionen. Auch König Geiserich sprach und verstand in seinem letzten Lebensabschnitt Latein, während er zunächst auf die Hilfe von Dolmetschern angewiesen war. König Hunerich ließ sich ganz wie die römischen Kaiser mit in gebundene Rede gegossenem Herrscherlob feiern, wofür der bedeutendste Dichter der „vandalischen Renaissance“, Dracontius, unter dem Nachfolger Hunerichs, Gunthamund, allerdings ins Gefängnis wanderte. Waren Kenntnis und Anwendung des Lateinischen anfangs sicher noch ein Schichtenproblem, so dürfte am Ende des 5. Jahrhunderts der Prozess der Aneignung des Lateinischen als Schriftsprache und darüber hinaus als Alltagssprache dann weitgehend abgeschlossen gewesen sein. Mitglieder der Königsfamilie griffen auch selbst zur Feder145, waren wie die Könige Thrasamund und Hilderich hochgebildet. Thrasamund verteidigte in zehn Thesen die arianische Anschauung von der Trinität und des Verhältnisses Gott-Vater zu Gott-Sohn und legte in einer weiteren Abhandlung Einwände gegen die Dogmen der katholischen Orthodoxie vor. Vom letzten Vandalenkönig Gelimer wird berichtet, dass er Lieder zur Harfe vortrug. Von oströmischen Truppen auf dem Berg Papua belagert, habe der König angesichts seiner hoffnungslosen Lage dennoch zunächst nicht aufgegeben, sondern die Belagerer um Brot und um eine Leier gebeten; als man ihm dies gewährte, habe er einen Gesang auf sein augenblickliches Unglück verfasst und diesen unter Klagen und Tränen mit Musik vorgetragen146. Man wird diese sentimentale Szene nicht so ohne weiteres als eine Erfindung Prokops abtun 151

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können, zumal noch weitere Rührstücke ähnlicher Art von Gelimer berichtet werden. Leider trifft Prokop keine Aussage über die Sprache, in der dieses Klagelied verfasst war. Da er darüber schweigt, ist wohl davon auszugehen, dass der König sein Lied in lateinischer Sprache vortrug. Das Festhalten an der arianischen Glaubensüberzeugung bis zum Ende der Vandalenherrschaft kam dem Vandalischen als Muttersprache nicht zugute. Die im Gottesdienst benutzte Bibelübersetzung des Wulfila und die darauf aufbauende Liturgie dürften sprachlich vom Vandalischen bereits beträchtlich entfernt gewesen sein, so dass sich daraus kein Impuls für dessen Bewahrung und Gebrauch ergab. Es ist also auch kein Zufall der Überlieferung, dass wir neben dem Namenmaterial nur über zwei – und noch dazu sehr kurze – Sprachzeugnisse des Vandalischen verfügen, von denen das eine – ein Trinkspruch – möglicherweise dem Gotischen zuzuordnen ist. Die theologischen Auseinandersetzungen, die sich der schriftlichen Form bedienten, erfolgten seitens auch der Arianer in Lateinisch. Wie die theologischen Erben des heiligen Augustinus waren auch die arianischen Kleriker äußerst produktiv; ihr Schrifttum kennen wir im Regelfall allein aus den erhaltenen Gegenschriften ihrer katholischen Widersacher. Lediglich ihre Namen (z. B. Pinta, Abragila, Fastidiosus) sind uns bekannt, nur ein Bibelkommentar (zu Hiob) aus arianischer Feder hat sich erhalten. Die hohen Verwaltungsbeamten – ob vandalischer oder provinzialrömischer Herkunft – bedienten sich ausschließlich des Lateinischen. In Karthago besuchten Römer und Vandalen dieselbe Schule. Die Begeisterung der vandalischen Führungsschicht für die antike Kultur in römischem Gewand wird besonders in Karthago und der Umgebung dieser Metropole zum Tragen gekommen sein. Archäologische und literarische Zeugnisse belegen die große Vielfalt des kulturellen Angebots bis hin zu den weniger anspruchsvollen Zerstreuungen wie Theateraufführungen, Pferderennen, Tierhetzen und die in den Thermen leicht anzuknüpfenden zwischenmenschlichen Beziehungen. Den großen vandalischen Grundeigentümern auf dem flachen Land bot eine solche Lebensgestaltung geradezu zwanghafte Orientierung und bewirkte eine immer intensiver werdende Nachahmung, die dann wohl auch bis in die unteren Schichten der vandalischen Gesellschaft durchschlug. Das geschriebene Wort, d. h. Schriftlichkeit und Lesefähigkeit, erreichte auch in der Vandalenzeit Nordafrikas entfernte Regionen wie etwa das Wüstenvorland der südlichen Byzacena. Die beschrifteten, Rechtsgeschäfte notifizierenden Holztäfelchen, die sog. „Tablettes Albertini“, weisen 152

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auf ein erstaunliches Niveau schriftlicher Dokumentation hin; und aus dem in diesen Texten genannten Personal lässt sich erschließen, dass es auch auf dem Lande wie schon in der spätrömischen Gesellschaft Schulunterricht gab. Beschleunigt wurde dieser Akkulturations- und Aneignungsprozess, den mit Romanisierung zu bezeichnen üblich ist, durch das Fehlen eines Konnubiumverbots. Heiratsverbindungen waren also möglich, werden aber in der Regel nur von vandalischen Männern wahrgenommen worden sein. Erst nach dem Untergang des Vandalenreichs schlossen viele Vandalinnen – darunter sicher nicht wenige zwangsweise – eine Ehe vor allem mit römischen Soldaten, die aus dem Osten kamen. Ausweis der Blüte von Literatur und Kunst wie der Begeisterung und Beteiligung der vandalischen Führungsschicht an diesem Literaturbetrieb ist eine Sammlung von lateinischen Gedichten auch zeitgenössischer Autoren, die sog. Anthologia Latina. Sie wurde in Karthago zwischen 523 und 535 zusammengestellt und hat sich in einer Handschrift aus dem 7. oder frühen 8. Jahrhundert, dem Codex Salmasianus, erhalten. Sie mag auf Initiative eines Mitglieds der königlichen Sippe als Produkt eines exklusiven literarischen Zirkels entstanden sein, von dem wiederum fünf Personen namentlich bekannt sind, darunter der zweifellos bedeutende Luxurius. Auch außerhalb der Dichter, deren Werke in der Anthologia Latina enthalten sind, fassen wir ambitionierte Poeten wie den schon genannten Dracontius oder Vertreter der Prosaliteratur säkularen Inhalts, aus deren Werken ersichtlich ist, dass auch die Wissenschaft im Vandalenreich ihren Platz behauptete. Dass die Prosaliteratur der Vandalenzeit zu den großen theologischen Themen jedenfalls in quantitativer Hinsicht mit der vorangegangenen Periode, die von dem größten lateinischen Kirchenvater aller Zeiten, dem heiligen Augustinus, geprägt war, Schritt halten konnte – etwa in Person und Werk des Bischofs Fulgentius von Ruspe (467–533) –, kann hingegen nicht verwundern. Der Konkurrenzkampf zwischen Katholiken und Arianern trieb die theologisch-dogmatische Streitschriftenliteratur beider Seiten und die literarische Aufarbeitung der Katholikenverfolgung in Märtyrerakten (passiones), Biographien und Geschichtswerken auf ungeahnte Höhen. Hinzu kamen noch die auch schriftlich erfolgten Auseinandersetzungen mit devianten religiösen Gruppen und mit den Juden, von denen allerdings nur kümmerliche Reste in Form der erhaltenen Erwiderung ihrer Gegner auf uns gekommen sind. Die lateinische Sprache und deren Verfügbarkeit wie die daraus erschließbare Lesefähigkeit zahlenmäßig nicht ganz kleiner Gruppen weisen auf eine Gesellschaft hin, die sich mitten in 153

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einem dynamischen Transformationsprozess befand, als sie ihre Eigenstaatlichkeit einbüßte. Die „vandalische Renaissance“, um diesen Begriff noch einmal aufzugreifen, mag allerdings nicht allein „hausgemacht“ gewesen zu sein. Wird zwar schon über Geiserich berichtet, er habe der Bedeutung gelehrter Bildung durchaus Tribut gezollt, als er einen katholischen Bischof aus der Mauretania Caesariensis mit dem Hinweis auf dessen Ruhm als Gelehrter begnadigte147, die Blütezeit klassischer Bildung und Kultur in den verschiedensten Bereichen fiel – mit Ansätzen bereits unter König Gunthamund (484–496) – allerdings erst in die Regierungszeit König Thrasamunds (496–523). Es mag nämlich kein Zufall sein, dass die meisten literarischen und künstlerischen Hervorbringungen in die Zeit nach 500 gehören. Damals kamen mit der ostgotischen Braut König Thrasamunds wohl nicht nur eine starke militärische Begleitmannschaft für die künftige vandalische Königin Amalafrida nach Nordafrika, sondern auch die eine oder andere hochgestellte ostgotische Persönlichkeit und die Mitglieder ihres Hofstaats. Aus der im Codex Salmasianus erhaltenen Auftragsdichtung lässt sich nicht lediglich auf ein blühendes Mäzenatentum schließen, sondern auch erkennen, dass unter den Auftraggebern wohl Goten aus der unmittelbaren Umgebung der Königin oder sogar aus ihrer Verwandtschaft eine große Rolle spielten. So besang der vielleicht bedeutendste Dichter jener Epoche, Luxurius, in den vorgegebenen Formen klassischer lateinisch-römischer Bildung einen aufwändig ausgestalteten Landsitz eines Adligen namens Fridamal148. Die Parkanlage wies auch einen Turm auf, dessen Wände mit der Darstellung einer Eberjagd geschmückt waren. Der Name Fridamal verweist – als Umkehrung – auf den Enkel der Königin namens Amalafrid und legt damit gleichzeitig eine nahe Verwandtschaft mit diesem und mit der Königin nahe (Amala-frid/ Amala-frida; Frid-amal). In dieses höchste gesellschaftliche Umfeld gehören nachweislich noch weitere Personen einschließlich der Könige, denen Gedichte gewidmet wurden. Es liegt also nahe anzunehmen, dass die Dynamik des kulturellen Angleichungsprozesses mit der Ankunft der ostgotischen Gattin Thrasamunds und ihres Gefolges einen zusätzlichen Schub erhalten hatte.

