Die Theorie der Körperschaftsteuer [1 ed.] 9783428431090, 9783428031092


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German Pages 331 Year 1974

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Die Theorie der Körperschaftsteuer [1 ed.]
 9783428431090, 9783428031092

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 233

Die Theorie der Körperschaftsteuer Von

Christian A. L. Rasenack

Duncker & Humblot · Berlin

C H R I S T I A N A. L. RASENACK

Die Theorie der Körperschaftsteuer

Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 233

Recht

Die Theorie der Körperschaftsteuer

Von

Dr. Christian A. L. Rasenack, LL. M. Privatdozent an der FU Berlin

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D U N C K E R & H U M B L O T /

BERLIN

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Alle Rechte vorbehalten © 1974 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1974 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 03109 1

Vorwort Wenn nicht alles täuscht, scheint sie also doch noch während der laufenden Legislaturperiode zustande zu kommen: die lang diskutierte Reform des gegenwärtigen Körperschaftsteuerrechts. Was über Jahre hinweg, abgesehen von leicht zugänglichen Kommissionsgutachten oder Meinungsäußerungen i n der Literatur, seinen Niederschlag zumeist nur i n teilweise ängstlich gehüteten Referentenentwürfen und Kabinettsentscheidungen gefunden hatte — mit der Bundesrats-Drucksache 700/73 vom 8. 11. 1973 betr. die Reform der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und des Sparprämiengesetzes weiß nun auch eine weitere Öffentlichkeit, auf welche A r t der Körperschaftsbesteuerung sie sich i n Zukunft w i r d einrichten müssen. Gegenüber den beiden Extremen der modernen Körperschaftsteuer, etwa dem sog. klassischen System mit einheitlicher Besteuerung des Gesamtgewinns ohne Entlastung der Ausschüttungen (noch heute praktiziert ζ. B. in den Vereinigten Staaten, den Niederlanden oder Italien) und dem System der Re-Integration der Körperschaftsteuer i n die Einkommensteuer durch Vollanrechnung sämtlicher körperschaftlicher Gewinne auf die Einkommensteuer der respektiven „Teilhaber" (TeilhaberSteuerkonzept), soll wie bisher eine kompromißhafte Zwischenposition bezogen werden. Statt der bisherigen Spaltung des Körperschaftsteuertarifs je nach Ausschüttung und Einbehaltung möchte man allerdings das sog. Anrechnungssystem einführen, das die volle Freistellung der Ausschüttungen von der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung ermöglichen wird. I m Ergebnis steht somit eine neuerliche steuerliche Begünstigung der Einkünfte aus gewissen Kapitaltiteln ins Haus. Und — wie nicht anders zu erwarten — ist denn auch bereits gefordert worden (man vergleiche eine Notiz aus der Frankfurter Rundschau vom 10. 12. 1973, Jg. 29 Nr. 287, S. 5), daß dieser sozialpolitische Effekt lediglich zugunsten eines ausgewählten Kreises von Begünstigten noch einmal genauestens überdacht werden müsse, und zwar insbesondere i m Hinblick auf die allgemeine Vermögensbildungspolitik. Was immer hier i m einzelnen noch berücksichtigt werden w i r d — wie schon mehrfach i m Verlauf der Entwicklung der Körperschaftsteuer steht man m i t h i n einmal mehr vor der Situation, i n der erkannt werden muß: Grundstürzende Veränderungen am System einer konkreten Steuer erscheinen heutzutage wegen der unvermeidlichen Rück-

4

Vorwort

Wirkungen auf das Steuersystem als solches, vor allem aber auch wegen der allzu offensichtlichen Labilität des status quo der steuerlichen Belastung der Bevölkerung, nur noch in marginalen Fällen möglich. Zwar sprechen alle Anzeichen dafür, daß die Kategorie des körperschaftsteuerlichen Gewinns nunmehr noch deutlicher in Richtung auf den einbehaltenen Gewinn verengt werden wird. Zugleich macht man sich jedoch Gedanken darüber, wie die hieraus resultierende kurzfristige Begünstigung der sog. Anteilshaber (wegen Wegfalls der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung bei den Ausschüttungen muß der Marktwert der Beteiligungstitel steigen) auf anderem Gebiet (ζ. B. durch verstärkte Sparförderung etc.) wettgemacht werden kann. Und neben dieser genauen Beobachtung des steuerlichen status quo soll der Kern der bisherigen Körperschaftsbesteuerung, die steuerliche Erfassung des einbehaltenen Gewinns zu proportionalen Sätzen, keineswegs angetastet werden. Denn natürlich beseitigt die Ausräumung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung für Ausschüttungen noch nicht die selbständige, von individuellen Leistungsfähigkeitsüberlegungen ganz unabhängige steuerliche Erfassung des Restes. M i t der A r t des gegenwärtigen Steuerkonglomerats w i r d man sich — abgesehen von einigen Frontbegradigungen — daher einfach abfinden müssen. Die Konsequenzen, die sich aus diesem Stand der Dinge für Sinn, Zweck und Funktion der hiermit vorgelegten Schrift zur Theorie der Körperschaftsbesteuerung ergaben, liegen auf der Hand. Angesichts des vergleichsweise engen Handlungsspielraums, der sich für durchgreifende Steuerreformen nun einmal ergibt, konnte es kaum darauf ankommen, den zahlreichen, i m Zusammenhang mit der gegenwärtigen Körperschaftsteuerreformdiskussion vorgetragenen Verbesserungsvorschlägen lediglich einen weiteren zur Seite zu stellen. Nicht daß an der derzeitigen Körperschaftsteuer Verbesserungswürdiges nicht mehr gefunden werden könnte. Vordringlicher erschien jedoch — und zwar insbesondere angesichts eines jahrzehntelangen Desinteresses an theoretischen Erörterungen zu konkreten Einzelsteuern —, den Grundstrukturen der modernen Körperschaftsteuer als solchen auf die Spur zu kommen, ihrer allmählichen empirischen Entwicklung in der Steuergeschichte nachzugehen und die theoretische Verifizierbarkeit des jeweiligen status quo an der Entwicklung entsprechender, d. h. körperschaftsrelevanter Begrifflichkeiten in der Wirtschaftstheorie und der Sozialgeschichte zu versuchen. Denn wer um die tatsächlichen oder theoretischen Hintergründe einer bestimmten Steuerart weiß, w i r d immer auch — zumindest annäherungsweise — erkennen können, i n weicher Richtung zukünftige Veränderungen, immer freilich unter dem Vorbehalt der Systemkontinuität, überhaupt nur gehen können. M i t h i n sieht sich die vorliegende Schrift in erster Linie als ein Beitrag zur

Vorwort

Institutionen- und Strukturerkenntnis steuerlicher Erscheinungen, nebenbei aber auch als Prognosehilfe i m Hinblick auf ggf. zu erwartende Fortbildungen bei Körperschaftsteuerreformdiskussionen. Wer also konkrete Anregungen etwa für die Ausgestaltung des Anrechnungssystems oder das Problem der Behandlung von ausländischen Anteilseignern erwartet, w i r d sich möglicherweise enttäuscht sehen. Dafür besitzt die hier angestrebte Abstraktion von körperschaftssteuerlichen Tagesproblemen den Vorteil, daß die Brauchbarkeit des vorgelegten Materials einen etwas längeren „Halbzeitwert" haben dürfte, als das sonst i m gemeinhin schnellebigen Steuerrecht der Fall ist. Die derzeit vorliegenden Dokumente zur Körperschaftsteuerreform beweisen dies eindringlich. Zwar verschieben sie wieder einmal — aus W e t t bewerbs-, sozial- und wirtschaftspolitischen Gründen — die effektive Steuerbelastung der betroffenen Unternehmen und natürlichen Personen. A m eigentlichen Kern der modernen Körperschaftsbesteuerung, der Besteuerung sozialer Wirkeinheiten auf der Grundlage ihrer exemplarischen Bedeutung i m modernen Wirtschaftsablauf, hat sich jedoch nichts geändert. Die vorliegende Schrift, die dem juristischen Fachbereich der F U Berlin ab Winter 1972/73 zur Begutachtung vorgelegen hat, ist unter der großzügigen Betreuung und bereitwilligen Förderung von Herrn Professor Dr. H. Quaritsch/Speyer entstanden. Zuvörderst ihm, später aber auch dem Berliner juristischen Fachbereich hat der Verf. dafür zu danken, daß i h m diejenige, fast völlig ungestörte Muße zur Verfügung stand, die zur Bearbeitung eines Themas mit weitreichenden außer juristischen Bezügen nun einmal erforderlich ist. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat die Arbeit mit einem Druckkostenzuschuß gefördert; der Verlag Duncker & Humblot für eine besonders schnelle Drucklegung Sorge getragen. Ich widme diese Schrift meiner Frau. Berlin, i m Dezember 1973 Christian

A. L. Rasenack

Inhaltsverzeichnis Einleitung

11

Erster Teil Entwicklungslinien und Tendenzen der Körperschaftsbesteuerung von den Ursprüngen bis zur gegenwärtigen Reformdiskussion

19

1. K a p i t e l Von der Ertragskörperschaftsteuer zur Einkommen-Körperschaftsteuer: Die Vorphase einer Körperschaftbesteuerung i. e. S

19

1. Die subjektive Steuerpflicht

23

2. Die objektive Steuerpflicht

28

3. Das Verhältnis zur Besteuerung der natürlichen Personen i m besonderen

31

2. K a p i t e l Die Periode der Einkommen-Körperschaftsteuern

32

1. Die subjektive Steuerpflicht

35

2. Die objektive Steuerpflicht

38

3. Besteuerungsgegenstand u n d Periodenabgrenzung

46

4. Das Doppelbesteuerungsproblem a) Die Vermeidung der körperschaftsteuerlichen Doppelbelastung . . . . b) Die M i l d e r u n g der körperschaftsteuerlichen Doppelbelastung c) Die Akzeptierung der körperschaftsteuerlichen Doppelbelastung ..

49 50 54 63

3. K a p i t e l Von der Einkommen-Körperschaftsteuer zur Eigenständigkeit der Körperschaftsteuer: Die Körperschaftsteuerreform 1920

71

1. Die subjektive Steuerpflicht

72

2. Die objektive Steuerpflicht

77

3. Besteuerungsgegenstand und Periodenabgrenzung

86

4. Das Doppelbesteuerungsproblem

88

4. K a p i t e l Die Konsolidierung der bisherigen Entwicklung: Das Körperschaftsteuergesetz 1925

96

8

Inhaltsverzeichnis

1. Die subjektive Steuerpflicht

97

2. Die objektive Steuerpflicht

102

3. Besteuerungsgegenstand u n d Periodenabgrenzung

109

4. Das Doppelbesteuerungsproblem (Betriebsbelastungsvergleich)

111

5. K a p i t e l Von der eigenständigen Körperschaftsteuer zur Unternehmensbesteuerung überhaupt: Das Körperschaftsteuergesetz von 1934 115 1. Die subjektive Steuerpflicht

117

2. Die objektive Steuerpflicht

120

3. Das Verhältnis der Körperschaftsbesteuerung zur Einkommensbesteuerung 126 6. K a p i t e l Infragestellung der Eigenständigkeit der Körperschaftsbesteuerung: Die Betriebssteuerentwürfe 1948/1949 133 1. Die subjektive Steuerpflicht (der Steuergegenstand)

134

2. Die objektive Steuerpflicht

137

3. Das Verhältnis der Betriebsbesteuerung zur Einkommensbesteuerung 144 7. Kapitel 1 Die Reorganisation der Körperschaftsteuer: Die Nachkriegsgesetzgebung 154 1. Die subjektive Steuerpflicht

156

2. Die objektive Steuerpflicht

161

3. Das Verhältnis der Körperschaftsbesteuerung zur Einkommensbesteuerung 164 8. K a p i t e l Gegenwärtige Probleme der Körperschaftsbesteuerung

173

1. Das Teilhabersteuermodell

174

2. Andere Reformvorschläge 185 a) Die Vorschläge des wissenschaftlichen Beirats von 1967 u n d das Gutachten der Steuerreformkommission von 1971 186 b) Der sog. Meilicke- u n d der sog. Kreile-Vorschlag 191 9. K a p i t e l Zusammenfassung und Ausblick 1. V o n der Einkommen-Körperschaftsbesteuerung körperschaftsbesteuerung

195 zur

Unternehmens-

196

2. Von einer weitgehend fiskalischen Körperschaftsteuer zur Steuer m i t außersteuerlichen Nebenzwecken 205

Inhaltsverzeichnis Zweiter T e i l Die Entwicklung der wichtigsten theoretischen Grundaxiome in der Körperschaftsbesteuerung. Das Wesen der Körperschaftsteuer 208 10. K a p i t e l Körperschaftsteuer und Einkommensbegriff

211

1. Der Einkommensbegriff der Klassik sowie Vorklassik u n d das System der Ertragskörperschaftsteuern 212 2. Der Einkommensbegriff unter dem Eindruck der Reinvermögenszugang-Theorie. Die Verselbständigung der Körperschaftsteuer 218 3. Strömungen u n d Untertöne des gegenwärtigen Einkommensbegriffs und der gegenwärtigen Körperschaftsbesteuerung 231 11. K a p i t e l Körperschaftsteuer und Gewinn 1. Funktionale Verteilungstheoreme u n d Körperschaftsbesteuerung

244 . . . . 245

2. Die Ablösung der funktionalen Verteilungstheoreme. Die Körperschaftsteuer als Lückensteuer 252 12. K a p i t e l Körperschaftsteuer, Eigentum und soziale Frage

269

1. Der traditionelle Eigentumsbegriff und die anfängliche Unpopularität der Körperschaftsteuer 271 2. Die gesellschaftliche Inpflichtnahme des Eigentumsbegriffs. Die K ö r perschaftsteuer als Teilhabesteuer der staatlichen Gemeinschaft 280 13. K a p i t e l Körperschaftsteuer und steuerlicher Interventionismus

302

1. Die interventionistische Abstinenz des 19. Jahrhunderts

303

2. Das Vordringen interventionistischer Besteuerungsmethoden

307

Schlußbetrachtungen

312

Schrifttumsverzeichnis

315

Einleitung M i t der Körperschaftsteuer verhält es sich anders als ζ. B. m i t der Einkommensteuer. Während diese am Anfang ihrer Entwicklung zwar ebenso wie die Körperschaftsteuer ein eher negatives B i l d i n der Wertschätzung der allgemeinen Meinung gehabt hat 1 , dann aber schließlich — jedenfalls i n den westlichen Wirtschaftssystemen — zu einem der Grundpfeiler einer jeglichen Steuer Ordnung geworden ist 2 , hat jene nicht nur zu keiner Zeit den Durchbruch zu einer auch nur halbwegs anerkannten Steuerart geschafft, sondern ist zudem wie wohl keine andere Steuer zu allen Zeiten i n ihrer Existenzberechtigung überhaupt bestritten gewesen. Zwar ist gerade i n Deutschland eine mehr oder minder eigenständige Körperschaftsteuer bereits besonders früh eingeführt worden 3 . Für Preußen lassen sich die Anfänge dieser Methode der Besteuerung sogar bis i n die 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen und bekanntlich gibt es ein rechtstechnisch selbständiges Körperschaftsteuergesetz schon seit 1920, nämlich seit dem Reichskörperschaftsteuergesetz vom 20. 3. 19204. Trotz einiger früher Stimmen, die wie Lorenz v. Stein schon vor Entstehung einer eigentlichen Körperschaftsteuer für ein solches steuerliches Vorgehen eingetreten sind 5 , und trotz der sich allmählich an der sog. Theorie vom Unternehmen an sich 6 orientierenden Gesetzespraxis 7, ist jedoch immer wieder behauptet worden, daß die selbständige Besteuerung erwerbswirtschaftlich tätiger Körperschaften i m Grunde ein Unding sei. Was von Aktiengesellschaften usw. als 1

Vgl. dazu etwa F. K . Mann, Steuerpolitische Ideale, S. 202 ff., 230 ff. F. K. Mann, S. 238 ff.; oder auch die Beiträge von H. Teschemacher u n d H. Laufenburger i m H d b d F i n W , u n d zwar i n Bd. I (1927), S. 65 ff. u n d Bd. I I (2. Aufl. 1956), S. 448 ff. 3 E i n kurzer Überblick über die internationale Entwicklung findet sich besonders bei J. Popitz, Körperschaftsteuer, HdBd.StW 4 , S. 899 ff. 4 RGBl. S. 393. 5 Vgl. Lehrbuch der Finanzwissenschaft 3 , S. 336 : „ . . . die (inkorporierten, d. h. vereinsmäßig organisierten) Gesellschaften (sind) als wirtschaftliche E i n heiten unbedingt Steuersubjekte i n allen ihren Arten." Ä h n l i c h schon die 1. Aufl. S. 173 u n d später noch die 5. Aufl., S. 203. Ähnlich auch O. Gierke, Die Genossenschaftstheorie u n d die deutsche Rechtsprechung, S. 333. 6 Die Begriffsbildung „Unternehmen an sich" stammt (anders als es meist angenommen wird) erst von F. Haussmann, V o m Aktienwesen u n d Aktienrecht, anläßlich einer Auseinandersetzung m i t W. Rathenaus berühmter Schrift „ V o m Aktienwesen. Eine geschäftliche Betrachtung." Vgl. dazu m i t zahlreichen Nachweisen O. Netter, Z u r aktienrechtlichen Theorie des „Unternehmens an sich", Festschr. f ü r A . Pinner, S. 507 ff., 542 ff. 7 Vgl. dazu unten Kap. 2 und 3. 2

12

Einleitung

Geschäftsüberschüsse während eines gegebenen Zeitraums erwirtschaftet werde, so argumentierte diese auf den Bonner Privatdozenten und Sekretär des Centrai-Vereins der Aktien-Gesellschaften i n RheinlandWestphalen, Carl Dietzel, zurückgehende 8 und alsbald zur herrschenden Meinung aufsteigende 9 Auffassung, sei nichts anderes als zukünftiges Einkommen der an der respektiven juristischen Person beteiligten natürlichen Personen. Denn körperschaftliche Gewinne würden nicht um ihrer selbst willen erzielt, sondern einzig und allein zum Zwecke der Bedürfnisbefriedigung der i m einzelnen engagierten Kapitaleinleger. Infolgedessen ist seit Carl Dietzel über A. Lampe10 bis i n die heutige Zeit gefordert worden, die Körperschaftsteuer endlich für das zu nehmen, was sie ohnehin nur sein könne, nämlich für eine besondere A r t der Einkommensteuer (natürlicher Personen) — letztens bekanntlich durch die Teilhabersteuerpläne von W. Engels und W. Stützel n. I n der Tat erscheinen die Alternativen, die durch eine selbständige Körperschaftsteuer eröffnet werden, nicht gerade ermutigend 1 2 . Besteuert man ζ. B. sowohl die einschlägigen inkorporierten Gesellschaften wie deren Gesellschafter völlig unabhängig voreinander, nämlich einmal den ungeteilten Gewinn der Körperschaften mit der Körperschaftsteuer, das andere Mal den ausgeschütteten Gewinn, d. h. die Dividenden, Geschäftsanteile, Kuxen usw., m i t der Einkommensteuer (Einkünfte aus Kapitalvermögen), so scheint sich unweigerlich eine wirtschaftliche Doppelbelastung und i n ihrer Folge eine Diskriminierung von Unternehmensformen zu ergeben. Denn während bei nicht-inkorporierten Unternehmen der Unternehmensüberschuß immer nur einmal — wenn auch je nach Teilhaberzahl eventuell i n Bruchteilen — i n seiner Gesamtheit erfaßt wird, ohne daß es auf Ausschüttungen bzw. Entnahmen ankäme, kann das Vorhandensein von Ausschüttungen — unter dem Vorbehalt i m übrigen vergleichbarer (Tarif-)-Verhältnisse — durchaus zu belastungsmäßigen Verzerrungen führen. Entsprechend mag sich eine i n Besitztiteln von körperschaftlich organisierten Erwerbs- oder Kapitalgesellschaften engagierte natürliche Person veranlaßt sehen, i n andere 8 Die Besteuerung der Aktiengesellschaften i n Verbindung m i t der GemeindeBesteuerung, bes. S. 33 ff. 9 Vgl. etwa die Nachweise bei L. Blum, Die steuerliche Ausnutzung der A k tiengesellschaften i n Deutschland, S. 6 ff., 11 (Anm. 6). 10 Unter dem Stichwort „Körperschaftsteuer" i m Wörterb. d. Volkswirtsch. Bd. I I (4. Aufl.), S. 632 ff., 634 f. und i n dem Aufsatz, Reine Theorie der Finanzreform, F A (1934), S. 218 ff., 252 f. 11 W. Engels u n d W. Stützel, Teilhabersteuer 2 und dazu die (Saarbrückener) Diss, v o n E. Ketzel, Teilhabersteuer. Konzeption u n d Gestaltungsmöglichkeiten. Ä h n l i c h aber z. B. auch R. Musgrave, The Theory of Public Finance, S. 173; H. Haller, Die Steuern, S. 167; oder etwa das Gutachten zur Reform der direkten S t e u e r n . . . (Beiratsgutachten) 1967, S. 50, u n d das Gutachten der Steuerreformkommission 1971, S. 305 sowie öfters. 12 So schon J. Popitz, Einkommensteuer, Hdb. d. StW 4 , B d , I I I , S. 428 ff. Ä h n l i c h F. Terhalle, Finanzwissenschaft, S. 298.

Einleitung

Wertpapiere, etwa festverzinsliche, die nicht von der Körperschaftsteuer belastet werden, auszuweichen, oder aber es kann sich die betroffene juristische Person gezwungen sehen, i m Ausschüttungsinteresse ihrer Teilhaber eine sachlich ggf. nicht gerechtfertigte Umwandlung i n eine andere (nicht-körperschaftsteuerpfiichtige) Rechtsform vorzunehmen. Freilich gibt es Möglichkeiten, diese unangenehmen Begleiterscheinungen einer völlig selbständigen Körperschaftsteuer zu mildern. I m Grunde ändert sich durch derartige Abhilfen jedoch nur wenig. Wenn man jetzt ζ. B. daran dächte, nur die Körperschaften zu erfassen, ihre Gesellschafter dagegen i n der einen oder anderen Weise von der steuerlichen Verantwortlichkeit auszunehmen 13 , so würde sich zeigen, daß diese Methode zu eventuell unerwünschten Nebenwirkungen nur dann nicht führt, wenn das System der direkten Personalsteuern allseitig proportional angelegt wäre. Heutzutage muß man indessen — zumindest mit Rücksicht auf die Einkommensteuer — m i t einem Progressionstarif rechnen. Dann verflüchtigt sich der soeben genannte Vorteil jedoch alsbald. Denn je nachdem wie der persönliche Einkommensteuersatz des einzelnen Teilhabers liegt, lassen sich jetzt i m Vergleich m i t der Proportionalsteuerbelastung durch die Körperschaftsteuer steuerliche Vor- bzw. Nachteile erzielen. Liegt die individuelle Einkommensteuerbelastung höher als die mögliche Körperschaftsteuerbelastung w i r d sich eine Umwandlung von Individualeinkommen i n körperschaftlichen Gew i n n empfehlen. Umgekehrt ist es i m anderen Fall. Grundsätzlich hat sich m i t h i n an der typisch körperschaftsteuerlichen Problemlage nichts geändert. Legt man daher Wert darauf, die durch die Körperschaftsteuer hervorgerufenen Belastungsverzerrungen konsequent auszuräumen, spricht offenbar einiges dafür, den augenscheinlichen Anlaß für diese Erscheinungen, also die Körperschaftsteuer selbst, überhaupt zu beseitigen. Gewiß, an eine ersatzlose Beseitigung dieser Steuer wäre nicht zu denken. Sofort ergäbe sich die Gefahr, daß die körperschaftlichen Einbehaltungen mangels Zufließens bei den Teilhabern von der Besteuerung gänzlich ausgeschlossen blieben. Gestaltete man indessen, wie es die augenblicklich i n der Diskussion befindlichen Teilhabersteuermodelle wollen, die existente Körperschaftsbesteuerung i n der A r t einer Vorsteuer zur Einkommensteuer aus — indem man die gesamte bei den Körperschaften erhobene Steuerlast anteilig auf die einkommensteuer13 Das Beispiel gilt entsprechend für Fälle, i n denen — w i e ζ. B. bei der derzeitigen tariflichen Begünstigung körperschaftlicher Ausschüttungen („gespaltener Körperschaftsteuersatz") —• n u r teilweise Entlastungen von der Doppelbesteuerung i n Betracht kommen. Es w i r d lediglich die körperschaftsteuerliche Vergleichsgrundlage f ü r die i m folgenden angedeuteten Kalkulationen auch von der Besteuerungsgrundlage her angehoben.

