Spurensuche: Die Sammlung Arthur Feldmann und die Albertina 9783205201571, 9783205200987


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Spurensuche: Die Sammlung Arthur Feldmann und die Albertina
 9783205201571, 9783205200987

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Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

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Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung Herausgegeben von Eva Blimlinger und Heinz Schödl Sonderband

Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

Achim Gnann | Heinz Schödl (Hg.)

Spurensuche Die Sammlung Arthur Feldmann und die Albertina

2015 BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

Gedruckt mit Unterstützung durch das Bundeskanzleramt

Titelbild: Domenico Maria Canuti, Kopfstudien, Albertina, Wien (Kat. 19) Umschlagrückseite: Umkreis von Ciro Ferri, Frauengestalt auf Wolken, Albertina, Wien (Kat. 20) Frontispiz: Dr. Arthur Feldmann, 1935 © Privatarchiv Feldmann, Foto: Albertina, Peter Ertl Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. © 2015 by Böhlau Verlag GesmbH & Co.KG Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, 1010 Wien www.boehlau-verlag.com Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Gabriele Fernbach, Wien Einbandgestaltung: Leonhard Weidinger, Wien Layout: Bettina Waringer, Wien Druck und Bindung: Holzhausen, Wolkersdorf Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-20098-7

Diese Publikation erscheint parallel zu der Ausstellung Spurensuche. Die Sammlung Arthur Feldmann und die Albertina Albertina, Wien 16. 10. 2015–29. 11. 2015 Direktor: Klaus Albrecht Schröder Kurator: Achim Gnann, Assistenz: Angelika Marinovic Ausstellungsorganisation: Barbara Buchbauer Restauratorische Betreuung: Hannah Singer Rahmung / Passepartourierung: Ulrike Ertl, Gerhard Forster, Christian Kolbinger Redaktion: Achim Gnann, Heinz Schödl, Angelika Marinovic Koordination: Margarete Heck Fotos: Peter Ertl

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Inhalt

Vorwort

7

Die Sammlung Feldmann: Spuren – Fragmente – Dokumente Weg einer Rekonstruktion Julia Eßl

9

Die virtuelle Sammlung Feldmann Praxis und Methodik der Rekonstruktion Martina Pichler

24

…fast wie ein Krieg Alexandra Caruso im Interview mit Uri Arthur Peled-Feldmann

33

Katalog

43

Literaturverzeichnis

123

Verzeichnis der Textabbildungen

129

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w

Dr. Arthur Feldmann, 1935

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Vorwort

Die vorliegende Publikation ist dem Andenken an die Per-

Recherchen immer wieder gelungen, eine Feldmann-Pro-

sönlichkeit und Sammeltätigkeit des jüdischen Rechtsan-

venienz bei verschiedenen Zeichnungen nachzuweisen.

walts und Geschäftsmanns Dr. Arthur Feldmann gewid-

Erst vor wenigen Jahren wurde der an die Museen in

met. 1877 im südmährischen Wischau/Vyškov geboren,

Brünn/Brno und Prag/Praha übergebene Teil an die Er-

begann Feldmann 1896 in Wien mit dem Studium der

ben­ zurückerstattet. Bei einer von der Albertina 1989 auf

Rechtswissenschaften, das er 1901 mit der Promotion ab-

dem Kunstmarkt erworbenen Zeichnung hatte sich der

schloss. Bald darauf übersiedelte er nach Brünn/Brno, wo

Kunstrückgabebeirat 2005 noch gegen eine Rückgabe

er sich als erfolgreicher Anwalt etablierte. Seit Anfang der

ausgesprochen, um diese drei Jahre später zu empfeh-

1920er-Jahre erwarb Feldmann Altmeisterzeichnungen

len, da sich die Herkunft aus der Sammlung Feldmann

der verschiedenen europäischen Schulen und Epochen

inzwischen nachweisen ließ. Dies verdeutlicht, dass die

und baute mit den Jahren eine rund 800 Zeichnungen

Überlieferung teilweise unvollständig ist und erst durch

umfassende Privatsammlung auf, die zu den bedeutends-

eine sukzessive immer tiefer reichende Erschließung der

ten seiner Zeit zählte. Mit Werken von Dürer, Rembrandt,

Quellen wieder vollständiger wird.

Barocci, Cortona, den Carracci oder Poussin vermochte

Die Zeichnungssammlung von Arthur Feldmann war

es Feldmann, seiner Sammlung einen besonderen Glanz

seit den Tagen ihrer Entstehung auf besondere Weise

zu verleihen. Auswahlkriterium waren allerdings weni-

mit der Albertina verbunden. Otto Benesch, der spätere

ger große Namen oder der Preis als vielmehr die Quali-

Direktor der Albertina, beriet Feldmann bei Ankäufen so-

tät und die außergewöhnliche Handschrift eines Blattes.

wie in kunsthistorischen Fragen und hat in verschiedenen

Nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch die

Veröffentlichungen zu spezifischen Blättern Stellung ge-

Nationalsozialisten 1939 wurde seine Villa mitsamt den

nommen. Wie keinem Zweiten waren Benesch Profil und

Kunstwerken beschlagnahmt. Feldmann überlebte die

Umfang der Kollektion vertraut. Ferner hat die Alberti-

Demütigungen nur kurze Zeit. Er starb 1941, seine Frau

na zu Beginn der 1930er-Jahre einzelne Blätter aus dem

Gisela wurde 1944 im Konzentrationslager Ausschwitz

Feldmann-Eigentum in zwei Ausstellungen einbezogen.

ermordet. Auf die Arisierung der Zeichnungssammlung

Kurz nach dem Ableben Feldmanns hatten die National-

folgte ihre Auflösung. Ein Teil gelangte an das damalige

sozialisten der Albertina einen Teil der enteigneten Zeich-

Brünner Landesmuseum, einige Blätter kamen in die Pra-

nungen zum Erwerb offeriert, doch ist es nie zu einem

ger Nationalgalerie, doch der Großteil der Zeichnungen

entsprechenden Ankauf gekommen.

wurde in alle Welt verstreut. Im Laufe der Jahre konnten

In einer überaus großzügigen Schenkung hat nun Uri

die Nachfahren Blätter aus der Sammlung aufspüren und

Arthur Peled-Feldmann im Namen der Erben 29 Blätter

ihre Restitution erwirken. Dem Enkel von Arthur Feld-

aus der Sammlung Feldmann der Albertina vermacht.

mann, Uri Arthur Peled-Feldmann, ist es durch akribische

Diese Zeichnungen werden in einer begleitenden Aus7

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stellung präsentiert und ihre kunsthistorische Bedeutung

rem Beitrag ein Konzept für eine Online-Datenbank vor,

von den Expertinnen und Experten des Museums im

das sie entwickelt hat, um die heute auf verschiedenste

­Katalogteil dieser Publikation erläutert. Mit der profun-

Orte verteilten Zeichnungen in einer Art virtuellem Mu-

den Bearbeitung schließt sich für die Albertina ein Kreis,

seum wieder zusammenzuführen. In einem Interview mit

da die enge Beziehung Arthur Feldmanns zu dem Muse-

­Alexandra Caruso erzählt Uri Arthur Peled-Feldmann von

um bereits in den Anfängen des Sammlungsaufbaus ge-

dem nicht immer einfachen Weg der Spurensuche, die

geben war.

er zu einer Zeit begonnen hatte, als der Zugang zu den

Die Publikation entstand in Kooperation zwischen der

Archivalien, das Wissen um auszuwertende Dokumente

Albertina und der Kommission für Provenienzforschung,

sowie das Verständnis von Museen und Kulturverwaltun-

die seit 2009 eine Schriftenreihe herausgibt. Darin wird

gen mit der heutigen Situation nicht vergleichbar waren.

den Mitgliedern der seit 1998 bestehenden Kommissi-

Durch seine schier unermüdliche Energie gelingt es ihm

on sowie externen Wissenschafterinnen und Wissen-

auch heute noch, verloren geglaubte Zeichnungen aus-

schaftern die Möglichkeit gegeben, die Ergebnisse ihrer

findig zu machen und damit einen weiteren Mosaikstein

Forschungen zu präsentieren. Zugleich wurde mit der

zur Rekonstruktion der einstigen glanzvollen Sammlung

Etablierung dieser Schriftenreihe dem zunehmenden

hinzuzufügen.

Interesse der Öffentlichkeit an einer wissenschaftlichen

Ausstellung und Publikation sind nicht nur Ausdruck

Dokumentation von Restitutionsfällen Rechnung ge-

tiefen Danks für die erfolgte Schenkung, sondern ent-

tragen. Die vorliegende Veröffentlichung erscheint als

standen auch aus der moralischen Verpflichtung heraus,

Sonderband, der einen historischen Abschnitt zur Per-

die Bedeutung von Arthur Feldmann und seiner Samm-

son und Sammlung Feldmanns mit einem Katalogteil zu

lung und das ihm widerfahrene Unrecht einer breiten Öf-

jenen Zeichnungen vereint, die der Albertina geschenkt

fentlichkeit ins Bewusstsein zu rufen.

wurden. Im einleitenden Aufsatz beleuchtet Julia Eßl die Sammeltätigkeit Feldmanns und zeichnet den Umfang

Eva Blimlinger

und die Bedeutung der Kollektion von ihrer Entstehung

Achim Gnann

bis zur Zerschlagung nach. Martina Pichler stellt in ih-

Heinz Schödl

8

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Die Sammlung Feldmann: Spuren – Fragmente – Dokumente Weg einer Rekonstruktion Julia Eßl

Die von der Albertina im Jahr 1989 über das Wiener Do-

tersuchungen und die daraus resultierenden Erkenntnisse

rotheum erworbene Zeichnung Landschaft mit einem Fels-

kam es 2008 zu einer erneuten Befassung des Beirats und

block sollte gut ein Jahrzehnt später Anlass für die Prove-

schließlich zu einer Rückgabeempfehlung, da man nun

nienzforschung der Albertina sein, sich erstmals mit der

nachweisen konnte, dass sich die Zeichnung im Eigentum

Sammlerpersönlichkeit Dr. Arthur Feldmann zu befassen.

von Arthur Feldmann befunden hatte und auch zum »Zeit-

Das Schicksal des in Brünn ansässigen Rechtsanwaltes,

punkt der Beschlagnahme vom März 1939 noch im Eigen-

aber auch seiner umfangreichen Kunstsammlung, war

tum von Dr. Arthur Feldmann stand«.4

1

mit der Besetzung der Tschechoslowakei im März 1939

Arthur Feldmann wurde am 9. Februar 1877 in Vyškov

prädestiniert. Die an grafischen Werken herausragende

(Wischau), Südmähren, als Sohn von Leopold Feldmann

Sammlung geriet durch ihre weltweite Zerstreuung in Ver-

und Katharina Feldmann, née Berger, geboren.5 Nach-

gessenheit und ist heute kaum mehr als Ganzes greifbar.

dem er das K.K. Staats-Obergymnasium in Kromĕříži

In jahrelangen, akribischen Recherchen gelang es Arthur

(Kremsier) besucht hatte, begann er im Herbst 1896 sein

Feldmanns Enkel, Uri Arthur Peled-Feldmann, zahlreiche

Studium an der Juridischen Fakultät der Universität Wien

Blätter der Feldmann’schen Sammlung in Museen, Institu-

und promovierte im Juli 1901 zum Doktor der Rechtswis-

2

tionen und Privatsammlungen ausfindig zu machen – so auch die eingangs erwähnte Zeichnung, die der Kunstrückgabebeirat in seiner Sitzung vom 3. Oktober 2008 zur Restitution empfahl. Drei Jahre zuvor hatte sich der Beirat noch gegen eine Rückgabe ausgesprochen, da man »den

1 2

Sachverhalt damals für nicht ausreichend ermittelt [hielt], um eine Rückgabe der gegenständlichen Zeichnung empfehlen zu können«.3 Der Beirat argumentierte folgendermaßen: Da Arthur Feldmann bereits 1934 einen Teil seiner Sammlung, darunter auch diese Zeichnung, verkaufen wollte, konnte nach damaliger Einschätzung des Beirates nicht ausgeschlossen werden, dass er das Blatt noch vor

3 4

1939 veräußert hatte. Darüber hinaus sah man als nicht eindeutig belegt an, dass sich die Zeichnung tatsächlich in der Sammlung Feldmann befunden hatte und hielt weitere Recherchen für erforderlich. Durch weiterführende Un-

5

Erworben bei der 1.566. Kunstauktion des Wiener Dorotheums vom 16. März 1989, lot 855. An dieser Stelle möchte ich mich ganz besonders bei Herrn Uri Arthur Peled-Feldmann bedanken, der durch seine Recherchen und zahlreichen Informationen wesentlich zu diesem Aufsatz beigetragen hat und mir einen ganz persönlichen Einblick in seine Familiengeschichte gewährte. Zudem gilt mein Dank meiner Kollegin Pia Schölnberger, die Recherchen in diversen Archiven in Brünn und Berlin durchgeführt und die gesammelten Unterlagen zur Verfügung gestellt hat. Beschluss des Kunstrückgabebeirates vom 3. Oktober 2008. Beschlüsse des Kunstrückgabebeirates vom 14. Dezember 2005 und 3. Oktober 2008. Veröffentlicht unter www. provenienzforschung.gv.at. Zudem gibt es eine umfassende Stellungnahme von Herrn Uri Arthur Peled-Feldmann. Vgl. Archiv Mĕsta Brna (Stadtarchiv Brünn), fond B 1/39 – Národní výbor mĕsta Brna – Kartotéka domovského práva 1850–1948, Kartothek des Heimatsrechts von Arthur Feldmann. 9

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und seine Frau Gisela binnen zwei Stunden das Haus zu verlassen – die übrigen Besitztümer sowie die Kunstsammlung mussten sie zurücklassen.14 Zunächst fanden sie Unterschlupf in der Wohnung des älteren Sohnes Otto in der Kolištĕ 35 (Glacis), von wo sie Ende Juli 1939 alle gemeinsam in die Žižková 43 (Žižkagasse) umzogen. Arthur Feldmann verstarb am 16. März 1941 an einem Schlaganfall.15 Gisela Feldmann wurde Ende Jänner 1942 nach Theresienstadt deportiert, von wo sie im Oktober 1944 nach Auschwitz kam und schließlich ermordet wurde.16 Die beiden Söhne konnten mit ihren Familien Brünn rechtAbb. 1 Villa Hroznová in der Traubengasse 13 in Brünn 6

senschaften.6 Seine ersten Berufserfahrungen machte er als Rechtspraktikant am Landesgericht Brünn und als Advokatur-Kandidat in der Kanzlei von Dr. Samuel Weiz-

7

mann in Brünn, wo er ab 1909 eine Anstellung als Jurist erhielt. Kurz darauf eröffnete er seine eigene Rechtsanwaltskanzlei in der Kobližná 19 (Krapfengasse).7 1903 hatte Arthur Gisela Hofmann, geboren am 14. Jänner

8

1881, die ebenfalls aus Vyškov (Wischau) stammte, geheiratet. Die beiden hatten zwei Söhne: Otto, geboren am 22. Mai 1904 in Brünn, und Karl, geboren am 17. März 1909 ebendort.8 Ab März 1911 war die Familie Feldmann

9 10

in der Hroznová 13 (Traubengasse) im Brünner Stadtteil Pisárky gemeldet, in der sogenannten Villa Hroznová

11

(Abb. 1).9 Die beiden Söhne sollten wie der Vater Rechtswissenschaften studieren. Otto, der später in der Kanzlei seines Vaters tätig war, absolvierte sein Studium an der Deutschen Universität in Prag.10 Karl begann wie sein Vater sein Studium an der Juridischen Fakultät der Universi-

12

tät Wien, schloss dieses jedoch nicht ab.11 Die Kanzlei mit mehreren Angestellten12 war erfolgreich und hatte auch zahlreiche Klienten in Wien, wo sich Arthur Feldmann regelmäßig aufhielt. Er nutzte die beruflichen Aufenthalte auch für den Erwerb neuer Kunstwerke und verband sie

13

mit Besuchen bei Bekannten und Verwandten.13 Als die

14

Nationalsozialisten am 15. März 1939 Brünn besetzten,

15

stürmte die Gestapo noch am gleichen Tag die Villa der Familie Feldmann, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft zu den Verfolgten des NS-Regimes gehörte. Nur mit dem Notwendigsten ausgestattet, hatten Arthur Feldmann

16

Vgl. Archiv der Universität Wien, Juridische Fakultät – Nationalen, Sign. 275–276, Semester 1896/97, A–J sowie Promotionsprotokoll für das Doktorat der Rechtswissenschaften, Sign. M32.4 – 797 Feldmann, Arthur (1901.07.23). Vgl. Národní archiv Praha, Okupační vězeňské spisy (Nationalarchiv Prag, Besatzungsgefangenenakten), Signatur 101–615/5, Protokoll Arthur Feldmann vom 2. März 1940; Adreßbücher von Groß-Brünn der Jahre 1904–1911, http:// kramerius.mzk.cz/search/i.jsp?pid=uuid:f936dcfd-f1cc-11e1-84fc0050569d679d (27. April 2015). Vgl. Archiv Mĕsta Brna, fond B 1/39 – Národní výbor mĕsta Brna – Kartotéka domovského práva 1850–1948, Kartothek des Heimatsrechts von Arthur Feldmann. Vgl. Archiv Mĕsta Brna, fond Z 1 – Pobytová evidence občanů, Brno (1909) 1918–1953, Meldezettel der Familie Feldmann. Vgl. Eintrag zu Otto Feldmann in der Datenbank Students of Prague Universities 1882–1945, http://is.cuni.cz/webapps/ archiv/public/?lang=en (24. März 2015). Freundliche E-Mail-Auskunft von Ulrike Denk, Archiv der Universität Wien, vom 5. Mai 2015. Karl begann sein Studium im Wintersemester 1930/31 und war bis Sommersemester 1932 inskribiert. Während dieser Zeit war Karl auch in Wien gemeldet. Vgl. WStLA, Historische Meldeunterlagen, Meldeauskunft Karl Feldmann vom 29. April 2015. In der Kanzlei von Arthur Feldmann waren auch noch die Anwälte Wilhelm Kraus, Iren Kreuszel, Václav Řehořka und Ladislav Zochlár tätig. Vgl. Adreßbuch von Groß-Brünn 1934, http://kramerius.mzk.cz/search/i.jsp?pid=uuid:c2017983-f1d511e1-84fc-0050569d679d#periodical-periodicalvolume-page_ uuid:4a275662-f1d7-11e1-84fc-0050569d679d (17. Juni 2015). Vgl. Landesarchiv Berlin, B Rep. 026-06, Nr. 6337/59, Eidesstattliche Erklärung Josef Schaab, 20. April 1965. Vgl. Privatarchiv Feldmann, Eidesstattliche Erklärung Vally (Valerie) Feldmann, 27. September 1966. Vgl. Archiv Mĕsta Brna, fond Z 1 – Pobytová evidence občanů, Brno (1909) 1918–1953, Meldezettel Arthur Feldmann und Otto Feldmann sowie fond A 1/3 – Sbírka rukopisů a úředních 1333–1945 (1958), rukopis č. 8229, č. 1140 Arthur Feldmann. Vgl. Národní archiv Praha, Okupační vězeňské spisy, Transport U vom 28. Jänner 1942 und Transport Et vom 23. Oktober 1944.

10

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zeitig verlassen und fanden Zuflucht in Palästina.17 Otto Feldmann verstarb 1956 ohne Nachkommen, sein jüngerer Bruder Karl starb 1989 und hinterließ drei Kinder.18 Entstehung und Profil der Sammlung Arthur Feldmann verfügte zu Beginn der 1930er-Jahre über eine anerkannte Sammlung, in deren Fokus die Handzeichnungen Alter Meister standen. Bevor er systematisch alte Zeichnungen zu erwerben begann, hatte er bereits Gemälde gesammelt. Der Beginn seiner Sammlertätigkeit ist mit Anfang der 1920er-Jahre überliefert. Begegnungen mit Wiener Museumsleuten und Kunsthändlern fanden ab Anfang der 1930er-Jahre statt. Im Laufe dieser Jahre wuchs seine Sammlung auf rund 800 Zeichnungen an.19 Obwohl es Uri Arthur Peled-Feldmann später gelang, zahlreiche Blätter der ehemaligen Sammlung seines Großvaters ausfindig zu machen, ist bis heute wenig über die Entstehung der Sammlung selbst bekannt. Bei ihrem Aufbau war Otto Benesch, der spätere Direktor der Albertina, maßgeblich beteiligt. Benesch verfasste auch das Katalogvorwort, als ein Teil der Sammlung am 28. Juni 1934 im Buch- und Kunstantiquariat Gilhofer & Ranschburg in Luzern versteigert wurde (Abb. 2). Der

Abb. 2 Versteigerungskatalog des Buch- und Kunstantiquariates Gilhofer & Ranschburg

Versteigerungskatalog mit den Ausführungen Beneschs ist eine der wenigen erhaltenen Quellen, die einen Einblick in diese umfangreiche Privatsammlung ermöglichen. Die Sammlertätigkeit Feldmanns wurde – wie Otto Benesch in seiner Einleitung festhielt – »in erster Linie von dem Gesichtspunkt der Qualität« geleitet und unter dem damit meist einhergehenden Aspekt, »daß das Objekt eine ›Handschrift‹, einen Charakter, eine Individuali-

schätzung erfreuten. Dieser Gesichtspunkt galt für die vorliegende Sammlung nicht und das macht nicht zuletzt ihre Eigenart, ihr persönliches Gepräge aus.21 Dass Otto Benesch mit dieser Sammlung so vertraut war, lag daran, dass er Arthur Feldmann seit 1930 persönlich

tät – mag sie auch anonym bleiben – widerspiegle. […] Diese von ›Berühmtheiten‹ absehende, aber Qualitäten pflegende Art des Sammelns ist der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart nicht gerade geläufig«.20 Denn laut Benesch wurden Sammlungen zu dieser Zeit üblicherweise nach folgenden Kriterien zusammengestellt: Die Sammlertätigkeit der Nachkriegszeit wurde vornehmlich von dem Gesichtspunkt geleitet, möglichst »große Namen« und »große Stücke« jener Perioden zustande zu bringen, die sich jeweils besonderer, nicht zum wenigsten kommerziell dirigierter Wert-

17 Laut den Meldeunterlagen verließ Otto die Stadt Brünn im März 1940, Karl im Februar 1940. Vgl. Archiv Mĕsta Brna, fond Z 1 – Pobytová evidence občanů, Brno (1909) 1918–1953, Meldezettel Otto und Karl Feldmann. 18 Vgl. Bundesarchiv Koblenz, B 323/491: Restitution von Kunstwerken, Eidesstattliche Erklärung von Hans (Jan) Hofmann, 26. März 1996. 19 Vgl. Privatarchiv Feldmann, Eidesstattliche Erklärung von Karl Feldmann, 27. September 1966. Durch den Verkauf einiger Blätter im Jahr 1934 und nachfolgende Erwerbungen wurde der Umfang der Sammlung im Jahr 1939 auf ca. 750 Zeichnungen geschätzt. 20 BENESCH, in: Luzern 1934, o. S. 21 BENESCH, in: Luzern 1934, o. S. 11

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gekannt hatte und von diesem mit der »wissenschaft­

einzelnen Katalognummern ebenso Hinweise zu ihrer

lichen Bestimmung der Handzeichnungen der Meister

Herkunft. So befanden sich beispielsweise das Blatt Kuh-

der ausseritalienischen Schulen« beauftragt worden

melkerin aus der Hand eines Rembrandtschülers und

war. Ferner stand Benesch mit seinem Fachwissen für

weitere Zeichnungen einst in der Sammlung von Dr. Ste-

weitere Erwerbungen zur Verfügung, was auch zu Besu-

fan von Licht, die Anfang Dezember 1927 in der Kunst-

chen in Brünn führte. Für die Meister der italienischen

handlung Hugo Helbing in Frankfurt am Main versteigert

Schule war der Kunsthistoriker Wilhelm E. Suida zustän-

worden war.29 Der ehemaligen Sammlung Licht konnte

22

dig. Aber auch Albert Kutal, ebenfalls Kunsthistoriker

ebenso die Zeichnung Ein König überreicht einer Frau

und jahrelanger Mitarbeiter des Moravské zemské mu-

eine Krone (Kat. 21) zugeordnet werden. Obwohl dieses

23

zeum in Brünn (Mährisches Landesmuseum) war zu Be-

Werk nicht im Auktionskatalog von 1934 aufscheint, ließ

such im Hause Feldmann.24 Der Hausarzt und Freund der

sich seine Herkunft einem Katalog der Kunsthandlung

Familie, Charles (Karl) Blum, erinnerte sich wie folgt:

Gustav Nebehay entnehmen.30 Zuvor tauchte das Blatt Mitte November 1924 bei einer Versteigerung im Buch-

Dr. Feldmann, der Vater des Herrn Karl Feldmann

und Kunstantiquariat C. G. Boerner auf.31 Die Handzeich-

war ein begeisterter und anerkannter Sammler von

nungen-Sammlung des 1926 in Mannheim verstorbenen

Handzeichnungen seit dem Jahre 1922. Die Samm-

Sammlers Dr. Carl Gaa wurde 1930 ebenfalls im Buch- und

lung wurde mit grosser Liebe seinen guten Freunden

Kunstantiquariat C. G. Boerner in Leipzig versteigert. Aus

und Beratern zur Ansicht gestellt. Die Sammlung,

dieser Kollektion stammen unter anderem Blätter der

die Handzeichnungen von deutschen, italienischen, hollaendischen, flaemischen und französischen alten Meistern in Fuelle enhielt [sic], war in feuerfesten Regalen im Wohnzimmer des Hauses, Traubengasse 13, aufgehoben. Ich hatte oefters Gelegenheit, die wertvolle Sammlung mit Dr. Feldmann, Dr. Benesch und Dr. Steif, seinen Kunstberatern zu studieren.25 Der fachkundigen Beratung und Unterstützung ist es wohl zu verdanken, dass Feldmanns Erwerbungen zum Teil aus anderen namhaften Kollektionen stammten, was ebenso dem Versteigerungskatalog von Gilhofer & Ranschburg zu entnehmen ist: »Die Kenner werden auf viele alte Sammlungen von gutem Klang als Quellen stoßen. Daß Lanna, Artaria, Klinkosch, Wurzbach und ähnliche des alten Österreich häufig begegnen, beweist, daß der Sammler nicht die geringsten seiner Schätze aus diesem noch immer unerschöpften Reservoir gezogen hat.«26 Aus der ehemaligen Sammlung des Barons Adalbert von Lanna aus Prag, die unter anderem im Mai 1911 im Kunst-Auctions-Haus Rudolph Lepke in Berlin versteigert worden war, können einige Blätter nachgewiesen werden.27 Ebenso aus den erwähnten Wiener Sammlungen Wurzbach-Tannenberg und Klinkosch.28 Abgesehen von den aufgezählten Provenienzen finden sich bei den

22 Privatarchiv Feldmann, Eidesstattliche Erklärung Otto Benesch, 16. September 1959. 23 Vgl. Privatarchiv Feldmann, Eidesstattliche Erklärung Otto Benesch, 16. September 1959. 24 Vgl. Privatarchiv Feldmann, Eidesstattliche Erklärung Albert Kutal, 24. August 1966. 25 Landesarchiv Berlin, B Rep. 026-06, Nr. 6337/59, Eidesstattliche Erklärung Charles (Karl) Blum, 5. April 1965. Bei Dr. Steif handelt es sich wohl um den Brünner Kunsthistoriker Dr. Maximilian Steif (1881–1941). 26 BENESCH, in: Luzern 1934, o. S. 27 Vgl. Kat. d. Verst. Rudolph Lepke, Sammlung des Freiherrn Adalbert von Lanna, Prag, Versteigerung 22. Mai 1911 und folgende Tage, Berlin 1911; VOLRÁBOVÁ 2003, Nr. 30, S. 70. 28 Vgl. Eintrag L. 2587 zu Alfred von Wurzbach-Tannenberg sowie L. 577 zu Josef Carl von Klinkosch bei Frits Lugt. Les Marques de Collections de Dessins & d’Estampes: http://www. marquesdecollections.fr/ (2. März 2015). 29 Vgl. Kat. d. Verst. Hugo Helbing, Sammlung Dr. Stefan von Licht, Wien. Handzeichnungen und Aquarelle alter und moderner Meister des 16. bis 19. Jahrhunderts, Frankfurt am Main, 7. Dezember 1927, Nr. 297. 30 Vgl. Wien 1927. 31 Vgl. Kat. d. Verst. C. G. Boerner, Wertvolle Handzeichnungen alter und neuer Meister des XV. bis XIX. Jahrhunderts, Leipzig, 13. November 1924, Nr. 446. In diesem Versteigerungskatalog konnten noch weitere Blätter (Nrn. 220, 287 und 481), die sich dann im Eigentum Feldmanns befanden, eruiert werden. Es liegt nahe, dass Arthur Feldmann diese in der Kunsthandlung Nebehay erworben hat.

12

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niederländischen Künstler Pieter de Molijn sowie Isaac

Renaissance sind ebenso zu erwähnen wie Joachim von

Die Zeichnung

Sandrart oder Franz Anton Maulbertsch als Repräsen-

Christus vor Kaiphas vom Antwerpener Künstler Marten

tanten des deutschen Barocks. Manch schönes Blatt

de Vos kam 1926 im Berliner Buch- und Kunstantiquariat

fand sich auch bei den Niederländern, die den Hauptan-

Max Perl zur Versteigerung.33 1932 vermittelte der Wie-

teil der Sammlung ausmachten. Neben Werken des wohl

ner Kunsthändler Max Hevesi der Albertina gegen Abga-

­bekanntesten und bedeutendsten Malers Rembrandt van

be von Doubletten an das Wiener Buch- und Kunstanti-

Rijn waren auch Zeichnungen seiner Schüler Ferdinand

quariat Gilhofer & Ranschburg sieben Dürerzeichnungen

Bol, Govert Flinck, Willem Drost oder Jan Joris van Vliet

aus dem ehemaligen Besitz des Prinzen Heinrich Lubo-

vorhanden. Als ein besonders seltenes Blatt wurde das

mirsky aus Lemberg. Aus diesem Bestand hatte auch

­ atinir­ bei Max Hevesi erworbene Waldstück von Joachim P

Arthur Feldmann ein Blatt erworben, die Handstudie von

hervorgehoben.41

­Albrecht Dürer.

van Ostade und Adriaen van Ostade.

32

Die

italienische

Hochrenaissance­

1934 erstand Otto Benesch bei Max

war mit Werken von Fra Bartolommeo, Andrea del Sar-

Hevesi zwei Zeichnungen des flämischen Malers und

to oder Tizian, vertreten. Der Barock hatte besonders

Zeichners Joachim Patinir – ein Blatt für die Albertina,

schöne Stücke von Gian Lorenzo Bernini, Salvator Rosa

das andere für die Sammlung Feldmann.35 Es begegnen

oder Stefano della Bella vorzuweisen. Das 18.  Jahrhun-

uns unter anderem noch klingende Sammlernamen wie

dert wurde durch Werke von Giovanni Battista Piazzetta,

Joseph Daniel Böhm (Wien), Thomas Dimsdale (London),

Giovanni Domenico Tiepolo, Francesco Guardi­­­oder An-

Edward Habich (Boston/Kassel), Carl König (Wien), Wil-

tonio Canal, genannt Canaletto repräsentiert. Im Gegen-

helm König (Wien), Reinhold von Liphart (Dorpat), Ar-

satz zu der Vielfalt der anderen Schulen besaß Feldmann

34

nold Otto Meyer (Hamburg) oder Rudolf Peltzer (Köln).

36

Die Angaben im Auktionskatalog von Gilhofer & Ransch-

­lediglich einige wenige charakteristische Blätter der englischen und spanischen Schule.42

burg sind vielfältig und ermöglichen Rückschlüsse auf die Herkunft der Blätter, aber auch auf den Gehalt der Sammlung. Durch Arthur Feldmanns individuelle und vielseitige Orientierung beim Erwerb seiner Blätter »entstand ein alle Schulen und Zeiträume umfassendes Gesamtbild«.37 Diese Besonderheit von Feldmanns Sammlungskonzept zeigt sich beispielsweise bei den französischen Handzeichnungen, was auch Otto Benesch hervorhob: »Selten dürfte ein Nichtspezialist ein so geschlossenes Entwicklungsbild der französischen Handzeichnungen zustande gebracht haben wie dieser Sammler.«38 Zu den Klassikern des französischen Barocks zählten gewiss die beiden Skizzen von Nicolas Poussin oder die zwei Federzeichnungen von Claude Lorrain.39 Eine Studie von Jean Baptiste Greuze wurde neben einer Zeichnung von Antoine Watteau und zwei Zeichnungen von Gabriel-Jacques de Saint-Aubin als eines der besten Blätter aus dem 18. Jahrhundert genannt.40 Neben Frankreich waren die transalpinen Schulen Deutschland und Niederlande gleichermaßen stark vertreten. Die deutschen Künstler ­Albrecht Dürer, Hans Baldung oder Wolf Huber als Vertreter der

32 Vgl. Kat. d. Verst. C. G. Boerner, Handzeichnungen alter Meister des XV. bis XVIII. Jahrhunderts aus dem Besitze von Frau Geheimrat Ehlers, Göttingen, und andere Beiträge aus Privatbesitz, dabei die Sammlung Dr. Gaa, Mannheim, Leipzig, 9. und 10. Mai 1930, Nrn. 269, 312, 313 und 315. 33 Vgl. Provenienzhinweis bei Katalognummer 22 in: Kat. d. Verst. Sotheby’s, Old Master Drawings including property from the Arthur Feldmann collection, London, 6. Juli 2005, sowie Auktionskatalog Max Perl, Katalog einer reichhaltigen Kollektion von Handzeichnungen und Aquarellen berühmter Meister aller Schulen des XV. bis XX. Jahrhunderts, Berlin, 8. und 9. November, 1926, Nr. 745, Taf. 21. Der deutsche Kunsthistoriker Werner Schade schreibt das Blatt mittlerweile dem deutschen Künstler Christoph Gertner zu. Vgl. Kat. d. Verst. Sotheby’s, London, 6. Juli 2005, S. 32, Nr. 22. 34 Vgl. TIETZE und TIETZE-CONRAT 1932, S. 115ff. sowie NEBEHAY 1983, S. 211. 35 Vgl. Paris 1935, Nr. 204. 36 Vgl. Luzern 1934. 37 BENESCH, in: Luzern 1934, o. S. 38 BENESCH, in: Luzern 1934, o. S. 39 Vgl. Luzern 1934, Nrn. 157, 158, 216 und 217. 40 Vgl. BENESCH, in: Luzern 1934, o. S. sowie Nrn. 124, 256, 257 und 323. 41 Vgl. BENESCH, in: Luzern 1934, o. S. und Nr. 204. 42 Vgl. Luzern 1934. 13

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19. Jahrhunderts und des beginnenden 20. Jahrhunderts gekauft worden waren. Zudem handelte es sich nicht nur um Arbeiten auf Papier, sondern auch um Ölgemälde, wie etwa zwei Blumenstillleben von Karl Rickelt.44 Denn auch eine kleine Sammlung an Ölgemälden hatte sich in der Brünner Villa befunden. Das wertvollste davon, ein Werk von Domenico Fetti, wurde Mitte der 1930er-Jahre durch Vermittlung von Otto Benesch an Graf Antoine Seilern in London verkauft, der dieses später dem Kunsthistorischen Museum in Wien vermachte, wo es sich heute noch befindet.45 Laut Benesch wollte sich Arthur Feldmann offensichtlich von Teilen seiner Gemäldesammlung trennen.46 Bis auf das eben genannte Bild und jene Werke, die in der Galerie Heinemann erworben worden waren, ist nichts über die Gemäldesammlung Feldmann bekannt.47 Neben seiner Sammlertätigkeit beteiligte sich Feldmann auch als Leihgeber bei Ausstellungen in der Albertina. Im Herbst 1934 fand die Ausstellung Watteau und sein Kreis statt, die mit drei Blättern aus der Sammlung Feldmann ergänzt worden war. Mit lobenden Worten erwähnte Josef Bick, der erst im Mai desselben Jahres zum Direktor der Albertina ernannt worden war, dass »erstmalig private Kunstfreunde und Sammler […] wertvolle Leihgaben für die Ausstellung zur Verfügung stellen«.48 Die von Otto Benesch kuratierte Schau präsentierte das umfangreiche Œuvre Watteaus, ergänzt durch Werke seiner Abb. 3 Galerie Heinemann, Käuferkartei zu Dr. Arthur Feldmann, Brünn

Feldmann sammelte nicht ausschließlich alte Meisterzeichnungen, auch Beispiele der Kunst um 1900 hatte seine Sammlung aufzuweisen. Hierzu zählen mehrere Landschaften des deutschen Malers Karl Heffner, die Feldmann in den frühen 1920er-Jahren in der Galerie Heinemann in München erworben hatte.43 Die heute noch vorhandene Käuferkartei (Abb. 3) und die entsprechenden Karteikarten zu den einzelnen Objekten dokumentieren den Kauf von 18 Kunstwerken zwischen 1923 und 1925. Die Erwerbungen bei der Galerie Heinemann sind für den bisher bekannten Sammlungsschwerpunkt Feldmanns ungewöhnlich, da bis auf eine Zeichnung des niederländischen Malers Nicolaes Berchem aus dem 17. Jahrhundert ausschließlich Werke von Künstlern der zweiten Hälfte des

Schüler und seines Umkreises. Aus der Sammlung Feldmann war je eine Zeichnung von Antoine Coypel, François 43 Vgl. Datenbank Galerie Heinemann online: http://heinemann. gnm.de (20. Februar 2015). 44 Der deutsche Maler Karl Rickelt (1857–1944?) galt als der fleißigste und beliebteste »Führer-Maler«. Zwischen 1923 und 1944 soll Rickelt 29 Bildnisse von Adolf Hitler gemalt und 1942 dafür die vom Führer verliehene Goethe-Medaille erhalten haben. Vgl. 29 Bilder des Führers gemalt, in: Marburger Zeitung Nr. 274 vom 1. Oktober 1942, S. 4. 45 Das Werk befindet sich seit 1981 unter der Inventarnummer GG 9799 in der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums. Freundliche E-Mail-Auskunft von Susanne Hehenberger vom 18. März 2015. 46 Vgl. Privatarchiv Feldmann, Eidesstattliche Erklärung Otto Benesch, 30. September 1959. 47 Karl Feldmann erwähnte in seiner Erklärung vom 27. September 1966 lediglich den Besitz einiger wertvoller Ölgemälde. 48 Josef BICK, in: Wien 1934, o. S.