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10.5 Manichäer, Pelagianer, Donatisten, Juden unter der Vandalenherrschaft Anders als die Angehörigen der verschiedenen, unter dem Begriff „Mauren“ zusammengefassten Stämme in den Rand- und Kontaktzonen des Vandalenreichs, die sich auch nach ihrem Vordringen und ihrer Festsetzung in bestimmten Regionen des vandalischen Staatsterritoriums nicht integrieren wollten oder keine Gelegenheit dazu bekamen, gab es auch im Vandalenreich wie in der Periode zuvor religiös deviante Gruppen, die auf eine mehr oder weniger lange Tradition der Zugehörigkeit zum römischen Staatswesen zurückblicken konnten und als solche von den Vandalen gewissermaßen übernommen werden mussten. So gab es im Vandalenreich noch Manichäer, deren große Zeit allerdings im Laufe des 4. Jahrhunderts im Westreich langsam zu Ende ging, anders allerdings im spätrömischen Nordafrika und vor allem in Karthago. Auch der heilige Augustinus war in seiner Jugendzeit Manichäer gewesen. Stifter dieser in Konkurrenz zu Judentum, Christentum und Buddhismus tretenden, fast tausend Jahre existierenden Weltreligion war der aus vornehmer persischer Familie stammende Mani (ca. 216 bis 276), der sich als der endgültige Offenbarer des ewigen göttlichen Gesetzes und als Siegel der Propheten begriff (wie später auch Mohammed). Kern der Lehre Manis, in der indische, babylonische, persische und christlich-häretische Vorstellungen zusammengeflossen waren, sind der Dualismus zwischen Gut und Böse, zwischen Gott und Materie, und die Vorstellung von einem Weltprozess, an dessen glückhaftem Ende die Wiederherstellung des Urzustands, nämlich die Machtlosigkeit des bösen Prinzips gegenüber dem guten, stehen würde. In diesem Prozess kommt dem Menschen eine wichtige Rolle zu, indem dieser nämlich in einem Erkenntnisakt die Weltordnung durchschaut und sich durch moralisches Handeln am Kampf zwischen dem guten und dem bösen Prinzip beteiligt. Erlöst wird in dieser kosmische Dimensionen annehmenden Auseinandersetzung letztendlich auch Gott selbst. Unter König Hunerich wurden die Manichäer verfolgt und ein grausames Strafgericht über sie veranstaltet; erfolgreiche Glaubenswerbung unter der arianischen Priesterschaft soll dafür die Ursache gewesen sein. Aber es waren wohl keine anderen Gründe als die, die auch zur Unterdrückung und Verfolgung der religiösen Gemeinschaften und Bewegungen der Pelagianer und der Donatisten führten. Der aus England oder Irland stammende Pelagius, von dem keine Lebensspur über das Jahr 418 155

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hinausführt, war aus der Kirche ausgeschlossen worden, weil er die Willensfreiheit des Menschen behauptete, die Erbsünde leugnete und die Kindertaufe ablehnte. Pelagius hatte sogar zeitweise in Nordafrika gelebt, worauf seine dortige Anhängerschaft zurückgehen dürfte. Zum Unterschied zu Manichäern, Pelagianern und Juden war die donatistische Glaubensbewegung eine rein regionale Erscheinung; zudem nahm sie zeitweise und zusätzlich den Charakter einer sozialen Bewegung an, weil sie wesentlich auch eine soziale Komponente enthielt und eine Massenbewegung vor allem der ländlichen Unterschichten Nordafrikas war. Ausgangspunkt für die Entstehung des Donatismus, aus dem eine Parallelkirche zur orthodox-katholischen mit entsprechender Organisation in Bistümern und Pfarreien hervorging, war die große letzte staatliche Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian (regierte 284–304), in deren Rahmen sich viele kirchliche Amtsträger der Verfolgung und grausamen Bestrafung in der Weise entzogen, dass sie die Heilige Schrift und die liturgischen Geräte den amtlichen Verfolgern auslieferten. Mit dem Ende der Verfolgungszeit wurden diese „Gefallenen“ und „Verräter“ (lapsi; traditores) von den überlebenden Glaubensgenossen scharf angegriffen und die Gültigkeit ihrer kirchlichen Weihen und der daraus resultierenden Handlungen nicht mehr anerkannt. In den nordafrikanischen Bistümern wurden Gegenbischöfe gewählt, der 313 als Gegenbischof für Karthago gewählte Donatus von Casae Nigrae gab dann der gesamten Bewegung den Namen. Die Bezeichnung Donatisten entsprach allerdings nicht ihrem Selbstverständnis, sondern war die auf Sektierer gemünzte Sprachregelung der Amtskirche. Die Donatisten wiederum sahen sich als die rechtgläubige und einzig wahre, zudem unter harscher Verfolgung leidende Kirche an. Sich immer wieder erneuernde staatliche Eingriffe und Schutzmaßnahmen zu Gunsten der katholischen Kleriker im engen Schulterschluss mit den Beschlüssen der regionalen Kirchenversammlungen sowie die intensive theologisch-literarische Auseinandersetzung etwa eines Augustinus oder anderer bedeutender nordafrikanischer Kirchenväter mit dem Donatismus bedeuteten jedoch nicht dessen Ende. Vielmehr bedrohten weit über die Vandalenzeit hinaus die Donatisten die Einheit der christlichen Orthodoxie. Die vandalischen Behörden und die arianische Kirche versuchten anscheinend zu keiner Zeit, die Donatisten zur Schwächung der katholischen Kirche zu instrumentalisieren, sondern verfolgten diese ebenfalls in Wort und Tat. So wird von einem zum Arianismus konvertierten Katholiken berichtet, er habe sowohl Katholiken als auch 156

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Donatisten bekämpft. Und umgekehrt wurde in einer donatistischen Publikation aus dem Jahre 438, dem Liber Genealogus, König Geiserich als Antichrist geschmäht. In zwei späteren Rezensionen dieses Werkes aus den Jahren 455 und 463 findet sich dieser Totalangriff auf die Vandalen und ihr Christentum allerdings nicht mehr. Ob sich die vandalische Staatsführung zu einem Modus vivendi mit der „Kirche der Märtyrer und der Märtyrerverehrung“ als einer nordafrikanischen Besonderheit hat durchringen können, wissen wir nicht. Jedenfalls gab es auch nach dem Untergang des Vandalenreichs ein Donatistenproblem, wie die gegen die Donatisten gerichtete harsche Gesetzgebung unter Kaiser Justinian I. offenbart. Weder für die Vandalenherrschaft noch für die von Konstantinopel aus erfolgte Restauration der Römerherrschaft in Nordafrika seit 533/34 waren die vor allem in ländlichen Gebieten stark verankerten donatistischen Bevölkerungselemente, deren Charakteristikum zudem eine vergleichsweise hohe Mobilität war, als staatstragende Gruppen zu gebrauchen; nach der ihnen ständig präsenten Vorstellung vom Reich Gottes nahm jegliche weltliche Herrschaft die Gestalt eines Fremdkörpers an. Obwohl unversöhnliche Gegner der katholischen Orthodoxie waren sie deshalb von den arianischen Vandalen nicht als Verbündete zu gewinnen. Die Juden waren nicht nur ein gesetzlich anerkannter Teil der spätrömischen Gesellschaft, sondern sie konnten in Nordafrika zudem schon auf hunderte von Jahren des Zusammenlebens mit der dortigen Mehrheitsbevölkerung zurückblicken. Besonders Karthago scheint bereits im 3. Jahrhundert eine Hochburg jüdischen religiösen Lebens gewesen zu sein, denn nicht weniger als sechs von dort stammende Rabbinen werden im Talmud bezeugt. Darüber hinaus sind sie im gesamten lateinischsprachigen Raum Nordafrikas nachweisbar. Sprachlich und kulturell – soweit dies ihre am mosaischen Gesetz orientierte Lebensweise zuließ – waren sie assimiliert und damit ausreichend in die Gesellschaft integriert. Wie die Katholiken und kleinere christliche und nichtchristliche religiöse Gemeinschaften kamen sie dann zwischen 429 und 439 unter vandalische Herrschaft. Die Repräsentanten des katholischen Klerus, allen voran der heilige Augustinus, sahen in den Juden wegen ihrer Verstocktheit die wichtigsten Zeugen für die Bestätigung der christlichen Wahrheit und verteidigten gerade deswegen ihre Existenz. Auf starke Ablehnung und Bekämpfung mit allen, auch gewaltsamen Mitteln stießen allerdings die judaisierenden Tendenzen unter den Christen Nordafrikas, wobei sich die Katholiken nicht scheuten, auch den Staat zu Hilfe zu holen. In der Vandalenzeit verdächtigte man allerdings von 157

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katholischer Seite den Arianismus und seine Vertreter der Komplizenschaft mit den Juden und ihrem Glauben. Bischöfe wie Quodvultdeus von Karthago bekämpften die Juden hasserfüllt und sahen im Rahmen ihrer millenaristischen Geschichtsperspektive in den Juden die Verehrer des Antichrist und in den Vandalen die unmittelbaren Vorboten von dessen Erscheinen. Solche Konstruktionen gingen wohl auf die subjektive Empfindung zurück, die von den Vandalen gegenüber den Juden an den Tag gelegte Toleranz sei Ausweis für ein Zusammenspiel von Arianern und Juden mit dem Ziel der Unterdrückung der Katholiken. Die rigorose Unterdrückungspolitik Justinians nach der Eroberung Nordafrikas durch Konstantinopel gegenüber Juden und judaisierenden christlichen Gruppen zeigt jedenfalls, auf welch fruchtbaren Boden dieses ideologisch-religiöse Konstrukt, das die gesellschaftlichen und religiösen Verhältnisse höchstens ansatzweise widerspiegelt, gefallen war. Jedenfalls begann mit der 37. Novelle Justinians von 535 für die Juden – wie auch für die Arianer und Donatisten – gewissermaßen eine neue Zeitrechnung, ordnete der Kaiser doch an, dass die Juden ihre Synagogen in rechtgläubige Kirchen umzuwandeln hätten und es ihnen nicht erlaubt sei, ihren Kult im Geheimen auszuüben. In den Bereich von Verantwortlichkeit konstruierender Legende gehört auch der gegen die Vandalen erhobene Vorwurf, ihr religiöser Fanatismus habe lange vor dem Einfall der islamischen Heere seit der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts dem nordafrikanischen Christentum den Todesstoß versetzt. Durch neue Forschungen wird es vielmehr immer deutlicher, dass das katholische Christentum durch die arianische Herausforderung so gestärkt war, dass es noch Jahrhunderte überdauern konnte und erst dem Fanatismus der radikalislamischen Bewegung der Almohaden zum Opfer fiel.

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11 „Die Usurpation, die ein Ende war“

Gelimers von einer breiten Opposition gegen Hilderich getragene Usurpation führte sogleich zu einer außenpolitischen Isolierung des Vandalenreichs und zu einer Gegnerschaft der Katholiken Nordafrikas auf Grund der durchaus berechtigten Erwartung des Endes der zuvor unter Hilderich eingeschlagenen katholikenfreundlichen Politik. Auch die Frontstellung gegen die verschiedenen maurischen Gruppen und die davon ausgehenden Gefahren konnten nicht entscheidend abgebaut werden, obwohl Gelimer Entschluss- und Tatkraft nicht abgesprochen werden kann und ihm angeblich auch ein Sieg gegen ein maurisches Heer gelungen sein soll; auch hatte er andere, wohl allerdings eher unbedeutende maurische Gruppen auf seine Seite ziehen können. Zudem wurden Gelimers Herrschaft Tripolitanien und die Insel Sardinien durch Aufstände entzogen, zu deren Bekämpfung der König wiederum einen wesentlichen Teil seiner Streitkräfte – allein 120 Schnellsegler mit 5 000 Kämpfern sollen unter dem Kommando des Königsbruders Tzazo nach Sardinien abgegangen sein – einsetzte, anscheinend in Unkenntnis dessen, dass Konstantinopel zu einer großen Afrikaexpedition rüstete. Kaiser Justinian I. hatte als Auftakt seines großen politischen Konzepts einer Wiederherstellung des Römerreichs in seiner Gänze (recuperatio imperii) das Vandalenreich als erstes ins Visier genommen und im Sommer 533 unter dem Kommando des bewährten Generals Belisar auf 500 Schiffen ein 15–16 000 Mann umfassendes Expeditionskorps ausgesandt. Dieses Heer konnte mit einer Zwischenstation in Sizilien ungehindert nach Nordafrika segeln und am 30. oder 31. August 533 beim Vorgebirge Caput Vada (an der Ostküste des heutigen Tunesien) an Land gehen. Auf dem Vormarsch nach Karthago gerierten sich die Oströmer als Befreier von der vandalischen Unterdrückung und der arianischen Häresie, ohne allerdings damit großen Eindruck zu machen und massenhaften Abfall von den Vandalen unter den Provinzialrömern – wie erhofft – zu erreichen. Gelimer scheint den Ernst der Lage durchaus erkannt zu haben, denn er schickte mit einem Schnellsegler den äußerst umfangreichen vandalischen Königshort, der nicht nur eine beachtliche finanzielle Rücklage bildete, sondern auch ein Symbol für Existenz und Fortbestand 159