14

Einleitung

liehen Verpflichtungen der Teilhaber anrechnen ließe 14 — wären diese Möglichkeiten steuerfreier Gewinnthesaurierung verbaut. Nach wie vor müßte für den vollen Gewinn einschließlich der Einbehaltungen die Teilhabersteuer wie vormals die Körperschaftsteuer entrichtet werden. Gleichwohl wären Sonderbelastungen je nach Rechtsform nicht mehr möglich. Denn anläßlich der Anrechnung der Teilhabersteuer auf die individuelle Einkommensteuer müßte je nach der marginalen Gesamtsteuerlast des Teilhabers die Reststeuerverpflichtung entsprechend angepaßt werden. Wäre zuviel vorgeleistet worden, käme es wie bei der gegenwärtigen Kapitalertragsteuer zu Erstattungen. Per Saldo bemäße sich dann aber auch die Gesamtsteuerlast der inkorporierten Unternehmen schlechthin nach der Gesamtsteuerverpflichtung ihrer Teilhaber. Abgesehen von den keineswegs leicht zu nehmenden Vorbehalten gegenüber den technischen Schwierigkeiten, die ein derartiges Anrechnungssystem i n der Praxis m i t sich bringen würde 1 5 , muß nun jedoch auffallen, daß auch dieser Beitrag zu einer wünschenswerteren Gestaltung der aktuellen Körperschaftsteuer keinesfalls frei von mißlichen Nebenwirkungen ist. Ein erster Vorbehalt hat m i t dem Umstand zu tun, daß auch nach den Teilhabersteuerplänen die Körperschaften — jedenfalls kurzfristig — von Steuerzahlungsverpflichtungen keineswegs verschont werden. I m Gegensatz zu früheren Überlegungen m i t Rücksicht auf eine Integration der Körperschaftsteuer i n die Einkommensteuer ist es ja gerade der besondere Wesenszug der Teilhabersteuer, daß sie das Problem einer steuerlichen Verpflichtung für nicht zugeflossene Einkünfte durch das intermediäre Dazwischenschieben der Körperschaften gelöst hat. Gerade deswegen ist es aber denkbar, daß einer gegebenen Unternehmung durch die Teilhabersteuer Liquidität entzogen wird, die sie anders als i m überschaubaren Bereich eines Personenunternehmens keineswegs notwendigerweise zurückerhält. Liquiditätsunterschiede zwischen den Unternehmens formen werden auch durch eine Teilhabersteuerregelung also nicht beseitigt, ja womöglich neu geschaffen. I n ganz ähnlicher Weise w i r d ein zweites Problem wirksam, das mit Einführung einer Teilhabersteuer unweigerlich aufreißen müßte. Gemeint ist der von Engels und Stützel selbst betonte vermögenspolitische Akzent, der sich m i t der Integration der Körperschaftsteuer i n die 14

Vgl. dazu näher unten das K a p i t e l 8. Worauf insbesondere i n der internationalen Diskussion immer wieder m i t Nachdruck verwiesen w i r d , vgl. etwa A. J. van den Tempel, I m p ô t sur les sociétés et impôt sur le revenue dans les Communautés Européennes, L a F i s c a l i t é . . . 39 (1970), S. 188, u n d die Stellungnahme der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, i n : Structure de l'impôt des sociétés — Allégement de la double imposition économique des dividends, L a F i s c a l i t é . . . 41 (1970), S. 97 ff. 15

Einleitung

Einkommensteuer ergibt 1 6 . Wenn die einkommensteuerliche Anrechnung bzw. Erstattung vorgezahlter Teilhabersteuer bei Einkommensteuerpflichtigen m i t niedriger prozentualer Steuerpflicht am größten ist, so lautet die Überlegung, müßte man aller Wahrscheinlichkeit nach m i t einer wachsenden Popularisierung des Anteilsparens rechnen können. Denn derjenige erhalte die höchste prozentuale Dividende (Bar- und Fiskaldividende), der einkommensmäßig am schlechtesten stünde. So weit so gut: Muß das aber nicht — i n der Folge, d. h. langfristig — darauf hinauslaufen, daß der Löwenanteil solchermaßen neu gebildeten Kapitals ausschließlich den sog. Kapitalgesellschaften zufließen wird? Nur juristische Personen haben an klein gestückelten Beteiligungskapital ein Interesse: Für Personenunternehmen ist es dagegen schlechterdings wertlos. Wie bei den zuvor skizzierten Gestaltungsmöglichkeiten der Besteuerung von juristischen Personen muß also auch bei der Integrationsmethode das i n erster Linie verfolgte Ziel, nämlich die wettbewerbsneuttralere Besteuerung des in Beteiligungstiteln angelegten Kapitalvermögens, m i t einigen gewichtigen Nachteilen erkauft werden. Der Verdacht drängt sich auf, daß die Körperschaftsteuer so, wie sie sich historisch entwickelt hat, möglicherweise ein viel realistischeres A b b i l d der Wirklichkeit darbietet, als es die meisten wahrhaben wollen. Dezennien einer selbständigen Körperschaftsbesteuerung — sollen sie wirklich nichts anderes als ein I r r t u m gewesen sein, und zwar von der Art, daß noch kürzlich eine Dissertation die Frage hat aufwerfen können, ob das kontinuierliche Festhalten des Steuergesetzgebers an der nichtintegrierten Körperschaftsteuer überhaupt für derart irrational gehalten werden müsse, daß man summa summarum nur zufällige tagespolitische und wirtschaftspolitische Überlegungen für den aktuellen Stand der Körperschaftsteuer verantwortlich machen könne 17 ? Sollte man demgegenüber nicht vielleicht umgekehrt fragen, woher die gegenwärtige Reformdiskussion m i t ihrem Ziel der Re-Integration der Körperschaftsteuer i n die Einkommensteuer eigentlich die Überzeugung nimmt, daß das, worauf die Körperschaftsteuer greift, immer und ausschließlich als Einkommen konkreter natürlicher Personen zu gelten habe? Noch immer vergleicht man den Aktionär einer Publikumsgesellschaft etwa m i t dem Inhaber eines Unternehmens, i n dem der Eigentümer selbst mitarbeitet. Den einzigen Unterschied erblickt man darin, daß man den Aktionär — auch rechtlich offenbar kein „echter" Eigentümer mehr — m i t der Bezeichnung „wirtschaftlicher Eigentümer" belegt — i n der deutlichen Erwartung freilich, daß i n der wirtschaftlichen 16 17

Vgl. Teilhabersteuer, S. 7 ff., 10 f. E. Ketzel, S. 16.

16

Einleitung

Betrachtungsweise das Wesen dieser „Funktionalisierung des Eigentums" zum Ausdruck komme 1 8 . Ist das aber wirklich der Fall? Zwar weisen die ökonomisch-juristischen Begriffe wie Einkommen und Gewinn — jedenfalls i n ihrer ursprünglichen Wortbedeutung und i n ihrem ursprünglichen Selbstverständnis — deutlich darauf hin, daß es sich entwicklungsgeschichtlich einmal um personenbezogene individualistische und nicht u m objektgebundene entpersönlichte Rechtspositionen gehandelt hat. Wie alsbald des näheren auszuführen sein wird, ist die Körperschaftsteuer anfänglich tatsächlich nichts anderes als eine Sonderform der Einkommensteuer gewesen, nämlich eine Ergänzungseinkommensteuer zur Erfassung von Einkünften, die wegen Nichtausschüttung nicht i n die freie Verfügungsgewalt natürlicher Personen gelangten. Woher w i l l man jedoch wissen, daß dieser historische Ausgangspunkt der Körperschaftsteuer i n den verschiedenen Einkommensteuergesetzen der einzelnen deutschen Bundesstaaten vor 1919 noch heute einen realitätsnahen Ansatzpunkt abzugeben vermöchte? Wie noch i m einzelnen darzulegen sein wird, ist dem historischen Eigentümerunternehmer i n den Körperschaften längst auch der Nureigentümer und der (angestellte) Nurunternehmer zur Seite getreten. Längst sind daher viele Unternehmen und unter ihnen besonders die Körperschaften zu Gebilden geworden, bei denen sich das Eigentümerinteresse weniger auf das Haben oder gar Verfügen über konkrete Produktionsmittel richtet. Vielmehr hat sich ein großer Teil von vermittels Besitztiteln an inkonporierten Unternehmungen beteiligten „Eigentümern" ganz auf die Wertfunktion ihres „Besitztums" zurückgezogen. Entsprechend sind auch die traditionellen Zurechnungslehren (Rechtfertigungslehren) i n immer größere Schwierigkeiten gekommen. Denn wenn etwa noch die Arbeitstheorie des John Locke von der undifferenzierten Erscheinung des selbst mitarbeitenden Eigentümers ausgehen konnte, dem die gesamten Nettoüberschüsse einer gegebenen Rechnungsperiode aus natürlichem Recht zuwuchsen — was sollte geschehen, wenn sich dieser kompakte Block des beherrschten Eigentums i n seine vielfältigen modernen Funktionen auflöste? Wäre es darum nicht denkbar, daß sich i n dem korporativen „Einkommen" bereits eine ganz neue Kategorie von Einkünften herausgebildet hätte, bei denen die Frage nach der individuell-personalen Zurechnung schon deswegen zurückgestellt werden muß, weil sich Teile des periodischen Mehrwertes einfach derart verselbständigt haben, daß niemand mehr genau zu sagen wüßte, wohin sie gehören? Die immer ausgeprägtere Funktionalisierung und Entpersönlichung der verschiedensten gewerblich-industriellen Wertschöpfungen sind hierfür ebenso sehr Anhaltspunkt wie die zunehmende Unsicherheit der modernen wirtschaftsethischen Verteilungslehren, zu 18

W. Engels u n d W. Stützel, S. 27 f.

Einleitung

der tatsächlichen Notwendigkeit der aktuellen Verteilung noch halbwegs überzeugende Aussagen zu machen. Und ließe sich dann die moderne Körperschaftsteuer nicht auch zwanglos eher als ein Instrument versachlichter Teilnahme an einem von seinen personalen Bezügen gänzlich losgelösten Ausschnitt des periodisch erwirtschafteten Überschusses versinnbildlichen, als daß man gezwungen wäre, auf die Vorstellung zurückzugreifen, die Körperschaften lediglich als eine Zahlstelle für fremde Steuerschulden zu betrachten? Die Konsequenzen, die sich hieraus für den Aufbau der vorliegenden Schrift ergeben, liegen auf der Hand: Führt die Beschäftigung m i t der Körperschaftsteuer ausschließlich oder doch überwiegend vor dem Hintergrund a priori erfolgter Leitlinien offensichtlich dazu, daß immer nur ein Teil der Wirklichkeit erfaßt werden kann, empfiehlt es sich augenscheinlich, genau umgekehrt und i m Gegensatz zu der bisher üblichen deduktiven Betrachtungsweise, i n der Hauptsache rein empirisch vorzugehen. W i l l man die ganze Bandbreite der Entwicklungslinien innerhalb der Körperschaftsbesteuerung i n den Griff bekommen, muß somit Ausgangspunkt für die Erfassung des Phänomens der Körperschaftsbesteuerung immer die Entwicklung dieser Steuer selbst sein. Und entsprechend ist es auch das Anliegen des 1. Teils dieser Arbeit, das Wesen der Körperschaftsteuer Schritt für Schritt aus dem Konzept, der Ausgestaltung und den Fehlern der verschiedenen Körperschaftsteuergesetze, die die Geschichte dieser Steuer bisher erlebt hat, selbst herzuleiten. Gleichwohl konnte und brauchte diese Methode natürlich nicht streng durchgehalten zu werden. Wer, wie es eine konseqente Durchführung der empirischen Methode an sich erfordert hätte, nicht nur die jeweiligen Bewegungen und Veränderungen der eigentlich konstituierenden Elemente einer jeden Körperschaftsbesteuerung, sondern auch noch die jeweiligen ökonomischen und rechtlichen Hintergründe dieses Komplexes i n allen seinen Verzweigungen induktiv aufbereiten wollte, würde leicht ins Uferlose geraten. Infolgedessen sind i m Nachstehenden nur die rein körperschaftsteuerlichen Fakten, d. h. die subjektive Steuerpfiicht, der Steuergegenstand und die allfällige Abgrenzung zwischen der Körperschaftsbesteuerung und der Einkommensteuer der natürlichen Personen, von den Rechtstatsachen her aufgesucht worden. Die Hintergründe des sowohl ökonomisch als auch rechtlich bedeutsamen Begriffs des Einkommens ζ. B., von denen sich die Körperschaftsteuer auf Grund ihrer jeweiligen Standortbestimmung immer wieder abhängig zeigte, wurden dagegen i n einem zweiten Teil lediglich begriffskritisch überprüft. Eine kurze Überlegung zeigt jedoch, daß hierdurch kaum Nachteile für das mit der vorliegenden Arbeit verfolgte Ziel entstehen mußten. 2 Rasenack

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Einleitung

Gewiß, die lediglich begriffskritisch erfolgende Skizzierung etwa der Entwicklungslinien des ökonomischen Einkommensbegriffs oder die entsprechende Behandlung des juristischen Eigentumskonzepts barg, je näher die Untersuchung i n die Gegenwart hereinragte, wieder die Gefahr unzulässiger Verallgemeinerungen. Da die auf das Rechtstatsächliche beschränkte Erörterung der körperschaftsteuerlichen Entwicklungsgeschichte jedoch ohnehin nur auf die Erarbeitung von Tendenzen und die Ausschließung extremer Lösungen (etwa des rein betrieblichen Ansatzes bzw. des sog. Mitunternehmeransatzes: „partnership approach") hinauslaufen konnte, ließ sich die Fragestellung auch i m zweiten Teil der Arbeit durchaus dahingehend reduzieren, daß lediglich zu prüfen war, ob das bis dahin aufgefundene Ergebnis zugleich mit der Entwicklung ζ. B. des Einkommens- oder Eigentumsbegriffs i n Einklang gebracht werden konnte. Dann war die Zielrichtung des begriffskritischen Teils aber von vornherein nicht auf die Auffindung absoluter unverrückbarer Leitlinien angelegt, sondern — viel vorsichtiger — lediglich auf die Bestätigung schon anderweitig aufgefundener Ergebnisse; und entsprechend bleibt der Vorwurf möglicher Wirklichkeitsferne i n der Argumentation vermieden. Zugleich ließ sich durch diese Verfahrensweise noch ein weiterer Einwand ausräumen. Gemeint ist das Argument, daß i n dem Maße, wie deduktive Ableitungen die Verbindung zur Realität verlieren können, induktive Untersuchungen auf die Kultivierung blinder Faktizität und — bezogen auf das hier zur Erörterung stehende Thema — auf die Propagierung fiskalisch-verwaltungsfreundlicher „Bequemlichkeiten" hinauszulaufen pflegen. Wie soeben ausgeführt worden ist, vermag aber auch hier der grundsätzlich anders aufgebaute begriffskritische zweite Teil Abhilfe zu schaffen: Denn wenn insoweit gerade nicht der empirische Ansatz fortgesetzt, sondern gerade umgekehrt die Entwicklung begrifflich-abstrakter und damit normativer Konzeptualisierungen verfolgt worden ist, so nahmen daran natürlich auch die vorstehenden empirokritischen Ableitungen teil. Die Vereinbarkeit der aus der Entwicklung der Rechtstatsachen erarbeiteten Tendenzen mit den Veränderungen der ökonomisch-juristischen Begrifflichkeit zu untersuchen, war ja gerade Zweck dieser Darlegungen. Dann entfällt indessen auch der Vorwurf, die anschließenden Untersuchungen redeten einer Förderung blinden Faktenstudiums das Wort.

Erster Teil

Entwicklungslinien und Tendenzen der Körperschaftsbesteuerung von den Ursprüngen bis zur gegenwärtigen Reformdiskussion 1. Kapitel Von der Ertragskörperschaftsteuer zur EinkommenKörperschaftsteuer: Die Vorphase einer Körperschaftsbesteuerung i. e. S. Wie jede neue Steuerreform entstand auch die Körperschaftsteuer i n Deutschland nicht i m ersten Anlauf. Gerade umgekehrt zu ihrer Einschätzung i n der Wissenschaft und den Kreisen der betroffenen Personen verlief ihre Eingliederung i n das allgemeine Steuersystem indessen viel zügiger und reibungsloser als das beispielsweise bei der Einkommensteuer der Fall war. Waren hier seit Einführung der preußischen Klassensteuer von 1820 bis zur Ausgestaltung dieser Steuer zu einer universalen Einkommensteuer i m modernen Sinn nämlich ζ. T. bis zu 80 Jahre mühevoller gesetzgeberischer, wissenschaftlicher und auch allgemein aufklärerischer Vorarbeiten nötig gewesen1, so lagen zwischen den frühesten Ansätzen zu einer Körperschaftsteuer i m eigentlichen Sinn, die sich wiederum für Preußen etwa bis i n die Mitte des vergangenen Jahrhunderts zurückverfolgen lassen, und den späteren (bundesstaatlichen) Einkommen-Körperschaftsteuern i. d. R. nicht mehr als zwischen 20 und 40 Jahren. Entsprechend zeigten sich auch die Charakteristika der modernen Körperschaftsteuer: die Anknüpfung an eine Besteuerungsgrundlage (objektive Steuerpflicht), die den tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg jedenfalls nicht von vornherein für nebensächlich hält (Ertrag, Gewinn, „Einkommen" etc.), und die Orientierung an einer gesetzlich umrissenen Zielgruppe von (größeren) Unternehmungen (subjektive Steuerpflicht), bereits verhältnismäßig frühzeitig. Schon die u m die Mitte des vergangenen Jahrhunderts vielfach zu beobachtenden Sondergewerbesteuern (Eisenbahnsteuern usw.) waren sukzessive von der traditionellen Besteuerung nach rein äußerlichen 1 Dazu bes. H. Teschemacher, Einkommensteuer, HdbFinWiss 1 I I , S. 100 ff. u n d F. K . Mann, Steuerpolitische Ideale, S. 238 ff.

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1. Teil: Entwicklungslinien u n d Tendenzen

Merkmalen abgekommen und hatten an ihre Stelle den tatsächlichen Ertrag gesetzt. Trotzdem trug die anfängliche Entwicklung — natürlich — lange Zeit den Stempel des Ambivalenten, Unfertigen. Z u einem Zeitpunkt, zu dem das Schwergewicht des Systems der direkten Steuern i n Deutschland noch unentschieden zwischen der subjektlosen, am Faktoreinkommen als solchen orientierten Ertragsbesteuerung und frühen Formen der subjektbezogenen universalistischen Einkommensteuer hin und her pendelte 2 , war das freilich nicht anders zu erwarten. Solange die Merkmalsbesteuerung 3 i. V. m. den überkommenen Ertragsteuern noch eindeutig die Oberhand gegenüber allen Bestrebungen hatte, an Stelle der bloß vermuteten Wirtschaftskraft den tatsächlich erzielten w i r t schaftlichen Erfolg zu erfassen, und solange der analytische Ansatz am einzelnen Produktionsfaktor noch weithin dem synthetischen Ansatz an dem dem einzelnen Individuum zufließenden Erfolg vorgezogen wurde 4 , solange bestand für eine gesonderte steuerliche Heranziehung von Unternehmungen lediglich wegen ihrer besonderen rechtlichen Organisation kaum ein triftiger Grund. Wie ζ. B. die preußische Gewerbesteuer von 1820 zeigte, ließ sich die mutmaßliche wirtschaftliche Kraft einer Unternehmung eben auch allein nach Tätigkeitsmerkmalen bestimmen, die wie das Vorliegen einer Wechselbank oder eines Fabrikgeschäfts ganz außerhalb der spezifischen Organisationsform lagen 5 . Und was den punktuellen Ansatz beispielsweise der Grundsteuer oder der Gewerbesteuer anbelangte, so bestand schon wegen der gewollten funktionalen Spezialisierung dieser Ertragsteuern kaum ein Motiv, nur wegen der Rechtsform einer inkorporierten Gesellschaft etwa die jeweilige Steuerlast nicht mehr nach der Güte des vorhandenen Grundbesitzes oder der A r t des Gewerbes zu ermitteln. Tatsächlich sind daher auch über lange Zeiten die damals existenten Körperschaften, nämlich besonders die Aktiengesellschaften und Kommanditaktiengesellschaften, ausschließlich zur Grund- und Gewerbesteuer herangezogen worden 6 . 2 Beispielhaft läßt sich das insbes. an der preuß. klassifizierten Einkommensteuer von 1851 studieren. Ihre „Klassen" bildeten reine Einkommensstufen. Gleichwohl w a r sie noch keine echte Einkommensteuer, da die Hilfsmittel für eine Veranlagung nach der Wirklichkeit noch weitgehend fehlten. Vgl. etwa W. Lötz, Finanzwissenschaft, S. 402 f. 3 Z u r Entwicklung dieser Besteuerungsmethode vgl. den ausgezeichneten Überblick bei W. Bichel, Ertragsteuern, HdbFinWiss I I , S. 415 ff. 4 Anders w a r es n u r bei dem zeitlich letzten Glied des Ertragsteuersystems, den sog. Gewerbesteuern. Hier wurden neben dem Produktionsfaktor K a p i t a l auch die Unternehmerleistung als solche herangezogen. 5 Vgl. § 3 des preuß. Gewerbesteuergesetzes vom 30. 5.1820 (GS f. d. preuß. Staaten, S. 187 ff.). 6 F. Hecht, Die staatliche Besteuerung der Aktiengesellschaften i n Deutschland, F A Jg. 7 I I (1890), S. 93; L. Blum, Die steuerliche Ausnutzung der A k t i e n gesellschaften i n Deutschland, S. 29,45, 51 und passim.

. Kap.: Die

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Gleichwohl mußte sich der heute bereits Geschichte gewordene Umschwung alsbald ankündigen. Je mehr sich gerade die inkorporierten Erwerbs- und Kapitalgesellschaften zu den treibenden Kräften der nun auch i n Deutschland i n Gang gekommenen Industrialisierung aufschwangen 7 , um so mehr mußte sich gerade auch an ihnen zeigen, daß die überkommene Merkmalsbesteuerung offensichtlich kaum noch eine Zukunft hatte. Zugeschnitten auf die vergleichbaren Verhältnisse einer noch nicht sonderlich differenzierten Wirtschaft 8 , mußte sie von dem Zeitpunkt an immer öfter versagen, von dem an kein Anlaß mehr dafür bestand anzunehmen, daß die Ertragsverhältnisse von Wirtschaftsbereich zu Wirtschaftsbereich, vor allem aber innerhalb ein und desselben Wirtschaftsbereichs kaum voneinander abwichen. Das aber war gegen Ausgang des 19. Jahrhunderts fast überall i n Deutschland der Fall. Nicht nur wurden die überlieferten handwerklichen Methoden zunehmend durch den Industriebetrieb verdrängt. Vielmehr spielten jetzt auch Formen der Finanzierung eine Rolle, wie sie früher kaum bekannt gewesen waren. Führend erschienen auch hier wieder die gerade i n Mode gekommenen Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften, die offenbar aus dem nichts heraus große Kapitalbeträge aufbringen konnten und damit dem herkömmlichen Verfahren der allmählichen Eigenkapitalbildung und der Aufnahme von Leihkapital bei potenten Geldgebern das Verfahren zur Seite stellten, eine Vielzahl von kleinen Kapitalisten zu einer Unternehmung zusammenzubringen, die keiner von ihnen allein je hätte ins Auge fassen können 9 . Was lag dann aber näher, als den allmählichen Übergang zur Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zusammen mit dem Umstand, daß diese neuen Unternehmensformen von Anfang an auch über Verfahren verfügten, die erwirtschafteten Erträge wirklich ausweisen zu können (Buchführung, Bilanzen), dazu zu benutzen, die entstehenden Körper7 Vgl. etwa W. Rathenau, V o m Aktienwesen, S. 11 ff. oder das Buch von K. Bösselmann, Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens i m 19. Jahrhundert. s. auch W. Sombart, Der moderne Kapitalismus I I 1, S. 150 ff., der die Aktiengesellschaft f ü r die w o h l typischste Form der (neuen) kapitalistischen Wirtschaftsweise hält. 8 Das Ertragsteuersystem w a r zwar insoweit ein Fortschritt gegenüber der Vorepoche, die sich i m wesentlichen auf allgemeine u n d spezielle Verbrauchsteuern gestützt hatte (Akzisen), als es auch die immer stärker zunehmende Kapitalbildung (im Gegensatz zur Einkommensverwendung bei den Akzisen) erfassen konnte. Besondere Ertragspotenzen, insbesondere i m Zusammenhang m i t der unternehmerischen Arbeitsleistung (dynamische Gewinne), mußte es jedoch unberücksichtigt lassen, w e i l man insoweit an die Tradition der gebundenen Wirtschaft, der Bedarfsdeckungswirtschaft (Sombart) anknüpfend, noch von i m wesentlichen gleich liegenden Erwerbsverhältnissen ausging. Z u den verschiedenen Besteuerungsepochen vgl. zusammenfassend W. Ehrlicher, F i nanzwissenschaft, S. 386 ff. 9 Z u r F u n k t i o n der Aktiengesellschaften als Kapitalsammeistellen (Kapitalpumpe!) u n d Instrumente der U m w a n d l u n g kurzfristigen Kapitals i n langfristiges vgl. E. Schmalenbach 7, Die Aktiengesellschaft, 11 ff,

1. Teil: Entwicklungslinien u n d Tendenzen

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Schäften zu — wenn auch ggf. nur formalen — Steuersubjekten zu erklären? Denn an den i n der Realität vorhandenen Leistungsfähigk e i t e n w a r j a e r n s t l i c h w o h l n i c h t zu z w e i f e l n .