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Lemoyne und Adam Frans van der Meulen zur Verfügung

Eine erste Zäsur: Der Verkauf der Sammlung

gestellt worden. Kurz darauf, im Frühjahr 1935, war die

Die Weltwirtschaftskrise zwang Arthur Feldmann, einen

Zeichnung Der heilige Christophorus von Hans Baldung in

Teil seiner Sammlung zu veräußern. Die Auktion, bei der

49

der anlässlich des 450. Geburtstages des Künstlers veran-

Handzeichnungen aus dem Besitz Feldmanns und einer

stalteten Ausstellung zu sehen.50 Die als Frühwerk Griens

anderen Privatsammlung58 zur Versteigerung kamen,

im Umkreis der Dürerschule eingestufte Federzeichnung

fand am 28. Juni 1934 im Buch- und Kunstantiquariat Gil-

besprach Otto Benesch bereits 1932 in einem seiner Auf-

hofer & Ranschburg in Luzern statt. Die 333 angebote-

sätze zu Meisterzeichnungen in den Mitteilungen der Ge-

nen Kunstwerke konnten dort zuvor in einer Ausstellung

sellschaft für vervielfältigende Kunst.51 In derselben Ausga-

vom 20. bis 27. Juni begutachtet werden.59 Obgleich heu-

be befasste sich Eva Steiner, die spätere Ehefrau von Otto

te noch mehrere Exemplare des Auktionskatalogs dieser

Benesch, in ihrem Beitrag zu Jacques Bellange ebenfalls

Versteigerung vorliegen, ermöglichte erst ein annotier-

mit einem Blatt aus der Sammlung Feldmann, einer Rötel-

tes Handexemplar mit zahlreichen Zusatzinformationen

zeichnung, die eine weibliche Gestalt mit einer Schale in

genauere Rückschlüsse.60 Im erwähnten Exemplar ist bei

der Rechten darstellt und bis dahin dem Künstler Bartho-

jeder Katalognummer die jeweilige Sammlungsherkunft

lomäus Spranger zugeordnet worden war.52

des Blattes mit einem Kürzel versehen. Die Kennzeich-

In den 1930er-Jahren wurden Zeichnungen aus dem

nung der Feldmann’schen Blätter erfolgte mit der Abkür-

Besitz Feldmanns immer wieder als Vergleichsbeispiel

zung »Felmn«. Dadurch konnten 261 Zeichnungen der

herangezogen. So fanden zwei frühe Federzeichnungen

Sammlung Feldmann zugeordnet werden. Jene Zeich-

Rembrandts Eingang in Beneschs Beitrag Unbekanntes

nungen, die mit dem Kürzel »Czeczow« annotiert wur-

und Verkanntes von Rembrandt.53 Hans Tietze und seine

den, stammten aus der Wiener Sammlung Czeczowicz-

Frau Erika Tietze-Conrat wiederum erörterten im Jahr-

ka.61 Ferner wurden auf zusätzlich eingeklebten Seiten

buch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien die 1932

die Preise, die Namen der Käufer sowie die nichtverkauf-

neu erworbenen Dürerzeichnungen der Albertina und ver­wiesen dabei auf die bereits erwähnte Handstudie Dürers, die Arthur Feldmann zur gleichen Zeit wie die Albertina erworben hatte.54 Zwei Jahre später wird diese Studie mit den zuvor genannten Blättern bei der Versteigerung Handzeichnungen alter Meister aus zwei Privatsammlungen bei Gilhofer & Ranschburg in Luzern angeboten. Im Auktionskatalog findet sich auch jene Landschaft mit einem Felsblock wieder, die wie eingangs erwähnt von der Albertina Ende der 1980er-Jahre im Dorotheum erworben und 1928 erstmals von Lili Fröhlich-Bum, damals Mitarbeiterin der Albertina, in ihrem Beitrag Studien zu Handzeichnungen der italienischen Renaissance mit einer Zuschreibung an Giovanni Girolamo Savoldo publiziert worden war.55 Ein paar Jahre nach Fröhlich-Bum veröffentlichte Feldmanns Berater Wilhelm E. Suida die Zeichnung mit einer Neuzuschreibung an Tizian.56 Aber auch andere Mitarbeiter der Albertina wie Joseph Meder, ehemaliger Direktor der ­Albertina, sowie Heinrich Leporini, ehemaliger Kustos der Albertina, hatten Blätter der Sammlung Feldmann in ihren Arbeiten angeführt.57

49 Siehe die Katalognummern 5,7 und 8 in: Wien 1934. 50 Vgl. Wien 1935. 51 Vgl. BENESCH 1932, S. 9–18. In dieser Schriftenreihe erschienen noch weitere Beiträge von Otto Benesch, in denen Werke der Sammlung Feldmann besprochen wurden. Siehe dazu die Literaturangaben in den Fußnoten 63 und 64. 52 Vgl. STEINER 1932. Dieses Blatt wurde 1934 verkauft und befindet sich heute in der Morgan Library & Museum in New York, bis 2005 als Pierpont Morgan Library bekannt. 53 Vgl. BENESCH 1933–1934, Abb. 249 und 251. 54 Vgl. TIETZE und TIETZE-CONRAT 1932, S. 119. 55 Vgl. FRÖHLICH-BUM 1928, S. 195, Abb. 264. 56 Vgl. SUIDA 1933, S. 77, Taf. CXXII a. 57 Beispielsweise LEPORINI 1931. 58 Bei der zweiten Sammlung handelte es sich um die Wiener Sammlung Czeczowiczka, auf die noch kurz eingegangen wird. 59 Vgl. Luzern 1934. 60 Ich danke Axel Erdmann von Gilhofer & Ranschburg GmbH Luzern für die Kopie dieses Katalogs und für weiterführende Informationen. 61 Der Wiener Industrielle Edwin Czeczowiczka begann wie Arthur Feldmann in den frühen 1920er-Jahren mit seiner Sammeltätigkeit und hatte sich unter Beratung von Gustav Nebehay eine bedeutsame Sammlung von Romantikerzeichnungen aufgebaut. Die Sammlung wurde 1938 sichergestellt und in die Verwahrung der Zentralstelle für 15

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ten Positionen eingetragen. Denn weder der Titel des

chung einer Tizianstudie, die mit der Herkunft »Brünn,

Katalogs – Handzeichnungen alter Meister aus zwei Pri-

Sammlung Dr. Otto Feldmann« ausgewiesen ist, ist ein-

vatsammlungen – noch das Vorwort gaben Auskunft, aus

leitend zu lesen: »In der an interessanten italienischen

welchen Sammlungen die Zeichnungen stammten. Das

Blättern reichen Sammlung fand ich unter dem Namen

Ergebnis der Versteigerung war nicht besonders erfolg-

Cavedone zwei groß angelegte Zeichnungen von Tizi-

reich, nur 95 Blätter hatten Abnehmer gefunden – davon

an.«63 In dieser Ausgabe wurde ein weiteres Blatt – Die

78 Blätter aus der Sammlung Feldmann. Zu den Werken

heilige Familie von Parmigianino – beschrieben und mit

mit den höchsten Schätzpreisen zählten eine Zeichnung

Herkunft Sammlung Dr. Otto Feldmann ausgewiesen.64

von Saint-Aubin mit 10.000 Schweizer Franken oder Dü-

Dass die Sammlung als Ganzes oder in Teilen dem Sohn

rers Handstudie mit 8.000 Schweizer Franken. Es waren

Otto zur Verwaltung übertragen worden war, hatte ver-

vor allem die repräsentativen und qualitätsvollen Zeich-

mutlich steuerrechtliche Gründe.

nungen aus der Sammlung Feldmann, die schließlich verkauft wurden. Bei Verkauf aller angebotenen Werke

März 1939 und das weitere Schicksal der

wäre gemäß den Schätzpreisen ein Ergebnis von 170.900

Familie Feldmann

Schweizer Franken zu erwarten gewesen. Die nicht ver-

Mit der Besetzung Brünns im März 1939 bekam auch

steigerten Blätter der Sammlung Feldmann wurden An-

die Familie Feldmann die Schikanen gegen die jüdische

fang Oktober retourniert, bis auf jene drei, die mit der

Bevölkerung zu spüren. So war das Ehepaar Feldmann

zusätzlichen Notiz »für Dr. Benesch« versehen worden

gezwungen binnen Stunden sein Heim zu verlassen, dar-

waren. Diese wurden Ende September nach Wien über-

über hinaus war es Arthur Feldmann als Jude nicht mehr

stellt, da sie als Leihgaben für die geplante Watteau-Aus-

gestattet, seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt nachzuge-

stellung in der Albertina vorgesehen waren. Neben den

hen. Sein Name wurde von den Anwaltslisten gestrichen

beiden Privatsammlungen wurden in dieser Auktion

und die Kanzlei geschlossen.65 Anfang Juli 1939 wurde

auch einige Zeichnungen aus dem Bestand des Wiener

»mit sofortiger Wirkung jede Verfügung über das […] of-

Kunsthändlers Gustav Nebehay, unter dessen Mitwir-

fene Konto und sonstige Vermögenswerte des Dr. Arthur

kung die Versteigerung stattgefunden hatte, sowie aus

Feldmann in Brünn, Krapfengasse 19« untersagt. Dies be-

den Lagerbeständen der Schweizer Dependance von Gil-

traf beispielsweise sein Konto bei der Filiale der Böhmi-

hofer & Ranschburg angeboten.

schen Union Bank in Brünn in bedeutender Höhe, das

Offenbar war auch Arthurs Sohn Otto in die Verwal-

auf Anweisung und zugunsten des Devisenschutz-Son-

tung der Sammlung miteinbezogen. So existiert eine

derkommandos in Brünn gesperrt worden war.66 Die in

Sammlungsliste aus den 1930er-Jahren, die aus nicht bekanntem Grund von Otto notariell beglaubigt worden war. Seit der Auktion aus dem Jahre 1934 findet sich bei 62

den Blättern der Feldmann’schen Sammlung als Provenienzangabe der Name »Otto Feldmann«. Er ist es, dem man für die Leihgaben bei den Ausstellungen Watteau

62 63 64

und sein Kreis sowie Hans Baldung Grien dankte. Auch anschließend wird Otto Feldmann häufig als Besitzer von Zeichnungen aus der Sammlung Feldmann erwähnt. In den Mitteilungen der Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst erschienen 1936 und 1938 mehrere Beiträge von Otto Benesch, in denen Zeichnungen aus der Sammlung Feldmann besprochen beziehungsweise als Vergleichsbeispiele herangezogen worden waren. Bei der Bespre-

65 66

Denkmalschutz übergeben. Das restliche Übersiedlungsgut wurde von der Geheimen Staatspolizei beschlagnahmt und 1942 über das Dorotheum veräußert. Vgl. LILLIE 2003, S. 275ff. Vgl. Privatarchiv Feldmann, diverse Sammlungslisten. Vgl. BENESCH 1936, S. 15. Vgl. BENESCH 1936, S. 60–66. Zwei Kopfstudien van Dycks, bei denen ebenfalls Otto Feldmann als Eigentümer vermerkt war, waren 1938 von Benesch Zur Frage der frühen Zeichnungen van Dycks herangezogen worden (vgl. BENESCH 1938, S. 19–31). In einem Ausstellungskatalog der Mährischen Galerie ist die Herkunft einiger Zeichnungen ebenfalls mit »Sammlung Otto Feldmann« angegeben (vgl. Brünn 1969, S. 47f.). Vgl. Privatarchiv Feldmann, Eduard Göpfert an Otto Feldmann, 21. Juni 1947. Moravský zemský archiv v Brno (Mährisches Landesarchiv Brünn), Zollfahndungszweigstelle Brünn, Devisenschutz Sonderkommando Brünn, Signatur E 1339/39.

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der Zentralbank der Deutschen Sparkasse Prag als Pfand für ein Darlehen deponierten Schmuckstücke wurden an eine Ankaufstelle des Deutschen Reiches für jüdische Vermögenswerte, die sogenannte Hakoma, abgegeben und in Folge von dieser weit unter dem eigentlichen Wert verkauft.67 Darüber hinaus kamen verschiedene ausstehende Geldforderungen zum Erliegen, was in Kombination mit dem Arbeitsverbot schließlich zur Verschuldung Feldmanns führte. Hinzu kam, dass gegen Feldmann Ende Jänner 1940 eine durch die NS-Behörden gelenkte Anzeige wegen Betruges, Untreue etc. erstattet worden war, in deren Folge es zur Untersuchungshaft in der Festung Špilberk (Spielberg) kam.68 Als Anwalt

Abb. 4 Unterschrift und Signatur von Heinrich Rosorius in seiner Funktion als Treuhänder von Dr. Arthur Feldmann

Reichel, der damalige kommissarische Leiter der Alberti-

der Gräfin Elvira Wrbna von Jameritz warf man ihm vor,

na, erklärte Ende Mai, »dass die Albertina die Zeichnun-

dass er sich bei der Verteilung von Geldern persönlich be-

gen Sammlung [sic] des Dr. Feldmann als Ganzes nicht

reichert hätte und durch Machenschaften mit Oskar Jel-

erwerben kann«, unterbreitete aber den Vorschlag, den

linek69 und Franz Fritscher70 der gräfliche Besitz herunter-

Kustos Heinrich Leporini, dem die Sammlung von frü-

gewirtschaftet worden wäre. Den Beschuldigten konnte

her her bekannt war, zur Begutachtung nach Brünn zu

allerdings nichts nachgewiesen werden, und so wurde

schicken, und die für die Albertina infrage kommenden

Zu dieser Zeit befand sich

Stücke auszuwählen. Zeitgleich unterrichtete Reichel

das Verfahren eingestellt.

71

Arthur Feldmann bereits seit mehreren Jahren wegen einer ­Arterienerkrankung in ärztlicher Behandlung, sodass er Anfang März 1940 wegen Haftunfähigkeit wieder entlassen wurde.72 Gut ein Jahr später verstarb Ar­thur am 16. März 1941 an den Folgen seiner Erkrankung.73 Seit Mitte Oktober 1940 war Heinrich Rosorius74 als »Treu­ händer für das gesamte Vermögen des Juden Dr.  Arthur Feldmann« (Abb. 4) eingesetzt worden, der mit Feldmanns Tod nun auch die Funktion des Verlassenschaftskurators übernahm.75 In der von ihm erstellten »Vermögensübersicht zum Todestage des Juden Dr. Ar­ thur Feldmann« wurden die verbliebenen Besitztümer erfasst, darunter auch Möbel, Bilder und Handzeichnungen, allerdings nur summarisch. Die Schätzung diverser Handzeichnungen belief sich auf 68.945 Kronen, die der Bilder auf 4.800 Kronen. Die Bücher waren gemeinsam mit der Hauseinrichtung und den Möbeln mit einem Wert von 5.108,80 Kronen angegeben.76 Heinrich Rosorius hatte sich Mitte April 1941 an die Albertina gewandt und erkundigt, ob man Interesse hätte, Handzeichnungen »aus der Verlassenschaft des am 16. III. 1941 verstorbenen Dr. Arthur Feldmann« zu erwerben.77 Die drei beigefügten Listen umfassten insgesamt 128 Blätter.78 Dr. Anton

67 Vgl. Privatarchiv Feldmann, Eidesstattliche Erklärung Jan Zajíček, 23. Juni 1965. 68 Vgl. Národní archiv Praha, Okupační vězeňské spisy (Nationalarchiv Prag, Besatzungsgefangenenakten), Signatur 101-615/5, Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Brünn, Annahmebefehl Dr. Arthur Feldmann, 27. Jänner 1940. 69 Oskar Jellinek war der frühere Generalbevollmächtigte der Gräfin Wrbna von Jameritz. 70 Der Sägewerkbesitzer Franz Fritscher stand mit der gräflichen Familie in Geschäftsverbindungen. 71 Vgl. Národní archiv Praha, Okupační vězeňské spisy, Signatur 101615/5, Schlussvermerk der Geheimen Staatspolizei, 27. März 1940. 72 Vgl. Národní archiv Praha, Okupační vězeňské spisy, Signatur 101-615/5, Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Brünn, Entlassungsbefehl Dr. Arthur Feldmann, 2. März 1940. 73 Vgl. Archiv Mĕsta Brna, fond A 1/3 – Sbírka rukopisů a úředních 1333-1945 (1958), rukopis č. 8229, č. 1140 Arthur Feldmann. 74 Der Privatbeamte Heinrich Rosorius, geb. 2. November 1881, war seit 1. August 1933 Mitglied der NSDAP. Vgl. BArch (ehem. BDC), NSDAP-Zentralkartei, Mitgliederkarteikarte Rosorius Heinrich. 75 Moravský zemský archiv v Brnĕ (Mährisches Landesarchiv Brünn), Bestand D25, Signatur E 1339/39, Karton 70. 76 Vgl. Národní archiv Praha, Arizační spisy, Signatur 1283 A, Karton 207, Vermögensübersicht zum Todestage des Juden Dr. Arthur Feldmann, Brünn. 77 Archiv der Albertina, Zl. 366, Rosorius an die Albertina, 16. April 1941. 78 Anmerkung: Eine spätere Aufstellung listet 129 Blätter. 17

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se Zeichnungen der ehemaligen Sammlung Feldmann im Herbst 1942 vom Ministerium für Schulwesen und Volkskultur gekauft und als Protektoratseigentum im Mährischen Landesmuseum von Brünn deponiert.85 Von dort wurden sie 1961 in den Bestand der Mährischen Galerie in Brünn überführt und schließlich 2003 aufgrund eines neuen Restitutionsgesetzes an die Erben nach Dr. Arthur Feldmann restituiert.86 Einige der restituierten Blätter wurden ab 2011 im Namen der Erben in Erinnerung an Abb. 5 Die von Heinrich Leporini ausgesuchten Zeichnungen aus der Sammlung Feldmann

die Großeltern Dr. Arthur und Gisela Feldmann der Albertina geschenkt. Diese Schenkung nahm man zum Anlass, diese Zeichnungen im Rahmen einer Ausstellung und in

auch das Generalreferat der Staatlichen Kunstverwal-

der vorliegenden Publikation der Öffentlichkeit zu prä-

tung über das unterbreitete Angebot und beantragte

sentieren. Allerdings waren die erwähnten Blätter nicht

Leporinis Reise nach Brünn, die mit dem Ersuchen, an-

die einzigen, die aus der Sammlung Feldmann in den Be-

schließend Bericht zu erstatten, genehmigt wurde. In

stand des Mährischen Landesmuseums beziehungswei-

seinem am 12. Juni 1941 verfassten Bericht hält Heinrich

se der Mährischen Galerie übergingen. Karl Feldmann

Leporini fest, dass der Großteil der Sammlung schon

hatte im Zuge seiner Vorbereitungen zur Emigration

bei der im Juni 1934 im Buch- und Kunstantiquariat Gil-

nach Palästina Ende 1939 beim Denkmalamt in Brünn ein

79

hofer & Ranschburg erfolgten Versteigerung verkauft

Ausfuhransuchen für 32 Zeichnungen gestellt. In Abspra-

worden sei.80 Er schlägt mit Preisangabe vier Blätter aus

che mit dem Mährischen Landesmuseum, der National-

den begutachteten Restbeständen vor, die für einen Er-

galerie in Prag und dem Ministerium für Schulwesen und

werb durch die Albertina infrage kämen (Abb. 5).81 Zwei Wochen später wurde der Albertina der Erwerb der vier Zeichnungen aus der Sammlung Feldmann bewilligt.82 Erst Anfang September gab Reichel Heinrich Rosorius bekannt, für welche Blätter sich die Albertina entschieden hätte.83 Vermutlich enttäuscht, dass die Albertina nur an vier Blättern interessiert war, beabsichtigte Rosorius unterdessen, die Sammlung im Kunstantiquariat C. G. Boerner in Leipzig versteigern zu lassen. Von Rosorius’ Verkaufsverhandlungen hatte mittlerweile der Reichsprotektor in Böhmen und Mähren erfahren, auf dessen Anweisung dieses Konvolut von Zeichnungen aus der Sammlung Feldmann nun zurückgehalten und dem Mährischen Landesmuseum in Brünn zum Kauf angeboten wurde. Da dem Museum die entsprechenden Geldmittel fehlten, wandte sich der deutsche Direktor des Museums, Karl Hucke, im Jänner 1942 an das Ministerium für Schulwesen und Volkskultur in Prag und erbat Unterstützung beim Erwerb der Blätter, die »zuzüglich der Verwaltungskosten für den Preis von rund 73.000.- K käuflich zu erwerben [wären]«.84 Schließlich wurden die-

79 Archiv der Albertina, Zl. 366, Reichel an das Generalreferat der Staatlichen Kunstverwaltung, 26. April 1941, sowie Zl. 438, Schreiben des Reichsstatthalters in Wien an Anton Reichel, 31. Mai 1941. 80 Es handelte sich keineswegs um den Großteil, sondern lediglich um 78 Zeichnungen, die 1934 bei Gilhofer & Ranschburg verkauft worden waren. 81 Archiv der Albertina, Zl. 438, Reichel an das Generalreferat der Staatlichen Kunstverwaltung, 13. Juni 1941. Reichel, der die Zusammenfassung an das Generalreferat der Staatlichen Kunstverwaltung tags drauf übersandte, fügte noch hinzu, »dass der Verstorbene Dr. A. Feldmann Nichtarier war«. 82 Archiv der Albertina, Zl. 481, Schreiben des Reichsstatthalters in Wien an Anton Reichel, 28. Juni 1941. 83 Archiv der Albertina, Zl. 556, Anton Reichel an Heinrich Rosorius, 9. September 1941. 84 Vgl. Národní archiv Praha, Úřad říšského protektora v Čechách a na Moravĕ (Büro des Reichsprotektors in Böhmen und Mähren), Signatur IV, Karton 1174. 85 Vgl. Národní archiv Praha, Ministerstvo školství (Ministerium für Schulwesen), Karton 3294, Böhmisch-Mährische Landesgalerie in Prag an das Ministerium für Schulwesen, 11. September 1942. 86 Vgl. Property from the Arthur Feldmann collection, in: Kat. d. Verst. Sotheby’s, Old Master Drawings, New York, 28. Jänner 2009, S. 99.

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Volkskultur kam es zu der Vereinbarung, dass im Gegen-

ler Gösta Stenman ersteigerte über 30 Zeichnungen, die

zug für die bewilligte Ausfuhr sechs Zeichnungen in den

später zum Teil im Kunsthandel auftauchten.95

Bestand des Museums übergeben werden mussten.87

Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes hatten

Aus diesem Grunde befanden sich schließlich insgesamt

Arthur Feldmanns Söhne versucht, den Verbleib der

135 Zeichnungen der ehemaligen Sammlung Feldmann

Kunstsammlung aufzuklären. Zu Beginn war es Otto, der

bis zu ihrer Restitution im Besitz der Mährischen Gale-

sich um das Wiederauffinden bemühte. Als dieser 1956

rie. Dies sollte nicht das einzige Museum bleiben, in dem

verstarb, machte sich sein Bruder Karl auf die weitere Su-

Teile der Sammlung Feldmann deponiert wurden. Einige

che. Karl hatte gegen Ende der 1950er-Jahre begonnen,

Zeichnungen, die sich einst im Depot der Národní banka

in Deutschland Entschädigung für die 1939 erlittenen

Československá (Nationalbank der Tschechoslowakei)

Verluste zu beantragen, und um Hilfe bei der Suche nach

beziehungsweise im Besitz der Tschechischen Regierung

den entzogenen Besitztümern angesucht, woraufhin er

befunden hatten, wurden 1956 an die Národní galerie

aufgefordert worden war, entsprechende Beweise für

Praha (Prager Nationalgalerie) übergeben. Diese konn-

den Entzug sowie Unterlagen zur Sammlung vorzulegen.

ten ebenfalls als Blätter der ehemaligen Sammlung Feld-

Infolgedessen schrieb Karl zahlreiche Briefe an Bekann-

mann identifiziert werden und wurden 2013 restituiert.88

te, Freunde und Museumsleute, in der Hoffnung, dass

Neben den in Brünn und Prag verbliebenen Zeichnungen konnten noch weitere ermittelt werden: 1946, fünf Jahre nach Arthur Feldmanns Tod, tauchten 91 Zeichnungen bei einer Versteigerung des Auktionshauses Sotheby & Co in London auf, wo sie unter der Bezeichnung »Property of a Collector« angeboten wurden.89 Frits Lugt, Kenner des internationalen Kunstmarktes, der ebenfalls an der Auktion teilnahm, hatte in seinem Handexem­ plar der Auktion handschriftlich »Feldmann, Oostenrijk« hinzugefügt. Zudem ist am Einband des Katalogs handschriftlich »O. Feldmann, Brünn« ergänzt.90 Fast alle Blätter, deren Provenienz unter den damaligen Fachleuten sehr wohl bekannt gewesen sein dürfte, fanden Abnehmer, und die weitere Zerstreuung der Sammlung Feldmann nahm ihren Fortlauf. Bekannte Institutionen und Sammlerpersönlichkeiten hatten die Chance genutzt, Zeichnungen aus diesem Bestand zu erwerben, und dank einer Käuferliste ist es teilweise möglich, den weiteren Weg der Zeichnungen nachzuverfolgen. Die Londoner Galerie Colnaghi erwarb beispielsweise neun Blätter.91 Der Weiterverkauf von drei Blättern an den Kunsthistoriker Robert Witt ist in den Lagerbüchern der Galerie noch am selben Tag verzeichnet. Witt vermachte die Zeichnungen 1952 per Legat dem Courtauld Institute of Art. Sie wurden schließlich 2007 restituiert.92 Auch jene vier Blätter, die sich heute im British Museum befinden,93 hatte die Galerie Colnaghi noch am Tag der Auktion an das Museum weiterverkauft.94 Der Stockholmer Kunsthänd-

87 Vgl. Archiv Národního Památkové ho Ústavu úop v Brnĕ, fond Státní památkový úřad pro Moravu a Slezsko, Prezidiální spisy, sg. V 29/4, kart. č. 38. Letztendlich erhielt Karl Mitte Dezember 1939 die Ausfuhrgenehmigung für 26 der 32 beantragten Blätter, wobei sich nicht nachweisen lässt, dass er diese tatsächlich mitgenommen hatte. Ganz im Gegenteil: Familienmitglieder sagten aus, dass Karl und Otto mit keinerlei Besitztümern nach Palästina gekommen waren. 88 Zwei Blätter befinden sich heute in der Albertina, die anderen wurden von den Erben über das Wiener Auktionshaus Dorotheum Anfang Oktober 2014 veräußert. Vgl. Kat. d. Verst. Dorotheum, Meisterzeichnungen und Druckgraphik bis 1900, Aquarelle und Miniaturen, Wien, 2. Oktober 2014, lots 80, 98 und 133. 89 Vgl. Kat. d. Verst. Sotheby & Co, Fine Old Master Drawings, London, 16. Oktober 1946. 90 Ein Großteil der Blätter konnte Zeichnungen aus der Gilhofer&-Ranschburg-Auktion zugeordnet werden. Einbringer im Auftrag eines anonymen Sammlers war eine nicht mehr existierende Rechtsanwaltskanzlei namens Bennett & Bennett mit Sitz auf den Kanalinseln. 91 Vgl. Prices and Buyers’ names of the sale of old and modern drawings, 16. Oktober 1946. 92 Vgl. Report of the Spoliation Advisory Panel in respect of three Drawings now in the possession of the Courtauld Institute of Art, January 2007, S.1ff. 93 Anstatt der Restitution entschied man sich für ein Ex Gratia Payment. Vgl. Report of the Spoliation Advisory Panel in Respect of four drawings now in the possession of the British Museum, 17. April 2006. 94 Die übrigen Zeichnungen wurden am 17. Oktober 1946 sowie im April 1949 weiterverkauft. Freundliche E-Mail-Auskunft der Galerie Colnaghi vom 31. März 2015. 95 Vgl. Prices and Buyers’ names of the sale of old and modern drawings, 16. Oktober 1946. 19

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diese ihm Auskunft über die Sammlung seines Vaters und

aller Vermögenswerte von Arthur Feldmann erstellt. In

deren Schicksal geben könnten. Otto Benesch erklärte

einem abschließenden, mit Erläuterungen versehenen

sich sogleich bereit, Karls Bemühungen zu unterstützen.

Bericht, den er 1942 an die Arisierungsabteilung beim

In einem Brief vom September 1959 teilte er mit, dass

Oberlandrat in Brünn übermittelt hatte, war ferner die

er nur über die Zeichnungssammlung Angaben machen

Veräußerung von Handzeichnungen mit 69.000 Kronen,

könne und seine »Erinnerung an Bibliothek, Teppiche und

diverser Bilder mit 6.400 Kronen sowie der Hauseinrich-

Gemälde viel zu undeutlich [sei], als dass sie Unterlage

tung, Möbel und Bücher mit insgesamt 5.108,80 Kronen

für eine Aussage abgeben könnte«. Allerdings erinnerte

vermerkt.103 Diese Angaben bleiben in Rosorius’ Aussage

Benesch sich daran, dass es in der Sammlung auch einige

beim Berliner Landesgericht allerdings dann unerwähnt.

alte Gemälde gab, an denen Arthur Feldmann nicht mehr

Erst Karls Sohn, Uri Arthur Peled-Feldmann, gelang

interessiert gewesen sei und diese zu veräußern beab-

es, nach und nach Kunstwerke in Museen, Auktionen,

sichtigt hätte.96 Charles (Karl) Blum, der zwischen 1920

Ausstellungen etc. aufzuspüren und deren Rückgabe zu

und 1939 regelmäßig im Hause Feldmann verkehrte, hat-

erwirken. Die rückgestellten Kunstwerke wurden zum

te von der Beschlagnahmung der Sammlung gehört, die

Gedenken an das Schicksal der Familie verschiedenen

bis zuletzt in feuerfesten Regalen in der Villa aufbewahrt

Museen und Sammlungen vermacht, so auch der Alberti-

worden war. Auch Albert Kutal gab 1966 zu Protokoll,

na, die mit der Ausstellung und der hier vorliegenden Pu-

die Sammlung gekannt und gemeinsam mit Otto Be-

blikation ein Zeichen der Erinnerung an die einstmals so

nesch noch kurz vor der Besetzung besucht zu haben.

98

bedeutende Sammlung setzt. Obwohl der Verbleib vieler

Darüber hinaus wusste die ehemalige Mitarbeiterin

Blätter geklärt werden konnte, wird eine vollständige

Marie Kuchovská zu berichten, dass Feldmann in seiner

Rekonstruktion der ehemaligen Sammlung Feldmann ein

Kanzlei in der Krapfengasse eine Sammlung von 20 bis 30

wohl unerfüllbares Desiderat bleiben.

97

Radierungen verwahrt hatte. Karl Feldmanns Anträge 99

und Einsprüche wurden immer wieder zurückgewiesen. Seine jahrelangen Bemühungen, die Kunstwerke mittels Hilfe der deutschen Behörden aufzufinden, verliefen ergebnislos. Dies führte zu der Annahme, die Sammlung sei nicht außer Landes gebracht worden, sondern im Protektorat Böhmen und Mähren verblieben. Da keine Beweise für eine Verbringung in die Bundesrepublik Deutschland vorlagen, bestand demzufolge auch kein Anspruch auf Schadensersatz.100 Im Oktober 1971 wurde zumindest die Entziehung jener Zeichnungen als erwiesen angesehen, die in einer Auflistung von 1931 und im Katalog von 1934 aufgezählt worden waren.101 Im Zuge der Untersuchungen war auch der ehemalige Treuhänder des Feldmann’schen Besitzes, Heinrich Rosorius, zu den damaligen Vorgängen befragt worden. Laut seiner Aussage beim Berliner Landesgericht war bei seiner Übernahme nur mehr eine Mappe mit Handzeichnungen vorhanden und die Villa, die dann an den Direktor der Brünner Filiale der Escompte-Bank verkauft worden war.102 In seiner Funktion als Treuhänder und Verlassenschaftskurator hatte Rosorius im März 1941 eine Auf­listung

96 Vgl. Privatarchiv Feldmann, Otto Benesch an Karl Feldmann, 10. März 1959 und 30. September 1959. Der Verkauf eines Gemäldes von Domenico Fetti an Graf Anton Seilern in London war ja durch die Vermittlung Beneschs durchgeführt worden. 97 Vgl. Landesarchiv Berlin, B Rep. 026-06, Nr. 6337/59, Eidesstattliche Erklärung Charles (Karl) Blum, 5. April 1965. 98 Vgl. Privatarchiv Feldmann, Eidesstattliche Erklärung Albert Kutal vom 24. August 1966. Obwohl Kutal bei den Ausfuhrverhandlungen als Mitarbeiter des Mährischen Landesmuseums maßgeblich involviert war, verliert er in seiner Erklärung kein Wort darüber. 99 Vgl. Privatarchiv Feldmann, Erklärung Marie Kuchovská vom 18. Jänner 1967. 100 Vgl. Landesarchiv Berlin, B Rep. 026-06, Nr. 6337/59, Beschluss des Berliner Landgerichts in der Instanz der Zivilkammer 150 (Wiedergutmachungskammer), 10. September 1970. 101 Vgl. Landesarchiv Berlin, B Rep 026-06, Nr. 6337/59, Beschluss in der Rückerstattungssache Karl Israel Feldmann gegen das Deutsche Reich, 20. Oktober 1971. 102 Vgl. Landesarchiv Berlin, B Rep 026-06, Nr. 6337/59, Zeugenaussage Heinrich Rosorius, 17. November 1965. 103 Národní archiv Praha, Arizační spisy (Nationalarchiv Prag, Arisierungsakten), Signatur 1283 A, Karton 207, Vermögensübersicht des Juden Dr. Arthur Feldmann, Brünn, Stand zum heutigen Tage.

