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German Pages 439 [440] Year 1961
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Das Wcrdcn dcs Wcrkes/i Verlay
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Berlin 1961
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Copyright 1961 by Walter de Gruyter & Co., Berlin W 30. — Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vom Verlag vorbehalten. — Printed in Germ a n y . — Archiv-Nr. 13 42 61. — Satz: Walter de Gruyter & Co., Berlin W 30. — D r u c k ; Paul F u n k , Berlin W 30. — Ausstattung: Johannes Boehland.
INHALTSVERZEICHNIS D R I T T E S BUCH
DAS
WERDEN
DES
WERKES
Neunter Abschnitt DER VERLAG 44. KAPITEL: DAS UNTERNEHMEN IM GANZEN Die Besonderheiten und Sonderanforderungen des Zeitungs- und Zeitschriftenverlags S. 3—7 — Der Dualismus in der Leitung des Unternehmens : Herausgabe und Verlag, die Notwendigkeit ihrer Unterscheidung S. 7-19 — Vereinigung und Trennung der Funktionen im periodikalischen Unternehmen S. 19—23 —• Die Kategorien der Unternehmer S. 23-25 — Die Typen der Unternehmungen nach dem Erwerbszweck S. 25-32 — Die allgemeinen Bedingungen der Gründung und des Gedeihens der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage S. 32-42
3—41
45. KAPITEL: DER STANDORT Die Gründe der Standortsbestimmung, insbesondere Material- und Konsumorientierung S. 42—48 — Verschiedene Standorte der einzelnen Funktionen des Unternehmens (,,Kopfblätter' 1 , „Nebenausgaben" und „Kopflose", „Vordruck-Zeitungen") S. 48-55 — „Der Standort im engeren Sinn" S. 55-56
42—56
46. KAPITEL: DIE UNTERNEHMUNGSFORMEN Die wichtigsten Bestimmungsgründe für die Wahl der Unternehmungsform S. 56-58 — Die Einzelunternehmung S. 58-59 — Die offene Handelsgesellschaft S. 59-60 — Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung S. 60-63 — Die Kommanditgesellschaft und Kommanditgesellschaft auf Aktien S. 63-65 — Die Aktiengesellschaft S. 65-78 — Die Genossenschaft S. 78-80 — Die „Korporation" S. 80-81 — Der Ausschluß der anonymen Kapitalgesellschaften S. 81-83
56—83
47. KAPITEL: DIE FINANZIERUNG Die Besonderheiten der Finanzierung von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen S. 83-89 — Die den Finanzbedarf bestimmenden Umstände S. 89-91 — Selbst- und Kreditfinanzierung S. 91-97 — Schenkungen, Bestechungen, Erpressungen S. 97-99 48. KAPITEL: DER FIRMENNAME
83—99
99—101
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INHALTSVEE ZEICHNIS
49. KAPITEL: DIE STRUKTUR DER UNTERNEHMUNGEN . . . . Die Typen der Unternehmungen nach Funktionen und Produkten S. 101-103 — Die Hauptabteilungen der wirtschaftlich-technischen Unternehmung: 1. Der Verlag S. 104-110 — 2. Die Druckerei S. 111-115 — 3. Die Spedition S. 115-125 — Schema der Gliederung eines reinen Zeitungsunternehmens S. 125-127 — Innerbetriebliche Dezentralisation und Konzentration S. 127—136 — Konzern und Trust S. 136-139 — Motive, Vorteile und Gefahren der Konzernbildung S. 139-146 — Kartelle S. 146-148 — Gemeinschaftsuntemehmungen S. 148—150
Seite 101—150
50. KAPITEL: DIE HAUPTFUNKTIONEN DES VERLAGS . . . . Die fünf Hauptfunktionen S. 150-151 — Die beiden Grundgesetze verlegerischen Handelns S. 151—154
150—154
51. KAPITEL: VORBEMERKUNGEN ZU DEN VERLAGSEINNAHMEN Die beiden Haupteinnahmequellen des Verlags S. 154-155— Reguläre und irreguläre Einnahmen S. 155-158 52. KAPITEL: DIE EINNAHMEN AUS DEM VERKAUF Die Auflagearten S. 158—161 — Anhang: Die Auflagenstatistik S. 161—163 — Die Zunahme und das Schwanken der Auflagen S. 163—166 — Abonnement und Einzelverkauf S. 166—172 — Sinken der Verkaufspreise S. 172—175 — Vor- und Nachteile des Abonnements und des Einzelverkaufs S. 175—181
154—158
53. KAPITEL: DIE EINNAHMEN AUS DEN ANZEIGEN Der „Anzeigenmarkt" und seine geschichtliche Entwicklung S. 181-188 — Die zunehmende Ausnützung der Anzeigen (Steigen der Anzeigenpreise) S. 188—201— Die „Reklame" im periodikalischtechnischen Sinn S. 201-207 — Die allgemeinen Bedingungen des Anzeigenmarktes S. 207—212 — Die Schwankungen des Inseratenmarktes S. 212—214— Die Verteilung der Anzeigen auf die einzelnen Zeitungs- und Zeitschriftentypen S. 214-221 — Das Publikum der Inserenten S. 221—225 — Das Verhältnis der Inserenten zum Verlag, das Wesen des Anzeigengeschäfts S. 225—230 — Das Anzeigengeschäft ein Geschäft des Verlags S. 230—231 — Die Anzeigenwerbung S. 231-233 — Die Verpachtung des Inseratenteils S. 234-238 — Die Unübersichtlichkeit des Anzeigenmarktes für die Inserenten S. 238—244 — Bedingungen für den Erfolg der Anzeigen S. 244-258 — Wirksamkeit und Bedeutung des Anzeigenmarktes S. 258-266 — Schwindel und Schmutz im Anzeigenwesen S. 266-270 — Die Gefahren des Anzeigengeschäfts für den Text S. 270-272 — Die Verstaatlichung oder Kommunalisierung des Anzeigenwesens S. 272-281 54. K a p i t e l : DAS VERHÄLTNIS DER VERKAUFS- UND DER ANZEIGENEINNAHMEN Die Differenziertheit des Verhältnisses der beiden Einnahmen S. 281-283 — Nationale Grundübereinstimmungen S. 283-286 —
181—281
158—181
281—289
INHALTSVERZEICHNIS
Steigender Anteil der Anzeigenquote an S. 286-289
den Gesamteinnahmen
55. KAPITEL: DIE IRREGULÄREN EINNAHMEN Die Ablehnung irregulärer Einnahmen S. 289-291 — Notwendigkeit unterschiedlicher Beurteilung S. 291-293 56. KAPITEL: DIE AUSGABEN
Die Gliederung der Ausgaben S. 293—297 — Die redaktionellen Ausgaben S. 297-300 — Die Eigenwerbung S. 300-307 — Die Ausgaben für das kaufmännische und technische Personal S. 307-309 — Die Papierkosten S. 309-311 — Die Kosten des Eigenvertriebs S. 311—312 — Das moderne Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen im allgemeinen ein kapitalintensives, materialbedingtes Unternehmen S. 312—314 — Die konstanten (fixen) und die variabeln (proportionalen) Kosten S. 314-321 — Das „Gesetz der Massenproduktion" S. 321-327
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Seite
289—293
293—327
57. KAPITEL: DIE WIRTSCHAFTSFÜHRUNG DES VERLAGS . . . Grundlage der Wirtschaftsführung: die Auflage S. 327-331 — Die allgemeinen Grundsätze der Preispolitik S. 331—335 — Das Sparen S. 335-339 — Die Preiskalkulation (Kosten- und Kundengrenze) S. 339-347 — Die Preispolitik höheren Grades S. 347-354
327—354
58. KAPITEL: DIE RENTABILITÄT DES VERLAGS Die Bedingungen der Rentabilität S. 354-362 — Mittel des Risikoausgleichs S. 362—366 — Das „Monopol" im Zeitungs- und Zeitschriftenwesen S. 366—375 — Die guten Chancen des Zeitungs- und Zeitschriftenverlags S. 375—391
354—391
59. KAPITEL: DER V E R L E G E R
391—427
Die Typen der Verleger S. 391—395 — Die Spannweite der verlegerischen Aufgaben S. 395-407 — Die geistigen Anforderungen an den Verleger S. 407-416 — Die Vorbildung des Verlegers S. 416-417 — Die Verlegerorganisationen S. 417—420 — Die Stellung des Verlegers in der Öffentlichkeit S. 420-422 — Der Anspruch der Verleger auf die Herausgabe S. 422-427 LITERATUR UND ANMERKUNGEN
429—432
DRITTES
BUCH
DAS WERDEN DES WERKES
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Groth, Kulturmacht
N E U N T E R ABSCHNITT
DER VERLAG* Vierundvierzigstes Kapitel DAS U N T E R N E H M E N I M GANZEN Von den Zwecken, die der Mensch mit seinem Werk erreichen will, von den Bedürfnissen, die es befriedigen soll, und von den Sachgegebenheiten des Wesens und der Materialisation des Werkes, also von der Erfüllung subjektiver und objektiver Anforderungen, hängen Produktion und Konsumtion des Werkes ab — Einheit von Mensch und Werk, „objektivierter Geist". Diesen Anforderungen hat das Unternehmen Rechnung zu tragen; in diesem Sinne bestimmt das Produkt das Unternehmen geistig, wirtschaftlich und technisch, schreibt ihm Standort und Leitung, Gründung und Finanzierung, Aufbau und Einrichtung, Produktionsmethoden und Vertriebsformen vor. Das gilt für jedes Unternehmen, mag es zum Gegenstand ein primitives Handwerkszeug oder eine komplizierte Maschine haben, m a g es ein Gut selbst produzieren oder lediglich dessen Verteilung an die Konsumenten besorgen, mag es auf privaten Gewinn abzielen oder einem allgemeinen Interesse dienen. Wesen des Kulturgutes Periodikum ist, wie wir zeigten, die fortlaufende Vermittlung von geistigen (Ideal-) Gütern, Tatsachenmitteilungen, Urteilen und Erdichtungen, die in die jeweils gegenwärtigen Gegenwelten ihres Publikums fallen. Danach sind alle von den Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmungen zu vermittelnden Güter „Zeitgüter 1', Güter, die zu einem mehr oder weniger festen Termin „ f ä l l i g " werden, zur Vermittlung bereit stehen müssen; von den Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmungen gilt also das, was GOTTL-OTTLILIENFELD1 von der Wirtschaftsführung überhaupt sagt, in ganz besonderer Steigerung, daß nämlich ihre Führung auf „Zeitkunst" hin* Herr Generaldirektor Hans Dürrmeier, Süddeutscher Verlag, erklärte sich trotz seiner Arbeitsbelastung auf mein Ersuchen dazu bereit, diesen Band, dessen T h e m a ja meiner journalistischen Praxis ferner liegt, einer gründlichen Durchsicht zu unterziehen. Ich möchte ihm, einer praktisch vielerfahrenen und theoretisch geschulten Autorität, für seine aufopfernden Bemühungen und die wertvollen Anregungen, die ich von ihm erhielt, auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank sagen. Der Verfasser 1*
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DER VERLAG
ausläuft. Diese Zeitkunst m u ß sich auf ein Doppeltes richten. Einmal m u ß sie f ü r eine fortlaufende Beschaffung der Güter sorgen, und zwar in den Perioden, die f ü r das Erscheinen des Periodikums vorgesehen sind; bei der Zeitung sind es im allgemeinen gleiche Perioden, während darin den Zeitschriften vielfach ein größerer oder geringerer Spielraum gelassen ist. Aber die Wallrung der vorgesehenen Perioden als solcher genügt nicht. Die journalistische „Zeitkunst" verlangt mehr. Sie m u ß zum zweiten mit größtem Eifer danach trachten, daß innerhalb der Perioden auch den Anforderungen der Aktualität voll Rechnung getragen wird. Vor allem f ü r die Zeitungsunternehmungen werden Raschheit und Pünktlichkeit in der Herstellung, Bereitstellung und Zustellung möglichst gegenwartsnaher, wenn nicht mit der unmittelbaren Gegenwart gleichzeitiger Güter dringendste Erfordernisse. Je nach der Natur der Güter, je nach dem Grad ihrer Vergänglichkeit, ihrer Gegenwartsgebundenheit stuft sich bei den verschiedenen Zeitschriftentypen die Dringlichkeit ab. Sodann verlangt das Wesen des Periodikums von seinen Unternehmungen Vielseitigkeit und Vollständigkeit der Vermittlung, Ansprüche, die gleichfalls am dringlichsten an die Zeitungsunternehmungen gestellt werden, sich bei diesen bis zur Forderung der Allseitigkeit steigern. In den Wesenseigenschaften der Aktualität und Universalität (Selektivität) ist ferner die Unstetigkeit der Güterbeschaffung und Gütervermittlung begründet: Die jeweilige Gegenwart liefert stark in ihrem Umfang, in ihrer Dringlichkeit und Wichtigkeit wechselnde Stoffmengen, und die Zeitungsund Zeitschriftenunternehmungen müssen sich dem anpassen, müssen f ü r rascheste, pünktlichste Erfassung und Bewältigung auch des stärksten Stoffandrangs der verlangten Güter gerüstet sein. Eine weitere Konsequenz der Termingebundenheit und damit der Vergänglichkeit, der „Leichtverderblichkeit", vor allem der Zeitungsgüter, ist, daß sich —- im Gegensatz zum Buch- u n d Kunstverlag — ihre Vermittler von ihnen kein Lager halten und daß sie nicht auf Vorrat hergestellt werden können. Die Spekulation auf Zeit ist, was die fertige Ware selbst angeht, im Zeitungs- und Zeitschriftengewerbe gänzlich ausgeschlossen, ein Disponieren nach Saison und Konjunktur ist in i h m n u r in beschränktem Umfange möglich. Waren dabei f r ü h e r dem Zeitungsunternehmen immerhin noch Fristen von Wochen gegeben, so ist heute die einzelne Zeitungsnummer ein Eintagsgut und oft nicht einmal das, ihr Wert erlischt, sie ist Makulatur in wenigen Stunden. Daraus folgt, daß der Vermittler annähernd des Umfanges der Nachfrage sicher sein m u ß , das heißt er produziert oder beschafft sich die Ware n u r in einer Höhe der „Auflage", mit deren Absatz er entweder auf Grund von Bestellungen im voraus oder nach seinen bisherigen Verkaufserfahrungen und der Gegenwarts-
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bedeutung der Güter mit größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit rechnen kann. Zeitungen und Zeitschriften werden täglich, monatlich gekauft; der Bedarf an den geistigen Gütern des Periodikums — auch das ergibt sich aus ihrem Gegenwartscharakter —- kehrt für weitaus die Überzahl der Periodika ständig wieder. Aber auch bei diesen ist er doch nur von einer relativen Stetigkeit. Er zeigt je nach der momentanen Wichtigkeit des Inhalts und dem Interesse, das das Publikum dem Geschehen entgegenbringt, auch je nach besonderen Umständen, etwa den Witterungsverhältnissen, oft recht beträchtliche Schwankungen, die scharf im Einzelverkauf hervortreten. Die Differenzen, die dabei von einem Tag zum anderen entstehen, können, wie die Schwankungen der Verkaufsziffern der großen Londoner, Pariser, New-Yorker Zeitungen zeigen, in die Hunderttausende, ja Millionen gehen, sich bis zum Doppelten der Auflage des Vortages steigern (Der Londoner „Daily Mirror" erzielte mit seiner Ausgabe vom 3. Juni 1953, die über die Krönung der Königin Elisabeth II. berichtete, den Rekordabsatz von rund 7 Millionen Exemplaren gegen die sonstige durchschnittliche Tagesauflage von 4,5 Millionen Exemplaren). Regelmäßige Unterschiede bestehen auch zwischen dem Absatz der Sonntags- und dem der Werktagsausgaben. Bei den deutschen Zeitungen, die größtenteils auf dem Abonnement gründen, fallen die Unterschiede noch nicht so sehr ins Gewicht, es handelt sich auch bei recht ansehnlicher Auflage um einen Mehrverkauf von einigen Tausend, höchstens wenigen Zehntausend ein den Sonntagen. Bei einigen Wiener Zeitungen steigen die Differenzen mitunter schon in die Zehntausende, sogar bis zu Hunderttausend, auch hohe Auflagen verdoppeln sich ein den Sonntagen, und in den Ländern mit starkem oder überwiegendem Einzelverkauf, wo von den großen Zeitungen selbständige Sonntagsausgaben veranstaltet werden, übertreffen die Auflagen dieser Sonntagsausgaben der verbreitetsten Blätter in den Riesenstädten die der Werktagsausgaben ebenfalls um viele Hunderttausende, relativ nicht nur um das Doppelte, sondern um das Drei-, ja unter Umständen um das Vierfache. Sind diese Schwankungen von Tag zu Tag oder von Werk- zu Sonntagen weitaus am stärksten bei den Einzelverkaufszeitungen, so treten regelmäßige jahreszeitliche Auflagenschwankungen kräftig auch bei einem Teil der Abonnementszeitungen auf. Diese Schwankungen, die je nach dem Publikum der Zeitungen einen recht verschiedenen Grad erreichen, deren regelmäßiger Verlauf, wiederum besonders bei Einzelverkaufszeitungen, durch besondere Ereignisse nicht unerheblich abgelenkt werden kann, weisen ihren Tiefstand gewöhnlich im Juli, ihren Höchststand im Dezember auf. Ähnliche jahreszeitliche Absatzschwankungen beträchtlichen Umfangs finden sich ferner bei einigen vornehmlich im Straßenverkauf vertriebenen Zeitschriftentypen,
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D E R VERLAG
wie den illustrierten Wochenblättern, den Funk- und Filmzeitschriften. Die Sommerauf lagen fallen hier u m viele Zehntausende von Exemplaren, u m 25, 50 und m e h r Prozent der Winterauf lagen. Diese Abnahmen sind bei Zeitungen und Zeitschriften, die vorwiegend von einer ländlichen Bevölkerung gelesen werden, durch deren strenge Beschäftigung mit den Erntearbeiten, bei Zeitungen und Zeitschriften, die in der Hauptsache ein städtisches Publikum haben, durch dessen Urlaubsaufenthalte und Erholungsreisen in den Sommermonaten bedingt. Neben dem sich lediglich in der Höhe der Auflage auswirkenden Saisonbedarf gibt es auch einen — mein könnte sagen ,,echten'' — Saisonbedarf, von dem das Erscheinen einiger Zeitschriftentypen überhaupt abhängt. Dahin gehören z. B. Zeitschriften f ü r „Saisonarbeiter'', f ü r Arbeiterkategorien, die n u r zu einer bestimmten Zeit, bei einer bestimmten Kampagne (Hopfenzupfen usw.) beschäftigt werden, oder jene Zeitschriften f ü r die Modefachleute, die n u r im Frühjahr und Herbst, den Modekampagnezeiten, ausgegeben werden. Ferner — wir sprechen von der europäisch-amerikanischen Presse — ist im Zusammenhang mit den Schwankungen des Lesebedarfs auch der Inseratenanfall in einem nicht unerheblichen Umfang saisonbedingt: Er ist am stärksten im Winter, vor allem gegen die Weihnachtszeit zu, hebt sich an den sonstigen hohen Festtagen und sinkt am tiefsten in den Sommermonaten, er steigt bei den Zeitungen regelmäßig gegen Ende eines jeden Monats nicht unerheblich an, und er ist a m Anfang der Woche schwächer als ein deren Ende (Samstag). Der Bedarf ein den geistigen Gütern der Periodika ist nicht n u r zeitlich variabel, er ist auch regional u n d sozial differenziert. Davon sprachen wir eingehend bei der Untersuchung der Publizität der Zeitungen u n d der Zeitschriften. Dort sahen wir, daß auch diese Differenzierung in der Aktualität und Universalität der Zeitungen oder gewisser Zeitschriftentypen gründet. U m diese beiden Wesenseinforderungen der Zeitung u n d einiger Zeitschriftentypen zu erfüllen, sahen u n d sehen sich die Unternehmungen zu regionalen und sozialen (völkischen, intellektuellen, wirtschaftlichen, beruflichen, politischen, religiösen) Begrenzungen genötigt. Auf der Seite des Publikums die Verschiedenheit der geistigen Bedürfnisse, der Aufnahmefähigkeit und Aufnahmewilligkeit, wie sie etwa aus der Verschiedenheit in Sprache, Bildung und Interesse erwächst, auf der Seite des Stoffes die zunehmende Fülle, Vielgestaltigkeit und Reichweite des Seins und Geschehens, das in die Gegenwelten des heutigen Publikums fällt, zwingen die Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmungen von vornherein und dauernd zu Einschränkungen ihrer Vermittlung. Das trifft sogar, wenn auch damals noch kaum entwickelt, auf die Frühzeit des Zeitungswesens, erst recht auf das Zeitschriftenwesen zu. Auch die Zeitungen des 17. Jahrhunderts, die, weitgehend uniform, fast n u r
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Nachrichten von allgemeinem Interesse vermittelten, waren —• von der Höhe ihrer Preise abgesehen — an bestimmte Grenzen geistigen Verständnisses, und wenn es nur das der Sprache war, gebunden. In der heutigen vielgegliederten Kulturgesellschaft aber muß sich jede Unternehmung eines Periodikums Schranken setzen, jede kann sich immer nur einen Ausschnitt vornehmen, immer muß sie planmäßig ein regional oder sozial bestimmtes Publikum ins Auge fassen und nach dessen geistigen Bedürfnissen Quantität und Qualität des Inhalts des Periodikums bemessen. So dezentralisiert sich und spezialisiert sich das Zeitungs- und Zeitschriftengewerbe; seine Unternehmungen können für jedes seiner Produkte immer nur auf einen irgendwie von vornherein beschränkten Absatz rechnen, dem die Ware bald mehr bald weniger rasch zugeführt werden muß. Das sind die Grundanforderungen, die das Wesen des Periodikums, die Geistigkeit seiner Güter und seine vier Merkmale, an die Unternehmungen stellt; auf sie müssen sich alle Unternehmungen einrichten, die es unmittelbar oder mittelbar mit dem Periodikum zu tun haben, ihre Diktate lassen sich in einer jeden bis ins einzelne verfolgen. Und dazu kommen die Anforderungen der Materialisation an Produktion und Vermittlung, Vertrieb und Konsumtion des Periodikums. Als Sinn des Periodikums erkannten wir die Vermittlung. Lediglich die Vermittlung — im Rahmen der Gründungsidee — ist also zunächst Ziel und Aufgabe jedes Zeitungs- oder Zeitschriftenunternehmens, und sie birgt notwendig einen Dualismus der Leistung und Leitung in sich, mag dieser auch in vielen Fällen nur rudimentär eingelegt sein oder in der Brust eines einzigen ausgetragen werden müssen. Die Vermittlung eines jeden Periodikums verlangt ein Doppeltes: nämlich erstens die vermittlungsreife Beschaffung der geistigen Güter, einschließlich der Zurüstung zum geistigen Empfang durch das Publikum, der , ¡Herausgabe'', zweitens die wirtschaftliche Vorbereitung und Sicherung dieser Herausgabe und die Zugänglichmachung, die öffentliche Bereitlegung des herausgegebenen geistigen Ganzen, den ,, Verlag" des Werks (Ver = fort, hinweg bis zum Ende, bis zum vorgesteckten Ziele; verlegen bedeutet demgemäß ursprünglich das Auslegen im wörtlichen Sinne, das Hinlegen an einen bestimmten Ort, dann auch das Auslegen im wirtschaftlichen Sinne). Zwischen beiden ist also zu unterscheiden (vgl. Bd. I, S. 569f.). Jene ist die Spitze des Gesamtunternehmens, dieser das Fundament. Der Herausgabe obliegt die Bestimmung des geistigen Produkts, dem Verlag die Bestimmung der wirtschaftlichen Produktion und Verbreitung. Die herausgeberische Tätigkeit richtet sich auf das Werk, ist also zuerst eine geistige, die verlegerische Tätigkeit richtet sich auf den wirtschaftlichen, gegebenenfalls auch auf den technischen Betrieb, ist also zuerst eine geschäftliche.