Außerdem aber bestand gerade i m Hinblick auf diese körperschaftlichen Erträge die Gefahr, daß sie von einer Steuerordnung, die dabei war, sich auf die direkte Besteuerung der natürlichen Personen umzustellen, ggf. nicht voll erfaßt werden konnten. Wählte man nämlich — um steuertechnisch schwierig zu bewältigende Zurechnungen zu vermeiden — damals wie heute das Prinzip der freien (persönlichen) Verfügbarkeit zum ausschlaggebenden Strukturelement der Einkommensteuer der natürlichen Personen 10 , so ergab sich, daß diese Steuer immer nur echt zugeflossene Einkünfte erfassen konnte, nicht dagegen, was — wie ζ. B. wegen der rechtlichen Organisation der entstehenden Körperschaften — i n der Verfügungsgewalt Dritter (wenn auch ggf. nur „beauftragter") verblieb. Wollte man daher die bei den Aktiengesellschaften usw. stehenbleibenden Gewinne, d. h. die einbehaltenen Gewinne, nicht von vornherein unversteuert lassen, mußte nach Verfahren Ausschau gehalten werden, die die Folgen dieser unbedingten Identität zwischen Steuergegenstand und Steuersubjekt bei der Einkommensbesteuerung für einen Ausnahmefall hintanhalten konnten. Auch von hier aus bot es sich m i t h i n an, die Körperschaften zu einer Steuer heranzuziehen, und zwar zumindest für die ausgewiesenen Gewinnthesaurierungen. Dennoch hätte der sich an diesen Dingen allmählich entzündende Steuerkampf grundsätzlich i n zwei verschiedene Richtungen gehen können. Wäre man dem der herkömmlichen Ertragsbesteuerung beigegebenen Grundgedanken treu geblieben, eher auf funktional-sachliche Bezüge abzustellen anstatt nach individuellen Zurechnungsträgern Ausschau zu halten, so hätte man sich ebenso gut auf einen entsprechenden Ausbau des Ertragsteuersystems beschränken können. Man hätte lediglich das funktional Faktormäßige der traditionellen Ertragsteuern (Boden-, Zins- und Arbeitsertragsteuern!) zugunsten der organisatorisch strukturellen Betrachtungsweise bei den modernen inkorporierten Unternehmen aufzugeben brauchen und überdies nach einem wirklichkeitsnäheren Besteuerungsmaßstab suchen müssen. Bekanntlicherweise sind ja auch die modernen Ertragsteuern weitgehend von der Verwendung bloß äußerer Merkmale abgekommen 11 . Wie i m folgenden gezeigt werden wird, ist man jedoch letztlich den umgekehrten Weg gegangen. Durch gleichzeitige Herausarbeitung der Besteuerung nach dem tatsächlichen Ertrag und Verbindung dieses Prinzips mit dem Umstand, daß diese A r t der Besteuerung nur für bestimmte Gewerbebereiche i n 10

J. Popitz, Einkommensteuer (Allgemeiner Teil) HdbStW 4 Bd. I I I , S. 407 f. Es ist hier von einer regelrechten Subjektivierung der Ertragsteuern gesprochen worden, vgl. W. Bichel, Ertragsteuern, HdbFinWiss 2 I I , S. 417. s. auch F. Terhalle, Finanzwissenschaft, S. 204 f. 11

. Kap.: Die

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Betracht kommen sollte, hat man der Vorstellung Vorschub geleistet, daß nicht nur die abstrakte Leistungsfähigkeit von Produktionsfaktoren, sondern — durch die Hervorhebung — auch eine spezielle Leistungsfähigkeit erfaßt werden sollte. Das aber mußte wiederum fast automatisch zur Subjektbesteuerung führen. Denn da es zu gleicher Zeit natürlich ausgemachte Sache war, daß die wirtschaftlichen Erfolge der entstehenden Körperschaften allein für die an ihnen beteiligten natürlichen Personen bestimmt waren 1 2 , repräsentierte diese besondere Leistungsfähigkeit praktisch die Leistungsfähigkeit der dahinterstehenden natürlichen Personen. Freilich kann es nicht verwundern, wenn all diese Schritte nur äußerst langsam ausgeführt worden sind. Immer wieder wurden gesetzliche Regelungen, die einer modernen Körperschaftsbesteuerung schon recht nahe gekommen waren, kurzerhand wieder aufgehoben, wodurch der Gang der Dinge auf Jahre hinaus abbrach, ja meistens auf den status quo ante zurückgeführt wurde. Gleichwohl kann schon hier vermerkt werden, daß die anfängliche Entwicklung zunächst durchaus i n Richtung auf eine rein einkommensteuerliche Behandlung der erwerbswirtschaftlichen juristischen Personen hinauslief. Die Ausrichtung dieser Unternehmungen auf die Interessen der beteiligten natürlichen Personen, die zeitweilig sehr hohen Ausschüttungen 13 und die rechtstechnischen Parallelen zu den natürlichen Personen waren offensichtlich erdrückend. Infolgedessen kam es alsbald zur Erarbeitung einer besonderen, die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der neuen Steuersubjekte ganz anders als die überkommene Ertragbesteuerung berücksichtigenden Besteuerungsgrundlage, vor allem aber zur Anerkennung einer selbständigen Steuerpflicht als solchen. Grundsätzlich hätte daher auch schon die Frage nach dem Verhältnis zwischen der neuen Steuer und der begleitenden Subjektsteuer der natürlichen Personen fallen müssen. I n Anbetracht verschiedener steuerdogmatischer und steuertechnischer Unklarheiten ist diese an sich wesentliche Problematik jedoch noch nicht recht i n das Blickfeld des Geschehens getreten. 1. Die subjektive Steuerpflicht

Den Anfang machte — soweit ersichtlich — bereits ein (preußisches) Gesetz vom 30. 5. 185314. I n Ausfüllung eines vorangegangenen Eisen12

So schon C. Dietzel, Die Besteuerung der Aktiengesellschaften, S. 37 ff. Vgl. das Material, auf das sich der preuß. Finanzminister Miquel anläßlich der Beratungen zum preuß. EStG 1891 stützte (im Jahre 1889/90 w a r von den i m Reichsanzeiger ihre Geschäftsabschlüsse veröffentlichenden Aktiengesellschaften auf 4 866 Mrd. M a r k K a p i t a l 482 304 M i l l . M a r k Reingewinn entfallen [ = ca. 10 Prozent]), sowie die Angaben über die Ausschüttungen einzelner A k t i e n gesellschaften bei L. Bluhm i n der Tabelle X I auf S. 168 ff. u n d K . Bösselmann, Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens, S. 38 f. 14 GS f .d. preuß. Staaten, S. 449 f f t 13

1. Teil: Entwicklungslinien und Tendenzen

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bahngesetzes vom 3. 11. 183815 ergangen, war i h m die Aufgabe zugefallen, einer 1838 zugunsten von Eisenbahnunternehmungen ausgesetzten Gewerbesteuer (nämlich der preußischen Gewerbesteuer von 1820, die i n 4 Abteilungen mit entsprechenden Sätzen die verschiedensten Arten von Handel und Gewerbe und damit auch die allmählich entstehenden Kapital- und Erwerbsgesellschaften erfaßte 16 ) insoweit — wenn auch m i t veränderter (s. u.) Besteuerungsgrundlage — wieder Anwendung zu verschaffen, als diese Unternehmungen von sog. Eisenbahnaktiengesellschaften betrieben wurden. M i t h i n könnte man meinen, daß bereits der Gesetzgeber von 1853 seine neue Abgabe nicht mehr lediglich vom Vorliegen einer (gewerblichen) Tätigkeit als solchen abhängig machen wollte, sondern schon damals nur noch auf die Existenz einer besonderen Organisationsform oder — nach heutiger Terminologie — personalen Steuerfähigkeit abzustellen versuchte. Eine nähere Prüfung der Zielvorstellungen des Gesetzes von 1853 zeigt indessen, daß die organisatorisch subjektive Heraushebung einer i m Einzelfall bestimmbaren Gruppe von potentiell Steuerpflichtigen noch keine besonders frühe, individualisierende Umformung der Gewerbesteuer darstellte, sondern zunächst einmal eine bloße Spezialisierung: Da natürlich auch die Ertragsbesteuerung des vergangenen Jahrhunderts nichts anderes als eine (mittelbare) Individualbesteuerung der hinter den Objekten stehenden natürlichen Personen war, mußte es immer dann zu krassen steuerlichen Ungleichbelastungen kommen, wenn die von der damaligen Ertragsbesteuerung verwendeten äußeren Merkmale infolge der Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr m i t der (abstrahierten) Wirklichkeit übereinstimmten. I n genau einer solchen Situation befanden sich aber die seit dem 3. und 4. Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts zunehmend i n das Wirtschaftsleben eintretenden Eisenbahngesellschaften: Zu Beginn ihrer Existenz, d. h. während ihrer Investitionsphase, war nur mit geringen oder gar negativen Erträgen zu rechnen. Gleichwohl wäre nach dem damaligen Gewerbesteuersystem ein fester Steuerbetrag fällig geworden 17 . Demgegenüber konnten i m späteren Verlauf ggf. sehr hohe Erträge erwartet werden, die gemessen an Klassifizierungen, die an bescheideneren Verhältnissen ausgerichtet waren, zu ungerechtfertigten Steuervorteilen führen muß15

GS f. d. preuß. Staaten, S. 505 ff. Siehe A n m . 5. Vgl. § 25 d. preuß. G. v. 30. 5.1820 (G.S. f. d. preuß. Staaten, S. 147 ff.) i. V. m. der Beilage Β Ziff. 8, 9, 12 A, K , betr. den Handel m i t kaufmännischen Rechten bzw. das Transportwesen. Danach wäre entweder (für den Handel) eine Veranlagung nach sog. Mittelsätzen u n d Abteilungen (Klassifikation nach der Größe des Wohnsitzes!) oder (für das Transportwesen) nach der Transportleistung (Lasten) i n Betracht gekommen. Es liegt auf der Hand, daß bei dieser A r t der (Merkmal-)Besteuerung die Berücksichtigung von Anfangsinvestitionen u. dgl. schlechterdings ausgeschlossen war. 16

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ten . Daher lag es durchaus i m Rahmen wirtschaftlicher Vernunft, wenn der preußische Gesetzgeber des Jahres 1838 die wie eine Sollertragsteuer wirkende Gewerbesteuer für Eisenbahnunternehmungen aussetzte, dieselbe dann aber i m Jahre 1853 unter Verwendung einer neuen Bemessungsgrundlage wieder einführte 1 9 . Der Sache nach war es dem Gesetzgeber 1853 m i t h i n lediglich um eine der für die damalige Zeit so typischen Anpassungen der Gewerbesteuer an die veränderten Umstände gegangen. Schon wenige Jahre später, nämlich mit Gesetz vom 16. 3. 186720, dehnte der Gesetzgeber denn auch konsequenterweise die seinerzeit auf Aktiengesellschaften beschränkte 2021 Eisenbahnsteuer auf das gesamte Eisenbahngewerbe aus. Die seit 1853 existente Eisenbahnabgabe war eben gewissermaßen an Stelle einer systematisch allgemeiner verstandenen Eisenbahngewerbesteuer geschaffen worden. Deshalb w i r d man die preußische Eisenbahnsteuer von 1853/67 eher als eine Sonder g ew erbesteuer zu bezeichnen haben als eine Frühform der Körperschaftsteuer 21 . Gleichwohl machte die kurzzeitige Verwendung von Organisationskriterien bei der Umschreibung des Anwendungsbereichs eines Steuergesetzes alsbald erneut Schule. Bereits 1857 vollzog sich ein weiterer Vorstoß i n Richtung auf eine personalisierte Steuer. Es handelte sich um das (wiederum preußische) Gesetz vom 18. 11. 185722. Neuerlich ging es darum, die m i t dem Handicap ihrer Sollertragsstruktur kämpfende Gewerbesteuer für einen Teilbereich zu verbessern. I m Gegensatz zu dem (wohl als Vorbild dienenden Gesetz von 1853) wurde der Ausschnitt aus dem Gesamtgewerbebereich jetzt jedoch nur noch organisatorisch umschrieben. Zu Steuersubjekten der neuen Steuer erklärte man nicht mehr einen gewerblichen Tätigkeitsbereich als solchen, sondern rein formal und ganz pauschal alle gewerblichen Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien als solche. Damit war die Emanzipation der Körperschaften aus dem Gewerbesteuersystem erneut ein gutes Stück vorangekommen. Zwar bestand noch insoweit eine Verbindung zur herkömmlichen Ertragsbesteuerung als 18 Interessanterweise hat gerade die Eisenbahnsteuer denn auch zeitweise ganz beträchtliche Einnahmen gebracht, vgl. W. Lötz, Finanzwissenschaft, S. 349 m. w. Nachw. 19 Dazu i m folgenden unter 2. 20 GS f. d. preuß. Staaten, S. 465 ff. § 1 dieses Gesetzes sprach von Eisenbahnen, welche sich nicht i m Besitz des Staates oder inländischer Eisenbahnaktiengesellschaften befinden. 2 °a I m m e r h i n machte das von den Eisenbahnaktiengesellschaften gebundene K a p i t a l einen beträchtlichen T e i l des überhaupt bei gewerblichen Körperschaften angelegten Kapitals aus. s. J. Kulischer, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte Bd. I I , S. 523. 21 So schon H. V. Simon 3 Die Staatseinkommensteuer der Aktiengesellschaften, S. 4. 22 GS f. d. preuß. Staaten, S. 849 ff.

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1. Teil: Entwicklungslinien und Tendenzen

durch die neuartige Besteuerung von Aktiengesellschaften und Kommanditaktiengesellschaften die alte (allgemeine) Gewerbesteuer ausdrücklich außer Anwendung gesetzt worden war. Nicht ganz zu Unrecht hatte der Gesetzgeber sein neuestes Produkt auch wiederum einfach für eine besondere A r t von Gewerbesteuer ausgegeben23. Tatsächlich war man jedoch schon vergleichsweise weit vom Vorbild der subjektlosen Ertragsteuer abgekommen: Die neue Steuer hatte jetzt eindeutig ein eigenes Steuersubjekt erhalten, von dem überdies schon damals unzweifelhaft sein mußte, daß es i m Rechtsverkehr an all denjenigen Vergünstigungen teilhaben würde bzw. schon tatsächlich teilhatte 2 4 , die sonst nur natürlichen Personen zukamen. Ein für die Ertragsbesteuerung offensichtlich ganz ungewöhnlicher Vorgang. Diese Tatsache ist denn auch damals schon keineswegs verkannt worden. Durchaus folgerichtig formierte sich der Widerstand gegen das neue Gesetz um das systematisch völlig richtige Argument, daß der Gesetzgeber m i t seinem Sondersteuergesetz von 1857 klar gegen den Charakter einer Realbesteuerung verstoßen habe 25 ; und wie häufig beim Herantasten an neue Rechtsformen verfehlten diese Einwände — wenigstens auf kurze Sicht — auch keineswegs ihr Ziel: I n den Motiven zu einer 1860 eingebrachten Novelle zur Gewerbesteuer von 1820 wurden die Klagen über die Sondergewerbesteuer der Aktiengesellschaften usw. als begründet anerkannt 2 6 . Ein Gegensatz aus dem Jahre 186127 annulierte das Gesetz vom 18. 11. 1857 und schraubte damit vorerst alles auf den früheren Rechtszustand zurück. Die betroffenen Kapitalgesellschaften konnten fürs erste wiederum nur wie andere Unternehmen auch herangezogen werden, d. h. entsprechend den Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes von 1820 mit den entsprechenden Sätzen für die verschiedenen Arten von Handel und Gewerbe. Freilich war dieser Erfolg nur von kurzer Dauer. Nachdem der Weg einmal gewiesen worden war, m i t dessen Hilfe ertragsstarke Betriebe 23

Das Gesetz hieß: Gewerbesteuer, betreffend A k t i e n - und ähnliche Gesellschaften. 24 Einen ausgezeichneten Überblick über die rechtliche K o n s t r u k t i o n dieser „Privilegien" (zu ihnen i m einzelnen und i m Hinblick auf die hier besprochene Perode etwa A. Wagner, Die Reform der direkten Staatsbesteuerung i n Preußen, F A 8. Jg. I I (1891), S. 186 ff. u n d D. Feitelberg, Die Einkommensbesteuerung nichtphysischer Personen, S. 82) findet man bei H. Schumacher, Die E n t wicklung der inneren Organisation, Ztschr. f. d. ges. HR, S. 33 ff. m i t allen einschl. Nachw. 25 Die Höhe einer Objektsteuer darf nicht von der Person des steuerpflichtigen Subjekts abhängig gemacht werden. Worauf es allein ankommen darf, ist die gewerbliche Veranstaltung als solche. So schon H. V. Simon, Die Staatseinkommensteuer, S. 5. 26 s. die Motive zu diesem Gesetzentwurf, abgedr. i n Verh. d. preuß. Abg.H. 1860, Anlagen, Bd. 5, Nr. 182, S. 1336 ff., 1338 ff. Vgl. dazu auch H. V. Simon, Die Staatseinkommensteuer der Aktiengesellschaften, S. 5. 27 G.S. f. d. preuß. Staaten, S. 697 ff.

. Kap.: Die

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bzw. selbständige Rechtsgebilde zu einer wirklichkeitsnahen Besteuerung herangezogen werden konnten, begann überall i n Deutschland die allmähliche Einverleibung der Körperschaftsteuer i n die zur gleichen Zeit zur Reform anstehende Einkommensteuergesetzgebung: Aus der anfangs freilich aus anderen Gründen erfolgten Verbesonderung der entstehenden gewerblichen Körperschaften und der hierbei zu Tage tretenden Leistungsfähigkeit, die für die mitgliedschaftlich verbundenen Teilhaber entwickelt wurde, vermeinte man auf einen inneren Zusammenhang zwischen diesen beiden Steuerarten schließen zu können. Ein wichtiger Schritt mußte allerdings vor einer völligen (oder zumindest weitgehenden) Gleichstellung der Besteuerung von juristischen und natürlichen Personen noch getan werden. Es mußte die werdende Körperschaftbesteuerung aus ihrem eigenartigen Abhängigkeitsverhältnis zu der herkömmlichen Ertragsbesteuerung herausgelöst werden. Es mußte m. a. W. der neuen Körperschaftsteuer ihre noch aufrechterhaltene Ersatzfunktion gegenüber der Gewerbesteuer genommen werden. Das geschah — soweit ersichtlich — am auffälligsten i m Rahmen der preußischen Kommunalsteuerreform. Gewissermaßen i n Kompensation für eine 1883 gescheiterte allgemeine Reform der Einkommensbesteuerung erlassen 28 , lag der entscheidende Durchbruch des preußischen Kommunalabgabengesetzes vom 27. 7. 188529 darin, daß — wenn auch nur auf gemeindlicher Ebene — nunmehr weitgehende materielle Gleichheit i n der Besteuerung von natürlichen und juristischen Personen angenommen wurde — und zwar insbesondere ohne Anordnung einer Interdependenz m i t anderen Steuerarten und auch ohne daß die neue Steuer i m übrigen eine wesentlich unterschiedliche Behandlung der beiden Steuersubjekte angeordnet hätte. § 1 des Gesetzes bestimmte ganz allgemein, daß inskünftig auch Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Berggewerkschaften, eingetragene Genossenschaften (deren Geschäftsbetrieb über den Kreis ihrer Mitglieder hinausging), sowie gewisse juristische Personen des öffentlichen Rechts (ζ. B. Gemeinden und Kommunalverbände) m i t ihrem gemeindebelegenen Einkommen i n gleicher Weise zu den auf das Einkommen gelegten Gemeindeabgaben beizutragen hätten wie bisher ausschließlich die natürlichen Personen. Zwar besaß auch dieses Gesetz, insbesondere wegen der eigentümlich räumlich-sachlichen Begrenzung des Steuerobjekts (gemeindlicher Grundbesitz und Gewerbe 30 ), noch durchaus ertragsteuerliche Reminiszenzen. Jedoch galt die räumliche Einschränkung auch für die Besteuerung der natürlichen Personen, 28 Vgl. Verh. d. preuß. Abg.H. 1883/84, Anlagen Bd. 2, Nr. 42, S. 599 ff. Z u m I n h a l t dieses Reformwerkes A. Wagner, Die R e f o r m . . . , F A 8. Jg. I I (1891), S 92 f f 29 G.S. f. d. preuß. Staaten, S. 327 ff. 30 Vsrt. § 1 Abs. I d. G.

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1. Teil: Entwicklungslinien und Tendenzen

und i m Hinblick auf die Kapital- und Erwerbsgesellschaften ergab sich die sachliche Umgrenzung aus der Natur der Sache. Man w i r d daher ohne leichtsinnige Verallgemeinerungen annehmen können, daß sich die Besteuerung der Körperschaften seitdem als eine gegenüber der herkömmlichen Ertragsbesteuerung durchaus eigenständige Steuer art durchgesetzt hatte. Rechtstechnisch war dieser Vorgang dadurch möglich geworden, daß man an Stelle von Tätigkeitsbeschreibungen (Gewerbe, Eisenbahngewerbe) — den tatsächlichen Verhältnissen folgend — schließlich zu einer Abgrenzung nach Organisationsmerkmalen überging. Hierdurch war natürlich das alte Einteilungsschema verlassen. Denn sieht man als das Wesen der Ertragsbesteuerung die Orientierung an Einkommensquellen (Faktoreinkommen, Erträgen) an, so mußte der Bezug zu funktional unterscheidbaren Erträgen i n dem Augenblick verloren gehen, i n dem mit der Hinwendung zu (formalen) Organisationskriterien die additive Berücksichtigung von Faktorkombinationen möglich wurde; und genau das war durch das preußische Kommunalabgabengesetz von 1885 geschehen: Indem dort die tatsächliche, d. h. rechnerische Steuerpflicht von der Existenz einer diese objektive Steuerpflicht auslösenden Organisationsstruktur abhängig gemacht worden war, kam es auf die besondere Quelle, als dessen Ergebnis sich der wirtschaftliche Erfolg darstellte, nicht mehr an. Vielmehr konnten unter einer organisationsrechtlichen Zurechnung nunmehr auch voneinander verschiedene Faktoreinkommen i n die steuerliche Gesamtrechnung eingehen. Infolgedessen war es nur konsequent, wenn das preußische Abgabengesetz bei der Besteuerung der juristischen Personen sowohl auf den gewerblichen wie auch auf den aus Grundbesitz fließenden Erfolg abstellte. Ist das jedoch richtig beobachtet, hatte die Vorphase der Körperschaftbesteuerung zugleich den Anschluß an dasjenige Verfahren gefunden, nach dem künftig die synthetische moderne (universale) Einkommensbesteuerung aufgebaut werden würde. Auch dort wurde m i t dem Zeitpunkt ihrer Einführung (für Preußen also ab 1891) von der Herkunft der einzelnen Erträge weitgehend abgesehen. Infolgedessen w i r d es nur wenig überraschen, wenn die Körperschaftsteuer demnächst — wie noch i m einzelnen weiter auszuführen sein w i r d — ihren Standpunkt erst einmal innerhalb des Einkommensteuersystems zugewiesen erhielt.