20

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Die Blätter der Ausstellung – eine Betrachtung aus der

Kopf eines jungen Mannes im Profil (Kat. 11, Abb. 6). Auf

Sicht der Provenienzforschung

der Rückseite des Blattes finden sich zahlreiche Anga-

Da zu den Erwerbungen in den Jahren 1938 bis 1945

ben zu den vorhergehenden Eigentümern, aber auch

oft keine Namen der Vorbesitzer vorliegen, ist in der

anderweitige Vermerke. Mittig sind das aus den Initialen

Provenienzforschung unter anderem die Autopsie der

LR gebildete Zeichen der Sammlung Lamponi sowie der

Kunstwerke einer der ersten Schritte, in der Hoffnung,

handschriftliche Zusatz »R. Lamponi« angebracht.105 Von

Sammlerstempel oder andere Hinweise vorzufinden, die

Arthur Feldmann stammt die in Bleistift gehaltene Auf-

weiterführende Anhaltspunkte zur Herkunft des Kunst-

schrift »Sabbatini, gen Andrea da Salerno, Weibl. Profil-

gegenstandes liefern könnten. Arthur Feldmann verwen-

kopf«. Die in Bleistift geschriebenen Zahlen »29« sowie

dete zwar selbst keinen eigenen Stempel zur Kennzeich-

»284« beziehen sich möglicherweise auf Katalogeinträge.

nung seiner Blätter,104 doch tragen die im Rahmen dieser

Weiters finden sich ein bis zur Unkenntlichkeit verwisch-

Ausstellung präsentierten Blätter Vorprovenienzen aus

ter Aufdruck sowie der Stempel der Wiener Kunsthand-

den unterschiedlichsten Epochen und Ländern und ge-

lung Max Hevesi.106 Da bekannt ist, dass Arthur Feldmann

währen dadurch einen Einblick, durch welche Samm-

bei Hevesi erworben hatte, war die Kunsthandlung mög-

lungen – ob privat oder öffentlich – die Werke seit ihrer

licherweise die letzte Vorprovenienz, bevor das Blatt in

Entstehung gewandert sind. Ein besonders interessantes

dessen Sammlung kam. Zudem trägt das Blatt den blau

Blatt ist die Lorenzo Sabatini zugeschriebene Zeichnung

umrandeten Stempel der Prager Nationalgalerie »NGGS PRAHA« und die Inventarnummer dieses Hauses »DK 4602«.107 Die Herkunft beziehungsweise Bedeutung der mit roter Kreide geschriebenen Zahlen »1452« und »1217« ist unklar, ebenso die in Grün angebrachte Beschriftung »KHV 70«. Außerdem trägt diese Zeichnung auf der Vorderseite rechts unten ein Sammlerzeichen, das sich aber wegen seines fragmentarischen Zustands nicht eindeutig zuordnen lässt.108 Das zweite aus der Prager Nationalgalerie stammende Blatt (Kat. 9, Abb. 7) trägt den Stempel der bereits genannten Sammlung des Barons Adalbert von Lanna aus Prag, aus der noch weitere Werke nachgewiesen werden

Abb. 6 Rückseite der Katalognummer 11 mit zahlreichen Vermerken

104 Allerdings vermerkte er auf der Rückseite jeweils den Titel sowie den Künstler der Zeichnung. 105 Vgl. Eintrag L. 1760 zu R. Lamponi bei Frits Lugt. Les Marques de Collections de Dessins & d’Estampes: http://www. marquesdecollections.fr/ (2. März 2015). 106 Der 1911 aus Budapest nach Wien übersiedelte Max (Sándor) Hevesi (1894–1948) eröffnete Ende 1920 den Kunstsalon Max Hevesi in Wien 6, Mariahilfer Straße 13. Später firmierte er unter der Adresse Wien 1, Habsburgergasse 5 und dann Wien 4, Goldegggasse 2. Vgl. http://www.kunsthandel-der-moderne. eu/content/view/22/37/ (2. März 2015). 107 Freundliche E-Mail-Auskunft von Frau Dr. Alena Volrábová, Nationalgalerie Prag, vom 26. Februar 2015. Die Entschlüsselung von DK wird mit D=Depositum und K=Kresba (tschechisch für Zeichnung) angegeben. 108 Die Inventarnummer der Albertina, wo sich das Blatt seit 2014 befindet, ist ebenso angebracht. 21

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können.109 Wie bei der zuvor beschriebenen Zeichnung sind auch hier die Inventarnummer und der Stempel der Prager Nationalgalerie angebracht. Der handschriftliche Vermerk »Schellenkappenpapier! Sammlung Lanna« wird Abb. 7 Ausschnitt der Rückseite der Katalognummer 9 – Stempel der Sammlung Lanna, Prag, Stempel der Prager Nationalgalerie sowie handschriftliche Vermerke

wohl aus der Hand ehemaliger Vorbesitzer stammen. Eine Wiener Sammlungsprovenienz lässt sich für die Kopie nach Riberas Martyrium des Heiligen Bartholomäus (Kat. 16, Abb. 8) nachweisen. Das Blatt befand sich einst in der Sammlung erlesener Handzeichnungen des Wiener Bankiers Wilhelm König, der seine Blätter mit den Buchstaben WSK gekennzeichnet hatte. Verkäufe aus dieser Sammlung fanden 1925 im Antiquariat Paul Graupe in Berlin und 1926 im Dorotheum in Wien statt.110 Des Weiteren ist der Stempel des Mährischen Landesmuseums111 sowie die Inventarnummer des Museums, bestehend aus dem Buchstaben B, gefolgt von einer vierstelligen Nummer beginnend mit der Zahl 3, angebracht. Die Bleistiftbeschriftung »EK 2613« ist auf fast allen Blättern des Mährischen Landesmuseum vorzufinden.112 Die EK-Nummern entsprechen »der Evidenz der dem Protektorat eigenen Kunstwerke«, für die eine entsprechende Konkordanz mit den

Abb. 8 Rückseite der Katalognummer 16 – Stempel des Mährischen Landesmuseums sowie der Sammlung Wilhelm König, Wien

Abb. 9 Rückseite der Katalognummer 5

Inventarnummern des Museums angelegt worden war.113

109 Vgl. Eintrag L. 2773 zu Adalbert Freiherr zu Lanna bei Frits Lugt. Les Marques de Collections de Dessins & d’Estampes: http://www. marquesdecollections.fr/ (2. März 2015). Siehe Vermerke bei den Lotnummern 9, 24, 69, 90, 114, 127, 185, 194, 308, 318 und 328 (vgl. Luzern 1934). Die Katalognummer 9 gehört zu jenem Konvolut Zeichnungen, das 1939 in das Mährische Landesmuseum gelangt war und 1961 in die Mährische Galerie in Brünn überführt wurde. Vgl. hierzu VOLRÁBOVÁ 2003, Nr. 30, S. 70. 110 Vgl. Kat. d. Verst. Paul Graupe, Handzeichnungen XVII.– XX. Jahrhundert, Romantiker, Auktion XLI, Berlin, 13. und 14. Januar 1925, und Kat. d. Verst. Dorotheum, Gemäldesammlung Generaldirektor K. W., Wien, 18. und 19. Oktober 1926. Aus der Sammlung König wurde beispielsweise auch ein Damenporträt von Joachim von Sandrart erworben. 111 Anmerkung: MZM ist die Abkürzung von Moravské zemské muzeum, der tschechische Name des Mährischen Landesmuseums. 112 Jene Blätter, die Karl Feldmann im Zuge der Ausfuhrgenehmigung bereits 1939 dem Museum überließ, tragen keine EK-Nummer. Die Blätter der Prager Nationalgalerie weisen eine ähnliche Nummerierung auf. 113 Vgl. Národní archiv Praha, Ministerstvo školství (Ministerium für Schulwesen), Karton 3294, Böhmisch-Mährische

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Abb. 10 Katalognummer 6 – Stempel der Sammlung Glüenstein; Katalognummer 25 – Stempel der Sammlung Landsinger; Katalognummer 2 – Stempel der Sammlung Peltzer; und Katalognummer 15 – Stempel der Sammlung Genevosio

Eine interessante Provenienz bietet auch das Blatt mit

oder Modesto Ignazio Bonaventura Luigi Genevosio (Tu-

einer Baumstudie (Kat. 5, Abb. 9), das sich einst in der

rin) zurückführen (Abb. 10).115 Wie bei vielen Altmeister-

Sammlung von Jonathan Richardson, eines um 1700 in Lon-

zeichnungen ist auch bei den der Albertina vermachten

Sein Stem-

Blättern aus der Sammlung Feldmann eine vollständige

pel hat sich auf der Vorderseite erhalten. Auf der Rückseite

Rekonstruktion der Provenienzen nicht möglich. Ihre

finden sich wiederum der bereits erwähnte Stempel und

Geschichte erschließt sich der heutigen Forschung so-

die Inventarnummer des Mährischen Landesmuseums.

mit nur lückenhaft. Nachdem die Zeichnungen ihrem

Der mit Bleistift angebrachte Titel des Blattes »Baumstu-

ehemaligen Eigentümer Arthur Feldmann gestohlen und

die« und die Zuschreibung »Holländisch um 1660« stam-

erst Jahrzehnte später an dessen Erben zurückgegeben

men von Arthur Feldmann. Die beiden Vermerke »V. G. 76«

wurden, erweitern sie nun als großzügiges Geschenk die

und »m 157« scheinen – wie aus der Art der Handschrift

Sammlungsbestände der Albertina.

don tätigen Porträtmalers, befunden hatte.

114

geschlossen werden kann – älterer Herkunft zu sein. Die anderen Blätter lassen sich auf so bedeutende Sammlungen wie die von Rudolf Peltzer (Köln), Adolf Glüenstein (Hamburg), Sigmund Landsinger (München)

Landesgalerie in Prag an das Ministerium für Schulwesen, 11. September 1942. 114 Vgl. Eintrag L. 2184 zu Jonathan Richardson bei Frits Lugt. Les Marques de Collections de Dessins & d’Estampes: http://www. marquesdecollections.fr/ (2. März 2015). 115 Vgl. Eintrag L. 2231 zu Rudolf Peltzer, Eintrag L. 123 zu Adolf Glüenstein, Eintrag L. 2358 zu Sigmund Landsinger und Eintrag L. 545 zu Modesto Ignazio Bonaventura Luigi Genevosio bei Frits Lugt. Les Marques de Collections de Dessins & d’Estampes: http://www.marquesdecollections.fr/ (2. März 2015). 23

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Die virtuelle Sammlung Feldmann Praxis und Methodik der Rekonstruktion

Martina Pichler

»Die Sammlung wurde mit grosser Liebe seinen

Court, basierend auf der am 13. Mai 2002 von den Erben

guten Freunden und Beratern zur Ansicht gestellt.«116

nach Arthur Feldmann eingebrachten Forderung auf Rückgabe der Werke, entschieden, »dass die Grundsät-

Unwiederbringlich. Es ist ein Terminus der Hoffnungs­

ze des deaccessioning des British Museum Act nicht auf-

losigkeit, der in Publikationen über geraubte Kunst-

grund moralischer Verpflichtungen des Museums zu Res-

sammlungen zur Zeit des NS-Regimes mit großer Regel-

titution der [...] Zeichnungen verworfen und außer Kraft

mäßigkeit zu finden ist. Nur zu oft sind die Sammlungen

gesetzt«119 werden dürfen. Kurz: Dem British Museum

trotz aufwendiger Recherchen und des aufrichtigen

war es, trotz der Restitutionsempfehlung des Spoliation

Bemühens, die Kunstwerke den rechtmäßigen Eigentü-

Advisory Panel120, »nach Ansicht des U.K. High Court von

mern zurückzugeben, in ihrer Gesamtheit physisch nicht

Rechts wegen verboten, die ohne Zweifel unrechtmäßig

mehr zu rekonstruieren. Das Auffinden einzelner Werke,

[…] erbeuteten Kunstwerke an die rechtmäßigen Erben

ja sogar die Rückgabe größerer Sammlungskonvolute117

der ursprünglichen Eigentümer zu restituieren«.121

können letztlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass der

Schließlich einigte man sich mit den Erben auf ein Ex

Corpus der einzelnen Sammlung in seiner Einzigartigkeit

Gratia Payment: Die vier Kunstwerke aus der Sammlung

zumeist für immer verloren ist, zumal sich die Erben aus

Feldmann – Zeichnungen von Niccolo dell’Abbate (Mu-

unterschiedlichen Gründen mitunter veranlasst sehen,

seum number 1946,1116.1), Nicholas Blakey (Museum

die restituierten Kunstwerke wieder zu veräußern.

number 1946,1116.2), Martin Johann Schmidt (Museum

Auch aus der Sammlung von Dr. Arthur Feldmann, die

number 1946,1116.3) und des Monogrammisten AT (Mu-

zum Zeitpunkt der Beschlagnahme durch die Gestapo

seum number 1949,0411.98) – verblieben im Museum.

aus rund 750 Zeichnungen bestand, wurden und werden von den Erben immer wieder Arbeiten am Kunstmarkt angeboten.118 Im Bemühen, das Andenken an Arthur Feldmann und seine Frau Gisela, geb. Hofmann, zu bewahren, haben die Erben jedoch auch einige Kunstwerke in Museen belassen beziehungsweise diesen geschenkt. Hier zeigt gerade die Geschichte jener Zeichnungen aus der Sammlung Feldmann, die im Zuge der Versteigerung von Old Master Drawings von Sotheby’s London im Oktober 1946 in die Sammlung des British Museum gelangt waren, wie komplex die Lösungen in Bezug auf Rückgabeforderungen sein können. Hatte doch der U.K. High

116 Privatarchiv Feldmann, Eidesstattliche Erklärung Charles (Karl) Blum, 5. April 1965. 117 Den Erben nach Arthur Feldmann wurden von der Mährischen Galerie in Brünn am 19. März 2003 135 Zeichnungen zurückgegeben. 118 Unter anderem zuletzt bei Sotheby’s New York (28. Jänner 2015), Dorotheum Wien (2. Oktober 2014), Sotheby’s London (9. Juli 2014, sowie ein größeres Konvolut am 6. Juli 2005). 119 ANTON 2010, S. 317. 120 Report of the Spoliation Advisory Panel in Respect of four Drawings now in the Possession of the British Museum, by The Right Honourable Sir David Hurst, Ordered by the House of Commons to be printed 27 April 2006. 121 ANTON 2010, S. 317.

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Die Causa Feldmann hat zusammen mit einem ähnlich

privatem Besitz befindlichen Zeichnungen weitgehend

gelagerten Fall, die British Library betreffend, schließlich

den Möglichkeiten der Erforschung und Rekonstruktion.

dazu geführt, dass der britische Gesetzgeber am 12. No-

Museen und Sammlungen speichern digitale Images,

vember 2009 den sog. Holocaust (Return of Cultural Ob-

Daten und Metadaten ihrer Kunstwerke in umfassenden

jects) Act beschlossen hat. Aufgrund dieses Gesetzes ist

Datenbanken. Kommerzielle Anbieter haben den Bedarf

es heute in Großbritannien nicht mehr a priori von Rechts

dieser Institutionen an entsprechenden Datenbank­

wegen ausgeschlossen, dass Kunstwerke nach Rückga-

managementsystemen erkannt und bieten maßgeschnei-

beempfehlung des Spoliation Advisory Panel restituiert

derte Produkte an. Wie aber können die Nachfahren von

werden.122

Sammlern, die in der NS-Zeit ihrer Sammlungen beraubt

Im British Museum befinden sich heute noch zwei

wurden, ihre Daten verwalten? Welche Möglichkeiten

weitere Zeichnungen aus der Sammlung Feldmann. Eine

bieten eine elektronische Speicherung und Verwaltung

Arbeit aus dem Kreis von Georg Pencz (Museum number

dieser Daten in Form einer auf die speziellen Bedürfnis-

1997,0712.12), die auf Umwegen in die Sammlung kam

se zugeschnittenen Datenbank? Wo liegen Chancen und

und auf Wunsch der Erben auch dort belassen werden

Potenzial – und wo die Schwierigkeiten? Diesen Fragen

soll, sowie eine ehemals Rembrandt zugeschriebene

geht die Autorin derzeit in einer Masterthese zur virtuel-

Zeichnung (Museum number 2006,0930.1), die im Jahr

len Rekonstruktion der Sammlung Feldmann nach.124 Der

2004 den Rechtsnachfolgern nach Arthur Feldmann von

vorliegende Text soll einen ersten Einblick in die diesbe-

einer privaten Sammlerin (die anonym bleiben möchte)

züglichen Überlegungen geben.

freiwillig zurückgegeben wurde. Die Erben wiederum haben die Zeichnung – als Ausdruck der Dankbarkeit für

Die Rekonstruktion der Sammlung Feldmann –

diese Geste – dem British Museum zur Bewahrung des

eine Analyse des Ist-Zustandes

Andenkens an ihren Großvater geschenkt.

Die Recherche nach einem geraubten Kunstwerk lässt

Über eine generöse Schenkung der Erben nach Arthur

sich gut mit dem Erstellen eines Puzzles vergleichen,

Feldmann durfte sich in weiterer Folge auch die Albertina

von dem etliche Teile fehlen und dessen vorhandene

freuen, die in den Jahren 2011, 2012 und 2014 insgesamt

Teile oftmals nur unscharfe Konturen aufweisen. Um zu

29 Blätter aus der Sammlung erhalten hat.

ergründen, welchen Weg das Kunstwerk nach der un­

Heute finden sich, nach Kauf aus Auktionen bzw. nach

rechtmäßigen Enteignung genommen hat, dienen vor

Schenkung oder entsprechenden Vereinbarungen mit

allem wissenschaftliche Publikationen, Versteigerungs­

den Erben, Werke aus der Sammlung Feldmann nicht nur

kataloge und Werkverzeichnisse als probates Mittel der

im British Museum und der Albertina, sondern auch im

Spurensuche. Doch wenn etwa in Ermangelung eines

Metropolitan Museum of Art in New York, in der Morgan

Bildtitels eine bloße Beschreibung des Objekts erfolgen

Library & Museum in New York, in der Courtauld Gallery

muss, kann es leicht zu Divergenzen in den Angaben der

in London, im Cleveland Museum of Art, in der Moravská

unterschiedlichen Kataloge kommen. Wenn also zum

galerie in Brünn, in der Národní galerie in Prag, im Israel

Beispiel aus einem Hl. Franziskus ein Betender Mönch

Museum in Jerusalem und im RKD – Nederlands Instituut

wird, beginnt die Spur sich bereits zu verwischen. Kommt

voor Kunstgeschiedenis. Da die Albertina ebenso wie eini-

dann aufgrund rezenter Forschungen noch eine neue Zu-

ge andere der genannten Institutionen die Zeichnungen

schreibung hinzu, ist eine Identifizierung nahezu unmög-

online zugänglich gemacht hat,

123

bleiben sie, obschon

nicht mehr gemeinsam verwahrt, dem kollektiven Gedächtnis und der Forschung als ein Teil der Sammlung von Arthur Feldmann erhalten. Gemeinsam mit den vielen, bis heute nicht aufgefundenen Kunstwerken aus der Sammlung Feldmann entzieht sich aber der Großteil der sich in

122 Vgl. ANTON 2010, S. 317. 123 http://sammlungenonline.albertina.at/ (20. Mai 2015). 124 An der Donau Universität Krems, Department für Bildwissenschaften, Betreuer: Dr. Harald Krämer (Associate Professor, School of Creative Media, City University of Hong Kong). 25

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lich, wenn es keine Abbildung der Zeichnung gibt. Hier

rieren und langfristig zu archivieren, wurde schließlich

kann allenfalls die exakte Bestimmung der Technik und

das Konzept entwickelt, eine eigene Datenbank für die

die Überprüfung der Maße noch herangezogen werden,

Sammlung von Arthur Feldmann zu erstellen.

um abzuklären, ob es sich nicht doch um ein und dasselbe Werk handeln könnte. Dabei ist festzuhalten, dass

Never a dull moment

auch den Bildmaßen zuweilen nur eine bedingte Aussa-

Mit der nach längerer Schließzeit im März 2008 erfolgten

gekraft zukommt, denn diese können bei Zeichnungen,

Wiedereröffnung des Studiensaals der Albertina steht

je nach Messtechnik und erfolgten restauratorischen

Wissenschaftlern aus der ganzen Welt neben der um-

Maßnahmen (Kaschierung), gleichfalls Abweichungen

fangreichen grafischen Sammlung auch die Bibliothek

aufweisen.

dieser Einrichtung wieder zur Verfügung. Von Beginn

Der unkompliziert erscheinende Versuch, Hinweise

an bis zum heutigen Tag besucht Uri Arhur Peled-Feld-

über den Verbleib von Kunstwerken durch die Eingabe

mann125, der Enkel von Arthur Feldmann, den Studien-

von Titel und Künstler in diversen Suchmaschinen zu

saal in den Monaten, die er in Wien verbringt, nahezu

eruieren, kann durchaus Erfolge zeitigen (zumal eine

täglich. Als Mitarbeiterin dieser Forschungseinrichtung

steigende Zahl von Institutionen ihre Bestände online

der Albertina lag es im Aufgabenbereich der Autorin,

präsentiert), ist aber genau mit jenen Schwierigkeiten

Besucher bei ihren Recherchen zu unterstützen und

behaftet, die textbasierte Bildsuchen erfahrungsgemäß

Buchbestellungen an die Bibliothek weiterzuleiten. Im

mit sich bringen. Soll man zum Beispiel nach Jacopo Ro-

Zuge dieser Zusammenarbeit mit Herrn Peled wurden

busti oder doch nach Tintoretto suchen? Wurde in einem

aus gemeinsamen Recherchen Gespräche und aus den

anderen Fall das gesuchte Blatt als Mariä Himmelfahrt

Gesprächen wurde im Lauf der Zeit eine Geschichte. Es

oder als Mariae Himmelfahrt eingegeben? All das sind

ist eine Geschichte von verlorenen Bildern und von ver­

Herausforderungen an Suchmaschinen und Eingabe­ ­

lorenen Leben.126 Es ist die Geschichte der Sammlung von

modi, die bei Weitem noch nicht überall gelöst sind – von

Arthur Feldmann.

der Problematik, die bei fremdsprachigen Einträgen hin»Dr. A. Feldmann was a very rare human being,

zukommt, ganz abzusehen.

helpful to everyone.«127

Es sind eben diese Unschärfen, die es erforderlich machen, allen nur erdenkbaren Hinweisen akribisch nachzugehen. Die daraus resultierende Menge an Unterlagen

Geboren am 9. Februar 1877 im heute tschechischen

ist mitunter kaum zu überschauen und mühsam zu ver-

­Vyškov (Wischau) besucht Arthur Feldmann nach der

walten. Gilt es doch, aus Daten von unterschiedlichster

dortigen Volksschule das Gymnasium in Kroměříž (Krem-

Qualität und Bedeutung sinnhafte und zusammengehöri-

sier), wo er auch maturiert. Von 1896–1900 studiert er

ge Informationen herauszufiltern. Eine große Herausfor-

Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Noch im

derung, wenn man bedenkt, dass diese Gegebenheiten

Jahr seinens Studienabschlusses beginnt er mit einem

es notwendig machen, etwaige Zusammenhänge selbst herzuleiten. Denn die Informationen, die in Dokumenten, persönlichen Notizen, Kopien aus Auktionskatalogen, Werkverzeichnissen und anderen Fachpublikationen, Telefonaten, E-Mails, Briefen, Computerausdrucken, Gesprächsaufzeichnungen, Abbildungen und dergleichen mehr enthalten sind, können, wenn sie nicht in einer Datenbank verwaltet werden, nur mit großem Aufwand in Beziehung zueinander gesetzt werden. Um dieses Konvolut analoger Daten digital zu erfassen, sie zu struktu-

125 Uri Peled hat mir im Laufe unserer jahrelangen Zusammenarbeit Einblicke in seine Familiengeschichte und seine Recherchetätigkeiten gewährt, die mir das Tor zu einer bisher unbekannten Welt aufgetan haben. Dafür bin ich zutiefst dankbar. 126 In Anlehnung an MÜLLER und TATZKOW, Verlorene Bilder, verlorene Leben. Jüdische Sammler und was aus ihren Kunstwerken wurde, München 2014. 127 Privatarchiv Feldmann, Eidesstattliche Erklärung von Štěpánka Horáková (elf Jahre lang Haushälterin der Familie Feldmann), 25. April 1966.

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sidenten des Jüdischen Nationalrates in Prag gewählt worden war,130 betonte darin die Bedeutung der Brünner Gemeindewahlen, die »gleichsam die Tete der großen Wahlbewegungen« bilden würden.131 Arthur Feldmann erhält das angestrebte Mandat, ­nachdem er sich zuvor in seinem Wahlprogramm klar für ein Miteinander der Nationalitäten ausgesprochen hatte: »Wir müssen alles vermeiden, was zur Verschärfung der nationalen Gegensätze beitragen könnte, und dürfen, ohne uns irgend vorzudrängen, keine Gelegenheit vor­ übergehen lassen, wo es gilt, die einander befehdenden Nationen einander näher zu bringen.«132 Eine Mahnung zur Einigkeit zu einer Zeit, da, wie Helena Krejčová ­schreibt, sich der größte Teil der jüdischen Bevölkerung zur (in der damaligen Terminologie) tschechoslowakischen Nation, ein knappes Drittel zur deutschen und ein Viertel zur jüdischen Nationalität bekannte. Innerhalb der jüdischen Bevölkerung der böhmischen Länder führte das zu einer Aufgliederung in drei Richtungen, deren jeweilige Lager sich aufgrund ihrer unterschiedlichen ideellen und nationalen Grundsätze oft unversöhnlich gegenüberstanden.133 Wie aus Zeitungsberichten134 hervorgeht, bleibt Arthur Feldmann in der kommenden Zeit politisch und Abb. 1 Jüdische Volksstimme 26. Februar 1920

sozial höchst engagiert. Diese Aktivitäten wurden von seiner Frau Gisela durchaus mitgetragen, wie weitere

Praktikum am Bezirksgericht in Brno (Brünn) und arbei-

Zeitungsartikel vermuten lassen. So ist in der jüdischen

tet anschließend für den Brünner Rechtsanwalt Dr. Sa-

Volksstimme vom 4. März 1920 nachzulesen, dass der

muel Weizmann. Bald darauf gründet Arthur Feldmann

Verband jüdischer Frauen im cš. Staate in Prag und die jü-

seine eigene Kanzlei und beschäftigt mehrere Ange­

dische Frauenorganisation für Mähren in Brünn am 13. und

stellte.

128

Der letzte bekannte Firmensitz befindet sich in

Brünn, Kobližná (Krapfengasse) 19.129 Anfang der 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts ist Arthur Feldmann ein arrivierter Mann. Gemeinsam mit seiner Frau Gisela, geborene Hofmann, und den beiden Söhnen Otto (geb. 1904) und Karl (geb. 1909) bewohnt er eine Villa in Brünn, Hroznová (Traubengasse) 13. Als überzeugter Zionist ist er politisch aktiv und kandidiert unter anderem am 29. Februar 1920 als Listenführer der jüdisch-nationalen Liste für die Gemeinderatswahlen in Groß-Brünn (Abb.1). Auf Einladung der Jüdisch-nationalen Vereinigung hielt Max Brod (neben Angelo Goldstein) am 19. Jänner 1920 als Gast die Rede zur Eröffnung der Wahlkampagne. Brod, der im Oktober 1918 zum Vizeprä-

128 Für die Überprüfung dieser Angaben, die Weitergabe der Ergebnisse ihrer Recherchen und die hervorragende Zusammenarbeit gilt Julia Eßl mein großer Dank. 129 Vgl. Adreßbuch von Groß-Brünn 1920 Vol. 29: http:// kramerius.mzk.cz/search/i.jsp?pid=uuid:f936dcfd-f1cc-11e184fc-0050569d679d#periodical-periodicalvolume-page_ uuid:c4f65a85-3623-11e1-99b6-0050569d679d (11. Mai 2015). 130 Vgl. BÄRSCH 1992, S. 57. 131 Jüdische Volksstimme XXI/4, 22. Jänner 1920, S. 6–7. 132 Auszug aus dem in der Wählerversammlung vom 18. Februar 1920 gehaltenen Referat von Artur (sic) Feldmann in: Jüdische Volksstimme XXI/8, 19. Februar 1920, S. 2. 133 Vgl. KREJČOVÁ 2004, S. 194. 134 Z. B. Jüdische Volksstimme XXI/28, 8. Juli 1920, Wohnungsdebatte im Brünner Gemeinderate, S. 6. 27

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Abb. 2 Aus TIETZE und TIETZE-CONRAT 1933

14. März in Prag eine Frauentagung veranstaltete. Auf

zern versteigern zu lassen. Wohl aufgrund der allgemein

der Rednerliste befand sich auch Gisela Feldmann aus

schwierigen wirtschaftlichen Lage findet ein großer Teil

Brünn, welche über »die jüdische Frau im Wahlkampfe«

der Zeichnungen keinen Käufer. Die verbleibenden Blät-

Zahlreiche Einträge in Spendenlisten, die in der

ter werden an Feldmann zurückgegeben und bilden auf

Zeitung Jüdische Volksstimme veröffentlicht wurden,136

Basis der im Versteigerungskatalog angegebenen Maße

belegen zudem, dass es sich beim sozialen Engagement

und der teilweise vorhandenen Abbildungen einen gut

der Feldmanns offensichtlich nicht um reine Lippen­

dokumentierten Teil jenes Bestandes, der am 15. März

bekenntnisse handelte.

1939, dem Tag des Einmarsches deutscher Truppen in

sprach.

135

In diese für die Feldmanns sehr aktive Zeit fallen laut

die Tschechoslowakei, von der Gestapo konfisziert wur-

Zeitzeugen auch die Anfänge der Sammlertätigkeit von

de.141 An diesem Tag werden Gisela und Arthur Feldmann

Arthur Feldmann.137 Um 1922 beginnt der Brünner Ad-

gezwungen, ihre Villa in Brünn zu verlassen. Zugestanden

vokat eine Sammlung anzulegen, die, wie Otto Benesch,

wird ihnen nur mitzunehmen, was in einem kleinen

der spätere Direktor der Albertina, beschreibt, »in erster

­Koffer Platz findet.142 Die Zeichnungssammlung befand

Linie vom Gesichtspunkt der Qualität aus« zusammengestellt wurde und ein ganz »persönliches Gepräge« hatte.

138

Die Sammlung, in ihrem Kern bestehend aus

Altmeisterzeichnungen der italienischen, deutschen, niederländischen und französischen Schule, umfasste in ihrem größten Umfang rund 800 Zeichnungen139 und war zeitgenössischen Kunstkennern wie Frits Lugt, ­Joseph Meder, William (Wilhelm) Suida und natürlich Otto Benesch gut bekannt. Von der Bedeutung, die ihr beigemessen wurde, zeugt unter anderem auch, dass sie im Beschreibenden Katalog der Handzeichnungen in der Graphischen Sammlung der Albertina140 erwähnt wird (Abb. 2). Im Jahr 1934 sieht sich Arthur Feldmann allerdings gezwungen, ein umfangreiches Konvolut aus seiner Sammlung über das Auktionshaus Gilhofer & Ranschburg in Lu-

135 Jüdische Volksstimme XXI/10, 4. März 1920, S. 6. Am 17. Oktober 1920 wurde Gisela Feldmann zur 1. Vize-Präsidentin dieses sozial engagierten Vereins gewählt. Vgl. Jüdische Volksstimme XXI/42, 21. Oktober 1920, S. 6. 136 Vgl. z. B. Jüdische Volksstimme XXI/15, 8. April 1920, S. 6; XXI/37, 9. September 1920, S.6; XXI/41, 14. Oktober 1920, S. 6; XXI/43, 28. Oktober 1920, S. 5. 137 Privatarchiv Feldmann, Eidesstattliche Erklärung Charles (Karl) Blum, 5. April 1965. 138 Otto BENESCH in: Luzern 1934, o. S. 139 Arthur Feldmann hatte 1934 einen Teil seiner Sammlung über das Auktionshaus Gilhofer & Ranschburg verkauft, danach aber auch neue Zeichnungen erworben. Zum Zeitpunkt der Enteignung durch die Nationalsozialisten bestand die Sammlung aus 750 Blättern. 140 TIETZE und TIETZE-CONRAT 1933, Nr. 454 und 625. 141 Privatarchiv Feldmann, Eidesstattliche Erklärung von Štěpánka Horáková, 25. April 1966. 142 Privatarchiv Feldmann, Eidesstattliche Erklärung von Štěpánka Horáková, 25. April 1966.

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sich zu diesem Zeitpunkt in den, wie mehrere Zeugen berichten,

dene Aufwand war und ist enorm – ein Umstand, den

extra für diese angefertigten feuerfesten

Herr Peled auf die Nachfrage, wie es mit den Recherchen

Schrän­ken. Sie verblieb in der Villa, als die Feldmanns

voran­gehe, gerne mit »never a dull moment« beschreibt.

143

diese unter dem Druck der Gestapo verlassen mussten. Während den beiden Söhnen die Flucht nach Palästi-

Gestaltung und Potenzial einer Datenbank zur

na gelingt, überleben Gisela und Arthur Feldmann den

Sammlung Feldmann

Holocaust nicht. Arthur Feldmann erliegt, gezeichnet

Die Vorteile, die eine datenbankgestützte Recherche bie-

von den durch die Nationalsozialisten erlittenen Demüti-

tet, liegen auf der Hand. Sind die Daten erst eingepflegt,

gungen und Strapazen, am 16. März 1941 einem Schlag-

können mit wenigen Mausklicken Berichte generiert

Seine Frau Gisela wird am 28. Januar 1942 von

werden, deren Erstellung in der »analogen Welt« einen

Brünn nach Theresienstadt und von dort am 23. Oktober

großen zeitlichen Aufwand bedeuten würde. So kann

1944 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert,

der Abgleich von Inventarlisten mit Listen aus Verstei-

wo auch sie den Tod findet.145

gerungskatalogen etwaige Übereinstimmungen unmit-

anfall.

144

Unmittelbar nach dem Krieg begann Dr. Otto Feldmann

telbar anzeigen. Ein mühsames Vergleichen der beiden

mit Nachforschungen zur Zeichnungssammlung seines

Listen mit der erforderlichen Nachverfolgung und Über-

Vaters. Nach seinem frühen Tod im Jahre 1956 übernahm

prüfung jedes einzelnen Kunstwerkes entfällt.

sein Bruder Karl die Suche. Es ist in Anbetracht heutiger

Es wäre also qua Datenbank künftig leichter möglich

Gegebenheiten und Möglichkeiten kaum mehr vorstell-

zu überprüfen, welches Kunstwerk aus Arthur Feldmanns

bar, unter welch schwierigen Bedingungen diese Recher-

Sammlung sich sowohl auf seiner Inventarliste aus dem

chen stattgefunden haben müssen. Galt es doch, Papiere

Jahr 1931148 als auch auf jener Liste findet, die von den

anzufordern oder direkt vor Ort Einblick in Unterlagen,

Nationalsozialisten im Zuge der Beschlagnahme der

Bücher, Sammlungskataloge und dergleichen mehr zu

Sammlung 1939 erstellt wurde. Dieses Ergebnis könnte

erhalten. Erschwerend kam hinzu, dass die rechtliche Si-

wiederum sinnhaft mit jenen Werken abge­glichen wer-

tuation in Bezug auf die Restitution jüdischen Eigentums

den, welche 1934 bei der Auktion von Gilhofer & Ransch-

in den Ländern, in denen sich Teile der Sammlung befan-

burg nicht verkauft wurden.

den, mitunter noch nicht hinlänglich geklärt war. Melissa Müller und Monika Tatzkow beschreiben die Situation, wie sie wohl auch Otto und Karl Feldmann erfahren haben, ­so: »Anspruchsteller sollten lückenlos ihre Verluste beweisen, wo sie doch oft nur ihr Leben, nicht aber die privaten Dokumente retten konnten. In den Behörden begegneten sie häufig denselben Personen, die wenige Jahre zuvor mit behördlichem Hakenkreuz-Stempel ihr Vermögen eingezogen hatten.«146 Hier brachten wohl erst die Grundsätze der Washingtoner Konferenz (Washington Principles) vom Dezember 1998 eine entscheidende Wende.147 In der Causa Feldmann war es jedenfalls erst Uri Peled, dem es durch großen Fleiß und mit der erforderlichen Beharrlichkeit gelang, Kunstwerke aus der Sammlung seines Großvaters zurückzuerhalten. Die beeindruckende Bilanz dieser Bemühungen beläuft sich auf 209 bis heute zurückgegebene Zeichnungen, also nicht ganz ein Drittel der 750 geraubten Blätter. Der damit verbun-

143 Privatarchiv Feldmann, Eidesstattliche Erklärung Charles (Karl) Blum, 5. April 1965, und von Štěpánka Horáková, 25. April 1966. 144 http://encyklopedie.brna.cz/home-mmb/?acc=profil_ osobnosti&load=9059 (22. Mai 2015). Aus der Verlassenschaft von Arthur Feldmann werden nur vier Wochen nach seinem Tod der Albertina Zeichnungen zum Kauf angeboten. Im Beitrag von Julia Eßl wird darauf näher eingegangen. 145 http://encyklopedie.brna.cz/home-mmb/?acc=profil_ osobnosti&load=9209 (10. Mai 2015). 146 MÜLLER, TATZKOW 2014, S. 8. 147 http://www.state.gov/p/eur/rt/hlcst/122038.htm (10. Mai 2015). Die Washingtoner Konferenz legte Richtlinien zur Lösung von Fragen bezüglich der von Nationalsozialisten beschlagnahmten Kunstwerke fest und rief dazu auf, innerstaatliche Verfahren zur Umsetzung dieser Richtlinien zu entwickeln. 148 Leider sind keine vollständigen Inventarlisten der Sammlung erhalten geblieben. Bei der hier erwähnten Liste handelt es sich um eine notariell beglaubigte Liste der Zeichnungen der italienischen Schule vom 16. März 1931, auf der 59 Zeichnungen vermerkt sind. 29

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Ein Datenbankmanagementsystem kann natürlich

Wer heute im Internet nach Werken sucht, die sich

nur leisten, was schon im Vorfeld an gewünschten Mög-

ehemals in der Sammlung Feldmann befanden, wird an

lichkeiten in einer Anforderungsspezifikation festgelegt

einigen Stellen fündig. Dabei handelt es sich zum einen

wurde. Hier bedarf es der genauen Kenntnis der Be-

um jene Arbeiten, die über Ankauf bzw. Schenkung in

dürfnisse und Erwartungen des späteren Anwenders,

Museen kamen und von diesen im Rahmen der On-

um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Das Erheben der

line-Präsentation ihrer Bestände gezeigt werden, und

Datenfelder und der erforderlichen Datenbankstruktur

zum anderen um Werke, die in den Suchmeldungen der

aus den funktionalen Anforderungen heraus entspricht

Datenbank Lost Art154 erfasst sind. In beiden Fällen sind

dabei der Vorgehensweise einer aufgabenorientierten

die Daten sehr gut aufbereitet und, soweit vorhanden,

Anwendungs­entwicklung.

Frank Geisler spricht von

mit Abbildungen versehen. Während Museen und Insti-

dieser Phase als »kritischstem Schritt«, der über »Erfolg

tutionen direkten Zugriff auf die in ihren Sammlungen

oder Fehl­schlag« des Endproduktes entscheidet.

verwahrten Objekte haben, ist jedoch der Verbleib der

149

150

So hat eine erste Daten- und Anforderungsanalyse für die Sammlung Feldmann ergeben, dass es sinnhaft wäre,

Werke, die in den Suchmeldungen der Lost Art Datenbank abgerufen werden können, unbekannt.

festgelegten Stan­

Es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt zweifellos mög-

dard für Inventarisierungsangaben hinaus das Aufschei-

lich, sich einen ersten Eindruck von Qualität und Fokus

nen der einzelnen Blätter auf den bereits erwähnten In-

der Sammlung Feldmann zu machen, doch bleiben die-

ventarlisten als »Ja/Nein«-Feld zu führen.

se Einblicke naturgemäß punktuell und bieten keine

über den im CIDOC

151

fact sheet 1

152

Wissenschaftliche Texte zu Zeichnungen aus der

Zusammenschau im eigentlichen Sinn. Das Projekt, alle

Sammlung Feldmann, die sich in anderen Museen oder

ehemals in der Sammlung Feldmann befindlichen Werke

Institutionen befinden, können aus rechtlichen Gründen

in einer Datenbank zusammenzuführen, zielt nicht nur

nicht unmittelbar in die Datenbank übernommen wer-

auf die Vereinfachung der Recherche nach geraubten

den. Der Zugang zu diesen kuratorischen Texten wird

Kunstwerken, sondern möchte darüber hinaus ein erster

durch den Permalink zu dem Objekt in der jeweiligen

Schritt zur Präsentation der Sammlung im Internet sein.

Sammlung sichergestellt. Im Gegensatz dazu sollen die

Sollte es dem Wunsch der Erben entsprechen, könnte

Images der Zeichnungen in der Datenbank unmittelbar

man die solcherart erfasste Sammlung als virtuelles Mu-

verfügbar sein, wobei die Bildrechte vorab zu klären sind.

seum präsentieren. Die Konzeption eines virtuellen Mu-

Ein weiteres wichtiges Anliegen bei der Modellierung dieser Datenbank ist es, die Eingabemaske so übersichtlich und aussagekräftig wie möglich zu gestalten, um dem künftigen Nutzer einen unmittelbaren und einschulungsfreien Einstieg zu ermöglichen. Für die Sammlung Feldmann könnte ein Formular-Entwurf daher konkret folgendermaßen aussehen (Abb. 3).153 Aus den im Entwurf vorgestellten Eingaben lassen sich in einem zweiten Schritt Berichte erstellen, welche, je nach Anforderung, die gewünschten Felder gemeinsam abbilden und bequem als Attachment einem E-Mail angefügt oder ausgedruckt werden können. Somit könnten konkrete Anfragen zu einem oder mehreren Werken ohne großen Aufwand an die entsprechende Auskunftsperson gerichtet werden (Abb. 4).