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Grundsätzlich stammen Programm und Planung des Werkes aus dem Geist des Herausgebers und werden fortdauernd durch ihn und seine Initiative realisiert. Er ist es, der die geistigen Richtlinien für das Periodikum zu entwerfen und ihre Innehaltung zu überwachen hat. Entscheidungen, die der Herausgeber zu treffen hat, sind also immer Entscheidungen, die im Hinblick auf das Periodikum als ein geistiges Produkt zu treffen sind, auch wenn es sich u m wirtschaftliche Entscheidungen handelt. Diese wirtschaftlichen Entscheidungen ergeben sich aus seiner Verpflichtung der Herausgabe des geistigen Werks zur Materialisation. Seine leitende Tätigkeit hat deshalb nicht ihre Grenze in der Bestimmung des Textes — diese ist im einzelnen Sache der Redaktion — , sondern sie schließt auch die Sorge u m die gesicherte Aufnahme und den Fortgang der Lieferung und Verbreitung des Werks in sich. Hier greifen die Aufgaben von Herausgeber und Verleger ineinander. Der Machtbereich des Herausgebers umspannt notwendigerweise das Geistige und das Wirtschaftliche des Unternehmens. Er muß die Ansprüche des Werkes mit den Bedingungen und Möglichkeiten der wirtschaftlichen Unternehmung in Einklang bringen, sie miteinander ausbalancieren. D a r u m trägt er auch die Verantwortung für das Ganze. Wie immer er sich entscheidet, m a g er die ideellen Forderungen des Werks oder die geschäftlichen Interessen der Unternehmung voranstellen, immer hat er nach innen und außen für jede dieser Entscheidungen die Haftung mit zu übernehmen. Dabei ist es psychologisch wohl verständlich, daß der Herausgeber, der in einer geistigen Denkweise, etwa weil er vom Journalismus herkommt, an sein Amt herantritt, regelmäßig geneigt sein wird, die ideellen Forderungen des Werks wärmer zu würdigen als der Herausgeber, der gleichzeitig Verleger, im geschäftlichen Denken geschult und mit den Sorgen u m das wirtschaftliche Gedeihen des Unternehmens belastet ist. Zur Sicherung des Ausgleichs und zur Verhütung von Konflikten müssen daher in den einzelnen Unternehmungen bei mehrköpfiger Oberleitung Abgrenzungen der Machtbereiche getroffen werden, die teils von der Unternehmungsform abhängen, teils aber auch von dem persönlichen (wirtschaftlichen oder geistigen) Einfluß in der Unternehmung bestimmt werden. Man sieht, daß sich die Machtbereiche des Herausgebers und des Verlegers innigst berühren, ihre Rechte und Pflichten aufs engste zusammenhängen, ihre Funktionen ineinandergreifen. Aber trotzdem müssen Herausgeberschaft und Verlag scharf auseinandergehalten, ihre Begriffe klargestellt werden, nicht bloß der theoretischen Erkenntnis, sondern auch der großen praktischen Bedeutung wegen. Das lehrt uns zunächst die geschichtliche Entwicklung, die in der deutschen Presse im allgemeinen folgendermaßen verlief:
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In der Frühzeit des Zeitungswesens konnte von einer tatsächlichen Trennung und des Verlags keine Rede sein, ja nicht einmal von der Herausgeberschaft einer Personalunion der beiden Ämter dürfte mein sprechen. Die älteste Zeitung kennt weder einen Verleger noch einen Herausgeber in klarer Ausprägung, und sie weiß daher auch nichts von ihren besonderen Funktionen. In den damaligen primitiven technischen, geschäftlichen und Stoffliehen Verhältnissen, wo ja auch Satz, Druck, Geschäft in einer Hemd vereinigt waren, lagen in weitaus der Mehrzahl der Fälle die beiden Funktionen noch ungeschieden in der Person eines Buchdruckers, Buchhändlers, Postmeisters oder sonstigen Geschäftsmannes beisammen oder richtiger, der „Herausgeber", wie der Redakteur, existierte nur ganz rudimentär. Die Leistung der Zentrale für die geistige Gestaltung der Zeitung war noch viel zu geringfügig, als daß sich für sie eine Herausgeberschaft mit Redaktion hätte herausbilden können. Weder war der Zeitung eine bestimmte „Haltung", die Vertretung einer „Überzeugung" gestattet, noch mußte eine Auswahl aus drängender Fülle des Materials getroffen werden, noch wurde im allgemeinen an den Korrespondenzen eine inhaltliche oder stilistische Bearbeitung vorgenommen — es blieben z. B. fast in allen Korrespondenzen die mundartlichen Eigentümlichkeiten ihres Herkunftsortes unverändert stehen—•, noch bestand das Bedürfnis nach einer sachlichen oder psychologischen Gliederung und Aufmachung des Stoffes. Erst die folgenschwere Umwälzung, die seit Beginn des 18. Jahrhunderts die Aufklärung in den Stoff der Zeitungen brachte, nahm eine erste Loslösung der Herausgabe vor mit der Bestellung des nunmehr für die geistig selbständigeren Zeitungen unentbehrlich werdenden Redakteurs (im Nebenamt). Indem die Zeitungsverleger diese von den neuen höheren Ansprüchen an die Zeitung geforderte Arbeitsteilung trafen, begaben sie sich selbst der Alleinherrschaft über das Produkt ihrer Unternehmung, vertrauten das Werk, dessen Anforderungen ihre geistigen Fähigkeiten und betrieblichen Aufgaben zu übersteigen begannen, wissenschaftlich gebildeten Persönlichkeiten an und legten so den Grund zu jener Spaltung in die Aufgaben der Redaktion und des Verlags und damit zu einem Gegensatz, der schon in den ersten Dezennien des 19. Jahrhunderts, wenn auch noch vereinzelt, offen zutage trat und seitdem das wichtigste, das Kernproblem aller Zeitungspolitik bildet. Vorgänger und Vorbild dieser ersten Teilung der Gewalten waren die (Gelehrten-) Zeitschriften. Im Gegensatz zu der Zeitung hatten die Leitung der jungen Zeitschrift von vornherein gelehrte oder literarische Persönlichkeiten, die, zum Teil unterstützt von einigen Mitarbeitern, um sich einen Kreis besonders interessierter Leser scharten. Während also die ältesten Zeitungen durch ihre
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DER VERLAG
Buchdrucker, Buchhändler und Postmeister repräsentiert wurden, beruhten Gedeihen und Erfolg der Zeitschriften des 17. und 18. Jahrhunderts auf ihren „Herausgebern". Unter dem Einfluß der tief in alle Volksschichten eindringenden Aufklärungsbewegung folgten die Zeitungsverleger dem Beispiel der Zeitschriften, nahmen sich Hochschulprofessoren, Lehrer, Beamte, Geistliche und sonstige Gebildete auch des Zeitungswesens an, und sie arbeiteten nicht nur Ein den politischen und Intelligenzblättern von außen mit, sondern führten die Redaktion und gaben selbst Zeitungen heraus. Die Herausgeberschaft (mit der Redaktion) mußte sich gegenüber der Verlegerschaft weiter verselbständigen, als nach dem literarischen das gesellschaftliche, das administrative und schließlich auch das verfassungspolitische Räsonnement in das Periodikum einzogen, dieses die Wahrung der allgemeinen — bürgerlichen — Interessen übernahm, eine Überzeugung vertrat, zum Werkzeug der Bildung öffentlicher Meinungen, der Führung öffentlicher Bestrebungen wurde. Dazu bedurfte es geistig und wirtschaftlich selbständiger, politisch geschulter, von einer bestimmten Welt- und Staatsauffassung geleiteter Persönlichkeiten. „Die neue Zielsetzung forderte den Herausgeber im Hauptamt, von dessen Staatsauffassung und publizistischer Begabung in erster Linie das moralische Ansehen und der wirtschaftliche Erfolg der Unternehmen abhingen und der damit in einer zunehmenden Zahl dieser die unbestrittene Allein- oder doch Vorherrschaft bekam". Diese Wandlung trat zuerst im Zeitschriftenwesen auf. An den öffentlichen Zuständen leidenschaftlich interessierte Persönlichkeiten, Ideenstreiter, „die Advokaten der Menschlichkeit", schufen sich eigene Zeitschriften, deren Existenz und Einfluß sich völlig ein die Namen ihrer „Herausgeber" knüpften. Bereits im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts suchten Schriftsteller als Berufspublizisten aus dem Absatz der Zeitschriften ihren Lebensunterhalt. Als die Zeitung gleichfalls das politische Räsonnement übernehmen konnte, bildete sich auch bei ihr die eigene Herausgeberschaft heraus, es entstand mit ihr die Redaktion im Hauptamt, der redaktionelle Berufsjournalismus, der, der damaligen primären Aufgabe der bedeutenderen Zeitungen entsprechend, publizistisch orientiert war. Herausgeber und Verleger wurden sowohl im Unternehmen wie in der allgemeinen Auffassung und dem Sprachgebrauch scharf auseinandergehalten, und der „Herausgeber", der Redakteur im Hauptamt, war der unbestrittene Leiter, der Repräsentant der Zeitung. Sogar hinter einem so mächtigen, geistig hochstehenden, im öffentlichen Leben einflußreichen und organisatorisch schöpferischen Verleger wie JOHANN FRIEDRICH COTTA, dem Gründer der „Allgemeinen Zeitung", verschwand nicht der Herausgeber, der Redakteur POSSELT, vielmehr gab er dem neuen Blatt das Ge-
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präge und verantwortete es vor dem öffentlichen Urteil. Und so waren auch die,, Abendblätter" das Werk KLEISTS, der „Preußische Correspondent" dasWerk NIEBUHRS, SCHLEIERMACHERS und anderer Geistesgrößen, der „Rheinische M e r k u r " das Werk von JOSEPH GÖRRES, sie und noch eine ganze Reihe waren Zeitungen, die uns in Tendenz und Leistung nichts von dem Anteil der Verleger verkünden. Dieser unbestrittenen Geltung des journalistischen Herausgebers machte der Hochkapitalismus ein Ende. Der politische Liberalismus, die Entwicklung zur Volkswirtschaft und Weltwirtschaft, der Fortschritt der Produktions-, Nachrichten- und Beförderungstechnik, die Entfaltung des Verkehrswesens, die Demokratisierung der Gesellschaft, die Ausbreitung allgemeinen Wissens und so noch manche kulturgesellschaftlichen Umwälzungen brachten dem Zeitungswesen einen ungeheuren Aufschwung. I m m e r neue Lesermassen wurden der Zeitung gewonnen, und damit erwuchsen ihrem Text neue stoffliche Aufgaben auf allen Lebensgebieten. Gleichzeitig erweiterte sich der Inseratenteil, das Geschäftsinserat, die Geschäftsreklame wurde die reichlich fließende Einnahmequelle, aus der der wirtschaftliche Eifer des Verlegers große Erträge, schließlich die Haupteinnahmen seines Unternehmens ziehen konnte. Unter jener allgemeinen Kulturentwicklung verlagerte sich auch i m Text das Schwergewicht mehr u n d m e h r vom Räsonnement zum Referat, vom Artikel zur Nachricht. Das sich stark vermehrende und sich stofflich gewaltig erweiternde Zeitungswesen zog aus allen Schichten Leute der verschiedensten Vorbildung und der mannigfachsten Befähigung an sich, die Redaktionen erweiterten sich, in der Redaktion trat an Stelle des einzelnen Publizisten ein Kollegium von Journalisten. Alle diese grundstürzenden Veränderungen m u ß t e n dem Verleger eine wachsende Bedeutung f ü r das Gesamtunternehmen und damit eine steigende Macht in ihm geben. Für die Erweiterung des Stoffes auf alle Gebiete des kulturellen Schaffens u n d sozialen Lebens, f ü r die Organisierung eines weltweiten, aktuellen Nachrichtendienstes waren Kapital und Unternehmungsgeist wichtiger als politische Überzeugung und literarische Begabung; Kapital u n d Unternehmergeist waren erforderlich f ü r die Gewinnung großer Lesermassen und f ü r die Werbung reichlicher Geschäftsanzeigen; Kapital und Unternehmergeist mußten den vielgestaltigen Vertrieb der anschwellenden Auflagen a u f b a u e n : Kapital u n d Unternehmergeist waren aber Sache des Verlegers. Der wirtschaftliche Erfolg wurde immer abhängiger von dem Aufwand u n d der Leistung des Verlegers, der wirtschaftliche Erfolg bestimmte immer mehr den Aufwand und die Leistung f ü r das Periodikum. Die Position des Verlegers verstärkte sich, die des Herausgebers wurde sieht-
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lieh schwächer; der Herausgeber als selbständiger geistiger Leiter wurde beseitigt und durch den vom Verleger angestellten, vom Verleger abhängigen ,,Chefredakteur" ersetzt. Klipp und klar wurde das einmal vom „Zeitungsverlag", dem offiziellen Organ des deutschen Verlegerverbandes, formuliert: „Der Redakteur hat ein sich gar keine Berufspflicht zur Wahrung öffentlicher Interessen, sondern der Redakteur hat die Berufspflicht, im Auftrage seines Verlegers die Zeitung oder den ihm zugewiesenen Teil zu redigieren". Die Zeitungen waren großenteils Verlegerzeitungen geworden, an deren Gründung, Ausbau und Führung sich die Neimen der Verleger knüpften, und damit verwischte sich wenigstens im Zeitungswesen die einst so klare Scheidung von Verleger und Herausgeber, und schließlich entbrannte ein Kampf um den Titel des Herausgebers zwischen Verlegern und Redakteuren, die Verleger in Deutschland beanspruchten auch den Titel für sich. Die Notwendigkeit, Herausgabe und Verlag begrifflich und praktisch klar auseinander zuheilten, ergibt sich weiter sehr beweiskräftig aus der Tatsache, daß beide Tätigkeitsgebiete nicht in einem Unternehmen vereinigt sein müssen. Es kommen insbesondere im Zeitungswesen Unternehmungen vor, die in der Hauptsache nur die Herausgabe betreiben, und solche, die sich eigentlich nur mit dem Verlag beschäftigen. Aber auch da besteht zwischen Herausgabe und Verlag niemals ein bloß äußeres Verhältnis, wie es sachlich in den Beziehungen zwischen Herstellern und Händlern materieller Massengüter meist genügt. Die Hersteller solcher Güter können im großen ganzen überallhin ihre Produkte, auf deren Herstellung die Händler keinen Einfluß haben, in gleicher Beschaffenheit und Güte liefern. Anders beim Periodikum als einem Werk aus dem Geist für den Geist. Auch bei getrennten Unternehmungen muß, wie wir zeigten, diese „Ware" nach den geistigen Bedürfnissen eines räumlich oder sozial abgegrenzten Publikums angefertigt werden, sie ist also stets bis zu einem gewissen Grade ein individuelles Produkt, nicht bloß in dem Sinne, daß sie von einer oder mehreren geistigen Persönlichkeiten geschaffen werden muß, sondern auch in dem Sinne, daß sie nur für einen bestimmten, wenn auch nicht scharf abgegrenzten Kreis von Kunden, Käufern und Inserenten, tauglich und begehrenswert ist. Auch jene modernen Unternehmungen, die für verschiedene Verlage die Herausgabe (sowie Materialisation) einer Anzahl Zeitungen besorgen, können nur für eine beschränkte Zahl und eine bestimmte Kategorie von Verlagen, nämlich von solchen, deren Abnehmerkreise weitgehende Übereinstimmungen aufweisen, nach deren Wünschen und Weisungen die bestellten Waren liefern, und dabei sind die Waren auch dann noch erst Halbfabrikate. Stets bedürfen auch diese Halbfabrikate einer Appretur, einer Ergänzung und Vollendung durch eine Art von „Her-
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ausgebertätigkeit", wenngleich bescheidenster Art. Die Herausgebertätigkeit reicht also immer in die Unternehmung, auch in die des (relativ) reinen Verlags, hinein; Herausgeber und Verleger bilden in solchen Fällen zwar regelmäßig eine Personalunion, aber es steckt in diesen Verlagen immer noch ein Stückchen Herausgebertätigkeit, so gut wie in den Verlagen jener frühen Zeitungen, die vom bloßen Abdruck von Korrespondenzen oder vom Nachdruck einer Originalzeitung lebten. So trägt jedes Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen seinem Wesen nach den Dualismus der geistigen Herausgabe und des wirtschaftlichen Verlags in sich, der in dem gemeinsamen Werk zur Einheit kommen muß, und beide sind in der Praxis nie völlig voneinander getrennt. Die Herausgabe bedarf einer wirtschaftlichen Grundlage, der Gründung, Finanzierung und Verwaltung eines Verlags, bedarf der Gewinnung und Bedienung von Kunden, der Verlag hingegen bedarf der geistigen Vermittlertätigkeit der Herausgabe und der Redaktion, bedarf der freien und frischen Mitarbeit geistiger Persönlichkeiten. Der Herausgeber hat die Kraft des wirtschaftlichen Trägers zu berücksichtigen, muß sich ständig nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verlegers richten, der Verleger hat stets die geistige Natur des Werkes sorgsam zu achten und ihr seine wirtschaftlichen Bestrebungen und Maßnahmen unterzuordnen, insbesondere sich der Konsequenzen bewußt zu sein, die sich zu seinen Gunsten wie zu seinen Lasten aus dem Einfluß öffentlicher Idealgüter auf den Geist in Staat und Gesellschaft ergeben. Ist die Herausgabe, da das Bestimmende des Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmens die Geistigkeit des Produkts ist, die leitende Funktion, so ist der Verlag die tragende. Und da beide zum Zustandekommen des Werks zusammenwirken müssen, so gilt es für sie, den Dualismus dort, wo er in Gegensätzen ausbricht, zu überwinden, die beiderseitigen Anforderungen abzuwägen und den Ausgleich zu finden. Danach ist der Verlag — das sei unserer folgenden wirtschaftlichen Untersuchung vorausgeschickt — der Geistigkeit der Güter wegen, die er verlegt, niemals und unter keinen Umständen ein Erwerbszweig wie jeder andere, und eine ausschließlich wirtschaftliche Betrachtung geht bei ihm theoretisch und praktisch fehl. Das, was ein Verlagsunternehmen verlangt, was in ihm geschieht, ist rein betriebswirtschaftlich nicht zu erfassen, immer sind die geistigen Momente in jedem Verlag wirksam. Stets, bei der Gründung wie in seiner ganzen weiteren Geschäftsgebahrung, muß der Verlag mit dem Geist der für ihn in Betracht kommenden Käufer und Inserenten, der Hersteller seiner Güter und einer ganzen Anzahl von Faktoren, die auf ihre Beschaffenheit Einfluß üben, rechnen; die Preise seiner Ware sind von ihrer geistigen Beschaffenheit bestimmt, der Erfolg und schließlich das Ende seiner Unternehmung hängen
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von Bewegungen des allgemeinen Geistes ab. So hat nicht etwa bloß der Herausgeber, sondern auch der Verleger bei allen seinen Entschlüssen und Maßnahmen die geistigen, nichtwirtschaftlichen Rücksichten entscheidend mitsprechen zu lassen. Gewiß, ohne wirtschaftliche Grundlagen und Beziehungen kann kein Periodikum bestehen u n d gedeihen, aber so lebensnotwendig sie sind, auch dem Verlag gegenüber gehört das letzte Wort dem Geist. Und mag auch ein Verlag noch so einseitig das Wirtschaftliche, den Profit zum Leitzweck machen, ignorieren lassen sich die Ansprüche des Geistes nicht, sie rächen sich f ü r ihre Nichtachtung oder Falschwertung, wenn nicht an dem Unternehmen, so doch Em der Gesellschaft, an dem Staat, die solche Nichtachtung oder Falschwertung dulden. Der Verlag, dem wir uns als der die Gesamtunternehmung tragenden Funktion zuerst zuwenden wollen, die „ U n t e r n e h m u n g " im speziellen wirtschaftlichen Sinne, ist eine ,,Vermittler"-Tätigkeit, ist also zwar nicht identisch, aber sehr nahe verwandt mit den Tätigkeiten des Maklers oder des Händlers, die gleichfalls „vermitteln"; man hat daher auch den Verleger häufig einen Händler (Zwischenhändler oder Kaufmann) genannt, und das deutsche Handelsgesetzbuch, das den, der ein Handelsgewerbe betreibt, als „ K a u f m a n n " bezeichnet, f ü h r t unter den Handelsgeschäften die des Verlags, unter ihnen speziell die des Zeitungs- und Zeitschriftenverlags, auf (WILHELM RIEGER rechnet in seiner Einführung in die Privatwirtschaftslehre -—Nürnberg 1928—• die Verlage mit den Transportanstalten, Versicherungsunternehmungen , Beherbergungs- und Verpflegungsgewerben, Theatern und anderen Vergnügungsunternehmungen zu den „Hilfsgewerben". Davon kann keine Rede sein. Es ist nicht einzusehen, w a r u m die Befriedigung der geistigen Bedürfnisse nicht die nämliche Selbständigkeit beanspruchen darf wie die der materiellen Bedürfnisse, u n d man fragt sich vergeblich, welchem Gewerbe denn die Verlage „Hilfe" leisten. Vielleicht dem Druckereigewerbe, das f ü r den Verlag arbeitet?). Das Wesentliche des Verlags ist, wie gesagt, das öffentliche Bereitlegen, also die Zugänglichmachung der vom Herausgeber und seinen redaktionellen Hilfskräften gesammelten, zum geistigen Ganzen zusammengefaßten und damit vermittlungsreif gemachten Idealgüter, nicht jedoch diese Bestimmung des geistigen Inhalts und nicht dessen Materialisation und erst recht nicht der Vertrieb im engeren Sinne, die Expedition und Zustellung an die Konsumenten. Es hat immer Zeitungs- und Zeitschriftenverleger gegeben und gibt es auch heute noch in großer Zahl, die keinerlei Einfluß auf die Gestaltung des Inhalts üben und üben können. Das war nicht n u r in der frühen Jugendzeit der Zeitung der Fall, wo die Drucker einfach die von ihnen bezogenen Korrespon-