2. Die objektive Steuerpflicht

Der Emanzipation der werdenden Körperschafts teuer zu einer subjektbezogenen additiven Ertrags-Einkommensteuer entsprach der Entwicklungsgang bei der objektiven Steuerpflicht. I n Anbetracht des desolaten Zustands, i n dem sich die Einkommensteuerbewegung i m Hinblick auf die Erfassung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der Steuersubjekte

. Kap.: Die

rrkörperschaftsteuern

29

noch immer befand, ging i n dieser Beziehung der Gang der Dinge sogar besonders zügig vonstatten. So hieß es schon 1853 i n § 2 Abs. I des bereits erwähnten preußischen Eisenbahnsteuergesetzes, daß als Steuergegenstand der neuen Abgabe derjenige Ertrag anzusehen sei, „welcher nach Abzug der Verwaltungs-, Unterhalts- und Betriebskosten, ferner des erforderlichen Betrags zum Reservefonds, sowie der zur planmäßigen Verzinsung und Tilgung der etwa gemachten Anleihen erforderlichen Beträge auf das verwendete Aktienkapital zur Vertheilung k o m m t " ; und i n dem ebenfalls bereits bekannten Sondersteuergesetz für gewerbliche Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien aus dem Jahre 1857 hieß es sogar nur noch lakonisch, daß als Besteuerungsgegenstand die „Summe derjenigen Zinsen und Dividenden" heranzuziehen sei, „welche (im konkreten Fall) zur Vertheilung kommen" 3 1 . Anstelle des bisher üblichen Sollertrags war somit eine A r t Nettoertrag getreten. Und diesen Nettoertrag war man auch — und das ganz i m Gegensatz zur entsprechenden Problemlage bei der 1851 eingeführten preußischen klassifizierten Einkommensteuer 3 1 3 — voll und ganz bereit, als solchen zu erfassen. Deutlich kam das i n den Gesetzesmotiven zu dem Gesetz von 1857 zum Ausdruck: „Die Gewerbesteuer ist dazu bestimmt", so hieß es 32 , „das Einkommen (d. h. Teileinkommen, Ertrag) aus dem Gewerbebetrieb zu treffen; sie w i r d desto gerechter vertheilt, je genauer sie sich der Höhe des gewerblichen Einkommens anschließt. Privatpersonen gegenüber erscheint die Bemessung der Gewerbesteuer nach der Höhe des gewerblichen Einkommens ohne lästiges Eindringen i n die Verhältnisse des Einzelnen nicht wohl durchführbar; die Besteuerung nach dem Umfang des Gewerbes stellt sich daher (i. d. R. lediglich) als (ein) Auskunftsmittel dar . . . " Praktikabele Ausnahmen erschienen jedoch möglich. Es gab Situationen, i n denen man der herkömmlichen objektiven Anhaltspunkte nicht bedurfte, weil sie bereits anderweitig und — vor allem — andersartig anfielen: Seit dem preußischen Aktiengesetz vom 9. 11. 1843 waren Aktiengesellschaften verpflichtet, (Betriebs-)Bilanzen zu erstellen 33 . Zu Recht konnten die Motive daher fortfahren: „Bei Aktien- und ähnlichen Gesellschaften liegt . . . (jedoch kein) Grund vor, sich. .. (auf) Auskunftsmittel (nach äußeren Merkmalen zu beschränken), als diese ohnehin genöthigt sind, ihren Theilnehmern gegenüber die Höhe des gewerblichen Einkommens offenzulegen." 31

§ 2 Abs. I d. G. Dazu etwa W. Lötz, Finanzwissenschaft, S. 420 f.; F. Terhalle, Finanzwissenschaft, S. 285 f. 32 s. Verh. d. preuß. Abg.H. 1856/57, Anlagen, Bd. 4, Nr. 109, S. 564 ff., 572 (zu § 2 des Entwurfs). Vgl. dazu auch H. V. Simon, Die Staatseinkommensteuer der Aktiengesellschaften, S 4. 33 Dazu vgl. K . Barth, Die Entwicklung des deutschen Bilanzrechts, S. 138 f. 31a

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1. Teil: Entwicklungslinien und Tendenzen

Dieser Vorgang (Anerkennung der Mißlichkeiten einer Sollertragsbesteuerung i n einer Zeit zunehmender Individualisierung der Produktionsverhältnisse, sowie Zusammenfassung der verschiedensten w i r t schaftlichen Faktoreinkommen durch eine einheitliche Steuer) kann angesichts der widrigen Umstände, mit denen die Einkommensteuergesetzgebung der damaligen Zeit zu kämpfen hatte (Fehlen verläßlicher Vermögens- und Einkommensaufstellungen, ideologische Vorbehalte gegenüber dem Eindringen i n die (privaten) Verhältnisse der Steuerbürger, unzureichend ausgerüstete Finanzverwaltungen usw.) wohl kaum überwertet werden — bedeutete er doch, daß insoweit die werdende Körperschaftbesteuerung der noch immer nicht recht i n Gang kommenden Einkommenbesteuerung um vieles voraus war. Demgegenüber verschlägt die noch unausgewogene Umgrenzung des eigentlichen Steuerobjektes nur wenig. So waren bei dem Eisenbahnabgabengesetz aus dem Jahre 1853 nicht nur die konkrete Bedeutungsermittlung so vager — weil neuer — Begriffe wie „Betriebskosten" (gehörten i n Anbetracht der damals üblichen Außerachtlassung von Kapitalveränderungen 3 4 die Abschreibungen dazu?) oder „erforderlicher Betrag zum Reservefonds" (wo lag die Grenze für unangemessene Rücklagen?) sondern selbst die Reichweite des abschließenden Ergebnisses dieser sog. „Betriebsbilanz" 3 5 , nämlich die sog. „Vertheilung" (in welcher Form?), äußerst zweifelhaft. Und bei dem Aktiengesellschaftsteuergesetz aus dem Jahre 1857 mußte auffallen, daß durch den Bezug der Steuerpflicht auf die Summe der Dividenden und Zinsen i m Ergebnis eine Ausschüttungssteuer geschaffen worden war. I n Anbetracht der Abhängigkeit der Ausschüttungen von den Einbehaltungen war indessen nicht nur die Höhe der aktuellen Steuerverpflichtung weitgehend in das Ermessen der Gesellschaftsorgane gestellt: Vielmehr hatte man außerdem noch zur Erfassung von Einkünften aufgerufen, die an sich ebenso gut von der Einkommenbesteuerung erfaßt werden konnte. Wie dem jedoch sei — i n jedem Fall war die alte Ertragsrechnung nach lediglich äußeren Merkmalen aufgegeben. Wie mangelhaft auch immer sich die nunmehr verwirklichte reale Erfolgsrechnung darstellte, jedenfalls kam sie dem tatsächlich erwirtschafteten Ergebnis ungleich näher als alle bisher praktizierten Verfahren. Und das war der entscheidende Fortschritt. Darüber hinaus war durch diese neuartige Umschreibung der Besteuerungsgrundlage i n geradezu idealer Manier Übereinstimmung mit den Vorgängen hergestellt, die die Entwicklung der subjektiven Körperschafttsteuerpflicht vorangetrieben hatten: Hatte dort die Einführung von Organisationsmerkmalen den subjektlosen Zustand der bisherigen Ertragsbesteuerung beendet und dadurch die Erfassung von Faktor34

Vgl. dazu unten Kap. 2 u n d Kap. 10. Den Gegensatz bildete die Vermögensbilanz, die auch die Veränderungen am K a p i t a l berücksichtigte. 35

. Kap.: Die

rrkörperschaftsteuern

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kombinationen ermöglicht, so erlaubte die Anknüpfung der objektiven Körperschaftsteuerpfiicht an eine frühe A r t der Gewinn- und Verlustrechnung hier, daß die i n der Praxis an ein und derselben Stelle anfallenden Ertragsquellen auch rechtstechnisch zusammen erfaßt werden konnten. M i t einigem Recht vermag daher argumentiert zu werden, daß die werdende Körperschaftbesteuerung über einen Gutteil des 19. Jahrhunderts hinaus der noch voll i m Entstehen begriffenen Einkommensbesteuerung entscheidende Impulse mitgeteilt haben dürfte; und entsprechend kann es auch von Seiten der objektiven Körperschaftsteuerpfiicht kaum verwundern, wenn auch insoweit alles darauf hinzielte, die neue Steuer bei nächster Gelegenheit m i t einer ggf. verwirklichten Individualbesteuerung der natürlichen Personen zusammenzulegen. 3. Das Verhältnis zur Besteuerung der natürlichen Personen im besonderen

Bei dieser Sachlage, d. h. der sukzessiven Ausrichtung der entstehenden Körperschaftbesteuerung auf die Grundideen der Einkommensbesteuerung, hätte man an sich erwarten sollen, wenn auch das Verhältnis zwischen Körperschaftsteuer und Einkommensteuer, das heutzutage üblicherweise unter dem Schlagwort der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung abgehandelt zu werden pflegt, bereits zu einer gewissen Prominenz bei der Problembehandlung gelangt wäre. Sah man von der besonderen A r t der Faktorkombination durch juristische Personen ab und betrachtete die erwerbswirtschaftlich tätige Person, wie jede andere Mitunternehmerschaft auch, lediglich als ein Instrument zur Erzielung personalen Einkommens, so ließ sich eine selbständige Körperschaftsbesteuerung nur insoweit und solange rechtfertigen, als sie dazu bestimmt und geeignet erschien zu verhindern, daß der sog. einbehaltene Gewinn wegen der Unmöglichkeit seiner individuellen Zurechnung von der m i t Universalitätsanspruch auftretenden Einkommensbesteuerung verschont blieb. Für jede andere Alternative — also etwa volle Vorbelastung des Gesamtgewinns und einkommensteuerliche Nachbelastung der Ausschüttungen — mußte sich dagegen die Rechnung aufmachen lassen, daß man — „wirtschaftlich gesehen" — dabei war, dieselben Einkünfte zweimal mit der Steuer zu erfassen: einmal anläßlich der Quellenbesteuerung des erzielten Gesamtgewinns bei den Körperschaften, das zweite Mal bei der Gewinnverwendung, nämlich anläßlich der einkommensteuerlichen Erfassung der Ausschüttungen bei den Teilhabern. Eine kurze Überlegung genügt jedoch, um sich zu vergegenwärtigen, daß diese seitdem mit jeder A r t von Körperschaftsbesteuerung verbundene Problematik noch weitgehend verborgen geblieben sein dürfte. So

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1. Teil: Entwicklungslinien u n d Tendenzen

hieß es zwar schon i n den Motiven zu dem (preußischen) Gesetz vom 19. 7. 1861, durch das die erste Form der Körperschaftsbesteuerung von 1857 wieder abgeschafft worden war, daß man mit dieser Maßnahme allgemeinen Klagen hatte entgegenkommen wollen 3 6 . Diese „Klagen" dürften aber eher die ungewohnte, erstmalig auch zum Zwecke der Besteuerung vorgeschriebene Betriebsvermögensrechnung betroffen haben. Schließlich hatte das Gesetz nur vier Jahre Zeit gehabt, sich zu bewähren! Außerdem aber — und das war wohl das Entscheidende — dürfte diese Vorform einer selbständigen Körperschaftsteuer — worauf bereits hingewiesen wurde — noch weitgehend als ein bloßer Ersatz für die sonst zum Zuge kommende (Soll-Ertrags-)Gewerbebesteuerung empfunden worden sein. Fügt man dieser Betrachtungsweise nun hinzu, daß auch die begleitende Einkommensbesteuerung der Sache nach wenig mehr als eine — wenn auch bereits zusammenfassende — i m übrigen jedoch gleichfalls noch an fiktiven Quellenerträgen orientierte Ertragseinkommensteuer gewesen ist 3 7 , so w i r d vollends deutlich, warum das Doppelbesteuerungsproblem noch nicht i n das Sichtfeld treten konnte: I m Verhältnis der einzelnen Ertragsteuern untereinander waren Belastungsverzerrungen eben ganz allgemein an der Tagesordnung 38 . Worum es daher i n erster Linie ging, war zunächst einmal das Ziel, die steuerliche Belastung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit überhaupt durchzusetzen. Gegenüber diesem Unbehagen an der Gesamtsteuerordnung als solchen mußte der verfeinerte Steuerbelastungsvergleich zwischen den einzelnen Steuersubjekten noch durchaus zurücktreten. Darum w i r d man die „Klagen", auf die sich die Motive des Gesetzes vom 19. 7. 1861 bezogen, eher als eine allgemeine Reaktion gegenüber den Unzuträglichkeiten der existierenden Steuerordnung, vielleicht auch schon als eine frühe Form der K r i t i k steuerlicher Diskriminierung auf der Ebene der gewerblichen Unternehmungen untereinander ansehen müssen, nicht jedoch bereits als frühe Unwillensäußerungen über die sog. wirtschaftliche Doppelbesteuerung. 2. Kapitel Die Periode der Einkommen-Körperschaftsteuern I n Anbetracht der i n den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts erkämpften Ausdehnung der Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit auch auf die natürlichen Personen und infolge 36

H. V. Simon, S. 5. Vgl. schon A. Wagner, Finanzwissenschaft I V (Spezielle Steuerlehre), S. 28 u n d dann v o r allem H. Teschemacher, Die Einkommensteuer, H d B F i n W 1 , Bd. I I , S. 121. 38 F. Hecht, Die staatliche Besteuerung der Aktiengesellschaften, F A 7. Jg. I I (1890), S. 55. 37

2. Kap. : Die Periode der Einkommen-Körperschaf tsteuern

33

der wenig später allgemein üblich werdenden Zusammenlegung der werdenden Körperschaftsbesteuerung mit der Einkommensteuer i. e. S., wodurch die Entwicklung der Körperschaftsbesteuerung i n Richtung auf die Einkommensteuer zu einem vorläufigen Abschluß kam, mußte das Problem der Doppelbesteuerung i m Verhältnis der natürlichen zu den juristischen Personen i n der hier zu besprechenden Periode der Einkommen-Körperschaftsteuern dafür um so heftiger hervorbrechen. Denn wenn sich die steuerliche Belastung der einzelnen natürlichen Personen jetzt ganz konkret nach den tatsächlichen Einkünften und damit auch nach dem Vorhandensein etwaiger Dividendeneinkünfte bemaß, die aus dem „Einkommen" juristischer Personen stammten, gleichzeitig aber auch die Körperschaften nach dem Einkommen herangezogen werden konnten, lag die Eventualität einer gleichzeitigen Belastung durch die (Einkommen-)Körperschaftsteuer und die Einkommensteuer i. e. S. offen zutage. Die Kategorie der ausgeschütteten Gewinne konnte jetzt konkret umrissen sowohl bei der Besteuerung der natürlichen wie bei der Besteuerung der juristischen Personen auftauchen, nämlich einmal i m ungeteilten „Einkommen" der juristischen Personen, das andere Mal innerhalb der Einkunftsart „Einkünfte aus Kapitalvermögen" bei den natürlichen Personen. Vom Standpunkt der Identitätstheorie, d. h. von der Identifizierung der körperschaftlichen Gewinne mit dem späteren (Dividenden-)Einkommen der jeweiligen Teilhaber, konnte es freilich kaum Zweifel geben, wie dieses Problem zu lösen war. U m zu verhindern, daß i m Einkommen der juristischen Personen etwas anderes erblickt werden konnte als das (entstehende) Einkommen natürlicher Personen, war eben i n der einen oder anderen Weise dafür Sorge zu tragen, daß die Besteuerung der Körperschaften i m Ergebnis wie die (stellvertretende) Besteuerung ihrer Teilhaber erscheinen mußte. Interessanterweise ist nun jedoch, und zwar je länger u m so deutlicher, eine ganz andere Entwicklung eingetreten. Trotz des häufig genug erklärten Ausgangspunkts, die Körperschaftsteuer ausschließlich für eine (ergänzende) Einkommensteuer zu nehmen, begann sich der eigentliche Sinngehalt des körperschaftlichen Einkommens immer selbständiger zu machen. Die natürliche Beschränkung der Einkommen-Körperschaftsteuer auf den einbehaltenen Gewinn wurde einfach nicht eingehalten. Vielmehr ging man schon bald dazu über, auch noch andere Gewinnbestandteile von der Körperschaftsteuer erfassen zu lassen, bis ζ. B. die einschlägige Gesetzgebung etwa Hamburgs i m Einkommen der juristischen Personen überhaupt den (vollen) Gewinn sah. Welchen Einfluß das i m Endergebnis auf das Wesen der Körperschaftsteuer ausüben mußte, liegt auf der Hand. Nachdem der Körperschaftbesteuerung gerade erst eine neue Funktion zugeteilt worden war, 3 Rasenack

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1. Teil: Entwicklungslinien u n d Tendenzen

strebte sie offensichtlich schon wieder zu neuen Ufern: Die Identitätstheorie, obschon mit nunmehr ständig steigendem Engagement zur A b wendung einer solchen Entwicklung vorgetragen, wurde von den harten Fakten offenbar zunehmend überrollt. A n ihrer Stelle kündigte sich die Vorstellung von der Inkongruenz zwischen den Teilhabern und „ihrer" Gesellschaft an. So nimmt es nicht weiter wunder, wenn die i m Vorstehenden angedeuteten Veränderungen i n gewisser Weise auch schon auf die körperschaftliche Besteuerungsgrundlage selbst übergriffen. Freilich nicht i n der Weise, daß man i m Hinblick auf die i n der Praxis alsbald zu beobachtende Doppelbesteuerung nun dazu übergegangen wäre, nicht länger bei der einkommensteuerlichen Ergänzungsfunktion der Körperschaftsteuer stehen zu bleiben und die neuerliche Verselbständigung der körperschaftlichen Steuerbasis einfach einzugestehen. Insoweit hielt man in standhafter Nichtachtung der gesetzlichen Wirklichkeit unverändert daran fest, daß die einkommen- und körperschaftsteuerliche Besteuerungsgrundlage grundsätzlich als identisch zu gelten habe. Gemeint ist vielmehr der i m Einkommensbegriff selbst einsetzende Differenzierungsprozeß. Die heutzutage zwar immer noch i n Einzelheiten umstrittenen, i m grundsätzlichen jedoch weitgehend anerkannten Prinzipien ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung waren damals noch i n voller Entwicklung begriffen. Zwar konnte an der Verbindlichkeit des Prinzips der wirklichkeitsnahen Besteuerung jetzt nicht mehr gerüttelt werden. Die stürmische Entwicklung zum Hochkapitalismus 1 hatte einer anderen Vorstellung von der Besteuerung, ihrer Allgemeinheit und Gleichheit zum Durchbruch verholfen 2 . Damit waren die Grenzen einer derartigen Besteuerung jedoch noch keineswegs festgelegt. Weder mußte dieser neue Ansatzpunkt ζ. B. eine konkrete Richtschnur für die so bedeutende Frage abgeben, ob und inwieweit der bei jährlicher Erfolgsabgrenzung auftretenden Erscheinung der sog. schwankenden Einkommen (hauptsächlich also der gewerblichen Einkünfte) Rechnung getragen werden sollte (Periodenabgrenzung), noch konnte aus dem Grundsatz realitätsnaher Besteuerung abgeleitet werden, wie ζ. B. die Besteuerung der sog. einmaligen Einkünfte, d. h. insbesondere der unmittelbaren Wertsteigerungen am Vermögen (Konjunkturgewinne usw.) erfolgen sollte. Einerseits konnte man argumentieren, daß sich die tatsächliche Leistungsfähigkeit einer bestimmten wirtschaftlichen Veranstaltung i m allgemeinen und die Folgen einer zufälligen, womöglich noch einmaligen Wertsteigerung an dem zur Gewinnerzielung eingesetzten fixen oder um1 Vgl. bes. W. Sombart, Der moderne Kapitalismus Bd. I I I passim, sowie — zusammenfassend — etwa J. Kulischer, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, S. 396 ff., 418 sowie F. Lütge, Deutsche Sozial- u n d Wirtschaftsgeschichte^ S. 482 ff. 2 Teschemacher, Die Einkommensteuer, HdBFinWiss 1 I I , S. 122.

2. Kap.: Die Periode der Einkommen-Körperschaftsteuern

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laufenden Kapital i m besonderen erst über einen längeren Zeitraum hinweg beurteilen lassen würden. Andererseits konnte aber auch gerade umgekehrt gesagt werden, daß es schließlich der jeweilige konkrete, also tatsächlich während einer Veranlagungsperiode erzielte Gewinn sei, der für die weitere Entwicklung einer wirtschaftlichen Unternehmung die entscheidenden Impulse abgebe. Grundsätzlich trat diese Problematik allerdings ohne Rücksicht auf die konkrete Organisation des jeweiligen Steuerpflichtigen auf. Die Frage nach der Berechtigung des einkommensteuerlichen Einschlusses der unmittelbaren Vermögenszugänge konnte sich auch i n einem Personenunternehmen stellen. Ja, i m Grunde war sie nicht einmal auf bestimmte Einkunftskategorien beschränkt: Spekulationsgewinne oder Wertsteigerungen am privaten Grundstück konnten auch außerhalb einer gewerblichen Veranstaltung anfallen. Dennoch muß man nun sehen, daß die Körperschaften durch ihre natürliche Verbundenheit mit dem gewerblichen Bereich von den soeben angedeuteten Veränderungen i m (allgemeinen) Einkommensbegriff immer ganz besonders betroffen wurden. Nirgendwo sonst gab es eine derartige Konzentration marktabhängiger Produktionsgüter und Produktionsgüterkombinationen (Fertigungsverfahren). Entsprechend konnte sich gerade hier die eventuelle Kapitalisierung künftiger Ertragserwartungen besonders niederschlagen. Dann aber war es auch vom Einkommensbegriff her nicht ausgeschlossen, daß sich eventuelle Sonderentwicklungen als besonders folgenreich für die künftige Entwicklung der Körperschaftsbesteuerung erweisen könnten. Ausschließlich i n Übereinstimmung mit der herrschenden Identitätstheorie ist die Entwicklung denn auch nur i m Hinblick auf die subjektive Körperschaftsteuerpfiicht geblieben. Zwar hat es auch hier bereits Bestrebungen gegeben, und zwar insbesondere i n Württemberg und Sachsen, über eine punktuelle Festsetzung von ersatzweisen Einkommensteuerverpflichtungen hinwegzukommen. Grundsätzlich hielt man jedoch daran fest, daß die Einkommenkörperschaftsteuer allenfalls an den inzwischen erweiterten Kreis von privatwirtschaftlich tätigen j u r i stischen Personen anzupassen war.

1. Die subjektive Steuerpflicht

Bedingt durch die unterschiedliche ökonomische Situation i n den einzelnen Ländern des deutschen Bundesstaates von 1871-1918 war die Ausbildung eines auch nur halbwegs übereinstimmenden enumerativen oder gar nach abstrakten Kriterien umschriebenen Katalogs von Voraussetzungen für die subjektive Körperschaftsteuerpfiicht freilich auch ein beinahe aussichtsloses Unterfangen. Zwar bildete sich schon frühzeitig ein unbestrittener K e r n von Steuerpflichtigen heraus, der überall i n die 3*

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1. Teil: Entwicklungslinien u n d Tendenzen

entsprechenden Einkommenkörperschaftsteuergesetze aufgenommen wurde, und zwar selbst dann, wenn es innerhalb des Anwendungsbereichs der respektiven Steuergesetze — wie ζ. B. i n Schaumburg-Lippe 3 — an einem geeigneten Steuersubjekt fehlte. Gemeint ist, daß eigentlich überall i n Deutschland die Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und, soweit von Bedeutung, die bergbaubetreibenden Gewerkschaften zum Kreis der wie natürliche Personen (einkommen)steuerpflichtigen Steuersubjekte gezählt wurden. I m übrigen kam es indessen zu nicht ganz unbeachtlichen Abweichungen. Schon hinsichtlich der Gesellschaften m i t beschränkter Haftung gab es einige bedeutsame Unterschiede. Nicht nur vollzog sich ihre Einreihung i n die Einkommen-Körperschaftsteuer i. d. R. erheblich später als bei den vorstehenden Körperschaftsteuerpflichtigen 4 . Vielmehr kündigten sich i m Hinblick auf diese Gesellschaften auch bereits die ersten Abweichungen vom Normalregime der Körperschaftsteuerpflicht an: So dehnte Preußen die Einkommensteuerpflicht auf die Gesellschaften m i t beschränkter Haftung ζ. B. erst durch eine Novelle vom 19. 6. 1906 aus und regelte die Steuerpflicht auch sogleich anders als bei den übrigen Erwerbsgesellschaften 5 . Was schließlich die Genossenschaften und Konsumvereine betraf, so mußten zumeist noch besondere zusätzliche Voraussetzungen vorliegen, falls eine Einkommensteuerpflicht i n Betracht kommen sollte 6 , und andere juristische Personen oder bestimmte nichtrechtsfähige Vermögensmassen wurden überhaupt erst hier und dort überhaupt von der Einkommensteuer erfaßt: Zwar zog Württemberg schon 1903 juristische Personen aller A r t und daneben noch Personenvereine m i t nicht geschlossener Mitgliederzahl zur Einkommensteuer heran 7 . Auch Sachsen zeichnete sich durch eine i n der Begriffswahl besonders weit gezogene Einkommen-Körperschaftsteuer aus, als es i m Jahre 1900 alle juristischen Personen, vermögenserwerbsberechtigten Personenvereine und Vermögensmassen der Einkommensteuer zu glei3

L. Blum, Die steuerliche Ausnutzung der Aktiengesellschaften, S. 59. Die Form der G.m.b.H. ist erstmalig m i t G. v. 20.4.1892 (RGBl. S. 477) zugelassen worden. 5 Vgl. §§ 1 Ziff. 6, 13, 16, 18, 71 preuß. EStG v. 24./19. J u n i 1891/1906 (G.S. S. 259). Danach wurden die GmbH's nicht w i e die übrigen inkorporierten E r werbsgesellschaften nach ihren Überschüssen, sondern nach dem sog. Geschäftsgewinn veranlagt. Es galt ein über die Sätze des Normaltarifs hinausgehender Sondertarif. Dafür wurde bei den Gesellschaftern derjenige T e i l der auf sie veranlagten Einkommensteuer nicht erhoben, der auf die Gewinnanteile der respektiven Gesellschaft entfiel. 6 Bei den Genossenschaften mußte es sich u m eingetragene Genossenschaften handeln, deren Geschäftsbetrieb außerdem über den Kreis ihrer Mitglieder hinausging. Die Konsumvereine mußten einen offenen Laden u n d die Rechte v o n juristischen Personen haben, vgl. § 1 Ziff. 4 u n d 5 des preuß. EStG 1891. Z u diesem Problem vgl. auch L. v. Stein, Lehrbuch der Finanzwissenschaft 5 (Bd. I I 2), S. 205. 7 Vgl. G. v. 8. 8.1903 (Württ. RegBl. S. 261 ff.). 4

2. Kap. : Die Periode der Einkommen-Körperschaftsteuern

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chen Tarifen wie die natürlichen Personen unterwarf 8 . Diese abstraktbegrifflichen Umschreibungen der Körperschafteinkommensteuer waren jedoch die Ausnahme. I. d. R. begnügten sich die Einkommensteuergesetze m i t einer bloßen Aufzählung der konkreten nicht-physischen Rechtsträger, um sie gemeinsam m i t den natürlichen Personen i m gleichen Gesetz zur Steuer heranzuziehen. Gerade an diesem betont vorsichtigen Vorgehen bei der allmählichen Ausdehnung der Einkommenkörperschaftsteuer kann man indessen gut erkennen, worum es bei der Zusammenlegung der Einkommensteuer i. e. S. mit der Körperschaftsteuer noch immer ging: Wenn so sehr Rücksicht darauf genommen wurde, keine leichtfertigen Erweiterungen der Körperschaftsteuer vorzunehmen, so kam darin offensichtlich zum Ausdruck, daß der Körperschaftsteuer i m allgemeinen nur eine Ersatzfunktion zugedacht war. Gewiß, substantiell war die Umorientierung der Körperschaftsteuer von einer Ertragsteuerart zu einer Einkommensteuer jetzt allgemein anerkannt. Die Möglichkeit der synthetischen Zusammenfassung der anfallenden Einkünfte wegen der verselbständigten rechtlichen Organisation (eigene Rechtsfähigkeit) und das Prinzip der realitätsnahen Veranlagung hatten ja lange i n diese Richtung gewirkt. Bei dem dieserart gebildeten körperschaftlichen „Einkommen" handelte es sich nach damaliger Überzeugung jedoch immer um etwas Artifizielles, d. h. nach allem bislang Diskutierten bestenfalls u m einen Kunstgriff, der allein dazu dienen mochte, andernfalls nur schwer zu erfassendes „Einkommen" gleichwohl noch steuerlich heranzuziehen. Gemeint waren insbesondere diejenigen ungeteilten (and nur deswegen nicht zurechenbaren) Einkommensbestandteile, die der Dispositon der juristischen Person verhaftet blieben, weil sie nicht ausgeschüttet wurden. Entsprechend läßt sich erkennen, daß die Unsicherheiten ζ. B. bei der Behandlung der Genossenschaften und Gesellschaften m i t beschränkter Haftung letztlich nur daran lag, daß man i n diesen Fällen noch gut und gern mit der bloßen unmittelbaren Einkommensbesteuerung der jeweils betroffenen Teilhaber hätte auskommen können 9 . Diese kleineren juristischen Personen waren i. d. R. nicht nur ungleich mitgliederschwächer als beispielsweise die Aktiengesellschaften oder die Ber g Werksgesellschaften. Auch förderten sie, wie etwa bei der Genossenschaft, die Interessen ihrer Mitglieder zumeist durchaus anders als durch Ausschüttungen 93 . Infolgedessen spielte das Problem eventueller Gewinneinbehaltungen jedoch lediglich eine unter8 Vgl. G. v. 24. 7 1900 (G u. VOB1. d. Königreichs Sachsen, S. 562) § 4 u n d dazu G. Schanz, Die sächsische Steuerreform v o m Jahre 1902, F A 20. Jg. I (1903), S. 243 ff. 9 J. Popitz, Einkommensteuer, H d S t W 4 Bd. I I I , S. 429. 9 a z. B. durch Nachweis günstiger Einkaufsmöglichkeiten, K r e d i t v e r m i t t lungen usw.