149 Vgl. KRÄMER 2001, S. 87. 150 GEISLER 2014, S. 295. 151 Comité international pour la documentation http://network. icom.museum/cidoc/ (15. Mai 2015). 152 http://network.icom.museum/cidoc/resources/cidoc-standardsguidelines/ (15. Mai 2015). 153 Für den hier vorgestellten Entwurf einer Eingabemaske wurde Microsoft Access 2013 verwendet. Da diese proprietäre Software nur für das Betriebssystem Windows angeboten wird, könnte auf Wunsch auch auf Anbieter zurückgegriffen werden, welche die Anforderungen gleichermaßen umsetzen können, z. B. das Datenbanksystem FileMaker, das in der Version FileMaker pro 14 zusätzlich zu Microsoft Windows (ab Windows 7) natürlich auch unter dem Betriebssystem OS X läuft. 154 Die Lost Art-Datenbank wird von der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg betrieben und versteht sich als zentraler Ansprechpartner in Deutschland zu Fragen der Umsetzung der Washingtoner Prinzipien. http:// www.lostart.de/Webs/DE/Datenbank/Index.html (8. Mai 2015).

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Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

Abb. 3 Entwurf für die Eingabemaske

Abb. 4 Entwurf für einen Kurzbericht ohne Abbildungen 31

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seums erfordert, ganz im Sinne der Digital Humanities,

Paper zur CIDOC Konferenz 2015 findet: »The magnitude

eine H ­ erangehensweise, die zwei in ihrer Methodik sehr

of the task to build attractive digital media environments

unterschiedliche Wissenschaften vereint: die Informatik

for culture is such that it cannot be met by the cultural

und die Kunstgeschichte.

heritage institutions alone […] Public projects should be

155

Während sich aus technischer Sicht Fragestellungen

coupled with private and voluntary undertakings.«158

rund um die Themenkomplexe Standardisierung und

Den technischen Möglichkeiten für die Präsentati-

Normierung von Daten und Metadaten, Austauschforma-

on ist dabei kaum eine Grenze gesetzt. Sie reichen von

te, Datensicherheit, Langzeitarchivierung, Auffindbarkeit

schlichten zweidimensionalen Wiedergaben mehrerer

und Strukturierung ergeben (um nur einige zu nennen),

Bilder auf einer Seite über die Ästhetisierung solcher Dar-

sind aus der Sicht der Kunstgeschichte jene Facetten ab-

stellungsformen zu einem virtuellen Museumsrundgang

zubilden, die es ermöglichen, die Sammlung Feldmann in

bis hin zu interaktiven Räumen, die dem Benutzer eigene

kontextbezogene Überlegungen miteinbeziehen zu kön-

Gestaltungsmöglichkeiten, etwa im Sinne einer individu-

nen. So soll es zum Beispiel möglich sein, über eine Such-

ellen Hängung der Werke, anbieten.

abfrage in der Feldmann-Datenbank den Bestand von

Unter diesen Aspekten wird die Erstellung einer Da-

Zeichnungen der deutschen Schule aus der ehemaligen

tenbank zur virtuellen Rekonstruktion der Sammlung

Sammlung Feldmann gemeinsam abzubilden, unabhän-

Feldmann nicht nur eine Unterstützung der Recher-

gig davon, ob die entsprechenden Werke in einem der

chearbeit bedeuten, sondern kann darüber hinaus die

bereits erwähnten Museen verwahrt werden oder noch

Sammlung der kunsthistorischen Forschung sowie ei-

nicht wieder aufgefunden werden konnten.

nem interessierten Publikum zugänglich machen und so-

Gerade bei den zuletzt genannten Werken, für die es im Sinne Walter Benjamins kein »Hier und Jetzt«

mit die Erinnerung an ihre Bedeutung und ihren einstigen Eigentümer fortleben lassen.

gibt, könnte man so für die Wissenschaft nutzen, was seinem Diktum zufolge ohnehin besser von der Reproduktion eines Kunstwerkes geleistet werden kann: »Sie [die technische Reproduktion] kann […] das Abbild des Originals in Situationen bringen, die dem Original selbst nicht erreichbar sind.«156 In diesem Sinne argumentiert auch Werner Schweibenz, wenn er schreibt: »Gerade in dem Zusammenbringen von zusammengehörigen Inhalten, die auf Sammlungen in der ganzen Welt verstreut sind, besteht die besondere Chance des virtuellen Museums. Denn Museumsobjekte können in ihrer physischen Form bestenfalls für eine kurze Zeit […] für traditionelle Ausstellungen zusammengebracht werden […].«157 Die durchwegs positive Argumentation für die zukunftweisende Idee des virtuellen Museums darf hier jedoch keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass sie für die Sammlung Arthur Feldmanns nicht eine, sondern die einzig mögliche Form der Gesamtdarstellung ist. Deshalb erscheint es auch unbedingt notwendig, einen Internetauftritt zu wählen, der geeignet ist, die Sammlung in einem ihr entsprechenden Kontext zu zeigen. Ein Desiderat, das sich in allgemeinerer Form auch auf dem Background

155 Die bereits erwähnte Problematik des Urheberrechts (für Bild und Text) stellt dabei noch ein zusätzliches Feld mit Klärungsbedarf dar. 156 BENJAMIN 1974, S. 12. 157 SCHWEIBENZ 2008, S. 146. 158 Background Paper zur CIDOC Konferenz (5. September 2015– 10. September 2015) in New Delhi. http://www.cidoc2015.in/ backgroundpaper.htm (15. Mai 2015).

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…fast wie ein Krieg Alexandra Caruso im Interview mit Uri Arthur Peled-Feldmann

Uri Arthur Peled-Feldmann, geboren 1943 in Tel Aviv, er-

mann auf die Zeichnung gestoßen? Gerade in diesem Fall ist

zählt von seinen jahrelangen Anstrengungen, die geraubte

die Quellenlage im Archiv des Bundesdenkmalamts, dem

Kunstsammlung seines Großvaters wieder aufzufinden.

für die Provenienzforschung zentralen Archiv in Öster­

Der Beginn von Uri Arthur Peled-Feldmanns aktiver

reich, dürftig. Die Beraubung Arthur Feldmanns hatte auf

Suche nach der im März 1939 in Brünn von der Gestapo

dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik stattge-

beschlagnahmten kostbaren Sammlung von Altmeister­

funden.

zeichnungen seines Großvaters, des Juristen und Ge-

Auf ihrer aktuellen Homepage geht es der Kommission

schäftsmanns Arthur Feldmann, fiel zeitlich ziemlich genau

für Provenienzforschung um Klarstellung: »Hinweise von

mit der Etablierung der staatlichen Provenienzforschung

Verfolgten oder deren Familien werden selbstverständlich

in Österreich zusammen. Vor allem wegen des internatio-

aufgegriffen, sind jedoch nicht Voraussetzung der Untersu-

nalen Drucks war es zu einer Haltungsänderung und in der

chungen.«160 Betroffene könnten hohe Honorarkosten für

Folge zur Erlassung des Kunstrückgabegesetzes gekom-

Anwälte und Recherchen durch Dritte sparen, da die Mit-

men. Die Zeit war endlich reif für einen offensiven Umgang

arbeiter der Kommission verpflichtet sind, im gesetzlichen

mit dieser Frage und zwar nicht nur in Österreich, sondern

Auftrag die Bestände der Bundesmuseen und -sammlun-

auch in anderen europäischen Ländern.

gen systematisch nach inkriminierten Objekten zu durch-

Das seit 1998 in Österreich geltende Kunstrückgabegesetz sieht jedoch eine Parteienstellung nicht vor. Wohl

forsten. Gleichzeitig profitiert auch die Provenienzforschung von dem Wissen privater Antragsteller.

nicht nur aus diesem Grund, sondern auch wegen eines tief

Vertreter der ersten und zweiten Generation von Holo­

sitzenden Misstrauens gegenüber der Kooperations- und

caust-Opfern und Vertriebenen, die wie Uri Peled noch tief

Rückgabewilligkeit staatlicher österreichischer Einrichtun-

in die Familiengeschichte eingeweiht sind, gibt es leider nur

gen nach dem Zweiten Weltkrieg verlief Peleds Suche über

mehr wenige. Die Leistung, die Peled mit seiner 16 Jahre

weite Strecken parallel zur Tätigkeit der Kommission für

dauernden Suche erbracht hat – und weiterhin zu erbrin-

Provenienzforschung. In weiterer Folge kam es aber doch

gen entschlossen ist –, verdient Respekt und Anerkennung.

zu einer intensiven Zusammenarbeit mit der damaligen

Peled hat sich auf ein kunsthistorisches Spezialgebiet ein-

Provenienzforscherin an der Albertina, der Kunsthistorike-

gelassen – ein schwieriges Unterfangen, besonders da der

rin Maren Gröning. Nach einer ersten Ablehnung durch den Kunstrückgabebeirat im Jahr 2005 erfolgte 2008 doch noch eine Rückgabeempfehlung für die von Peled in der Albertina aufgespürte Zeichnung Landschaft mit einem Felsblock159. Offen bleibt die Frage: Wäre die Provenienzforschung allenfalls auch ohne die Anregung durch Uri Arthur Peled-Feld-

159 Laut Uri Arthur Peled-Feldmann wird das aus der Albertina restituierte Blatt heute bezeichnet als: Landschaft mit einem Felsblock, vor dem ein Kastell eine Ansiedlung dominiert, auf dem Fluss ein Segelboot, Künstler: anonym, zugeschrieben: italienisch, 14,3 x 39,7 cm. 160 http://provenienzforschung.bmbf.gv.at/kommission/ (8. Juni 2015). 33

Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

Bestand an Handzeichnungen in den unterschiedlichen

ganze Zeit voll und ganz der Sache widmen!« Es war ein

­Museen und privaten Sammlungen nur teilweise erschlos-

Gottesgeschenk!

sen und aufgrund der Menge fast unüberschaubar ist. Doch geht es Peled nicht um persönlichen Ruhm und Eitelkeit;

Wann hat dein Interesse an der Sammlung begonnen?

vielmehr sieht er den Erfolg seiner unermüdlichen Anstrengungen als einen persönlichen Triumph über die national-

Ich wusste nur wenig von der Sammlung meines Groß-

sozialistischen Verbrechen und den späteren Versuch der

vaters und vom Leben meiner Großeltern in Brünn. Hie

Museen, dieses Unrecht zu zementieren. Seine Mission ist

und da erwähnte mein Vater oder mein Onkel etwas über

es, die weit verstreute Kunstsammlung seines Großvaters

die Zeit in Brünn und dass Großvater ein wichtiger Kunst-

aufzufinden und ihr den gebührenden Platz in den Grafik-

sammler gewesen war. Damals war ich noch ein Kind.

sammlungen der Welt zuzuweisen, und zwar durch eigene

Als Jugendlicher und junger Mann hatte ich andere In-

Entschlossenheit, auf freiwilliger Basis, durch großzügige

teressen, und das Verhältnis zu meinem Vater war nicht

Schenkungen. Auf diese Weise soll die Erinnerung an Dr.

spannungsfrei. Mein Vater war, nach allem was vorgefal-

Arthur Feldmann und seine bedeutende Grafiksammlung

len war, seelisch zerrüttet. Noch heute erfahre ich, auch

gewahrt bleiben.

dank der Recherchen der Mitarbeiterinnen der Albertina



und der Provenienzforschung, viel Neues über das Le-

Seit 16 Jahren beschäftigst du dich damit, die umfang-

ben meiner Großeltern – z. B. wie sozial engagiert meine

reiche Sammlung von Altmeisterzeichnungen wieder

Großmutter gewesen ist. Davon hatten wir – meine bei-

aufzufinden, die dein Großvater, Dr. Arthur Feldmann,

den Schwestern und ich – keine Ahnung. Mein Vater hat

während der 1920er- und 1930er-Jahre zusammenge-

wenig gesprochen.

bracht hatte. Die Sammlung wurde im März 1939 von der Gestapo konfisziert und anschließend zerschlagen.

Wie alt war dein Vater, Karl Feldmann, als er die Tschechoslowakei verlassen musste?

Ja, Ich beschäftige mich intensiv mit der Suche. Als ich damit begonnen habe, war ich bereits ein erwachsener

Er verließ Brünn 1940. Damals war er 34 Jahre alt und

Mann. Vorher hatte ich mir die Unterlagen zu der Samm-

hatte eine kleine Tochter, meine älteste Schwester. Sie

lung immer wieder durchgesehen. Ich musste erst alles

alle waren Holocaust-Überlebende. Wären sie damals

in den Griff bekommen. Es gab so vieles, von dem ich

nicht aus Brünn geflüchtet, hätte sie das Schicksal mei-

noch keine Ahnung hatte. In Sachen Kunst und Prove-

ner Großmutter ereilt, und sie wären ins Konzentrations-

nienzforschung bin ich Laie. Und da etliche Dokumente

lager gekommen. Meine Schwester ist heute 77 Jahre alt

aus den 1930er-Jahren stammen, musste ich dafür ein

und seit Längerem blind. Erst seit ein paar Jahren erhält

entsprechendes Wörterbuch aus der Zeit heranziehen.

sie als Holocaust-Überlebende eine kleine – ganz kleine – Rente.

Da hattest du schon ein Berufsleben hinter dir. Hattest Was hat schließlich für deine Suche nach der Sammlung

du in Israel gearbeitet?

den Ausschlag geben? Selbstverständlich. Ich war in einer großen Bibliothek als Leiter des Depots tätig. Davor hatte ich sechs Jahre in

Eines Tages zeigte mir der Mann meiner jüngeren Schwes-

den USA verbracht und ein Jahr in Deutschland. In Israel

ter ein Inserat aus einer hebräischen Zeitung, wonach die

bin ich mit 60 nach 27 Berufsjahren in Rente gegangen.

tschechische Republik Kunstwerke zurückgeben würde.

Damals wurden viele Leute entlassen und man offerier-

Das war 1997. Bevor mein Vater 1989 verstarb, hatte er

te mir, mich mit gering gekürzten Bezügen in Rente zu

meiner Schwester Dokumente übergeben. Zu mir hatte

schicken. »Wunderbar!«, dachte ich, »dann kann ich die

er damals in diesen Dingen – leider Gottes – kein Vertrau-

34

Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

en. Meine Schwester hat mir aber schließlich alles über-

Dein Großvater, Arthur Feldmann, war vermutlich der

lassen.

erste in der Familie, der eine höhere Schule und die Universität besuchte.

Um welche Dokumente handelte es sich dabei? Ja, aber nicht nur er – auch sein Bruder ging zur UniversiIn diesen Unterlagen befand sich zum Beispiel der für

tät. Mein Großvater besuchte fünf Klassen der deutschen

die Rekonstruktion der Sammlung so wichtige Luzerner

Schule und kam anschließend ins Deutsche Gymnasium

Katalog des Auktionshauses Gilhofer & Ranschburg aus

Kroměříž, Kremsier auf Deutsch, in Ostmähren. Er hat

dem Jahr 1934 sowie viele Fotos von Zeichnungen aus

seine Matura gemacht und ist anschließend nach Wien

diesem Katalog. Außerdem waren da zwei wichtige Lis-

gegangen, um, wie sein Bruder, Rechtswissenschaften

ten aus den frühen 1930er-Jahren und anderes mehr, das

zu studieren. Das alles war Kaiser Franz Joseph I. zu dan-

mir bei der Suche sehr geholfen hat. In Wien lernte ich

ken; er hat viel für die Juden getan! Und Köpfe hatten sie

später Dr. Hansjörg Krug, den Inhaber der Kunsthand-

ja im Allgemeinen wunderbare.

lung Nebehay, kennen. Dr. Krug hat mir viele Stunden

Mein Großvater gründete sehr bald seine eigene

einfach nur zugehört und mir dann Ratschläge gegeben.

Kanzlei, eine sehr große Kanzlei mit vielen Rechtsanwäl-

Aber vor allem habe ich durch ihn den annotierten Kata-

ten. Ich finde es fantastisch, wie er das alles geschafft

log von der Versteigerung in Luzern bekommen!

hat! 1915–1916 war er bereits ein sehr wohlhabender Mann und hat sein Vermögen geschickt angelegt. In

Welche Bedeutung hatte dieser Katalog?

Brünn besaß er neben Immobilien auch Weinberge und eine Schuhfabrik. Er war ein tüchtiger Geschäftsmann.

In diesem Exemplar des Katalogs war vom Versteigerungshaus vermerkt worden, was bei der Auktion 1934

Sein Sohn, Otto Feldmann, ist ebenfalls Jurist gewor-

verkauft und was an meinen Großvater als unverkauft

den.

wieder zurückgegangen war. Auch Käufer und Einbringer werden genannt. Schon im Jahre 1958 hatte mein Va-

Er hat in der Kanzlei des Vaters mitgearbeitet und sich

ter an Gilhofer & Ranschburg in Luzern geschrieben und

deshalb auch in allen seinen Belangen und so auch bei

sie um eine Kopie des Katalogs ersucht. Sie antworteten

der Zeichnungen-Sammlung bestens ausgekannt.

ihm, sie hätten »leider Gottes« nur ein Exemplar, das sie meinem Vater nicht schicken könnten. Wieso haben sie

Und dein Vater? Was hat er gemacht?

das gemacht? Es hat auch mich verletzt. Sie hätten doch eine Fotokopie machen können. Mein Vater hätte ihnen

Er hat als Beamter begonnen und dann in Wien das

alles bezahlt. 1958 konnte man schon fotokopieren. Dr.

­Kürschnerhandwerk erlernt. Später eröffnete er in Brünn

Krug war mit dem damaligen Besitzer von Gilhofer &

ein eigenes Schuhgeschäft.

Ranschburg, Axel Erdmann, befreundet und hat mir die Kopie schließlich besorgt.

Man kann also von einer Erfolgsgeschichte sprechen!

Ich möchte gern auf deinen Großvater zu sprechen kom-

Absolut! Mein Großvater war ein sehr begabter und in-

men. Er wurde im südmährischen Städtchen Wischau

telligenter Mann. Sogar die Briefe, die er während des

geboren, wo sein Vater Kaufmann gewesen war.

Kriegs an meine Eltern in Palästina geschrieben hat, bezeugen noch seine Besonnenheit. Die Korrespondenz ist

Mein Urgroßvater war Kaufmann. Er hat mit Textilien –

damals durch das Deutsche Rote Kreuz kontrolliert und

Seide und Ähnlichem – gehandelt. Er ist sehr erfolgreich

weitergeleitet worden.

damit gewesen. 35

Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

Sind dir viele Briefe erhalten geblieben?

Kommen wir noch einmal zurück zu einer glücklicheren Zeit in den 1920er-Jahren: Dein Großvater hat relativ

Viele! Es gibt auch ein paar Zeilen von meiner Großmut-

spät zu sammeln begonnen; er war damals bereits ein

ter, die derartig aufwühlend sind! Sie berichtete meinen

wohlsituierter Rechtsanwalt.

Eltern, dass meine Großeltern mütterlicherseits fünf Wochen zuvor »gegen Osten« geschickt worden waren.

Nein. Er hatte bereits viel früher mit einer Sammlung von

Meine Großmutter war nach dem Tod ihres Mannes in

Gemälden alter Meister begonnen.

Brünn verblieben und musste den gelben Stern tragen.

Mein Vater verfasste dazu später ein Memorandum,

Ihre beiden Söhne und ihre geliebte Enkeltochter, meine

in dem es hieß, er könne sich unter anderem an ein Ge-

Schwester, hielten sich in Palästina auf. Dann teilte sie

mälde von Domenico Fetti Der verlorene Sohn erinnern.

ihnen in einem Schreiben mit, dass es auch bei ihr »mor-

Dieses Bild war aber noch von meinem Großvater an

gen nach Osten« ginge: »Ich bin gesund. Ich bin bestens

Graf Antoine Seilern verkauft worden. Heute befindet es

ausgerüstet. Macht euch keine Sorgen!« Das ist alles.

sich im Kunsthistorischen Museum in Wien mit der Provenienz »Arthur Feldmann« und dann »Antoine Seilern«.

Das heißt, deine vier Großeltern sind alle umgekommen?

Außerdem besaß er einen Claude Lorrain, Italienische Landschaft mit Flucht nach Ägypten, und einen Hierony-

Mein Großvater Arthur Feldmann ist sozusagen eines

mus Francken, ein biblisches Gemälde – Auferstehung

»natürlichen Todes« gestorben. Er war in Brünn verhaftet

des Lazarus.

worden, wurde im Gefängnis fürchterlich gequält und erlitt einen Schlaganfall. Daraufhin kam er wieder frei und

Handelt es sich dabei immer um reguläre Verkäufe

verstarb im Jahr darauf, 1941. 1942 wurde meine Groß-

durch Arthur Feldmann?

mutter Gisela nach Theresienstadt deportiert. 1944 kam sie von dort aus mit ungarischen Juden im Viehwagen nach

Im Fall des Fetti – ja, bei den anderen gibt es wegen des

Auschwitz und wurde sofort vergast. Die Menschen in den

Vorgehens der Nazis keine Spuren.

Gaskammern waren aber nicht sofort tot! Es hat Minuten gedauert. Woran mag meine Großmutter damals wohl ge-

Das bedeutet, dass du noch viel wirst recherchieren

dacht haben? Gisela war rothaarig mit blauen Augen und

müssen.

hatte eine Haut wie weißes Porzellan. Schön ist sie nicht gewesen, aber hochgescheit. Eine gescheite Frau!

Um Gottes willen! Ich habe doch nicht mehr so viel Zeit!

Die Eltern meiner Mutter wurden nach Weißrussland

Jedenfalls war mein Großvater bereits als junger Mann

verschleppt. Sie kamen in eine große Schlucht nahe der

sehr an Kunstgeschichte interessiert gewesen. Und als

Stadt Minsk, so ähnlich wie Babyn Jar. Am Rand einer Gru-

er dann viel Geld verdiente, begann er Kunst zu kaufen.

be mussten sie sich ausziehen; dann wurden sie erschos-

Er hatte viele Mandanten in Wien und hielt sich fast jede

sen.

zweite Woche in der Stadt auf. Mit der Zeit verlagerte sich sein Interesse immer stärker auf Handzeichnungen.

Als Du vor 72 Jahren in Palästina geboren wurdest, hat da deine Großmutter noch erfahren, dass sie einen En-

Das geschah dann aber bereits in den frühen 1920er-Jah-

kel bekommen hatte, der den Namen Arthur, wie ihr

ren.

verstorbener Mann, tragen würde? Ja. Von dieser Zeit an bestand auch ein reger Kontakt zu Ja, meine Großmutter hat damals noch in Theresienstadt

Otto Benesch von der Albertina, der meinen Großvater

gelebt, und ich bin sicher, dass meine Eltern ihr geschrie-

in der Folge auch beim Kauf von Zeichnungen beraten

ben haben, dass sie einen Enkelsohn bekommen hat.

hat. Mein Großvater hatte eine fantastische Sammlung

36

Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

mitteleuropäischer Zeichnungen, mit vielen seltenen

mann aufgeteilt. Die Sammlung blieb jedoch weiter in

Werken darunter. In der Kunstwelt war die Sammlung

der Obsorge meines Großvaters.

sehr bekannt, viele der Zeichnungen wurden publiziert. Das heißt, es handelte sich um ein familieninternes AbDas heißt, er hatte ein ausgeprägtes Gespür für Qualität.

kommen aus steuerlichen Überlegungen.

Nicht nur das! Er hat sich auch besonders für die indivi-

Steuerliche Überlegungen waren wahrscheinlich der

duelle Handschrift eines Künstlers interessiert. Im Jahr

Grund. Rechtlich war die Sache vollkommen in Ordnung,

1934 hatte er bereits 800 Zeichenblätter, die er in seiner

und es war allgemein anerkannt, unter anderem auch

Villa in Brünn in Grafikkästen verwahrt hat.

von Otto und Eva Benesch, dass es sich, wann immer­ Otto Feldmann genannt wurde, um die Sammlung ­Arthur

Das war also ein Charakteristikum der Sammlung. Was

Feldmann handelte.

zeichnete sie noch aus? Wie muss man sich die Situation in Israel in den Er besaß qualitätsvolle Beispiele aus allen Schulen – der

1950er-Jahren vorstellen? Konnte man mit irgendjeman-

deutschen, schweizerischen, englischen, französischen,

dem über gestohlenen Kunstbesitz sprechen?

holländischen und natürlich italienischen vom 14. bis einÜberhaupt nicht. Im Gegenteil! In Israel, das damals

schließlich zum 18. Jahrhundert.

Palästina war, wurde arabisch gesprochen. Die Juden, Irgendwann war er dann aber gezwungen gewesen, ei-

die schon lange vor Hitler gekommen waren, sprachen

nen größeren Anteil zu verkaufen.

hebräisch. Unser kulturelles Milieu waren die Freunde meiner Eltern, die auch aus Brünn oder Prag stammten.

Die Wirtschaftskrise zwang ihn, einen Teil seiner Samm-

Alle hatten von der Kunstsammlung des Dr. Feldmann

lung zu verkaufen. Es war natürlich leichter, mobiles

gehört, aber man hat nicht darüber gesprochen. Man

Vermögen zu veräußern. Deshalb brachte er 1934 eine

musste überleben.

Anzahl von Zeichnungen zur Versteigerung ein. Daher stammt der Luzerner Katalog von Gilhofer & Ranschburg.

Wie war das Leben deiner Eltern in Palästina? Konnte

Otto Benesch hatte das Vorwort zum Katalog verfasst.

dein Vater seinen Beruf weiter ausüben?

87 Zeichnungen aus der Sammlung Feldmann wurden versteigert, der unverkaufte Rest ging wieder an meinen

Nein! Meine Eltern waren im Hebräischen Analphabeten.

Großvater zurück. Da sich jedoch seine persönliche wirt-

Vor dem Krieg – in Brünn – war meine Mutter Bürolei-

schaftliche Lage bald wieder stabilisierte, kaufte er sogar

terin in einer großen Fabrik gewesen. Dann in Palästina

erneut zu. Er erweiterte seine Sammlung bis zu der Zeit,

musste sie als Putzfrau arbeiten. Sie hat für andere Leute

als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen. 1939

gebügelt und später für einen deutschen Arzt gekocht

haben die Nazis seinen gesamten Besitz und die Samm-

und den ganzen Haushalt erledigt. Mein Vater war zuerst

lung Arthur Feldmann, die damals rund 750 Handzeich-

Taxichauffeur, dann Ambulanzfahrer, und später Chauf-

nungen umfasste, beschlagnahmt.

feur für das Verteidigungsministerium. Er hat noch Überstunden gemacht, um über die Runden zu kommen. Sie

In den Katalogen der 1930er-Jahre scheint manchmal

waren beide sehr fleißig und tüchtig.

auch dein Onkel als Eigentümer auf. Ab einem bestimmten Moment nach dem Krieg hat sich Vermutlich aus steuerlichen Gründen hat mein Großvater

dein Vater dann mit der verschwundenen Kunstsamm-

einen Teil der Sammlung zwischen sich und Otto Feld-

lung beschäftigt. 37

Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

Sein Bruder, Dr. Otto Feldmann, hatte damit begonnen.

Gab es in deiner Familie außer dir noch jemanden, der

Bereits unmittelbar nach dem Krieg, also im Jahr 1947,

sich für die Sammlung interessierte?

nahm er Kontakt zu den Prager Behörden auf, um nach unseren Hinterlassenschaften – darunter auch die große

Nein. Meine jüngere Schwester kann weder besonders

Zeichnungen-Sammlung meines Großvaters – zu suchen.

gut Deutsch noch Englisch. Sie war verheiratet und hat

Mein Onkel wusste viel. Er hatte die Karteikarten, die

Kinder und hatte daher auch keine Zeit; meine andere

mein Großvater zu den einzelnen Zeichnungen angelegt

Schwester ist blind. Da ich keine Familie und am meis-

hatte – mit Namen der Verkäufer, Kaufdatum und so wei-

ten Zeit habe, kann ich mich so einer Sache widmen. Au-

ter – oft durchgesehen. Von ihm habe ich viel erfahren.

ßerdem spreche ich Deutsch und Englisch und verstehe etwas vom Recherchieren. Inzwischen ist diese Arbeit

Als dein Onkel 1956 verstarb, übernahm dein Vater die

mein Lebenszweck geworden.

Recherchen. Hättest du dir jemals vorstellen können, dass die Suche 1960 oder 1961 engagierte mein Vater zu diesem Zweck

nach der Sammlung deines Großvaters einmal dein Le-

einen deutschen Rechtsanwalt, der sich mit den Behör-

ben sein würde?

den in der Bundesrepublik Deutschland in Verbindung setzte. Sie legten unzählige Beweismittel vor, aber nichts

Du stellst mir schwierige Fragen... Nein, nie! Das ist alles

wurde anerkannt. Mein Vater konnte nicht gemäß dem

vom lieben Gott gekommen. Ich glaube, es war meine

BRüG, dem Bundesrückerstattungsgesetz, belegen, dass

Bestimmung im Leben... Zurzeit arbeite ich an einer CD-

Zeichnungen tatsächlich nach Deutschland gelangt wa-

ROM, auf der ich die Sammlung von Arthur Feldmann re-

ren. Ja, wie hätte er das denn belegen können?

konstruieren werde. Ich werde schildern, wie ich all die Jahre gearbeitet habe; wie ich auf einzelne Zeichnungen,

Dein Vater saß abgeschnitten von allen Recherchemög-

die dort abgebildet und beschrieben sein werden, gesto-

lichkeiten in Israel ...

ßen bin. Und man wird auch erfahren, wie ich in manchen Museen erniedrigt, in anderen wiederum gut behandelt

Er war in Israel, und obwohl er und sein Anwalt dar-

worden bin.

legten, wie die Beraubung abgelaufen war, und sie mit

Ich werde auch über meine Kontakte zu Privatsamm-

­Sicherheit wussten, dass vieles nach Deutschland gegan-

lern berichten. Mit den meisten habe ich sehr gute Erfah-

gen war, glaubte man ihnen nicht. Alles war furchtbar

rungen gemacht. Ein Sammler hat mich von sich aus aus-

aufwendig und kostspielig und hat Jahre gedauert. Da-

findig gemacht und mir dann eine Zeichnung ohne Wenn

mals waren in Deutschland noch viele ehemalige Nazis

und Aber zurückgegeben.

Richter. Mein Vater wurde nicht gut behandelt. Es war Was ist der Ausgangspunkt deiner Recherchen gewe-

schlimm!

sen? Hast du deine Recherchen damals mit einer konAb 1959 hatte dein Vater auch zu Dr. Otto Benesch in

kreten Zeichnung begonnen?

Wien Kontakt aufgenommen. Ich hatte den bereits erwähnten Luzerner Katalog von Erst damals hat Benesch erfahren, dass Arthur und Gise-

Gilhofer & Ranschburg. Damit wusste ich, was in den

la Feldmann umgekommen waren. Er hatte es zwar ge-

1930er-Jahren verkauft worden war und was nicht. Und ich hatte Abbildungen von einigen sehr guten Zeichnun-

ahnt, aber nicht gewusst. Fast 40 Jahre lang hatte mein Vater gekämpft und

gen. Dann waren da noch die zwei Listen aus den frühen

niemals irgendetwas für die Zeichnungen erhalten. Als er

1930er-Jahren. Der Ausgangspunkt meiner Recherchen

starb, habe ich sofort weitergemacht. Sofort!

waren jedoch die Abbildungen. Die Autorenschaft sowie

38

Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

die Beschreibung eines Kunstwerks können variieren,

Mittlerweile haben wir das auch bei einer Reihe von

hat man aber eine Abbildung, so ist das ein sicherer Be-

anderen Museen so gemacht. Für die Sammlung Feld-

leg. Mit der Zeit fand ich noch weitere Fotografien von

mann ist das wundervoll. Auf diese Weise ist sie in vielen

Zeichnungen. Natürlich bin ich auch nach Wien gereist,

berühmten Museen, so auch in der Albertina, vertreten.

um in der Nationalbibliothek und bei anderen Stellen

Wir haben Geld bekommen, aber gleichzeitig viele Hand-

zu recherchieren. Dabei wurde ich immer wieder in der

zeichnungen – insgesamt sind es 60 Stück – an Museen

Literatur fündig. Ich habe für jedes einzelne Werk eine

verschenkt. So ist es uns mit der Albertina ergangen, mit

Bibliografie erstellt.

dem British Museum, der Mährischen Galerie und der

Eines Tages fiel mir ein Katalog einer Versteigerung bei Sotheby’s in London aus dem Jahr 1946 in die Hände.

Nationalgalerie in Tschechien, dem Courtauld-Institut in London, dem RKD in Holland und dem Israel-Museum.

Dort waren unmittelbar nach dem Krieg unter dem Titel A property of a collector Zeichnungen meines Großvaters

Es muss ein überwältigendes Gefühl sein, wenn man

versteigert worden! Einige davon kannte ich aus dem

eine Zeichnung nach einer derart aufwendigen Suche

Luzerner Katalog, aber etliche andere waren mir bis da-

zurückerhält!

hin unbekannt gewesen. Den entscheidenden Ratschlag erhielt ich dann von Eric Löffler vom Rijksbureau voor

Wenn ich eine Zeichnung zurückbekomme, fällt mir zu-

Kunsthistorische Documentatie (RKD) in den Niederlan-

allererst ein riesiger Stein vom Herzen. Ich konnte wie-

den. Löffler hat mir überhaupt sehr viel geholfen und

der etwas erledigen. Aber natürlich ist es eine enorme

empfahl mir, in Frankreich im Institut Fondation Custodia

Befriedigung. Man kann sich das überhaupt nicht vor-

von Frits Lugt zu recherchieren. Und wirklich – wir hatten

stellen. Einfach wunderbar! Und es ist ein Sieg über die

Glück! Lugt hatte doch tatsächlich auf seinem Katalogex-

Gestapo. Was ich mitgemacht habe, das haben doch so

emplar eigenhändig »Arthur Feldmann« notiert!

viele Juden erlebt, deren Angehörige Kunstsammlungen

So fand ich die vier wunderschönen Zeichnungen im Bri-

besessen hatten. Die dritte Generation heute hat ja keine

tish Museum!

Ahnung mehr. Sie haben zwar viele Papiere, wissen aber nicht mehr all das, was uns noch vertraut ist. Das Schick-

Somit waren also die Blätter im British Museum die ers-

sal der Sammlung meines Großvaters, aber auch alles,

ten, auf die du bei deiner Suche gestoßen bist?

was danach passierte, ist repräsentativ für viele Juden. Wir teilen dasselbe Schicksal.

Ja, die vier Zeichnungen im British Museum waren der Beginn.

Und dann verschenkst du Kunstwerke, die du mühevoll zurückerkämpft hast?

Aber die Blätter im British Museum hast du nicht physisch zurückerhalten, sondern du erhieltest eine Ent-

Auch das ist ein unglaubliches Gefühl, das man über-

schädigung. Man fürchtete die Beispielwirkung – denn

haupt nicht beschreiben kann.

gerade an das British Museum richten sich internationale Forderungen auf Rückstellung etlicher Objekte.

Wird bei den geschenkten Blättern dann explizit die Herkunft aus der Sammlung Feldmann erwähnt werden?

Dennoch war das British Museum von allen Museen das unkomplizierteste. Sie haben die Forderung sofort aner-

Es soll nicht nur angeführt werden, dass die Zeichnungen

kannt. Nach ihren Bestimmungen war jedoch keine Na-

aus der Sammlung Feldmann stammen, sondern auch,

turalrestitution möglich. Wir waren froh, dafür Geld zu

dass sie geschenkt worden sind. In fast allen Museen gibt

erhalten, selbst nicht verkaufen zu müssen und die Zeich-

es im Zusammenhang mit unseren Schenkungen deshalb

nungen in diesem fantastischen Museum zu wissen.

auch kleine Feldmann-Ausstellungen. So war es im British 39

Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

Museum und der Mährischen Galerie und so geschieht es

Trotzdem hast du der Albertina gleich 29 Zeichnungen

nun in der Albertina und der Nationalgalerie in Prag.

geschenkt! Auch in Erinnerung an die guten Beziehungen deines Großvaters zur Albertina, allen voran zu

In der Albertina war die Sache nicht einfach für dich.

Dr.  Benesch, aber auch zu anderen Mitarbeitern, die

2005 wurde die Rückgabe einer Zeichnung vom Rück-

während der 1920er- und 1930er-Jahre zur Sammlung

gabebeirat abgelehnt, da der Sachverhalt damals für

Arthur Feldmann publiziert hatten.

»nicht ausreichend ermittelt« erachtet wurde. 2008 kam es dann nach Vorlage weiterer Evidenzen doch noch zu

Ja, genau. 29 Blätter, wobei drei auch eine Zeichnung

einer Rückgabeempfehlung.

auf der Verso-Seite haben. Die Zeichnung, die wir von

Im Zuge meiner Recherchen studierte ich auch intensiv

seum in Jerusalem geschenkt. Meine Schwester hat ein-

den von Veronika Birke und Janine Kertész erstellten Be-

mal zu mir gesagt: »Sieh mal – du gibst ein Geschenk und

standskatalog der italienischen Zeichnungen der Alberti-

der liebe Gott gibt dir dafür zwei, drei oder vier.« Für die

na. Unter der Inventarnummer 40.000 stieß ich schließ-

Wahrnehmung der Sammlung ist es jedenfalls das Beste.

der ­Albertina zurückerhielten, haben wir dem Israel-Mu-

lich auf eine Zeichnung, die aus dem Besitz von Feldmann stammte. Die Beschreibung stimmte genau mit jener im

Wie gestaltete sich deine Arbeit in Tschechien? Du hast

Luzerner Katalog überein. Die Albertina hatte die Zeich-

auch die tschechische Staatsbürgerschaft angenommen.

nung 1989 im Auktionshaus Dorotheum erstanden. In der Folge kontaktierte der Direktor der Albertina, Dr. Schrö-

Ja, und ich bin gerne Tscheche – als Nachkomme von

der, das Dorotheum. Weil der Verdacht bestünde, dass

Tschechen hatte ich ein Recht auf die Staatsbürger-

die Zeichnung aus einer von den Nazis beschlagnahmten

schaft. In einem der Kataloge der Mährischen Galerie

Sammlung stammte, ersuche er das Auktionshaus um

war ich auf vier Feldmann-Zeichnungen mit dem Stand-

genauere Angaben zur Herkunft des Blatts... Das Doro-

ort »Nationalgalerie Prag« gestoßen. Als ich das Museum

theum hat lange gebraucht, um überhaupt zu reagieren,

diesbezüglich kontaktierte, hatten sie am Anfang über-

und erklärte anschließend, es verfüge über keine Infor-

haupt keine Ahnung, was ich eigentlich von ihnen wollte.

mationen zu den Einbringern. Als der Fall dann schließ-

Wir dachten schon: »Die Tschechen sind schwierig!« Der

lich 2005 dem Kunstrückgabebeirat vorgelegt wurde, äu-

Direktor sagte: »Es tut uns leid, wir haben keine Zeich-

ßerte dieser Zweifel an der Darstellung, die die damalige

nungen von Feldmann, wenden Sie sich an die Mährische

Provenienzforscherin der Albertina, Dr. Maren Gröning,

Galerie in Brünn.« – »Tut mir leid« habe ich ihm geant-

in mühevoller Arbeit mit meiner Unterstützung verfasst

wortet, »mit Brünn stehen wir ja in Kontakt. Wir haben

hatte, und lehnte die Rückgabe ab. Wir wurden aufgefor-

von der Mährischen Galerie bereits 135 Zeichnungen aus

dert, nach weiteren Beweisen zu suchen.

der Sammlung Feldmann zurückbekommen!« Es waren Anfangsschwierigkeiten. Sie wussten einfach noch nicht,

Du hast dich dann der Mühe unterworfen und persön-

dass auch sie Zeichnungen aus der Sammlung meines

lich eine neunseitige Sachverhaltsdarstellung verfasst,

Großvaters hatten. Aber ich bin sehr hartnäckig und

die du auch gerichtlich beglaubigen ließest.

gebe keine Ruhe.