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denzen ab- oder gar nur eine auswärtige Zeitung nachdruckten, wo STIELER sagen konnte, daß er kaum zwei oder drei Postmeister im ganzen römischen Reich kenne, die „Narrenbossen von zeitungswürdigen Materien abzusondern wissen", wo der Leipziger Buchdrucker RITZSCH seinen Konkurrenten K O R MART einen „Idioten" nannte, der nicht mehr verstehe als ein Dorfschütze, und K O R M A R T sich nur damit verteidigen konnte, daß ihm ja Sprachmeister und Studenten aushelfen könnten, und wo manchmal die Zensoren den Verlegern die Mühen der „Herausgabe" abnahmen, indem sie die ihnen vorgelegten Korrespondenzen oder auswärtigen Zeitungen für die Veröffentlichung einer „besonderen" heimischen Zeitung bearbeiteten. Mein darf feststellen, daß bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts grundsätzlich die Bestimmung des Inhaltes der Zeitungen und ihrer Gesamtrichtung ausschließlich dem geistig unabhängigen Herausgeber (Redakteur) vorbehalten war. Bei den Zeitschriften ist das vielfach heute noch der Fall: Verlag und Herausgabe sind auch in dem gleichen Unternehmen scharf getrennt, ihr Verhältnis ist nicht ein Anstellungs- oder Mandatsverhältnis, sondern der Herausgeber ist dem Verleger gegenüber lediglich zur Lieferung des geistigen Inhalts verpflichtet, der Verleger dem Herausgeber gegenüber lediglich zur Verwertung dieses Inhalts durch Veröffentlichung berechtigt. In unserer Zeit haben die Verleger zahlreicher Zeitungen und Zeitschriften sogar auf die Bestimmung jenes Teils des Inhalts verzichtet, der ihnen unbestritten überlassen wurde, des Anzeigenteils, indem sie diesen an eine Anzeigenagentur verpachteten, und französische Verlage verpachteten sogar ihren Handelsteil. Endlich begeben sich bekanntlich viele Verleger, die für ihren allgemeinen Teil Matern oder Platten beziehen oder deren Zeitung nichts anderes als eine kopflose (Vordruck-)zeitung ist, zum großen, zum größten Teil des Einflusses auf die Gestaltung des Inhalts. Besonders die letzten sind bis auf einen bescheidenen Rest bloß „Verleger", wirtschaftliche Unternehmer. Noch weniger ist die Vervielfältigung des „herausgegebenen" Inhalts, heute noch vorwiegend der Druck, notwendig mit dem Verlag verbunden. Es hat immer Zeitungs- und Zeitschriftenverleger gegeben, und gibt es heute in des von ihnen zum Verlag übernomgroßer Zahl, die die Materialisation menen, vom Herausgeber mit Hilfe der Redaktion fertiggestellten geistigen Inhalts nicht selbst besorgen, sondern damit eine Druckerei beauftragen, das Periodikum im „Lohndruck" herstellen lassen. Nicht wenige Verleger der Zeitungen des 17. und 18. Jahrhunderts, staatliche, städtische, kirchliche Beamte, Professoren, Geistliche, Lehrer, gaben die Zeitungen heraus, verlegten sie auch, aber druckten sie nicht, sondern vergaben die Vervielfältigung an eine Druckerei, die ein selbständiges wirtschaftliches Unternehmen war. Und
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das ist heute noch vielfach der Fall bei Zeitungen oder Zeitschriften der Staaten und Kirchen, der Parteien und Verbände aller Art, aber auch privater Einzelunternehmer und Gesellschaften. Der Verleger, der eine kopflose Zeitung bezieht, verzichtet für den allergrößten Teil seiner Zeitung nicht nur auf die Herausgabe, sondern auch auf ihren Druck. Bei Zeitschriften ist durchgehend ein sehr erheblicher Prozentsatz, in manchen Ländern sogar die überwältigende Mehrheit aller Verlage nicht im Besitz einer eigenen Druckerei, Verlag und Druck sind in den Händen getrennter selbständiger Unternehmungen. In eigener Druckerei werden Zeitschriften meist nur in Verbindung mit Zeitungen gedruckt. Der Verleger als bloß wirtschaftlicher Vermittler ist also bei den Zeitschriften der dominierende Typus. Man könnte sagen, im Zeitschriftenwesen habe sich die „ideale" Unternehmung des Periodikums als bloße Vermittlung weithin den Vorrang bewahrt, während sie im Zeitungswesen in die Stellung einer schwachen Minderheit zurückgedrängt worden sei. Schließlich hat es immer Zeitungs- und Zeitschriftenverleger gegeben, und gibt es heute in großer Zahl, die den Vertrieb, die Zustellung ihres Verlagsobjektes nicht selbst besorgen, sondern durch andere Unternehmungen besorgen lassen. Im 17. und 18. Jahrhundert war das auch im deutschen Zeitungsgeschäft die Regel. Im 19. Jahrhundert übernahmen hier, wo das Abonnement nahezu ausschließlich herrscht, die Zeitungsverlage immer mehr die Zustellung ins Haus ihrer Abonnenten am Verlagsort, manche transportierten mit der Zeit einen Teil der Auflage mit eigenen Boten und Fahrzeugen auch nach auswärts, in die nähere und fernere Umgebung des Verlagsortes. Aber sogar in Deutschland wird nicht etwa bloß der relativ geringe Einzelabsatz zum Teil von selbständigen Zeitungshändlern vertrieben, sondern auch die Zustellung an die Abonnenten geschieht durch eigene Unternehmungen sowie durch die Post. In anderen Ländern mit überwiegendem Einzelverkauf ist gerade in den größten Verhältnissen ein selbständiges Hilfsgewerbe des Zeitungs- und Zeitschriftenverlags entstanden, in dessen Händen der Transport und der Verkauf der Exemplare an das Publikum liegen. Ein eigenartiges System selbständiger Zustellung hat sich im Vertrieb der nordamerikanischen Zeitungen an die Abonnenten entwickelt: das der „Zeitungsjungen", der „carrier boys". Die „Zeitungsjungen", großenteils Schüler der mittleren und höheren Schulen, sind in der Tat ihre eigenen Unternehmer; sie beziehen die Zeitungsexemplare, die sie ihren Kunden ins Haus zustellen, auf eigene Rechnung entweder direkt von den Zeitungsverlagen oder von ZeitungsGroßhändlern. Unter den Vorzügen dieses Systems, das übrigens durch Gesetze der einzelnen Bundesstaaten und durch Verträge der Verlage mit den
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Eltern, Vormündern oder Schulleitern geordnet ist, ist nicht der geringste, daß die Verlage genauen Einblick in Bestand und Struktur der Leserschaften haben. Durchschnittlich werden 86% der verkauften amerikanischen Zeitungsauflagen durch die Zeitungsjungen zugestellt. Nach einer Erhebung des nordamerikanischen Zeitungsverlegerverbandes gab es im Juni 1954 in den Vereinigten Staaten von Nordamerika insgesamt 531181 Zeitungsjungen, zu gleicher Zeit auch in Kanada immerhin nahezu 70000. Eine nordamerikanische Zeitung mit hoher Auflage beschäftigt bis über 5000 Zeitungsjungen. Bei den Zeitschriften kommt die unmittelbare oder mittelbare (Post-) Zustellung durch den Verlag und seine Angestellten wohl nur bei der Minderheit der einzelnen Typen vor, ihr Vertrieb, vor allem der populären Zeitschriften, geschieht meist durch einen speziellen Groß- und Kleinhandel oder durch den Buchhandel oder durch gewisse Detailgeschäfte des Schreibwaren-, des Tabak- usw. Handels. Von dem Zeitungs- oder Zeitschriftenverlag als einem ,,Transport"gewerbe kann also keine Rede sein, das hieße einen nur einem Teil der Verlagsunternehmungen angegliederten Neben- zum Hauptbetrieb machen, und erst recht hat die Herausgabe, die redaktionell-journalistische Tätigkeit nichts mit Übermitteln, mit Transportieren, also mit Überwinden von Raum zu tun (vgl. Bd. I, S. 551 ff.). Vor allem bei der Zeitung wirken Motive dahin, wenigstens die Funktionen, die unmittelbar mit dem Gegenstand des Verlags zusammenhängen, in einer Unternehmung zu vereinigen. Auf die sachliche und personelle Vereinigung von Verlag und Herausgabe drängt schon das Wesen der Zeitung. Die Geistigkeit der „Ware" bringt es, wie wir zeigten, mit sich, daß der wirtschaftliche und der geistige Vermittler in ständigem, engem Kontakt miteinander stehen müssen. Daher sah sich der Verleger, je öfter die Zeitungen erschienen, je höher die Anforderungen an die Aktualität und die Universalität des Inhalts, vielfach aber auch an dessen Qualitäten stiegen, je ausgedehnter der Kreis der Käufer und Inserenten wurde, je größer damit die Komplikationen, Kosten und Risiken der Vermittlung wurden , um so mehr veranlaßt, die Herausgabe der Zeitung durch Anstellung und Beauftragung eines Herausgebers oder doch eines leitenden Redakteurs in sein Verlagsunternehmen unmittelbar einzugliedern und so die möglichst rasche, reibungslose, den geistigen Bedürfnissen der Leser und Inserenten eingepaßte Herstellung zu sichern. Um die Wende des 18. Jahrhunderts tritt — im Zusammenhang mit dem Eindringen des poütischen Räsonnements in die Zeitung —• der Redakteur im Hauptamt auf, der im Auftrage des Verlegers die Zeitung herausgibt. Das kräftige Wachstum des Inseratenwesens, seine zunehmende wirtschaftliche Bedeutung, sein vorwiegend geschäftlicher Charakter legten es den Verle2
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gern nahe, von diesem Teil des Inhalts der Zeitung den Herausgeber (Redakteur) zu entlasten und ihn in die eigene Leitung und Verwaltung zu übernehmen. Aber auch die Herausgabe des Textteils mußte mit dem Steigen der Kosten, der Verschärfung der Konkurrenz, der Ausdehnung des Nachrichtendienstes in der hochkapitalistischen Epoche an äußerer und dann auch an innerer Selbständigkeit einbüßen. Die sich rasch vermehrenden Zeitungsverlage stellten für ihre Zeitungen Berufs]ournalisten an, die im Auftrage und dann auch nach Anweisung des Verlegers den Textteil zu gestalten hatten. Aus dem „Herausgeber" wurde immer regelmäßiger ein „Chefredakteur". Der Verleger, der das ganze Unternehmen organisierte, zum mindesten die erheblichen Kosten aufbrachte und riskierte und dessen Gewinn großenteils von der Gestaltung des redaktionellen Inhalts abhing, beanspruchte im Innern die Oberleitung des Textteiles und demzufolge auch nach außen schließlich die formelle Anerkennung als „Herausgeber", und dieser Prozeß wurde ungemein erleichtert durch das Ineinandergreifen der beiden Tätigkeiten, der Herausgabe und des Verlags, durch die Notwendigkeit, daß sich Herausgeber und Verleger jederzeit und fortwährend, rasch und unmittelbar miteinander verständigen. Waren es zuerst vornehmlich wirtschaftliche und technische Erwägungen, die im hochkapitalistischen Zeitalter den Verlegern diese Machterweiterung brachten, so kamen gar bald mit der zunehmenden Demokratisierung in Staat und Gesellschaft und dem dadurch wachsenden Einfluß der Zeitung auf das öffentliche Leben auch noch andere Motive hinzu: persönlicher gesellschaftlicher Ehrgeiz, persönlicher politischer Machttrieb, der Drang zur Vertretung der eigenen Überzeugung, zur Teilnahme Ein den geistigen Entscheidungen der Gesamtheit, die die Zeitungsverleger bewogen, sich die „Herausgabe" selbst vorzubehalten, der Redaktion nicht nur die allgemeine Richtung vorzuschreiben, sondern auch sie im Innern ständig Einzuleiten und zu überwachen und nach außen Eds der Repräsentant der Zeitungs,,idee" aufzutreten. Diese tatsächliche, wenngleich nicht überall formell festgelegte geistige Oberleitung des —- privaten — Verlegers, die sich in der Zeitungspresse aller wirtschaftlich hochentwickelten Länder ausbildete, ändert ein der Verpflichtung zur klaren Scheidung der beiden Funktionen, der geistigen und der wirtschaftlichen Führung, nichts, hebt diesen im Wesen der Zeitungsunternehmung begründeten Dualismus zwischen Herausgabe und Verlag nicht auf. Und wie wir ihn trotz allen geschichtlichen Verwischungen theoretisch festhalten müssen, so läßt sich auch ohne seine Wahrung das Ziel einer durchgreifenden preßpolitischen Reform, also die Freiheit des journalistischen Geistes von wirtschaftlicher Übermacht, nicht erreichen. Die Notwendigkeit einer klaren Scheidung beider Funktionen gilt auch für ein sozialisiertes Zei-
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tungswesen; auch da wird der Gegensatz nicht aufgehoben, bedarf es der scharfen Trennung zwischen der geistigen und wirtschaftlichen Leitung und der Regelung ihrer Zusammenarbeit. Die Vereinigung von Verlag (einschließlich Herausgabe) und Druck im Zeitungswesen geschah und geschieht aus wirtschaftlichen und technischen Gründen von den beiden Seiten, der des Druckers oder der des Verlegers, her. Die Erfindung der Wochenzeitung machte aller Wahrscheinlichkeit ein Drucker, und die ältesten Zeitungen wurden großenteils von Druckern auch verlegt, die neben dem Druck der einzelnen Neuen Zeitungen, Flugschriften und Bücher für ihre Einrichtungen eine fortlaufende Beschäftigung in den periodisch erscheinenden Zeitungen feinden. Dies Motiv ist bis heute, vor allem für die kleinen Zeitungen in den Landstädten und in den Vororten und Vorstädten der Großstädte, noch wirksam: Hier begegnen wir sehr häufig der Personalunion von Verleger, Herausgeber und Drucker. Auf der andern Seite bewegen die Erfordernisse des Wesens der Zeitung auch und gerade die Verleger, die ein größeres Unternehmen planen, den Verlag mit einer Druckerei zu verbinden. Je öfter eine Zeitung erscheint, je aktueller, vielseitiger, umfangreicher ihr Stoff, je größer ihre Auflage ist, desto dringender empfiehlt sich in wirtschaftlicher, wie in technischer Hinsicht ihre Eigenherstellung, desto stärker machen sich die Nachteile des Lohndrucks geltend. Die eigene, speziell für die Zeitungsproduktion eingerichtete Druckerei gewährleistet bei einer größeren Zeitung eher eine rasche und pünktliche Produktion, erweist sich i m allgemeinen als anpassungsfähiger und billiger als der Lohndruck, sie kann die gesteigerten Ansprüche an Aktualität und Universalität, an Periodizität und Publizität in der Regel besser erfüllen, leichter den damit bedingten starken und plötzlichen Schwankungen in Stoffumfang und Absatzhöhe folgen. Daher in vorgeschrittenen Verhältnissen der geringe Prozentsatz der Zeitungen, die nicht in eigener Druckerei hergestellt werden. Die so von beiden Seiten herbeigeführte, fast allgemein gewordene Verbindung von Verlag und Druck verleitete dann dazu, im Zeitungsverleger nicht so sehr den Verleger, wenn mein will einen „Zwischenhändler" besonderer Art, zu sehen, sondern einen Fabrikanten, einen Industriellen. Und so kam es denn, daß in den Werken über die allgemeine Handelsbetriebslehre zwar gelegentlich vom Buchverlag die Rede ist, nicht oder ganz wenig aber vom Zeitungs- oder Zeitschriftenverlag, der dafür als Unternehmung des Zeitungsund Zeitschriftendrucks in Werken über die allgemeine Industriebetriebslehre öfter berücksichtigt wird. SCHWARZKOPF war wohl der erste, der von „Zeitungsfabriken" statt von Zeitungsverlagen sprach und mit dieser Wendung in der später so anwachsenden zeitungskundlichen Literatur vielfach 2*
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Nachfolge fand. Den Kern der Sache traf LÖFFLER besser mit seinen Ausdrücken „Gedankenhandel" oder „preßlicher Verkehrszweig", und auch die satirische Charakteristik der modernen Universalzeitung für die breiten Massen als eines „Warenhauses" ist zutreffender. Bei gesondertem Zeitschriftenverlag wird, falls nicht mehrere Zeitschriften mit häufigerem Erscheinen und Massenauflagen herzustellen sind, der eigene Druck überflüssig und unrentabel. So nähert sich auch darin ein Teil der Zeitschriften dem Zeitungs-, ein anderer dem Buchverlag: Häufiges Erscheinen, hohe Aktualität, vielseitiger und umfangreicher Stoff, große Auflage fordern die Verfügung über einen eigenen Druckereiapparat, während der Verlag von Zeitschriften mit geringeren technischen Ansprüchen ebenso wie der Buchverlag vielfach ohne eigene Druckerei auskommt, diese gar nicht voll beschäftigen könnte. Die Übernahme des Vertriebs, der Zustellung, einschließlich des Transports, durch den Verlag wird schon durch die sich überhaupt in der modernen Wirtschaft ausbreitende Tendenz zur Ausschaltung entbehrlicher Zwischenglieder begünstigt. Aber vor allem hat gerade der Zeitungs- und großenteils auch der Zeitschriftenverleger ein sehr starkes Interesse ein einer möglichst genauen und immer auf dem Laufenden gehaltenen Kenntnis der Interessenbewegungen des Publikums, die ja i m allgemeinen bei geistigen Gütern viel lebhafter sind, häufiger wechseln und sich viel leichter der Erfassung entziehen als bei materiellen Gütern. Voll entfaltet die Vereinigung von Verlag und Zustellung ihre Vorteile in der Hauptsache nur bei vorherrschendem Abonnement. Wir sehen in allen Ländern, in denen der Einzelverkauf die übliche oder vorherrschende Art des Verkaufs ist, den Vertrieb ausschließlich oder überwiegend in den Händen eigener Unternehmungen oder selbständiger Straßenhändler. Die Zeitungsverlage, die auf diese Weise keinen unmittelbaren Kontakt mit ihrem Publikum haben, müssen sich aus den schwankenden Ziffern des Absatzes über das Denken und Wollen der Massen informieren und suchen durch allerlei Einrichtungen diese tägliche Information zu ergänzen. Die Verlage hinwiederum, deren Zeitungen im Abonnement bezogen werden, haben die Möglichkeit der täglichen Information aus dem Straßenverkauf nicht, die kurzfristigen Schwankungen des Abonnements sind meist gering und von persönlichen Zufälligkeiten bestimmt, erst auf eine längere Zeit wird die Ab- oder Zunahme des Abonnements lehrreich. Daher hat der Unternehmer einer Abonnementszeitung das Interesse, wenn irgend möglich unmittelbar mit seinem Publikum in Verbindung zu treten, und das geschieht durch die eigene Zustellung Ein dieses. So kennt er seine Kunden, weiß ihre berufliche, soziale und räumliche Zusammensetzung, und schon daraus ver-
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mögen er und seine Redaktion sehr viel für die Bearbeitung sowohl des Textwie des Inseratenteils zu entnehmen. Er kann sich bei den einzelnen Abonnenten nach den Gründen einer Abbestellung erkundigen und erfährt, ob lediglich ein zufälliger äußerer Umstand oder die Unzufriedenheit mit dem Inhalt zur Aufgabe des Abonnements bewogen hat. Weitere Vorteile sind, wenngleich nicht die Beschleunigung des Vertriebs, die auch durch den besonderen Zeitungshandel gewährleistet sein kann, so doch die im allgemeinen erhöhte Zuverlässigkeit der Zustellung, die sich aus der Vertrautheit der Zeitungsträgerinnen mit den Kunden ihres Bezirks und deren Gewohnheiten ergibt, sowie die Bequemlichkeit für die Abonnenten, ein Vorteil, der eine sehr starke Werbekraft für den Bezug der Zeitung besitzt. Voraussetzung allerdings der eigenen Zustellung ist, daß der erforderliche, oft sehr umfangreiche und kostspielige Apparat auch wirtschaftlich ausgenützt werden kann. Dazu genügt nicht bloß ein tägliches Erscheinen der Zeitung, so daß die Trägerinnen und Fahrzeuge Tag für Tag beschäftigt werden, sondern erforderlich sind in der Regel auch eine Größe und Dichte der Auflage, die Zeitverluste durch größere Entfernungen zwischen den einzelnen Abonnenten möglichst herabzudrücken. Daher rentiert die eigene Zustellung Ein diese meist nur am Erscheinungsorte selbst und in dessen engerer oder weiterer Umgebung. Da ferner die Zustellung der Zeitung nicht auf den ganzen Tag verteilt werden darf, sondern Einnähernd gleichzeitig überall zu erfolgen hat, so müssen hierfür einmal Ergänzungseinrichtungen geschaffen werden (besondere Verteilungsstellen, die beschleunigt mittels Autos, neuerdings bei größeren Entfernungen mittels Flugzeuge versorgt werden), sodann die ja regelmäßig nicht den vollen Arbeitstag beanspruchten Kräfte, soweit sie das Austragen nicht wegen des finanziellen Zuschusses neben der häuslichenTätigkeit übernehmen, entweder in dem Zeitungsunternehmen selbst — etwa als Bogeneinlegerinnen — oder in anderen Berufen Gelegenheit zur Beschäftigung und zu weiterem Verdienst erhalten. Aus diesen Bedingungen versteht mEin, daß sich die Zustellung in eigener Regie der Verlage erst in der zweiten Hälfte des vorigen .Jahrhunderts verbreitete und auch heute fast nur bei Zeitungen vorkommt. Bei den Zeitschriften liegen die Verhältnisse fast ausnsihmslos Einders als bei den Zeitungen, und auch innerhalb des Zeitschriftenwesens entsprechend seiner Differenziertheit sind sie sehr verschieden. Die Eigenzustellung ist eine lediglich bei Massenzeitschriften, die an einem Orte eine sehr dichte Verbreitung haben, Einzutreffende Ausnahme ; sonst erscheint sie noch hie und da, wo z. B. eine Zeitschrift von freiwilligen, unentgeltlich tätigen Helfern kostenlos verteilt wird, ein Vorzug, dessen sich manche von Kirchen, Vereinen usw. herausgegebene Zeitschrif-
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ten erfreuen können. In edlen übrigen Fällen wäre für die zwar weit, aber dünn verbreiteten und nur in längeren Zwischenräumen als täglich erscheinenden Zeitschriften den Verlagen die eigene Zustellung mit ihrer vielverästelten Organisation und der Unmenge von Kleinarbeit viel zu kompliziert und viel zu teuer, und sie würde doch nur ganz lückenhaft bleiben müssen. Schon die Versorgung der Großstädte wäre trotz Einsehnlicher Abnehmerzahl bei der Größe des zu versorgenden Raumes unrentabel, und bei kleineren Städten und auf dem Leinde wäre die Zustellung in eigener Regie gänzlich ausgeschlossen. Diese könnte auch gar nicht mit dem Zwischenhandel konkurrieren, der dank dem Vertrieb einer größeren Zahl von Zeitschriften einen billigeren, ausgedehnteren und detaillierteren, bis in die Landstädtchen reichenden Apparat aufbauen und ausnützen kann. So sehen wir, daß die meisten Zeitschriftenverlage entweder sich der Post bedienen oder den Zwischenhandel (Kolportage-, „Zeitschriften"-, Sortimentsbuchhandel, „ L e sezirkel''-Geschäfte), diesen wohl für den Einzelverkauf wie für das Abonnement, in Anspruch nehmen. Damit ist allerdings, besonders im Einzelverkauf, der Nachteil verbunden, daß bei dem nämlichen Verkäufer die gleichartigen Zeitschriften verschiedener Verlage miteinander konkurrieren, wie das z. B. sehr oft bei den „Illustrierten" der Fall ist; auf der anderen Seite aber wächst auch die Gefahr geringeren Absatzes, wenn nur ein einziges Erzeugnis angeboten wird, während der Zwischenhandel dem Publikum eine Auswahl bieten kann und diese Auswahl erfahrungsgemäß die Kauflust steigert. Empfindlicher ist die starke Abhängigkeit des Zeitschriftenverlags vom Zwischenhandel, dem sehr weitgehende Vergünstigungen eingeräumt werden müssen, schon u m ihn existenzfähig zu halten und ihn zum möglichst vollständigen Ausbau seines Apparates zu veranlassen, dann aber auch u m ihn ein dem Absatz der Verlagsartikel zu interessieren. Unsere Betrachtung erweist im Zeitungsgewerbe eine sowohl im Wesen der Zeitung begründete, als auch durch praktische Erwägungen geförderte, zunehmende Tendenz zur Vereinigung aller Funktionen von der Herstellung des Inhalts bis zur unmittelbaren Ablieferung des fertigen Produkts ein die Käufer. Das steht in einem deutlichen Gegensatz zu dem Buchverlag. Dessen einzelne Waren erscheinen nicht ununterbrochen, periodisch, sondern jede für sich abgeschlossen, unregelmäßig, sie werden stoßweise abgesetzt, ihre Herstellung und ihr Vertrieb sind überhaupt nicht oder bei weitem nicht in dem Maße, wie die der Zeitung, dem Gebot der Aktualität unterworfen, daher nicht so streng an eine bestimmte Zeit gebunden, und sie bedürfen keines solchen Apparats einer ständigen, universellen Stoffbeschaffung wie die Zeitung. Daher sind beim Buchverlag noch heute in weitestem Umfang die