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1. Teil: Entwicklungslinien u n d Tendenzen

geordnete Rolle, und entsprechend bestand normalerweise kaum ein Grund, sich u m einkommensteuerliche Evasionen durch Stehenlassen der Gewinne zu sorgen. Der Sache nach bildete sich während dieser 2. Periode der Körperschaftsbesteuerung daher eine durchaus vorsichtige Bestimmung der subjektiven Körperschaftsteuerpflicht heraus, die den Einkommensteuercharakter i n der Neugestaltung der Körperschaftsteuer zwar i m allgemeinen anerkannte — jedoch allein mit Rücksicht auf die Einkommenbesteuerung der natürlichen Personen. Nur dann, wenn ernsthafte Unterschleife zu befürchten waren, kam es zur Anerkennung einer besonderen Körperschaf tsteuerpflicht. 2. Die objektive Steuerpflicht

Ganz ähnlich lag die Situation — jedenfalls zunächst — auch i m Hinblick auf den körperschaftsteuerlichen Besteuerungsgegenstand. Nach dem die einzelnen bundesstaatlichen Einkommen-Körperschaftsteuergesetze dazu übergegangen waren, den Begriff des Einkommens unterschiedslos für die Besteuerung der natürlichen wie der juristischen Personen zu verwenden 1 0 , waren auch insoweit die Würfel gefallen. Da die neuen Einkommensteuergesetze mit dem Anspruch auftraten, an Stelle des punktuellen Ansatzes des alten Ertragsteuersystems den umfassenden Zugriff auf das Gesamtergebnis der verschiedensten Einkommensquellen bei den jeweiligen Individuen gesetzt zu haben, konnte es denknotwendig nur eine A r t von Einkommen geben — nämlich das der natürlichen Personen. Folglich mußte auch die Einkommenbesteuerung der juristischen Personen eine echte Einkommensteuer sein, wenn auch ggf. nur eine ergänzende und — natürlich — eine für fremde Rechnung, nämlich für die i m einzelnen beteiligten natürlichen Personen. Natürlich konnte diese Konstruktion materiell immer nur aufgehen, wenn dem an sich etwas weiten Ansatz (Gegenstand der Besteuerung der juristischen Personen war durch den Begriff „Einkommen" alles, was überhaupt für Rechnung der mitgliedschaftlich verbundenen Teilhaber erworben werden konnte: neben den Ausschüttungen also auch die Thesaurierungen) an andere Stelle durch einschränkende Vorbehalte (also insbesondere hinsichtlich des ausgeschütteten Gewinns, der direkt bei den Teilhabern erfaßt werden konnte) Rechnung getragen wurde. Wie dieses Problem jedoch auch immer gelöst werden sollte und wie sehr von dieser Seite her das Prinzip der (ersatzweisen) echten Einkommensbesteuerung der juristischen Personen auch u. U. bereits entscheidend unterlaufen 10 Vgl. dazu die zahlreichen Nachweise bei L. Blum, nutzung der Aktiengesellschaften, passim.

Die steuerliche Aus-

2. Kap. : Die Periode der Einkommen-Körperschaftsteuern

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werden mochte — i m Grunde drohten von hier noch keine entscheidenden Einwände: Solange man nicht für den Besteuerungsgegenstand selbst die Konsequenzen zog, d. h. solange man Körperschaften und natürliche Personen unter dem gemeinsamen Begriff des Einkommens zur Steuer heranzog, solange konnte man sich auch angesichts der veränderten Verhältnisse der Praxis immer auf das Argument zurückziehen, daß es sich insoweit, d. h. m i t Rücksicht auf drohende Doppelbelastungen, eben u m Erscheinungen handelte, wie sie an sich nicht vorkommen sollten. Tatsächlich ist man — damals — ja auch immer wieder so vorgegangen 12 . Unmittelbare dogmatische Gefahr drohte dem Konzept vom Ergänzungscharakter der Einkommenskörperschafsteuer eher aus einer ganz anderen Richtung, nämlich von dem Begriffswandel, den die Kategorie des Einkommens mittlerweile selbst zu durchlaufen begann 13 . Gemeint ist der etwa seit den beiden letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts zu beobachtende allmähliche Übergang von der (älteren) Quellentheorie und den m i t ihr verwandten Gedankengängen zu der (jüngeren) sog. Reinvermögenszugangstheorie, durch die sich die Zugriffsmöglichkeiten des Steuergesetzgebers nicht unbedeutend erweiterten. Während die Quellentheorie den steuerlichen Zugriff herkömmlicherweise auf dasjenige beschränkte, was auf Grund dauernder Erwerbsquellen i n die Verfügungsgewalt natürlicher Personen überging, eröffnete die Reinvermögenszugangstheorie einen viel weiter reichenden Besteuerungsgegenstand. Wegen ihrer offenkundigen Anlehnung an die Bilanzierungstechniken des buchführenden Kaufmanns, durch die auch Veränderungen an der Vermögenssubstanz i n die Erfolgsrechnung eingehen konnten, kam es auf eine bloße Summierung von Einzelerträgen (so die Quellentheorie) nicht mehr an. Vielmehr wurde die einkommensteuerliche Leistungsfähigkeit jetzt auch an den direkten Vermögenszugängen gemessen. Die Konsequenzen, die ein solcher Wandel i n der A r t der Gewinnermittlung für das System der Personalsteuern mit sich bringen konnte, liegen auf der Hand. Sollte die Einkommensteuer und mit ihr die Körperschaftsteuer nunmehr nicht nur aktuelle Zuflüsse ergreifen, sondern auch bloße Wertveränderungen am Vermögen (Konjunktur-, Inflations- und Zufalls11

Dazu i m folgenden unter 3. So bestand ζ. B. gerade der preuß. Finanzminister Miquel, der die Körperschaftsteuer auch aus anderen Gründen für gerechtfertigt hielt, i m m e r wieder darauf, daß ζ. B. der sog. Abzug der Normalverzinsung bei dem zu versteuernden Einkommen der Aktiengesellschaften usw. i. d. R. die Mehrfachbelastung des Einkommens verhinderte (Verh. d. Hauses der Abgeordneten 1890/91, A n lagen Bd. I I , Nr. 75, S. 1254). M a n sah also die Gefahr, die sich durch eine separate Besteuerung v o n Gesellschaft u n d Gesellschaftern ergab, sehr wohl. 13 So auch G. Schmölders, Entwicklung u n d Wandlung der Körperschaftsteuer, StuW 25. Jg. (1948), Sp. 905 ff. u n d nochmals i n StuW 26. Jg. (1949), bes. Sp. 976 ff. (Einführende Begründung zu den Betriebsteuergesetzesentwürfen von 1948/49). 12

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1. Teil: Entwicklungslinien u n d Tendenzen

gewinne), kam es auf konkrete (unmittelbare) Verfügungsfähigkeiten und Verwendungsmöglichkeiten individueller Färbung (also natürlicher Personen) offensichtlich immer weniger an. Unmittelbare Vermögenszugänge waren auch ohne Realisierungshandlung (Verfügungsgeschäft) denkbar. Ein Konjunkturengewinn ζ. B. macht sich ja gerade auch unabhängig davon bemerkbar, ob man ihn i n klingender Münze hereingeholt hat: Der Kurszettel an der Börse oder der durch Erfahrung bekannte Marktwert eines Grundstückes i n einer bestimmten Gegend teilt sich auch denen mit, die nicht verkauft oder gekauft und dadurch zur Aushandlung eines Marktpreises beigetragen haben. Ist das jedoch richtig beobachtet, war der Einkommensbegriff, kaum daß er zum Gradmesser individuell-personaler Leistungsfähigkeiten geworden war, erneut i n Bewegung geraten — und zwar nicht unähnlich den gerade überholten Vorstellungen des analytisch zerlegenden Ertragsteuersystems, das ganz eindeutig i n Richtung auf das einzelne W i r t schaftsgut bzw. die durch eine Gesamtheit von Wirtschaftsgü tern vermittelte abstrakte Leistungsfähigkeit als solche abzielte. Wiederum ließ sich die allenthalben zu beobachtende Produktivität eher bestimmten Produktionsfaktoren als solchen zuschreiben als konkret beteiligten selbst-wirtschaftenden Menschen. Waren nun aber nicht gerade die erwerbswirtschaftlich tätigen Körperschaften, ausgestattet mit einer eigenen Rechtssphäre, die von der ihrer Mitglieder losgelöst war, ein allerbestes A n schauungsbild für die Wichtigkeit der durch das Kapital als solchem repräsentierten sachlich-unpersönlichen Leistungsfähigkeit 1 3 3 ? Tatsächlich ist daher auch schon bald nach Einführung der ersten Einkommenkörperschaftsteuern behauptet worden, daß die Verwendung desselben Besteuerungsgegenstandes für die Körperschaftsteuer wie für die Einkommensteuer i. e. S. nur von bedingter Aussagekraft sein könne 1 4 . Denn während — so ζ. B. nach dem preußischen Einkommensteuergesetz von 1891 — noch ganz i n Übereinstimmung mit der herkömmlichen Quellentheorie (also unter Ausschluß der unmittelbaren Vermögenswertgewinne: „capital gains") für die natürlichen Personen angeordnet worden war, daß das steuerbare Einkommen auf Grund einer Überschußrechnung der abschließend aufgezählten Einkommensarten über die gesetzlich zugelassenen Abzüge zu ermitteln sei 15 , hatte der Gesetzgeber i m 13a So auch schon W. Sombart, Der moderne Kapitalismus I I / l , S. 151: „Es gibt i n der Aktiengesellschaft überhaupt keine Personen mehr, sondern n u r noch ein Geschäft auf der Grundlage eines gleichsam automatisch funktionierenden Kapitals . . ( H e r v o r h e b u n g n u r hier). 14 Vgl. dazu insbes. H. V. Simon, Die Staatseinkommensteuer der A k t i e n gesellschaften, S. 62 ff. 15 § 7 d. G. zählte 4 Einkunftsarten auf, deren abschließender Charakter durch eine Stammvermögensklausel i n § 8 d. G. nochmals ausdrücklich unterstrichen wurde. Die gesetzlich zugelassenen Abzüge waren i n § 9 geregelt.

2. Kap.: Die Periode der Einkommen-Körperschaftsteuern

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Hinblick auf die Aktiengesellschaften usw. bereits auf den Begriff der sog. (Betriebs-)Überschüsse als solchen hingewiesen 16 . Da diese Gesellschaften ihre Betriebsabrechnung inzwischen ohne Ansehung der Einkunftsart an Hand von (Vermögens-)Bilanzen aufstellten, also einen ganz anderen Umfang von Einkünften ausweisen konnten, war es m i t h i n nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich trotz der Ausformung der Einkommen-Körperschaftsteuer als bloße Ergänzungssteuer gleichwohl bereits ein i n gewisser Hinsicht eigenständiger körperschaftsteuerlicher Einkommensbegriff herausgebildet hatte. Was zunächst die Vorstellung anging, daß es inzwischen offenbar Einkommensarten gab, die nicht mehr wie etwa unter der preuß. klassifizierten Einkommensteuer von 1851 lediglich nach ihren (baren) Überschüssen erhoben wurden, so hatte der eben angedeutete Gedankengang i n der Tat nicht nur eine vergleichsweise konsolidierte kaufmännische Übung für sich, sondern darüber hinaus eine zunehmend auf Ausdehnung des traditionellen Einkommensbegriffs gerichtete Gesetzgebung. Vorreiter der allgemeinen Entwicklung war i n diesem Fall das sächsische Einkommensteuergesetz vom 22. 12. 187417, von dem schon G. Schanz gesagt hatte, daß es eine bahnbrechende Bedeutung für die deutsche Steuergesetzgebung gehabt habe 18 . Zu Recht, denn nirgendwo sonst läßt sich der Bruch m i t der bisherigen an bloßen Ertragskategorien orientierten Einkommensrechnung so deutlich nachweisen wie an diesem Gesetz und den Vorarbeiten, die zu diesem Gesetz geführt haben. I n deutlicher Abkehr von der bisher üblichen Unterscheidung zwischen den jeweiligen Güter- oder Kapitalstocks (Vermögen) und den aus diesen Kapitalien fließenden Einkünften (Erträge) wurde hier erstmals — freilich nur i m Hinblick auf die gewerblichen Einkünfte — die These gewagt, daß es auf derartige Unterscheidungen nicht mehr ankommen könne. Entsprechend der i n der kaufmännischen Praxis zu beobachtenden Übung sollten vielmehr nunmehr auch die Bewegungen am Vermögen selbst berücksichtigt werden: „Der durch das Handelsgesetzbuch (von 1861) sanktionierte kaufmännische Gebrauch", so hieß es 19 , „beruht auf der Anschauung, daß das i m Geschäftsbetrieb angelegte Kapital in seiner Gesamtheit sozusagen 16 I n § 16 d. G. hieß es: „ A l s steuerpflichtiges Einkommen der (Aktiengesellschaften usw.) g e l t e n . . . die Überschüsse, welche als Aktienzinsen oder D i v i denden . . . verteilt werden . . . " Das w a r ganz offensichtlich die traditionelle U m schreibung des Besteuerungsgegenstandes, wie sie schon anläßlich der i m V o r kapitel behandelten Ertragskörperschaftsteuern verwendet worden war, u n d nicht die Begriffsbestimmung w i e sie i n § 6 f ü r das Einkommen gegeben w o r den war. 17 GuVOBl. S. 471. 18 Die Novelle zum sächsischen Einkommensteuergesetz v o m 2. J u l i 1878 v o m 10. 3.1894, F A 12. Jg. I I (1895), S. 751. 19 Nach J. Gensei, Die Steuerreform i m Königreich Sachsen, H i r t h s Annalen Bd. 7 (1874), Sp. 1373, 1467, zit. bei K. Barth, Die Entwicklung des deutschen Bilanzrechts, S. 186. Unterstreichung n u r hier.

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1. Teil: Entwicklungslinien u n d Tendenzen

eine flüssige Masse, und daß der Betrag, u m welchen i m Laufe des Geschäftsjahres der Wert dieses gesamten Kapitals gewachsen (ist), zuzüglich der für den Privatbedarf entnommenen Beträge, als Jahresgewinne zu betrachten sei". Entsprechend formulierte der sächsische Gesetzgeber i n § 22 seines Einkommensteuergesetzes: „Beim Handels- und Gewerbebetrieb ist der Reingewinn nach den Grundsätzen zu berechnen, wie solche für die Inventur und Bilanz durch das Handelsgesetzbuch vorgeschrieben sind und sonst dem Gebrauche eines ordentlichen Kaufmanns entsprechen; insbesondere gilt das vom Zuwachs und andererseits von der Abnutzung des Anlagekapitals, sowie von Forderungen und Schulden und deren Zinsen." Ganz offenkundig ging man also davon aus, daß sich i n Gewerbebetrieben, i n denen der Unternehmer nebenher auch noch werbend angelegtes Kapital arbeiten ließ, die Unterscheidung zwischen Fundus und Einnahme/Ausgabe-Überschüssen verwischt hatte. Wer nur noch oder zusammen m i t anderen Faktoren Kapital zur Einkunftserzielung einsetzte, betrachtete seinen Einsatz überdies selbst als Ware, die je nach den Gegebenheiten des Betriebes, i n dem sie arbeitete, oder auch nach der allgemeinen Marktentwicklung (Konjunktur) eine Rendite abwarf wie jeder andere Produktionsfaktor auch. Da aber der Wertanstieg anläßlich der Verarbeitung körperlicher Wirtschaftsgüter schon immer als Einkommen angesehen worden war, und zwar auch i m Hinblick auf bloße Wertsteigerungen durch Marktgewinne 2 0 , war es nur logisch, wenn dasselbe mit Rücksicht auf die „Ware" Kapital geschah. Der Unterschied gegenüber früher war dann also der, daß sich die Auffassung über das Wesen des Kapitals oder Vermögens gewandelt hatte. Hatte man früher i n den jeweiligen Erscheinungsformen des Kapitals noch etwas Statisches, Unbewegtes gesehen, das der Güterbewegung i m übrigen nur sehr bedingt folgte und i m Hinblick auf die konkrete Ertragslage auch weitgehend ohne Bedeutung war (die Erträge flössen und w u r den eingezogen, ohne daß man sich Gedanken über die Bewertung des dahinterstehenden Vermögens machte 21 ), so erlebte man jetzt, daß offenbar auch das Kapital selbst — und zwar ganz ähnlich wie es später die sog. Klassenmonopoltheorie lehrte 2 2 — eine eigene i n i h m selbst liegende 20 Das lag einfach daran, daß i n der Einnahme-Überschußrechnung Preissteigerungsgewinne, sofern sie nicht durch teuereren Warenwiedereinkauf ausgeglichen wurden, nicht ohne weiteres ausgeschieden werden konnten. Vgl. auch die bes. von Fuisting (Die Preußischen direkten Steuern Bd. 1 [Komm, zum EStG], S. 235 ff. [Anm. 14 zu § 13]) gelehrte Unterscheidung zwischen Anlageu n d Betriebsvermögen. 21 Dazu siehe L . Seltzer, The nature and tax treatment of capital gains and losses, S. 25 ff. 22 Gemeint sind insbesondere die sog. Klassenmonopoltheorien der Verteilung wie sie seit F. Oppenheimer (System der Soziologie 4 Bde. 1922 - 1935) vertreten worden sind. Vgl. dazu E. Preiser, HdWSozWiss 4 Bd. I I , S. 625 f. u n d W. Hoffmann, Einkommenstheorie, S. 106 ff.

2. Kap. : Die Periode der Einkommen-Körperschaftsteuern

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wirtschaftliche Potenz repräsentieren konnte. Auch aus Friktionsgewinnen ließ sich konkrete wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gewinnen. Ein unerwarteter Wertgewinn ließ sich realisieren und i n neue zusätzliche Wirtschaftsgüter investieren. War es dann aber nicht angemessen, auch dem Steuerstaat einen Anteil an dieser Kategorie neuen Einkommens zu sichern? Freilich dauerte es wiederum seine Zeit, bis der durch das sächsische EStG 1874 signalisierte Umschwung überall und i n gleicher Stärke nachvollzogen war. Insbesondere i m Hinblick auf die Rechtslage i n Preußen nach Einführung des Einkommensteuergesetzes vom 24. 6. 1891 erscheint es noch heute recht schwierig, den tatsächlichen Verlauf der Dinge verläßlich nachzuzeichnen. Folgt man den Darstellungen des damals führenden Einkommensteuer-Kommentars von B. Fuisting 23, dessen Einfluß auf die Praxis und Rechtsprechung wohl kaum überschätzt werden kann, entsteht sogar bisweilen der Eindruck, als habe sich trotz der weitgehenden Einführung der kaufmännischen Vermögensrechnung i m Bereich des gewerblichen Einkommens 2 4 vorerst kaum etwas geändert. Immer wieder wies der Kommentar auf den beherrschenden Einfluß hin, der der Quellentheorie auch nach Einführung des neuen Einkommensteuergesetzes verblieben sei, was insbesondere mit einer Rechtsprechung nachzuweisen versucht wurde, die nach anfänglichem Schwanken besonderen Wert auf die Abgrenzung zwischen Anlage- und Betriebsvermögen gelegt und Wertveränderungen des Anlagekapitals (Stammvermögens) von der Einkommensteuer freigestellt hatte 2 5 . I n der Tat mußten derartige Differenzierungen wenig sinnvoll erscheinen, wenn mit ihrer Hilfe die Konsequenzen einer reinen Vermögensrechnung nicht weitgehend hintangehalten werden sollten. Gleichwohl mußte auch Fuisting schließlich zugeben, daß jedenfalls bei Vollkaufleuten der Gewinnermittlungsmethode auch materielle Bedeutung zukommen könne 2 6 , und dieser Gedanke hat sich endlich auch i n der Rechtsprechung durchgesetzt. Nachdem Steuerpflichtige immer wieder versucht hatten, Veräußerungsgewinne, die weder dem Privatvermögen noch einer 23 Die Preußischen direkten Steuern, 1. Bd.: Kommentar zum Einkommensteuergesetze (hier die 7. A u f l . v o n 1907). — Fuisting selbst w a r Senatspräsident einer der beiden Steuersenate am preuß. OVG. 24 § 14 (13) Abs. I des preuß. EStG 1891/1906 lautete: „ A l s Einkommen aus Handel, Gewerbe u n d Bergbau gilt der Geschäftsgewinn. Bei Steuerpflichtigen, welche Handelsbücher... führen, ist der Gewinn . . . nach den Grundsätzen zu berechnen, wie solche f ü r die I n v e n t u r u n d Bilanz durch das Handelsgesetzbuch vorgeschrieben sind u n d sonst dem Gebrauch eines ordentlichen Kaufmanns entsprechen. Insbesondere g i l t dies einerseits von dem Zuwachse des Anlagekapitals u n d andererseits v o n den regelmäßigen jährlichen Abschreibungen, welche einer angemessenen Berücksichtigung der Wertminderung entsprechen." 25 Vgl. S. 235 ff. (Anm. 14 zu § 13 des Kommentars). 26 So grundsätzlich S. 234 ff. (Anm. 14 zu § 13).

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1. Teil: Entwicklungslinien u n d Tendenzen

Einkommensquelle außerhalb der Einkünfte aus Handel und Gewerbe zugerechnet werden konnten, vom steuerbaren Einkommen deshalb auszunehmen, weil es sich ihrer Ansicht nach u m reine Kapitalgewinne handelte, erging eine Reihe von Entscheidungen, die diese Praxis für unzulässig erklärte 2 7 . Und i n einer Entscheidung vom 25. 6. 190228 wurde auch der theoretische Hintergrund angesprochen, aus dem die Einkommensbesteuerung dieser neuen A r t von Einkünften folgte: Nicht etwa sei i n der steuerlichen Erfassung der Wertsteigerungen bei der Veräußerung von Anlagekapitalien i n Wahrheit eine versteckte Vermögensbesteuerung zu sehen. Die Besteuerung des Spekulationsgewinns 29 und des Vermögenszuwachses bei Vollkaufleuten 3 0 erfolge nämlich nicht wegen des durch diese „Gewinnmitnahmen" vermittelten Besitzes (was auf eine Vermögensteuer hinweisen würde), sondern weil diese Vermögensvorteile besondere Vorteile durch den Umsatz mit sich brächten. Das schloß jedoch geradewegs an die Argumente an, die den sächsischen Gesetzgeber schon 1874 dazu gebracht hatten, nicht mehr die gewerbliche Einnahme-Ausgabe-Rechnung, sondern die gewerbliche Vermögensrechnung zum Ausgangspunkt der gewerblichen Einkommensteuerermittlung zu wählen. Denn aus der wirtschaftlichen Natur dieser Zugänge hatte man ja gefolgert, daß sie letztlich dem Einkommen näher standen als ζ. B. dem Vermögen. Damit waren die Voraussetzungen für die alten Unterscheidungen nach der Quellentheorie freilich insoweit aufgegeben. Bei dieser Sachlage ist es jedoch — jedenfalls bis zum Ende der hier besprochenen Periode — verblieben. Den insbesondere von H. V. Simon vorgetragenen und weiter oben schon andeutungsweise skizzierten Argumenten für eine Ausdehnung der bei der Ermittlung des gewerblichen Gewinns angewandten Methoden (vgl. §§ 7 Nr. 4 und 14 Abs. I preuß. EStG 1891) auf den gesamten körperschaftlichen Gewinn 3 1 ist die allgemeine Meinung nicht gefolgt. Zwar war zumindest das preuß. OVG eine Zeitlang offenbar nicht abgeneigt, die Überschüsse der juristischen Personen nach § 16 preuß. EStG 1891 i n einem weiteren Sinne, d. h. ohne Rücksicht auf den Ursprung der Überschüsse zu verstehen 32 . Nachdem 27 Vgl. die Entsch. des preuß. OVG i n Staatssteuersachen Bd. X , 214, 237 ff.; Bd. X I , 200, 201; Bd. X I I , 297 u n d Bd. X I I I , 187, 189. Schuld an diesem V o r gehen der Steuerpfl. w a r die Praxis unter dem preuß. klassifizierten E i n k o m mensteuergesetz v. 1851/1873, nach der das Einkommen aus Handel u n d Gewerbe i n jedem F a l l durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen m i t den Betriebsausgaben ermittelt u n d etwa existente Bilanzen, w e i l sie über die Jahreseinnahmen u n d Ausgaben als solche keine Auskunft gaben, i n std. Rspr. unberücksichtigt blieben (vgl. preuß. OVG i n ESamml. 14, 129 u n d 16, 95). 28 Das ist die Entsch. i n Staatssteuersachen Bd. X , 214, 247. 29 § 12 (später 11) Abs. I I d d. G. 30 § 14 (später 13) d. G. Wiedergegeben i n Fn. 24. 31 Vorstehend A n m . 14. 32 Vgl. etwa preuß. O V G i n Staatssteuersachen, E I V , 225 ff. sowie die Übersicht i n E X , S. 214.