Ich habe wieder recherchiert, und das war gut so. Es war

Du lässt dich nicht abwimmeln!

eine Herausforderung für mich, und ich bin dabei noch auf andere Zusammenhänge aufmerksam geworden.

Es ist fast wie ein Krieg, ich dränge immer und immer wie-

Ich habe also ein Dossier geschrieben. Das hat geholfen.

der. Als sie mich mit der Zeit persönlich kennenlernten,

2008 erhielten wir die Zeichnung zurück.

fanden sie mich irgendwie sympathisch. Ich bin aufrichtig und sage, was ich mir denke. Schließlich haben sie einge-

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Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

sehen, dass an der Sache etwas dran sein musste; dann

dazu sein werde, wird sie die Angelegenheit weiterver-

waren sie die Besten zu mir! Sie haben mir gestattet,

folgen.

alle ihre Handzeichnungen eigenhändig durchzusehen. Somit konnte ich auch die Rückseiten analysieren. Auf

Wird die Arbeit mit der Zeit leichter?

zwei der vier Zeichnungen, von denen ich dank des Katalogs wusste, dass sie von Feldmann stammten, befand

Nein! Du hast ja gesehen, wie sehr es mich mitnimmt, da-

sich auf der Rückseite eine Nazi-Nummer. Sagen wir, sie

rüber zu sprechen. Selbst meine Freunde verstehen nicht

lautete: vier sechs null eins und die zweite vier sechs

immer, wie mühevoll es ist, einen claim einzubringen; wie

null zwo. Also habe ich mich auf die Suche nach weite-

viele Jahre intensivster Arbeit, wie viele Auslagen und

ren Zeichnungen mit einer derartigen Nummer gemacht

wie viel seelischer Schmerz in der Rückerlangung einer

und bin fündig geworden. Ich habe viele Zeichnungen

einzigen Zeichnung stecken…

gefunden! Die Provenienzforscher in Prag haben dann auch selbst gründlich recherchiert, und mir wurden viele

Ich gratuliere dir jedenfalls sehr herzlich zu deinen Er-

Zeichnungen zurückgegeben. Auf manchen fand sich die

folgen und bedanke mich für das Gespräch.

Handschrift meines Großvaters – auf Deutsch natürlich... Eine wunderschöne Handschrift! Die Gestapo hatte die Zeichnungen geraubt und einen Teil in der Nationalbank in Prag deponiert. Dort blieben sie bis in die 1960er-Jahre, dann wurden sie der Nationalgalerie übergeben. Die wussten gar nicht, dass die Zeichnungen von Feldmann stammten, bis der kleine Uri aus Israel kam, 70 Jahre später... Wie so viele andere Museen, hatten auch sie gedacht: »Um Gottes willen, was will der jetzt?!« Denkst du daran, dich in dieser Angelegenheit einmal zur Ruhe zu setzen? Diese 16 Jahre haben sehr an meinen Kräften gezehrt. Aber die Arbeit geht weiter, so lange mein Kopf funktioniert. Es gibt noch unglaublich viel zu tun! Wie sieht die Bilanz bisher aus? Wie viele Blätter hast du bisher zurückerhalten? Die Sammlung enthielt am 13. März 1939 750 Blätter. Davon haben wir 209 Blätter zurückbekommen, das ist weniger als ein Drittel. 541 Blätter müssen noch gefunden werden. In den USA werde ich dabei von Rebecca Friedman vom Holocaust Claims Processing Office unterstützt. Sie hat alle meine Unterlagen in Kopie. Rebecca Friedman ist Kunsthistorikerin und eine tolle Rechercheurin, die mich sehr unterstützt. Wenn ich selbst nicht mehr in der Lage 41

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Alle im folgenden Katalogteil behandelten Zeichnungen stammen aus der Sammlung von Dr. Arthur Feldmann und wurden der Albertina von den Erben in den Jahren 2011–2014 geschenkt. Namen der Autorinnen und Autoren des Katalogteils in alphabetischer Reihenfolge: Christine Ekelhart (C. E.) Achim Gnann (A. G.) Angelika Marinovic (A. M.) Christof Metzger (C. M.) Eva Michel (E. M.) Heinz Widauer (H. W.)

Abgekürzte Nachschlagewerke: B: Adam BARTSCH, Le Peintre Graveur, 23 Bde., Leipzig 1843–1876. Hollst. Dutch & Flemish: Friedrich W. H. HOLLSTEIN, Hollstein’s Dutch and Flemish etchings, engravings and wood­cuts 1450–1700, 72 Bde., Amsterdam-Roosendaal-Rotterdam-Ouderkerk aan den IJssel 1949–2010. Hollst. German: Friedrich W. H. HOLLSTEIN, Hollstein’s German engravings, etchings and woodcuts, ca. 1400–1700, 78 Bde., Amsterdam-Roosendaal-Rotterdam 1954–2010.

Die vollständigen Angaben zu den im Katalog verwendeten Vergleichsabbildungen einschließlich des Nachweises der Bildrechte befinden sich am Ende des Bandes.

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Katalog

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Deutsche Zeichnungen

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1 Monogrammist PHB nach Jost Amman (1539 Zürich – in Nürnberg begraben 17. 3. 1591)

Der Judaskuss Feder in Schwarzbraun 24,7 x 18,8 cm Monogrammiert und datiert Mitte unten »1588 PHB [ligiert]« Federaufschrift M. o. ». 13.«, l. u. »No. 35.« Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso Mitte rechts »Monogrammist PB 1558« Stempel und Inventarnummer »3163« des Mährischen Landesmuseums Brünn, daneben die Nummer »EK 2520« Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46625 Provenienz: Arthur Feldmann, Brünn; Mährisches Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben Arthur Feldmanns 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: Kat. d. Verst. Sotheby’s, London, 6. Juli 2005, lot 21

In einem aufrecht stehenden Oval hat der Zeichner in

separat entworfen und hier aus ökonomischen Gründen

dichter, fast chaotischer Drängung des Personals die

ausgelassen wurde. Sicherlich war die Zeichnung Teil ei-

Gefangennahme Christi komponiert. Die dramatischsten

nes umfangreicheren Zyklus, bei dem der eben vermutete

Momente sind der verräterische Wangenkuss des abtrün-

Rahmen jede Einzelszene umschlossen haben dürfte. Wie

nigen Judas und der Schwerthieb des Petrus gegen einen

die Ausführung geplant war, etwa als Glasmalerei, kann

zu Boden gestürzten Schergen, den Christus umgehend

mangels eines erhaltenen Bildbelegs nur vermutet wer-

vom Verlust seines Ohres heilte. Weitere Kriegsknechte

den. Die oben von der Hand des Zeichners notierte Zahl

drängen von links und aus der Ferne herbei, mit antiki-

»13« markiert die Platzierung innerhalb der Folge, die so-

sierenden Helmen und Waffen gerüstet und ausgestattet

mit (zählen wir im Handbüchlein zurück) mit dem Einzug

mit einer Feuerschale, um ihren nächtlichen Auftritt im

Christi in Jerusalem begonnen hätte. Die unten links ver-

nur von einer schmalen Mondsichel beleuchteten Garten

merkte Nummerierung stammt von späterer Hand und ist

Gethsemane zu erhellen.

anderweitig, für uns jedenfalls unerklärbar, motiviert.

Dem Blatt liegt ein Holzschnitt des Jost Amman (1539–1591) zugrunde, den dieser 1573 als Illustration zu Johann Lauterbachs Handbüchlein deß Alten vnd Neuwen Testaments geschaffen hatte (5. Buch, Bl. t2 verso; Hollst. German 96.239; Abb. 1). Die Szene ist im Holzschnitt in ein Queroval platziert und dadurch etwas breiter angelegt. Die Figuren wirken gedrungener, zumal der Raum oben und unten verknappt ist und dadurch eine geringere Tiefe entwickelt. Die ums Oval verbleibenden Zwickel füllt Amman mit Blatt- und Fruchtgebinden, auf denen runde, wohl metallen gedachte Appliken sitzen. Die Delle am oberen Bildrand unserer Zeichnung spart womöglich eine Kartusche aus, etwa mit erklärendem Text oder einem einschlägigen Bibelzitat. Die restlichen Freiflächen hätte dann ein ornamentierter Rahmen zu füllen, der wohl

Abb. 1 Jost Amman, Der Judaskuss

46

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Der Künstler hinterließ sein Monogramm »PHB« und

ich einen Werkstattmitarbeiter vermute, der Technik und

die Jahreszahl 1588, war also schon zu Lebzeiten Ammans

Stil des Meisters sehr sicher zu imitieren wusste: bestens

tätig. Im holzschnittartigen Duktus kommt er nicht nur

geeignet also, dem vielbeschäftigen Grafiker bei seinen

der grafischen Vorlage, sondern auch der spezifischen,

großen und prominenten Projekten hilfreich zu dienen.

auf druckgrafische Umsetzung zielenden Handschrift

C. M.

Amman’scher gezeichneter Blätter nun derart nahe, dass 47

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2 Nach Christoph Schwarz (um 1548 München – München 15. 4. 1592)

Christus vor Hannas Feder in Braun über zarter Stiftvorzeichnung, Einfassungslinie in Grauschwarz 36,6 x 27,6 cm Federaufschriften l. u. »Chr. Schwartz«, Farbangaben (teils gekürzelt); verso l. o. »Christoph Schwartz/Christus vor Kaiphas«, u. r. »N°. 87 A« Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso Mitte unten »Christoph Schwartz« Stempel und Inventarnummer »3258« des Mährischen Landesmuseums Brünn, darunter »VII.17.«, rechts daneben die Nummer »EK 2615« Wz.: Pfeil Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46624 Provenienz: Rudolf Peltzer (L. 2231 auf Verso), Köln; Arthur Feldmann, Brünn; Mährisches Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben Arthur Feldmanns 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: Kat. d. Verst. H. G. Gutekunst, Stuttgart, 13.–14. Mai 1914, lot 385 (als Christoph Schwarz)

Vor dem mit kostbaren Stoffen staffierten Thron eines vornehm gekleideten, bärtigen Alten ist Christus unter den Schlägen und Tritten wild gestikulierender und grölender Schergen zu Boden gegangen. Viel Volk in teils antikisierender, teils orientalisch anmutender Tracht drängt durch ein rundbogiges Tor herbei, und ihr Anführer tritt mit beredten Gesten als Ankläger Jesu auf. Ein mehr oder weniger nacktes Standbild, das in einer Nische in der rückwärtigen Wand die Szene überragt, betont die Unheiligkeit des Ortes und des ganzen hier sich ereignenden Tuns. Eine brennende Kerze und ein im Hintergrund emporgehaltenes Feuerbecken verweisen auf die nächtliche Stunde der Zusammenkunft. Welches Verhör hier nun verbildlicht wird, ist umstritten: Nach Johannes 18, 12–24 vernahm der Hohepriester Hannas, der Schwiegervater des Kajaphas, Jesus unmittelbar nach seiner Verhaftung. Gemäß Matthäus 26, 57 führte man Jesus nach der Verhaftung zum Hohepriester Kajaphas. Das bei Matthäus geschilderte Verhör gipfelt in dem Moment, als Kajaphas sein Gewand zerreißt, und kaum eine künstlerische Darstellung lässt sich diesen dramatischen Höhepunkt entgehen. So neige ich dazu, dem betagteren Priester, Hannas, die Rolle des Verhandlungsführers zuzuweisen. Die unten links vermerkte Bezeichnung »Chr(istoph). Schwartz« ist ersichtlich apokryph, weist aber insofern

Abb. 2 Johann Sadeler nach Christoph Schwarz, Christus vor Hannas

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den richtigen Weg, als vorliegendes Blatt eines der wei-

dacht umsetzen. Die fromme Übung entstand im 15. Jahr-

land berühmtesten Werke des Hofmalers der Münchner

hundert und half den Gläubigen, sich das Leiden Christi

Herzöge kopiert: eine Szene aus dem gegen 1589 für Re-

in Kontemplation und auch im Bild zu vergegenwärtigen.

nata von Lothringen, der Gemahlin Herzog Wilhelms V.

Am jesuitisch geprägten Münchner Herzogshof fielen

von Bayern, geschaffenen Passionsaltar (hierzu München

derartige Exercitia spiritualia auf fruchtbarsten Boden.

2005, S. 202–217, Kat. D3–D15), der zur privaten Andacht

Noch im Jahr der Entstehung des Altars erschien eine

der Herzogin dienen sollte. Ein (im Zweiten Weltkrieg in

Kupferstichfolge, die Jan Sadeler d. Ä. geschaffen hatte

der Staatsgalerie Stuttgart zerstörter) Gesamtentwurf

(Abb. 2) und die dem nur wenigen Personen zugängli-

von der Hand des Friedrich Sustris (um 1540–1599) zeigt

chen Altar zu enormer Popularität verhalf. Zahllose Ko-

uns, wie der Altar zusammengestellt war, nämlich aus

pien finden sich nun gemalt, gezeichnet, gestochen und

neun kleinen Kupfertafeln: an zentraler Stelle die Kreu-

auch in kunsthandwerklichen Techniken (vgl. GEISSLER

zigung, diese umrundend die Sieben Fußfälle Christi und

1960, Kat. G I, 10, Kat. G III, 8, Kat. Z III, 13, Kat. St I, 14–18),

zuunterst eine von Putten flankierte Kartusche mit ei-

und die Frage, welches Abbild auf welchem Vorbild be-

nem­­Andachtstext. Erhalten hat sich lediglich die mittlere

ruht, ist kaum mehr zu beantworten. In vorliegendem um

Darstellung mit der Kreuzigung Christi (siehe zu Sustris’

1600 entstandenen Blatt etwa sind gegenüber dem Stich

Entwurf und zur Kreuzigungstafel München 2005, Kat.

Sadelers die Köpfe (wohl zwecks klarer Unterscheidung)

D3, D4), doch lehrt der Entwurf, dass sich die vorliegende

ein wenig verkleinert, und auch das Gewimmel aus den

Szene am Altar unten links befand.

Beinen der Schergen wurde simplifiziert. Ob schließlich

Bei dieser und den übrigen sechs Szenen aus der Pas-

die sorgfältig vermerkten Farbangaben eine gemalte

sion handelt es sich um Darstellungen der Sieben Fußfälle

Vorlage dokumentieren oder auf eine spätere malerische

Christi, die das mehrmalige Zusammenbrechen des Er-

Ausführung zielen, ist nicht zu entscheiden.

lösers auf seinem Leidensweg in eine bildgestützte An-

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C. M.

3 Johann Georg Knappich (1637 Lechbruck – Augsburg 1704) zugeschrieben

Das Urteil des Salomo Schwarze Kreide, Feder in Grau, grau laviert, zarte Weißhöhungen, auf blauem Papier 18,5 x 24 cm Bleistiftaufschriften auf Verso M. o. »1508«, r. u. »G Flink«, darunter unleserliche Aufschrift in brauner Tinte, l. u. Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso Mitte oben »Venezianisch anfangs des 18. Jhdt./Salomos Urteil« Stempel und Inventarnummer »3206« des Mährischen Landesmuseums Brünn, daneben die Nummer »EK 2563«, Kartonnotizen »nach Solimena« sowie »Benátky 18. st.« Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46615 Provenienz: Arthur Feldmann; Mährisches Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben Arthur Feldmanns 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: unveröffentlicht

In einem herrschaftlichen Saal hat sich viel Volk versam-

Kind vorwiesen und einander beschuldigten, die eine habe

melt, um die Vollstreckung von Salomos Urteil abzuwar-

der anderen ihr totes Kind untergeschoben und dafür das

ten, das im alttestamentarischen 1. Buch der Könige (3,

lebendige geraubt, um es fortan als das ihre auszugeben.

16–28) nachzulesen ist. Links thront der weise König um-

Dem König war es unmöglich, die eine oder die andere der

ringt von seinen teils gewappneten Höflingen. Eine Stufe

Lüge zu überführen, und er befahl schließlich: »Teilt das le-

entrückt den Herrscher vom gewöhnlichen Fußvolk und

bendige Kind in zwei Teile und gebt dieser die Hälfte und

über ihm hängt zum Attest seiner königlichen Würde ein

jener die Hälfte.« Da sprach die leibliche Mutter des leben-

Stoffbaldachin; in einer Armbeuge lehnt die Insignie sei-

den Kindes (also die des Nachts um ihren Sohn betrogene)

nes richterlichen Amtes, ein Stab, seine andere Hand gibt

zum König, er möge das Kind verschonen und der anderen

dem Henker, der sein Schwert schon drohend erhebt,

Frau überlassen. Letztere aber (die Entführerin) forderte

Weisung, das hilflose, kopfüber gepackte Kind zu zertei-

kaltherzig, das Urteil zu vollstrecken. Und tatsächlich, keh-

len. Vor ihm am Boden liegt der Leichnam des zweiten

ren wir zur Zeichnung zurück, feuert die Frau den Henker

Knaben, mit dessen unglücklichem Tod das Verhängnis

noch an, sein grausiges Werk zu vollenden, während die

seinen Lauf nehmen sollte: Zu Salomo waren nämlich zwei

zweite klagend und flehend auf ihre Knie gesunken ist.

Frauen gekommen, die ihm ein lebendes und ein totes

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Das bläulich gefärbte Papier und unübersehbare An-

Schloss Achberg und Augsburg 2012, Nr. 32). Franck ar-

klänge an Werke des Veronese (man beachte die als

beitet die Figurenvolumina aber kompakter heraus und

venezianische Kurtisane auftretende falsche Mutter)

zeichnet in den Formen und Konturen präziser. Mit Jo-

führten dazu, das Blatt der Venezianischen Schule zuzu-

hann Georg Knappich begegnen wir schließlich einem

schreiben. Doch ist die differenzierte Technik, eine Mixtur

stilistisch und technisch ähnlich arbeitenden Künstler der

aus Feder, Lavis, Kreide und weißer Höhung, durchaus als

nachfolgenden Generation, über dessen Lehr- und Wan-

ein Spezifikum der Augsburger Schule anzusprechen, wo

derjahre nichts bekannt ist, der aber häufiger von Vero-

sie von Johann Heinrich Schönfeld (1609–1684) einge-

nese entlehnte Motive in vergleichbaren bühnenartigen

führt und von den Meistern seines Kreises vervollkomm-

Szenerien einarbeitete (vgl. die Zeichnung Ludwig XIV. im

net wurde. Vergleichbares hinterließ etwa Hanns Ulrich

Gespräch mit zwei Mönchen, Kunstsammlungen und Mu-

Franck (um 1590–1675): Seine Darstellung der Kreuztra-

seen Augsburg, Inv.-Nr. G. 5553–84; dazu Augsburg 1987,

gung in Augsburger Privatbesitz kommt vorliegender

Nr. 32) und dem wir die Feldmann-Zeichnung vorsichtig

Arbeit hinsichtlich der mittels fein nuancierter Lavierung

zuweisen möchten.

erzielten Valeursabstufungen besonders nahe (siehe

C. M.

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4 Norddeutscher oder Augsburger Meister (?), spätes 17. Jahrhundert

Nach der Deukalionischen Flut Feder und Pinsel in Grau über Stiftvorzeichnung, laviert 18,6 x 29,8 cm Monogrammiert Mitte unten »L[?] B F« Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso »Holländisch um 1650/Die Arche Noahs« Stempel und Inventarnummer »B 3245« des Mährischen Landesmuseums Brünn, darunter die Nummer »EK 2602« Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46618 Provenienz: Arthur Feldmann, Brünn; Mährisches Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben Arthur Feldmanns 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: unveröffentlicht

Wir blicken auf eine im Hochformat des Blattes steil nach

Nur ganz wenige Erwählte waren jeweils bestimmt, den

oben sich staffelnde Berglandschaft. Eben bricht die

Fortbestand menschlichen Lebens zu sichern. So bezeich-

strahlende Sonne durch die sich verziehenden, düsteren

nen nach römischen Kommentatoren sowohl der Welten-

Wolken und wirft ihr gleißendes Licht auf eine Szenerie

brand (ecpyrosis) als auch die große Flut (diluvium) einen

schlimmster Verwüstung: Sturzbäche ergießen sich über

Zeitenwechsel mit wieder und wieder erneuertem Leben.

terrassierte Abhänge in die Tiefe, haben zwar Häuser und

In vorliegender Darstellung dürfen wir das Ende der

Dörfer vor Zerstörung verschont, doch alles Leben mit

Deukalionischen Flut sehen: Wegen der Schlechtigkeit

sich gerissen. Im verkeilten Geäst der im Vordergrund

der Menschen beschloss Zeus, das Eherne Zeitalter mit

angeschwemmten Bäume haben sich die Opfer der nun

einer alles vernichtenden Flut zu beenden. Deukalion

weichenden Flut – menschliche Leichname und auch ver-

und seiner Frau Pyrrha, den einzigen Gerechten, wurde

endete Tiere – verfangen oder liegen leblos am Boden.

befohlen, ein Schiff zu bauen. Ganz Griechenland wurde

Ganz oben aber, am Gipfel des zuhöchst aufragenden

schließlich überflutet, und als das Wasser wieder wich,

Berges und inmitten der Strahlen einer nun wieder die

landete das Paar auf dem Parnassos. Um die Erde nun

Erde erwärmenden Sonne, liegt ein gestrandetes Schiff.

wieder zu bevölkern, warfen sie Steine über ihre Schul-

Es liegt nahe, das Ende der biblischen Sintflut zu se-

tern, aus denen eine neue Menschheit entstand: Pyrrhas

hen, doch betonen einschlägige Darstellungen das Hoff-

Steine verwandelten sich in Frauen und Deukalions in

nungsvolle, den Aufbruch des nun neu erwachsenden

Männer.

Menschengeschlechts. So fehlen etwa Noahs Dankopfer

Der ganze Charakter und die spezifische Technik des

oder der verheißungsvoll über der Landschaft sich wöl-

Blattes – eine Feder- und Pinselzeichnung mit zartem la-

bende Regenbogen, vor allem aber der Auszug der Tiere

vis en grisaille – lässt uns vermuten, es war als Stichvor-

aus der rettenden Arche. Auch die Bauart des nun tro-

lage bestimmt und wahrscheinlich Teil einer größeren

ckenliegenden Schiffs als Galeere hat nichts gemein mit

Folge mythologischer Szenen. Eine entsprechende Grafik

dem biblisch beschriebenen Ozeanriesen, der ja dazu be-

oder zugehörige Darstellung ist uns indessen nicht be-

stimmt war, von jeder Art auf Erden ein Paar zu bergen.

kannt. Eine stecherische Umsetzung berücksichtigt der

Von derartigen Flutkatastrophen, die auf Veranlassung

Zeichner aber insbesondere durch die klare Formgebung,

der Götter eine verderbte Menschheit und überhaupt das

die scharfen Konturierungen und die mittels grauer La-

Leben auf Erden vernichten, berichten neben der Bibel

vierung angedeuteten Schattenzonen, die der Stecher

auch nahöstliche Epen sowie die griechische Mythologie.

je nach Grad der Verschattung durch dichtere oder wei-

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tere Schraffuren umsetzen sollte. Die Zeichenweise des

hinterließ (zum umfangreichen Hamburger Bestand sie-

Künstlers, der sein nicht aufzulösendes Monogramm »L B

he PRANGE 2007, Nrn. 830–886). Es muss an dieser Stelle

F(ecit?)« hinterließ, erinnert außerordentlich stark an den

jedoch offengelassen werden, ob das Blatt von Scheits

Hamburger Meister Matthias Scheits (1625/30–um 1700),

selbst oder möglicherweise von einem Mitarbeiter (oder

der mit Stichfolgen biblischen Inhalts reüssierte und zu

Nachfolger) stammt.

unserem Blatt sehr ähnliche Entwürfe in sehr großer Zahl

C. M. 55

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5 Österreichischer Meister aus dem Umkreis Paul Trogers (30. 10. 1698 Welsberg – Wien 20. 7. 1762) Baumstudie Feder in Braun 18,7 x 17,5 cm Aufschrift auf Verso o. »V.G/76.« Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso Mitte links »Holländisch um 1660/Baumstudie« Stempel und Inventarnummer »B 3148« des Mährischen Landesmuseums Brünn und die Nummer »EK 2505« Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46626 Provenienz: Jonathan Richardson (L. 2184), London; Arthur Feldmann; Mährisches Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben Arthur Feldmanns 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: unveröffentlicht

Ganz nahe am Fuß einer steil aufragenden Felswand, also

Troger bekannt. Aus dessen italienischer Frühzeit, also

in denkbar ungünstigem Biotop, steht eine kleine Grup-

aus der ersten Hälfte der 1720er-Jahre, ist eine ganze Rei-

pe entsprechend wenig wuchsfreudiger Bäume: sich eng

he ähnlicher Zeichnungen auf uns gekommen, in denen

ineinander verwachsen Halt gebend, teils noch belaubt,

sich wild-urwüchsige Natur mit antiken Ruinen oder bizarr

teils schon verdorrt und bis auf Aststümpfe verwittert,

gebildeten Felsformationen zu melancholisch gestimm-

einer gestürzt und langsam kompostierender Nährbo-

ten Landschaftsfantasien verbindet (KRONBICHLER 2012,

den für künftiges neues Grün. Die Perspektive ist recht

Nrn. Z 12, Z 103, Z 151, Z 201, Z 248, Z 249). Thematik und

geschickt gewählt, nämlich derart, dass die Pflanzen am

der grafische Duktus der Troger’schen Blätter lassen die

vordersten Blattrand stehen und der Boden, der die kur-

Nähe zu den eigenen Radierungen der Frühzeit erkennen.

ze Distanz zu ihrem steinernen Hintergrund überbrückt,

Gegenüber der vorliegenden Zeichnung wirkt Tro-

leicht nach unten sich neigt und der Fuß der Felswand

gers­Duktus freilich um einiges weicher, seine Volumina

hinter der Horizontlinie versinkt; so bekommt die be-

sind komplizierter und auch plastischer modelliert, und

scheidene Szenerie eine doch ganz erstaunliche Tiefe, zu

durch die geschickte Auslassung alles Nebensächlichen

der die nach hinten sich abschwächende Strichintensität

im Vorder- wie im Hintergrund fokussieren der Stift des

ihr Übriges gibt.

Künstlers und das Auge des Betrachters ohne Ablenkung

Der Zeichner versteht es bestens, nur mithilfe der fei-

auf die wenigen Hauptmotive der kunstreichen Arran-

nen Feder und in zartem Braun die knorrige Struktur des

gements. Ein wenig fühlen wir uns an jene Zeichnungen

verwitternden Holzes, die kristalline Härte des Felsens,

­erinnert, die der spätere Mannheimer Hoftheaterarchi-

den Eindruck von Tiefe, von Hell und Dunkel, von Schärfe

tekt Stephan Schenck (gest. 1748) um 1730/33 als Absol-

und Unschärfe herauszuarbeiten. In Details wie etwa dem

vent der Wiener Akademie nach Anregungen Trogers

spärlichen Laub erweist sich im Nebeneinander präzise

geschaffen hat, in einigen Fällen auch als direkte Kopie

formulierter Partien und abstrakt abbrevierter Flächen

(dazu PRANGE 1998, S. 58–76). Schencks Zeichnungen

sein besonderes Vermögen, das Gesehene mit sparsams-

sind indessen um einiges ungestümer als das disziplinier-

ten Mitteln, doch sehr routiniert wiederzugeben. Alles in

te Blatt der Feldmann-Sammlung, das um oder nach 1730

allem vermittelt das Blatt eher den Eindruck einer Radie-

im Umkreis Trogers entstanden sein dürfte.

rung, und Vergleichbares ist uns aus dem Werk des Paul 56

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C. M.

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Niederländische Zeichnungen

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6 ­­­­ Niederländische Schule, Mitte 17. Jahrhundert

Kopf eines bärtigen Mannes Schwarze Kreide, Rötel auf braunem Papier 32,1 x 21,3 cm Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso »Rubens Schule« sowie »Sammlung Dr. Gluenstein«; weitere Aufschriften »Zu 8384«, »IV37«, »Bolognesisch«, »Schule des Rem.«[brandt], »II 30« und »Rubens« Stempel und Inventarnummer »B 3225« des Mährischen Provinzmuseums, Brünn, daneben die Nummer »EK 2582« Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46623 Provenienz: Adolf Gluenstein, Hamburg (L. 123 auf Verso); Arthur Feldmann; Mährisches Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: unveröffentlicht

Die divergenten Zuschreibungsversuche zu diesem Blatt – vorgeschlagen wurden in diversen Aufschriften auf der Rückseite bolognesisch, Schule Rembrandts, Rubens und Rubens Schule – verdeutlichen, wie wenig man über diese Kopfstudie eines alten Mannes weiß und wie schwierig eine spezifische Zuordnung ist. Mit der bolognesischen Schule wie mit der Familie Carracci, Guido Reni, Guercino oder Giovanni Lanfranco hat die Studie wohl ebenso wenig zu tun wie mit dem Rembrandt-Kreis. Von den rückseitigen Aufschriften kommt am ehesten ein Rubens-Schüler oder -Nachfolger infrage: In der Albertina befinden sich von Rubens bzw. von Rubens-Schülern einige in ihrer Ausführung mit schwarzer und farbiger Kreide sowie Rötel eng verwandte Köpfe (Abb. 3). Während sich diese mit Gemälden von Rubens in Verbindung bringen lassen, ist bei der vorliegenden Zeichnung kein unmittelbarer Bezug zu einem ausgeführten Bild festzustellen, sodass der Dargestellte bislang nicht identifiziert werden konnte. Aufgrund der lebendigen Gestaltung von Haaren und Inkarnat entstand die Zeichnung vermutlich vor dem

Abb. 3 Peter Paul Rubens, Bildnis eines bärtigen Mannes

lebenden Modell, das in sich gekehrt den Kopf leicht zur Seite gewandt und den Blick in die Ferne gerichtet hat.

locker skizzierte und die Kreide malerisch verwischte. Die

Der Zeichner konzentrierte sich besonders auf die Mitte

Gestaltung der Partie rund um den Mund unter dem Bart

des Gesichts, die spitze Nase und die leicht zusammen-

des Dargestellten bleibt dabei seltsam unspezifiziert.

gekniffenen Augen, während er Schädel, Haare und Bart

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E. M.

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7 Nachfolger von Adriaen van Ostade (10. 12. 1610 Haarlem – in Haarlem begraben 2. 5. 1685)

Dorfschule (Recto) Bister, Feder, Rötel, grau laviert



Studien von Schweinen (Verso) Bister, Feder 14,2 x 21 cm Bleistiftaufschrift »C no fol. 58 p[?]/A« auf Verso Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46634 Provenienz: Sammlung F. Abbott, Auktion 22.–26. Januar 1894 in Edinburgh; Arthur Feldmann; Verst. Sotheby’s, London 1946; Gösta Stenman, Stockholm (1946); Einar Perman (und Erben), Stockholm (1946–2007); Restitution an die Erben Arthur Feldmanns 2007; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: Luzern 1934, S. 7, Nr. 58, Tafel 6 (als Adriaen Brouwer); Laren 1962, Nr. 53 (Recto, als Egbert van Heemskerk)

Die locker über einer Rötelvorzeichnung skizzierte Dar-

ter, 1662, Öl/Holz, 40 x 32,5 cm, Paris, Musée du Louvre;

stellung einer Dorfschule zeigt auf niedrigen Bänken und

Bartholomeus Molenaer zugeschrieben; Schulklasse, Öl/

Hockern sitzende Schüler in einem Raum mit Holzdecke.

Holz, 46 x 59,2 cm, um 1650, zuletzt Kat. d. Verst. Sothe-

Gewänder, Kopfbedeckungen und Mimik sind lediglich

by’s, Amsterdam, 8. Mai 2001, lot 7). Die meisten dieser

mit wenigen Strichen angedeutet, dann wurden einzel-

Gemälde sind wie die vorliegende Zeichnung querrecht-

ne Partien der Komposition mit Lavierung ergänzt, um

eckig und zeigen die auf niedrigen Bänken und Schemeln

Räumlichkeit und Modellierung zu erzeugen.

sitzenden Schüler sowie die Bestrafung durch den Lehrer

Die Zeichnung wurde Adriaen Brouwer (1605–1638)

in einem holzgedeckten Raum aus ähnlicher Perspektive.

oder dessen Nachfolger Egbert van Heemskerk (1634–

Ein um 1720–1760 entstandener Stich von Pierre Quentin

1704) zugeschrieben. Beide Künstler verbindet ihre Tätig-

Chedel nach Ostade zeugt von der weiten Verbreitung

keit im Bereich des Bauerngenres im Goldenen Zeitalter

dieses Motivs. Als eigenhändiges Werk von Adriaen oder

der holländischen Kunst, das mit den Brüdern Adriaen

Isaak van Ostade kommt die vorliegende Zeichnung aus

und Isaak van Ostade (1610–1685 bzw. 1621–1649) sei-

stilistischen Gründen nicht infrage, sodass es sich vermut-

nen Höhepunkt erreichte. Stilistisch steht die Kombi-

lich um das Werk eines Nachfolgers von Adriaen van Os­

nation von Feder und Pinsel-Lavierung zwar Egbert van

tade handelt.

Heemskerk näher, ohne sich jedoch nahtlos in dessen Schaffen einfügen zu lassen.

Die auf der Rückseite skizzierten Schweine sind in ihrem Zeichenstil wenig spezifisch. Tierstudien dieser Art

Die Gesamtkomposition basiert vielmehr auf Schul­

kennt man beispielsweise vom berühmten niederländi-

darstellungen Adriaen van Ostades, die auch im Schaffen

schen Tiermaler Paulus Potter (1725–1754) aus der Mitte

seines Bruders Isaak und in Adriaens Nachfolge reiche

des 17. Jahrhunderts (Bsp. London, British Museum, Inv.-

Rezeption erfahren haben. So lässt sich etwa die Ges-

Nr. 1836,0811.443). Die Drehung des Blattes – eines der

te des Lehrers, der einem Schüler zur Strafe mit einem

Schweine steht am Kopf – deutet darauf hin, dass die

Löffel einen Klaps auf die Finger verpasst, sogar in gleich

Skizzen ohne spezifischen Verwendungszweck mögli-

mehreren Werken von Adrian van Ostade und seinem

cherweise nach lebenden Tieren entstanden sind.

Umkreis nachweisen (Adrian van Ostade, Der Schulmeis62

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E. M.

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8 Philips Wouwerman (getauft 24. 5. 1619 Haarlem – in Haarlem begraben 23. 5. 1668) zugeschrieben

Zwei Jäger mit ihren Pferden bei einem Fluss Bister, Pinsel, grau laviert 11,6 x 18 cm Aufschriften auf Verso Mitte »251« und r. u. auf Schwedisch »Karel Du Jardin: Ridande jägare vid en ström« [Reitende Jäger bei einem Strom]/ »Coll. Feldmann, Brno«/ »Coll. Gösta Stenman, Stockholm« Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46632 Provenienz: Arthur Feldmann; Versteigerung Sotheby’s, London 1946; Kunsthändler Gösta Herman Stenman, Stockholm (1946); Einar Perman (und Erben), Stockholm (1946–2007); Restitution an die Erben Arthur Feldmanns 2007; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: Laren 1962, Nr. 150 (als Philips Wouwerman)

Die querrechteckige Zeichnung zeigt zwei Jäger mit ihren

Zutreffender ist hingegen die im Ausstellungskatalog

Pferden an einem Fluss. Während der rechte sein Pferd

in Laren 1962 vorgeschlagene Verbindung mit Philips

durch einen seichten Nebenarm des Gewässers dirigiert,

Wouwe­rman (1619–1668). Dieser war in seiner Heimat-

ist der andere bereits abgesessen und erfrischt sich eben-

stadt Haarlem einer der produktivsten und beliebtesten

so wie die beiden Hunde und sein Pferd am Ufer. An sei-

Maler seiner Zeit, mit einem breiten Themenspektrum

nem Gürtel hängen erlegte Vögel, die von der erfolgrei-

von Schlachtenbildern über Genre- und Landschaftssze-

chen Jagd zeugen. Die Stimmung ist gelöst, geprägt von

nen bis zu religiösen Sujets. Vor allem als Darsteller von

einem kurzen Moment der Rast und Erholung vor der

Pferden wurde er für seine lebendige und detailgetreue

Fortsetzung des Weges.

Wiedergabe sehr geschätzt. Bei seinem Tod hinterließ

Die einstige Zuschreibung an Karel Dujardin (um 1622

Wouwerman mindestens 600 Gemälde, jedoch sind nur

Amsterdam – Venedig 1678) basiert auf einer rückseitig mit Füllfeder angebrachten modernen Aufschrift. Zwar sind für diesen hochgeschätzten Maler italianisanter, in warmes südliches Licht getauchter Landschaften derlei Szenen mit Reitern oder Tierherden sehr typisch, wie etwa ein Vergleich mit der Darstellung eines Reiters, der sein Pferd an einem Fluss tränkt, verdeutlicht (1660 datiert, Öl/Leinwand, 35,6 x 45,7 cm; um 1650 bei W. Hugelshofer, Zürich; KILIAN 2005, S. 353, T. 50, Nr. 61), doch lassen sich zu keinem von Dujardins Werken direkte Bezüge herstellen. Auch Stil und Zeichentechnik unterscheiden sich wesentlich (freundlicher Hinweis von Marit Gruijs, E-Mail an die Verf. vom 12. April 2015; daher nicht in Gruijs’ Werkverzeichnis, De tekeningen van Karel Dujardin (1626– 1678), unpubl. Diss., Utrecht 2003).