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von Königtum und Reich war, nach Hippo Regius, mit der Anweisung, diesen bei einem unglücklichen Ausgangs des Krieges nach Spanien in Sicherheit zu bringen. Eine unmittelbare Folge der Landung des oströmischen Heeres unter Belisar war auch (der sogleich in die Tat umgesetzte) Befehl Gelimers, König Hilderich und dessen ebenfalls sich in Gefangenschaft befindliche, aus Römern bestehende Entourage umzubringen und die in Karthago anwesenden oströmischen Kaufleute in Haft zu nehmen149. Über die folgenden militärischen Auseinandersetzungen, die im September und Dezember 533 – bei Ad Decimum ca. 15 km südlichwestlich von Karthago und später bei Tricamarum (eine noch nicht identifizierte Ortslage wohl ca. 30 km westlich von Karthago) – jeweils mit Niederlagen der Vandalen endeten, liegt eine ausführliche Darstellung Prokops150 vor. Bei Ad Decimum waren die Vandalen keineswegs chancenlos gewesen, und Tricamarum wurde erst durch die übereilte Flucht Gelimers zu Gunsten der Oströmer entschieden; für den Erfolg Belisars war zudem wichtig, dass er sogleich nach der ersten siegreichen Schlacht Karthago in Besitz genommen und wieder befestigt hatte. Der Kaiser in Konstantinopel nahm bereits nach der Schlacht bei Ad Decimum die Siegernamen Alanicus, Vandalicus und Africanus an. Nach der Niederlage bei Tricamarum floh Gelimer mit wenigen Gefolgsleuten in ein schwer zugängliches Gebirgsmassiv namens Papua westlich von Hippo Regius (vielleicht mit dem Gebirgsstock des heutigen Edough in einer besonders gebirgigen Küstenzone des östlichen Algerien identisch, s. Karte 5, S. 87); mit diesem schwer zugänglichen Gebiet als Basis und mit Unterstützung der dortigen Mauren plante der König möglicherweise eine Art Guerillakrieg. Belisar ließ ihn und seinen Anhang aber sogleich verfolgen und durch eine Eliteformation seines Heeres völlig einschließen. Die Eingeschlossenen hielten sich bis Ende März/Anfang April 534, mussten sich dann aber in Erkenntnis der Hoffnungslosigkeit ihrer Lage ergeben. Als Gegenleistung erhielt Gelimer die Zusage seiner Erhebung in den Patriziat, also in die höchste oströmische Rangklasse, und der Zuweisung von Landbesitz und reichen Einkünften. Zunächst nach Karthago verbracht, wurde er mit seiner Familie nach Konstantinopel weitergereicht und dort bei der sogar zweimal (!) veranstalteten Triumphfeier mitgeführt und zur Schau gestellt. Der Öffentlichkeit gezeigt wurde damals auch der vandalische Königsschatz, der Belisar bereits in Hippo Regius in die Hände gefallen war. Ausgestattet mit Domänenbesitz in Galatien führte Gelimer, vereint mit seiner Familie, das sorglose Leben eines kaiserlichen Pensionärs. 160

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Sein arianisches Bekenntnis wollte er allerdings nicht aufgeben, weswegen ihm die Patriziuswürde versagt blieb. So wie uns Prokop den von Belisar angeführten Triumphzug in Konstantinopel schildert, dürfte es auch tatsächlich zugegangen sein; und auch die Wiedergabe des dabei von Gelimer an den Tag gelegten Verhaltens mag auf Autopsie und persönliches Erleben zurückgehen: „Als Gefangene gingen im Triumphzug Gelimer selbst – mit einem Purpurmantel um die Schultern –, seine ganze Sippe sowie die stattlichsten und schönsten Vandalen. Als nun Gelimer in der Rennbahn stand und den Kaiser auf hohem Thron sitzen und die Volksmassen auf beiden Seiten sich drängen sah, da ließ ihn dieser Anblick die ganze Größe seines Unglücks erkennen; er brach darüber aber nicht in Tränen aus und ließ auch keinen Seufzer hören, sondern wiederholte immer nur nach der Schrift der Hebräer die Worte: ,O Eitelkeit der Eitelkeiten, alles ist Eitelkeit!‘ Dann nahm man ihm, sobald er vor dem kaiserlichen Thron stand, den Purpurmantel ab und nötigte ihn, sich aufs Antlitz niederzuwerfen und Kaiser Justinian zu huldigen“ 151. Überhaupt scheinen eine gewisse Theatralik im Verhalten und das sich Hingeben und Ausleben in Emotionen für den letzten Vandalenkönig typisch gewesen sein. Leider erfahren wir auch an dieser Stelle nicht, welche Sprache Gelimer beim Zitieren der Bibelstelle152 benutzte. Die vandalischen Außenposten – die Inseln im Mittelmeer und den einen oder anderen Stützpunkt im äußersten nordafrikanischen Westen außerhalb des eigentlichen vandalischen Staatsterritoriums – konnten ohne große Mühe durch Detachements des oströmischen Expeditionsheers für den Kaiser in Konstantinopel gewonnen werden. Und im Sommer 534 wurde eine große Zahl vandalischer Kriegsgefangener mit der Flotte nach Konstantinopel verbracht; nach Eingliederung in das oströmische Heer kamen diese in den Perserkriegen Justinians zum Einsatz. Das Vandalenreich war also nicht kampflos untergegangen, König und Heer hatten ein Dreivierteljahr den Oströmern tapfer widerstanden, und die in Konstantinopel gehegten Hoffnungen auf einen Volksaufstand der Provinzialrömer gegen die Vandalenherrschaft hatten sich nicht erfüllt. Auch die erhoffte propagandistische Wirkung des Hinweises seitens der oströmischen Führung auf die widerrechtliche Nachfolge Gelimers hatte unter den Vandalen keine Früchte getragen. Der Unterschied gegenüber früheren Versuchen aus Ost- und Westrom, die Vandalen zu unterwerfen und ihr Reich zu vernichten, lag in der Persönlichkeit des oströmischen Befehlshabers Belisar, der ein genialer Stratege war und der es fertig brachte, auch ein verhältnismäßig kleines Expeditionskorps zum Sieg zu führen. 161

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Mit der Gefangennahme des Königs und seiner Familie, der Zerschlagung und Auflösung der vandalischen Armee und der sofortigen Installierung neuer Verwaltungsstrukturen in Nordafrika nach den Vorgaben aus Konstantinopel war das Reich der Vandalen untergegangen. Zwar gab es noch von Vandalen und einigen maurischen Gruppen gemeinsam getragener Widerstand gegen die restituierte Römerherrschaft und mit Guntharith im Jahre 546 sogar einen vandalischen Prätendenten, der aller Wahrscheinlichkeit der hasdingischen Königssippe entstammte, „das Rad der Geschichte“ ließ sich jedoch nicht mehr zurückdrehen. Es genügt allerdings nicht lediglich zu konstatieren, dass sich die objektiven Bedingungen in Nordafrika dafür zu grundlegend geändert hätten. Damit wäre z. B. der subjektive Faktor außer Acht gelassen, wie er uns in den militärischen Fehlentscheidungen Gelimers so offensichtlich entgegentritt.

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12 Die Vandalenherrschaft in Nordafrika – ein gescheitertes Experiment

Das Reich der Vandalen ging in den Schlachten von Ad Decimum und Tricamarum unter; die Eroberung von Karthago und die Gewinnung des Königshorts waren nicht mehr rückgängig zu machen, wie auch die episodenhaften Aufstandsversuche unter Beweis stellen. Man kann dieses Untergangsszenario und seine Folgen auch mit dem Hinweis nicht relativieren, dass das Vandalenreich noch weiter bestanden hätte, wenn es von Konstantinopel unter Justinian I. nicht angegriffen worden wäre. Auch andere Entwicklungen sind hier denkbar, die den Untergang hätten herbeiführen können; dabei ist vor allem an das Erstarken und die zunehmende Organisiertheit der verschiedenen maurischen Gruppen zu denken, die später dann sogar der Herrschaft der Weltmacht Ostrom in Nordafrika gewaltig zusetzten. Die traditionell einschlägige französische Forschung zur Geschichte der Vandalen in Nordafrika und zu den Mustern und Konzepten wie den Erfolgschancen ihrer Politik hat neue Erkenntnisse zum Aufbau einer Identität vorgelegt, die über den Tag hinausgegangen wäre und die Existenz des Vandalenreiches eventuell hätte sichern können. Zwischen den – jeweils extremen – Wegen und Modellen der Romanisierung und Vandalisierung hätte die Staatsführung einen Mittelweg einzuschlagen und durchzusetzen versucht: 1. Wenigstens in den Kerngebieten der vandalischen Landnahme und Ansiedlung, d. h. in der ehemaligen Proconsularis, sollten sich alle Bewohner zum Arianismus bekennen, wenn schon dieses Bekenntnis sich nicht im gesamten Staatsgebiet durchsetzen ließ. 2. Die neu entstehende Gesellschaft, möglichst auch religiös geeint, sollte sich gegenüber den Mauren völlig abschließen. Die Provinzialrömer hätten die Maurenpolitik voll mitgetragen, sich der religiösen Vereinheitlichung dagegen weitgehend entzogen. Diese Identitätskonstruktion scheiterte nachgewiesenermaßen, und ob es überhaupt eine Chance ihrer Durchsetzung gegeben hätte, ist zu bezweifeln. Hätte sich dieses „africanisation“ (Verschmelzung von Provinzialrömern und Vandalen unter Absehung und Ausschluss der indigenen maurisch-berberischen Bevölkerung in den Rand- und Kontaktzonen wie auf dem Territorium des vandalischen Staats163

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gebiets) genannte Konzept durchgesetzt, hätte das nicht unbedingt bedeutet, dass man gegen die Mauren hätte langfristig bestehen können. Das Vandalenreich, im Konzert der völkerwanderungszeitlichen Staaten auf römischem Reichsboden vielleicht das ideologischste Staatswesen, wenn man an den darin herrschenden religiösen Missionseifer denkt, hätte auf die Dauer das Maurenproblem nicht ausklammern können und vielleicht nicht einmal ausklammern wollen, befanden sich doch längst zahlenmäßig ins Gewicht fallende Gruppen auf seinem Territorium. Die Konversionsfrage hätte sich also – mit zeitlicher Verzögerung – erneut gestellt. Bei diesen immensen inneren Widersprüchen und einer ungesicherten außenpolitischen Situation nimmt es eher Wunder, dass das Vandalenreich so lange Bestand hatte.