2. Kap.: Die Periode der Einkommen-Körperschaftsteuern

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das Reichsgericht unter diesem Terminus dann jedoch nur die geschäftlichen (gewerblichen) Uberschüsse begriffen hatte 3 3 , Schloß sich auch das preuß. OVG dieser restriktiven Auslegung an — obschon vom handelsrechtlichen Standpunkt her jetzt ganz allgemein die volle Vermögensrechnung gefordert wurde 3 4 , d. h. Wertveränderungen auch am Anlagevermögen außerhalb gewerblicher Aktivitäten bilanziert werden mußten 3 5 . Grundsätzlich wohl zu Recht. Denn natürlich ließ sich nicht übersehen, daß die soeben dargelegte Veränderung des Einkommensbegriffs, d. h. die Entdeckung des Bilanzgewinns als die wohl angemessenste Besteuerungsgrundlage für gewerbliche Einkünfte, keineswegs auf die gewerblichen Körperschaften als solche beschränkt war. Auch nicht-inkorporierte Gesellschaften konnten Einkünfte aus Handel und Gewerbe beziehen. Und schließlich war des Umstandes zu gedenken, daß nicht einmal hinsichtlich der Tarife Abweichungen zwischen natürlichen und juristischen Personen i n Betracht kamen. Gleichgültig i n v/elcher Rechtsform ein Unternehmen organisiert war, immer fanden dieselben progressiven Tarife Anwendung 3 6 . M i t Recht konnte dann aber ζ. B. das preuß. OVG formulieren, „daß unter den Überschüssen i m Sinne des § 16 (preuß. EStG 1891) . . . die Überschüsse der Aktiengesellschaften und sonstigen steuerpflichtigen Gesellschaften... aus den (im Gesetz) genannten Einkommensquellen über die gesetzlich anerkannten Abzüge . . . zu verstehen" seien 37 — wobei inzwischen allerdings akzeptiert war, daß gewisse Einkunftsarten, nämlich die gewerblichen Gewinne, nach anderen Gesichtspunkten, d. h. durch Vermögensvergleich, zu ermitteln waren als gewisse andere, vornehmlich also die aus Kapital- und Grundvermögen, Verpachtungen und Vermietungen sowie aus gewinnbringenden Beschäftigungen (selbständige und unselbständige 38 Arbeit) anfallenden Einkünfte.

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RGZ 32, 244; 46, 262; 50, 97. U n d zwar i m wesentlichen m i t der Aktienrechtsnovelle von 1884 u n d dazu K . Barth, Die Entwicklung des deutschen Bilanzrechts, S. 147 ff. Α. A . aber ζ. B. noch B. Fuisting, Die Einkommensbesteuerung der Erwerbsgesellschaften, DJZ Jg. 7 (1902), 561, 564. 35 Z u m ganzen auch B. Fuisting, D J Z Jg. 7 (1902), S. 561 ff. bes. 563 ff. 36 Vgl. für Preußen etwa § 17 des EStG i n der urspr. Fassung von 1891. Danach begann der T a r i f m i t weniger als 1 Prozent bei 900 - 1050 M a r k (nämlich 6 M) u n d endete bei Einkommen von über 100 000 M a r k m i t einem proportionalen Satz von 4 Prozent pro zusätzlicher Einkommenstufe. I m übrigen vgl. die Nachweise bei L. Blum, Die steuerliche Ausnutzung der Aktiengesellschaften, S. 27 ff. 37 OVG i n Staatssteuersachen Bd. X , 214. 38 Eine Einkommenskategorie, aus der sich — das sei hier n u r am Rande vermerkt — f ü r sog. abhängige Körperschaften später übrigens die Figur der sog. Organschaft entwickelt hat, vgl. etwa die Nachweise bei R. Evers, K o m m , z. K S t G 19252, S. 863 ff. 34

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1. Teil: Entwicklungslinien u n d Tendenzen

Gleichwohl wäre es freilich nicht richtig, über die Entwicklungstendenzen, die sich i m Rahmen der Einkommensermittlung i m Hinblick auf die gewerblichen Einkünfte abzuzeichnen begannen, völlig hinwegzusehen. I n Anbetracht des Umstandes, daß die einkommen-körperschaftsteuerpflichtigen Kapital- und Erwerbsgesellschaften ihrer tatsächlichen Situation nach fast ausschließlich gewerbliche Einkünfte bezogen, war die bloße Aufstellung besonderer Regeln für diese Einkommensart schon ein wichtiger Vorgang. Hatte sich die Körperschaftsteuer nicht schon zu Zeiten der Ertragskörperschaftsteuern an den neuesten Entwicklungen der sich ändernden Besteuerungsmethoden orientiert, und hatte das nicht alsbald zu einem ersten Emanzipationsvorgang bei der werdenden Körperschaftsteuer, nämlich den Übergang zur Einkommenkörperschaftsteuer geführt? Warum sollte sich dieses Ergebnis nicht ein zweites Mal wiederholen? Schließlich brauchte sich die bisherige Sonderbewegung i m Einkommensbegriff nicht auf die gewerblichen Einkünfte als solche zu beschränken. Neben der schon seit den einzelstaatlichen Einkommen-Körperschaftsteuern bestehenden besonderen Abzugsmöglichkeiten für körperschaftliche Aufwendungen, wie sie bei Personenunternehmen nicht i n Betracht kamen 3 9 , standen ja ζ. B. noch Tarifdifferenzierungen zur Verfügung 4 0 und dann, worauf sogleich noch einmal zurückzukommen sein w i r d : vor allem die Möglichkeit einer überhaupt separaten körperschaftsteuerlichen Steuerbasis. 3. Besteuerungsgegenstand und Periodenabgrenzung

Es kann daher nicht weiter verwundern, wenn sich auch von der sog. Periodenabgrenzung her, d. h. der institutionellen Durchbrechung des Prinzips der Jährlichkeit bei der Bemessung gewinnabhängiger Steuern, einige Besonderheiten ankündigten, die auf eine neuerliche demnächstige Sonderentwicklung der Körperschaftsteuer hinwiesen. Nachdem i m Hinblick auf die gewerblichen Einkünfte, die eigentliche Grundlage der Einkommenkörperschaftsteuer also, die Reinvermögenszugangstheorie eingeführt worden war, bestand für flankierende Maßnahmen auf diesem Gebiet freilich auch ein gewisser Zwang. Denn wer nicht nur — wie bisher — Erträge aus gewerblichen Quellen als solche zu versteuern hatte, son-

39 ζ. B. die aus den Überschüssen bewirkten Tantiemezahlungen an die M i t glieder des Aufsichtsrats, Direktoren oder Gesellschaftsbeamten, vgl. A r t . 28 Ziff. 1 a der AusfAnweisung I, abgedr. b. B. Fuisting, Die preuß. direkten Steuern Bd. 1 (EStG), S. 533. 40 Dieser Weg ist auch schon bald eingeschlagen worden, u n d zwar — soweit ersichtlich — erstmalig durch ein (preuß.) G. v. 26. 5.1909, das für 3 Gruppen von Steuerpflichtigen Zuschläge zu den Grundtarifen erhob u n d dabei die Z u schläge für Aktiengesellschaften u n d Kommanditaktiengesellschaften doppelt so hoch bemaß wie bei den natürlichen Personen, vgl. L. Blum, S. 32.

2. Kap. : Die Periode der Einkommen-Körperschaftsteuern

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dern darüber hinaus — jetzt — auch noch die (realisierten 41 ) Wertveränderungen an der Quelle selbst — also etwa die Wertsteigerung eines gewerblich genutzten Grundstücks — versteuern sollte, der mußte angesichts der Progressivität des Einkommensteuersystems fast von selbst auf das Argument stoßen, daß sein i n der Form des Periodengewinns erscheinender Veräußerungsgewinn tatsächlich wohl über mehrere Jahre angewachsen war und daher — eben wegen der Progression — auch billigerweise über mehrere Perioden verteilt werden sollte. Allerdings war diese Problematik 4 2 , i n seiner Grundsubstanz jedenfalls, keineswegs auf den gewerblichen Bereich und dort auch nicht ausschließlich auf die Wertveränderung an der Ertragsbasis selbst beschränkt. Auch bei den gewerblichen Erträgen und anderen Einkunftsarten waren Schwankungen denkbar und i n der Praxis tatsächlich vorhanden. Man braucht nur an die damals weit verbreitete landwirtschaftliche Saisonarbeit oder ähnliche Erscheinungen etwa auf dem Gebiet künstlerischer oder wissenschaftlicher Betätigung zu denken, die weit mehr als heutzutage zu äußerst unregelmäßigen Einkünften führten. I n der ursprünglichen Fassung beispielsweise des preußischen Einkommen-Körperschaftsteuergesetzes fehlten spezielle Periodenabgrenzungsvorschriften ausschließlich zugunsten von Körperschaften denn auch noch weitgehend. Nach § 10 des EStG 1891 wurde lediglich zwischen „feststehenden Einnahmen" und sog. „unbestimmten oder schwankenden Einnahmen" geschieden, welcher letzterer Gruppe allerdings das Einkommen der Aktiengesellschaften usw. ex lege zugerechnet war. M i t h i n kam es — abgesehen von den Einkünften der Aktiengesellschaften usw., die immer als schwankend angesehen wurden — für das Privileg der „Einebnung" exzeptionell unregelmäßiger Einkünfte vorerst auf die tatsächliche Unbestimmtheit i m Fließen der einzelnen Einnahmen an, nicht jedoch auf sonstige, etwa m i t den Einkünften verbundene funktionale Kriterien. Jedoch schon der sog. Verlustausgleich, der nach Art. 5 Ziff. 2 letzter Abs. einer unter dem 24. 6. 1891 ergangenen Ausführungsanweisung zum preuß. EStG 189143 eingeführt worden war und über die bloße Periodenabgrenzung positiver Einkünfte hinausging, machte davon für die Praxis 41 Einen sehr informativen Überblick über die Schwierigkeiten, die es gemacht hat, den sog. Grundsatz der Imparietät durchzusetzen (Gewinnberechnung nach dem Realisationsprinzip — Verlustausweise nach dem Gegenwartswert), vgl. K. Barth, Die E n t w i c k l u n g des deutschen Bilanzwesens, S. 110 ff., 211 ff. 42 zu der, u n d zwar bei den sog. Residualeinkommen, noch der sog. Verlustausgleich hinzutritt, der sich insbesondere i m Anfangstsadium einer Unternehm u n g ergibt, wenn die tatsächlichen Einnahmen noch hinter dem Anfangsaufwand zurückbleiben. 43 G.S. f. d. preuß. Staaten, S. 175, abgedr. auch bei H. V. Simon, Die Staatseinkommensteuer, S. 217 ff., 222.

1. Teil: Entwicklungslinien u n d Tendenzen

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eine Ausnahme. Denn wenn diese A r t der Periodenabgrenzung nunmehr auch negative Einkünfte berücksichtigte, indem „der Verlust eines Jahres von dem Gewinn des anderen Jahres i n Abzug gebracht" werden durfte, so war dieses Verfahren i n seiner praktischen Reichweite auf gewerbliche Gewinne beschränkt. Nur bei dieser Einkommensart konnten i n Folge der Möglichkeit von Investitionen und Abschreibungen rechnerisch ins Gewicht fallende Verluste auftreten. Und anläßlich der preußischen Einkommensteuer-Novelle von 1906 wurde schließlich auch die Periodenabgrenzung von positiven Einkünften entscheidend eingeschränkt: Da, wie es i n den Motiven zu dieser Novelle hieß, Lohnarbeiter, auf Grund von Schätzungen zu veranlagende Landwirte und kleine Gewerbetreibende mangels verläßlicher Aufzeichnungen meist gar nicht i n der Lage seien, ihren schwankenden Jahresverdienst auf einer 3 Jahre umfassenden Basis anzugeben, sei die Durchschnittsrechnung für diesen Personenkreis viel zu umständlich und m i t h i n praktisch meist nicht durchführbar. Die Vorteile der Periodenabgrenzung hätten daher auf buchführende und bilanzierende Steuerpflichtige (i. S. der §§ 38 ff. HGB) — sowie natürlich die körperschaftsteuerpflichtigen juristischen Personen — beschränkt werden müssen 44 . Entsprechend machte die neue Gesetzgebung die gesamte Periodenabgrenzung davon abhängig, daß „Geschäftsgewinn aus Handel, Gewerbe oder Bergbau" erzielt wurde, bzw. daß es sich u m die Veranlagung von körperschaftsteuerpflichtigen Kapital- oder Erwerbsgesellschaften handelte 45 . Damit hatte sich indes auch von der Periodenabgrenzung her diejenige Entwicklungsmöglichkeit durchgesetzt, die weiter oben schon bei der sukzessiven Ausgestaltung der Besteuerungsgrundlage i. e. S. zu beobachten gewesen war. Zwar bestand noch immer insoweit Übereinstimmung zwischen der Einkommen- und Körperschaftsteuer als die i n gleicher Weise für beide Steuerarten i n Betracht kommenden gewerblichen Gewinne i m wesentlichen auch hier übereinstimmend behandelt wurden. Während diese Einkommensart für die Körperschaftsteuer jedoch die tragende Säule darstellte, war das für die Einkommensteuer nicht der Fall. Außerdem galt für die Körperschaftsteuer noch die Besonderheit, daß i m Gegensatz zur Veranlagung der natürlichen Personen von dem Vorliegen einer besonderen Einkunftsart bereits völlig abstrahiert war. § 9 Ziff. 6 des preuß. EStG 1906 verwies i m Gegensatz zu der Regelung bei natürlichen Personen pauschal auf die Veranlagung als solche. Das aber war geradewegs der an Organisationskriterien anknüpfende Ansatz, der hier schon mehrfach als Indiz für eine Sonderentwicklung der Körperschaftsteuer hatte herausgearbeitet werden können. 44

Begründung des G E n t w der EStG Novelle von 1906 zu § 10 (später 9) d. G., vgl. Verh. d. preuß. Abg.H. (1906), Anlagen Bd. I, Drs. 9, S. 81 f. 45 Vgl. § 9 d. G. (früher 10).

2. Kap.: Die Periode der Einkommen-Körperschaftsteuern

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4. Das Doppelbesteuerungsproblem

Wenn eingangs dieses Kapitels gesagt worden ist, daß den einzelstaatlichen Einkommen-Körperschaftsteuern, wie sie i n den letzten Dezennien des vergangenen Jahrhunderts überall i n Deutschland eingeführt worden waren, die eigentliche dogmatische Beeinträchtigung aus der A r t und Weise der Organisation ihrer Besteuerungsgrundlagen drohte, so hat sich diese Prognose somit weitgehend bestätigt. Entsprechend kann es freilich kaum verwundern, wenn schließlich auch das Problem der sog. Doppelbesteuerung des körperschaftlichen „Einkommens" seine ersten Schatten auf die beabsichtigte einkommensteuerliche Struktur der werdenden Körperschaftsteuer geworfen hat. Gewiß, i n der Theorie konnte es keine Zweifel geben, nach welchen Gesichtspunkten die damaligen Körperschaftsteuern angelegt waren. Wenn noch heute — und zwar selbst von finanzwissenschaftlicher Seite 46 — zuweilen behauptet wird, daß man die Körperschaftsteuer als bloße Ergänzungssteuer zur Einkommensteuer, m i t h i n also als eine Personalsteuer und nicht als eine Objektsteuer aufzufassen habe, so war das i n Anbetracht des um die Jahrhundertswende noch extrem individualistisch aufgefaßten Einkommensbegriffs nicht nur ganz herrschende Meinung, sondern zugleich auch weitgehend gerechtfertigt 47 . Gleichwohl war schon damals zu bedenken, daß angesichts der Pauschalität, mit der die Ergänzungsfunktion der Einkommen-Körperschaftsteuern rechtstechnisch durchzusetzen sein würde — an eine konsequente Ausgestaltung der Körperschaftsteuer zur anrechenbaren Vorsteuer, wie das heute etwa von den Teilhabersteuerplänen diskutiert wird, war noch nicht zu denken 48 —, eine völlig nahtlose Einpassungs der Körperschaftsteuer i n das System der Einkomensbesteuerung durchaus illusionär bleiben mußte: Ob man nun eine Teilung der respektiven einkommensteuerlichen Verantwortung entlang der Trennlinie: „Ausschüttungen" — „Einbehaltungen" verfolgte, oder ob man auf die Methode der Einräumung pauschaler Abzüge vom Steuergegenstand entweder bei den natürlichen oder bei den juristischen Personen verfiel — immer blieb i n Anbetracht der progressionsverstärkenden Zusammenfassung von Kapitalrenditen oder Kapitalrücklagen i n der Form von Einbehaltungen ein überschie46 s. insbes. R. Noll ν . der Nahmer, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, Bd. I I , S. 139 ff. 47 So w o h l auch G. Schmölders, Einführung i n die (Betriebsteuer) Gesetzentwürfe, StuW Jg. X X V I (1949), Sp. 976 f. 48 Schon die Eventualität, die Aktionäre usw. hinsichtlich ihrer Einkünfte aus Kapitalvermögen i n der einen oder anderen Weise freizustellen, wurde vielfach — so ζ. B. i n Preußen — verwaltungstechnisch f ü r undurchführbar gehalten, vgl. etwa die Ausf. d. Kommissionsberichts zum E n t w eines preuß. EStG, abgedr. i n Verh. d. preuß. Abg.H. (1890/91), Anlagen Bd. I I , Drs. 75, S. 1251 ff., 1254 f.

4 Rasenack

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1. Teil: Entwicklungslinien u n d Tendenzen

Bender Rest von steuerpflichtiger Leistungsfähigkeit, der bei konsequenter Integration der Körperschaftsteuer i n die Einkommensteuer (Mitunternehmeransatz!) nicht auf getreten wäre. Der i m folgenden kurz skizzierte Überblick w i r d denn auch erbringen, daß das vielfältige Bemühen u m eine konsequent einkommensteuerliche Ausgestaltung der Körperschaftsteuer schon bald zum Scheitern verurteilt war. Nach kurzfristigen Versuchen, die i m Verhältnis des einkommensteuerlichen zum körperschaftsteuerlichen Zugriff mögliche Doppelerfassung derselben Einkünfte völlig auszuschließen, begnügte man sich daher schon bald mit Gestaltungen, die der körperschaftsteuerlichen Besteuerungsgrundlage tatsächlich bereits ein recht ausgeprägtes Eigenleben gestatteten, bis schließlich eine Reihe deutscher Bundesstaaten i m 2. deutschen Kaiserreich überhaupt davon absah, auf die Eventualität der Doppelbesteuerung länger Rücksicht zu nehmen. Die Identitätstheorie der frühen Einkommen-Körperschaftsteuerperiode begann durch I n kongruenzvorstellungen i m Verhältnis der Gesellschaften zu ihren Teilhabern ersetzt zu werden. a) Die Vermeidung der körperschaftsteuerlichen

Doppelbelastung

Zwei Verfahren sind insoweit zur Anwendung gekommen. Einmal handelte es sich u m den Versuch, die Aktiengesellschaften usw. unter Freilassung ihrer Teilhaber zu besteuern, und zum anderen u m das Bemühen, durch eine Teilung des Steuer Objekts nach Gewinnausschüttung und Einbehaltung eine sich gegenseitig ausschließende steuerliche Verantwortlichkeit zu schaffen. Das Kennzeichnende dieser Methoden war m i t h i n die Überlegung, daß sich die Doppelbesteuerung dann vermeiden lassen müsse, wenn auf eine saubere, sich gegenseitig nicht überschneidende Verteilung der respektiven steuerlichen „Verantwortlichkeiten" geachtet wurde. aa) Das erste Verfahren wurde zunächst von Bremen 4 9 , dann von Sachsen-Weimar 50 und schließlich seit 1887 von Hessen praktiziert. Die dort verwandte Regelung soll i m Folgenden modellhaft untersucht werden. Begonnen hatte alles, wie i n den anderen deutschen Bundesstaaten auch. Obwohl sich spätestens um die Wende der ersten Jahrhunderthälfte die i n den aufstrebenden Erwerbsgesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit aufkommende besondere Wirtschaftskraft immer deutlicher 49 U n d zwar schon seit dem EStG v o m 17.12.1874 (GuVOBl. S. 471), vgl. §§ 2 a, 5 Abs. I Z i f f d, abgedr. auch i n F A Jg. 7 I I (1890), S. 595 ff. 50 U n d zwar v o n 1883 - 1897, vgl. G. Schanz, Die Reform der Einkommensteuer i n Sachsen-Weimar, F A Jg. 2 I I (1885), S. 305 ff., 324; L. Blum, Die steuerliche A u s n u t z u n g . . . , S. 72.