Abb. 4 Nach Philips Wouwerman, Rastende Jäger

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wenige Zeichnungen von seiner Hand bekannt, von de-

ist schwierig zu entscheiden, da ihre Wirkung durch das

nen nur rund 25 Stück allgemein als eigenhändig akzep-

stark vergilbte Papier beeinträchtigt wird. Auch sind die

tiert werden. Angeblich veranlasste der Künstler am

Linien der hellbraunen Umrisszeichnung – möglicherwei-

Sterbebett, dass seine Zeichnungen verbrannt werden

se durch die Montage des Blattes auf einem Untersatz-

sollten, was jedoch zweifelhaft ist, da alte Inventare und

papier – aufgeschwommen, was den optischen Eindruck

Auktionskataloge davon zeugen, dass seit dem 17. Jahr-

der einfühlsam mit grau-blauer Aquarellierung ergänzten

hundert eine Vielzahl von Zeichnungen Wouwermans am

Arbeit etwas schmälert. In Größe sowie technischer Aus-

Kunstmarkt zirkulierte (vgl. Kassel und Den Haag 2009, S.

führung eng verwandt ist eine aquarellierte Federzeich-

138). Die meisten bekannten Zeichnungen Wouwermans

nung mit rastenden Jägern in der Albertina (Abb. 4), die

entstanden als eigenhändige Arbeiten für den Verkauf

ein Gemälde Wouwermans in Privatbesitz kopiert (SCHU-

und nicht als vorbereitende Studien für Gemälde. Ob es

MACHER 2006, A 831; freundlicher Hinweis von Quentin

sich bei der vorliegenden Zeichnung um eine eigenhän-

Buvelot, E-Mail an die Autorin vom 12. Mai 2015).

dige Arbeit oder um das Werk eines Nachfolgers handelt,

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9 Nachfolger von Nicolaes Berchem (1. 10. 1620 Haarlem – Amsterdam 18. 2. 1683)

Italienische Gebirgslandschaft mit Hirten und Vieh Feder in Braun, braun laviert 19,5 x 31,7 cm Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso »Abraham Cornelisz Begeyn/Ital. Landschaft« sowie Aufschriften links »26611« (durchgestrichen), »14«, »2391 v d Begyn«, »K/40-/A-VO- nr 6v«, rechts »20«, »Schellenkappenpapier!/Sammlung Lanna«, unter dem Stempel der Prager Nationalgalerie die Nummer »DK4628« Wz.: Narrenkappe (ähnlich HEAWOOD 1950, I, Nr. 2020; Amsterdam 1688) Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46847 Provenienz: Sammlung Lanna, Prag (L. 2777; deren Auktion bei H. G. Gutekunst, Stuttgart 1910, lot 77, als Abraham Begeyn); Arthur Feldmann; Nationalgalerie Prag (Stempel »NGGS/PRAHA« nicht bei Lugt); Restitution an die Erben Arthur Feldmanns 2007; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: Kat. d. Verst. Gutekunst, Stuttgart, 6.–11. Mai 1910, lot 77 (als Abraham Begeyn)

Am Ufer eines breiten Flusses inmitten einer lichtdurch-

möglicherweise durch eine nachträgliche Beschneidung

fluteten, gebirgigen Landschaft weiden einige Rinder.

des Papiers bedingt ist. Nicht weniger als drei weitere

Ein im Vordergrund sitzender Hirte blickt aus dem Bild

gezeichnete Varianten waren bislang bekannt: eine wohl

heraus, während sich einer seiner beiden Hunde einer

eigenhändige getuschte Kreidezeichnung Berchems im

Reiterin nähert, die in Begleitung eines weiteren Hirten

Berliner Kupferstichkabinett, die 1656 datierte Heimkehr

auf dem baumbewachsenen Weg entlang des Flusses an-

der Hirten (14,7 x 22,8 cm; BOCK und ROSENBERG 1930,

gehalten hat und mit ihrem ausgestreckten linken Arm in

Nr. 330, T. 64), die als Vorlage für eine Radierung von Jan

die Ferne weist.

Visscher in der Folge der Rheingegenden diente (Hollst.

Die südliche Atmosphäre und die warme Lichtstim-

Dutch & Flemish XLI, S. 65–66, Nr. 94). Eine weitere si-

mung sind treffend eingefangen, doch gibt sich die Zeich-

gnierte und 1654 datierte lavierte Kreidezeichnung (14,6

nung durch die leicht zittrige Linienführung, insbesondere im Laubwerk des hohen Baumes rechts, rasch als Kopie zu erkennen. Im Auktionskatalog der Sammlung Lanna 1910 fälschlich Abraham Begeyn (ca. 1637 Leiden – Berlin 11. Juni 1697) zugeschrieben, liegt unserem Blatt vielmehr eine Komposition von Nicolaes Berchem zugrunde: Sein Gemälde Italianisante Landschaft mit rastenden Figuren in der Sammlung der englischen Königin in der Royal Collection des Buckingham Palace, das um 1670–1675 entstand (Abb. 5, RCIN 405218; WHITE 1982, S. 20–21, Kat. 18, T. 19) und dessen mutmaßliche Vorlage bei Sotheby’s Amsterdam (14. 11. 2006, lot 45, lavierte Kreidezeichnung, 23,9 x 30,2 cm) versteigert wurde. Bis auf Details in der Form der Bäume sowie die Architektur am Ufer stimmt unsere Zeichnung mit Vorzeichnung und Gemälde weitgehend überein, der Himmel ist allerdings deutlich reduziert, was

Abb. 5 Nicolaes Berchem, Bergige Landschaft mit zwei Hirten, einer Hirtin und Vieh

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x 22,6 cm) kam 1993 bei Christie’s in Amsterdam (15. No-

Landschaftsbilder musste Berchem gar nicht selbst in

vember 1993, lot 59) zur Auktion, während eine dritte

den Süden reisen, sondern ließ sich von Vorbildern, von

sich ehemals in der Sammlung von J. P. Heseltine befand

Jan Asselijn (um 1610–1652), Jan Both (um 1610/18–1652),

und in der Royal Academy 1929 ausgestellt war (gemäß

Pieter van Laer (1599–um 1642) und anderen Künstlern,

Kat. d. Verst. Christie’s, Amsterdam 1993, lot 59).

die Italien aus eigener Anschauung kannten, inspirieren

Dass es von ein und demselben Bild so viele Varianten

(vgl. Haarlem, Zürich, Schwerin 2007; zur fraglichen Ita-

gibt, zeugt von der Beliebtheit der Komposition und ist

lienreise S. 20–23). Berchems umfangreiches Werk von

ganz typisch für Arbeiten von Nicolaes Berchem. Als einer

Gemälden, Handzeichnungen und rund 60 Radierungen

der Hauptvertreter der niederländischen Landschafts-

wurde oftmals kopiert, sodass die große Menge an Nach-

malerei des 17. Jahrhunderts zählte er aufgrund seiner

zeichnungen unserer Komposition nicht überrascht. Eine

meisterlichen Behandlung des Lichts und der gelungenen

Zuschreibung an Abraham Begeyn ist aus stilistischen

Tierdarstellungen zu den meistgeschätzten Meistern sei-

wie qualitativen Gründen zwar auszuschließen, doch

ner Zeit. Seine italianisanten, in warmes Licht getauchten

dürfte es sich um die Arbeit eines Zeitgenossen aus der

Landschaften mit pastoralen Szenerien erfreuten sich

Nachfolge des Nicolaes Berchem handeln. Darauf deutet

insbesondere im 18. Jahrhundert großer Beliebtheit und

auch das Wasserzeichen hin, das eine Entstehung in den

gelten bis heute als Höhepunkte der niederländischen

1680er-Jahren vermuten lässt.

Landschaftsmalerei des Goldenen Zeitalters. Für seine

E. M.

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10 Frans Verwilt (1620/1623 Rotterdam – Rotterdam 8. 8. 1691) zugeschrieben

Die Thermen des Konstantin Feder in Braun, in gelblichen, bräunlichen, blauen, grünen und grauen Tönen aquarelliert 20,4 x 28,2 cm Auf Recto l. u. monogrammiert und datiert »F.V. 1685« Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso »Franz Verwelt/Die Thermen des/Konstantin/VI 9« Stempel und Inventarnummer »3236« des Mährischen Landesmuseums Brünn, daneben die Nummer »EK 2593« Wz.: Zwei gekreuzte Schwerter über einem bekrönten Schild (unbestimmt) Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46638 Provenienz: Arthur Feldmann; Mährisches Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben Arthur Feldmanns 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: Kat. d. Verst. Sotheby’s, London, 6. Juli 2005, lot 37 (als böhmisch, um 1600)

Die in kräftigen Farben ausgeführte Zeichnung zeigt die

Das vorliegende Blatt steht in dieser Tradition der ma-

Ruinen der Thermen des Konstantin in Rom. Jahrhunder-

nieristischen Antikenrezeption, und wohl deshalb wurde

telang als Steinbruch genutzt, von Vegetation überwu-

es im Katalog von Sotheby’s 2005 einem rudolfinischen

chert, ohne die einstige Marmorverkleidung der Mauern

Künstler um 1600 zugeordnet (sowie fälschlich mit der

werden sie hier zu einem pittoresken Motiv, das der Rui-

Maxentiusbasilika identifiziert). Die kräftige farbige Kolo-

nenromantik der Zeit entspricht. Der winzige Zeichner im

rierung wurde dort als spätere Zutat interpretiert, doch

Vordergrund unterstreicht durch den Größenkontrast die

da die Zeichnung weitgehend ohne Schraffen auskommt

Mächtigkeit der Ruinen. Bereits im 16. Jahrhundert reis-

und die Farben integrativer Bestandteil der Darstellung

ten viele niederländische Künstler nach Rom, allen voran

sind, ist anzunehmen, dass die Zeichnung von Anfang an

Marten van Heemskerck, um dort die antiken Bauwerke

farbig angelegt war. Als Bildungsreise für Adelige und

zu studieren, die als Bildmotive Eingang in Gemälde fan-

Künstler erlebte die Grand Tour auch noch im 17. und 18.

den. Weite Verbreitung fanden antike Motive auch im

Jahrhundert eine Blüte, und die kräftige Farbigkeit des

Medium der Druckgrafik, beispielsweise in der von Phi-

Blattes spricht dafür, der Datierung »1685« Glauben zu

lipp Galle gestochenen Serie Ruinarum Varii Prospectus

schenken. Über den Künstler Frans Verwilt, mit dessen

Ruriumque Aliquot Delineationes (Hollst. Dutch & Flemish

Namen Feldmann das Monogramm »F. V.« auflöste, ist

IV, S. 170, Nr. 1–38, VII, S. 80, Nr. 423–460).

allerdings, abgesehen davon, dass er Landschaftsmaler war, kaum etwas bekannt. E. M.

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Italienische Zeichnungen

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11 Lorenzo Sabatini (um 1530 Bologna – Rom 2. 8. 1576) zugeschrieben

Kopf eines jungen Mannes im Profil Schwarze Kreide und Rötel auf bräunlichem Papier 17,8 x 11,7 cm Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso »Sabbatini, gen. Andrea da Salerno/Weibl. Profilkopf« Inventarnummer der Nationalgalerie Prag »DK 4602« Wien, Albertina, Inv.-Nr. 47064 Provenienz: R. Lamponi (L. 1760); Kunsthandlung Max Hevesi, Wien; Arthur Feldmann; Nationalgalerie Prag; 2014 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: unveröffentlicht

Der Aufschrift von Arthur Feldmann zufolge stammt die

mente ausführte. 1573 berief ihn Papst Gregor XIII. nach

Zeichnung von Andrea Sabatini (um 1480–1545), doch

Rom. Der neu gewählte Papst übertrug ihm die Oberauf-

kann die Zuschreibung an diesen süditalienischen Maler,

sicht über seine künstlerischen Unternehmungen und be-

der zunächst von umbrischen Meistern, dann von Cesare

auftrage ihn mit Malereien in der Sala Regia, der Cappella

da Sesto und Raphael beeinflusst wurde, ausgeschlos-

Paolina und der Sala Ducale (PILLSBURY 1976–1977).

sen werden. Gewiss gehörte der Künstler einer späteren

Die Zeichnungen von Sabatini sind in ihrer Anzahl

Generation an, die den Stilidealen des Manierismus ver-

begrenzt, stilistisch teilweise unterschiedlich und noch

pflichtet war. Möglicherweise hat Feldmann versehent-

nicht systematisch erfasst. Auffallend an dem Kopf auf

lich den Namen mit dem um 1530 in Bologna geborenen

dem hier besprochenen Blatt sind raffinierte physiogno-

Maler Lorenzo Sabatini verwechselt. Lorenzo Sabatinis

mische Details wie die elegant geschwungenen Lippen,

frühe künstlerische Ausbildung liegt im Dunkeln. Man

das weich gerundete Kinn und die spitze Nase. Der flie-

schließt auf eine Beeinflussung durch Primaticcio, Nicolò

ßende Umriss lässt dabei an die Linienführung Parmigia­

dell’Abate und Prospero Fontana (Washington und Par-

ninos denken. Vergleichsmöglichkeiten bieten sich mit

ma 1984, S. 351; WINKELMANN 1986, S. 596ff.), und nach-

der Studie eines Frauenkopfes im British Museum an

haltig wirkte auf ihn auch Parmigianino, der sich von 1527

(WINKELMANN 1986, Abb. S. 627), in der Lorenzo Saba-

bis 1530/31 in Bologna aufhielt. Laut den Angaben von

tini ebenfalls die schwarze Kreide mit dem Rötel kombi-

Giorgio Vasari (Bd. VII, 1881, S. 415) war der Künstler eng

niert, um den Lippen, Ohren und Wangen Farbe zu verlei-

mit Primaticcio befreundet, der sich vergeblich bemühte,

hen. Vergleichbar ist auch die Art, wie die Haare primär

ihn an den französischen Hof mitzunehmen. 1562 ist von

in welligen Linien als dicke Strähnen angelegt sind und

einer Zeichnung die Rede, die Sabatini Vasari zu schicken

dann überschraffiert werden. Diese Schraffuren setzen

versprach, und 1565 hielt er sich in Florenz auf, wo er

sich aus Linien zusammen, die in breitem Abstand vonei-

Mitglied der Accademia del Disegno wurde und laut den

nander gesetzt sind und straff, fast steif verlaufen, wenn-

Angaben von Vasari sehr schöne Figuren im Verbindungs-

gleich sie sich an die Rundungen von Hals und Schultern

gang zwischen der Sala del Duecento und der Sala del

anpassen können. Die Zuschreibung der Studie an Saba-

Cinquecento im Palazzo Vecchio malte. 1566 beteiligte

tini stützt sich in erster Linie auf die Nähe zu Figuren in

er sich an der Festdekoration bei der Hochzeit von Fran-

Gemälden des Künstlers. Die raffinierte Frisur mit den ge-

cesco de’Medici mit Giovanna d’Austria. 1568/69 bis 1571

wellten Haarsträhnen, die leicht geöffneten, etwas ver-

hielt sich Sabatini wieder in Bologna auf, wo er u. a. die

quollenen Lippen sowie das dicht unterhalb ansetzende

Fresken und das Hauptaltarbild (nicht erhalten) in S. Cle-

Kinn finden sich höchst verwandt bei der Gestalt des hl. 73

Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

Michael in der gemeinsam mit Denys Calvaert ausgeführ-

Künstler 1573 eine Restzahlung, wohingegen das Gemäl-

ten Madonna mit Kind und dem hl. Michael in S. Giacomo

de in S. Giacomo laut J. Winkelmann etwas früher, um die

in Bologna (WINKELMANN 1986, Abb. S. 624) sowie bei

Mitte des siebten Jahrzehnts, entstanden sein könnte. In

dem sitzenden Engel rechts vom Heiland in dem Gemäl-

diesen Zeitraum ist möglicherweise auch die Zeichnung

de Christus in der Glorie mit den Heiligen Ludwig und An-

aus der Sammlung Feldmann zu datieren, wenngleich sie

tonius von Padua, das Sabatini für die Ghislardi-Kapelle in

nicht notwendigerweise eine Studie für das eine oder das

S. Domenico in Bologna geschaffen hat (WINKELMANN

andere Gemälde sein muss.

1986, Abb. S. 624 und 629). Für letzteres Bild erhielt der

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Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

A. G.

12 Agostino Carracci (getauft 16. 8. 1557 Bologna – Parma 23. 2. 1602)

Figurenstudien (Recto) Pinselspitze in Hellbraun, hellbraun laviert, über Vorzeichnung in schwarzem Stift



Studien von Putten (Verso) Feder in Braun 26,5 x 19 cm Federaufschrift unten links auf Recto »agostino carracci« Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso »Agostino Carracci/Studien zu den Aposteln u. zu Putten« Stempel und Inventarnummer »B 3242« des Mährischen Provinzmuseums, Brünn, daneben die Nummer »EK 2599« Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46585 Provenienz: Arthur Feldmann; Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben 2003; 2011 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: unveröffentlicht

Der in Bologna geborene Maler und Kupferstecher Agos-

ma, wo er in einem Saal des Palazzo del Giardino Malerei-

tino Carracci erhielt eine erste künstlerische Ausbildung

en ausführte, über deren Vollendung er verstarb.

bei Prospero Fontana und wurde später von seinem Vet-

In Agostinos Kunst nimmt die Druckgrafik eine zentra-

ter, Ludovico Carracci, in die Werkstatt aufgenommen.

le Rolle ein. Von seiner Hand sind über 200 Kupferstiche

Gemeinsam mit Agostinos jüngerem Bruder, Anniba-

bekannt, die er teilweise nach Werken Bologneser Maler

le, bildeten die drei Carracci die berühmte Bologneser

seiner Generation, wie Orazio Sammacchini oder Loren-

Künstlergruppe, die durch ihre Rückkehr zum Naturstudi-

zo Sabatini, aber auch nach Veronese und Tizian stach.

um, den Rückgriff auf die Antike und die klassische Kunst

Viele Drucke entstanden jedoch nach eigenen Erfindun-

der Hochrenaissance und durch das klare, leuchtende

gen. Auf der Vorderseite der Zeichnung aus der Samm-

Kolorit ihrer Bilder eine Reform der Malerei herbeiführ-

lung Feldmann befinden sich Studien zu Agostinos Stich-

ten, die von nachhaltigem Einfluss auf die Malerei Italiens

serie mit Christus, Maria, Johannes dem Täufer und den

war. 1582 gründete Agostino zusammen mit dem jünge-

zwölf Aposteln (B. XVIII, S. 66ff., Nr. 48–62), von denen

ren Bruder Annibale die Accademia degli Incamminati,

ein Stich mit 1583 datiert ist und die Adresse des in Ve-

in der theoretische und praktische Aspekte der Malerei

nedig tätigen Verlegers Orazio Bertelli trägt. Es handelt

gelehrt wurden. Seit den 1580er-Jahren arbeitete das

sich um gleichseitige Entwürfe für die Apostel Jacobus

Dreigestirn an der Dekoration von Bologneser Palästen,

Minor und Thomas sowie die Muttergottes (Abb. 6a–c).

die ihre Bekanntheit steigen ließ. Agostino führten in

Sie sind deswegen von besonderer Bedeutung, weil sie

den 1580er-Jahren häufige Reisen nach Rom, Cremona,

die einzigen erhaltenen ganzfigurigen Studien für diese

Parma und mehrfach nach Venedig. Gegen Mitte der

Serie sind. Agostino hat zuerst die beiden Apostel in der

1590er-Jahre wurden Annibale und Agostino von Kardi-

oberen Blatthälfte und anschließend die Muttergottes in

nal Odoardo Farnese nach Rom berufen, wo die berühm-

den freibleibenden Zwischenraum darunter gezeichnet.

te Freskodekoration der Galleria Farnese entstand, bei

Die Motive stimmen mitsamt der Lichtführung und Fal-

deren Ausmalung Agostino seinem Bruder half. Aufgrund

tengebung der Gewänder bereits mit den Stichen über-

von Zwistigkeiten über die Arbeit begab sich Agostino

ein, lediglich bei Thomas fehlt noch der Stab. Allerdings

auf Einladung von Herzog Ranuccio I Farnese nach Par-

weichen die Gesichter teilweise noch stark ab und sind 75

Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

Abb. 6a–c Agostino Caracci, Der Apostel Jacobus minor, Der Apostel Thomas, Die Muttergottes

flüchtiger ausgeführt. Die Existenz einer ganzen Reihe

sein, in der Raphael ein neues, würdevolles und beseel-

von Kopfstudien (Washington 1979, fig. 109a–109c, 113a,

tes Apostelideal geschaffen hat. Ferner kannte Agostino

116a–116b, 122a) lässt darauf schließen, dass der Künstler

wohl die beiden Radierungen der Heiligen Philippus und

die Physiognomien der Apostel nochmals auf separaten

Jacobus Major (B. XVI, S. 11f., Nr. 8–9) von Parmigianino

Zeichnungen festgehalten hat. Die Entwürfe auf dem hier

sowie die nach seinen Entwürfen von Antonio da Trento

besprochenen Blatt waren somit nicht die unmittelbaren

in Clair-obscur-Holzschnitten (B. XII, S. 69ff., Nr. 1–12) und

Vorlagen für die Stiche, zumal auch die Größe der Figuren

vom Meister F. P. (B. XVI, S. 19ff., Nr. 1–13) in Radierun-

nicht übereinstimmt. Die endgültigen Vorzeichnungen

gen verbreitete Apostelserie, in der die Figuren gemäß

sind vermutlich verlorengegangen. Agostino hat jeweils

den Stiltendenzen der 1520er-Jahre bereits graziöser und

drei Figuren auf insgesamt fünf Platten gestochen, wobei

raffinierter aufgefasst sind. Auf der Rückseite des hier be-

die Drucke zumeist in Einzelbilder zerschnitten wurden.

sprochenen Blattes befinden sich Studien von Putten, die

Wie Diane de Grazia (Washington 1979, S. 212) hervorge-

mit Girlanden hantieren. Wofür sie geplant waren, lässt

hoben hat, knüpfen Agostinos Stiche an eine lange Tradi-

sich derzeit nicht bestimmen. Vielleicht sind es Entwürfe

tion von Apostelfolgen in der Druckgrafik an. Vorbildlich

für einen gemalten dekorativen Fries, doch vielleicht wa-

dürfte insbesondere die nach Entwürfen Raphaels von

ren sie auch für die Verzierung einer gestochenen Buchil-

Marco Dente da Ravenna und Marcantonio Raimondi

lustration vorgesehen.

(B. XIV, S. 74ff., Nr. 64–91) geschaffene Serie gewesen

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A. G.

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13 Nach Annibale Carracci (getauft 3. 11. 1560 Bologna – Rom 15. 7. 1509)

Rastende Figuren in einer Landschaft Feder in Braun über Spuren einer Vorzeichnung in schwarzem Stift, mit schwarzem Stift quadriert 13,5 x 19,8 cm Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso »Giovanni (Busi) Cariani/1480–1541« Stempel und Inventarnummer »3216« des Mährischen Provinzmuseums, Brünn, daneben die Nummer »EK 2573« Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46633 Provenienz: Arthur Feldmann; Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: Kat. d. Verst. Sotheby’s, London, 6. Juli 2005, lot 48 (als Umkreis von Annibale Carracci)

Auf der Zeichnung erscheint eine weiträumige Land-

Von der hier besprochenen Darstellung existiert eine

schaft, in deren Mitte sich eine Gruppe von Figuren

Variante, in der die Hauptmotive kaum verändert wieder-

versammelt hat, die teils stehen, teils auf dem Boden

kehren, aber rechts neben der Figurengruppe weitere, in

lagern. Zwei von ihnen spielen Karten und die anderen

prachtvollen Windungen emporragende Bäume einge-

sehen ihnen gespannt zu. Das idyllische Motiv dieser in

fügt sind und sich auf der rechten Seite ein Fluss durch

der Natur verweilenden Menschen steht offensichtlich in

die Landschaft schlängelt. Auch diese »Version mit dem

der Tradition venezianischer Landschaftsdarstellungen

Fluss« ist nicht als originale Zeichnung erhalten, sondern

von Giorgione oder dem frühen Tizian. Die zeichnerische

nur durch Kopien im Louvre (LOISEL 2004, Nr. 791, 792)

Durchführung ist spontan und locker, wirkt jedoch gleich-

bekannt. Eine Radierung von Jean Pesne (BAILEY 1993,

förmig. Es fehlt die Konzentration an vereinzelten Stel-

Bd. 3, Fig. 151) gibt sie zudem mit geringfügigen Verände-

len, und offensichtliche Schwächen wie der stummelarti-

rungen gegensinnig als Erfindung von Annibale Carracci

ge ausgestreckte Fuß der linken sitzenden Figur oder die

wieder (ein weiterer gegensinniger Druck stammt von

schematische Wiedergabe der Bäume, die kein richtiges

Graf Caylus, BAILEY 1993, Bd. 3, Fig. 151A). Die Radierung

Volumen entwickeln, sprechen eindeutig für eine Kopie.

von Jean Pesne gehört zu einem 1666 begonnenen, aber

Von dieser Darstellung sind vier weitere Kopien bekannt,

1754 datierten Album mit Druckgrafiken, dem Receuil de

die sich im Louvre in Paris (LOISEL 2004, S. 315, Nr. 793),

283 Estampes de Jabach, die hauptsächlich Landschafts-

in Chatsworth (JAFFÉ 1994, S. 122, Nr. 536), im Teylers

zeichnungen wiedergeben, die sich einst im Besitz des

Museum in Haarlem und im Kunsthandel (BAILEY 1993,

berühmten Sammlera Everhard Jabach (1618–1695) be-

Bd. 2, S. 512ff., Bd. 3, Fig. 151 b und c) befinden. Drei

fanden. Mehr als 180 der Radierungen reproduzieren An-

von ihnen sind in Feder und Tinte gezeichnet, nur für das

nibale Carracci zugeschriebene Landschaftszeichnungen

Blatt in Chatsworth wurde schwarze Kreide verwendet.

(BJURSTRÖM 2002, S. 215).

Alle weisen geringfügige Unterschiede auf und könnten

Ob die Vorlage für die Zeichnung aus der Sammlung

daher unabhängig voneinander nach derselben, heute

Feldmann und für die anderen Kopien tatsächlich von

verlorenen Vorlage von Annibale Carracci entstanden

Annibale stammte, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit

sein, die offensichtlich große Popularität besaß. Wie Per

sagen. Vieles spricht jedoch für diesen Künstler als Erfin-

Bjurström (2002, S. 215) unlängst angemerkt hat, wurden

der dieser Komposition. So findet sich die Form des Bau-

Annibales Landschaftszeichnungen besonders häufig ko-

mes auf der linken Seite mit dem gewundenen Stamm,

piert, zunächst von Mitgliedern aus der Werkstatt, später

den gekrümmten, reich verzweigten Ästen sehr ähnlich

von Nachfolgern.

in den Hintergründen einzelner Fresken in den Bologne79

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ser Palazzi Fava und Magnani (POSNER 1971, Bd. 2, 14f.,

breitem Abstand zueinander gesetzt sind, leicht anstei-

52f.). Die auf einem Weg in die Ferne wandernden Figu-

gen und sowohl das gesamte landschaftliche Terrain als

ren kehren etwa im Hintergrund der hl. Margarethe in

auch die Belaubung der Bäume akzentuieren (vgl. pasto-

Santa Caterina dei Funari in Rom wieder (Bologna 1986,

rale Landschaft im Ashmolean Museum, Oxford, Bologna

Nr. 97). Der Bildaufbau mit seiner kontinuierlichen Ent­

1956, Nr. 244). Typisch ist, wie sich die Umrisse der Bäume

wicklung der Landschaft durch eine Abfolge von leichten

aus einer Abfolge kleiner Kringel zusammensetzen.

Erhebungen, die gegenläufige Schrägen bilden, lässt sich

­Durch­­ die offene Linienführung sind die Figuren gänz-

mit dem Gemälde der hl. Maria Magdalena in der Galleria

lich in die Landschaft einbezogen. Das Licht vermag die

Doria Pamphilj (POSNER 1971, Bd. 2, fig. 125) oder mit der

Formen zu durchdringen und den gesamten Raum mit ei-

Ruhe auf der Flucht in einer Privatsammlung vergleichen

ner atmenden Frische zu erfüllen. Die Bildebenen gehen

(Bologna 1986, Nr. 96). Auch der Zeichenstil des Blattes

kontinuierlich ineinander über und der Raum erhält eine

gemahnt an Annibale, was selbst noch an dieser Kopie

vollkommen einheitliche Wirkung, was ein weiteres We-

erkennbar wird. Charakteristisch sind die kräftigen Fe-

sensmerkmal der Landschaften Annibales ist.

derlinien, die sich zu Schraffuren zusammenfügen, die in

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14 Girolamo Curti, genannt Dentone (7. 4. 1575 Bologna – Bologna 18. 12. 1632) zugeschrieben

Auf dem Rücken liegender Mann mit ausgebreiteten Armen Feder in Braun, braun laviert, über Vorzeichnung in schwarzem Stift, mit schwarzem Stift quadriert und umrandet 16,3 x 27 cm; Fehlstelle am linken Rand, von hinten mit Papier hinterlegt Auf Verso alte Federaufschrift »dentone« und »Dentoni« Stempel und Inventarnummer »B 3211« des Mährischen Provinzmuseums, Brünn, daneben die Nummer »EK 2568« Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46614 Wz.: Adler Provenienz: Arthur Feldmann; Nationalgalerie Prag; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: unveröffentlicht

Einer Aufschrift auf der Rückseite zufolge stammt die

luftige, aus verkürzten Säulen, Arkaden oder Serlianen

Zeichnung von Girolamo Curti, genannt Dentone, der

gebildete Loggia trägt. Die Loggia schließt nach oben ein

erst im Alter von 25 Jahren zur Malerei gekommen sein

vorkragendes umlaufendes Gebälk ab, das wie in der Villa

soll, als der reiche Seidenhändler Vespasiano Grimaldi

Paleotti in San Marino eine zentrale Öffnung freilässt. In

auf ihn aufmerksam wurde und ihm eine Lehre bei Ce­

seinem Hauptwerk, der Decke in der Sala Urbana im Pa-

sare Ba­glione vermittelte (vgl. FEINBLATT 1975 und 1992,

lazzo Comunale in Bologna (FEINBLATT 1992, fig. 3.8 und

S. 18ff.). Curti soll Bücher von Vignola und Serlio erwor-

3.13), bildet den Abschluss eine reich dekorierte Kasset-

ben haben, um die architektonischen Ordnungen und

tendecke, die an drei Stellen durchbrochen ist. Durch die

Gesetze der Perspektive zu studieren, und verlegte sich

verschiedenartigen Öffnungen vermag der Blick weiter

auf die Malerei illusionistischer Architekturperspektiven.

in die Ferne, auf den teilweise von Figuren bevölkerten

Er wurde rasch zum unangefochtenen Spezialisten die-

Himmelsbereich, zu gleiten.

ser Quadraturmalerei, wovon Beispiele in Bologna und

Auf der vorliegenden Zeichnung ist eine auf dem Rü-

Umgebung sowie in Ferrara, Ravenna oder Parma Zeug-

cken liegende männliche Gestalt zu sehen, die sich auf-

nis ablegen. Viele dieser Dekorationen, darunter auch

grund ihrer starken Verkürzung für die Einfügung in ein

Malereien für das Theater, die Curti häufig mit Mitarbei-

illusionistisches Deckenfresko eignen würde. Das Blatt

tern ausführte, sind allerdings nicht mehr erhalten oder

ist zur Übertragung auf einen Karton oder ins Gemälde

wurden übermalt. Um 1623 reiste Curti auf Geheiß seines

bereits quadriert. Bei der in antiker Rüstung mit verrenk-

Landsmannes, Erzbischof Ludovico Ludovisi, nach Rom,

ten Gliedmaßen gezeigten Figur handelt es sich offenbar

in dessen Palast an der Piazza SS. Apostoli er Malereien

um einen Getöteten, wobei eine konkrete Identifizierung

ausführte (nicht identifiziert). Vermutlich 1625 kehrte er

nicht möglich ist. Der Künstler hat zunächst für die Vor-

wieder nach Bologna zurück; seine letzte dokumentierte

zeichnung einen schwarzen Stift verwendet und anschlie-

Arbeit ist das 1631/32 von seinen Mitarbeitern vollendete

ßend den Körper mit gekurvten Federlinien umrissen,

Deckenfresko in der Sakristei von S. Biagio in Modena.

die er auch zur weiteren Binnengestaltung verwendet.

Curtis gemalte Architekturperspektiven sind auf einen

Unterstützt durch eine Lavierung in zwei verschiedenen

festen Betrachterstandpunkt bezogen und illusionieren

gelblichen Brauntönen werden die zahlreichen Muskeln

eine zumeist mehrzonige Erweiterung des Realraumes.

hervorgehoben, wodurch der Leib eine besonders kraft-

Häufig ragt auf einem kräftigen, von Konsolen getra-

volle Wirkung erhält. Nur die Schattenzonen werden

genen Gebälk eine umlaufende Balustrade auf, die eine

durch Schraffuren mit der Feder vertieft. Sie setzen sich

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Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

aus kurzen Strichen zusammen, die häufig von längeren,

könnte. Im Bereich der Quadratura-Malerei war Tibaldi

gebogenen Linien durchkreuzt werden. Sie verbinden

für Curti der bedeutendste Vorläufer in Bologna und hat

den Körper mit den Schatten, die er auf dem Boden hin-

diesen auch beeinflusst. Es muss an dieser Stelle jedoch

terlässt. Da der Oberkörper gegenüber dem Unterleib

betont werden, dass sich die Zuschreibung in erster Li-

leicht verdreht ist und die Beine überkreuzt sind, entsteht

nie auf die alte Aufschrift auf der Rückseite stützt. Die

eine raffinierte Pose, die trotz der Verkürzung in ganzer

Autorschaft muss hypothetisch bleiben, da es keine ge-

Länge anschaulich wird. Ähnliche Bewegungsmotive sind

sicherten Zeichnungen dieses Künstlers gibt, die eine Ver-

in Pellegrino Tibaldis Fresko Schiffbruch des Odysseus im

gleichsmöglichkeit bieten könnten.