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Funktionen Herausgabe und Verlag, Druck und Vertrieb (Sortiments-, Versand- und Reisebuchhandel) getrennt. Zwischen Zeitungs- und Buchverlag stehen in der Vereinigung dieser Funktionen — eine Folge der verschiedenen Begrenzungen der Zeitschrift — in mannigfachster Abstufung die Zeitschriftenverlage je nach den Typen der Zeitschriften und nach Art und Größe des Verlags. Aber auch bei der Zeitung ist die Trennung der Funktionen, ihre Verteilung auf verschiedene selbständige Unternehmungen, wie gezeigt, auch heute noch durchaus nicht bedeutungslos, ja unter bestimmten Bedingungen sogar vorherrschend. So finden wir sowohl im Zeitungs- wie i m Zeitschriftengewerbe eine große Verschiedenheit nicht nur in der Größe, sondern auch in der Aufgabe und damit im A u f b a u der Unternehmungen. Aber wie auch immer diese gestaltet sind, das Erstbestimmende sind die geistigen und wirtschaftlichen Funktionen der Vermittlung, sind die Herausgabe und der Verlag — wobei periodikalisch gesehen auch der Verlag noch „Hilfsbetrieb" ist — , und Druck und Vertrieb (Zustellung) sind und bleiben, mögen sie noch so häufig mit der Vermittlung in einem Unternehmen vereinigt, mögen sie technisch und wirtschaftlich für das Unternehmen noch so wichtig sein, Hilfsbetriebe dieser Vermittlung. Ein Praktiker, vor allem der Zeitung, könnte vielleicht wegen der dominierenden Vereinigung von Verlag und Druck und der Wichtigkeit der Druckerei im Gesamtunternehmen deren „Degradier u n g " zum „Hilfsbetrieb" als eine wirklichkeitsfremde Doktrin beanstanden, aber er übersähe dabei, daß die Vereinigung der beiden Funktionen nicht allezeit und überall die herrschende war und ist, und daß die Druckerei, von deren Leistungen gewiß das technische Gelingen und der wirtschaftliche Erfolg weithin abhängen, stets ihre Gestalt und Arbeit von Herausgabe und Verlag, von ihren Bedürfnissen Antriebe und Weisungen erhält. So haben wir denn das Grund- und Kernschema des Aufbaus der Zeitungs(und Zeitschriften-) Unternehmung in seinen Variationen kennengelernt. Von ihm aus hat sich aus dem Handwerksbetrieb des ausgehenden 16. Jahrhunderts jene von keinem anderen Wirtschaftszweig erreichte Vielfalt heutiger periodikalischer Unternehmungen entwickelt, die sich von dem bescheidenen, mit Platten oder Vordruckszeitungen arbeitenden Verlag eines „Heimatblättchens" bis zu dem komplizierten, über die Kontinente greifenden Riesenbetrieb eines modernen großkapitalischen Verlagskonzerns erstreckt, eine Vielfalt, die wir im folgenden darzustellen und zu begründen haben. Als Unternehmer, Herausgeber und Verleger oder nur Herausgeber oder nur Verleger, treten im Zeitungs- und Zeitschriftengewerbe a u f : 1. Private Einzelpersonen und Personengruppen (z.B. Familien, Gesellschaften) mit dem speziellen Zweck der Zeitungs- oder Zeitschriftenunternehmung,
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2. sowohl die Regierungen wie einzelne Behörden des Staates und Gemeindeverwaltungen , 3. die politischen Parteien und wirtschaftspolitischen Organisationen, 4. die kirchlichen Institutionen und Gemeinden, 5. Verbände und Vereine und sonstige Gruppen jeder Zielsetzung, zu deren Förderung das Periodikum dienen soll, 6. öffentliche und private besondere Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, die gleichfalls sich eines Periodikums zur Erfüllung ihrer auf anderem Gebiete liegenden Aufgaben bedienen, 7. einzelne private Firmen oder Firmenvereinigungen, die zur Förderung ihres Geschäftes oder Geschäftszweiges eine Zeitschrift verlegen (und herausgeben). Diese „Werk"- oder „Firmenzeitschriften" (im weiteren Sinne) haben sich in den letzten Jahrzehnten in allen wirtschaftlich hochentwickelten Ländern in der Industrie und im Handel, im Bank- und im Versicherungswesen außerordentlich stark vermehrt. Nicht zu den „Firmenzeitschriften" im üblichen Sinne sind die sogenannten „Shopping News" zu rechnen, Anzeigenblätter ohne oder mit unbedeutendem Text, die gelegentlich von einzelnen großen Warenhäusern oder sonstigen lokalen Großinserenten gegründet werden, um die Lokalzeitungen zum Entgegenkommen in der Anzeigenberechnung zu zwingen, also dem Motiv, an den Kosten des Geschäfts zu sparen, ihr meist sehr kurzfristiges Dasein verdanken (vgl. Bd. II, S. 356f.). Alle diese Kategorien stellen sowohl Zeitungs- als auch Zeitschriftenunter nehmer. Auch unter den kirchlichen Institutionen, den kommerziellen, humanitären, wissenschaftlichen Anstellten — wir erinnern an die „Hällischen Zeitungen" der FRANCKEschen Stiftungen oder an die zahlreichen Intelligenzblätter, die von Kaufmannschaften, Akademien, Wohltätigkeitsinstituten herausgegeben und verlegt wurden, —• und auch unter den ein sich pressefremden Privatfirmen finden sich einzelne politisch ehrgeizige Zeitungsunternehmer. Aber das sind meist Einzelfälle. Den speziellen Zwecken spezialisierter Behörden, Institute und Gruppen entspricht es, daß sie sich regelmäßig nur als Herausgeber und Verleger spezialisierter Zeitschriften betätigen, während die Staatsregierungen, die politischen Parteien und sonstige politisch tätige Organisationen, ihren allgemeinen Zielen entsprechend, die sie durch Gewinnung der öffentlichen Meinung fördern und durchsetzen wollen, wenn irgendmöglich die Schaffung und Beherrschung von Zeitungs- und Zeitschriftenuntemehmungen betreiben. Die Kombination oder die Trennung der vier Funktionen Herausgabe, Verlag, Druck und Vertrieb ist an sich bei jeder Unternehmerkategorie möglich, und bei jeder ließen sich wohl
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Tatsachenbelege beibringen. Bei offiziellen Staatszeitungen z. B. beschränkt sich eine Regierung auf die Herausgabe, also die Bestimmung und Überwachung der geistigen Haltung, die Berufung oder doch Bestätigung der Schriftleiter, dagegen werden der Verlag, Druck und Vertrieb von einer Privatunternehmung besorgt oder diese Funktionen verteilen sich auf mehrere Privatfirmen; in einem anderen Fall behält die Regierung Herausgabe und Verlag für sich und läßt das Periodikum nur durch Privatunternehmungen drucken und vertreiben; in einem dritten Fall vereinigt die Regierung Herausgabe, Verlag und Druck, übergibt aber den Vertrieb einer Privatfirma oder auch einer Behörde (Post). Und so können auch bei den anderen Unternehmerkategorien die verschiedenen Betriebstypen vorkommen, deren Wahl vor allem von der Art des Periodikums, der Kategorie des Unternehmers, seiner Finanzkraft und dem ihm zur Verfügung stehenden Apparat abhängt. Bei allen diesen Unternehmerkategorien kann ein sich der Erwerbszweck ein allein oder doch mitbestimmendes Motiv der Unternehmertätigkeit sein. Aber in der Wirklichkeit wird er nur bei den privaten Einzelpersonen und einem Teil der privaten Personengruppen regelmäßig dominieren und bei den Gemeinden, Parteien, gewissen Verbänden, Vereinen, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen lediglich mitverfolgt werden, dagegen wird er bei den Unternehmungen des Staates, den wirtschaftspolitischen Organisationen, Kirchen, wissenschaftlichen Körperschaften, Einzelfirmen zurücktreten oder überhaupt keine Rolle spielen. Bei diesen sind alle möglichen anderen — ideelle und materielle — Zwecke wirksam, die aber auch bei den erstgenannten Kategorien allein oder neben dem Erwerbszweck auftreten. Weder die Kategorie, der der Unternehmer eines Periodikums angehört, noch der Zweck, den er mit seiner Unternehmung verfolgt, ändert daran etwas, daß es sich u m eine echte Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmung handelt. POSSE hat (vgl. GROTH, Geschichte der deutschen Zeitungswissenschaft, S. 326) einmal die Auffassung vertreten, daß die von Interessenten „ausgehaltenen" Unternehmungen, die Unternehmungen des Staates, der Gemeinden, Parteien, Wirtschaftsgruppen usw., „wirtschaftlich betrachtet keine Zeitungen", muß heißen keine Zeitungsunternehmungen, seien. Wir wiesen diese Auffassung als gänzlich haltlos zurück, und POSSE selbst hat sie an anderer Stelle aufgegeben. Für den Charakter eines Verlags als (wirtschaftlicher) „Unternehmung 1'' sind das Subjekt der Unternehmung und sein Zweck ganz gleichgültig. Mit vollem Recht erklärt SCHÄR 2 vom Handel — und das gilt erst recht für den Handel mit geistigen Gütern — : „ E s ist nicht angängig, den Begriff einer wirtschaftlichen Tätigkeit aus den individuellen Motiven, aus denen sie ausgeübt wird,
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abzuleiten. Ob der Kaufmann seine Berufsarbeit zum Zwecke des Gewinns ausübt, ob er sie im Dienste anderer verrichtet oder aus bloßem Vergnügen oder Gemeinnützigkeit sich am Güteraustausch beteiligt, das ist alles durchaus subjektiv und daher nebensächlich". Lediglich die planmäßige, dem Zweck entsprechende und die Wirtschaftlichkeit wahrende Organisation und Tätigkeit der Gütervermittlung genügen dazu, den Verlag als eine (wirtschaftliche) Unternehmung zu kennzeichnen. Einer solchen Organisation und Tätigkeit bedarf aber auch jede Zeitungs- oder Zeitschriftenunternehmung des Staates, der Parteien usw., und sie ist unentbehrlich auch in einer sozialistischen Wirtschaftsordnung. Anderer Meinung ist allerdings R I E G E R in seiner „Einführung in die Privatwirtschaftslehre" 3 , der nur da ein „Unternehmen" für gegeben erachtet, wo der Erwerbsgedanke leitend ist, dagegen nicht bei jenen Zeitungen und Zeitschriften, bei denen über die geldliche Beteiligung noch andere Momente entscheiden, wie „die Förderung einer bestimmten politischen Richtung oder die Pflege von Kunst und Wissenschaft oder einer besonderen Weltanschauung und ähnliches mehr". „Die Einstellung der Kapitalgeber mag dann etwa so sein, daß sie zwar einen etwaigen Gewinn nicht verschmähen würden, daß sie vielleicht sogar damit rechnen, daß aber anderseits die Rentabilität nicht ausschlaggebend sein soll, vielmehr liegen ihnen die ideellen Interessen so am Herzen, daß sie ihnen zuliebe auch finanzielle Opfer zu bringen bereit sind. — In solchen Fällen ist der reine Untemehmungsgedanke getrübt, und man wird daher solche Veranstaltungen nicht als Unternehmungen schlechthin einsprechen können. An sie muß von Fall zu Fall ein besonderer Maßstab angelegt werden". Etwas später ( S . 4 6 ) sagt R I E G E R : „Auch wenn jemand die Volksbildung heben will und zu diesem Zweck eine Wochenschrift mit belehrendem Inhalt herausgibt und kostenlos zur Verfügung stellt, wird man nicht wohl sagen können, er sei Unternehmer, obwohl er den Markt mit seiner Zeitung und mit Bildung versorgt". An diesen Unterscheidungen ist gewiß einiges richtig und beachtlich, aber den Charakter wirtschaftlicher Unternehmungen verlieren deshalb m. E. derartige Zeitungs- und Zeitschriftenverlage keineswegs. R I E G E R spricht selbst von „unternehmungsähnlichen Gebilden", wenn er sie auch in Gegensatz zu den „Unternehmungen schlechthin" bringt, und meint (S. 56): „Wirtschaften kann hier nur heißen: mit den insgesamt zur Verfügung stehenden Mitteln möglichst viel erreichen, die dem Betrieb auferlegte technische Aufgabe gut lösen". Planmäßig und gut muß doch auch bei den Zuschußunternehmungen mit dem Kapital gewirtschaftet werden; auch bei ihnen darf nicht darauf los „gewirtschaftet", auch bei ihnen muß regelmäßig, wenngleich nicht „einseitig", gespart werden.
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Diese Erwägungen schließen natürlich nicht aus, daß die Unternehmungen je nach ihrem Zweck und ihrer Finanzierung klassifiziert werden. R O B E R T L I E F M A N N Z. B. unterscheidet in seinem Werke über die Unternehmungsformen unter den öffentlichen Betrieben einmal öffentliche Anstalten, die gar nicht „aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten verwaltet werden", bei denen es also weder auf den Ertrag ankommt, noch auch das Prinzip möglichst geringer Kosten ausschlaggebend ist, bei denen nicht „die zu erzielenden Einnahmen das P r i m ä r e " sind, sondern bei denen „ m a n von den als notwendig erkannten Ausgaben ausgeht und danach die zu beschaffenden Einnahmen b e m i ß t " ; sodann öffentliche Wirtschaften, die zwar „auf Grund des wirtschaftlichen Prinzips", das heißt mit dem Ziel eines möglichst großen Nutzens bei möglichst geringen Kosten, aber nicht zu einem möglichst großen Geldbetrag, sondern zum allgemeinen Nutzen betrieben werden, und bei denen die Einnahmen wenigstens die Kosten decken sollen; schließlich die öffentlichen Unternehmungen, deren Ziel der möglichst hohe Geldertrag ist. Alle drei Typen kommen im Zeitungs- und Zeitschriftenwesen des Staates und anderer öffentlicher Körperschaften vor, auch der dritte Typus (man erinnere sich vor Edlem der Intelligenzblätter des 18. Jahrhunderts). LIEFMANN erkennt also die Geltung des „wirtschaftlichen Prinzips" auch im Bereich des allgemeinen Nutzens, im Dienste geistiger Ziele ein, allerdings verengt auch er den Unternehmungsbegriff auf die Geldertragsunternehmungen. M. R. LEHMANN4, der zwischen „Erwerbs- oder Überschußbetrieben, Kostendeckungsbetrieben u n d Zuschußbetrieben" unterscheidet, bemerkt dazu mit vollem Recht, daß es „Unternehmungen, welche nicht auf Erzielung von Kapitalertrag abgestellt sind, nicht gibt". Nur darf m a n den Begriff des Kapitals nicht auf materielle Güter beschränken. Es gibt auch geistiges Kapital, und dieses kann — geistigen und materiellen — Ertrag bringen. Es ist eine im Zeitungs- u n d Zeitschriftengewerbe unerträgliche und undurchführbare Auffassung, „wirtschaftliche U n t e r n e h m u n g " oder gar überhaupt „Untern e h m u n g " mit Geldertragsunternehmung zu identifizieren, eine „(wirtschaftliche) U n t e r n e h m u n g " n u r da gelten zu lassen, wo der Erwerbsgedanke allein oder doch primär leitend ist. Ein planmäßiges, sparsames und Kosten und Erfolg abwägendes Wirtschaften — Wirtschaften i m guten ökonomischen Sinne —• ist durchaus nicht unvereinbar mit der Verfolgung ideeller Ziele, und auch die Unternehmungen, die auf einen geistigen Ertrag, auf einen ideellen Erfolg abzielen und dafür finanzielle Opfer zu bringen bereit sind, müssen im allgemeinen wirtschaftliche Grundsätze beobachten. Die Dinge liegen ja überhaupt nicht so einfach im Zeitungs- und Zeitschriftenwesen, wie sie R I E G E R erscheinen. Schon in den Erwerbsunterneh-
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mungen wird der Profitzweck nie ganz allein herrschen, schon hier wird der „reine Unternehmungsgedanke" da und dort getrübt. Erst reiht werden Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, die ein bestimmtes geistiges Programm verfolgen, ohne deshalb den wirtschaftlichen Ertrag als Hauptzweck aufzugeben, bei einem Konflikt zwischen den beiden Zwecken bereit sein, für das Programm Opfer zu bringen, seinetwillen auf einen Gewinn zu verzichten, „unwirtschaftliche" Aufwendungen zu machen. Das geschieht sogar sehr häufig, ohne daß man deshalb diesen Verlagen den „Unternehmungscharakter" auch im strengsten Sinne absprechen dürfte. Wir müssen, wenn wir uns über den Unternehmungscharakter und die Finanzierung der sogenannten Zuschußunternehmungen im Zeitungs- und Zeitschriftenwesen klar werden wollen, vier Verlagstypen unterscheiden, die sich zum Teil eng ein die angeführten Unternehmerkategorien anschließen. Der erste Typus ist der der Kostendeckungsunternehmungen, das sind solche, deren Finanzierung von den f ü r notwendig erachteten, pleinmäßig aufgestellten Kosten ausgeht. Bei ihnen wird der durch Einnahmen aus dem Zeitungs- oder Zeitschriftengeschäft nicht gedeckte Teil der Kosten aus Einkünften von außen bestritten. Hierher gehören regelmäßig die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage des Staates und seiner Behörden, also die Verlage offizieller, vom Staate verlegter Zeitungen und Zeitschriften universellen Inhalts, der Regierungs- und Ministerialblätter (Gesetzes- und Verordnungsblätter), der reinen Amtsverkündiger, ferner der Amtsblätter der Gemeinden, der Kirchen, zum Teil der Zeitschriften von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen. Der zweite Typus nähert sich i m Unternehmungscharakter und in der Finanzierung den privaten Erwerbsunternehmungen, man könnte sie vielleicht die Aufgabenund Einnahmen- Angleichsunternehmungen nennen: Sie schränken, soweit es nur immer die Vertretung ihres Programms, die Erfüllung ihrer Aufgabe gestattet, ihre Ausgaben nach den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln aus dem Verlagsgeschäft und mehr oder weniger gesicherten anderweitigen Einkünften ein; ihre Finanzierung ist also bereits von der Einnahmenseite her bestimmt. Zu ihnen sind vor edlem zu zählen die Verlagsunternehmungen der politischen Parteien und wirtschaftspolitischen Organisationen, sonstiger Verbände und Vereine; alle diese müssen die Kosten für ihre Periodika, die nicht vom Verlagsgeschäft aufgebracht werden, i m allgemeinen aus den begrenzten Mitgliedsbeiträgen, bestenfalls aus gelegentlichen Zuwendungen von Anhängern und Gönnern bestreiten. Dagegen ist beim Typus der reinen Zuschußunternehmungen jede Rücksicht auf die „Wirtschaftlichkeit" ausgeschaltet; die Idee, das Programm, denen die Zeitung oder die Zeitschrift dienen soll, dürfen ihre Anforderungen voll entfalten, und ihnen wird, unter
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Umständen koste es, was es kosten mag, Rechnung getragen. Ein oder mehrere begeisterte oder sonstwie lebhaft interessierte Anhänger der Idee, des Programms gewähren Zuschüsse ä fonds perdu. Bei den hohen Kosten, die die Herstellung einer weithin wirksamen Zeitung erfordert, sind solche Unternehmungen im Zeitungswesen außerordentlich selten, sie kommen aber auch im Zeitschriftenwesen nur vereinzelt vor. Eine besondere Stellung nimmt der vierte Typus der Zuschußunternehmungen ein, der der mittelbaren Ertragsunternehmungen, deren wichtigste die „ W e r k " - oder „Firmenzeitschriften" (im weiteren Sinne) sind, in die aber auch die oben erwähnten „Shopping N e w s " eingereiht werden können. Die Werk- oder Firmenzeitschriften sind zwar für sich betrachtet Zuschußuntemehmungen, aber sie haben den Zweck, ob sie nun für Angestellte und Arbeiter im Betrieb, f ü r Verkäufer, Vertreter oder Händler, oder für die Kunden bestimmt sind, mittelbar den Ertrag des Werkes, der Firma oder Firmenvereinigung zu erhöhen (vgl. Bd II, S. 355ff.), und zu dem nämlichen Zweck lassen die Warenhäuser ihre „Shopping N e w s " erscheinen. Nur bei dem dritten Typus könnte man von „UnWirtschaftlichkeit" sprechen, bei seinen Verlagen Bedenken haben, sie als „wirtschaftliche Unternehmungen" anzusprechen. Aber auch ihnen fehlt doch nicht das Bemühen, die erforderlichen Zuschüsse durch Sparsamkeit einerseits, durch Erweiterung des Absatzes andererseits zu verringern; auch bei ihnen ist es durchaus nicht ausgeschlossen, daß die Verlage, ohne damit die Vertretung der Idee, des Programms zu schwächen, durch Eifer und Geschick die wirtschaftliche Basis zu erweitern und zu verstärken suchen; auch bei ihnen ist das Daraufloswirtschaften eine Sünde wider den Geist des Verlags, nicht anders als das Verschwenden bei einem privaten Erwerbsunternehmen. Wegen solcher Entartungserscheinungen kann mein der ganzen Gruppe so wenig das Prädikat der „ U n t e r n e h m u n g " verweigern, wie den privaten Erwerbswirtschaften, unter deren Unternehmern es auch schlechte Wirtschafter gibt. In der Art und dem Grad der Wirtschaftlichkeit unterscheiden sich also allerdings die vier Typen, und sie heben sich auch in ihrer geschäftlichen Organisation und Tätigkeit untereinander und von den Ertragsunternehmungen bald schärfer, bald weniger scharf ab. Bei dem ersten Typus, den Unternehmungen des Staates, der Gemeinden, Kirchen usw., bei denen die Ausgaben im Voranschlag (Etat) festgelegt sind, wird sich der Verlag an diesen halten und dabei möglichst sparsam wirtschaften. Die Stoffbeschaffung ist ebenfalls gesichert, dem Verlag erwachsen daraus keine besonderen Aufgaben. Das gilt vor allem für die Gesetzes- und Verordnungsblätter der Regierungen, Ministerien und sonstiger Behörden, für Amtsverkünder, für die meisten An-