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13 Was blieb von den Vandalen? Zur Aktualität des Vandalenthemas

Wenn man sich auf die Spurensuche nach untergegangenen Völkern, Staatswesen und Kulturen begibt, wird man in den meisten Fällen fündig. Es handelt sich dabei auch nicht immer um Kleinigkeiten, etwa um winzige und deshalb umso mehr kontroverser Deutung ausgesetzte Spuren, sondern nicht selten um beachtliche und aussagekräftige Zeugnisse aus einer fernen Vergangenheit. So wissen wir mittlerweile durch spektakuläre Schiffsfunde recht gut über den Schiffsverkehr und den Warenaustausch zwischen den Anrainern des östlichen Mittelmeeres in der Bronzezeit Bescheid. Außergewöhnlich ist allerdings, wenn wir aus einer fernen Vergangenheit stammende „Sachen“ benutzen, ohne über sie etwa nachdenken zu müssen, weil sie völlig alltäglich geworden sind. Mit diesen „Sachen“ sind Begriffe gemeint, die sich mittlerweile längst verselbstständigt und jeden Bezug zu ihrem Ausgangspunkt verloren haben und völlig losgelöst von ihrem Ursprung angewendet werden. Für diesen unbewussten Umgang mit Geschichte und Vergangenheit stehen die zum Appellativum gewordene Bezeichnung „Vandale“ und der so unendlich strapazierte Begriff „Vandalismus“. Wenn man es so nimmt, sind die Vandalen ständig unter uns, sind sowohl eine Begleiterscheinung von sportlichen und anderen Großveranstaltungen als auch anonym im Schutz der Dunkelheit ihr zerstörerisches Werk betreibende Außenseiter. Dazu sind sie allerdings erst im Laufe des 18. Jahrhunderts geworden, besonders durch das Erleben der „Terreur“ genannten Phase der Französischen Revolution. Die Verfechter eines bürgerlichen Idealbilds von Revolution wie in Sonderheit der Abbé und spätere Bischof von Blois Henry Grégoire schufen das Schlagwort Vandalismus und ersetzten damit den ihnen weniger spezifisch erscheinenden Begriff der Barbarei, so in einer Sitzung des Konvents am 10. Januar 1794. In den davor liegenden mehr als tausend Jahren war der Ruf der Vandalen hingegen nicht schlechter als der anderer „Barbaren“ gewesen, und auch ihr Name stand wie viele andere und ohne wirkliche Vorbehalte zur Verfügung, als es darum ging, dem Auftauchen neuer Völker durch deren Einordnung in die antike und biblische Geschichte den Schrecken zu nehmen. 165

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Als dann slawische Gruppen seit dem 6. Jahrhundert in den Gesichtskreis germanisch sprechender Völker traten und zu deren dauerhaften Nachbarn wurden, bezeichnete man sie als Wenden (Winden) in Anlehnung an den Namen der Veneter, mit denen man einmal in frühgeschichtlicher Zeit in enger Nachbarschaft gelebt hatte. Diese (Neu-)Veneter wiederum wurden in pseudologischer Gleichsetzung in Vandalen (Vandali, Wandali) verwandelt, womit der Anschluss an die antiken Verhältnisse hergestellt war. Auf der Grundlage dieses Konstrukts konnten sich im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit die Handelsstädte an der Ostsee, die mecklenburgischen und pommerschen Herzöge, die Könige von Dänemark, Polen und Schweden des Vandalennamens bedienen und ihre Herrschaft und Herrschaftsansprüche im Ostseeraum, der Urheimat der Vandalen, legitimieren. Die lateinische Titulatur rex Vandalorum entsprach in der jeweiligen Volkssprache einem „König der Wenden“. Erst 1973 legte der schwedische König den Titel „König der Vandalen“ ab und musste sich für die dritte Krone im „Drei-KronenWappen“ Schwedens eine andere Erklärung suchen. Allerdings hatte dieser Aspekt des Vandalennamens bereits im 17. Jahrhundert und noch vor dem Aufkommen des Nationalgedankens und des Nationsbewusstseins als Legitimationsfaktor ausgedient. In der Regel erweist sich vielmehr der Rekurs auf den Vandalennamen in Mittelalter und früher Neuzeit nicht als Ausdruck realpolitischer Ambitionen, sondern entstand im Rahmen gelehrter Diskurse, lässt sich z. B. mit der Blüte des Gotizismus seit dem 16. Jahrhundert in Verbindung bringen. Dieser – zeitweiligen – Präsenz des Vandalennamens lässt sich der Name der südspanischen Region Andalusien allerdings nicht an die Seite stellen. So wie man sich den Gotennamen als in Katalonien erhalten dachte (Katalonien – Gotolanien), führte man auch den Namen Andalusien auf ein ursprüngliches Vandalusien zurück. In Andalusien hat sich jedoch die arabische Benennung Al-Andalus erhalten, die wiederum auf ein gotisches Wort für Landlos zurückgeht. Einmal abgesehen von der sprachgesetzlichen Unmöglichkeit einer Ableitung von Andalusien vom Vandalennamen ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass sich die Vandalen viel zu kurz in Spanien aufhielten, um im Namengut Bleibendes – und noch dazu den Namen einer Großregion – zu hinterlassen. Erstaunlicherweise scheint der Vandalenname in einer Art Huckepackverfahren heute wieder „fröhliche Urständ“ zu feiern; und wieder sind die Veneter der Ausgangspunkt. Sie werden in einer politisch motivierten und als solcher recht durchsichtigen Mythen166

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erzählung zum Urvolk Europas hochstilisiert und die Slo-venen als ihre legitimen und einzigen Erben herausgestellt. Zum einen erweisen sich solche Konstruktionen sprachwissenschaftlich als völlig unhaltbar, und zum anderen wird nicht beachtet, dass Namen wandern können, ohne dass das damit ursprünglich bezeichnete Volk auf die Wanderschaft gegangen wäre. Die Wirkung dieser und anderer mit den Vandalen in Verbindung gebrachter Mythen – die nach Skandinavien remigrierten Vandalen als Lehrmeister der Wikinger in Nautik und Geographie oder über die Eselsbrücke Veneter/Wenden/Vandalen als Gründer Venedigs – wird bestenfalls bescheiden bleiben, während die Karriere von „Vandale“ und „Vandalismus“ noch lange nicht zu Ende ist. Dass solche Mythen und Karrieren überhaupt entstehen können, hängt auch damit zusammen, dass kollektive Erinnerung wie Gedächtnis der Völker nur mehrfach gebrochen auf uns gekommen sind, so dass der Ermittlung des historisch Richtigen – man sollte nicht von historischer Wahrheit sprechen – erhebliche Grenzen gesetzt sind.

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Anmerkungen

1 Plinius (Plin.), naturalis historia (n. h.) 4, 99; Tacitus (Tac.), Germania (Germ.) 2, 2. 2 Theophanes (Confessor), Chronographie 5941. 3 Prokopios (Prokop.), Vandalenkriege (bella Vandalica = b. V.) I 3, 24. 4 Salvianus (Salvian.), de gubernatione dei (de gub. dei) VII 7, 26-28. 5 Salvian. de gub. dei VI 12, 69. 6 Orosius (Oros.), historia adversum paganos (hist. adv. pag.) VII 41, 7. 7 Salvian. de gub. dei VII 11, 46. 8 Dexippos (Dexipp.), Fragment (frg.) 30 bei Jordanes (Jord.), Getica (Get.) 113. 9 Wie oben Anm. 1. 10 Plin. n. h. 4, 98. 11 Tac. Germ. 2, 2: verum et antiquum nomen. 12 Tac. Germ. 38 ff. 13 Tac. Germ. 43, 3-5. 14 Origo gentis Langobardorum 1 (MGH SS rerum Langobardorum ed. Waitz 2 f.), vgl. auch Paulus Diaconus, Historia Langobardorum (ebd. 52 f.) I 7–10. 15 Cassius (Cass.) Dio 55, 1, 3. 16 Tac., Annalen (ann.) 12, 29, 3–30, 2. 17 Cass. Dio 67, 5, 2. 18 Cass. Dio 71, 12, 1. 19 Cass. Dio 71, 12, 1–3. 20 CIL III 5397: expeditio Burica; vgl. auch Cass. Dio 72, 3, 1 f. 21 Cass. Dio 72, 2, 4. 22 Scriptores Historiae Augustae (SHA), vit. Marc. 22, 1. 23 SHA, vit. Marc. 17, 3. 24 Cass. Dio 77, 20, 3. 25 Jord. Get. 90–92. Mit Galerius Maximinus ist Kaiser Galerius Maximianus gemeint (regierte 293–311). 26 SHA, vit. Gord. tres 31, 1. 27 Dexipp. frg. 7, 2. 28 Dexipp. frg. 7, 4. 29 Notitia Dignitatum (Not. dign.) orientis (or.) 28, 25. 30 Zos. (Zosimos) I 67, 3 und I 68, 1–3. 31 SHA, vit. Prob. 18, 2 f. 32 Panegyricus (Paneg.) 11, 17, 1 (ed. Mynors). 33 Jord. Get. 99 f. 34 Tac. Germ. 43, 3 f.

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35 M. H. Graf (s. Literaturverz.) bringt die bei Paulus Diaconus, hist. Langob. I 10 f., bezeugten Assipitti, die sich den Langobarden bei ihrem Aufbruch nach einer Mauringa genannten Region in den Weg stellten, mit den Vandalen bzw. ihren Anführern Ambri und Assi in Verbindung und versucht, Assipitti als exogen pejorative Umschreibung in der Bedeutung „Asen-/Götter-Aufforderer bzw. -Anbeter“ zu erklären. Damit wäre der Zusammenhang der Namenpaare Ambri/Assi und Raos/Raptos unnötigerweise aufgelöst und die damit gegebene Chance der Erklärung des Namens Ambri bliebe ungenutzt. 36 Grundlegend zu allen Problemen der Sakralität von Herrschaft jetzt der Artikel „Sakralkönigtum“ im Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 26, 2004,179–320 und Erkens, Herrschersakralität (s. Literaturverz.). 37 Dexipp. frg. 6. 38 Prokop. b. V. I 22, 3–10. 39 Dexipp. frg. 7, 3. 40 Prokop. b. V. I 2, 1. 41 Prokop. b. V. I 2, 3–5 42 Jord. Get. 114 f. u. 161. 43 Ammianus Marcellinus (Amm. Marcell.) 17, 12, 19. 44 Jord. Get. 141. 45 Prokop. b. V. I 3, 1. 46 Claudianus (Claudian.), de bello Pollentino (bell. Poll.) 306–403 u. 414 f. 47 Claudian. bell. Poll. 581. 48 Chron. Gall. a. 452 c. 52. 49 Hieronymus (Hieron.), epistulae (ep.) 123, 15 (aus dem Jahre 409). 50 L. Schmidt, S. 16 f. 51 Zos. VI 3, 1. 52 Fredegar II 60. 53 Gregor von Tours (Greg. Tur.), historiae Francorum (hist. Franc.) II 2. 54 Greg. Tur. hist. Franc. II 9. 55 Hieron. ep. 123, 15. 56 Orientius, Commonitorium II 184. 57 Hydatius (Hydat.) 42. 58 Greg. Tur., Lib. in gloria mart. c.12 (MGH SS rer. Merov. I 2, S. 46); vgl. Scheibelreiter, s. Literaturverz., S. 247 f. 59 Oros. hist. adv. pag. VII 40, 9. 60 Zos. VI 3. 61 Oros. hist. adv. pag. VII 40, 3. 62 Greg. Tur. hist. Franc. II 9. 63 Isidor (Isid.), historia Wandalorum (hist. Wandal.) 73. 64 Hydat. 89. 65 Prokop b. V. I 3, 2 f.; Hydat. 49; Oros. hist. adv. pag. VII 43, 14. 66 Prokop. b. V. I 3, 3. 67 Oros. hist. adv. pag. VII 40, 9. 68 Hydat. 68.