Gewölbe des Palazzo Poggi in Bologna anzutreffen (RO-

A. G.

MANI 1997, fig. 12), das unser Zeichner gesehen haben

83

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15 Jacopo Negretti, gen. Palma il Giovane (um 1548 Venedig – Venedig 1628)

Studien eines Mannes in Rückenansicht Feder in Braun, braun laviert, weiß gehöht (teilweise oxidiert), über Vorzeichnung in schwarzem Stift, auf braunem Papier 26,3 x 20,6 cm Bleistiftaufschriften unten rechts auf Recto »Dario Varotari« und auf Verso »Palma il Giovane/(Ballarin 1991), unten rechts »Dario Varotari sowie »C. max Comil [?]« Stempel und Inventarnummer »B 3218« des Mährischen Provinzmuseums, Brünn, daneben die Nummer »EK 2575« Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46586 Provenienz: Vittorio Luigi Modesto Ignazio Bonaventura Genevosio (L. 545 auf Recto); Arthur Feldmann; Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben 2003; 2011 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: Brünn 2003, Nr. 18

Der Maler und Radierer Jacopo Negretti, gen. Palma il

zugleich der produktivste venezianische Zeichner seiner

­Giovane, erhielt möglicherweise seine erste künstlerische

Zeit (MASON RINALDI 1972, S. 92ff.). Die beiden Studien

Ausbildung bei seinem Vater Antonio, einem Schüler von

eines sitzenden Mannes in zwei Varianten galten in der

Bonifazio Pitati. Der Herzog von Urbino, Guidobaldo II

Sammlung Feldmann als Werke des aus Verona gebürti-

della Rovere, bot ihm einen Studienaufenthalt am Hof

gen Künstlers Dario Varotari, bis sie später Alessandro

von Pesaro an, von wo sich Palma 1567 nach Rom be-

Ballarin Palma il Giovane zugeschrieben hat. Das Motiv

gab. Dort setzte sich der Künstler mit Michelangelo und

kehrt in keinem seiner Bilder getreu wieder, und somit

Raphael und den Meistern aus dessen Werkstatt sowie

ist die Bestimmung der Studien ungewiss. Die Drehung

den Malern der jüngeren Generation, vor allem Taddeo

des Kopfes und der nach unten gerichtete Blick könn-

und Federico Zuccari und Francesco Salviati, auseinan-

ten für eine erhöhte Positionierung der Figur, etwa auf

der. Nach seiner Rückkehr nach Venedig beeinflussten

einem Sockel oder im Himmelsbereich, sprechen. Es ist

Palma Tintoretto, Veronese und vor allem Tizian, dessen

aber auch eine ebenerdig auf einem Felsblock sitzende

unvollendete Pietà (Venedig, Galleria dell’Accademia)

Gestalt, etwa ein büßender hl. Hieronymus, denkbar. Er-

er zu Ende malte. Rasch erwarb er sich großes Ansehen

höht lagernde Figuren kommen etwa in Palmas Decken-

und erhielt bedeutende Aufträge, wie die Beteiligung an

bild Venedig, vom Ruhm gekrönt in der Sala del Maggior

der Ausmalung der Decke der Sala del Maggior Consi­

Consiglio (um 1578–79) und im Jüngsten Gericht in der

glio oder die Dekoration des Oratoriums des Ordens der

Sala dello Scrutino (um 1594–95) im Dogenpalast vor. In

Crociferi. Nach dem Tod Tizians (1576), Veroneses (1588)

den Studien für diese Gemälde (MASON RINALDI 1984, D

und Tintorettos (1594) trat er als Protagonist das Erbe

192, D 34, D 142, U. SÖLTER, in: GOTTDANG und PROCH-

der drei Künstler an und wurde dadurch zum Bewahrer

NO 2002, Nr. 6A, 7) werden jedoch die Posen durch die

der großen Malereitradition Venedigs. Durch die rasche

Federlinien klar artikuliert und die Gliedmaßen differen-

Arbeitsweise, die Leichtigkeit, mit der er unterschiedliche

ziert herausgearbeitet. Kurze, gebogene Linien umschlie-

Themen auf effektvolle Weise inszenierte, vermochte der

ßen die Körper fest. Sie bilden einen pulsierenden Kon-

Künstler eine überaus große Zahl an Werken zu schaf-

tur, der die innere Dynamik der Figuren zum Ausdruck

fen, in denen er teilweise Motive formelhaft wiederver-

bringt und sie markant voneinander absetzt. Bei dem

wendete. Mit über 1.000 dokumentierten Blättern, von

vorliegenden Blatt hingegen besitzt die Linie weniger

denen sich viele in Skizzenbüchern befinden, war Palma

Spannung, sie setzt häufig aus und begnügt sich bei der

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Binnen­gestaltung des Körpers mit akzenthaften Andeu-

bertina (Inv.-Nr. 24337) oder den beiden Zeichnungen

tungen. Die Lavierung ist blass und wässrig und schafft

mit einem Johannes d. Täufer in einem Skizzenbuch in

keine Hell-Dunkel-Kontraste. Palma bringt die Kraft mehr

Venedig (Venedig 1990, Nr. 44a, 45b), die gemeinhin in

durch die massigen Proportionen des Körpers als durch

die Spätzeit des Künstlers datiert werden. Daher ist das

die im Inneren waltende Energie zum Ausdruck. Engere

Blatt aus der Sammlung Feldmann vermutlich im zweiten

Bezüge als zu den zuvor erwähnten Blättern bestehen

Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts oder später entstanden.

etwa zu den Studien für einen hl. Hieronymus in der Al-

A. G. 85

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16 Nach Giuseppe Ribera (12. 1. 1591 Játiva – Neapel 2. 9. 1652)

Martyrium des Heiligen Bartholomäus Stift in Schwarz, vereinzelt Rötel 35,4 x 26,2 cm Auf Recto in Feder die Zahl »209«, auf Verso Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns »Christoforo Roncallo gen Dalle Pomerance/Marter des Simon«; Federaufschrift am linken Rand »dello Spagnoletto« Stempel und Inventarnummer »B 3256« des Mährischen Provinzmuseums, Brünn, daneben die Nummer »EK 2613« Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46639 Provenienz: Wilhelm König, Wien (L. 2653b); Arthur Feldmann; Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: unveröffentlicht

Auf der Zeichnung ist das Martyrium des Apostels

sichter der beiden Knechte sowie die Position ihrer bei-

Bartholomäus zu sehen, der an einem Arm und einem

den Häupter ab. Zudem sind die beiden Köpfe im rechten

Bein gefesselt ist und mit nahezu entblößtem Körper am

Bereich im Hintergrund anders gestaltet, und auch die

Boden liegt, während zwei Knechte die grauenvolle Häu-

Haltung der linken Hand des Apostels ist unterschiedlich.

tung vornehmen. Zu Füßen des Heiligen sind Fragmente eines gestürzten Götterbildes zu erkennen. Die Darstellung entspricht dem von Giuseppe Ribera signierten und vermutlich mit dem Datum 1644 versehenen Bild (Abb. 7) im Museo Nacional d’Art de Catalunya in Barcelona (SPINOSA 2003, Nr. A268). Das Gemälde gelangte 1644 durch eine Schenkung von Juan Antonio de la Cerda, Herzog von Medinaceli und Markgraf von Cogolludo, an die Kartause von Jerez de la Frontera, von wo es 1810 von französischen Truppen nach Madrid gebracht wurde. Möglicherweise erwarb 1813 Graf Salvatierra das Bild, das später in den Besitz des französischen Königs Louis Philippe überging. Um 1880 kam es in die Sammlung des Alexander de Riquer in Barcelona und 1903 wurde es an das Museum verkauft, wo es sich heute befindet. Das bildmäßig durchgestaltete Blatt ist in schwarzer Kreide gezeichnet, und nur an Stellen, an denen Ribera im Gemälde Akzente mit roter Farbe gesetzt hat – etwa am Gesicht des einen Knechts und des Apostels oder an der abgezogenen Haut am Arm –, findet sich der Einsatz von Rötel. Die Darstellung auf dem Gemälde entspricht aber nicht vollkommen der Zeichnung, auf welcher der Bildausschnitt am oberen, linken und unteren Rand etwas erweitert ist. Ferner weichen der Ausdruck der Ge-

Abb. 7 Giuseppe Ribera, Das Martyrium des hl. Bartholomäus

86

Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

87

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Die Strichführung erinnert an die der Handzeichnungen

diese dynamischen Bewegungen ein spannungsvolles

Riberas, doch dürfte das vorliegende Blatt keine origina-

Gerüst aus gegenläufigen Achsen bilden. Auf diese Weise

le Vorzeichnung des Künstlers für die Schindung des hl.

gibt Ribera der Komposition eine komplexe geometrisie-

Bartholomäus sein. So lassen sich an verschiedenen Stel-

rende Grundstruktur, von der auf der Zeichnung nichts

len Unklarheiten feststellen, wie beim linken Knecht die

mehr zu spüren ist. Auf dieser scheinen die Motive wie

stummelartige linke Hand, die nicht wirklich die Wade

aus unterschiedlichem Zusammenhang entnommen, zu-

des Heiligen umgreift, oder das Bein, das nicht organisch

sammengestückelt, lediglich miteinander verflochten zu

mit dem Körper verbunden ist. Alle Figuren sind detail-

sein. Vermutlich handelt es sich daher bei dem vorliegen-

liert durchgezeichnet, doch wirken die Bewegungen

den Blatt um eine kopienhafte Nachahmung nach einer

gleichförmig, da ihnen innere Energie und Spontaneität

verlorenen Vorzeichnung Riberas für das Gemälde.

fehlen. Man beachte etwa, mit welcher Kraft die rohen Gesellen auf dem Gemälde ihre Arbeit verrichten und wie

88

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A. G.

17 Stefano della Bella (18. 5. 1610 Florenz – Florenz 22. 7. 1664)

Zwei Figuren neben einem Hirsch Feder in Braun 2,4 x 6,9 cm Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso »Stef. della Bella/Friescomposition« Stempel und Inventarnummer »3186« des Mährischen Provinzmuseums, Brünn, daneben die Nummer »EK 2543« Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46636 Provenienz: Arthur Feldmann; Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: unveröffentlicht

18 Polyeder, auf einem kunstvoll gestalteten Sockel ruhend Feder in Braun, grau laviert 11,2 x 7,2 cm; Ergänzung im rechten oberen Bereich Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso »St. della Bella/Vase« Stempel und Inventarnummer »3184« des Mährischen Provinzmuseums, Brünn, daneben die Nummer »EK 2541« Wz.: fragmentiert Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46637 Provenienz: Arthur Feldmann; Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: unveröffentlicht

Stefano della Bella wurde 1610 als fünftes Kind von

talen Motiven entfaltete. Die Unterstützung von Loren-

­Dianora Bonaiuti und dem Bildhauer Francesco della Bella

zo de’Medici ermöglichte ihm von 1633 bis 1637 eine

in Florenz geboren. Ab seinem zehnten Lebensjahr lernte

Studienreise nach Rom. Der spätere Aufenthalt in Paris

er bei verschiedenen Goldschmieden, zuletzt bei Orazio

von 1639 bis 1650 war künstlerisch äußerst fruchtbar und

Vanni, und erhielt anschließend eine Ausbildung als Ma-

trug della Bella große Wertschätzung beim französischen

ler, zunächst in der Werkstatt von Giovanni Battista Vanni

Hof ein, für dessen Mitglieder wie die Regentin Anna von

und dann bei Cesare Dandini. Vor allem durch das Studi-

Österreich, Kardinal Richelieu oder Kardinal Mazarin er

um der Druckgrafiken von Jacques Callot begann er sich

verschiedene Radierfolgen schuf. Nach seiner Rückkehr

intensiv mit der Radierkunst zu befassen, einer Technik,

nach Italien ließ er sich in Florenz nieder, wo er hohes

die seinem zeichnerischen Talent am ehesten entsprach

Ansehen genoss. Er unterrichtete den jungen Prinzen

und der er sich in der Folgezeit fast ausschließlich widme-

Cosimo III de’Medici im Zeichnen und war dort mit Aus-

te. Er wurde zum bedeutendsten italienischen Radierer

nahme von kürzeren Aufenthalten in Venedig, Rom und

seiner Zeit, dessen Werk über 1.000 Druckgrafiken zählt.

Modena bis zu seinem Lebensende tätig. Der Künstler

Die mit feiner und lebendiger Linie ausgeführten Blätter

war auch ein ungemein produktiver Zeichner, dessen er-

umspannen einen weiten Themenkreis, wobei della Bella

haltenes Œuvre ca. 2.500 Blätter umfasst (KLEMM 2009,

seine ganze Originalität in der Schilderung vielfiguriger

S. 5). Er zeichnete unermüdlich nach der Natur und hielt

Darstellungen von historischen Begebenheiten, Festlich-

die mannigfaltigen Eindrücke des Lebens fest. Wir treffen

keiten und Theaterszenen sowie in Sujets mit ornamen-

auf Zeichnungen mit einzelnen Figuren, Momenten des 89

Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

Alltagslebens, Landschaften, Tieren, topografischen An-

wässrigen Lavierung in Hellgrau, was der Zeichnung eine

sichten, Hafenszenen, Studien nach Antiken und nach Ge-

farbige Wirkung verleiht. Durch die skizzenhaften Linien

mälden, Skulpturen und Grafiken anderer Künstler sowie

und die flüssig neben den hellen Papierton gesetzte La-

auf Entwürfe für Ornamente und Kostüme. Einzelne der

vierung vermag der Künstler auf der Oberfläche dieses

Motive verwendete der Künstler in seinen Radierungen.

kunstvollen Objekts einen Glanz hervorzurufen, der im

Charakteristisch für seine Zeichnungen ist der feine, na-

Licht zu flimmern beginnt. Die Sonne im oberen Bereich

delartig dünne Federstrich, der zugleich sehr lebendig ist

des Blattes könnte darauf hindeuten, dass es sich um ei-

und mit skizzenhafter Leichtigkeit über das Papier läuft.

nen Entwurf für eine vielflächige Sonnenuhr handelt, die

Gerne verwendet er eine rötlich braune Tinte wie bei

seit dem 16. Jahrhundert in verschiedenen Größen und

dem kleinen Blatt aus der Sammlung Feldmann, das auf

Materialien gefertigt wurden. Sie fanden in Innenräu-

der linken Seite eine kniende, gerade aufstehende Figur

men als Tischsonnenuhr oder im Freien auf einem Sockel

zeigt. Neben ihr läuft eine Gestalt mit einem Stock in der

Aufstellung (vgl. Darmstadt 1980, S. 58f.). Stets mussten

rechten Hand. Auf der rechten Blatthälfte ist ein Hirsch

diese Sonnenuhren auf den bestimmten Breitengrad der

zu erkennen, der in ein rechtwinkeliges Dreieck einge-

spezifischen Aufstellung geeicht werden. Von Stefano

schrieben ist. In einer Serie von Radierungen mit Tieren

Bonsignori, dem Kosmografen der Erzherzöge Frances-

widmet della Bella auch dem Hirsch ein Blatt (DE VESME,

co I und Ferdinando I de’Medici, existieren polyedrische

1971, Nr. 705 II/III), doch besteht kein direkter Zusam-

Sonnenuhren von 1587, die aus quadratischen und poly-

menhang mit dieser Zeichnung und ebenso wenig haben

gonalen Flächen zusammengesetzt sind (Florenz, Istituto

die beiden Figuren Eingang in eine seiner Radierungen

e Museo di Storia della Scienza, Inv.-Nrn. 2458 und 2459).

gefunden. Wie so häufig ist die Zeichnung des Künstlers

Jedes der Zifferblätter besitzt einen eigenen Schatten­

kleinformatig, was dafür sprechen könnte, dass sie aus

stab, wohingegen in der Zeichnung nur einer gezeigt zu

einem der Skizzenbücher herausgeschnitten wurde. Auf

sein scheint, der zudem vertikal von dem Polyeder auf-

dem zweiten hier besprochenen Blatt ist ein Polyeder

ragt. Wenn es sich tatsächlich um einen Schattenstab

zu sehen, von dem im oberen Bereich ein Stab ausgeht.

handelt, wäre dessen Funktion noch zu klären. Vermut-

Der Polyeder ruht auf einem bauchigen, vasenartigen

lich handelt es sich bei dieser Sonnenuhr mehr um einen

Körper, der seinerseits von einem Sockel mit volutenar-

fantasievollen Einfall, dessen tatsächliche Umsetzung

tig geschwungenen Ecken getragen wird. Wie in diesem

noch nicht durchdacht war.

Blatt ergänzt della Bella gerne die braune Tinte mit einer

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Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

A. G.

91

Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

19 Domenico Maria Canuti (5. 4. 1625 Bologna – Rom 6. 4. 1684) Kopfstudien Feder in Braun 12,5 x 15,8 cm Auf Recto Federaufschrift von der Hand des Künstlers »Altro diletto che studiar non prouo.« und »Dom.o M.a/Canuti und auf Verso »S’io disegno non ritenge … uano [?]/S’io dipingo per forza hauer per gusto/sempre uil [?] più io mi […] un zero«, rechts unten ein ligiertes Monogramm »D« mit eingestelltem »MC« Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns »Dom Maria Canuti/um 1650/Studienblatt« Stempel und Inventarnummer »3176« des Mährischen Provinzmuseums, Brünn, daneben die Nummer »EK 2533« Wz.: Adler Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46619 Provenienz: Arthur Feldmann; Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: Brünn 1969, Nr. 20 (mit Abb.)

Domenico Maria Canuti kam nach einer kurzzeitigen

Kuppel und Apsis der Klosterkirche (1682–1684). Canuti

Ausbildung bei Giovanni Battista Bertusi in die Lehre von

war der bedeutendste Bologneser Maler des Spätbarock.

Guido Reni und war nach dessen Tod 1642 für einige Zeit

Er war vor allem auf dem Gebiet der illusionistischen De-

unter den Bologneser Malern Giovanni Andrea Sirani und

ckenmalerei wegweisend, indem er die streng architekto-

Guercino tätig. Er reiste vermutlich um 1646 nach Rom,

nische Quadratura-Malerei von Girolamo Curti, Agostino

wo er unter Giovanni Lanfranco gearbeitet haben soll.

Mitelli oder Angelo Michele Colonna überwand und zu

1655 kehrte er spätestens nach Bologna zurück. Ent-

einer dekorativeren, stärker aufgelockerten Gestaltungs-

scheidend für den damals bereits gesuchten Maler war

weise fand, in der die architektonischen, skulpturalen

die Förderung durch Mitglieder der Bologneser Senato-

und figürlichen Elemente in ein ausgewogenes Verhältnis

renfamilie Pepoli: Graf Odoardo übertrug ihm Aufträge

zueinander kommen und sich gegenseitig durchdringen.

im Palazzo Pepoli Campogrande, und Taddeo Pepoli, der

Das von Canuti eigenhändig signierte Blatt aus der

Canuti während seiner gesamten Schaffenszeit unter-

Sammlung Feldmann zeigt drei vermutlich nach dem

stützte, verhalf ihm zu Aufträgen der Olivetaner in Padua

Leben gezeichnete Figuren. Der Künstler hat sie wohl

und Bologna. 1662 führte Canuti Fresken im Castello in

unabhängig voneinander studiert, da sie in keinem di-

Marmirolo bei Mantua aus, wo er vermutlich 1667 er-

rekten Zusammenhang stehen und aneinandergestückt

neut tätig war. Im Frühjahr 1672 reiste er wiederum nach

anmuten. Die linke Gestalt ist durch ihren antikischen

Rom und schuf dort u. a. Wandmalereien in den Palazzi

Helm als Soldat gekennzeichnet und sollte möglicherwei-

­Colonna und Altieri. Ein Hauptwerk aus dieser Zeit sind

se Verwendung in einem Gemälde finden, doch keine der

die umfangreichen Fresken in SS. Domenico e Sisto. Am

drei Figuren kehrt unmittelbar in den Malereien Canutis

4. September 1674 wurde der Künstler in die römische

wieder. Vielleicht entstand die Zeichnung aus der Über-

Accademia di S. Luca aufgenommen. 1677 kehrte Canu-

legung heraus, verschiedene Charaktere gegenüberzu-

ti in seine Heimatstadt zurück, wo ihm Taddeo Pepoli

stellen, die zugleich unterschiedliche Lebensalter wider-

bedeutende Aufträge im Olivetanerkloster S. Michele in

spiegeln. Die Figuren sind mit spontan auf das Papier

Bosco vermittelte. Zunächst schuf er die Dekoration der

gesetzten Federlinien rasch umrissen. Zur Modellierung

Bibliothekssäle (1677–1680) und später die Fresken der

verwendet der Künstler Schraffuren unterschiedlicher

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Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

Dichte und Tönung, die unvermittelt aneinanderstoßen

Schraffuren mit unterschiedlich kräftigen Federlinien, die

und teilweise von anderen Schraffuren überlagert wer-

unvermittelt aneinander anstoßen (vgl. Heimsuchung in

den. Die Strichlagen enden abrupt und kontrastieren mit

Windsor Castle; siehe Fort Worth, Washington und New

dem hellen Blattgrund, wodurch Brüche in den Übergän-

York, 1991–1992, Nr. 41). In Canutis Blatt bilden die Lini-

gen entstehen. Die Köpfe sind wie unter starkem Streif-

en an ihrem Ende kurze Schwünge und gehen daher in

licht betrachtet, was ihnen eine reliefhafte Wirkung gibt.

den Schraffuren nahtlos ineinander über, was ebenfalls

Der Künstler umreißt sie mit langen fließenden Linien,

bei Zeichnungen Guercinos anzutreffen ist (vgl. Halbfi-

wodurch ihre kompakte Konsistenz an den Randberei-

gurenbildnis eines bärtigen Mannes im British Museum;

chen aufgelöst wird. Die Dynamik dieser Linien inten-

­TURNER und PLAZZOTTA 1991, Nr. 124).

siviert den Ausdruck der jeweiligen Gestalt und unter-

Offensichtlich widmete sich Canuti mit großer Begeis-

streicht die Spontaneität und Intensität der Bewegung.

terung Studien dieser Art, was aus der eigenhändigen

Der schnellende Verlauf dieser Linien, der eine Tendenz

Aufschrift auf der Vorderseite des Blattes hervorgeht:

zum Selbstgefälligen, Dekorativen, erkennen lässt, erin-

»Altro diletto che studiar non prouo« – »Etwas anderes

nert dabei an den Zeichenstil von Guercino. Dieser Künst-

als Studieren vermag mir kein Vergnügen zu bereiten«.

ler verwendet in seinen Zeichnungen in ähnlicher Weise

A. G. 93

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20 Umkreis von Ciro Ferri (3. 9. 1633 Rom – Rom 13. 9. 1689)

Minerva oder Bellona (Recto) Schwarze Kreide und Rötel



Frauengestalt auf Wolken (Verso) Schwarze Kreide 35,7 x 25,4 cm Federaufschrift auf Recto »Ciro Ferri« Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso »Ciro Ferri/Minerva oder Bellona/Allegorie auf die Freiheit« Stempel und Inventarnummer »3223« des Mährischen Provinzmuseums, Brünn, daneben die Nummer EK 2580 Wz.: Lilie in doppeltem Kreis Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46620 Provenienz: Arthur Feldmann; Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: Brünn 1969, Nr. 40 (als Ciro Ferri; mit Abb.)

Die Vorderseite des Blattes zeigt die Kriegsgöttin Minerva oder Bellona auf Wolken mit einer Lanze in ihrer linken Hand, mit der sie einen Krieger zu ihren Füßen niedergestreckt hat. Auf der Rückseite ist eine Frauengestalt zu sehen, die in der erhobenen rechten Hand eine Kette hält, an der ein Drache unter ihr angeleint ist. Beide Darstellungen sind in Pendentifs eingefügt, waren somit vermutlich für eine Freskodekoration unterhalb einer Kuppel oder eines Gewölbes vorgesehen. Einer alten Federaufschrift auf Recto zufolge stammen die Zeichnungen von der Hand des Malers Ciro Ferri, der ein Schüler von Pietro da Cortona war und sich äußerst eng an den Stil seines Lehrers anschloss. Ferri arbeitete an zahlreichen Projekten Cortonas, wie etwa dem Fresko in der Tribuna in der Chiesa Nuova, mit und führte verschiedene von seinem Lehrer begonnene Dekorationen unter Zuhilfenahme von dessen Vorzeichnungen und Kartons zu Ende. Letztere überarbeitete er teilweise, änderte sie ab und fügte eigene Ideen hinzu wie im Falle der Fresken in der Sala di Apollo im Palazzo Pitti oder der Mosaiken im Vestibül der Cappella della Pietà im Vatikan. Nach Cortonas Tod 1669 stieg Ferri zu einem der führenden Barockkünstler Roms auf, der neben Malereien auch Entwürfe für Skulpturen, Architekturen, kunstgewerbliche

Abb. 8 François Spierre nach Ciro Ferri, Minerva

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Gegenstände und Vorlagen für die Druckgrafik schuf.

sches Volumen. Während die Gestalten in den Zeichnun-

Sein größter Auftrag war die Dekoration der Kuppel von

gen Ferris dynamisch agieren und von kraftvollem inne-

Sant’Agnese in Agone, die nach Ferris Tod ein Schüler

ren Leben durchpulst werden, wirken die Bewegungen

vollendete.

auf dem vorliegenden Blatt leicht und geziert, zumal die

Die beiden Zeichnungen für Pendentif-Darstellungen

Linien eine Tendenz zum Dekorativen auszeichnet. Mögli-

lassen sich jedoch mit keinem von Ferris erhaltenen Wer-

cherweise stammt das Blatt von einem Künstler aus dem

ken in Verbindung bringen, und nach Auskunft von Jörg

Umkreis oder einem Nachfolger Ferris. Der Zeichner hat

Martin Merz und Ursula Verena Fischer Pace stammen

die Gestalt der Minerva bzw. Bellona von einem Kupfer-

sie auch nicht von der Hand dieses Künstlers. Die Strich-

stich von François Spierre nach einer Vorlage von Ciro

führung mit ihren in breitem Abstand gesetzten Schräg-

Ferri übernommen (Abb. 8), auf dem Minerva auf einem

schraffuren sowie den skizzenhaften, dynamisch über

von Löwen in die Lüfte gezogenen Wagen erscheint.

das Blatt gezogenen Linien, die ein regelrechtes Gewirr

Über den Köpfen der Löwen schwebt der Adler dem auf

bilden, lässt gewisse Bezüge zu Zeichnungen Ferris erken-

Wolken ruhenden Jupiter zu. Spierre schuf den Stich für

nen. Andererseits gibt es grundlegende Abweichungen,

einen venezianischen Graf namens Zanobio. Ein zweiter

die gegen eine Zuschreibung an diesen Künstler spre-

Stich wiederholt die gleiche Darstellung mit einigen Ab-

chen. In den Zeichnungen Ferris sind die Linien äußerst

weichungen in den Details (VAN DER WALL 1987, S. 53,

lebendig und kraftvoll gezogen (vgl. DAVIS 1986). Sie

Kat. A 13, I–II). Der Künstler des Blattes aus der Samm-

überlagern sich und verbinden sich zu kompakten Bün-

lung Feldmann hat die Haltung der Minerva zunächst

deln, ohne ihre Eigenständigkeit zu verlieren. Durch das

vom Stich übernommen. Er griff dann aber zum Rötelstift

sukzessive Verdichten der Linien vermag es der Künstler,

und überarbeitete die mit schwarzer Kreide ausgeführte

die Körper plastisch herauszumodellieren. Hierzu tragen

Zeichnung, indem er dem zuvor angewinkelten Arm eine

auch die Schraffuren bei, die in unterschiedlicher Inten-

ausgestreckte Haltung gab. Die Aufwärtsbewegung der

sität aufgesetzt sind und sich teilweise übereinander-

Minerva bzw. Bellona steht dabei nicht in Einklang mit

schichten und damit zu dem oben angesprochenen Effekt

dem abwärts gerichteten Lanzenstoß, der gegen den

der Verdichtung beitragen. In dem hier besprochenen

Feind auf dem Boden gerichtet ist. Daraus wird deutlich,

Blatt aus der Sammlung Feldmann ist die Strichführung

dass der Zeichner eine nicht von ihm stammende Idee

weniger komplex. Die Schraffuren werden flächenfüllend

aufgegriffen und für seine Zwecke adaptiert hat.

eingesetzt und verbinden sich nicht mit den Umrisslinien.

A. G.

Daher entwickeln die Figuren kein vergleichbares plasti-

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21 Antonio Grano (um 1660 Palermo – Palermo 15. 4. 1718) zugeschrieben

Ein König überreicht einer Frau eine Krone Feder in Braun, blaugrau und blau laviert, die Umrahmung mit Stift in Schwarz 29,2 x 22,6 cm Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso »Franc. Solimena 1657–1747/Der König überreicht einer vor ihm sitzenden Frau/eine Krone« Stempel und Inventarnummer »B 3261« des Mährischen Provinzmuseums Brünn, daneben die Bleistiftnummer EK 2618 Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46617 Provenienz: Stefan Licht; Kunsthandel Boerner 1924; Kunsthandel Nebehay 1927; Arthur Feldmann; Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: Kat. d. Verst. C. G. Boerner, Handzeichnungen alter und neuerer Meister des XV. bis XIX. Jahrhunderts, Leipzig, 13. November 1924, lot 446 (als Francesco Solimena); Wien 1927, o. S. (als Francesco Solimena; mit Abb.)

Die lavierte Federzeichnung galt traditionell als Werk von Francesco Solimena (1657–1747), der vor allem in Neapel wirkte, sich aber auch einige Jahre – vornehmlich im Dienste des Prinzen Eugen – in Wien aufhielt und sowohl die weitere Entwicklung der neapolitanischen Barockmalerei als auch der österreichischen maßgeblich beeinflusste. In Solimenas Zeichnungen erlangen die Figuren durch sicher gesetzte Linien Plastizität; die oftmals durch mehrere Lagen besonders betonten Konturen heben die dargestellten Personen vom Untergrund ab. Die unruhigen, teils zittrigen Federlinien des vorliegenden Blattes fließen hingegen ohne Spannung um die Körper herum und dienen weniger dazu, den Objekten Volumen zu ver­leihen als vielmehr kürzelhaft die Oberflächenstruktur­ anzudeuten. Räumlichkeit wird durch den Aufbau in mehreren Schichten erreicht, die, indem sie nicht ineinander übergreifen und hintereinander gestaffelt sind, den Charakter von Theaterkulissen erhalten. Stilistisch lässt sich das Blatt damit der Schule von Solimena zuordnen und steht einer Gruppe von Zeichnungen nahe, für die Catherine Monbeig Goguel eine Zuschreibung an Antonio Grano (um 1660–1718) erwog (MONBEIG GOGUEL 2010), etwa einer lavierten Federzeichnung des Louvre, die zwei

Abb. 9 Antonio Grano zugeschrieben, David und Abigajil

gegeneinander kämpfende Krieger in einer Landschaft wiedergibt (Inv.-Nr. 9811).

98

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Open Access-Publikation im Sinne der CC-BY-NC-ND 4.0

Der Palermitaner Maler Antonio Grano war vor allem als

Flächen des Himmels werden mit unruhig geschwungenen

Freskant, aber auch als Entwerfer von Skulpturengruppen

Linien aufgefüllt. In der Vorzeichnung für das Paulusfresko

und liturgischen Geräten an der Ausstattung zahlreicher

wirken die Körper etwas plastischer, allerdings ist auch hier

Kirchen in und um Palermo beteiligt. Granos frühes male­

die räumliche Erstreckung und das Zueinander der Figuren

risches Werk steht unter dem Einfluss von Pietro Novelli,

nicht nachvollziehbar. Da der Autorin keine für Grano ge-

dessen Fresken in der Casa Professa in Palermo er 1678 re-

sicherte Zeichnung im Original vorliegt und die ihm zuge-

staurierte. Die stilistische Verwandtschaft von Granos Wer-

schriebenen Werke zum Teil große stilistische Unterschie-

ken mit jenen von Solimena und Carlo Maratta lässt Studien-

de aufweisen, kann eine Zuschreibung des Blattes aus der

aufenthalte in Neapel und Rom vermuten, die jedoch nicht

Sammlung Feldmann an den Maler dennoch nur mit Vor-

belegt werden können. Eine Gruppe von Zeichnungen, die

sicht unternommen werden.

Walter Vitzthum dem Solimena-Schüler Nicola Maria Rossi

Die in der vorliegenden Federzeichnung dargestell-

zugeschrieben hatte, brachte Catherine Monbeig Goguel

te Szene – ein König, der einer vor ihm in einer felsigen

mit Fresken Antonio Granos in Verbindung und erweiter-

Landschaft sitzenden Frau eine Krone reicht – konnte bis-

te so sein auf uns gekommenes zeichnerisches Œuvre auf

her nicht gedeutet werden. Die antikisierende Rüstung

insgesamt 70 Werke (Neapel 1966–1967, S. 31, Kat. 44; Pa-

des Königs lässt sowohl eine Verortung des Themas in

ris 1967, S. 50f., Kat. 88 und 89; MONBEIG GOGUEL 2010).

der Mythologie als auch im Alten Testament oder in der

Wie bei dem Blatt aus der Sammlung Feldmann handelt es

antiken Historie zu. Eine Hilfestellung bieten zwei weite-

sich zu einem großen Teil um lavierte Federzeichnungen.

re lavierte Federzeichnungen, die dasselbe hochrecht-

Eine Federzeichnung mit einer Darstellung der Predigt des

eckige Format mit geschwungenen Ausnehmungen an

hl. Paulus (Louvre, Inv.-Nr. 5488), die als Vorzeichnung für

den Ecken und angesetzten Segmentbögen an Ober- und

ein Deckenfresko in Santi Pietro e Bartolomeo in Alcamo

Unterkante haben und auch in Größe, Figurenmaßstab

für Grano gesichert ist, gliedert den Bildraum auf ähnliche

und Technik mit der Zeichnung aus der Sammlung Feld-

Weise wie die vorliegende Zeichnung: Ein abgedunkelter

mann übereinstimmen. Es handelt sich dabei um Salo-

Vordergrund aus Landschaftsversatzstücken beziehungs-

mon und die Königin von Saba im Louvre (Inv.-Nr. 5476;

weise Staffagefiguren schafft einen Rahmen für die Szene.

Zuschreibung an Grano durch Monbeig Goguel) und eine

Im Mittelgrund spielt sich – hervorgehoben durch die pro-

bisher nicht zufriedenstellend identifizierte Zeichnung,

minente Positionierung der Protagonisten direkt im Zent-

die sich ehemals als Pendant zu dem später von Feld-

rum der Bildfläche einerseits und durch stark kontrastie-

mann erworbenen Blatt in der Sammlung Licht befunden

rende Lavierungen andererseits – die eigentliche Handlung

hatte und heute verschollen ist (Abb. 9; siehe dazu Kat.

ab. Die noch in einige Schichten unterteilte Hintergrundku-

d. Verst. C. G. Boerner, Leipzig 1924, lot 446 sowie Wien

lisse tritt durch das hellere Blaugrau der Lavierungen und

1927, o. S.). Die von einem Zug aus bepackten Dienern,

die aufgelockerten Konturlinien zurück. In beiden Blättern

einem Esel und Kamelen begleitete Frau, die vor einem

ist die Bildfläche komplett durchgestaltet, selbst die freien

König mit bewaffnetem Gefolge kniet, stellt wohl die Kö-

100

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nig David um Schonung für ihr Haus bittende Abigajil dar

tarischen Szenen waren zu Beginn des 18. Jahrhunderts

(1. Sam 25, 1-35). In allen drei Blättern befindet sich ein

häufiger Bestandteil von Kirchenausstattungen in Paler-

antikisch gekleideter König im Dialog mit einer Frau; die

mo, und auch Grano hat solche Zyklen entworfen, etwa

am Himmel schwebenden, ein sich kräuselndes Schrift-

für die Jesuitenkirche Casa Professa oder die Kirche der

band präsentierenden Putten sind ebenfalls ein wie-

Dominikanerinnen Santa Maria della Pietà. Möglicherwei-

derkehrendes Element. Die Zusammengehörigkeit der

se sind die drei Zeichnungen ebenfalls Bestandteil einer

drei Zeichnungen spricht dafür, dass auch das Sujet des

– unter Umständen noch größeren – Serie von Entwürfen

Blattes aus der Sammlung Feldmann dem Alten Testa-

für eine Kirchenausstattung, sie können aber nicht mit ei-

ment entnommen ist, eine Identifikation der Szene kann

nem konkreten Projekt in Verbindung gebracht werden.

jedoch auch hier nicht erfolgen. Serien von alttestamen-

A. M.

101

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22 Matteo Brida (um 1699 Verona – wahrscheinlich Verona 1774)

Gefangennahme Christi Feder in Braun, braun laviert 37,8 x 27 cm Alte Federaufschrift auf Verso »C…[durchgestrichen] fatto in Roma dal Matteo Brida/nell Anno 1727 [?] nel mese di Settembre[?]« Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso »Marco Brida/Die Gefangennahme Christi IV22« und daneben »IV 23« Stempel und Inventarnummer »3227« des Mährischen Provinzmuseums, Brünn, daneben die Nummer »EK 2584« Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46641 Provenienz: Arthur Feldmann; Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: unveröffentlicht

Der aus Verona gebürtige Maler Matteo Brida erhielt um

Die vorliegende Zeichnung aus der Sammlung Feld-

1718 seine Ausbildung bei Gian Antonio Simbenati und an-

mann mit der Gefangennahme Christi trägt auf der Rück-

schließend bei Antonio Balestra (DAL POZZO 1718, S. 36).

seite eine wohl eigenhändige Aufschrift Bridas, derzufol-

Er war später nicht nur in Verona, sondern auch in Vicen-

ge sie der Künstler in Rom vermutlich im September 1727

za, Bergamo und Ferrara tätig, und dokumentiert sind

geschaffen hat. Sie ist damit ein wertvolles Dokument

auch Arbeiten als Bühnenmaler für das Theater (RAMA

für die künstlerische Tätigkeit Bridas in der Ewigen Stadt.

1990, S. 639). Er gehört zu den Gründungsmitgliedern der

Vermutlich ließ er die detailliert durchgeführte Zeichnung

Accademia Veronese di Pittura. Durch Briefe, die Brida

ebenfalls Raffaello Mosconi zukommen. Am 1. Oktober

zwischen 22. Mai 1727 und 7. Januar 1730 an seinen Mä-

1728 schrieb der Künstler an seinen Mäzen, dass er ein

zen in Verona, Raffaello Mosconi (1671–1730), geschrie-

Gemälde mit dem Thema »Cristo nel’orto« vollendet

ben hat, sind wir über einen Romaufenthalt unterrichtet,

habe, doch zog sich die Verschickung wegen der Anfer-

den der Künstler in diesem Zeitraum unternommen hat

tigung der Transportkiste vermutlich noch bis Mai 1729

(FAVILLA und RUGOLO 2010). In diesen Briefen schreibt

hin (FAVILLA und RUGOLO 2010, S. 102). Man könnte ver-

Brida, dass er an den Sitzungen der Accademia di Francia

muten, es handle sich bei der erwähnten Darstellung um

teilgenommen, Kopien nach Raphaels Fresken in der Far-

eine Gefangennahme Christi, und die hier besprochene

nesina, nach den Fresken Domenichinos in San Luigi dei

Zeichnung sei eine Studie für dieses Bild. Das Gemälde

Francesi sowie Zeichnungen nach den Reliefs an der Co-

befand sich nachweislich in der Sammlung von Raffaello

lonna Traiana angefertigt hat. Er kaufte Gipsabgüsse von

Mosconi und gelangte anschließend in die Galleria Gazola

antiken Statuen an und führte verschiedene Gemälde für

in Verona. Dort wird das Thema allerdings als »L’orazione

seinen Mäzen aus, die er zusammen mit den Zeichnun-

nell’orto«, also als Gebet Christi in Gethsemane bezeich-

gen von Rom nach Verona schickte. Kopien nach einzel-

net (vgl. FAVILLA und RUGOLO 2010, S. 105), weshalb die

nen Figuren von Raphaels Disputà in der Stanza della Se­

Darstellung keine Gefangennahme Christi gewesen sein

gnatura befinden sich heute im Museo del Castelvecchio

kann. Welchen konkreten Verwendungszweck die Zeich-

in Verona (FAVILLA und RUGOLO 2010, fig. 71–72).

nung aus der Sammlung Feldmann hatte, ist somit noch zu klären. A. G.