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stalts- und Stiftungszeitschriften. Weiter ist bei diesen Zeitschriften die Abnehmerschaft bestimmt und damit auch die ziemlich stationäre Höhe der Auflage. Anzeigen, wenn sie überhaupt aufgenommen werden, fallen aus dem Geschäftsbereich der Behörden usw. ohne weiteres ein, etwaige private Inserate hängen gleichfalls damit zusammen, es bedarf regelmäßig für sie so wenig wie für den Absatz einer besonderen Werbung. Es geht also bei diesen Verlagen alles seinen gleichmäßigen, geregelten Gang. Etwas anders liegen die Dinge dann schon bei den allgemeinen Zeitschriften und besonders bei den Zeitungen des Staates oder der Gemeinden. Diese Periodika treten in Konkurrenz mit den privaten Erwerbsunternehmungen, wollen wie diese auf die breite Öffentlichkeit wirken. Allerdings auch ihre Finanzgebarung ist im großen ganzen in einen etatmäßigen festen Rahmen gespannt, auch ihnen wird großenteils der Stoff geliefert, häufig können sie sich auf Zwangsabonnements und Zwangsinserate stützen. Aber die Konkurrenz auf dem öffentlichen Markt drängt sie in neuerer Zeit stärker zu regeren geistigen wie geschäftlichen Anstrengungen, ihre Periodika sollen von den Zwangsabonnenten nicht nur gehalten, sondern auch gelesen werden, sollen über deren Kreis hinaus Interesse und Abnahme finden, und auch das Anzeigengeschäft wird gepflegt, um das Defizit zu verringern und den Inhalt reicher ausgestalten zu können. Wie die Herausgabe, so strengt sich auch der Verlag solcher Zeitungen und Zeitschriften heute nicht selten ein, mit den privaten Unternehmungen Schritt zu halten. Das ist noch in weit höherem Maße der Fall bei den Unternehmungen der politischen Parteien und sonstiger politisch tätiger Organisationen, die sich erst recht nicht damit zufrieden geben können und wollen, bloße „Vereins "organe zu sein, zu Lesern und Inserenten nur Mitglieder zu haben. Bei manchen dieser Verlage unterscheidet sich das geschäftliche Gebaren kaum von dem der Ertragsunternehmungen, sie rechnen scharf und rühren sich fleißig, um ihre Einnahmen aus Verkauf und Anzeigengeschäft zu steigern. Erinnert sei an die Entwicklung der deutschen sozialdemokratischen Presse, die sich wie im Geistigen so im Wirtschaftlichen der „bürgerlichen" Presse anzunähern suchte. Sie nahm ein kapitalistisches Gepräge Ein, bemühte sich, den Anzeigenteil auszubeuten, entfaltete eine rege Werbetätigkeit für ihn und den Absatz, und über die Wahrung wirtschaftlicher Grundsätze in ihr wachte die „Konzentration A. G . " (vgl. G R O T H , Die Zeitung, Bd. II, S. 412f., 429f.). Dagegen sind die Verlagsunternehmungen der Verbände und Vereine meist ähnlich einfach gelagert wie die der spezialisierten Zeitschriften des Staates oder wie die der Amtsblätter der Stadtgemeinden, kirchlichen Institutionen. Auch bei ihnen ist der Leserkreis durch die Mitgliedschaft gegeben, der Text wird — oft kostenlos — von den Ver-
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bands- und Vereinsorganen und von den Mitgliedern geliefert, seine Beschaffung verlangt n u r geringe Ausgaben, keine selbständige Organisation, Anzeigen werden durch den Zweck des Verbands und den Absatz, den durch diesen das Periodikum hat, herangezogen. Bei den Werk- oder Firmenzeitschriften schließlich wird das Geschäftliche im Zusammenhang mit der Wirtschaft des Gesamtunternehmens und in dem nämlichen strengen Geist der Wirtschaftlichkeit wie diese erledigt. Die Einfachheit der Organisation u n d der Geschäftsgebarung, die so wohl den meisten Zuschußunternehmungen eigen ist, ergibt sich auch daraus, daß sie — mit Ausnahme der Zeitungsunternehmungen der Parteien u n d sonstiger politisch tätiger Organisationen — meist keine eigenen Druckereien besitzen, sie den Druck ihrer Periodika in der Regel einer Lohndruckerei übertragen (das Verhältnis ist praktisch auch nicht anders da, wo ein Staat seine Zeitungen und Zeitschriften in seiner eigenen Druckerei herstellen läßt). Recht beschränkt ist jedoch bei fast allen diesen Verlagsunternehmungen die Möglichkeit, Verlag und Herausgabe zu vereinfachen und zu verbilligen durch gemeinsame Herstellung. Wiederum mit Ausnahme der Periodika, die von Parteien und sonstigen politisch tätigen Organisationen verlegt werden, kommt eine solche Vereinfachung und Verbilligung der Produktion kaum vor (Für seine kommunalen Anzeigenblätter hat B Ü C H E R den Bezug des allgemeinen unterhaltenden und belehrenden Textes, mit dem er die Lektüre dieser Blätter Einziehender machen wollte, von einer Zentrale in Matern oder Platten vorgeschlagen). Die Gründe, w a r u m die Verlage dieses kostenersparende Verfahren nicht wählen können, sind einmal die Einzigkeit des Periodikums —• der Staat bedarf z. B. n u r eines Regierungsblattes, n u r einer offiziellen Staatszeitung, f ü r jedes Ministerium n u r eines Verordnungsblattes —, sodann der spezialisierte Zweck und die Individualität der Gestaltung. Die Zeitschriften der „reinen" Zuschußunternehmungen sind durchgängig so einzigartig, ihr gesamter Inhalt ist ihrem ganzen Wesen nach auf eine spezielle Idee, auf ein bestimmtes Programm zugeschnitten, ihre Wirksamkeit beruht so sehr auf ihrer Individualität, daß jede Uniformität bei ihnen von vornherein ausgeschlossen ist. Bei den Firmenzeitschriften, die in immer größerer Zahl erscheinen, ist innerhalb der Grenzen eines Wirtschaftszweiges an sich die Möglichkeit zentraler Produktion gegeben. Eine solche kommt vor bei jenen Kundenzeitschriften, die zwar von bestimmten einzelnen Firmen (Detailgeschäften, wie Apotheken, Drogerien, Textilläden, Friseurgeschäften usw.) an ihre Kunden kostenlos zur Reklame abgegeben werden, deren Inhalt sich aber nicht auf die Waren und Leistungen speziell dieser Firmen, sondern des Erwerbszweiges überhaupt bezieht. Diese Kunden-
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Zeitschriften werden von dem Berufsverband des Erwerbszweiges oder von Privatverlagen hergestellt und, lediglich mit einer jeweiligen „Inhaltsänderung", nämlich dem Eindruck des Namens der verteilenden Detailfirmen versehen, an diese zur Förderung ihres Absatzes geliefert. Aber es ist richtig, was B. PENNDORF 5 ZU den von dem Dinta gelieferten VordruckWerkzeitschriften bemerkt: Diese Praxis „muß bedenklich stimmen, denn solche Zeitungen verlieren leicht ihre Wirksamkeit dadurch, daß sie zu wenig auf die Werkverhältnisse zugeschnitten sind". Beruhen schon Wert und Wirkung einer Zeitung auf der individuellen Gestaltung für ein relativ abgegrenztes Publikum, so wird eine persönliche Eigenart um so mehr von der Zeitschrift gefordert, die sich an die speziellen Interessen eines ganz bestimmten Publikums wendet und sie trotz der Erschwernis eines selteneren Erscheinens stark und dauernd fesseln soll. Unsere Skizze beweist, daß sich die Behauptung von der „Unwirtschaftlichkeit" als einem gemeinsamen Charakteristikum der Zuschußunternehmungen nicht aufrechterhalten läßt, daß vielmehr auch bei ihnen im allgemeinen, wenngleich nicht nach rein privat-ökonomischen, so doch nach ökonomischen Grundsätzen überhaupt verfahren wird, daß deren Nichtachtung eine Ausnahme ist, die ihren Grund in menschlichen Fehlern und Mängeln hat, und daß auch sie, ordnungsgemäß geführt, stets auf einen „Ertrag" des in ihnen investierten Kapitals bedacht sind, der allerdings sehr häufig ideeller Art ist. Es gibt kein zweckbewußtes Handeln und darum kein „Unternehmen", das nicht von der Absicht auf einen Ertrag geleitet wäre, und es gibt kein zweckbewußtes Hemdein und darum kein Unternehmen, das auf die Wahrung des ökonomischen Prinzips verzichtete. Beides beruht auf einer „allgemeinen Vernunftregel" 6 . Die Bedingungen der Gründung und des Gedeihens der Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmungen wurden in unseren bisherigen Erörterungen schon wiederholt berührt. Jetzt können wir zusammenfassend feststellen, daß zu einem lebenskräftigen und erfolgreichen Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen folgendes erforderlich ist: in erster Linie ein empfängliches und empfangbereites Publikum. Es müssen Menschen in genügender Zahl vorhanden sein, die fortlaufend nach den Idealgütern des Periodikums verlangen, die fähig und willens sind, sie aufzunehmen und geistig zu verarbeiten und sie zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse zu benützen; es muß also eine Masse von geistig entwickelten Menschen vorhanden sein, die von den Vorgängen und Betätigungen einer über den unmittelbaren Lebenskreis hinausreichenden Gegenwelt ständig berührt werden und daher an ihnen passiven wie aktiven Anteil nehmen. Das ist die Grundvoraussetzung, zu der
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vor allem in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, die eine unentgeltliche Lieferung des Periodikums nur ausnahmsweise kennt, auch die Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft dieses Publikums kommen. Die geistige ,,Disposition" des Publikums zur Zeitung oder Zeitschrift und wirtschaftliche bildet den Ausgang einer jeden Prüfung der Aussichten für ein neues Unternehmen. Diese Prüfung hat sich sowohl auf die „Disposition" des Leser- wie des Inserentenpublikums zu erstrecken — wo die Kundschaft noch als „ein befriedeter Bezirk" gilt, da ist keine Disposition für Geschäftsanzeigen —, sie ist also eine sehr schwierige und komplizierte Prüfung, der sich häufig die planenden Herausgeber und Verleger, die privaten und erst recht die kollektiven und institutionellen, nur oberflächlich unterziehen, über deren Ansprüche sie sich oft täuschen und die sie deshalb auch nicht bestehen. Das frühzeitige Dahinkränkeln, die „Kindersterblichkeit", die das Zeitungs- und Zeitschriftenwesen aufweist, sind viel öfter Folgen einer ungeprüften, fehlerhaften und allzu optimistischen Gründung als einer ungenügenden und fehlerhaften Führung (vgl. Bd. II, S. 375). Vor allem in geistig bewegten, in revolutionären Zeiten steigern sich die Gründungen von Zeitungen und Zeitschriften. Viele, die sich in normalen Zeiten damit begnügen, in geschlossenen Kreisen zu debattieren utid ihre Meinungen kundzutun, fühlen jetzt den unwiderstehlichen Drang, sich öffentlich auszusprechen, ihre Bestrebungen und Erregungen jedermann mitzuteilen, die Massen für ihre Ideen zu begeistern, und dieser Drang enthebt sie der Mühe, siph Klarheit über die Bedingungen des geplanten Unternehmens zu verschaffen. Der Optimismus in der Erwartung der Wirkung und des Erfolgs ist verbreiteter als der vorsichtige Pessimismus in der Beurteilung der wirtschaftlicher! Erfordernisse. Da wird dann nicht danach gefragt, wie stark voraussichtlich in der Öffentlichkeit die Resonanz sein wird, mit welchen Wettbewerbern man zu rechnen hat, ob die Bevölkerung die Fähigkeit und Bereitwilligkeit hat, auf das Programm einzugehen. In der festen Zuversicht, leicht die allgemeine Aufmerksamkeit für ihre Einfälle und Kritiken gewinnen zu können, halten sich die Heilsbringer und Ideenkämpfer so wenig, wie mit der Prüfung der eigenen wirtschaftlichen und geistigen Kräfte, mit der der geistigen und wirtschaftlichen Kräfte des Publikums auf, und es wird frisch suis Werk gegangen, mit dem Erfolg, daß ihnen der Atem schon nach Tagen oder Wochen, häufig schon mit der ersten oder zweiten Nummer ausgeht. Hierher gehören auch die zahlreichen Gründungen, die regelmäßig im Gefolge voh Bevölkerungsverschiebungen und -bewegungen vorgenommen werden. Man kann beobachten, daß Auswanderer und Kolonisten sehr leicht geneigt sind, in dem fremden Lande ihre Verbindung durch Zeitungen oder Zeitschriften 3
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zu erhalten und zu festigen. Die Deutschen und andere Nationen schufen sich in den nord- und südamerikanischen Ländern eine Überzahl von Zeitungen und Zeitschriften, die ein oft recht kurzfristiges Leben hatten, weil die Menge der in Betracht kommenden Leser von vornherein zu gering, deren Ausbreitung zu zerstreut, ihr Zusammenhalt zu locker war. Die Auswanderer verloren meistens sehr rasch ihr nationales Bewußtsein und wurden von ihrem Wirtsvolk aufgesogen. Als sich nach dem Siege des Bolschewismus ein Strom von Flüchtlingen in die Biesenstädte des Westens ergoß, da entstanden in Berlin, Paris, London usw. eine Reihe miteinander konkurrierende Zeitungen und Zeitschriften, die sich aus ideellen wie materiellen Gründen heftig bekämpften und binnen kurzem wieder fast völlig verschwanden. Ähnliche Beobachtungen ließen sich an den zahlreichen Gründungen machen, die im Ausland nach dem Siege des Nationalsozialismus für die deutschen Emigranten auftauchten. Auch Zeiten wirtschaftlicher Hochkonjunktur geben einen günstigen Nährboden für unüberlegte Gründungen ab. Das Kapital sitzt locker, Kredit ist leicht zu haben, alles erscheint in Rosarot, und in dem Glauben an die Dauer der wirtschaftlichen Blüte und in der Hoffnung auf einen reichlichen Anteil ein dem Gewinn rasch zugreifenden Unternehmungsgeistes gründet mancher darauf los, er fragt nicht weiter, ob denn auch für die geistigen Güter, deren Vermittlung dem Periodikum obliegt, die Nachfrage so stark sei, wie sie in solcher Zeit nach materiellen Gütern zu sein pflegt, ob für ein Unternehmen von Dauer, das in der Regel das Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen sein will, in ungünstigen Zeiten nicht der Absatz bedrohlich sinken, das Inseratengeschäft gefährlich stocken werde. Vor jeder Gründung eines Periodikums, auch und gerade in einer Zeit politischer oder geistig-kultureller Bewegung oder wirtschaftlichen Gedeihens, ist der Boden daraufhin zu untersuchen, ob er geeignet ist, die Saat, die man aussäen will, aufzunehmen und zur Frucht zu bringen; oder soziologisch ausgedrückt, es ist der „soziale Raum" zu erforschen, in dem man wirken will, in dem ein das Unternehmen tragendes Publikum zusammengebracht werden soll. Man hat die „Masse", auf die das Periodikum berechnet ist, zu analysieren nach Zahl und Umfang, Dichtigkeit und Verteilung, Alter und Geschlecht, Bildung und Beruf, Wirtschaftsstruktur und Einkommenschichtung, und es ist zu fragen nach ihrer geistigen Regsamkeit, ihrer gesellschaftlichen Gliederung, nach ihrer Teilnahme am öffentlichen Geschehen, der Lebhaftigkeit ihrer Beziehungen, nach der Weite und Vielfalt ihrer wirtschaftlichen Verflochtenheit. Die zweite Bedingung einer erfolgreichen Gründung eines Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmens ist die richtige, verständnisvolle Abgrenzung, die
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Absteckung. des Arbeitsfeldes, das sich das Unternehmen auf diesem Boden für seine Zwecke speziell erwählen will und kann. Es handelt sich also u m jene regionale oder soziale Selbstbeschränkung, von der wir bei der Untersuchung der Publizität sprachen, bei den Zeitschriften insbesondere auch u m die stoffliche Spezialisierung. Im engsten Zusammenhang damit steht die Frage der Konkurrenz der bereits bestehenden Unternehmungen und der eigenen Konkurrenzfähigkeit. Täuschungen darüber sind für zahllose Unternehmungen schon tödlich gewesen. Gerade im Zeitungs- und Zeitschriftenwesen haben die bereits eingeführten Unternehmungen einen festen Stand, der nur sehr schwer zu erschüttern, jedenfalls nur in längerer Zeit mit erheblichem Aufwand finanzieller Mittel und mit Darbietung besserer Leistungen zu erobern ist und neben dem neuer freier Boden kaum je zur Verfügung steht und besetzt werden kann. Man spricht mit guten Gründen von dem „Monopol" alter Unternehmungen, und es gehört zu den ersten Bedingungen einer neuen Unternehmung, auszukundschaften, ob und welche Lücke tatsächlich noch in der Versorgung einer an sich aufnahmefähigen und aufnahmewilligen Bevölkerung besteht. Bei sehr spezialisierten Zeitschriften ist auch zu erwägen, ob fortlaufend so viel Stoff zur Verfügung steht, daß damit sich das periodische Erscheinen einer eigenen Zeitschrift rechtfertigt. Nicht etwa bloß Zeitschriften, die ihr Dasein einer Marotte verdanken, kranken und sterben an geistiger Blutarmut, sondern auch manche Fachzeitschrift muß bald erkennen, daß das Leben und Schaffen auf dem von ihr erwählten Gebiet allein zu gleichmäßig und ereignisarm verläuft, als daß sie davon dauernd leben könnte. Bei den heutigen Gesellschafts- und Verkehrsverhältnissen und bei der heutigen Organisation der journalistischen Stoffbeschaffung braucht zwar keine Zeitung - mehr zu fürchten, daß ihr je der allgemeine Stoff ausgehen werde — früher und besonders bei den älteren Zeitungen war das anders, sie konnten nicht immer ihre vier Oktav- oder Kleinquartseiten füllen —, aber so manchem Orts- und Bezirksblättchen gebricht es an dem lokalen Stoff, von dem gerade es seine besondere Existenz bestreiten will. Mit ein paar dürftigen und seltenen Mitteilungen aus der Gemeindeverwaltung, einigen schwulstigen Vereinsnachrichten und sonstigen Reklamenotizen, mit einer armseligen Chronik kleiner Unfälle, Material, das tropfenweise während des Jahres einfällt und größtenteils jedermann am Orte selbst bekannt ist, kann das Lokale einer Tageszeitung nicht aufgebaut werden, und so fristet manches sogenannte „Heimatblatt" mit Hilfe einer Vordruckzeitung ein klägliches Dasein, bis eine leistungsfähigere Konkurrenz aus der benachbarten Großstadt oder die Verschlechterung der Konjunktur dem überflüssigen siechen. Geschöpf das Lebenslicht ausbläst. 3«
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Eine Selbstverständlichkeit unter den Bedingungen jeder Zeitungs- und Zeitschriftengründung sind, oder richtiger sollten sein, Klarheit und Verfügungsmacht über die für ein solches Unternehmen erforderlichen wirtschaftlichen und geistigen Mittel. Wir sprachen oben davon, daß in erregten Zeiten Periodika ohne jede Prüfung der eigenen wirtschaftlichen und geistigen Kräfte gegründet werden; schon deshalb und nicht bloß wegen des Abflauens und Erlöschens der Erregung gehen solche Gründungen nach kurzem und kürzestem Bestand zugrunde. Es liegt aber in der geistigen Natur der Zeitung und der Zeitschrift, daß sie häufig aus ideellen Motiven und mit allen notwendigen geistigen Kräften in Angriff genommen werden, daß aber ihr wirtschaftliches Fundament ganz ungenügend ist. Allzu groß ist die Verlockung, das geistige Kapital in einer eigenen Schöpfung zu verwerten, allzil leicht die Hoffnung, damit einen Erfolg zu erzielen, so rasch zu reüssieren, daß die wirtschaftliche Schwäche überwunden werden kann. Der richtige Idealist denkt ja überhaupt nicht Ein die materiellen Realitäten, sondern1 Sein Geist fliegt über sie seinen Idealen und Zielen zu, das wirtschaftliche Kalkulieren ist nicht seine Sache, und da Geist und Kapital sehr häufig nicht beisammen sind, sich auch nicht zu finden wissen, so ist das Ende meist sehr rasch da. Oft fehlt es aber nicht bloß dem Geist an Kapital, sondern dem Kapitell auch an Geist, und es kann ihn nicht einmal kaufen. An die geistigen und technischen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Vermittler und Produzenten als Bedingungen des Unternehmens denkt man Sehr häufig nicht. Aber von den technischen Arbeitern und kaufmännischen Angestellten ganz abgesehen muß zunächst der Verleger als der wirtschaftliche Unternehmer nicht bloß über wirtschaftliches, sondern auch über geistiges Kapitel verfügen, und das u m so mehr, je komplizierter und umfassender der Apparat des Unternehmens, je weitreichender und differenzierter die Verbreitung des Werkes ist. Sodann bedarf er in besonderem Maße der geistigen Hilfe. Er muß intellektuell und charakterlich qualifizierte Korrespondenten und sonstige Mitarbeiter zur Verfügung haben, die geeignete Idealgüter herstellen, intellektuell und charakterlich qualifizierte Herausgeber und Schriftleiter, die die Herstellung der Idealgüter anregen und organisieren, die fertigen Produkte beurteilen und bearbeiten. So sind nicht weniger als finanzielle auch geistige Mittel zu jedem Periodikum unentbehrlich, denn es „tragt jedes Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen seinem Wesen nach den D u a lismus der geistigen Herausgabe und des wirtschaftlichen Verlags in sich". In der Jugend der Zeitung war es auch des Mangels an journalistischen Kräften wegen für die Drucker nicht ganz einfach, sich das Material zu einer jede Woche einmal erscheinenden Zeitung zu beschaffen und dafür erforderlichen-
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falls einen Bearbeiter zu bekommen. Nur in den Mittelpunkten des Verkehrs und des Handels, in den Zentren des Staates und der Wissenschaft konnten sich zunächst Zeitungen ansiedeln. Erst recht mußten die frühesten Zeitschriften, die Gelehrten-, aber auch die Politisch-historischen Zeitschriften, zuerst einmal einen „Herausgeber" haben, der nur in geistig fortgeschrittenen Städten zu bekommen war. Auch heute noch kann in Ländern mit unentwickelter Kultur kein Zeitungs- und besonders kein Zeitschriftenwesen aufkommen, in erster Linie nicht, weil es an einem aufnahmefähigen und aufnahmebereiten Publikum oder an den nötigen finanziellen Mitteln und technischen Einrichtungen mangelt, sondern weil keine intellektuelle Oberschicht da oder sie zu schwach ist, die geistigen Kräfte zu einem ständigen Unternehmen zu stellen. Ein verbreitetes Analphabetentum, wenn es nur interessiert ist, läßt sich, wie zahlreiche Erfahrungen beweisen, durch Vorlesen oder durch Bilder erfassen, aber das hat zur Voraussetzung eine Intelligenzschicht, die die Zeitungen schreiben, die Bilder aufnehmen kaum. Wir sind heute bei dem Uberangebot geistiger Kräfte und der Entwicklung des Verkehrs und der Technik in den Ländern des europäisch-amerikanischen Kulturkreises geneigt, diese Bedingung überall als gegeben Einzunehmen, uns darüber keine Gedanken zu maichen. Aber schon da ist in engen Verhältnissen die Frage, wer den Inhalt liefert, nicht immer leicht zu beantworten. Man denke einmal an die Schwierigkeiten, einen beachtlichen und prompten Korrespondentenstab in den Gemeinden der Nachbarbezirke des Verlagsortes aufzubauen; und in Ländern, die sich erst der westlichen Kultur erschließen, wird die Frage nach dem geistigen Hersteller die wichtigste. Daß genügende finanzielle Mittel zur Gründung und zum Betrieb des Unternehmens zur Verfügung stehen müssen, darüber ist man sich eher klar, hier irrt man sich häufiger über das erforderliche Quantum. Mein weiß nicht, daß eine Neugründung im Zeitungs- und Zeitschriftenwesen oft einer jahrelangen Anlaufszeit bis zu einem auch bescheidenen Erfolg bedarf, daß jedes einigermaßen bedeutendere Unternehmen kostspielige Vorarbeiten und Vorversuche verlangt, mim schätzt die finanziellen Anforderungen der Werbung und des Vertriebs falsch ein usw. Da sich die finanzielle Schwäche häufig mit der Täuschung über die wirtschaftliche Ergiebigkeit des Arbeitsfeldes paart, so trägt ein solches Unternehmen trotz allem geschäftlichen Eifer und journalistischen Geschick den Todeskeim schon bei seiner Geburt in sich. Das Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen ist zwar an sich weder ein Transport- noch ein Industrieunternehmen, sondern ein Vermittlungsunternehmen, das aber Transport und Materialisation zu Voraussetzungen hat und oft diese beiden Funktionen übernimmt, übernehmen muß. Zu seinen Be-