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Hydat. 49. Vgl. Oros. hist. adv. pag. VII 41, 4–7. Oros. hist. adv. pag. VII 43, 14. Oros. hist. adv. pag. III 20, 6. Renatus Profuturus Frigeridus bei Greg. Tur. hist. Franc. II 9; Prokop. b. V. I 3, 2; 3, 23–25; 3, 32–34. Isid. hist. Wandal. 73; Hydat. 79. Hydat. 71 u. 74. Chronica Gallica (Chron. Gall.) anno (a.) 452 c. 85. Hydat. 77. Prosper Tiro, epitoma chronicon (chron.) 1278. Vgl. etwa Salvian. de gub. dei VII c. 9 u. 12 (s. auch o. Anm. 7). Zonaras, epitome 14, 7, 44. So könnte man Oros. hist. adv. pag. VII 41, 8 interpretieren. Hydat. 89. Vgl. etwa Salvian. de gub. dei VII 23, 105 ff. Victor von Vita (Vict. Vit.), historia persecutionis Africanae provinciae (hist. persec.) I 2. Prokop. b. V. I 5, 19. Hydat. 90. Greg. Tur. hist. Franc. II 2. Chron. Gall. a(nno). 511 c. 584: Wandali…arreptis navibus Mauretaniam petunt („Die Vandalen schifften sich nach Mauretanien ein, nachdem sie dafür Schiffe beschlagnahmt hatten“). Die gallische Chronik von 511 bezieht diese Mitteilung allerdings auf eine frühere Schiffsexpedition Geiserichs. Im Jahre 429 dürfte die Vorgehensweise der Vandalen jedenfalls ähnlich gewesen sein. Prokop. b. V. I 3, 25 f. Courtois, Les Vandales (s. Literaturverz.), Appendices II Nr. 1. Vict. Vit. hist.persec. I 9. Prokop. b. V. I 3, 31. Prokop. b. V. 3, 34. Prokop. b. V. I 3, 35. Prokop. b. V. I 4, 1–11. Prosper Tiro, chron. 1321. Isid. hist. Wandal. 74. Prokop. b. V. I 4, 13. Prosper Tiro, chron. 1330 u. 1332. Hydat. 115. Vict. Vit. I 9; Hydat. 118; Prosper Tiro, chron. 1339. Chronicon Paschale (Osterchronik) ad annum 439; Novellae Valentiniani (Nov. Val.) 5. Prosper Tiro, chron. 1347. Nov. Val. 12 u. 34. Prokop. b. V. I 8, 25. Nov. Val. 36, 1. Prokop. b. V. I 5, 5.

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Vict. Vit. I 13. Vict. Vit. I 29. Vgl. z. B. Vict. Vit. I 47 f. Vict. Vit. I 43. Sidonius Apollinaris (Apoll. Sidon.), carmen (carm.) 5, 335 ff. Vict. Vit. I 13. Prokop. b. V. I 5, 21-23. Prokop. b. V. I 5, 24 f. Hydat. 131. Apoll. Sidon. carm. 2, 367 ff.; Hydat. 176 f. Apoll. Sidon. carm. 5, 553 ff. Prokop. b. V. I 7, 6-11. Prokop. b. V. I 7, 14. Prokop. b. V. I 7, 12. Vict. Vit. I 51; Prokop. b. V. I 5, 23. Hydat. 236. Prokop. b. V. I 6, 9 u. 11. Prokop. b. V. I 22, 17 f. Prokop. b. V. I 7, 26 f. Vict. Vit. II 4. Prokop. b. V. I 8, 5. Vict. Vit. III 19 f. Vict. Vit. II 26 ff.; der nordafrikanische Bischof Victor von Tunnuna (Vict. Tunnun.), Chronica (Chron.) ad annum 479, 1 gibt die Anzahl der damals Deportierten mit „ungefähr 4 000“ an. CIL VIII 16396. Vict. Vit. III 2 u. 14. Prokop. b. V. I 8, 7. Prokop. b. V. I 8, 8. Ferrandus, vita Fulgentii 28 u. 39. Prokop. b. V. I 8, 14 ff. Anthologia Latina 215, 1 (ed. Riese). Prokop. b. V. I 9, 4 f. Prokop. b. V. I 9, 3; Corippus, Iohannis 262. Prokop. b. V. I 8, 25–28. Vict. Vit. III 3–14. Vict. Vit. III 12. Prokop. b. V. II 6, 5–9. Ferrandus, vit. Fulgent. 7. Vict. Vit. II 13. Prokop. b. V. II 6, 33 f. Dracontius, satisfactio 302. Anth. Lat. 304. Prokop.b. V. I 17, 11 f. u. 20, 5. Prokop. b. V. I 18 ff. Prokop. b. V. II 9, 10–12. Vgl. Kohelet=Ekklesiastes 1, 2 u. 12, 8.

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Quellen- und Literaturverzeichnis Quellen CIL = Corpus Inscriptionum Latinarum, Berlin 1862 ff., bes. Bd. VIII, Inscriptiones Africae Latinae, Berlin 1881 ff. MGH AA = Monumenta Germaniae Historica, Auctores Antiquissimi MGH SS = Monumenta Germaniae Historica, Scriptores O. Fiebiger, L. Schmidt, Inschriftensammlung zur Geschichte der Ostgermanen, Wien 1918 ; Supplemente: Wien 1939 u. 1944 Notitia dignitatum omnium tam civilium quam militarium, ed. O. Seeck, Berlin 1876 [spätantikes Staatshandbuch mit dem Schwerpunkt auf dem Militärwesen] Ch. Courtois, L. Leschi, Ch. Perrat, Ch. Saumagne, Tablettes Albertini. Actes privées de l’époque vandale (fin du Ve siècle), Paris 1952 J.-P. Bonnal/P. A. Février, Ostraka de la région de Bir Trouch, Bulletin d’archéologie algérienne 2, 1966/67, 239–249 Anthologia Latina, ed. F. Bücheler, A. Riese, E. Lommatzsch, I, Leipzig 1894 (vgl. auch Anthologia Latina, ed. D. R. Shackleton Bailey, I 1, Stuttgart 1982) Corippus, Johannis oder de bellis Libycis, ed. J. Partsch, Berlin 1879 (große Teile des Textes mit deutscher Übersetzung in: Prokop, Vandalenkriege, s. u.) Dracontius (Blossi Aemilii Dracontii satisfactio ad Gunthamundum), ed. F. Vollmer (MGH, AA 14), Berlin 1905 Gregor von Tours, Zehn Bücher Geschichten, neu bearbeitet v. R. Buchner, 8. u. 9. Aufl. Darmstadt 2000 Ders., Liber in gloria martyrum, ed. B. Krusch, MGH SS rerum Merovingicarum I 2, Berlin1885 The Chronicle of Hydatius and the Consularia Constantinopolitana, ed. with English Translation by R. W. Burgess, Oxford 1993 Isidor von Sevilla: Isidors Geschichte der Gothen, Vandalen, Sueven nebst Auszügen aus der Kirchengeschichte des Beda Venerabilis, übers. v. D. Coste, 3. Aufl. Leipzig 1909 Jordanes: Jordanes Gothengeschichte nebst Auszügen aus seiner römischen Geschichte, übers. v. W. Martens, Leipzig 1884

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Luxurius, Texte und Untersuchungen I-II, von H. Happ, Stuttgart 1986 Orosius, Die antike Weltgeschichte in christlicher Sicht, übers. u. erl. v. A. Lippold, 2 Bde., Zürich-München1985/86 Prokop, Werke IV, Vandalenkriege, hrsg. u. übers. v. O. Veh, München 1971 St. Muhlberger, The Fifth Century Chroniclers. Prosper, Hydatius, and the Gallic Chronicler of 452, Leeds 1990 Salvian, Von der Weltregierung Gottes, in: Des Presbyters Salvianus von Massilia erhaltene Schriften, übers. u. eingel. v. A. Mayer, München 1935 The Chronicle of Theophanes Confessor, Translation and Commentary by C. Mango-R. Scott, Oxford 1997 Victor von Tunnuna, Chronica (a cura di A. Placanica), Florenz 1997 Victor von Vita, History of the Vandal Persecution, engl. Übers. mit Einführung u. Kommentar v. J. Moorhead, Liverpool 1992

Überblicksdarstellungen, Geschichte einzelner Großverbände (gentes) O. Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur, Bd. IV, Freiburg i.Br. 19242; Bd. V, Freiburg i.Br. 1932 A. Demandt, Geschichte der Spätantike. Das Römische Reich von Diocletian bis Justinian 284–565 n. Chr., München 1998 St. Dick, Zu den Grundlagen des so genannten germanischen Königtums, in: D. Hägermann, W. Haubrichs, J. Jarnut (Hrsg.), Akkulturation. Probleme einer germanisch-romanischen Kultursynthese in Spätantike und frühem Mittelalter, Berlin – New York 2004, S. 510–527 F.- R. Erkens, Herrschersakralität im Mittelalter. Von den Anfängen bis zum Investiturstreit, Stuttgart 2006 D. Geuenich, Geschichte der Alemannen, Stuttgart 20052 D. Hoffmann, Das spätrömische Bewegungsheer und die Notitia dignitatum, 2 Bde., Düsseldorf 1969 u.1970 A. H. M. Jones, The Later Roman Empire 284–602. A Social Economic and Administrative Survey, 3 Bde., Oxford 1964 R. Kaiser, Die Burgunder, Stuttgart 2004 (Urban-Taschenbücher 586)

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C. Lepelley, Les cités de l`Afrique romaine au Bas-Empire, 2 Bde., Paris 1971 u. 1981 F. Lotter (unter Mitarbeit v. R. Bratož u. H. Castritius), Völkerverschiebungen im Ostalpen-Mitteldonau-Raum zwischen Antike und Mittelalter (375–600), Berlin-New York 2003 B. Maier, Die Religion der Germanen. Götter – Mythen- Weltbild, München 2003 W. Pohl, Die Völkerwanderung. Eroberung und Integration, Stuttgart 20052 [gestraffte, aber hervorragende Behandlung des Themas mit dem Wenskus’schen Ansatz als Ausgangspunkt] V. Postel, Die Ursprünge Europas. Migration und Integration im frühen Mittelalter, Stuttgart 2004 [durchaus brauchbarer Überblick zur Entstehung und Geschichte der germanischen Reichsgründungen auf römischem Boden, aber nicht fehlerfrei] G. Scheibelreiter, Die barbarische Gesellschaft. Mentalitätsgeschichte der europäischen Achsenzeit 5.–8. Jahrhundert, Darmstadt 1999 [grundlegend zum Problem der Mentalitäten und Wahrnehmungen im Frühmittelalter] R. Scharf, Der Dux Mogontiacensis und die Notitia Dignitatum, Berlin 2005 [mit wichtigen neuen Erkenntnissen zur Situation der römischen Grenzverteidigung an Ober- und Mittelrhein in den Jahrzehnten zwischen 390 und 430] R. Wenskus, Stammesbildung und Verfassung. Das Werden der frühmittelalterlichen gentes, Köln-Wien 19772 [der Klassiker bis auf den heutigen Tag schlechthin zur Ethnogenese in der Übergangszeit von der Antike zum Mittelalter] L. Várady, Das letzte Jahrhundert Pannoniens 376–476, Amsterdam 1969 [in manchen Teilen verfehlt, aber mit einer Reihe von interessanten und wichtigen Beobachtungen] H. Wolfram, Das Reich und die Germanen. Zwischen Antike und Mittelalter, Berlin 19942 [Ergänzung und Weiterentwicklung des Wenskus’schen Ansatzes] Ders., Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts, München 20014