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23 Domenico Maria Fratta (18. 3. 1696 Bologna – Bologna 10. 8. 1763)

Josef wird der Silberbecher gezeigt, den man im Sack Benjamins gefunden hat Feder in Braun, grau laviert, über Vorzeichnung mit schwarzem Stift 17,5 x 26,5 cm Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso »Marco Marcola/Josef gibt sich seinen Brüdern zu erkennen« Aufschrift auf Verso »Domenico Fratta« und »Jarato Jarati« Stempel und Inventarnummer »3160« des Mährischen Provinzmuseums, Brünn, daneben die Nummer »EK 2517« Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46616 Provenienz: Arthur Feldmann; Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: unveröffentlicht

Domenico Maria Fratta erhielt seine erste Ausbildung

und Architekturen aus. Diese zeichnerische Reprodukti-

bei Domenico Maria Viani und später bei dessen Schüler

on von Gemälden anderer Künstler brachte Fratta weite-

Carlo Antonio Rambaldi. Anschließend kam er im Haus

re vergleichbare Aufträge ein. Er schuf Nachzeichnungen

des begeisterten Sammlers Graf Pietro Ercole Fava in die

von Nicolò dell’Abates und Pellegrino Tibaldis Fresken im

Lehre von Donato Creti, wo Fratta jedoch eine mangeln-

Palazzo Poggi oder von Abates Wandbildern im Palazzo

de Begabung für die Malerei feststellte. Er entwickelte

Torfanini in Bologna (ROLI 1982, S. 366), die in Druckgra-

sich zu einem äußerst versierten Zeichner, der exakt und

fiken verbreitet wurden.

detailliert durchgearbeitete Blätter schuf. Vor allem die

Eine enge Beziehung entwickelte Fratta zu dem Klos-

reinen Federzeichnungen mit ihren präzise gesetzten, an

ter der Olivetaner, S. Michele in Bosco in Bologna, das er

Gravuren der Druckgrafik erinnernden Linien gemahnen

häufig aufsuchte. und dort die berühmten Fresken von

an den Stil seines Lehrers Creti, mit dessen Zeichnungen

Ludovico Carracci, Guido Reni und anderen in Kopien

sie teilweise auch verwechselt wurden. Fratta schuf zahl-

festhielt. Für das Kloster verfertigte Fratta 1745 ein Al-

reiche Vorlagen für die Druckgrafik und radierte in der

bum mit 43 Zeichnungen von Panduren (Soldaten ­einer

Frühzeit auch selbst, gab die Technik aber wegen einer Augenkrankheit nach kurzer Zeit wieder auf, weil er die Reflexion der Kupferplatten nicht ertragen haben soll. Von Owen Mc Swiny erhielt Fratta den großen Auftrag, Vorlagen für eine Stichpublikation von fantasievollen Grabmonumenten bedeutender britischer Persönlichkeiten, den Tombeaux des Princes, Grands Capitaines et autres Hommes illustres qui ont fleuri dans la Grand Bretagne vers la fin du XVII et le commencement du XVIII siècle, zu liefern (VAN HOUTVEN 1999). Frattas Zeichnungen entstanden mit Abwandlungen nach Bildern, die ab 1723 bolognesische und venezianische Maler wie Canaletto, Piazzetta, Marco und Sebastiano Ricci oder Donato Creti gemalt hatten. Bei diesen Gemälden führten spezifische Künstler die figürlichen Partien, andere die Landschaften

Abb. 10 Domenico Maria Fratta, Josef wird der Silberbecher gezeigt

104

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irregulären österreichischen Kavallerie-Einheit), das vor

von Beginn an als reine Sammelobjekte geschaffen wur-

nicht allzu langer Zeit in Palermo (Galleria Nazionale

den. An den bildhaften Zeichnungen Frattas bestand

della Sicilia) entdeckt wurde (MAZZA 1994–1995 1). In S.

offenbar reges Interesse von Auftraggebern nicht nur

Michele in Bosco hatte Fratta einen engen Kontakt zu

aus Bologna, sondern auch aus verschiedenen Ländern

dem kunstsinnigen Padre Pier Francesco Magnani auf-

Europas (MAZZA 1994–1995 2, S. 52f.). Das Blatt aus der

gebaut, für den er in den 1750er-Jahren verschiedene

Sammlung Feldmann steht in direktem Zusammenhang

Zeichnungen ausführte. 1752–1753 erhielt der Künstler

mit der Darstellung der Auffindung des Silberbechers. Es

von Magnani eine Bezahlung für zwei Zeichnungen mit

ist allerdings kleiner im Format und in der Durchführung

den Darstellungen Josef wird der Silberbecher gezeigt,

etwas flüchtiger. Auf der linken Seite fügte der Künstler

den man im Sack Benjamins gefunden hat (Abb. 10) und

eine Tür ein, und zudem spielte er mit der Überlegung,

David lässt Baana und Rechab, die Mörder von Ischbaal,

an der Rückwand ein Fenster einzusetzen. Die Anlage der

töten (ROLI 1982). Die beiden braun und grau lavierten

Figurengruppen ist bereits nahezu identisch, lediglich in

Federzeichnungen, die offensichtlich als Pendants kon-

der Charakterisierung der Köpfe und bei einzelnen Bewe-

zipiert wurden, befinden sich heute in der Accademia di

gungsmotiven finden sich kleinere Abweichungen. Aus

Brera in Mailand (Mailand 1995, Nr. 62, 63; Text von R.

all dem wird deutlich, dass die Zeichnung aus der Samm-

Roli). Sie sind detailliert und bildartig durchgestaltet und

lung Feldmann eine Vorstudie für das Blatt in der Accade-

haben die Funktion autonomer Zeichnungen, die nicht

mia di Brera in Mailand ist.

als Vorlagen für Gemälde oder Druckgrafiken, sondern

A. G.

105

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24 Giuseppe Zais (22. 3. 1709 Forno di Canale – Treviso 29. 12. 1781) Landschaft Feder in Braun, grau und braun laviert 24,7 x 37,5 cm Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso »Landschafts…« sowie von anderer Hand »von…[?]« Stempel und Inventarnummer »3210« des Mährischen Provinzmuseums, Brünn, daneben die Nummer EK 2567 Wz.: Die Ziffern »CI…[?]« Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46627 Provenienz: Arthur Feldmann; Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: Kat. d. Verst. Sotheby’s, London, 6. Juli 2005, lot 64

Giuseppe Zais könnte eine anfängliche Ausbildung in

langführt. Charakteristisch für den Zeichenstil ist der zar-

Belluno erhalten haben, bevor er sich um 1725–30 nach

te, krakelige und immer wieder aussetzende Federstrich,

Venedig begab, wo er fast 50 Jahre als Landschaftsma-

mit dem alle Formen gleichmäßig umrissen sind. Zur Aus-

ler tätig war. Wahrscheinlich ging er dort bei Francesco

gestaltung der landschaftlichen Motive verwendet Zais

Zuccarelli in die Lehre, bevor er 1748 in die Fraglia dei Pit-

eine graue und in den Vertiefungen graublaue Lavierung,

tori eingetragen wurde (vgl. MOSEL 1970, S. 12ff.), deren

wobei die Details durch die aufgetupfte bzw. flüssig auf-

Mitglied er bis 1768 blieb. Ein weiterer prägender Einfluss

getragene Tinte mehr angedeutet als konkret herausgear-

ging von dem Maler Marco Ricci aus, dessen Radierun-

beitet werden. Die rötlich braune Federlinie ist mit den Tö-

gen gleichfalls als Inspirationsquelle für die Werke von

nen der Lavierung verwoben und verleiht der Darstellung

Zais dienten. In die Zeit um 1760 fällt der Freskenzyklus

eine farbige Wirkung. Typisch für die Blätter des Künstlers

mit Fantasielandschaften und Stadtansichten in den Log-

ist auch, dass der Fluchtpunkt außerhalb der Darstellung

gien der Villa Pisani in Stra, den der Künstler gemeinsam

liegt, sich der Hintergrund im Atmosphärischen auflöst

mit Almorò Pisani ausführte. Von dem britischen Konsul

und mit dem Himmelsbereich verbindet und dass die Figu-

in Venedig, Joseph Smith, soll Zais viele Aufträge erhalten

ren keine kompositionelle Bedeutung haben, sondern als

haben, von denen sich jedoch keiner konkret nachwei-

belebende Staffage in die Natur eingefügt sind. Auch die

sen lässt. 1774 wurde der Künstler schließlich als Land-

Architekturen sind in die Landschaft eingebettet, wachsen

schaftsmaler in die Accademia di Venezia aufgenommen.

aus dieser empor, wobei sie eine für Zais kennzeichnende,

Motivisch umfassen seine Darstellungen Landschaften

kubisch-blockhafte, fast klötzchenartige Form annehmen.

mit biblischen und mythologischen Szenen, pastorale

Es sind hier reine Fantasiegebilde, die nicht aus dem Studi-

Landschaften, Fantasiekompositionen mit antikischen

um einer konkreten topografischen Situation erwachsen

Architekturen, Statuen und Reliefs – das sogenannte

sind, wie in den Landschaften von Canaletto, der seinen

Ruinen­capriccio – sowie Schlachtenszenen, in denen Zais

Gebäuden zudem eine monumentalere Wirkung zu geben

vor allem von den Werken des Malers Francesco Simonini

mag. Unter den Zeichnungen, welche die angesprochenen

beeinflusst wurde (MOSEL 1970, S. 31ff.).

Stilcharakteristika aufweist und in der Ausführung dem

Auf der Zeichnung aus der Sammlung Feldmann leitet

Blatt aus der Sammlung Feldmann ähnelt, sei auf ein Rui-

ein Weg in einer weiten Kurve in die Landschaft ein. Auf

nencapriccio von Giuseppe Zais verwiesen, das sich im Bri-

der rechten Seite grenzt er an einen See, während er auf

tish Museum befindet (Inv.-Nr. 1929,0516.1).

der linken Seite an einer Gruppe verlassener Gebäude ent106

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A. G.

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24 Giuseppe Piattoli (24. 3. 1742 Florenz – Florenz vermutlich 1823)

Porträt eines Mannes Schwarze, blaue und rote Kreide Signatur des Künstlers in roter Kreide »G. Piattoli f:« 20,6 x 16,9 cm (Oval); 21,2 x 17,4 cm (Blattmaß) Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso »Gaetano Piattoli/1703–1770« Stempel und Inventarnummer »B 3191« des Mährischen Provinzmuseums, Brünn, daneben die Nummer EK 2548 Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46640 Provenienz: Sigmund Landsinger (L. 2358); Arthur Feldmann; Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: Kat. d. Verst. Sotheby’s, New York, 28. Januar 2009, lot 165 (als Gaetano Piattoli), Neil Jeffares, Dictionary of pastellists before 1800, Online edition (unter Giuseppe Piattoli)

Auf der Zeichnung ist das in verschiedenfarbigen Kreiden

Bildnis aus der Sammlung Feldmann stammt somit wohl

ausgeführte Bildnis eines vornehm gekleideten Mannes

von Gaetanos 1742 geborenem Sohn, Giuseppe Piattoli.

zu sehen, der an seinem Schreibtisch sitzt. Er hält gerade

Dieser erhielt seine Ausbildung von seinem Vater und ent-

beim Schreiben inne, hat die Feder abgesetzt und wen-

wickelte sich zu einem geschätzten Maler, Zeichner und

det sich dem Betrachter zu. Das vom Künstler am unte-

Kupferstecher, der ab 1785 ebenfalls an der Accademia

ren Rand mit »G. Piattoli f:« signierte Blatt wurde in der

di Belle Arti Zeichnen unterrichtete. Giuseppe wurde in

Aufschrift auf der Rückseite dem 1703 in Florenz gebore-

erster Linie bekannt durch seine Serien volkstümlicher

nen Maler Gaetano Piattoli zugeschrieben, dessen Frau

Darstellungen, den Proverbi (Sprichwörtern), den Giuochi

Anna Piattoli Bacherini ebenfalls Malerin war (vgl. SCAN-

(Spielen) und La Marfisa, in denen der Künstler eigen-

DOLERA 2006). Gaetano ging zuerst bei dem Florentiner

tümliche Sitten und Gepflogenheiten seiner Zeit auf iro-

Künstler Vincenzo Sgrilli in die Lehre, um anschließend

nische Weise hinterfragt (D’ANCONA 1909). Für die bei-

bei dem französischen Maler François Rivière in Livorno

den von Carlo Lasinio gestochenen Folgen italienischer

zu studieren. Nach seiner Rückkehr nach Florenz unter-

Sprichwörter (FLORENZ 2001) haben sich in zwei Alben

richtete er an der Accademia di Belle Arti im Borgo Pinti.

unvollständige Serien der aquarellierten Vorzeichnungen

1761 ernannte ihn Großherzog Franz (II.) Stephan von

von Giuseppe Piattoli erhalten (Kat. d. Verst. Finarte, Mai-

Lothringen zum Hofmaler, doch starb er 1774 verarmt

land, 22. November 2000, lot 41, und Kat. d. Verst. Finar-

in seiner Heimatstadt. In den Uffizien in Florenz existie-

te, Venedig, 10. November 2003, lot 68). Die buntfarbige

ren einige Porträtzeichnungen des Künstlers (Inv.-Nrn.

Gestaltung dieser Szenen und die spezifische Auffassung

11.340–11.343), die in verschiedenen Kreiden und mit er-

der Figuren mit ihren zarten, überlängten Körpern lassen

gänzender Lavierung ausgeführt sind. Bei diesen ist die

sich mit der vorliegenden Zeichnung aus der Sammlung

Strichführung allerdings feiner und pointierter und die

Feldmann vergleichen. Eine bei Porträts beliebte medail-

Formgebung prägnanter als auf dem vorliegenden Blatt

lonartige Einfassung umgibt den Dargestellten, dessen

mit seiner gleichförmig strichelnden Zeichenweise. Auch

Identität einstweilen noch unbekannt ist. Verschiedent-

die Kleidung des Dargestellten, die im ersten Drittel des

lich wird das Blatt als Selbstbildnis des Künstlers bezeich-

19. Jahrhunderts in Mode war (frdl. Mitt. v. von Frau Di-

net, doch werden keine Gründe für diese Annahme ge-

rektorin Caterina Chiarelli, Galleria del Costurra, Pal. Pitti),

geben, weshalb eine derartige Identifizierung fraglich ist.

spricht gegen die Autorschaft von Gaetano Piattoli. Das

A. G.

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Französische Zeichnungen

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26 Nach François Perrier (1590 Pontarlier, Franche-Comté – Paris 1650)

Himmelfahrt des heiligen Antonius Feder in Schwarz, grau laviert 37,6 x 23,5 cm Bezeichnet in Feder auf Recto li. o. »Sancti«, r. o. »Antoni«, li. u. »Angelicam terris qui/capit ducere vitam/Simon Vouet pinxit nouebre [unleserlich]«, Mi. u. »cum privilegio Regio«, re. u. »Felix angelicus fertur/ad astra choris/Fran. Perrier sculp. parisi 1632« Bleistiftaufschrift von der Handschrift Feldmanns auf Verso »Simon Vouet/Anbetung eines Heiligen« Stempel und Inventarnummer »3262« des Mährischen Provinzmuseums, Brünn, daneben die Nummer EK 2619 Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46622 Provenienz: Arthur Feldmann; Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: unveröffentlicht

Das Blatt wiederholt nahezu maßstabsgleich die Ra-

Eine systematische Ausbildung junger Künstler war

dierung Die Himmelfahrt des Hl. Antonius (Abb. 11), die

Perrier jedenfalls ein Anliegen. 1648 war er einer der

François Perrier nach einem heute verlorenen Deckenge-

zwölf Gründungsväter der Akademie in Paris. Als Maler

mälde von Simon Vouet (1590–1649) in der Kapelle des

stand Perrier zeitlebens im Schatten Simon Vouets, in

Schlosses Chilly ausgeführt hat. Der Zeichner hat sogar

dessen Werkstatt er mitarbeitete. Beide Künstler hatten

die Legenden in den Ecken der Radierung übernommen.

unabhängig voneinander einige Zeit in Italien verbracht

Die unbeholfene Wiedergabe mancher Faltenwürfe und

und waren Mitarbeiter der berühmtesten zeitgenössi-

die Art, wie der Künstler die von Perrier mit der Radierna-

schen italienischen Barockmeister ihrer Zeit in Rom, Bolo-

del präzise schraffierten und umrissenen Wolkengebilde

gna und Venedig. Perrier schulte sich auch an der Antike,

summarisch nachempfunden bzw. die Konturlinien zwar

an Raphael und an Werken der italienischen Renaissance.

mit einem feinen Duktus, aber doch etwas trocken und

Er radierte antiken Tempelschmuck, Skulpturen und Fres-

mechanisch ausgeführt hat, sprechen für einen Mitarbei-

ken und archivierte seine Reproduktionen in umfangrei-

ter, der in unmittelbarer Nähe zu François Perrier, etwa

chen Grafikkonvoluten. Nach 1629 trat Perrier in die Werk-

in seiner Werkstatt, arbeitete. Vermutlich hat der Künst-

statt Vouets in Paris ein, ging ihm bei der Ausführung von

ler anhand der Radierung das Zeichnen geübt. Am Vor-

Palastausstattungen zur Hand und reproduzierte auch

abend der 1648 erfolgten Gründung der Académie royale

diese in Form von Radierungen. Stichreproduktionen von

de peinture et sculpture gehörte das Kopieren von Wer-

Perrier sowie von Kollegen in der Werkstatt Vouets, von

ken alter und zeitgenössischer Meister zum Ausbildungs-

Michel Dorigny (1617–1665) und François Tortebat (1616–

repertoire angehender Maler und Bildhauer. Mit der

1690), sind oft der einzige Hinweis auf Vouets ehemals

Vorlage der Druckgrafik von François Perrier, einem der

umfangreich vorhandenes und heute vielfach verlorenes

meistgeschätzten Radierer in Paris, nach einem Decken-

Œuvre.

bild von Simon Vouet, einem der gefragtesten Ausstat-

Dazu gehörte der Bildschmuck im Schloss Chilly bei

tungskünstler seiner Zeit, traf der Zeichner dieses Blattes

Longjumeau, den Vouet 1632 vollendet hat. Das Anwe-

wohl die besten Voraussetzungen für sein Studium an.

sen war im Besitz des surintendant des finances, Antoine

113

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Coiffier, der unter Richelieu zum maréchal d’Effiat ernannt wurde. 1624 erwarb der maréchal das alte Schloss Chilly und ließ es in der Folge erneuern und ausbauen (DE GAULLE 1841, S. 452–454, bes. S. 453). 1802 wurden das Schloss und sein Park zerstört. Perriers Radierung und die vorliegende Zeichnung sind demnach die einzigen Zeugnisse über das Aussehen der im Schloss ehemals vorhandenen Himmelfahrt des Hl. Antonius. H. W.

Abb. 11 François Perrier nach Simon Vouet, Die Himmelfahrt des Hl. Antonius

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27 Kreis des Pierre Puget (16. 10. 1620 Château Follet bei Marseille – Marseille 2. 12. 1694)

Studie für den Milon von Kroton Bleigriffel, Feder in Braun 29,2 x 18,7 cm Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf Verso »Pierre Puget/Myron von Kreta« Stempel und Inventarnummer »3253« des Mährischen Provinzmuseums, Brünn, daneben die Nummer EK 2610 Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46631 Provenienz: Arthur Feldmann; Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: unveröffentlicht

Dargestellt ist der griechische Ringkämpfer Milon aus der

get der endgültigen Version der Marmorskulptur an, bis

kalabrischen Kleinstadt Kroton. Der Legende nach rühm-

er schließlich die Marmorgruppe mit einer Rötelzeich-

te er sich, einen Baumstamm mit seinen bloßen Händen

nung, die heute im Musée Atger in Montpellier (Marseille

spalten zu können. Unglücklicherweise verklemmten sich

1994–1995, Nr. 71) aufbewahrt wird, ziemlich genau vor-

seine Hände im Spalt, wodurch der Athlet gefangen und

wegnahm.

das Opfer eines ihn zerfleischenden Löwen wurde.

Die vorliegende Zeichnung lässt sich weder konzeptu-

Eine Bezeichnung auf der Rückseite des Blattes nennt

ell noch stilistisch überzeugend in die Reihe der genann-

den Maler, Bildhauer und Architekten Pierre Puget als

ten Blätter einordnen. Der Zeichner paraphrasierte zwar

den Autor der Zeichnung. Die Zuschreibung erfolgte ver-

Pugets Lösung des Themas, zitiert mit Baumstamm und

mutlich aufgrund des thematischen Zusammenhanges

Löwen den Motivschatz der Legende, lässt aber die sub-

mit einem der berühmtesten Bildwerke des Künstlers,

tile Komposition der Marmorgruppe Pugets, in der sich

dem Milon von Kroton. 1671 begann Puget die Skulpturen-

Drama, Schmerz und Hilflosigkeit so kongenial in einer

gruppe aus weißem Carrara-Marmor zu hauen. Erst nach

Rautenkonstruktion verspannen, vermissen. Auch als

mehr als zehn Jahren stellte er sie fertig. Sie wurde 1683

frühe Entwurfsskizze zum Thema kann das Blatt nicht

im Park von Versailles aufgestellt. Heute befindet sie sich

mit Federzeichnungen Pugets, mit denen er z. B. einen in

im Louvre.

gebranntem Ton erhaltenen bozzetto für die nicht weiter-

Erste Entwürfe zu diesem Projekt sind verloren gegan-

gehend realisierte Skulpturengruppe Klagender Krieger

gen oder verschollen. Nur drei eigenhändige Zeichnun-

(Marseille 1994–1995, Nr. 37, S. 166) vorbereitet hat, in

gen Pugets haben sich für die Gesamtkomposition erhal-

Einklang gebracht werden. Die Konturlinien und die Mo-

ten: Eine Rötelzeichnung befindet sich im Musée Magnin

dellierung des Körpers sind für Puget untypischerweise

in Dijon (HERDING 1970, S. 170). Sie ist die Figurenstudie

vereinfacht, die Größenverhältnisse von Figur und Löwen

eines männlichen Aktes mit eingeklemmter Hand. In die-

unstimmig, und die dem Athleten ins Gesicht geschrie-

sem Blatt hat sich Puget mit dem Sitzmotiv des Athleten

bene Verzweiflung erscheint zu karikiert, um mit Pugets

auseinandergesetzt. Mit einem weiteren in dramatisches

Darstellung eines schmerzerfüllten Affekts mithalten zu

Helldunkel getauchten Entwurf im Musée des Beaux-Arts

können.

in Rennes (Marseille 1994–1995, Nr. 70) näherte sich Pu-

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H. W.

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28 Anonym, französisch, 18. Jh.

Bauernhaus mit zwei sitzenden Figuren Rötel, auf Untersatzpapier kaschiert, allseitig mit Tinte umrahmt 14,4 x 18,5 cm Federaufschrift in Braun auf dem Untersatzpapier auf Recto »A. Boisier fecit« Bleistiftaufschrift von der Hand Feldmanns auf dem Untersatzpapier auf Verso M. o. »Jean Jacques Boisier/Gartenscene« Inventarnummer »3189« des Mährischen Provinzmuseums Brünn, daneben die Nummer »EK 2546« Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46635 Provenienz: Arthur Feldmann; Landesmuseum Brünn (1941–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: Kat. d. Verst. Sotheby’s, London, 6. Juli 2005, S. 70, Nr. 61 (als Jean-Jacques Boissieu)

Die Rötelzeichnung zeigt ein aus mehreren Steingebäu-

dem sprechen stilistische Unterschiede gegen Boissieu

den und stallartigen Holzbauten bestehendes bäuerli-

als Autor des Wiener Blattes, was Marie-Felicie Perez-­

ches Anwesen, das im Vordergrund von einer dichten

Pivot, die an einem Œuvre­katalog dieses Künstler arbei-

Hecke umgeben ist. Durch die versierte Verwendung

tet, dankenswerterweise bestätigt hat. Boissieus meist

des Rötelstifts werden eine reiche Skala an Tonvariatio-

kühltonige, gestochen scharfe Landschaften zeichnen

nen, an fließenden Hell-Dunkel-Übergängen sowie der

sich durch eine betont detailreiche, außerordentlich fei-

Eindruck einer atmosphärischen, von Licht flimmern-

ne Pinselführung aus und sind ähnlich minutiös wie sei-

den Stimmung erzielt. Arthur Feldmann hat das Blatt in

ne mit spitzem Rötelstift festgehaltenen Porträtstudien.

Übereinstimmung mit der alten Aufschrift »A. Boisier

In der vorliegenden Zeichnung fällt dagegen eine tonig

fecit« auf der Rückseite dem Lyoner Künstler Jean Jac-

weiche, mehr summarisch angelegte Zeichenweise auf,

ques de Boissieu (1736–1810) zugeschrieben. Boissieu

die stilistisch eher den Landschaftsdarstellungen Hubert

verwendete jedoch den Rötelstift äußerst selten und

Roberts (1733–1808) oder denen Johann Georg Willes

wenn, dann nur für Porträtzeichnungen, während er

(1715–1808) und seinem Kreis entspricht.

für die Wiedergabe der Landschaft der monochromen Pinselzeichnung oder dem Aquarell den Vorzug gab. Zu-

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C. E.

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29 Zeichner um 1800 nach Raymond Lafage? (1656 Lisle-sur-Tarn – Lyon 1684)

Der Sturz des Phaeton Feder in Schwarz, grau laviert 24,8 x 17,2 cm Federaufschrift auf Recto links unten »Lafage« Auf Verso Stempel und Inventarnummer »B 3273« des Mährischen Provinzmuseums, Brünn, daneben die Nummer EK 2630 Wien, Albertina, Inv.-Nr. 46621 Provenienz: Arthur Feldmann; Landesmuseum Brünn (1942–1961); Mährische Galerie, Brünn (1961–2003); Restitution an die Erben 2003; 2012 Schenkung durch die Erben an die Albertina Literatur: unveröffentlicht

Die Augen angstvoll aufgerissen, der Mund vor Schreck

gelesker«, ihre Gesichter durchgezeichnet. Lafage schraf-

geöffnet, im Äther schwebend, unter ihm sein Rossge-

fierte die Dunkelstellen und Schatten auf seinen Zeich-

spann kopfüber in die Tiefe stürzend, fällt der griechische

nungen. Besonders in der Figur des Phaeton erinnern die

Held Phaeton zur Erde. Übermut und Überheblichkeit

Art des Umrisses, das antikisch-typisierte Gesicht und die

führen zum tiefen Fall. Das Motiv des Sturz des Phaeton

fehlende Modellierung an einen Zeichenstil, der eine klas-

wurde in der Kunst häufig behandelt. Glaubt man der

sizistische Arbeit, z. B. in Form einer Aquatinta oder eines

links unten erkennbaren Bezeichnung, dann war der

Schabblattes, vorweggenommen haben könnte.

französische Zeichner und Grafiker Raymond Lafage der

Viele von Lafages gezeichneten Entwürfen wurden

Schöpfer dieses Blattes. Doch nur oberflächlich erinnert

von Stechern, u. a. von Adam Bartsch und Richard Ear-

der Zeichenstil an seine Werke: Die Linienführung des

lom, bis in das frühe 19. Jahrhundert in Form von Radie-

Blattes ist gekonnt, der Tumult um den Sturz ist virtuos

rungen reproduziert und verbreitet. Doch konnten wir

erfasst und die Lavierung verleiht der Szene die für die

weder eine Zeichnung Lafages noch eine Reproduktion

Darstellung des Geschehens notwendige Dramatik.

eines seiner Nachstecher in den umfangreichen Zeich-

Verglichen mit Zeichnungen Lafages ist die Zeichnung

nungs- und Grafikbeständen des Künstlers in der Alber-

jedoch feiner, der Körper Phaetons ist kaum modelliert

tina finden, die die Bezeichnung auf dem vorliegenden

und wurde mit nur sparsamer Binnenzeichnung erfasst.

Blatt bestätigen würden.

Lafages Figuren sind robuster, athletischer, »michelan-

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H. W.

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WINKELMANN 1986

16. Jahrhunderts, Prag 2003.

Jürgen WINKELMANN, Lorenzo Sabatini detto Lorenzino da Bologna (Bologna, 1530 ca. – Roma, 1676), in: Vera

Washington 1979

FORTUNATI PIETRANTONIO (Hg.), Pittura Bolognese del

Prints and related Drawings by the Carracci Family, Ausst.

’500, Bd. 2, Bologna 1986, S. 595–630.

Kat. von Diane DE GRAZIA BOHLIN, National Gallery of Art, Washington 1979. Washington und Parma 1984 Correggio e il suo lascito, disegni del Cinquecento emiliano, Ausst. Kat. von Diane DE GRAZIA, Palazzo Pilotta, Parma und National Gallery of Art, Washington 1984.

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Verzeichnis der Textabbildungen Die Sammlung Feldmann: Spuren – Fragmente –

Abb. 8: Rückseite der Katalognummer 16 – Stempel des

Dokumente. Weg einer Rekonstruktion

Mährischen Landesmuseums sowie der Sammlung Wil-

Julia Eßl

helm König, Wien; Foto: © Albertina, Peter Ertl

Abb. 1: Villa Hroznová in der Traubengasse 13 in Brünn;

Abb. 9: Rückseite der Katalognummer 5; Foto: © Alberti-

Foto: © Národní památkový ustav v Brnĕ [NPÚ]

na, Peter Ertl

Abb. 2: Versteigerungskatalog des Buch- und Kunstanti-

Abb. 10: Katalognummer 6 – Stempel der Sammlung

quariates Gilhofer & Ranschburg; Foto: © Albertina, Peter

Glüenstein, Katalognummer 25 – Stempel der Sammlung

Ertl

Landsinger, Katalognummer 2 – Stempel der Sammlung Peltzer und Katalognummer 15 – Stempel der Sammlung

Abb. 3: Galerie Heinemann, Käuferkartei zu Dr. Arthur

Genevosio; Foto: © Albertina, Peter Ertl

Feldmann, Brünn; Foto: © Germanisches Nationalmuseum, Deutsches Kunstarchiv, NL Heinemann, Galerie, KKF 20

Die virtuelle Sammlung Feldmann. Praxis und Methodik der Rekonstruktion

Abb. 4: Unterschrift und Signatur von Heinrich Rosorius

Martina Pichler

in seiner Funktion als Treuhänder von Dr. Arthur Feldmann; Foto: © Archiv der Albertina Wien

Abb. 1: Jüdische Volksstimme 26. Februar 1920; © Universitätsbibliothek Frankfurt am Main/Digitale Sammlungen

Abb. 5: Die von Heinrich Leporini ausgesuchten Zeich-

Judaica, http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/peri-

nungen aus der Sammlung Feldmann; Foto: © Archiv der

odical/titleinfo/2622078

Albertina Wien Abb. 2: Aus TIETZE und TIETZE-CONRAT 1933; Foto: © AlAbb. 6: Rückseite der Katalognummer 11 mit zahlreichen

bertina, Peter Ertl

Vermerken; Foto: © Albertina, Peter Ertl Abb. 3: Entwurf für die Eingabemaske; © Martina Pichler Abb. 7: Ausschnitt der Rückseite der Katalognummer 9 – Stempel der Sammlung Lanna, Prag, Stempel der Prager

Abb. 4: Entwurf für einen Kurzbericht ohne Abbildungen;

Nationalgalerie sowie handschriftliche Vermerke; Foto: ©

© Martina Pichler

Albertina, Peter Ertl

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Vergleichsabbildungen im Katalog

Abb. 7: Giuseppe Ribera, Das Martyrium des hl. Bartholomäus, Öl auf Leinwand, Barcelona, Museu Nacional

Abb. 1: Jost Amman, Der Judaskuss, Holzschnitt, in: Jo-

d’Art de Catalunya; Foto: © Museu Nacional d’Art de Ca-

hann Lauterbach, Enchiridion Veteris Et Novi Testamenti,

talunya, Barcelona 2015, Jordi Calveras

Avtore Iohanne Lavterbachio, Poeta Coronato, Lib. VI. compraehensum, Frankfurt am Main 1573; Foto: © Baye-

Abb. 8: François Spierre nach Ciro Ferri, Minerva, Kup-

rische Staatsbibliothek München, Res/B.metr. 301, fol. t2

ferstich, 27,7 x 19 cm, Wien, Albertina, Römische DG Alte

verso

Aufstellung 67, DG 92031; Foto: © Albertina, Peter Ertl

Abb. 2: Johann Sadeler nach Christoph Schwarz, Christus

Abb. 9: Antonio Grano zugeschrieben, David und Abigajil,

vor Hannas, Kupferstich, 43,6 x 28 cm, Wien, Albertina,

Feder laviert, 30,9 x 23 cm, verschollen (Abbildung aus

Deutsche Schule Sektion II. 6a, S. 3; Foto: © Albertina, Pe-

Wien 1927, o. S.); © Auktionshaus Nebehay; Foto: Alber-

ter Ertl

tina, Peter Ertl

Abb. 3: Peter Paul Rubens, Bildnis eines bärtigen Man-

Abb. 10: Domenico Maria Fratta, Josef wird der Silberbe-

nes, schwarze, gelbe, weiße Kreide, Rötel, 31,8 x 24,7 cm,

cher gezeigt, den man im Sack Benjamins gefunden hat,

Wien, Albertina, Inv.-Nr. 8265; Foto: © Albertina, Peter Ertl

Feder in Braun, braun und grau laviert, 34,3 x 47,7 cm, Mailand, Pinacoteca di Brera, Inv.-Nr. 601; Su concessio-

Abb. 4: Nach Philips Wouwerman, Rastende Jäger, Feder

ne del Ministero dei Beni e della Attività Culturali e del

in Braun, grau laviert, 13 x 17,6 cm, Wien, Albertina, Inv.-

Turismo – SBSAE di Milano

Nr. 9374; Foto: © Albertina, Peter Ertl Abb. 11: François Perrier nach Simon Vouet, Die HimmelAbb. 5: Nicolaes Berchem, Bergige Landschaft mit zwei

fahrt des Hl. Antonius, Radierung, 40,4 x 23,8 cm, Wien,

Hirten, einer Hirtin und Vieh, Öl auf Leinwand, 24,2 x 31,6

Albertina, HB 97, fol. 66, Nr. 71; Foto: © Albertina, Peter

cm, Royal Collection, Buckingham Palace, London, Inv.-

Ertl

Nr. RCIN 405218; Foto: © Royal Collection Trust/© Her Majesty Queen Elizabeth II 2015 Abb. 6a: Agostino Carracci, Der Apostel Jacobus Minor, Kupferstich, 10,8 x 6,4 cm, Wien, Albertina, HB 36(2), blaue Nummer 225; Foto: © Albertina, Peter Ertl Abb. 6b: Agostino Carracci, Der Apostel Thomas, Kupferstich, 10,8 x 6,4 cm, Wien, Albertina, HB 36(2), blaue Nummer 226; Foto: © Albertina, Peter Ertl Abb. 6c: Agostino Carracci, Die Muttergottes, Kupferstich, 11,1 x 6,5 cm, Wien, Albertina, HB 36(2), blaue Nummer, 218; Foto: © Albertina, Peter Ertl

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CHRISTIANE HOFFRATH

BÜCHERSPUREN DAS SCHICKSAL VON ELISE UND HELENE RICHTER UND IHRER BIBLIOTHEK IM »DRITTEN REICH«

Zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts eroberten sich Elise und Helene Richter einen Platz in der akademischen und kulturellen Welt Wiens. An ihrem Lebensabend konnten sie auf eine erfolgreiche Karriere als Wissenschaftlerinnen und Publizistinnen zurückblicken. Mit dem Anschluss Österreichs an das »Deutsche Reich« 1938 waren Elise Richter, die erste Universitätsprofessorin Österreichs, und Helene Richter, die Anglistin und Theaterhistorikerin, als Jüdinnen den Verfolgungen der Nationalsozialisten ausgesetzt. Am Ende blieb ihnen nur noch ihre umfangreiche, bedeutende Privatbibliothek. Sie verkauften ihre Bücher in der Hoffnung, damit die fälligen Judenabgaben bezahlen zu können und der drohenden Deportation zu entgehen. Das Buch schildert den Lebensweg der Schwestern, der 1943 in Theresienstadt endete. Zugleich geht es der Frage nach, wie es dazu kam, dass sie den größten Teil ihrer Bücher 1941 an die tausend Kilometer entfernte Universitäts- und Stadtbibliothek Köln veräußerten. Detektivische Kleinarbeit und die Suche nach Spuren in tausenden von Büchern der größten Bibliothek Nordrhein-Westfalens waren nötig, um die Geschichte der Schwestern und ihrer Bibliothek schreiben zu können. Christiane Hoffrath ist als Diplom-Bibliothekarin an der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln für die NSProvenienzforschung zuständig. 2010. 2., DURCHGESEHENE UND ERGÄNZTE AUFLAGE. 225 S. 14 S/W-ABB. AUF 8 TAF. GB. 155 X 230 MM. € 39,90 [D] | € 41,10 [A] ISBN 978-3-412-20651-2

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SCHRIFTENREIHE DER KOMMISSION FÜR PROVENIENZFORSCHUNG HERAUSGEGEBEN VON: EVA BLIMLINGER UND HEINZ SCHÖDL

Die Diskussion um Arisierung und Rückstellung wurde in Österreich unter anderem durch die Beschlagnahme zweier Bilder von Egon Schiele aus der Stiftung Leopold in New York ausgelöst. Aus diesem Anlass wurde im März 1998 die Kommission für Provenienzforschung eingerichtet und im Dezember desselben Jahres das Kunstrückgabegesetz beschlossen. Die Kommission erforscht systematisch die Provenienzen in den Sammlungen des Bundes und legt dem Kunstrückgabebeirat Dossiers zur Entscheidung für oder gegen eine Rückgabe an die ehemaligen Eigentümer_innen vor. Die Schriftenreihe wurde im Jahr 2009 begründet, um darüber hinaus gehende Forschungsergebnisse einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. EINE AUSWAHL SONDERBAND ACHIM GNANN, HEINZ SCHÖDL (HG.) SPURENSUCHE DIE SAMMLUNG ARTHUR FELDMANN UND DIE ALBERTINA 2015. 126 S. 20 S/W- UND 30 FARB. ABB. GB. MIT SU € 30,00 | ISBN 978-3-205-20098-7

BAND 6 PIA SCHÖLNBERGER, SABINE LOITFELLNER (HG.) BERGUNG VON KULTURGUT IM NATIONALSOZIALISMUS MYTHEN – HINTERGRÜNDE – AUSWIRKUNGEN 2015. CA. 380 S. CA. 35 S/W- UND 25 FARB. ABB. GB. MIT SU CA. € 40,00 | ISBN 978-3-205-20093-2

BAND 5 EVA BLIMLINGER, HEINZ SCHÖDL (HG.) DIE PRAXIS DES SAMMELNS PERSONEN UND INSTITUTIONEN IM FOKUS DER PROVENIENZFORSCHUNG 2014. 417 S. 35 S/W- UND 25 FARB. ABB. GB. MIT SU € 39,00 | ISBN 978-3-205-79601-5

BAND 4 SUSANNE HEHENBERGER, MONIKA LÖSCHER (HG.) DIE VERKAUFTE MALKUNST JAN VERMEERS GEMÄLDE IM 20. JAHRHUNDERT 2013. 339 S. ZAHLR. S/W- UND FARB. ABB. GB.MIT SU € 39,00 | ISBN 978-3-205-78816-4

BAND 3 EVA BLIMLINGER, MONIKA MAYER (HG.) KUNST SAMMELN, KUNST HANDELN BEITRÄGE DES INTERNATIONALEN SYMPOSIUMS IN WIEN 2012. 324 S. 30 S/W- UND FARB. ABB. GB MIT SU € 39,00 | ISBN 978-3-205-78753-2 BAND 2 CHRISTINA GSCHIEL, ULRIKE NIMETH, LEONHARD WEIDINGER (HG.) SCHNEIDERN UND SAMMELN DIE WIENER FAMILIE ROTHBERGER 2010. 333 S. ZAHLR. S/W- UND FARB. ABB., 1 CD-ROM. GB MIT SU | € 35,00 | ISBN 978-3-205-78414-2

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