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dingungen gehören daher, wie der Verkehr selbst, die Menge, Ausdehnung und Innigkeit der zwischenmenschlichen Beziehungen, so auch die Mittel des Verkehrs und der Technik für Produktion und Vir trieb. Erst die Schaffung regelmäßiger Postkurse machte die Schöpfung der Zeitung möglich, und keine Zeitung oder Zeitschrift kann ohne die Sicherheit des Bezugs der Materialien und des Vertriebs der Produkte gegründet werden. In der Jugendzeit des Periodikums bereitete dem Unternehmer der Transport der geistigen Güter und ihrer Materialisationen nicht weniger Sorge als die Gewinnung ihrer Verfasser und Bearbeiter. Das ganze Zeitungs- und Zeitschriftenwesen war an ein einziges regelmäßiges Beförderungsmittel für Nachrichten, materielle Güter und Personen gebunden, dessen Pünktlichkeit und Sicherheit zudem mannigfach bedroht waren, die reitende und fahrende Post; nur wo Posten eingerichtet waren, konnte an die Gründung einer Zeitung gedacht werden, und so schlössen sich die Unternehmungen des Periodikums den Knotenpunkten der Postkurse an. Auch heute gibt es sogar in fortgeschrittenen Kulturländern Räume, die vielleicht weniger wegen der Schwierigkeiten der Stoffbeschaffung als des Vertriebs überhaupt kein oder doch nur ein selteneres Erscheinen einer Zeitung gestatten, und in anderen Ländern gilt heute noch, was für die ältesten Periodika zu sagen war, daß sie nur in Zentren des Verkehrs gegründet werden können. Immerhin, das sind Besonderheiten,- Ausnahmen in der allgemeinen Verbreitung der reichen Hilfsmittel des heutigen Verkehrs; im allgemeinen stehen in der heutigen Kultur des Erdballs überall hin und von überall her den Unternehmungen des Periodikums Einrichtungen schnellster, sicherer und pünktlicher Beförderung zur Verfügung, ihnen bieten Post, Eisenbahn, Auto, Flugzeug, Telegraph, Telephon und zuletzt Rundfunk und Fernschreiber immer neue, günstigere Bedingungen für den Bezug der geistigen und materiellen Güter und den Vertrieb der fertigen Produkte. Aber um so stärker und vielfältiger sind zusammen mit den gesteigerten Ansprüchen ein die Leistungen und den Verschärfungen des Wettbewerbs im gesamten Bereich des Zeitungs- und Zeitschriftenwesens auch die Abhängigkeiten von den Verkehrsmitteln geworden, und jedes Unternehmen muß sich den Bedingungen fügen, die sie ihm diktieren. Der gesamte geistige wie materielle Herstellungsprozeß, die Erscheinungsweise, die Verteilung der Auflage müssen nach ihnen geregelt werden, und die Transportmöglichkeiten bestimmen auch heute noch vielleicht noch energischer als vor dreieinhalb Jahrhunderten das Verbreitungsgebiet, die tatsächliche Publizität und damit den geschäftlichen Erfolg des Unternehmens und die geistige Wirkung des Werkes. Von der nämlichen Bedeutung sind die Mittel der Mate~ rialisation. Auch hier hat die Technik den Zeitungs-und Zeitschriftenunter-
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nehmungen weite Expansionsmöglichkeiten geschaffen. Bis tief ins 19. Jahrhundert erlaubte der Handsatz n u r eine verhältnismäßig geringe Stoffmenge in einer längeren Arbeitszeit zu bewältigen, und wie langsam vollzog sich auf der Handpresse die Vervielfältigung! Es brauchte mehrere Pressen, die auch noch viele Stunden betätigt werden mußten, u m n u r die Auflage von einigen tausend Exemplaren zu drucken. Nicht weniger als die Dürftigkeit des Inseratengeschäfts in der damaligen gebundenen Wirtschaft und Gesellschaft verhinderte die ebenfalls noch vornehmlich auf die menschliche Arbeitskraft angewiesene Herstellung des Papiers aus Lumpen eine Herabsetzung der Zeitungspreise und beschränkte die Verbreitung der regelmäßigen Zeitungsund Zeitschriftenlektüre auf die wohlhabenderen Klassen. Heute gestatten Setzmaschinen die Bewältigung größter Stoffmassen in weit kürzerer Zeit, Stereotypie und Rotationsmaschine, zum mindesten die Schnellpresse, in wenigen Stunden den Druck von Auflagen, die in die Zehntausende, Hunderttausende und Millionen gehen. Aber wie haben sich auch dadurch, nicht anders als bei den Verkehrsmitteln, die wirtschaftlichen und technischen Abhängigkeiten gesteigert! Früher bedurfte der technische Betrieb lediglich einer kleinen Zahl Arbeitskräfte, von denen jede die verschiedenen Arbeitsgänge besorgen konnte, der „Schweizerdegen". Heute erfordert schon ein relativ bescheidenes Unternehmen einen ansehnlichen, vielfältigen-Maschinenpark, der von einer arbeitsteilig gegliederten Belegschaft bedient werden muß. In dieser Abhängigkeit von der Produktionstechnik macht es keinen prinzipiellen Unterschied, ob die Herstellung im Lohndruck vergeben wird oder in der eigenen Druckerei erfolgt. Auch der Unternehmer, der im Lohndruck arbeiten läßt, m u ß auf die technische Leistungsfähigkeit wie auf die Transportverbindungen der Lohndruckerei achten, und ebenso der kleine Zeitungsunternehmer, der Matern, Platten oder eine Vordruckzeitung bezieht. Allerdings aber n i m m t die Abhängigkeit von der Produktionstechnik bei einem größeren Unternehmen zu, das mit einer eigenen Druckerei arbeiten m u ß . Da wächst das Zeitungs- und manches Zeitschriftenunternehmen zu einem großen und komplizierten Mechanismus herein, dessen Apparat mit der feinsten Präzision arbeiten und dem sich jedes, auch das kleinste Glied mit peinlichster Pünktlichkeit einordnen m u ß . Und je höher die Ansprüche an das Periodikum, je schärfer die Konkurrenz, desto rigoroser das Diktat der Technik, "desto widerstandsloser m u ß das Unternehmen ihren Fortschritten folgen. Schließlich hat das Unternehmen mit den Begünstigungen oder den Hemmungen durch natürliche Gegebenheiten und kulturell-soziale Machtfaktoren zu rechnen. Die Herrschaft der natürlichen Bedingungen ist schwächer gewor-
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den, aber sie ist nicht völlig beseitigt. Früher förderte ein großer, schiffbarer Strom, förderte ein günstiger Zugang zum Meer die Zeitungs- und Zeitschriftengründung, das Gebirge erschwerte oder machte sie sogar unmöglich. SCHWARZKOPF verweist auf den mit Zeitungsfabriken eingefaßten Rhein: „Selbst da, wo es an zentralen Posten, am Seehandel und größeren Kommerz fehlte, war die Neuigkeitszufuhr auf schiffbaren Strömen hinreichend. Daher siedelten sich selbst in kleineren Städten Zeitungen an, und der Rheinstrom ist von der Quelle bis zu den vielarmigen Mündungen mit Zeitungsfabriken bedeckt". Beispiele für die Hindernisse, die ein Bergland der Gründung, Ausbreitung und Erscheinungsweise der Zeitungen bereitet, gibt das schlesische Gebirgsgebiet trotz seiner Industrialisierung (vgl. GROTH, Die Zeitung, Bd. I, S. 269 nach PITTIUS, Die politische Tagespresse Schlesiens, S. 31. Sorau 1914). Auch die Klima- und Witterungsbedingungen eines Leindes sind keineswegs für die Entstehung und Entwicklung der periodischen Presse bedeutungslos. Und zu den natürlichen Gegebenheiten, die begünstigend oder hemmend auf den Journalismus einwirken und auf die daher seine Unternehmungen zu achten haben, gehören auch biologische Veranlagungen, insbesondere die psychischen Rasseeigentümlichkeiten. Aber ungleich einflußreicher sind die politischen und wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und geistig-kulturellen Machtfaktoren, und keine Unternehmung darf die Bedingungen ignorieren, die sie an das Periodikum stellen. Die Kirche und die Wissenschaft müssen von diesem respektiert werden, in einem katholischen Lande liegen die Verhältnisse für die periodische Presse wesentlich anders als in einem protestantischen, und die Wissenschaft, ihre Institutionen und ihre Vertreter nehmen nach Zeit und Volk eine wechselnde Stellung zur Zeitung und Zeitschrift ein. Eine demokratische Gesellschaft, eine freie Wirtschaft bieten der periodischen Presse für Absatz und Inseratengeschäft einen ungleich günstigeren Boden als eine ständische und von Kastengeist geleitete Gesellschaft, als eine zünftlerische, auf Privilegien beruhende Wirtschaft. Daß von den Wirtschaftsmächten, von den Banken und Industrieunternehmungen und ihren Verbänden, aber auch von den Organisationen des Gewerbes und der Landwirtschaft Förderungen oder Hemmungen ausgehen, das bedarf keines Nachweises durch Beispiele. Aber die Bedeutung aller dieser Faktoren für das Periodikum und damit für dessen Unternehmungen wird übertroffen durch den ungeheuren Einfluß, den der Staat, seine Größe wie seine Verfassung, seine Regierung wie sein Parteiwesen, ausübt, und neben dem Publikum und seiner „Disposition" sind es Staatsgestalt und Staatsleben, die jede Unternehmung eines Periodikums zuerst zu prüfen hat. In der Jugendzeit des Journalismus, im absolutistischen, ständischen Staat konnte ohne ausdrückliche Ge-
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nehmigung ein Zeitungsunternehmen überhaupt nicht gegründet und geführt werden: Privileg, Zensur, Konzession, Kaution bestimmten die geistige Haltung wie die wirtschaftliche Gebarung; damals konnte sich unter dem freieren Regime der Reichsstädte das Zeitungs- und Zeitschriftenwesen besser entfalten als in den meisten Territorien der großen oder kleinen Autokraten. Immerhin war, worauf wiederum besonders SCHWARZKOPF aufmerksam machte, die staatliche,,Mannigfaltigkeit" Deutschlands der Ausbreitung der Zeitungsunternehmungen günstig, allerdings großenteils Unternehmungen bescheidenen und bescheidensten Umfangs, und diese Mannigfaltigkeit und der Verlust der deutschen Machtstellung in Europa drückten bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts Größe und Bedeutung des Zeitungswesens herab. Die englische Tagespresse dagegen entwickelte sich in dem nämlichen Maße wie ihre Insel zur Weltmacht. Es ist durch die Geistigkeit der Güter des Periodikums bedingt, daß sogar in einer Demokratie das Zeitungs- und Zeitschriftenwesen von vornherein in einer weit stärkeren Abhängigkeit vom Staate steht als jeder andere Wirtschaftszweig, und daß es sich in absoluten oder totalitären Staaten völlig deren Gewalten unterwerfen muß. Diese allgemeinen Bedingungen der Gründung eines jeden Periodikums sind auch für die weitere Entwicklung, für die Lebensdauer und das Gedeihen der Unternehmung wichtig, ja ausschlaggebend. Aber während" es für die Gründung zuerst auf den Grund und Boden, auf dem das Unternehmen errichtet werden, auf dem das Periodikum Früchte tragen soll, ankommt, wird für die gesicherte Existenz und die volle Entfaltung des Unternehmens seine Führung erstentscheidend. Die Tätigkeit der leitenden Persönlichkeiten wird zur Grundbedingung, zum Hauptfaktor erfolgreichen wirtschaftlichen und geistigen Wirkens. So sehr auch die Entwicklung der periodischen Presse in das allgemeine Geschehen verflochten ist, die Macht der Zeitideen und das Schicksal der Nationen, die sozialen Verschiebungen und die politischen Ereignisse und so noch vieles Gesetzmäßige und Zufällige in das Leben und Handeln der einzelnen Unternehmungen eingreifen, im letzten ist es doch die menschliche Persönlichkeit, die jeder ihrer Schöpfungen das Los zieht. In all dem Wechsel der Verhältnisse und Ereignisse, im ständigen Auftauchen von Widerständen und Schwierigkeiten hängen Ausnützung und Überwindung von den Menschen, ihren Fähigkeiten und Leistungen ab, von der Beweglichkeit und Initiative, der Energie und Ausdauer, der Klugheit und Erfahrung, der Witterung für das gegenwärtig Gewünschte und- das notwendig Kommende, von den mannigfaltigen Fähigkeiten und Leistungen der Verleger und Herausgeber, Redakteure und Verlagsangestellten ab. Darüber wird im folgenden zu sprechen sein.
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Fünfundvierzigstes Kapitel D E R STANDORT I m engsten Zusammenhang mit den Bedingungen der Gründung steht die Wahl des Standorts. Unter Standort (im weiteren-Sinne) verstehen wir zunächst eine selbständige Siedlungs- und Verwaltungseinheit oder einen relativ selbständigen Teil einer solchen (Vorstadt, Vorort), in denen die Leitung des Unternehmens ihre Niederlassung hat (Anderer Auffassung ist GÜNTHER OST 7 , der zwar meint, rein formal betrachtet sei es erlaubt, bei Großstädten die Bezirke, Vororte usw. als selbständige Standorte aufzufassen, diese Praxis aber als „wissenschaftlich nicht sinnvoll, auch staatsrechtlich anfechtbar" ablehnt). Standort einer Zeitungs- oder Zeitschriftenuntemehmung ist also regelmäßig der Ort, an dem die Zentrale der Unternehmung — Geschäftsleitung und Redaktion — ihren Sitz hat. HANS LUDWIG ZANKL8 lehnt den Sitz eines Zeitungsunternehmens als Zeitungsstandort ab, da diese Bestimmung der wissenschaftlichen Untersuchung nicht genüge, er plädiert für den „Ort eines technischen Betriebes als Zeitungsstandort" : „Hier kommt aber dann die Druckerei, also in der Regel der Standort der Rotationsmaschine in Frage". Vom wissenschaftlichen Standpunkt ist aber diese Bestimmung erst recht unbefriedigend. Entscheidend für das geistige Produkt, Zeitung und Zeitschrift, kann doch nur der Ort sein,' wo der „Geist" waltet und bestimmt, wo das Produkt als „Idee" entsteht. Was hat die Rotationsmaschine mit der Idee der Zeitung oder Zeitschrift zu tun? W i r wissen, daß die Materialisation des Periodikums mit seinem Wesen nichts zu tun hat. Da, wo die Zeitung, die Zeitschrift im Geist geschaffen wird, nur da laufen adle Mitteilungen und Entscheidungen zusammen, die sich dann in Form und Inhalt des Periodikums niederschlagen, nur von da strömen die geistigen Anregungen und Wirkungen auf das Publikum und die Allgemeinheit aus. Die geschäftliche und redaktionelle Zentrale ist kein „standortsfreies" Unternehmen. I m Gegenteil, seine Bewegungsfreiheit ist, vor allem bei der Zeitung, durch das Wesen des Periodikums sehr stark eingeschränkt. Man unterscheidet je nach dem die Wahl des Standorts bestimmenden Gesichtspunkt: 1. die Materialorientierung, bei der sich der Standort nach den von dem Unternehmen benötigten Materialien oder Produkten richtet, 2. die Arbeitsorientierung, die den Standort nach den menschlichen Arbeitskräften bestimmt; beide Orientierungen werden häufig auch als Produktionsorientierung zusammengefaßt, und ihnen wird auch zum Teil 5. die Verkehrsorientierung zugerechnet, nämlich die Orientierung nach den Verkehrsmitteln für die Beschaffung der Materialien und Produkte, 4. die Absatz- und Konsum-
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Orientierung, für die die Beziehungen zur Kundschaft — bei dem Periodikum Käufer und Inserenten — entscheidend sind, 5. die Kapitalorientierung, bei der die Beschaffung des Kapitals den Ausschlag gibt, 6. die Abgabe- (Steuer-) Orientierung, eine Fassung, die aber für das Zeitungs- und Zeitschriftenwesen viel zu eng ist. In diesem bewegen niedrige Steuern oder sonstige öffentliche Abgaben nur selten oder zuletzt zur Wahl eines Standortes; es fehlt zwar nicht an Beispielen dafür, daß auch durch irgendwelche wirtschaftlich nützliche Bevorzugungen — nicht bloß bei den Steuern und Abgaben, sondern mehr noch bei der Nachrichtenversorgung oder beim Versand der Exemplare—• Zeitungs- oder Zeitschriftenunternehmungen zur Niederlassung an einem bestimmten Orte gewonnen wurden, aber im allgemeinen sind, wie wir soeben zeigten, andere staatliche Verhältnisse, vor allem die geistige und wirtschaftliche Freiheit oder Beschränkung der Presse, für den Erfolg des Periodikums wichtiger und damit für die Wahl des Standorts entscheidender. Von diesen sechs Gründen, die von Einfluß auf die Wahl des Standorts sein können, scheidet wenigstens für den Zeitungsverlag der Gegenwart in den fortgeschrittenen Kulturländern die Orientierung nach Arbeitskräften als bedeutungslos aus, und auch die Kapitalorientierung wird für ihn nur in seltenen Fällen ausschlaggebend sein. In der Frühzeit des Zeitungswesens war das anders, und im Zeitschriftenw'esen sind beide Bestimmungsgründe, wie wir sehen werden, heute noch praktisch. Die Verkehrsorientierung hat entweder den günstigen Bezug der Materialien und Produkte oder eine vorteilhafte Absatzlage im Auge, ist also im Grunde entweder Materialorientierung oder Absatzorientierung oder beides. So kommen für die StandortswahL im Zeitungs- und Zeitschriftengewerbe in der Hauptsache drei Bestimmungsgründe von allgemeiner Bedeutung in Betracht. Davon schied seit dem Fall der staatlichen geistigen und wirtschaftlichen Schranken und der Anerkennung der Preßfreiheit durch die Verfassungen der meisten Kulturländer auch noch die Rücksicht auf die Staatsgewalt, auf ihre einstigen Einrichtungen und Maßnahmen, einerseits Zensur und Privilegien, Kautionen und Konzessionen, Verbote und Entziehungen des Postdebits, andererseits Subventionen finanzieller und informatorischer Art oder sonstige Begünstigungen, zu einem großen Teil aus. Aber in der Zeit des Absolutismus spielte dieses Motiv in der Standortswahl eine sehr erhebliche Rolle: Wir erwähnten bereits, daß in Deutschland die größere Zensurfreiheit in den Reichsstädten ein starker Anreiz zur Niederlassung von Zeitungs- und Zeitsehriftenverlagen war, und der Reichtum an Periodika in den holländischen Städten Leyden, Haag, Amsterdam, Utrecht usw. und ihr sich von ihnen aus über ganz Europa erstreckender Einfluß im 17. und 18. Jahrhundert (vgl. GROTH, Die Zeitung, insbeson-
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dere Bd. I, S. 365f.) sind nicht bloß auf die diplomatische und kommerzielle Bedeutung Hollands, die das Land zu dem bedeutendsten Nachrichtenmarkt Europas machte, sondern auch auf die Bewegungsfreiheit zurückzuführen, die dort der Journalismus genoß und die er mit größtem Erfolg auszunützen verstand. I n der METTERNlCHschen Epoche der Preßknebelung waren es vor allem die Mittelstaaten Sachsen, Baden, Bayern, die sich in der Behandlung der Presse wenigstens zeitweise etwas Selbständigkeit wahrten und dadurch Zeitungsuntemehmungen anzogen. In unserer Zeit zwangen die Beseitigung der Preßfreiheit und die straffe Regelung und scharfe Überwachung der periodischen Presse in den totalitären Staaten manchen Zeitschriftenverlag zur Auswanderung, es stieg also in dieser Zeit die Bedeutung der staatlichen Verhältnisse für die Wahl des Standortes wieder. Die beiden Hauptbestimmungsgründe der Standortwahl, Materialgewinnung und Absatzmöglichkeit, haben wenigstens für den Zeitungsverlag, aber auch für einen großen Teil der Zeitschriftenverlage ihre Einflußpositionen vertauscht: Im 17. und 18. Jahrhundert bis gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts beherrschte im Zeitungs- und Zeitschriftenverlag die Materialorientierung die Wahl des Standorts: „In den Handelsplätzen häufte sich das Nachrichtenmaterial an, und die Fürsten selbst waren zum großen Teil eingewiesen auf das, was in den Handelsplätzen einlief und zusammengebracht wurde. Es sind die großen Handelsemporen mit ihren günstigen Verkehrsgelegenheiten, die vor allem die Standorte der ersten deutschen Zeitungen wurden" (vgl. GROTH, Die Zeitung, Bd. I, S. 209). Die Materialorientierung war also der Grund der Verkehrsorientierung, die wir bei den Zeitungsverlagen der ersten Jahrhunderte feststellten: Sie folgten den Knotenpunkten der Postkurse, die zugleich meist auch die Knotenpunkte des Handels waren und an denen die Nachrichtenbriefe, aber auch mündliche Erzählungeu von Reisenden zusammenliefen, oder sie hielten sich an die schiffbaren, städtereichen Ströme (Rhein) und die großen Seehäfen, die auch die „Neuigkeitenzufuhr" erleichterten. Neben den Orten der zentralen Posten, des größeren Kommerzes, der See- und Stromschiffahrt erscheinen allmählich als Standorte auch die fürstlichen Residenzen, sowie Städte, in denen Reichsbehörden ihren Sitz hatten und die daher reiche Nachrichtenausbeute versprachen. Der Spaten rühmt von Regensburg, wo zum Reichstag „deutsche Räte und Gesandte versammelt" waren, daß von dort „wohl die besten" Zeitungen kämen, und ebenso bot Wetzlar, wo sich das Reichskammergericht als eine reichlich und ständig fließende Nachrichtenquelle befand, sowohl den Zeitungskorrespondenten wie den Zeitungsverlagen Chancen. Für die politischen Zeitungen des 17. und 18. Jahrhunderts war die Materialgewinnung die Hauptsache.