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Zur Geschichte der Vandalen Artikel „Vandalen“, in: Paulys Realencyclopädie der Classischen Altertumswissenschaft (RE) VIII A 1, 1955, 298–335 (F. Miltner) und Suppl.-Bd. X, 1965, 957–992 (H.-J. Diesner) Artikel „Wandalen“, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA) Bd. 33, 2006, 168–217 (§ 1: Historisch, von H. Castritius, 168–209; § 2: Archäologisch, von V. Bierbrauer, 209–217) F. M. Clover, The Late Roman West and the Vandals, Aldershot 1993 [Aufsatzsammlung mit wichtigen Beiträgen zum vandalischen Nordafrika] Ch. Courtois, Les Vandales et l’Afrique, Paris 1955 (ND 1964) [in jeder Beziehung heute noch grundlegend] H.-J. Diesner, Das Vandalenreich. Aufstieg und Untergang, Stuttgart 1966 M. H. Graf, Die Ethnonyme Winnili und Assipitti in der lateinischen Überlieferung der langobardischen Frühgeschichte, in: Ders.Chr. Moser (Hrsg.), Strenarum lanx. Beitr. zur Philologie und Geschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Festgabe P. Stotz, Zug 2003, 47–75 N. Francovich Onesti, I Vandali. Lingua e storia, Roma 2002 [hervorragende und umfassende Bearbeitung des überkommenen Namen- und Sprachmaterials] A. H. Merrills (Ed.), Vandals, Romans and Berbers. New Perspectives on Late Antique North Africa, Aldershot 2004 [darin, u. a., wichtige Aufsätze von W. Pohl, G. Hays, A. H. Merrills und R. Steinacher] Y. Moderan, Les Maures et l’Afrique romaine. 4e–7e siècle, Rom 2002 [führt das Konzept der ,africanisation‘ in die Diskussion ein] Ders., Une guerre de religion: les deux Églises d`Afrique à l’époque vandale, Antiquité Tardive 11, 2003, 21–44 M. Overbeck, Untersuchungen zum afrikanischen Senatsadel in der Spätantike, Kallmünz/Opf. 1973 Ph. von Rummel, Zum Stand der afrikanischen Vandalenforschung nach den Kolloquien in Tunis und Paris, Antiquité Tardive 11, 2003, 13–20 R. Scharf, Der spanische Kaiser Maximus und die Ansiedlung der Westgoten in Aquitanien, Historia 41, 1992, 374–384 [zur Kaisererhebung des Maximus durch die Vandalen Geiserichs] L. Schmidt, Geschichte der Wandalen, München 1942

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D. Timpe, Die Söhne des Mannus, Chiron. Mitt. d. Komm. für Alte Gesch. u. Epigraphik des Deutschen Archäologischen Instituts 21, 1991, bes. 100–109 [zur Frühgeschichte der Vandalen]

Zur Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte R. Bratož, Il mito dei Veneti presso gli Sloveni, in: Quaderni Giuliani di Storia 26, 2005, 17–54 A. Demandt, Vandalismus. Gewalt gegen Kultur, Berlin1997 H. Helbling, Goten und Wandalen. Wandlung der historischen Realität, Zürich 1954 P. Michel, Barbarie, Civilisation, Vandalisme, in: Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680–1820, hrsg. v. R. Reichardt u. E. Schmitt, Heft 8, München 1988, S. 35–41 R. Steinacher, Wenden, Slawen, Vandalen. Eine frühmittelalterliche pseudologische Gleichsetzung und ihre Nachwirkungen, in: Die Suche nach den Ursprüngen. Von der Bedeutung des frühen Mittelalters, hrsg. v. W. Pohl, Wien 2004, 329–353 Ders., Vandalen im frühneuzeitlichen Ostseeraum, in: Die Geschichte der Antike aktuell: Methoden, Ergebnisse und Rezeption, hrsg. v. K. Strobel, Klagenfurt 2005, S. 279–298

Ausstellungskataloge The True Story of the Vandals, Värnamo 2001 [einige Texte darin sind äußerst problematisch, durchgehend positiv hervorzuheben ist lediglich die Qualität der Abb.] Die Vandalen. Die Könige – Die Eliten – Die Krieger – Die Handwerker, Nordstemmen 2003 [die Träger der Przeworsk-Kultur und die Vandalen werden mehr oder weniger ineinsgesetzt] 1

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Stammtafel der Hasdingen Argaith (dux)

Guntherich (dux, ca. 250 n. Chr.)

Visimar/Visumer rex (ca. 335)

Godegisel rex (+410)

Kaiser Valentinian III. +455

Eudokia

Hilderich rex +525

Hoamer dux +533

Guntherich rex +428

Hunerich rex +484

N.N.

Hildimer dux ca. 525

Euageis (Oageis)

Gibamund +533

Geisirith dux +567

Geiserich rex +477

Theoderich +478

Gento +468

Godag(e)is Gunthamund Thrasamund +484 rex rex +496 +523

Geilarith +523

Gelimer rex 523–533/4

Tzazo +533

Ammata +533

Gunthimer +533

Guntharith +546 Führer eines Aufstands

Methodischer Ansatz: 1. Erst- und Zweitgliedvariationen und deren Häufung 2. Die vandalischen Heere wurden in der Regel von Angehörigen der Hasdingen-Familie angeführt. = Abstammung hypothetisch; = Abstammung sicher oder sehr wahrscheinlich

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Kartenverzeichnis Karte 1: Stationen der Vandalen: Jütland, Mittelund Südpolen, oberes Theißgebiet . . . . . . . . . . . Karte 2: Mögliche Örtlichkeiten, die die Vandalen und ihre Verbündeten im römischen Germanien und Gallien heimgesucht haben könnten . . . . . . . Karte 3: Die Provinzen der Diözese Hispaniae zur Zeit des Pyrenäenübergangs der Vandalen und ihrer Verbündeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karte 4: Die Überfahrt nach Nordafrika und die Fortsetzung des Marschs zu Lande oder zu Wasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karte 5: Der mögliche Landmarsch von Tingis (Tanger) oder von Septem (Ceuta) nach Altava und von dort an die Mittelmeerküste . . . . . . . . . Karte 6: Die vertragliche Ansiedlung der Vandalen im Jahre 435 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karte 7: Die neuen Siedelgebiete durch den Vertrag von 442 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karte 8: Die maurischen Herrschaftsbildungen in Nordafrika während der Vandalenzeit . . . . . . . Karte 9: Die maximale Ausdehnung des direkten vandalischen Herrschaftsbereichs . . . . . . . . . . . . .

47 55 61 81 87 91 99 111 115

Karte 1: Überarbeitung aus „Die Völkerwanderung“, hg. von M. Knaut und D. Quast, Stuttgart 2005, S. 19 Karten 2, 4, 6-9: Überarbeitung aus Courtois, Les Vandales, S. 33, 158, 172, 334 und 187 Karte 3: Überarbeitung aus Jones, The Later Roman Empire, Kartenband, Karte II Karte 5: Überarbeitung aus Francovich Onesti I Vandali, S. 34

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Register Vorbemerkung Im aus 3 Teilen bestehenden Register sind nicht berücksichtigt: Namen bzw. Wörter, die besonders häufig vorkommen (z.B. Vandalen) und die zudem mehrdeutig sind, z.B. Rom für die Stadt und für das Römerreich, Konstantinopel/Byzanz für die Stadt und für das oströmische Reich (Ostrom), Ravenna für die Stadt und für das weströmische Reich (Westrom). Nicht aufgenommen wurden ebenso historische und moderne Länderbezeichnungen, die allgemein bekannt sind, wie z.B. Gallien oder Spanien, sowie Flussnamen. Lateinisch gens, griechisch éthnos wurden mit ihren verschiedenen möglichen Entsprechungen im Deutschen, z.B. Volk, Sozialverband, Großgruppe, ebenfalls nicht berücksichtigt. Für die völkerwanderungszeitlichen Gruppen in ihrer Gesamtheit wurde der Barbarenbegriff – im Register nicht berücksichtig – verwandt; mit ihm ist kein Werturteil ausgesprochen, sondern er entspricht inhaltlich der antiken Einschätzung: Angehörige eines Naturvolks, die eine unverständliche Sprache sprechen (s. auch S. 7). Benutzte Abkürzungen: Bf. = Bischof; Gen. = römischer General; Hl. = Heiliger; Kg. = König, Königin; kgl. = königlich; Ks. = Kaiser/Kaiserin; röm. = römisch.

Personen- und Völkernamen Abragila 152 Addac (Kg.) 65 f. Aegidius (Gen.) 117 Aetius (Gen.) 107, 117 Agileus (Hl.) 129 Agio 18, 36 Alanen 45 f., 48–54, 57–60, 62, 65 f.,69 f., 92, 96, 126, 133, 136 Alano-Vandal people 69 Alarich (I.), Kg. 46, 49, 52, 65, 71 Alatheus-Safrax-Gruppe 49 Alemannen 51, 68, 80

Almohaden 158 Amalafrid 154 Amalafrida (Kg.) 131, 133, 135, 147,154, Ambri 18, 36 f., 67, 169 A. 35 Ammata 177 Ammianus Marcellinus 43 f. Antalas 135, 139 Anthemius (Ks.) 118 Arcadius (Ks.) 50 Argaith 30 f., 67, 177 Argunt 31

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Arius 73 Aspar (Gen.) 88–90, 94 Assi 18, 36 f., 67, 169 A. 35 Assipitti 169 A. 35 Asterius (Gen.) 70 f. Athalarich (Kg.) 135 Athaulf (Kg.) 65 Attila (Kg.) 104 Augustinus (Bf., Hl.) 11, 63, 86, 92, 145, 151, 153, 155–157 Augustus 21 Aurelian (Ks.) 31 f., 41 Bagauden 94 Basiliskos (Gen., Ks.) 119 Bastarnen 19 Belisar (Gen.) 159–161 Berber 84, 129 Bonifatius (Bf.) 134 Bonifatius (Gen.) 68, 71, 76, 83, 86, 88 f., 94,131 Buren (german. Stamm) 27 f. Burgunder 15, 32, 40, 94,104 f., 113, 136, 147 Cabaon 133, 138 Caesar (C. Iulius) 93 Caracalla (Ks.) 29 Cassiodor 30, 43, 141 Cassius Dio 17 f., 21, 25 f., Castinus (Gen.) 71 f. Chariner 15 Chrocus (Kg.) 51 Claudian 46, 48 Clemens (Gen.) 25 Commodus (Ks.) 27 Constantius II. (Ks.) 74 Constantius III. (Gen., Ks.) 66 f. Cyprianus (Bf.) 95 Cyrila (Bf.) 126 f. Decius (Ks.) 29 f. Deogratias (Bf.) 103, 107 f. Dexippos 12, 18, 31, 41 Diokletian (Ks.) 30, 156 Donatus (Bf.) 156 Dracontius 151, 153

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Drusus (Gen.) 21 Ebor 18, 36 Ermanarich (Kg.) 44 Euageis 177 Eudocia (Kg.) 105, 107, 117, 124,147, 177 Eudoxia (Ks.) 105, 107,116 Eugenius, Bf. 125, 129, 131 Eutharich 132 Exuperius (Bf.) 54 Fastidiosus 152 Franken 17, 36, 49 f., 52, 59, 73, 104, 132, 136 f. Fredbal (Kg.) 65 f. Fredegar 51 Freia 18 f. Fridamal 154 Frigeridus s. Renatus Fritigern 75 Fulgentius (Bf.) 130 f., 151, 153 Galerius (Ks.) 30 Gambara 18 Gaudentius 107 Gauserich (Kg.) 54 Geberich (kg.) 43 Geilarith 177 Geiserich (Kg.) 10, 39 f., 65, 68 f., 76–80, 89 f., 92–94, 96–98, 100, 102–110, 113 f., 116 f., 120, 122–125, 128 f., 133, 135–137, 147 f., 151, 154, 157, 177 Geisirith 177 Gelasius (Bf.) 129 Gelimer (Kg.) 135, 146, 151 f., 159–162, 177 Gento 177 Gepiden 33, 42, 73 Germanen, germanisch 15 f., 27 f., 32, 37, 39, 49, 53, 58, 68, 73 f., 133, 135 f., 139, 166 Gerontius (Gen.) 57 f., 60, 63, 66, 70 Gesalech (Kg.) 132 Geten, getisch 42, 75