2. Kap. : Die Periode der Einkommen-Körperschaftsteuern

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bemerkbar gemacht hatte, beschränkte sich das hessische allgemeine Einkommensteuergesetz von 186951 zunächst noch ganz auf die Erfassung der Steuer kraft der natürlichen Personen. Die bereits existenten Kapitalund Erwerbsgesellschaften waren dagegen von der neuen Steuer verschont geblieben, so daß diese — wie bisher — i m wesentlichen allein eine Gewerbesteuer zu entrichten hatten 5 2 . Unter dem Eindruck der hohen Dividendenausschüttungen i n den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts 53 dehnte dann jedoch das EStG vom 8. 7. 188454 die Einkommensteuerpflicht auf die Aktiengesellschaften und Kommanditaktiengesellschaften aus, und zwar auf der Grundlage der sog. Uberschußrechnung, die bereits i m Vorabschnitt erwähnt worden ist. Freilich wurden dafür i m Gegenzug die Dividendeneinkünfte der jeweiligen Teilhaber von der Einkommensteuer freigestellt 55 . Der Sinn der hessischen Regelung war also offenbar der, die i m Rahmen der Körperschaften erzielten Gewinne streng nach dem Muster einer Quellenbesteuerung (Zahlstellenvorstellung!) zu erfassen. Dennoch — schon dieser wohl radikalste Versuch, die Eventualität einer Doppelbesteuerung der inkorporierten Gesellschaften i m Verhältnis zu ihren Teilhabern i m Keime zu ersticken, war natürlich nur formal eine völlig einwandfreie Lösung. Nicht mehr der vielfach aufgespaltene, beim einzelnen Bezugsberechtigten anfallende Gewinn, sondern bereits der bei den betroffenen Gesellschaften anfallende ungeteilte wirtschaftliche Erfolg unterlag jetzt der Steuerprogression. Die Vorstellung, daß die Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien wegen der durch sie ermöglichten Zusammenfassung von Einzelkapitalien nun einmal eine A r t einheitlicher Leistungsfähigkeit repräsentierten 56 , war nur ein vergleichsweise zweischneidiger Trost. Denn stellte man sich auf den Standpunkt, daß die Einkommensbesteuerung ausschließlich und allein die Leistungsfähigkeit natürlicher Personen zum Gegenstand haben konnte und durfte, mußte man sich fragen, warum dann nicht auch konsequent die individuelle Leistungsfähigkeit eben dieses Personenkreises zum Anknüpfungspunkt gewählt worden war. Je nachdem i n welcher Progressionsstufe sich der einzelne Aktionär usw. hinsichtlich seiner sonstigen Einkünfte befand, wurde er durch die Quellenbesteuerung bei der Gesellschaft entweder begünstigt oder be51

G. Schanz, Die direkten Steuern Hessens, F A Jg. 2 I (1885), S. 251 f. F. Hecht, Die staatliche Besteuerung der Aktiengesellschaften i n Deutschland, F A Jg. 7 I I (1890), S. 92. 53 Dazu G. Schanz, F A Jg. 2 I (1885), S. 321 f. 54 Abgedruckt i n F A Jg. 2 I (1885), S. 382 ff. 55 A r t . 19 d. G. bestimmte nach bremischem Vorbild, daß „die Zinsen u n d Dividenden v o n A k t i e n inländischer Gesellschaften... i n demjenigen V e r hältnis, nach welchem deren Überschüsse bereits der Einkommensteuer unterworfen sind, i n Abzug gebracht" werden durften. 56 Nach G. Schanz, Die direkten Steuern Hessens, F A Jg. 2 I (1885), 323, 326. 52

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1. Teil: Entwicklungslinien und Tendenzen

nachteiligt: Zahlte ein Gesellschafter ohnehin bereits eine höhere progressive Steuer, mochte es sein, daß seine i n der Aktiengesellschaft oder Kommanditaktiengesellschaft verdiente Dividende u. U. günstiger besteuert wurde. Dagegen blieb für die m i t einem niedrigeren Marginaltarif Steuerbaren oder überhaupt Steuerfreien der eventuell höhere Tarif der betroffenen Gesellschaft unabänderlich. Folglich wurde er ggf. höher belastet als es nach seiner individuellen Leistungsfähigkeit an sich zulässig war. I n der Praxis ist daher das von Hessen praktizierte Modell auch nicht weiter richtungweisend geworden. Zwar vermied es die i n der Vorphase der Körperschaftbesteuerung häufig übliche steuerliche Freilassung der einbehaltenen Gewinne. M i t der totalen Nichtberücksichtigung der individuellen Leistungsfähigkeit der Aktionäre usw., schoß es aber offensichtlich über das Ziel hinaus, lediglich die Doppelbesteuerung zu vermeiden: I n irgendeiner Weise widersprach es sich eben, wenn die Steuerleistung des Steuerträgers nicht nach der Leistungsfähigkeit der an den Überschüssen Berechtigten bemessen, andererseits aber die Steuerleistung des Steuerträgers als Leistung der Aktionäre usw. angesehen wurde 5 7 . Ja, genau genommen war sogar der erste Schritt zur Anerkennung einer besonderen körperschaftsteuerlichen Leistungsfähigkeit getan. Denn wenn die i n dem hessischen Einkommen-Körperschaftsteuergesetz anvisierte Gesamtleistungsfähigkeit der Aktiengesellschaften und Kommanditaktiengesellschaften von den summierten Einzelleistungsfähigkeiten der Aktionäre und Kommanditaktionäre nach oben oder unten abweichen konnte, lag tatsächlich bereits so etwas wie eine eigenständige körperschaftsteuerliche Leistungsfähigkeit vor. bb) I n dieser Situation mußte sich die zweite oben angedeutete Methode zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, d. h. die sich ergänzende Aufteilung der steuerlichen Verantwortlichkeit i n bezug auf den Gesamtgewinn, gleichsam als die gebotene Lösung anbieten. Denn während i n der Vorphase der Körperschaftbesteuerung die einbehaltenen Gewinne wegen fehlender Verfügungsgewalt der subjektiv Steuerpflichtigen regelmäßig nicht erfaßt werden konnten, obwohl an ihrer Steuerwürdigkeit kein Zweifel bestehen konnte, und während nach dem Hessischen Modell — zur Vermeidung dieser mißlichen Ergebnisse — nicht einmal mehr die ausgeschütteten Gewinne nach der individuellen Leistungsfähigkeit der Bezieher besteuert wurden, konnte ein Verfahren, das die steuerliche Verantwortlichkeit i n naheliegender Weise entlang der Trennlinie zwischen Ausschüttungen und Einbehaltungen zog, möglicherweise die Vorteile beider bereits erörterten Verfahren vereinen und zugleich deren Nachteile vermeiden. Daher kann es 57 So auch E. Känzig, S. 97 ff.

Die Aktiengesellschaft i m Einkommensteuersystem,

2. Kap. : Die Periode der Einkommen-Körperschaftsteuern

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nicht verwundern, wenn eine derartige, überdies der Gewinnverwendungspraxis folgende Zuteilung von Besteuerungsgrundlagen auch tatsächlich versucht worden ist. Das wenn auch vereinzelte Beispiel gab hier das Einkommensteuergesetz Sachsen-Weimars vom 19. 3. 186958 ab. I n seinem 33 Abs. I I war angeordnet: „(Sparkassen, Banken und Aktieninstitute) bringen die nach ihren jährlichen Rechnungsabschlüssen sich herausstellenden Reinerträge, soweit sie nicht an die einzelnen Mitglieder verteilt werden und sonach von diesen zu versteuern sind, zur Fassion." Damit hatte das kleine sächsische Großherzogtum nicht nur als einer der ersten deutschen Staaten die subjektive Körperschaftssteuerpflicht einiger wichtiger Erwerbsgesellschaften festgelegt, sondern zugleich eine sehr interessante Verteilung der steuerlichen Verantwortlichkeit ersonnen. Gleichwohl konnte auch diese Methode nur bei oberflächlicher Betrachtung überzeugend wirken. Zwar wurden die jeweiligen Teilhaber steuerlich nunmehr genau nach dem erfaßt, was ihnen tatsächlich zufloß; ebenso schienen die betroffenen Gesellschaften jetzt nach einem zutreffenden Maßstab bewertet. Solange man die respektiven Gesellschafter als die vollen wirtschaftlichen Eigentümer der einzelnen inkorporierten Gesellschaften betrachtete, ihre wirkliche Mitunternehmerschaft also nicht i n Zweifel zog, solange konnte auch diese Lösung freilich nur wenig befriedigen. Ja, i m Grunde vereinigte sie sogar die Fragwürdigkeiten sämtlicher bisher i n Vorschlag gebrachter Methoden. War es das grundsätzliche Problem bei der ausschließlichen Besteuerung der Aktionäre usw. gewesen, daß die einbehaltenen Gewinne nicht angemessen berücksichtigt werden konnten, so war eben dieses Problem auch hier keinesfalls gelöst. Zwar blieben diese Bestandteile des Gewinns nunmehr ebenso wie bei dem vorstehend besprochenen Modell von der direkten Personalsteuer nicht mehr unerfaßt. Sofern man indessen die kapital-einlegenden Gesellschafter für die eigentlichen Eigentümer der Gesellschaften hielt, mußte schon die Anordnung einer be schränkten körperschaftlichen Leistungsfähigkeit systemlos erscheinen. Desgleichen war die neuerliche, wenn auch nur teilweise Berücksichtigung der individuellen Leistungsfähigkeit gegenüber ζ. B. dem hessischen Modell sicherlich der wesentliche Vorzug der von Sachsen-Weimar vorgeschlagenen Lösung. Doch prinzipiell lag auch insoweit nur eine Verschiebung der Problemlage vor. Freilich konnte man i m Gegensatz zu der Argumentationsweise bei einer ausschließlichen Besteuerung der Gesellschaften und Freilassung der Gesellschafter nicht mehr auf die grundsätzliche Vernachlässigung der persönlichen Verhältnisse der Gesellschafter verweisen. Warum aber wiederum nur eine begrenzte 58

Abgedruckt i n F A Jg. 2 I I (1885), S. 344 ff., 366.

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1. Teil: Entwicklungslinien u n d Tendenzen

steuerliche Verantwortlichkeit gelten sollte, blieb für den die Mitunternehmerschaft der Gesellschafter i n den Vordergrund rückenden Ansatz ebenso ungeklärt wie i n Hinblick auf die parallele Besteuerung der Einzelunternehmen und Personalgesellschaften ohne Vorbild. Gerade deswegen konnte aber auch diese zweite Alternative zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung letztlich nur unbefriedigend bleiben. Ebenso wie bei den bisher geschilderten Besteuerungsmethoden lag das daran, daß sich das Postulat vom wirtschaftlichen Eigentum der Teilhaber, ihr Unternehmeranspruch also, eben nicht mit der A r t und Weise vereinbaren ließ, i n der die persönliche Leistungsfähigkeit der mitgliedschaftlich verbundenen Teilhaber ins Spiel gebracht wurde. Freilich konnte man nicht — wie es vor Einführung der Einkommen-Körperschaftsteuern die Regel war — den einbehaltenen Gewinn einfach unberücksichtigt sein lassen. Insoweit war die Rücksichtnahme auf das Prinzip streng personenbezogener Leistungsfähigkeiten sicherlich ad absurdum geführt 5 9 . Wenn man aber, wie es nun besonders i n Hessen geschehen war, die wegen der Progression der Tarife eintretende verhältnismäßige höhere Besteuerung der Körperschaften erst einmal akzeptiert hatte (für welchen Teil des Gewinns auch immer!), konnte man schlecht auf der Überzeugung verharren, daß hier i n Wahrheit nur die Leistungsfähigkeiten individueller Teilhaber abgegolten wurde. Tat man es gleichwohl, war für dogmatisch saubere Lösungen — wie dargelegt — jedenfalls kein Raum mehr. b) Die Milderung

der körperschaftsteuerlichen

Doppelbelastung

Nicht ohne Grund hat sich daher die zweite, zahlenmäßig überwiegende Gruppe von einzelstaatlichen Einkommensteuergesetzen auch nicht länger darum bemüht, die durch die Erhebung der gewerblichen Körperschaften zu selbständigen Steuersubjekten drohenden Überschneidungen i n der Besteuerung noch grundsätzlich zu bekämpfen. Vielmehr verlegte man sich — i n immer deutlicherer Ahnung, daß u m eine selbständige Besteuerung der Körperschaften doch nicht herumzukommen sei, und i n der gleichzeitigen Uberzeugung, daß es für eine solche A r t der Besteuerung möglicherweise einige gute Gründe gebe — zunehmend darauf, nur noch eine mehr oder weniger weitgehende Milderung dieser Erscheinung zu versuchen. Rechtstechnisch geschah das wiederum i m Rahmen von zwei Methoden. Nach der ersten Methode gewährte man sog. pauschale Abzüge, und zwar entweder vom zu versteuernden Gewinn der Gesellschaften 59 Insbesondere wegen der offenkundigen Einladung zur steuervermeidenden Gewinnthesaurierung.

2. Kap. : Die Periode der Einkommen-Körperschaftsteuern

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oder vom zu versteuernden Einkommen der beteiligten natürlichen Personen. Nach der zweiten Methode wurden dagegen die i n Betracht kommenden Besteuerungsgrundlagen nach Belieben festgelegt. aa) Das herausragende Beispiel für die erste Alternative, die Abzugsmethode, bildete das preußische Staatseinkommensteuergesetz vom 24. 6. 1891, das i m Anschluß an ein früheres Vorgehen Badens 60 erging, selbst aber schon die späte Frucht eines überaus langen gesetzgeberischen Prozesses 61 war. Gleichwohl erstreckten sich die Beratungen der beiden gesetzgebenden Organe, d. h. des Abgeordnetenhauses und des Herrenhauses, noch einmal über fast 7 Monate 62 . Nicht von ungefähr nahm dabei die Diskussion des Problems der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung des körperschaftlichen Gewinns besonders breiten Raum ein. I m Falle Preußens bestand dafür auch ein besonderer Grund. Wie wohl kaum zuvor i n einem der deutschen Bundesländer war schon der Regierungsentwurf selbst klar von der Gegebenheit und auch Wünschbarkeit einer Höherbelastung des körperschaftlichen Einkommens ausgegangen 63 . Entsprechend erfolgten noch bis i n die 3. Lesung Vorstöße, die darauf hinausliefen, die Eventualität von Doppelbelastungen i m Verhältnis zwischen Gesellschaften und Gesellschaftern möglichst durchschlagend zu unterbinden. Deutlich versuchte man hierbei, sich auf bereits anderweitig i m Kampf gegen die Doppelbesteuerung erprobte Verfahren zu stützen: So schlug man ζ. B. vor, die i n Betracht kommenden Körperschaften zwar nach Hessischem Vorbild voll zur Einkommensteuer heranzuziehen, dafür aber die Aktionäre i n der einen oder anderen Form zu befreien, oder man zog eine gesonderte Besteuerung der Erwerbsgesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit i n der Weise i n Erwägung, daß man lediglich den einbehaltenen Gewinn als Besteuerungsgrundlage gelten lassen wollte, während die Teilhaber für ihre Bezugsrechte (den ausgeschütteten Gewinn) verantwortlich geblieben wären 6 4 . Das wäre die von 1869 - 1883 i n Sachsen-Weimar geltende Regelung gewesen. 60 v gL jr. Hecht, Die staatliche Besteuerung, F A Jg. 7 I I (1890), S. 80 ff.; sowie L. Blum, Die steuerliche Ausnutzung, S. 51 ff. 61 Schon 1883 hatten Einkommensteuerentwürfe vorgelegen, die jedoch gescheitert waren, vgl. A. Wagner, Die Reform der direkten Staatsbesteuerung, F A Jg. 8 I I (1891), bes. S. 84 ff. 62 s. die Zusammenstellung bei A. Wagner, S. 155 ff. 63 w e n n auch der Abzug einer „Normaldividende" i n Höhe von — ursprünglich — 3 °/o schon i m RegEntw (vgl. Verh. d. preuß. Abg.H. 1890/91, Anlagen Bd. 1, Drs. Nr. 5, S. 201 ff.) enthalten war. Z u den regierungsseitig vorgebrachten Argumenten zugunsten einer i m übrigen selbständigen Besteuerung der nicht-natürlichen Personen, vgl. zusammenfassend A. Wagner, S. 182 ff. 64 s. dazu die Zusammenstellungen i m Bericht der zuständigen Parlamentskommission, Verh. d. preuß. Abg.H., 1890/91, Anlagen Bd. 2, S. 1254 ff., erörtert auch bei A. Wagner, S. 196 ff. u n d bei H. V. Simon, Die Staatseinkommensteuer, S. 8.

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1. Teil: Entwicklungslinien u n d Tendenzen

I n Übereinstimmung m i t den oben angestellten Erwägungen verfielen jedoch beide Vorstöße zugunsten einer weitergehenden Vermeidung der Doppelbesteuerung der Ablehnung. Die mangelnde Folgerichtigkeit dieser Lösungsversuche und schließlich die Manipulierbarkeit der bisherigen gesetzlichen Regelungen durch die Steuerpflichtigen waren inzwischen offenbar allgemein gesehen worden. Zum Zuge kam daher eine als Kompromiß deklarierte Lösung, von der zwar einerseits bekannt war, daß sie die wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht beseitigen konnte, von der man jedoch ebenso sicher annehmen konnte, daß sie diesen Effekt jedenfalls i n der einen oder anderen Weise abschwächen würde. Gesetzestechnisch sah das so aus, daß sowohl die inkorporierten Gesellschaften als auch ihre jeweiligen Teilhaber zunächst voll für die ihnen zufließenden Wertsummen, die Gesellschaften also — wie schon dargelegt wurde — für die gesamten Überschüsse (das „Einkommen") und die Bezugsberechtigten für die jeweiligen Ausschüttungen, herangezogen wurden, daß dann aber den Gesellschaften vor Berechnung der konkreten Steuerschuld ein Abzug i n Höhe von 3 1/2 Prozent des Aktienkapitals bzw. der Summe der Geschäftsanteile zugebilligt wurde. I m Grunde schien sich das preußische Modell m i t h i n nur unwesentlich von früheren Vorbildern, beispielsweise also dem Modell wie es von Sachsen-Weimar eine zeitlang praktiziert worden war, zu entfernen. Bei einem groben Überschlag der Auswirkungen des pauschalierten Abzugs auf die jeweilige Steuerlast konnte man ohne weiteres zu der Überzeugung gelangen, daß der 3 1/2 °/oige Abzug auf das Eigenkapital i m Ergebnis wie eine Beschränkung der gesellschaftlichen Steuerpflicht auf den einbehaltenen Gewinn wirken konnte. Wurde i m konkreten Fall ζ. B. genau 3 1/2 °/o Rendite ausgeschüttet, mußte die Parallele sogar glatt aufgehen: Die Teilhaber zahlten Einkommensteuer für ihre realisierten Bezugsrechte; die Gesellschaften rechneten, soweit vorhanden, nach dem einbehaltenen Gewinn ab. Bei genauerem Zusehen ergibt sich indessen, daß die Steuerverteilung, die der preußischen Einkommen-Körperschaftsteuer zugrunde lag, jedoch nur entfernt etwas mit dem zuvor Besprochenen von SachsenWeimar zu t u n hatte. Denn während hier die Körperschaftsteuer auf Grund der Formel „ K S t = Gewinn — Ausschüttung" eindeutig als eine Steuer auf die Gewinnthesaurierungen angelegt w a r 6 4 a , lag das Wesen der preußischen Einkommen-Körperschaftsteuer mehr i n der A r t einer Übergewinnsteuer: A u f Grund der Gleichung: „ K S t = Gewinn — Pauschale" wurde die Körperschafts teuer schon fällig, wenn gewisse Grunde4 a Die Ausschüttungen mußten kleiner als der Gesamtgewinn sein, zu einer körperschaftsteuerlichen Verpflichtung konnte es also n u r bei sog. Gewinnthesaurierungen kommen.

2. Kap. : Die Periode der Einkommen-Körperschaftsteuern

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gewinne, nämlich der feste Satz von 3 1/2 °/o auf das angelegte Kapital, überschritten worden waren. Ob diese Mehrerträge alsdann voll oder zum Teil, bzw. gar nicht ausgeschüttet wurden, war zwar nicht ganz bedeutungslos — jedoch nicht für die Körperschaftsteuer, sondern allein für die einkommensteuerliche Verpflichtung der diese Ausschüttungen empfangenden natürlichen Personen 65 . Entgegengesetzt zu der Regelung i n Sachsen-Weimar konnte daher eine Körperschaftsteuerverpflichtung auch gegeben sein, wenn alles ausgeschüttet wurde, vorausgesetzt, daß mehr als 3 1/2 % Rendite auf das Eigenkapital erzielt worden waren. Umgekehrt konnte der Steuer auch ganz ausgewichen werden. Dazu war es lediglich erforderlich, daß die erzielten Gewinne einbehalten wurden (damit entfiel die Einkommensteuer) und daß diese Einbehaltungen i m Verhältnis zum Grundkapital unterdurchschnittlich waren, d. h. unter dem Freisatz von 3 1/2 °/o lagen. M i t h i n ging das preußische Modell bei hohen Gewinnen von der Möglichkeit einer Doppelbesteuerung aus (vorausgesetzt allerdings, daß es zu Ausschüttungen kam), bei niedrigen hingegen nicht; und bei unterdurchschnittlichen Gewinnen konnte es — sofern diese einbehalten wurden — sogar zu echten Bevorzugungen gegenüber den Personenunternehmungen kommen. Fragt man nach den Gründen für diese, i n ihren Auswirkungen keineswegs ohne weiteres ersichtliche Gestaltung, so scheint noch immer die schon von H. Teschemacher erwogene Vermutung, der Gesetzgeber habe eine Unterscheidung zwischen bloßem Kapitalbeitrag und darüber hinausgehenden unternehmerischen Engagements anvisiert 6 6 , die beste Erklärung zu liefern. I n der Tat: erkennt man, daß sich der pauschale Abzug auf das Grundkapital etc. für die Kapital- und Erwerbsgesellschaften wie die Anerkennung eines bilanzmäßigen Aufwandpostens für den Faktor Eigenkapital auswirken konnte, soweit dieser nämlich nur die landesübliche Kapitalverzinsung entgegennahm 67 , so deutete alles darauf hin, daß der Gesetzgeber i m Grunde auf die folgende Verteilung hinsichtlich der steuerlichen Verantwortung hinaus wollte: Heranziehung der Kapitaleinleger für den Normalertrag auf ihre Kapitaleinlage, nämlich den Kapitalzins^ 8 ; Heranziehung der Gesellschaften dagegen für den Übergewinn, das Residuum, d. h. den über die Kapitalverzinsung hinausgehenden Unternehmensertrag als solchen. Freilich setzte das immer voraus, daß auch entsprechend der gesetzlichen Pau65

deren progressive Steuerlast m i t steigenden Ausschüttungen zunahm. Die Einkommensteuer, HdBdFinWiss 1 , S. 72 f. Α. A. freilich ohne dafür eine überzeugende Erklärung zu liefern, E. Känzig, Die Aktiengesellschaft i m Einkommensteuersystem, S. 85. 67 Z u den Auseinandersetzungen, welcher Zinsfuß als landesübliche Rendite f ü r sichere Geldanlagen schlechthin, also auch f ü r andere Vermögenstitel als die Aktie, vorzunehmen sei, vgl. auch A. Wagner, S. 195. 68 Soweit dieser (ausgeschüttete) Normalertrag m i t der landesüblichen V e r zinsung sonstiger Kapitalanlagen übereinstimmte, wurden Besitztitelinhaber u n d Inhaber v o n Schuldverschreibungen u. dgl. also völlig gleich behandelt. 66

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1. T e i : Entwicklungslinien u n d Tendenzen

schale von 3 1/2 Prozent ausgeschüttet wurde. Denn wurde mehr ausgeschüttet, konnte es zu Doppelzuständigkeiten kommen: Der Teihlaber zahlte nicht nur Steuern für die Normalverzinsung (seines Eigenkapitals), sondern auch noch für den „mitausgeschütteten" Unternehmerlohn. Geradewegs das mußte aber auch die ausschüttende Kapitalgesellschaft machen — da sich ihre Steuerlast immer nur u m die Pauschale für das Eigenkapital, jedoch nicht durch etwaige Ausschüttungen verminderte. Wurde dagegen weniger ausgeschüttet (trotz Vorhandenseins von Unternehmergewinn) konnten die Teilhaber der Versteuerung ihres Kapitalzinses ausweichen; und bei der Einbehaltung von Kapitalzinsen( Erzielung unterdurchschnittlicher Gewinne) gab es sogar eine Prämie darauf: Jetzt wurden überhaupt keine Steuern fällig. A l l das änderte jedoch i m Hinblick auf die Besonderheit des theoretischen Ansatzes nichts. Denn während die Kapital- und Erwerbsgesellschaften z. B. i n Sachsen-Weimar einer eigenen steuerlichen Verantwortlichkeit immer ausweichen konnten (sie brauchten lediglich voll auszuschütten), war das nach preußischem Muster nur bei unterdurchschnittlichen Gewinnen möglich. Wurde die Grenze von 3 1/2 Prozent auf das Grundkapital etc. überschritten, war immer eine besondere Einkommen-Körperschaftsteuer fällig. Infolgedessen konnte auch nach dem preußischen System durchaus eine Doppelbesteuerung eintreten — nämlich dann, wenn Übergewinne (echte Unternehmergewinne) erzielt worden waren und diese zugleich ganz oder teilweise i n die Hände der Teilhaber gerieten. Ist das aber richtig beobachtet, w i r d man konstatieren können, daß die latenten Verselbständigungstendenzen i m Einkommen-Körperschaftsteuersystem erneut ein gutes Stück weitergekommen waren. Während die bisherigen Modelle immer nur zu einer besonderen, d. h. ungeteilten Erfassung des körperschaftlichen Gewinns oder doch von Teilen dieses Gewinns hatten gelangen können, ohne konkrete Gewinnanteile mehrfach zu treffen, eröffnete das preußische System nunmehr auch diese Eventualität. Entsprechend mußte es zu den ersten ernst gemeinten Rechtfertigungsversuchen für diese Erscheinung kommen, die — wenn sie das besondere Verhältnis der Eigentümermitglieder zu ihren Gesellschaften auch nicht weiter i n Frage stellten (obwohl dies wegen der eigenartigen Ausrichtung der preußischen Einkommenkörperschaftsteuer auf den Unternehmensgewinn i. e. S. eigentlich naheliegend gewesen wäre) — so doch immer deutlicher auf die Annahme einer eigenen Leistungsfähigkeit der betroffenen Unternehmungen abzielten 69 : Die Theorie vom Unternehmen an sich zeichnete sich ab. 69 So wurde auf die wirtschaftliche Einheit hingewiesen, die insbes. die Aktiengesellschaften n u n einmal darstellten, dann den Vorteil der körperschaftlichen Verfassung als solchen u n d schließlich die „erhöhte" Rentabilität größerer Kapitalzusammenballungen überhaupt, vgl. Verh. d. AbgeoHauses, 1890/91, Anlagen Bd. I I , Drs. 75,1254.