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Ein Zwang, der Kundschaft nachzuziehen, bestand nicht: Die damalige Aktualitätsauffassung umspannte einen ziemlich weiten Zeitraum, dais Material selbst war von allgemeinem, sich über den ganzen damaligen Kulturkreis erstreckendem Interesse, und die Post, die es brachte, stellte auch die fertigen Exemplare überallhin, soweit es ihre Einrichtungen zuließen, also auch oft weit verstreuten Abnehmern zu. Für die Intelligenzblätter des 18. Jahrhunderts, die zum großen Teil Schöpfungen des merkantilistischen Absolutismus waren und deren stoffliches Rückgrat die Bekanntmachungen und Anordnungen, Ratschläge und Unterweisungen der Regierungen und Behörden sowie sonstiges amtliches Material bildeten, waren die Residenzen und die übrigen Behördensitze die gegebenen Standorte; das gleiche war der Fall auch noch bei den neueren Bezirks-, Amts- und Intelligenzblättern, die sich seit den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts ebenfalls großenteils durch behördliche Initiative in allen deutschen Staaten ausbreiteten und vorn behördlichen Stoff lebten. Dagegen traten die Städte der Universitäten und Akademien im allgemeinen als Zeitungsstandorte wenig hervor, nur f ü r die Entstehung einiger Intelligenzblätter sind sie beachtlich. Wenngleich die Materialorientierung im L a u f e des 19. Jahrhunderts in der Standorts wähl der Zeitungsverlage zurücktrat, ganz bedeutungslos ist sie für einzelne Zeitungstypen auch heute noch nicht. Die offiziellen und auch die hochoffiziösen Zeitungen der Regierungen haben selbstverständlich ihren Standort sin deren Sitzen, wie die sonstigen als Amtsblätter fungierenden Zeitungen an den Sitzen der unteren Behörden, und ebenso selbstverständlich domizilieren die Zentralorgane der Parteien an den Sitzen der Parteileitungen. Es handelt sich u m Zeitungen, die in unmittelbarer, rascher und ständiger Verbindung mit ihren wichtigsten Materiallieferanten stehen müssen, so daß diese jederzeit in der L a g e sind, den Redaktionen Artikel und Nachrichten zukommen zu lassen, sie zu informieren, ihnen Weisungen zu erteilen, Berichtigungen und Ergänzungen vorzunehmen. Ebenso ist es das Prinzip der Material- oder Arbeitsorientierung, das den Standort; bestimmt, wenn sich nach dem Wohnort der Parteiführer oder Parteisekretäre, die als Herausgeber und Redakteure ihrer Parteiblätter fungieren, auch der Standort dieser richtet. Bei den Zeitschriften sind es eine ganze Reihe Typen, die ihres Inhalts wegen größtenteils an bestimmte Standorte gefesselt sind: Zeitschriften der Regierungen und staatlichen Behörden (Regierungs-, MiniSterialverordnungsblätter, Strafanstaltszeitschriften usw.), städtische Anzeiger, Parteizeitschriften, die Blätter der Kur- und Fremdenorte, Heimatzeitschriften, sodann die Zeitschriften der wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen Anstalten und Institute, .der wirtschaftlichen u n d sozialen S e l b s t v e r w a l t u n g s k ö r p e r , der Wirtschaft-
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liehen, beruflichen und kulturellen Verbände und Gesellschaften, weiter die Fachzeitschriften, wie die für Wein- oder für Rübenbau, für Bergwesen und für Schiffahrt, für Sport und für Mode, die ihren Standort ein Zentren dieser Betätigungen zu wählen pflegen, da sie da nicht bloß Abnehmer, sondern auch ihren hauptsächlichen Stoff finden (Man könnte übrigens diese Wahl auch arbeitsorientiert nennen). Zu diesen material- (arbeits-)orientierten Fachzeitschriften gehören schließlich auch private wissenschaftliche, künstlerische, literarische, pädagogische usw. Zeitschriften, die sich meist als Standort eine Stadt wählen, wo eine Universität und sonstige wissenschaftliche, künstlerische usw. Anstalten, wo eine größere Zahl von Gelehrten, Schriftstellern und Künstlern die Gewinnung von Herausgebern und von Produzenten verbürgen. Die Konsumorientierung greift naturgemäß da Platz, wo der Absatz an einen mehr oder weniger engen Umkreis gebunden ist. Bei der Zeitung war das in den ersten Jahrhunderten nicht der Fall. Erst im 19. Jahrhundert verschob sich bei der Zeitung das Gewicht von der Materialorientierung zur Konsumorientierung, eine Verschiebung, die sich in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts vollendete. Sie hatte zwei Hauptursachen, einmal die Erfassung der breiten Volksschichten, sodann die gewaltige Ausdehnung des Verkehrsnetzes, insbesondere durch die Erfindung neuer Nachrichtentransportmittel. Als auch Massen des Kleinbürger- und Bauerntums sowie der Angestelltenund Arbeiterschaft ständige Zeitungsleser wurden, da genügte dem Zeitungsunternehmen als tragfähige Basis eine Stadt, genügten auch kleine und kleinste Orte mit ihrem Bezirk, ja in einer einzigen Stadt konnten mehrere Zeitungsunternehmungen, zumal wenn sie den verschiedenen politischen, wirtschaftlichen, geistigen, religiösen Bedürfnissen der einzelnen Schichten Rechnung trugen, ihr Fortkommen finden. Die Verbilligung der Verkaufspreise, die vor allem durch das Wachsen der Inserateneinnahmen, sowie durch das Sinken der Materialkosten, insbesondere der Papierkosten, ermöglicht wurde, gewann Leserschichten, die einen enger oder weiterbegrenzten Boden dicht besetzten, und auf deren besondere, lokal bestimmte Interessen sich die Zeitungen einrichten mußten, wie umgekehrt der Ausbau des lokalen Teils neue örtliche Leserschichten anzog. Dieser Zug nach dem Konsum wurde durch die Entwicklung des Anzeigengeschäftes auch unmittelbar — nicht nur mittelbar durch dessen Einfluß auf die Verkaufspreise — verstärkt. Je wichtiger die Inserateinnahmen im Zeitungsbudget wurden, desto mehr suchte das Zeitungsgewerbe jene Plätze auf, an denen Inserenten als Käufer von Publizität weitere Gewinnchancen boten. Auf der anderen Seite wurden die Unternehmungen in ihrer Materialbeschaffung immer freier. Der Ausbau
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und Fortschritt der Verkehrsmittel förderte die Ausbildung eines reichen Korrespondenzwesens: D i e Zeitungskorrespondenzen übernahmen in großer Zahl die Versorgung der Zeitungen mit Stoff jeder Art aus allen Teilen der Erde, und Eisenbahn und Flugzeug, Telegraph und Telephon, schließlich Rundfunk und Fernschreiber gestatteten dies riesige Material immer rascher auch in die entlegensten Orte zu befördern. Es keim seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts alles darauf an, der Kundschaft einen möglichst hochaktuellen, ihre gesamten Gegenwelten erfassenden, universellen Stoff zu bieten; die Materialorientierung verlor ihre standortbestimmende Position an die Konsumorientierung. Dieser gegenüber konnten die — übrigens von der Entfernung weitgehend unabhängigen — Transportkosten der geistigen Güter nicht in Betracht kommen, aber ebensowenig die der materialen Hilfsstoffe, insbesondere des wichtigsten, des Papiers. So stellte W I L H E L M K R E T S C H MER, der als erster das Standortsproblem im deutschen Zeitungsgewerbe untersuchte, fest®: „Nicht die Ersparung der Transportkosten als fest umrissener Kostenvorteil zieht die Zeitungen an einen bestimmten Standort, sondern nach der Standortswahl richten sich die Bezugs- und Transportkosten für das gesamte Nachrichtenmaterial", und — so ist hinzuzusetzen —- die Bezugs- und Transportkosten aller erforderlichen Hilfsstoffe und Halbfabribrikate. J a die Herrschaft der Konsumorientierung ist so absolut, daß all die sonstigen wirtschaftlichen Kalkulationen, wie sie etwa bei der Standortswahl für ein Industrieunternehmen Eingestellt werden, ausscheiden: Rücksichten auf niedrigere Arbeitslöhne, billigere Grundstücks- oder Mietpreise, geringere Stromkosten usw. können den Zeitungsverleger kaum jemals zur Wahl eines Standorts für sein Unternehmen bewegen. Der Zwang zur Konsumorientierung kann schließlich»den Verlag einer auch heute noch vorwiegend materialorientierten Zeitung, z. B. des Organs einer Partei, dazu veranlassen, von dieser Zeitung eine „Nebenausgabe" ein einem anderen Orte herauszubringen, hier erscheint also eine Art doppelter Orientierung des Unternehmens. Auch bei den Zeitschriften finden wir konsumorientierte Typen; die materialorientierten Heimatzeitschriften sind auch konsumorientiert, sie rechnen großenteils auf Leser ihres Heimatbereiches und wählen sich auch deshalb dessen Zentrum z u m Standort; analog sind die materialorientierten Zeitschriften von Anstalten und Selbstverwaltungskörpern auf den Sitz der Anstalt, des Selbstverwaltungskörpers als Standort angewiesen, weil hier die Nutznießer und Mitglieder der Anstalt, des Selbstverwaltungskörpers wohnen, die meist das ganze Lesepublikum dieser Zeitschriften bilden. Als vorwiegend konsumorientiert können bereits die Unternehmen der Werk-, Betriebszellen-, Wohnblock- und Siedlungszeitschriften — diese, wenn sie für die Einwohner
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einer ganz bestimmten Siedlung erscheinen — eingesprochen werden; allerdings müssen sie auch ihren Stoff zum großen Teil aus dem Werk, dem Betrieb, dem Block, der Siedlung beziehen. Noch stärker konsumorientiert sind schließlich die mancherlei Fachzeitschriften, die sich die Pflege einzelner allgemein oder doch weit verbreiteter Interessen zur Aufgabe machen, jedoch sich dabei regional oder lokal beschränken. Bei sehr zahlreichen Zeitschriftenarten ist der Zwang zur Konsum- wie zur Materialorientierung viel geringer als bei den Zeitungen, so daß man sogar auf den Gedanken verfiel, es dürfe der geringere „Grad der Standortsverbundenheit und -betontheit" als das lang gesuchte, die Zeitschrift von der Zeitung unterscheidende Wesensmerkmal aufgefaßt werden (vgl. Bd. I, S. 591 ff.). Grundsätzlich können sich die meisten Zeitschriften von gemäßigter Aktualität, universelle wie spezialisierte, ihren Standort ziemlich frei wählen. Die Folge ist, daß bei ihnen der Standort viel mehr von individuellen Motiven und von zufalligen Umständen bestimmt ist. Das persönliche Interesse eines Kapitalisten (Kapitalorientierung), der Wohnsitz eines Herausgebers (Arbeitsorientierung), vor allem aber der Standort einer größeren Zeitungsdruckerei, die zur Beschäftigung ihrer Maschinen und Arbeitskräfte den Verlag einer oder mehrerer Zeitschriften aufnimmt, oder einet sonstigen leistungsfähigen Druckerei, der im Lohndruck die Herstellung von Zeitschriften übertragen werden kann (Spezialfälle der Materialorientierung), bestimmen nicht selten den Standort einzelner Zeitschriftenverlage. Wie im Grade der Gebundenheit an den Standort, so unterscheiden sich Zeitungs- und Zeitschriftenverlag auch in dem Grade des Zwanges,- die Standorte der einzelnen Funktionen zu vereinigen. Die Begrenzungen der Wesenseigenschaften der Zeitschrift gestatten es vielfach ihren Unternehmungen, die Standorte des Verlags und der Herausgabe (Redaktion), der Druckerei und des Vertriebs getrennt zu wählen. Wenn es sich dabei u m ein einziges Unternehmen handelt, so ist dessen Standort der Verlagsort, weil der Verlag die das ganze Unternehmen tragende Funktion ist und sich da die zentrale Leitung befindet. Es ist dann ein Unternehmen, dessen Betrieb „dezentralisiert" ist. Sind aber Herausgabe, Druckerei und Vertrieb selbständige Unternehmen, so haben diese ihren eigenen, von ihren Bedürfnissen bestimmten Standort, und der Verlag kann aus verschiedenen Gründen mit ihnen in geschäftliche Verbindung getreten sein: z. B. der Gewinnung der geistigen Güter, der geringeren Kosten, der günstigen Verkehrswege, der besonderen Leistungsfähigkeit, sonstiger geschäftlicher oder persönlicher Beziehungen wegen. Im Gegensatz zu sehr vielen Zeitschriftenunternehmungen müssen sich bei den Zeitungsverlagen, deren ganze Produktions- und Vermittlungs-
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tätigkeiten der Druck der höchstmöglichen Aktualität auf einen engen, ja den engsten Zeitraum zusammenpreßt, meist alle Funktionen an einem einzigen Standort vereinigen. Auch wenn die Produktion — im Falle des Lohndrucks — oder der Vertrieb in den Händen selbständiger Unternehmungen liegt, so muß regelmäßig deren Standort mit dem des Verlages (nebst Herausgabe) zusammenfallen. H A N S T R A U B 1 0 unterscheidet noch weitere Standorte als die vier hier genannten, vor allem unterscheidet er den Ausgabeort und den Erscheinungsort als „Anfang und Ende des Vorgangs: Veröffentlichung". Während sich der „Ausgabeort", gleich dem Orte „der organisierten Übergabe auf die Streuwege zur Öffentlichkeit", deckt mit dem, was ich als den Standort des Vertriebs bezeichne, legt T R A U B besonderes Gewicht auf den Erscheinungs(oder Veröffentlichungs-) ort, und er macht da noch die Unterscheidung zwischen dem Erscheinungsort „im engeren Sinne", dem Orte, „wo die Zeitung ihre potentielle Zugänglichkeit zur Öffentlichkeit erfährt", und dem Erscheinungsort „im gewöhnlichen Sinne", dem „Ausgabeort einer Zeitung, die am Verlagsort nicht erscheint". Ich meine, daß diese Distinktionen der begrifflichen Klärung nicht förderlich sind. Ganz offensichtlich liegt hier wieder die schon öfter gerügte und so gefährliche Vermengung von Unternehmung und Ware vor: Verlags-, Herausgabe-, Druck- und Vertriebsort beziehen sich auf die Gesamtunternehmung, der Erscheinungsort (im engeren Sinne) aber auf das Periodikum. Beide Orte liegen also gar nicht auf derselben Ebene. „Erscheinungsorte" der Zeitung oder Zeitschrift — oder korrekter ihrer einzelnen Exemplare! —• i m TRAUBschen Sinne, nicht im Sinne des
Vertriebsortes, kann ein Zeitungs- oder Zeitschriftenunternehmen viele Hundert oder Tausend verzeichnen, unter ihnen auch solche, wo nur ein Exemplar „erscheint". Gewiß, diese Erscheinungsorte sind theoretisch und praktisch nichts weniger als gleichgültig; aber sie mit dem Verlags-, Herausgabe-, Druck- und Vertriebsort in eine Linie zu stellen, ist verkehrt. Wenn wir vom „Erscheinungsort" sprechen, so muß das immer in Verbindung mit dem Produkt geschehen, und wir müssen den Begriff Erscheinen schärfer fassen, als das Traub tut, ihn beschränken auf den Ort, von wo das Periodikum als Ganzes seinen Eintritt in die Öffentlichkeit beginnt. Bei dem „Erscheinungsort im gewöhnlichen Sinne" bespricht T R A U B die Praxis der , , K o p f b l ä t t e r d e r „Nebenausgaben" und der „kopflosen" („Vordruck"-) Zeitungen. Für sie ist in der Tat, da es sich dabei um besondere Produkttypen handelt, die Distinktion des „Erscheinens" und des „Erscheinungsortes" nützlich, wenn auch die Einrichtung selbst nur zum Teil die Frage des Standorts des Verlags berührt und ihre eigentliche Erörterung in der 4
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Hauptsache in die Untersuchungen der Betriebsorganisation gehört. Ein „Kopf blatt" nennt man korrekterweise nur jene Zeitung, die zwar einen eigenen,, K o p f " trägt,das heißt einen besonderen Namen hat, deren Inhalt aber völlig — vielleicht mit Ausnahme einiger Lokalnotizen — mit der a m Verlagsort erscheinenden Stamm- oder Hauptzeitung übereinstimmt (vgl. Bd. I, S. 239). Diese Stammzeitung und ihre Kopfblätter gehören einem einzigen Unternehmen, dessen Standort der Verlagsort aller ist. Die Kopfblätter haben nicht jeder einen eigenen Standort, ja man kann nicht sagen, daß sie einen eigenen „Erscheinungsort" haben. Zwar richtet nicht selten ein Verleger für das Kopfblatt eine Zweigstelle ein, die die lokalen Nachrichten und Inserate sammelt und sie dem Verlag der Hauptzeitung zusendet. Aber sehr häufig ist auch an dem angeblichen „Erscheinungsort" lediglich ein sehr bescheidener Trägerdienst' eingerichtet, manchmal ist nur eine Trägerin tätig, die die kleine, ja kleinste Auflage an dem Ort, dessen Name so stolz auf der Zeitung prangt, verteilt; manchmal fehlt sogar dieser detachierte „Betrieb", und die ganze Auflage der Kopfzeitung wird an ihrem angeblichen „Erscheinungsort" den Abonnenten von der Post, wie jede andere Zeitung auch, zugestellt; die Übergabe an die Post aber, mit der das „Erscheinen" bereits beginnt, erfolgt an dem Verlagsort, dem eigentlichen Erscheinungsort auch der Kopfzeitung. Stets handelt es sich bei der Zeitung und ihren Kopfblättern u m eine einzige Zeitung des gleichen Unternehmens, und dessen Standort ist der Verlags- und der tatsächliche „Erscheinungs"ort dieser einzigen Zeitung. In der Statistik dürfen daher auch die Kopfblätter nicht als besondere Zeitungen gezählt werden (vgl. GROTH, Die Zeitung, Bd. I, S. 318 ff. und 473f.), und ich bin der Auffassung, daß schon zur Vermeidung einer Irreführung bei ihnen auch kein selbständiger Erscheinungsort angenommen werden darf. Es ist irreführend, wenn TRAUB11 von den Kopfblättern sagt: „ V o m Leser aus gesehen — und das bleibt bei einer zeitungswissenschaftlichen Betrachtung stets maßgebend — erscheinen alle diese Blätter als selbständige, eigene Zeitungen". Nicht nur ist die Sicht vom Leser aus nicht die zeitungswissenschaftlich stets maßgebende, diese einseitige „publizistische" Sicht führt vielmehr, wie wir wissen, gerade von dem zeitungswissenschaftlichen Zentrum weg, sondern auch dem Leser muß schon bei einem ganz oberflächlichen Vergleich des Kopfblattes mit dem Stammblatt die Identität beider sofort erkennbar werden. Ganz anders liegen die Dinge bei den „kopflosen 1 ' oder den Vordruckzeitungen, und deshalb sollte man sehr scharf zwischen „Kopfzeitungen" und „kopflosen Zeitungen" unterscheiden. Diese kopflosen Zeitungen sind zunächst, wie schon die beiden Bezeichnungen „kopflos" und „Vordruck" besagen, überhaupt noch keine Zeitungen, son-
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d e m Halbfabrikate. Zu Zeitungen werden sie erst, wenn ihnen der „ K o p f " aufgesetzt und der lokale Nachrichten- und Inseratenteil eingefügt ist. Die Unternehmung, die die kopflosen Zeitungen als Halbfabrikate herstellt, ist also ein selbständiges Fabrikations- und kein Vermittlungsunternehmen mit eigenem Standort, aber auch die Verlage, die die Halbfabrikate beziehen, sind jeder für sich selbständige Unternehmungen mit eigenem Standort, und ihre Zeitungen sind als selbständige Zeitungen mit eigenem „Erscheinungsort" zu zählen. Um sich über den Begriff der ,, Nebenausgabe " im eigentlichen, engeren Sinne klar zu werden, darf man nicht von der Gleichheit des Verlags, sondern muß von dem Verhältnis zu einer Hauptausgabe ausgehen: Ohne Hauptausgabe keine Nebenausgabe! Es muß also der Inhalt der Nebenausgabe in einem inneren Zusammenhang zu dem Inhalt der Hauptausgabe stehen, er muß in der Hauptsache, nicht bloß in einigen Stücken von diesem abhängen, die Hauptausgabe muß die geistige Nährmutter der Nebenausgabe sein. Die Auffassung, die den Begriff der Nebenausgabe vom Verlag her bestimmen will, widerspricht der Logik und dem Sachverhalt, vermengt wiederum Unternehmung und Ware. Auch hier können wir nur von dem Produkt, dem j,Werke" aus zur sicheren Begriffsbestimmung kommen. Daher sind jene Zeitungen, die ein Verlag zur intensiveren Ausnützung seiner Betriebseinrichtungen, zur vollen Ausschöpfung des Leser- und Inserentenpublikums und zur Verhinderung eines Konkurrenzunternehmens in seinem Streugebiet neben seiner führenden, meist „politischen", Zeitung für andere Bevölkerungsschichten und zu anderen Tageszeiten verlegt, keine „Nebenausgaben" eines Hauptblattes, sondern es sind selbständige Zeitungen. Nicht etwa deshalb, weil die angebliche „Nebenausgabe" nicht selten das Defizit des „Hauptblattes" zu decken hat — was ja schon an sich die Bezeichnung „Nebenausgabe" für die finanzielle Nährmutter der „Hauptausgabe" in einem merkwürdigen Lichte erscheinen ließe —, sondern weil die Inhalte der beiden Zeitungen grundsätzlich voneinander abweichen. Der Stoff muß für jede mit Rücksicht auf das verschiedene Publikum und auf die verschiedene Erscheinungszeit ganz verschieden ausgewählt und ausgerichtet werden, und das geschieht auch in allen Fällen. Aus diesem Grunde sind ein Lokalblatt für die breiten Schichten, ein Mittags- oder Abend-Nachrichtenblatt, die in dem nämlichen Verlag wie eine am Morgen ausgegebene Zeitung für die oberen Schichten erscheinen, nicht Nebenausgaben dieser Morgenzeitung, sondern selbständige Zeitungen, mögen sie auch einzelne Teile des Inhalts gemeinsam haben; lediglich ihr Verlags- und ihr Erscheinungsort sind die gleichen: Verlagsort ist der Standort des Unternehmens. „Neben-
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ausgaben" im eigentlichen Sinne sind auch nicht jene besonderen Ausgaben, ,,Land"-, „Provinz"-, ,,Reichs"-ausgabe, die ein Verlag von einer an seinem Standort erscheinenden Zeitung veranstaltet, um ihre Publizität über ihr unmittelbares Streugebiet hinaus zu erweitern; man wird diese Ausgaben, die den gleichen Namen wie die für den Verlagsort erscheinende „Hauptausgabe" tragen und inhaltlich sehr weitgehend mit dieser übereinstimmen, nicht als Nebenausgaben und erst recht nicht als selbständige Zeitungen zählen dürfen; sie bilden mit der Hauptausgabe eine Einheit und dementsprechend muß auch ihre Auflage zu der der Hauptausgabe addiert werden, die Summe ergibt die Auflagenhöhe dieser einen Zeitung. Echte „Nebenausgaben", „Ableger" sind dagegen jene Blätter, die einen gleichen allgemeinen Inhalt haben, wie ein Hauptblatt, die sich aber von diesem und untereinander unterscheiden durch einen nach den Interessen eines oder mehrerer Nachbardistrikte oder der Provinz zusammengestellten, besonderen regionalen Inhalt und die alle einen besonderen, regelmäßig den Distrikten oder der Provinz entnommenen Namen führen. Die Nebenausgaben sind also nicht bloße „Kopfblätter", die lediglich einen eigenen Titel führen, in ihrem Gesamtinhalt aber sich kaum von der Hauptausgabe unterscheiden, sondern Zeitungen, die wirklich fähig sind, den besonderen Bedürfnissen eines Distrikts oder einer Provinz zu dienen. Sie sind in einer Statistik nicht als selbständige Blätter zu zählen, wohl aber als Nebenausgaben aufzuführen (Zu der Frage der statistischen Behandlung der Nebenausgaben vergleiche GÜNTHER OST, Die deutsche Tagespresse, a . a . O . , S. 351. Anm. 11. OST unterscheidet dabei allerdings nicht zwischen „Kopfblättern" und „Nebenausgaben").