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Gibamund 177 Goar (Kg.) 48 f., 52 f. Godageis 177 Godegisel (Kg.) 40, 49 f., 52, 58 f., 67–69, 147, 177 Goten, gotisch 7, 15, 19, 26, 29– 34, 42–44, 56, 67, 72 f., 75, 100, 146, 152, 166 Grégoire, Henry (Bf.) 165 Gregor von Tours (Bf.) 51 f., 59, 79 f. Gunthamund (Kg.) 129 f., 132, 140, 148 f., 151, 154, 177 Guntharith 162, 177 Guntherich 30 f., 67, 177 Guntherich (Gunderich, Kg.) 50– 52, 59, 65, 68 f., 76, 78, 80, 177 Gunthimer 177 Hasdingen 17, 25, 30–33, 36, 38 f., 43 f., 47–50, 58, 60, 62, 65 f., 68 f., 76, 102, 117 f., 137, 139, 147, 149, 177 Herennius Etruscus 30 Hermerich (Kg.) 65 Hermigar 79 Heruler 40 Hieronymus (Hl.) 44, 49, 53, 56 Hilderich (Kg.) 125–127, 129 f., 133 f., 135 f., 140, 147, 151, 159 f., 177 Hildimer 139, 177 Hiob 152 Hoamer 177 Honorius (Ks.) 56, 66 Hormisdas (Bf.) 133 Hunerich (Kg.) 92, 97,103–105, 107, 109, 117 f., 120, 122–125, 127 f., 130, 133 f., 143, 147, 151, 155, 177 Hunnen 9, 29, 44 f., 93, 97 Hydatius 54, 66, 94, 112 Igillos 32 Indoeuropäer 34 Isidor von Sevilla (Bf.) 34, 52 Iucundus (Bf.) 126

Jazygen s. Sarmaten Jesus Christus s. Entgöttlichung Jordanes 29 f., 31, 33, 43 Juden 100, 155–157 Justin I. (Ks.) 133 Justinian I. (Ks.) 40, 121, 133, 135, 157–159, 161, 163 Karpen 30 Kastor s. Dioskuren Kelten, keltisch 16, 19, 32 Kimbern und Teutonen 29 Kleingoten 75 Konstantin I. der Große (Ks.) 43, 73 f. Konstantin III. (Ks.) 56 f., 59, 63 Kostoboken 25 f., 28 Lakringen 27 f. Langobarden 18 f., 21, 32, 34, 36 f. Leo I. (Bf.) 105 Leo I. (Ks.) 116 f., 119, 121 Liberatus (Bf.) 134 Lugier, Longionen 16 f., 20–22, 28, 35 f. Luxurius 153 f. Maiorianus (Ks.) 113 f., 116 Mani, Manichäer 155 Mannus 16 Marbod 21 Marc Aurel (Ks.) 28 Marcellinus (Gen.) 117 f. Markian (Ks.) 88–90,104, 107, 114 Markomannen 21, 27–29, 58 Masuna (Kg.) 132 Mauren 12, 98, 100, 105, 107- 113, 116, 123, 125, 127, 129, 132 f., 135, 137–139, 146, 149 f., 155, 159 f., 162–164 Maurocellus 70 f. Maximian (Ks.) 30, 33 Maximus (Ks.) 58, 60, 63, 70 f. Melanchlainen 42 Merowinger 17, 36, 137 Moriner, s. Thérouanne

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Naharnavalen 16, 35 f., 38 Odoaker (Kg.) 122 Olybrius (Ks.) 116, 118, 120, 134 Orientius (Bf.) 54 Orosius 11, 63 f. 73 Ostgermanen 15 Ostgoten, ostgotisch 30, 40, 42–44, 68, 73, 79, 130–132, 134–136, 140 f., 154 Ostrogotha 29 f. Pacideius 141 Palladius 105 Pelagius, Pelagianer 155 f. Perser, persisch 97, 138, 155, 161 Petronius Maximus (Ks.) 105 Peukiner 30 Philippus (Ks.) 29 f. Pinta (Bf.) 152 Placidia (Ks.) 107, 116, 118, 124 Plinius d. Ä. 15 f., 18 Pollux, s. Dioskuren Pompeius (cos., Gen.) 93 Possidius (Bf.) 92 Priscus Attalus (Ks.) 71 Probus (Ks.) 32 f. Probus, röm. Konsul 50 Prokop 39 f., 42, 45, 60, 68, 78 f., 83, 88–90, 92, 102, 110, 113 f., 118–121, 125, 129 f., 133, 138, 150–152, 160 f. Prosper von Aquitanien 90, 100 Ptolemaios 32 Quaden s. auch Sweben 27, 29, 46, 49, 58 Quodvultdeus (Bf.) 95, 158 Radagais 29, 48–50, 52, 56 Raos 25, 38, 67, 169 A. 35 Raptos 25, 38, 67, 169 A. 35 Renatus Profuturus Frigeridus 52, 59 Respendial (Kg.) 48, 50, 52, 58 f., 65

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Rikimer (Gen.) 112, 114, 116–118 Romulus (Ks.) 122 Sachsen 64, 112 Salvian von Marseille 11 f., 54, 71 f., 77 Sarmaten, Sauromaten 27, 42, 44 Semnon 32 Severinus (Hl.) 113 Severus 121 Sidonius Apollinaris 109, 113 Sigisvult (Gen.) 96 Silingen 32 f., 48, 53 f., 58 f., 62, 65 f., 69 f. Skiren 19 Skythen 30 f. Slawen 13, 166 Slo-venen (Slowenen) 167 Stilicho (Gen.) 43, 46, 49 f., 57 Strabon 17, 21 Sweben (Sueben) 34, 46, 49, 51–55, 57 f., 62, 64–68, 70, 79 f., 104, 112, 117 Tacitus 15–18, 35 Taifalen 30, 33 Terwingen 33 Theoderich (Sohn Geiserichs) 177 Theoderich d. Gr. 30, 43, 130–132, 135, 141 Theodosius II. (Ks.) 89 f. Thraker 26 Thrasamund (Kg.) 51, 80, 130– 133, 138, 140, 147, 151, 154, 177 Thüringer, thüringisch 122 Titus (Ks.) 106 Trajan (Ks.) 25 Trygetius 90 Tzazo 159, 177 Valens (Ks.) 44, 74 Valentinian III. (Ks.) 98, 104 f., 110, 117, 177 Valia (Kg.) 65–67, 70, 72

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Vandalarius 44 Vandalicus s. Siegernamen Vandill 37 Vannius (Kg.) 21 Veneter 166 Vergil 150 Victor von Tunnuna (Bf.) 171 A.130 Victor von Vita (Bf.) 78, 86, 94, 108–110, 112, 118, 127 Viktovalen 28, 44 Vinnill 37 Visimar (Kg.) 43, 67, 177

Warnen 15 Wenden 13, 166 f. Wenskus, Reinhard 13 f. Westgoten 42, 46, 60, 63, 65–67, 69–72, 79, 94, 103 f., 113, 117, 131 f., 136, 141, 147 Wikinger 13, 71, 167 Winniler s. Langobarden Wodan 18 f., 37 Wulfila (Bf.) 75, 152 Zeno (Ks.) 121 Zosimos 32, 51

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Orte und Räume Abrittus 30 Ad Decimum 160, 163 Adrianopel 44 Adriaraum 110, 116, 118 Africa Proconsularis s. Proconsularis Agrigent 112 Alexandria (Ägypten) 47, 73, 121 Alpenvorland 46, 53 Altava 83–87, 111 Amiens 53, 56 Andalusien, Al-Andalus 166 Antiochia (Syrien) 44, 47 Arles 55, 51,57, 59 f., 77 Arras 53, 55 f. Augusta (Auch) 54 Aurès 87, 11, 125, 132 Baetica 61 f., 71 Balearen 61, 72, 87, 110–112, 114–116, 142 Banat 25, 48 Barcino (Barcelona) 62 Bazas 54 f. Bethlehem 44, 49 Bingen 53 Boulogne-sur-Mer 55 f. Bracara (Braga) 74, 70 Byzacena 47, 87 f., 91, 94 f., 98 f., 101, 127, 133 f. 152 Caesarea (Cherchel) 85, 87, 111 Caesarea (Palästina) 42 Caput Vada 159 Carnuntum 22 Carthaginiensis 61 f. Carthago Spartaria bzw. Nova (Cartagena) 61, 72, 87, 114 Cirta (Constantine) 11, 86 f., 99, 107 Clermont-Ferrand 109 Cyrenaica 145

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Dakien, Daker 25–28, 47 Dalmatien 47, 117 Djebel Mrata 132 Edough s. Papua Emerita (Mérida) 79 Epirus 120 Fiesole 48 Galatien 160 Galizien, Gallaecia 47, 51, 61 f., 70, 112 Galtis 33 Gibraltar 65, 81, 112 Hippo Regius 64, 86–88, 90–92, 111, 115, 160 Hispalis (Sevilla) 76 Inseln, griechische 110 Iulia Traducta (Tarifa) 80–82, 87 Jerusalem 47, 106, 124, 147 Jütland 19, 47 Kampanien 113 Kap Bon 119 Karpatenbecken, -bogen, -raum 23, 25 Karthago 11, 47, 76, 85–89, 91, 93 f., 96, 98 f., 101, 103, 106 –108, 110 f., 113, 115, 117 –121, 124–127, 129, 131, 133 f., 141 f., 144 f., 148, 152 f., 155–160, 163 Karthago (Spanien) s. Carthago Spartaria Katalonien 166 Köln 53 Korsika 47, 55, 87, 110–112, 114–116, 128, 142

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Kreta 47, 115 Kujawien 23 Libyen 40, 47, 150 Ligurien 114 Lilybaeum (Marsala) 87, 97, 111, 115, 131 Lusitanien 61 f. Mailand 46 Mainz 50 f., 53, 55, Marcianopolis 30 Mascula 149 Mauretania Caesariensis 84 f., 87, 91, 99, 154 Mauretania Sitifensis 86 f., 90 f., 99 Mauretania Tingitana 61, 77, 82, 85, 87 Mauretanien 47, 72, 98, 109, 134 Mauringa 169 A. 35 Mösien 29 f., 43, 47, 75 Naissus 31 Neapel 96 Nerbasische Berge 70 Nikopolis 75, 120 Nizäa 74 f. Numidien, Numidia 47, 86 f. 90 f., 99,101, 107, 132, 134, 149 Oea 91, 98 f. 111, 115 Oltenien s. Walachei Ostalpen-(Mitteldonau-)raum 46, 113 Osthessen s. Wetterau Palmyra 32 Pannonien 43, 47–49, 58 Papua 87, 151, 161 Peloponnes 118, 120 Peuke s. Peukiner Philippopolis (Plovdiv) 30 f. Pollentia 46 Portus 105 f.

Proconsularis 86–91, 94 f., 98 f., 101, 127, 134, 150, 163 Pyrenäen, - pässe 54 f., 57–59, 61, 66, 151 Rätien 46, 53 Reims 53, 55 f. Rhodos 121 Ruspe 87, 111, 131, 151, 153 Sardinien 47, 87, 104, 110 f., 114–117, 126, 131, 138, 142, 146, 159 Schlesien 22 f., 32, 48 Scoringa 19 Septem Fratres (Ceuta) 82 f., 87, 115 Sicca Veneria 127 Siebenbürgen 25, 43, 48 Sizilien 47, 87, 93, 96 f., 110–112, 115–117, 119 f., 122, 130 f., 159 Skandinavien 18, 167 Sparta 35 Speyer 53, 55 Straßburg 53, 55 Tainaron 120 Tarraco (Tarragona) 61 f., 71 Tarraconensis 47, 61 f. Taza 83 Theißebene 48 Theißgebiet, oberes 23, 25, 27, 32, 39, 44–47, 73, 77 Thérouanne 53, 55 f. Thrakien 29, 31, 47 Tingis (Tanger) 61, 81–83, 85, 87, 111 Toulouse (Tolosa) 54 f., 61, 103 Tournai 53, 55 f. Tours 80 Traducta s. Iulia Traducta Transdanubien 75 Transsylvanien s. Siebenbürgen Tricamarum 160, 163 Trier 51, 55

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Tripolitanien 47, 87, 91, 98 f., 110, 119 f.,133 f., 159 Turonium 112

Verona 46

Ungarische Tiefebene 31

Walachei 25 Wetterau 23 Worms 53, 55

Vandalische Berge 21 Vendsyssel 19 Venedig 13, 167

Zakynthos 120 Zentralasien 44 Zeugitana s. Proconsularis

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Begriffe und Sachen Adel s. Führungsschicht africanisation 163 agentes in rebus 143 Akkulturation 26, 41, 129, 149 f., 153 f. ala Vandilorum 32 Alcis s. Elchgötter Almohaden 158 Amaler 30, 44, 135, Anführerschaft s. Königtum Anthologia Latina s. Literaturbetrieb Antichrist 157 f. Ära, vandalische 98, 100 Arianer, Arianismus 12, 42, 73–77, 95, 100–102, 108 f., 123–127, 130, 134 f., 141–144, 151–153, 155–159, 161, 163 Assimilierung 102 Bäder (Badekultur,Thermen) 145, 150–152 barbaricini 116, 138 Bauern s. Kolonen Beigabensitte 23 Belagerung, -swesen 86, 88, 97, 138 Bergwerke 142 Bernsteinhandel, -straße 21–23 Bewaffnung 138 Bewusstseinsgemeinschaft s. auch Ethnogenese 84, 100 Bibel 152, 156, 161, 165 Brandbestattung s. Grabformen Buchmagie 11, 72 Chorbischof 75 Christianisierung 73–75, 77, 164 comes 83, 142 comitatenses 92 conductores s. Großpächter conversio 113, 143, 164 curial patronage 144

curiales (Stadträte) 95, 101, 139, 143 Dioskuren 34 f., 38 dókana, s. Holzidole domesticus 89, 141 Donatisten 155–158 Doppelkönigtum, -anführerschaft 16, 21, 34–39, 43 f. 67, 69, 73, 96, 123, 137, 169 A. 36 „Drang nach Süden“ 26 Dreieinigkeit s. Trinität Edikt 127 f., 143 Einquartierung s. hospitalitas Eisengewinnung 23 Elchgötter, -kult 16, 35 f., 38 Endzeiterwartung 77, 158 Enteignung, Expropriation s. hospitalitas Entgöttlichung Jesu 74 Ethnogenese 14, 67, 69, 133 Evangelienhandschriften 73 exercitalis 79 expeditio ad Africam 118 expeditio Burica 168 A. 20 „Familie der Könige“ 136 Fernhandel s. Handel Fibelformen 22 Fiskus, Fiskalbesitz 102, 127 flamen perpetuus 143 Flotte 80, 82 f., 85 f., 93 f., 96, 104 f., 118 f., 123f., 138 f., 161 Föderaten (foederati) 46, 48, 67, 71, 92 Frauen 48, 83, 116, 147 f., 153 Führungsschicht 10, 13, 17, 30–32, 39 f., 43, 56, 68–71, 76, 95, 101, 103, 105–107, 109, 120, 125 f., 129, 131, 135,137, 140, 143, 147, 149–152 Fünfhundertschaft 41

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Geisel 32, 92, 97 Geldwirtschaft 148 f. Gemeinfreiheit, Gemeinfreie 39, 68, 101, 137 Gerichtswesen 141 Germanenideologie 39 Germanenkriege 12 Getreide, -flotte 77, 92, 97, 104, 144 Gotizismus 166 Grabformen, -ritus 23 Granathandel 144 Grenzbefestigungen 139 Großpächter 141

Jagd 101, 150, 154 Jahresgelder 27, 43 Jungmannschaft 26 Justiz s. Recht, Gerichtswesen

Handel, -sverkehr 43, 109, 124, 144 f., 149 Heer, Heerwesen s. auch Reiter 137–140, 159 Heeresversammlung 68 Heerkönigtum s. Königtum Heiden, -tum s. auch Elchgötter, Dioskuren, Holzidole 73, 143 Heilsgeschichte, -plan 11, 34, 136 Herkunfts-, Stammessage 18f., 21, 34, 36f. Herkunftsmythos s. Herkunftssage Herrschaftslegitimation s. Königtum, Doppelkönigtum Hildebrandslied 124 Hofhaltung, -dienst, Haushalt, kgl. s. Königtum Hofverwaltung, s. Königtum Holz (Wälder) 142 Holzidole 35, 37 Homöer, homöisches Christentum s. Arianer Honoratiorenverwaltung 139 Honoriaci 57 f., 71 hospitalitas 60, 100–102 Hungersnot 40, 45, 63, 65, 77, 88, 104, 128

Kamel 138 Kampfesweise 33, 138 Karawanenhandel s. Handel Karolinger 17 Katholiken, Katholizismus s. Orthodoxie Kaufleute 124 Keramik, -typen 22 f., 144 Ketzergesetzgebung 127, 143 Klassenkampfdogma 98 Kleinbauern, freie 102 Klosterbauten, -gründungen 129, 131, 145 Kolonen (Pächter) 26, 102, 128, 141 f. Königsheil 36 Königshort, -schatz 159 f., 163 Königssippe,- geschlecht, s. auch Hasdingen 17, 67–69, 82, 102, 121–123, 125 f., 139 f., 147, 151, 153, 161 f., 177 Königstitel 69, 100, 133, 136 f., 166 Königtum, Königshof 14, 18, 38 f., 65, 67–69, 96, 98, 100,102, 108–110, 123, 126, 134–137, 140–142, 146 Konnubium 153 Konsulat 89, 132 Konversion s. conversio Konzil, s. auch Nizäa 74, 128, 134, 156 Kult, kultisch, Kultstätte, -gefäß 35–37 Kulturgruppen, -provinz 22 f. Kultverband 16 Kurien s. curiales

Ideologie, s. auch Klassenkampf 139, 164 Islam 114, 144, 158

Landflucht 145 Landlos 100, 102 „Langhaarträger“ 17, 36

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Latein, Latinisierung s. Romanisierung Lateransynode von 487 128 Laterculus regum Vandalorum et Alanorum 100 Lesefähigkeit 152 f. Literaturbetrieb 151, 153 f. magische Kraft 17, 39 magisch-mythisches Weltbild 19, 36, 39, 73 Mainzer Dukat 67 maiores domus 142 Markomannenkriege 17, 20, 25 Marmor 144 Memoria, gentile 18 Menschenbeute 106 f., 146 Milizen 83 Millenarismus s. Endzeitwerwartung millenarius s. Tausendschaftsführer millenus miles 79 Missionierung s. Christianisierung Mobilität, sozialer Aufstieg 137 Monotheismus 74 Münzen s. Geldwirtschaft Mythos, mythisches Geschehen 16, 166 f. Namen, kultische 37 Nomaden, Seminomaden 26, 109, 130, 133 numinos, Numinoses 16, 36 f., 54, 67, 73, 89 oceanus 124 Öl s. Speiseöl ordines civitatum 143 Orthodoxie 12, 74–76, 86, 92, 102 f., 121, 123, 125–127, 130 f., 133 f. 136, 142, 151, 153, 156–159 Ostraka 149 Pächter s. Kolonen Patriziat 160 f. Personalunion 69

Pest 63 Pfahlgötzen s. Holzidole Piraterie 93, 118 Polizeiwesen 141–143 praepositus regni (Reichskanzler) 141 f. Präliminarvertrag 96 primates 141 primordiale Taten 18, 84 proconsul 141 procurator 140 –142 Proletariat, äußeres 57,98 Provinzialbevölkerung, röm. 11 f., 46, 48, 59, 62–64, 70, 76 f., 80, 82, 92, 98, 100, 102, 124, 126, 133, 139–141, 145, 152, 157, 159, 161, 163 Provinzstatthalter 141 Przeworsk-Kultur 22 f. Pseudologien 13, 166 Recht, Rechtspflege, Rechtsbuch (=Gesetzbuch) 140 f., 143, 146, 158 recuperatio imperii 159 Reichskanzler s. praepositus regni Reiter, Reiterei, Reiteradel 32, 70, 78 f., 83 f., 88, 137 f. Renaissance, vandalische 149, 151 f., 154 Rheinübergänge 405/406 49 f., 53, 55 f. Romanisierung, romanitas (Latinisierung) 149, 151–154, 163 sacerdotalis 143 Sakralität, s. Doppelkönigtum, Königtum Salbung 17 Salonkultur 150 Schiffsarsenale,- bau 138, 145 Schriftlichkeit 152 f. Schulen 152 f. Senator, Senatsaristokratie s. Führungsschicht Seniorat s. Thronfolgeordnung

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Siegernamen 44, 160 Sklaverei, Sklaven 95, 107, 120 f., 137, 145–147 Sonderbewusstsein s. Ethnogenese sortes Vandalorum s. Landlos Speiseöl 77, 92, 97, 144 Städteverwaltung s. auch curiales 143 Stadträte s. curiales Stammesbildung s. Ethnogenese Steinbrüche 142 Steppenvölker s. auch Hunnen, Mauren 26, 41 Steuern, Steuerkataster s. auch Fiskus 102, 140 stirps regia s. Königsgeschlecht Strafensystem s. auch Recht 142 f. Subsidien s. Jahresgelder

vandalische Renaissance s. Renaissance Vandalisierung 163 Vandalismus 106, 120,165, 167 Verfolgung 86, 92, 95, 97, 109 f., 126–129, 131, 134, 136, 142, 145, 153, 155 f. „Verreiterung“ 26 f., 41, 64, 102 Verstümmelung 147 Verwaltung 139–144 vicarius Africae 141 Viehzucht, Viehzüchter 26, 101, 109, 145 vigiles s. Polizeiwesen Volkszahl 44, 48, 52, 62, 78–80, 123, 137 Vorstellungsgeschichte 14

Tablettes Albertini 101, 132, 152 Tausendschaft, -sführer 41, 78 f. Theater 11, 101, 150, 152 Thronfolgeordnung 122 f., 125, 127, 133 Tierhetzen 152 Traditionskern 14 Trinität 74, 151

Waffengräber s. Beigabensitte Waffenmagazin, -produktion 113 f., 145 Wälder 116, 142 Wentilseo, Wendelmeer 124 Wesenseinheit, -ähnlichkeit s. Arianer Wiedertaufe 108 f., 123 Wirtschaft, -sordnung 144–147 Wissenschaft 150, 153

Überlieferung, altnordische 37 „Umvolkung“ 18 Unterschichten, s. auch Kolonen 156 Usurpator, Usurpation 51, 56–59, 62 f., 66, 70 f., 132, 159

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Zeitrechnung s. Ära Zirkus (Rennbahn) 11, 101, 150, 152, 161 Zwillinge, göttliche s. Dioskuren