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Nebenausgaben können vollinhaltlich von einem Unternehmen zentral an dessen Standort, dem Verlagsort des Hauptblattes, hergestellt und von da an die Distrikts- oder Provinzorte versandt werden, für die sie bestimmt und die ihre „Erscheinungsorte" im strengen Sinne des Wortes sind. Ihr Standort ist der Verlagsort des Hauptblattes. Das ist er aber auch dann, wenn für die einzelnen Nebenausgaben an den Distrikts- oder Provinzorten besondere Zweigredaktionen und Zweiggeschäftsstellen zur Annahme von Abonnements und Inseraten, die dann das von ihnen gesammelte Material an die Zentrale schicken, sowie Vertriebsstellen eingerichtet sind, die die Zustellung besorgen. Diese Dezentralisierung des Betriebes kann aber noch weiter gehen: Es kommt vor, daß eine Unternehmung die Nebenausgaben mit vollständiger Redaktion, Geschäftsleitung, Druckerei und Vertriebsstelle ausstattet, jede Nebenausgabe wird vollständig in diesen Filialen hergestellt, und die Zentrale liefert lediglich den allgemeinen Teil, in kleinen Verhältnissen in Matern oder Platten oder als Vordruckszeitung, in größeren Verhältnissen nur
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als schriftlich fixiertes Material, das mit Ferndrucker, Telephon usw. übermittelt wird. Standort — nicht bloß Erscheinungsort — dieser so weitgehend selbständig hergestellten Nebenausgaben ist in diesem Falle die Distriktsoder Provinzstadt, ihr Verlagsort der Standort der Zentrale. Ich habe für diesen sehr selbständigen Typus von Nebenausgaben den Terminus , , F i l i a l Zeitungen" vorgeschlagen 1 2 . Diese drei Typen von Nebenausgaben können in einem und demselben Unternehmen auch kombiniert werden, und dazu stellt dieses noch „Kopfblätter" her. Nicht von „Nebenausgaben" sollte man da sprechen, wo mehrere selbständige Unternehmungen sich zur gemeinsamen Anfertigung einer ,, Gemeinschafts 11- oder ,,Einheitszeitung" zusammengeschlossen haben 1 3 . Dies System, das sich als „System Walchner" in der Inflationszeit nach dem ersten Weltkrieg, als viele Zeitungsunternehmungen in finanzielle Schwierigkeiten gerieten, in Deutschland stark verbreitete, besteht also im Gegensatz zu den vorher besprochenen Erscheinungen darin, daß nicht ein Unternehmen mit zentralisiertem oder mehr oder weniger dezentralisiertem Betrieb, sondern eine Gesellschaft selbständig bleibender Unternehmungen die Zeitungen trägt. Diese Unternehmungen vereinigen an ihrem Standort das lokale Text- und Inseratenmaterial, drucken es und stellen davon Matern her, die ein die Zentrale gesandt werden, und diese fertigt die „Einheitszeitung" mit je verschiedenen lokalen Teilen an. Also auch der Gang der Herstellung dieser Zeitungen ist grundsätzlich ein anderer: Während bei den Produkten einer Unternehmung der Herstellungsprozeß von der Zentrale ausgeht, läuft er bei den Erzeugnissen der zusammengeschlossenen Unternehmungen von diesen in der Zentrale zusammen, und es fehlt auch dementsprechend an einem,,Haupt'' blatt, von dem die regionalen Blätter ,,Neben"ausgaben bildeten; es gibt lediglich eine „Einheitszeitung", die tatsächlich noch gar keine Zeitung, sondern lediglich die Grundlage der verschiedenen selbständigen Blätter bildet. Von diesen darf mein daher nicht als von „Nebenausgaben" sprechen — man könnte vielleicht, sich auf die Bezeichnung „Einheitszeitung" stützend, an die Bezeichnung „Gliedzeitungen 1' denken. Für die Herstellung dieser Gliedzeitungen besteht zwar eine gemeinsame Gesellschaft (GmbH), ein Unternehmen mit einer Druckerei, das einen eigenen Standort hat, aber jede einzelne Ausgabe gehört ihrem eigenen Verlag mit eigenem Verlagsort. Selbstverständlich hat jede Gliedzeitung auch ihren eigenen Erscheinungsort ; Erscheinungsort aller ist nicht etwa der Standort der Produktionsgesellschaft. Nach all dem wird man in Statistiken diese einzelnen Gliedzeitungen gesondert aufführen müssen, man wird aber gut tun, sie ausdrücklich als „Gliedzeitungen" zu bezeichnen, und damit ihre technische
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und geistige Unselbständigkeit kenntlich maöhen. Übrigens lassen sich auch in verschachtelten Unternehmungen Kombinationen von Gliedzeitungen, Nebenausgaben (einschließlich Filialzeitungen) und Kopfblättern feststellen: Völlig selbständige Zeitungen sind die Produkte der Filialunternehmungen eines großen Verlags in Städten außerhalb seines Standortes, wenngleich der Inhalt der dem gleichen Verlag gehörenden Zeitungen durch den gemeinsamen Bezug von Materiad in manchem übereinstimmt. Vielfach erscheinen diese Zeitungen nicht in einer „Filiale" des Hauptverlags, sondern im Vertag eines nach außen selbständigen Verlags, einer echten „ T o c h t e r " ; dann ist nicht nur dessen Standort ihr Erscheinungs-, sondern zugleich für sie auch Verlagsort. I m Zeitschriftenwesen haben die Nebenausgaben eine nur geringe Bedeutung : An sich haben die meisten Zeitschriften ihrer beschränkteren Aktualität, ihrer inhaltlichen Spezialisierung und ihres selteneren Erscheinens wegen von vornherein einen weiteren Streukreis, dessen einzelne Punkte die Zeitschrift im Original erreichen kann; sodann verbietet bei vielen Zeitschriften die innere Einheitlichkeit und Geschlossenheit des Inhalts, Ableger mit teilweise geändertem Inhalt herzustellen. Doch fehlt die Praxis der Nebenausgaben im Zeitschriftenwesen nicht völlig, vor allem kommt sie gelegentlich bei Unternehmungen mit starker Expansionskraft vor, die hochaktuelle Zeitschriften, wie z. B. Sportzeitschriften, Verlegen. Dabei besteht eine grundsätzliche Verschiedenheit zwischen Zeitungs- und Zeitschriftengewerbe weder in den Motiven noch in den Einrichtungen, und die' Fragen des Standorts, des Verlagsorts und des Erscheinungsorts sind hier wie dort in gleicher .Weise zu beantworten. .'> Dieser mein Versuch, vom Inhalt und vom Unternehmen nebst' seinein Standort her die einzelnen Typen besonderer Ausgaben begrifflich zu m e u stern — anders läßt sich wohl der Fragenkomplex der Kopfzeitungeik, Ne-f benausgaben, kopflosen Zeitungen überhaupt nicht entwirren und klären -»--', kann gewiß noch ausgebaut und vertieft, durch Untersuchungen der tat+ sächlichen Vorkommen noch präzisiert werden. Das lohnte sich auch praktisch. Vor allem für eine brauchbare Statistik des Zeitungswesens wäre es sehr wünschenswert, wenn endlich einmal hier eine Ubereinstimmung der begrifflichen Auffassungen erzielt .würde, statt, wie es heute iioch geschieht, in bequemer Willkür jene Sonderausgaben als eine gleiche Masse zu behandeln und dabei die heterogensten Erscheinungen durcheinander zu- werfen. Erst dann könnte man einen wirklichen Einblick in die Struktur:, und Wirtschaft, aber auch in den Geist des Zeitungswesens eines Landes gewinn nen. Ebenso hat die Praxis unmittelbar ein lebhaftes Interesse ein einer be*
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grifflichen Klarung dieser Erscheinungen, die ja immer wieder aus Gründen der geschäftlichen Konkurrenz wie der ideellen Auffassung der journalistischen Mission Gegenstand des Streites sind. Schließlich würden Gesetzgebung und Rechtsprechung froh sein, wenn ihnen die zeitungswissenschaftliche Theorie mit fest umrissenen Begriffen Richtlinien für die Beurteilung der verschiedenen Ausgabeweisen an die Hand gäbe. Auch beim ,, Standort im engeren Sinne" bestehen Gegensätze zwischen Zeitung und Zeitschrift. Unter dem Standort im engeren Sinne wird die StelLe (Straße, Platz) verstanden, an der sich ein Unternehmen innerhalb einer selbständigen oder relativ selbständigen Siedlungs- und Verwaltungseinheit (Stadt, Vorstadt, Vorort) niederläßt. Bei der Zeitung ist auch dieser Standort heute vorwiegend konsumorientiert: Trotz den hohen Grundstückspreisen befinden sich nämlich die Niederlassungen der Zeitungsverlage, vor allem in den Großstädten, in deren Zentrum, häufen sich hier in einer „Zeitungsstraße" oder einem „Zeitungsviertel" die Gebäude der Zeitungsverlage. Vom Innern sind die Entfernungen nach den übrigen Teilen der Stadt annähernd gleich weit, und die Verbreitung der örtlichen Auflage kann strahlenförmig ohne zu große Zeitdifferenz überallhin bewerkstelligt werden. Ebenso ist die Niederlassung im Stadtzentrum für die Versendung der auswärtigen Auflage von Vorteil. Hier liegen in der Regel auch die Bahnhöfe und Zeitungspostämter, und die Zeitungspakete können so unverzüglich und pünktlich für die Züge aufgeliefert werden. Diese Wahl, die das Kostenmoment so auffallend ausschaltet, wird allerdings auch durch die erleichterte Materialbeschaffung unterstützt; die Nähe der Ministerien und sonstigen Behörden, der Parlamente, der Wirtschaftsinstitute und -Organisationen, die die wichtigsten Informationsquellen sind und weitaus zum größten Teil im Stadtzentrum domizilieren, empfiehlt gleichfalls, sich dort anzusiedeln, und schließlich findet auch das breite Publikum, vor allem das der Inserenten, bequemer und rascher den Weg in das Zentrum. Alle diese Gründe fallen bei den meisten Zeitschriften nicht mehr ins Gewicht, und ihre Verlage können sich also wie bei der Wahl des Standorts im weiteren, so auch bei der des Standorts im engeren Sinne viel freier bewegen. Die universellen Zeitschriften, die keinen Nachrichtendienst pflegen, sind überhaupt nicht auf nachrichtliche Informationsquellen angewiesen und ihre beschränkte Aktualität zwingt sie ebensowenig in die nächste Nähe ihrer Stofflieferanten; aber ebenso scheidet für die meisten spezialisierten Zeitschriften die Rücksicht auf die rascheste Verbindung mit den speziell für sie wichtigen Stellen aus. Und ein ständiger und persönlicher Verkehr mit dem Publikum der Käufer wie etwaiger Inserenten findet bei den Zeitschriften,
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deren örtliche Verbreitung viel lockerer als bei den Zeitungen ist, nur in bescheidenem Umfang statt. Die Materialorientierung spielt also bei den Zeitschriften für den Standort im engern Sinne kaum je eine Rolle. Erst recht besteht für sie bei ihrer weiter gespannten Periodizität und den modernen Verkehrseinrichtungen regelmäßig kein Anlaß, sich nach dem lokalen oder auswärtigen Konsum zu orientieren. So können sich die Zeitschriftenverlage ihr Domizil an ihrem Standort auch außerhalb des Stadtzentrums suchen; sie können sich zu einem großen Teil, wie der Buchverlag, mit dem sie ja vielfach in Verbindung stehen, von dem lauten Getriebe im Innern der Städte in deren Außenbezirke, ja darüber hinaus, flüchten, wo die Wohn- und Arbeitsverhältnisse oft angenehmer sind. Natürlich ist diese Freizügigkeit beschränkt, es sind die Verkehrsverbindungen dabei keineswegs ganz gleichgültig ; auch die Grundstücks- und Mietpreise bringen sich da häufig zur Geltung, und schließlich sind persönliche oder sonstige individuelle Motive von Einfluß. Daher können wir Niederlassungen der Zeitschriften Verlage ebenso in den verschiedensten Stadtgegenden, wie in allem Getriebe der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zentren entzogenen bescheidenen Orten finden; allerdings die Zeitschriften, die von Zeitungsunternehmungen verlegt werden, teilen mit deren Zeitungen das Los, im Innern der Städte wohnen zu müssen. Sechsundvierzigstes Kapitel DIE UNTERNEHMUNGSFORMEN Für die Wahl der Unternehmungsformen im Zeitungs- und Zeitschriftengewerbe sind außer den allgemeinen, auch in sonstigen Wirtschaftszweigen entscheidenden gesetzlichen und administrativen, steuerrechtlichen und gesellschaftlichen Gründen ausschlaggebend die geistig-persönlichen und die die das Unternehmen nach seinem besonderen finanziellen Anforderungen, Gegenstand, der Ware oder dem Produkt, stellt. Dem Zeitungsund Zeitschriftengewerbe als einem Gewerbe zur Vermittlung bestimmter geistiger Güter ist eigentümlich einmal, daß die geistig-persönlichen Anforderungen besonders hoch und von geradezu entscheidendem Einfluß auf den geistigen und wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens sind, sodann daß die Unternehmungsaufgaben und Unternehmungsgrößen außerordentlich verschieden sind, daß sich die Unternehmungen erstrecken von dem Verlag eines „Heimatblättchens", das, mit Hilfe-von Platten oder einer Vordruckzeitung hergestellt, für die kleine Druckerei nur eine ergänzende Druckarbeit bedeutet, bis zu dem komplizierten, über die Kontinente grei-
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fenden Riesenunternehmen, das zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften verlegt und druckt und dem noch eine ganze Reihe anderer, mehr oder weniger damit in Reziehung stehender Produktionen eingegliedert ist. Neben den geistig-persönlichen und den finanziellen Anforderungen des Unternehmens bestimmen aber gerade im Zeitungs- und Zeitschriftengewerbe der geistigen Natur seines Gegenstandes wegen — abgesehen von ganz individuellen U m ständen — noch weitere allgemeine Gründe zur Wahl dieser oder jener Unternehmungsform. Die Geistigkeit der Güter bedingt nicht nur besondere geistig-persönliche Anforderungen zu ihrer Herstellung und Vermittlung, sondern die Unternehmer, die geistigen wie die wirtschaftlichen, stellen auch ihrerseits für sich Ansprüche an die Unternehmungsform, und ebenso verlangen Interessen der Gesamtheiten eine Rerücksichtigung bereits in der Wahl und Gestaltung der Unternehmungsform. Sodann knüpft die Geistigkeit der Güter vielfach besondere, sehr starke geistig-persönliche Reziehungen zu einem bestimmten Personenkreis, setzt weitgehend eine geistig-persönliche Teilnahme bei einem solchen voraus, und das legt nahe, Personen aus diesem Kreis in irgendeiner Form unmittelbar an dem Unternehmen zu beteiligen. Ferner: Ein großer Teil der Zeitungen und Zeitschriften ist einer Idee, einem Programm gewidmet, u m ihretwillen werden Unternehmungen gegründet, und es gilt, nicht nur Personen an diesen zu beteiligen, die der Idee, dem Programm anhangen und dafür bereit sind, finanzielle Opfer zu bringen, sondern es gilt auch, das Unternehmen der Vertretung der Idee, des Programms-zu sichern, es vom Wechsel der Personen und ihrer Reteiligungen möglichst unabhängig zu machen. Auch dadurch wird die Zahl der gewählten Unternehmungsformen bereichert, die Wahl stärker auf bestimmte Unternehmungsformen gelenkt, erscheint eine eigentümliche, von dem üblichen Schema abweichende Modifikation einer Unternehmungsform. So sehen wir in dem Zeitungs- und Zeitschriftengewerbe eine außerordentliche Vielfalt der Unternehmungsformen, von denen sich einige als besonders geeignet f ü r den Verlag von Periodika qualifizieren und daher häufig gewählt werden. Rei der Beurteilung der Geeignetheit einer Form für die Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmung müssen wir aber fünferlei unterscheiden: erstens die wirtschaftliche Geeignetheit, die Geeignetheit für die Finanzierung, die Geschäftsführung und den Wirtschaftserfolg; zweitens die journalistisch-technische Geeignetheit, die Geeignetheit für eine Leistung, die möglichst vollkommen den Wesensanforderungen des Periodikums Rechnung trägt, drittens die einigende Geeignetheit, die Geeignetheit f ü r die Harmonisierung des in jedem Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen liegenden geistig-wirtschaftlichen Dualismus, des Verhältnisses zwischen Herausgabe (Redaktion)
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und Verlag, viertens die ideelle Geeignetheit, die Geeignetheit für die Durchführung einer allgemeinen Idee, eines politisch-kulturellen Programms, fünftens die soziale Geeignetheit, die Geeignetheit für die Wahrung öffentlicher Interessen. Das Zeitungs- und Zeitschriftengewerbe weist alle drei Grundtypen von Unternehmungsformen auf, die die Betriebswirtschaftslehre zu unterscheiden pflegt: die kapitalistischen im weiteren Sinne, die wieder in Personen- und in (anonyme) Kapitalgesellschaften i. e. S. getrennt werden, die genossen