2. Kap.: Die Periode der Einkommen-Körperschaftsteuern

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Gleichwohl war die von der preußischen Einkommensteuer aus dem Jahre 1891 (1906) vorgeschlagenen Lösung natürlich wieder nur der Idee nach ein gutes Konzept. Abgesehen von Manipulationsmöglichkeiten, die auch hier gegeben waren, und so sehr auch der A r t und Weise zugestimmt werden mochte, i n der man sich bemüht hatte, einen Teil der Ausschüttungen von der Doppelbesteuerung zu befreien, so sehr mußte doch auffallen, wie wenig Verläßliches man i m Grunde über den hier verwandten Satz der Normalverzinsung auszusagen wußte. Nicht nur die unterschiedlichen Prozentsätze, die anläßlich der preußischen Einkommensteuerreform von 1891 ins Spiel kamen 7 0 , werfen ein bezeichnendes Licht auf die allgemeine Unsicherheit. Vielmehr zeigen auch die Einkommensteuergesetze anderer Bundesstaaten, die i m Gefolge des preußischen Modells ergingen bzw. von diesem Modell aufgegriffen worden waren, wie schwer es war, hier die geeigneten Richtwerte zu gewinnen. So gewährten zwar die Einkommensteuergesetze von LippeDetmold (1894)71, Braunschweig (1896)72 und Schaumburg-Lippe (1901)73 übereinstimmend m i t dem preußischen Gesetz ebenfalls einen Abzug i n Höhe von 3 1/2 °/o des Eigenkapitals. Doch Baden (1884)74 und Württemberg (1903)75 ließen nur einen Abzug i n Höhe von 3 °/o zu und Bayern (1912)76 sogar nur einen i n Höhe von 2 °/o. Lediglich Sachsen-Gotha (1902)77 ging m i t 3 3/4 °/o über das preußische Vorbild hinaus. M i t h i n stand auch das hier vorgeführte Modell keineswegs auf sehr solidem Boden. Sollte es nicht gelingen, für die Festsetzung der Normaldividende einen rationaleren Maßstab als das gesetzgeberische Ermessen zu finden, mußte man gewärtigen, daß diese Methode zur Milderung der Doppelbelastung i m Verhältnis der Gesellschaften zu ihren Kapitalgebern ggf. ebenso verworfen werden würde wie alle anderen bislang praktizierten Verfahren — freilich kaum noch einmal zugunsten einer für die Aktionäre usw. vorteilhafteren Regelung: Zumindest auf lange Sicht lief die hier vorgeführte Entwicklung des körperschaftsteuerlichen Besteuerungsgegenstandes grundsätzlich auf eine Erweiterung der Besteuerungsgrundlage für die Gesellschaften oder aber eine zunehmende 70 Die Regierungsvorlage hatte 3 Prozent vorgesehen. Während der Verhandlungen waren 4 Prozent gefordert worden. Zusammen m i t einer Tariferhöhung f ü r „Spitzenverdiener" hat m a n sich dann auf 3 1/2 Prozent geeinigt. 71 L. Blum, Die steuerliche Ausnutzung der Aktiengesellschaften, S. 58 f. m. w. Nachw. 72 L. Blum, S. 56 f. m. w. Nachw. 73 Dito, S. 59 m. w . Nachw. 74 Vgl. G. v. 20. 6.1884, abgedruckt i n F A Jg. 3 I I (1886), S. 361. s. auch F. Hecht, Die staatl. Besteuerung, F A Jg. 7 I I (1890), S. 80 ff. m. w . Nachw. 75 W ü r t t . Reg.Bl. S. 261, abgedruckt auch i n Verh. d. preuß. Abg.H. 1906, A n lagen Bd. 1,S. 113 f. 76 GuVBl., 1910, S. 493 ff. u n d dazu L. Blum, S. 83 ff. 77 s. L. Blum, S. 57 f. m. w. Nachw.

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1. T e i : Entwicklungslinien u n d Tendenzen

Flankierung der Steuerpflicht der Körperschaften durch die Steuerpflicht der mitgliedschaftlich verbundenen natürlichen Personen hinaus. bb) Schon anläßlich des Alternativmodells zur badisch/preußischen Regelung, nämlich der Ersetzung des Normaldividendenabzugs bei den Körperschaften durch ein entsprechendes Verfahren bei den beteiligten natürlichen Personen, d. h. also bei der Umkehrung der beschränkten Besteuerung der Körperschaften i. V. m. der unbeschränkten Besteuerung der Teilhaber zu einem System der unbeschränkten Besteuerung der Körperschaften i. V. m. einer beschränkten Besteuerung der Teilhaber, ließ sich das recht deutlich beobachten: Denn einerseits ließ sich — wie z. B. i n Oldenburg, das ein derartiges Verfahren mit einem Abzug i n Höhe von 3 Prozent auf den Nennwert der Beteiligung beim einzelnen Aktionär usw. zuließ 78 — das völlig beziehungslose Nebeneinander von Einkommen- und Körperschaftsteuer schon nur noch dadurch ausräumen, daß der Regierung — gewissermaßen i n Kompensation für den Verzicht auf die volle Doppelbesteuerung — eine zusätzliche, u m 1 Prozent über den Spitzensatz hinausgehende Tarifzone angeboten werden mußte 7 9 . Andererseits bedeutete die Einführung des Pauschalabzugs bei den natürlichen Personen anstelle des Pauschalabzugs bei den Körperschaften, daß sich das Schwergewicht des steuerlichen Zugriffs offensichtlich immer klarer auf die inkorporierten Gesellschaften selbst verlagerte. Gewiß, auch bei diesem Verfahren der einkommensteuerlichen Kompensation für die Eventualität einer Doppelbesteuerung war noch immer dafür Sorge getragen, daß die bloße Verzinsung des Eigenkapitals ggf. nur einmal von der Steuer belastet wurde (nämlich bei den Körperschaften). Während bei der beschränkten Besteuerung der Aktiengesellschaften usw. dieses Resultat jedoch durch einen Pauschalabzug vom ungeteilten Geschäftsgewinn herbeigeführt wurde, konnte es bei dem System der unbeschränkten Einkommen-Körperschaftsteuerpflicht nur noch dazu kommen, daß anteilige Abzüge bei der einkommensteuerlichen Veranlagung der beteiligten Gesellschafter zugelassen werden. Der Unterschied liegt auf der Hand: Da bei progressiven Steuersätzen, wie sie auch i n Oldenburg zur Awendung kamen, ein großer Freibetrag notwendigerweise zu höheren Steuerersparnissen als ein rechnerisch gleich großer, jedoch unter mehrere Steuerpflichtige verteilter führt, war es offenkundig, daß von dem wegen Inkorporation sowohl einkommen- als auch einkommenkörperschaftsteuerpflichtigen Kapital ins78 Vgl. A r t . 7 Ziff. 4 Abs. 4 des oldenburgischen EStG v. 1864 i. d. F. v o m 11. 3. 1891, abgedr. i n F A Jg. 8 I (1891), S. 287 ff. E i n ähnliches Verfahren galt i n Bremen seit dem EStG v o m 27 7.1900, vgl. § 2 und die Anlage Β Ziff. 2 dieses Gesetzes, abgedruckt u. a. i n Verh. d. preuß. Abg.H. 1900, Anlagen Bd. 1, S. 108. 79 Einkommensteuergesetzgebung i n Oldenburg (anonym), F A Jg. 8 I, S. 255 f.

2. Kap. : D e Periode der E k o m m e n - K ö r p e r s c h a f t s t e u e r n

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gesamt erneut ein höherer Steuerfreibetrag eingefordert wurde als das bisher üblich gewesen w a r 7 9 a . W i r d man dann aber nicht annehmen müssen, daß der Kampf um die Vermeidung der Doppelbesteuerung, der Vorbelastung der körperschaftlichen Gewinne also, schon viel schlechter stand, als es die bloßen Gesetzestexte vielleicht vermuten ließen? War die Pauschalierung zur teilweisen Vermeidung der Doppelbesteuerung i n Oldenburg nur noch um den Preis einer insgesamt höheren Besteuerung eines Teils eben der von der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung bedrohten besonderen Gewinne zu erreichen gewesen, läßt sich außerdem schon einigermaßen ausmalen, welchen weiteren Verlauf die Dinge nunmehr aller Wahrscheinlichkeit nach nehmen würden. Fast zwangsläufig mußte jetzt jeder neue steuerliche Griff auf das korporative „Sozialprodukt" und seine einzelnen Bestandteile die Opportunität der Abzugsfähigkeit einer sog. Normaldividende überhaupt zum Gegenstand der Diskussion machen. Nicht nur konnte man darauf hinweisen, daß die Unterscheidung zwischen „einfach" zu belastender Normal Verzinsung (Kapitalverzinsung i. e. S.) und „höher" zu besteuernden Übergewinnen (Profit i. e. S.) allenfalls theoretisch zu rechtfertigen war. Vielmehr mußte die Freilassung bestimmter Gewinnbestandteile — und zwar entweder unter dem Gesichtspunkt des Steuerbelastungsvergleichs der einzelnen Unternehmensformen oder unter dem Aspekt des Vergleichs der steuerlichen Belastung der tatsächlich zugeflossenen Renditen aus Kapitalvermögen — i m Grunde wie eine nicht ohne weiteres einsichtige Privilegierung wirken. Tendenziell lief dann aber alles darauf hinaus, sich bei der Bestimmung der wechselseitigen steuerlichen Verantwortlichkeiten einfach an dasjenige zu halten, was jeweils tatsächlich anfiel. cc) So kann es nicht verwundern, wenn die letzte der hier zu besprechenden einschränkenden Methoden auch bereits ganz davon absah, noch abstrakt-theoretisch an das Problem der Doppelbesteuerung heranzugehen. Die Milderung der auftretenden Doppelbelastung wurde vielmehr nur noch beiläufig und ohne jeglichen Anspruch auf systematischdogmatische Folgerichtigkeit durchgeführt. Ganz nach Gusto und infolgedessen auch ohne nähere Begründung beschränkte man sich einfach darauf, einzelne Bestandteile des körperschaftlichen Gewinns als solche, und zwar i. d. R. irgendwelche Gewinnverwendungen von der Einkommensteuer auszunehmen. Ein gutes Beispiel für diese Richtung gab bereits die sächsische Einkommensteuergesetzgebung ab. Nachdem schon 1878 unter gleichzeitiger voller Einkommenbesteuerung der Aktionäre usw. die Besteuerungs79a jedenfalls i m typischen Fall, i n dem sich die Gesellschaftsteilhaber i n einer niedrigeren Progressionsstufe als die Gesellschaft i m Hinblick auf den u n geteilten Rohgewinn befanden.

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i i e n u n d Tendenzen

grundlage der Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften denkbar weit gezogen worden w a r 8 0 , erfolgte durch das Einkommensteuergesetz vom 24. 7. 1900 und 2. 7. 1902 zwar zunächst wieder eine Verengung des Steuergegenstandes. I m Gegensatz zur früheren Regelung, die grundsätzlich die gesamten erzielten Überschüsse erfaßt hatte, waren die mit dem Recht des Vermögenserwerbs ausgestatteten Personenvereine (also die Aktiengesellschaften usw.) jetzt nur noch hinsichtlich der i m Durchschnitt der letzten drei Jahre verteilten Überschüsse steuerbar. Der einbehaltene Gewinn, d. h. insbesondere die zur Schuldentilgung und -Verzinsung und zur Einstellung i n die Rücklagen verwandten Summen, blieben somit außer Ansatz 81 . Doch war diese Begünstigung der Gewinneinbehaltungen, die man nicht notwendig als eine Berücksichtigung des Doppelbesteuerungsproblems, sondern ebenso gut als eine späte Reverenz an die Quellentheorie bzw. als eine frühe w i r t schaftspolitische Maßnahme zur Konsolidierung der Kapital- und Erwerbsgesellschaften interpretieren konnte, m i t einer allgemeinen Tarifanhebung verbunden 8 2 ; und schon m i t einer Einkommensteuernovelle vom 15. 6. 190883 kam es zu einer teilweisen Rückgängigmachung der 1900/1902 gewährten Vergünstigungen: Die verteilten Gewinne wurden um die an die Inhaber von Genußscheinen verteilten Beträge erweitert — ein Rechnungsposten, der andernorts, wie ζ. B. i n Preußen, klar zu den Betriebsausgaben gezählt wurde, falls es sich nicht um Ausschüttungen auf Mitgliederrechte handelte 84 . Ganz ähnlich, rein nach Billigkeitsvorstellungen oder Zweckmäßigkeitserwägungen, wurde das Doppelbesteuerungsproblem schließlich noch i n Sachsen-Coburg, Schwarzburg-Sondershausen und den beiden Reuß'schen Staaten gelöst. Jeder der vier Kleinstaaten wählte die ausgeschütteten Überschüsse zur grundsätzlichen Besteuerungsgrundlage. Jedoch nur Sachsen-Coburg ließ es dabei bewenden 85 . SchwarzburgSondershausen erfaßte dagegen noch die zur Bildung des Reservefonds verwendeten Gewinne, sobald dieser Fonds i n seiner gesetzlich vor80 § 4 Ziff. 2 des EStG v. 2. 7.1878 erfaßte ganz ähnlich w i e die preuß. E r tragskörperschaf tssteuern diejenigen Überschüsse v o n Aktiengesellschaften u n d Kommanditaktiengesellschaften, welche als Aktienzinsen usw. unter die Mitglieder verteilt oder zur Bildung von Reservefonds oder zur Schuldentilgung verwendet worden waren, vgl. dazu auch F. Hecht, Die staatliche Besteuerung, F A Jg. 7 I I (1890), S. 96 f. 81 Vgl. § 4 des G. v. 24. 7.1900 m i t späteren Änderungen, abgedruckt i n Verh. d. preuß. Abg.H. 1906, Anlagen Bd. 1, S. 111, sowie D. Feitelberg, Die E i n k o m menbesteuerung nichtphysischer Personen, S. 116. 82 G. Schanz, Die sächsische Steuerreform v o m Jahre 1902, F A Jg. 20 I , S.234 f f 83 * Abgedruckt i n F A Jg. 34 I (1917), S. 295 f. 84 Vgl. B. Fuisting, Die preuß. direkten Steuern (1. Bd.: EStG) 7 , S. 287 ( A 1 1 F zu § 15). 85 s.D. Feitelberg, S. 116.

2. Kap.: Die Periode der E k o m m e n - K ö r p e r s c h a f t s t e u e r n

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geschriebenen Höhe aufgefüllt war , und die beiden Reuß'schen Staaten zogen auch die zur Bildung der Reservefonds und zur Schuldentilgung verwandten Summen heran, so daß lediglich die zur Verbesserung und Erweiterung des Betriebes verausgabten Gewinne frei blieben 8 7 . Auch i m Hinblick auf diese dritte Methode der Herstellung eines Ausgleichs für die gleichzeitige Besteuerung von Gesellschaften und Gesellschaftern war die Vorstellung vom Durchlaufcharakter der körperschaftlichen Gewinne also bereits i n wesentlichen Teilen aufgegeben. Die Ausgestaltung der körperschaftlichen Steuerpflicht zu einer Ausschüttungssteuer konnte das Wesen der Doppelbesteuerung kaum sinnfälliger verdeutlichen. Zudem ließ aber auch dieser Lösungsversuch, und zwar wiederum durch die A r t und Weise der jeweiligen Freistellungen, Steuerreserven sichtbar werden, die das Zugreifen des Fiskus geradezu herausfordern mußten. Das Beispiel Sachsens hatte für ein solches Vorgehen bereits das Anschauungsmaterial geliefert. Hatte eine solche Praxis aber erst einmal Schule gemacht, so stand der völlig autonomen Besteuerung der Aktiengesellschaften usw. immer weniger i m Wege. c) Die Akzeptierung

der körperschaftsteuerlichen

Doppelbelastung

Tatsächlich sind einige der deutschen bundesstaatlichen Gesetzgeber i n der Folgezeit denn auch geradewegs i n diese Richtung weitergegangen. Den Anfang machte, soweit ersichtlich, die Hansestadt Hamburg, und zwar schon 1881 als eine bereits i m Jahre 1866 eingeführte allgemeine Einkommensteuer auf die Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und eingetragenen Genossenschaften ausgedehnt und diese zusammen m i t ihren Teilhabern entsprechend § 4 d. G. nach dem sog. reinen Einkommen veranlagt wurden 8 8 . Diese Technik entsprach grundsätzlich dem Vorgehen, mit dem auch andere Bundesstaaten das Problem der beginnenden Körperschaftsbesteuerung juristischer Personen zu lösen versucht hatten. Der Unterschied lag jedoch darin, daß man es i m Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Ländern, welche sich darum bemüht hatten, die mit diesem Ansatz drohende zweifache Erfassung der gesellschaftlichen Gewinne möglichst zu vermeiden, einfach bei den Konsequenzen dieser Sachlage beließ. Weder war den Aktionären usw. ein Abschlag von ihren Einkünften aus Kapitalvermögen erlaubt, noch konnten die steuerpflichtigen Gesellschaften irgendeinen Abzug für den ausgeschütteten Gewinn anbringen: Hinsichtlich der Gesellschafter ergab sich das aus dem Fehlen 86 87 88

L. Blum, Die steuerliche Ausnutzung, S. 64. D. Feitelberg, S. 116; L . Blum, S. 65. G. v. 7. 3.1881, abgedruckt i n F A Jg. 7 I I (1890), S. 203 ff.

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1. T i l : E n t w i c k l u n g s l i i e n u n d Tendenzen

etwaiger Ausnahmevorschriften, die diesem Personenkreis besondere Abzüge von dem ermittelten Gesamteinkommen eingeräumt hätten. Für die betroffenen Gesellschaften war die Nichtabzugsfähigkeit des ausgeschütteten Gewinns dagegen ausdrücklich angeordnet: I n der Anlage A des Gesetzes, die die Berechnung des zu versteuernden reinen Einkommens betraf, wurde unter Ziffer 12 bestimmt, daß bei der Einkommensberechnung der Aktiengesellschaften i m Wege der Einnahme/ Ausgabe-Überschußberechnung „die an Aktionäre und Anteilseigner, wenn auch unter der Bezeichnung von Zinsen geleisteten Zahlungen" i n keinem Fall unberücksichtigt bleiben durften. Dadurch waren die Ausschüttungen wie auch alle sonstigen Gewinnverwendungen (d. h. vornehmlich die Einstellungen i n die sog. Reservefonds und die Schuldenamortisationen) vom bloßen vorläufigen Rechnungsposten eindeutig zum selbständigen, der Steuer unmittelbar unterliegenden Steuerobjekt aufgerückt 89 . Natürlich ist dieses Ergebnis damals noch nicht ohne weiteres hingenommen worden. Sowohl anläßlich der Verhandlungen, die zum Einkommensteuergesetz von 1881 führten, als auch später wieder bei den Vorbereitungen zum Einkommensteuergesetz vom 22. 2. 189590 haben dem Hamburger Senat Eingaben vorgelegen, i n denen man davon ausging, entweder die Gesellschafter i m Hinblick auf ihre Dividenden ganz oder teilweise von der Einkommensteuer zu befreien oder aber den steuerpflichtigen Gesellschaften nach preußischem Vorbild einen Normaldividenden-Abzug i n Höhe von 3 1/2 °/o zu gestatten. Doch weder 1881 noch 1895 fanden diese Anträge eine Majorität. Während jedoch 1881 noch ausschließlich auf den damals i m Höchstfall 3,5 °/o betragenden und damit außerordentlich niedrigen Steuersatz hingewiesen wurde, hieß es später, „(w)enn, (die Aktiengesellschaften usw.) i m Geschäftsleben als selbständige Vermögenssubjekte betrachtet w(ü)rden, so mü(ß)ten sie auch der Steuer gegenüber i n gleicher Weise (wie die physischen Personen, deren Rechte und Vorteile sie besäßen) behandelt w e r d e n . . . Die Befreiung der ersten 3 1/2 °/o Dividende von der Einkommensteuer sei . . . prinziplos und inkonsequent. Was sodann die von verschiedenen Seiten empfohlene Befugnis der hiesigen Aktionäre anlange, die von ihnen bezogenen Dividenden . . . von ihrem zu versteuernden Einkommen abzuziehen, so ständen einem solchen Verfahren nicht nur prinzipielle, sondern auch die gewichtigsten praktischen Bedenken entgegen". 89 Ja, es bildete sich sogar die Übung heraus, dem steuerpflichtigen E i n k o m men der Aktiengesellschaften noch den bei der Emission neuer A k t i e n erzielten sog. Agiogewinn hinzuzurechnen, u n d diese Entwicklung wurde schließlich durch das EStG v. 22. 2.1895 ausdrücklich sanktioniert. Siehe L. Blum, S. 66. — Seit der R G H Entscheidung i m Bd. 12, 306, w i r d die Steuerpflichtigkeit des A u f geldes freilich bis heute wieder verneint. 00 Vgl. dazu F A Jg. I I (1899), S. 392 ff., insbes. S. 398 ff.

2. Kap. : Di'e Periode der Emkommen-Körperschaf tsteuern

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Außerdem wurde auf den „sehr schlechten Eindruck" hingewiesen, „wenn man zu einem Zeitpunkt, wo man zu einer abermaligen Steuererhöhung schreiten müsse, den Erwerbsgesellschaften eine Ermäßigung zuteil werden lassen wolle". Damit aber war erstmalig i n Deutschland aus der Anerkennung einzelner enumerativ bestimmter Kapital- bzw. Erwerbsgesellschaften als Steuersubjekte die letzte radikale Konseqenz gezogen worden 9 1 . Was sich oben unter a) bei den Modellen mit strikt verteilten Besteuerungsgrundlagen durch das Spiel der Progression angedeutet hatte und was alsdann bei den Modellen unter b) i m Hinblick auf die die „Normaldividende" übersteigenden Gewinne deutlicher geworden war, hatte hier endgültige Formen angenommen. Der erwerbswirtschaftliche Gew i n n bestimmter Körperschaften wurde nicht mehr als ein Wirtschaftsgut betrachtet, das bestimmungsgemäß an die das Eigenkapital einbringenden Teilhaber auszukehren war und deshalb bereits vor Verteilung und grundsätzlich auch ohne eine solche ausschließlich den einzelnen bezugsberechtigten natürlichen Personen zugerechnet werden mußte. Ansatzpunkt der dogmatischen Beurteilung bildete vielmehr nur noch der Umstand, daß überhaupt Gewinne angefallen waren und daß über diesen Gewinn zunächst einmal die einzelnen inkorporierten Unternehmungen verfügten. Demgegenüber trat die Gewinnverwendung, soweit sie durch Ausschüttungen an die Teilhaber dort Einkommen entstehen ließ, völlig i n den Hintergrund. Vom Standpunkt der Identitätstheorie war ein solches Ergebnis nur knapp 30 Jahre nach dem Entstehen der ersten (Ertrags)Körperschaftsteuern und weiterhin etwa 20 Jahre seit dem Erscheinen von C. Dietzels Schrift, die die Vorstellung vom wirtschaftlichen Eigentum der Aktionäre usw. für das Steuerrecht begründet hatte, i n der Tat ein frappierendes Ereignis. Entsprechend war es i m finanzwissenschaftlichen Schrifttum der damaligen Zeit weitverbreitete Meinung, daß sich die Steuerpolitik dem reinsten Fiskalismus verschrieben habe, der wider besseres Wissen und entgegen allgemein akzeptierten ökonomischen Regeln den steuerlichen Zugriff einfach dort unternehme, wo sich ein verwaltungstechnisch bequemer Einstieg i n die volkswirtschaftliche Wertschöpfung eröffnete 92 . Verfolgt man das Beispiel derjenigen deutschen Bundesländer, die i n der Folgezeit das Beispiel Hamburgs nachahmten, so ließ sich tatsächlich 91 Später schlossen sich an: A n h a l t (1886), Lübeck (1889), Sachsen-Meiningen (1890), Waldeck u n d Sachsen-Altenburg (1896), Sachsen-Weimar (1897) und Schwarzburg-Rudolstadt (1902). Dazu D. Feitelberg, S. 115 und L. Blum, S. 65 ff. m. w. Nachw. 92 Vgl. etwa A. Wanger, Die Reform der direkten Staatsbesteuerung i n Preußen, F A Jg. 8 I I (1891), S. 185; D. Feitelberg, Die Einkommensbesteuerung nichtphysischer (juristischer) Personen, S. 191; B. Fuisting, Die Grundzüge der Steuerlehre, S. 188.

5 Rasenack

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i i e n u n d Tendenzen

sehr vieles i n puncto Systemlosigkeit auch dieses steuerlichen Zugriffs vorbringen. So wurde ζ. B. von Anhalt schon 1886 und ohne besondere Begründung zum steuerpflichtigen Gewinn der Aktiengesellschaften usw. auch noch dasjenige gezählt, was mit Rücksicht auf spätere Unterstützungs- und Pensionsberechtigungen zweckgebundenen Rückstellungen zugeführt wurde, sofern diese Pensionskassen 1/20 der verteilten Dividenden überstiegen 93 . Und 1895 griff schließlich Hamburg nach dem sog. Agio, d. h. dem Aufschlag auf den Nennbetrag bei der Ausgabe neuer Aktien, der auch heute noch nicht wieder zum steuerpflichtigen Einkommen gerechnet w i r d 9 4 . Auch ließ sich unverändert argumentieren, daß Einkommen- und Einkommenkörperschaftsteuer nun einmal den Begriff des Einkommens ein und desselben Gesetzes ganz unterschiedslos davon verwendeten, ob es sich um natürliche oder juristische Personen handelte. Und waren nicht schließlich die erwerbswirtschaftlichen Korporationen vor demselben Hintergrund entstanden, vor dem sich zunächst die projektorientierten Handelsunternehmungen des späten Mittelalters (Hanse, Kolonialgesellschaften) und später dann die Familiengesellschaften, bzw. Sozietäten mit überschaubarem Mitgliederbestand gebildet hatten: nämlich der Idee der gemeinschaftlichen Verfolgung rein privatwirtschaftlicher Erwerbsziele, konkretisiert i n dem unternehmerischen Einsatz einer bestimmten Kapitalsumme für einen bestimmten rechnerischen Erfolg, wie er sich auch sonst i n Verbindung m i t dem Einsatz von privatem Kapital einzustellen pflegte? Doch, so w i r d man fragen müssen, was vermochte das so häufig benutzte Argument vom fiskalischen Vorgehen des Steuergesetzgebers eigentlich vernünftigerweise zu beweisen? Wollte man nicht annehmen, daß sich ein Fiskus bei dem Unterfragen, für seine Aufgaben die nötigen finanziellen Mittel sicherzustellen, von vornherein irrational und ohne Rücksicht auf etwaige Folgen verhielt 9 5 , so wüßte man gerne, wieso schon die bloße Intention, neue Leistungsfähigkeiten ausfindig zu machen, zu derart weitgehenden Vorwürfen und in der vorliegenden Situation so dezidiert skeptischen, wenn nicht negativen Urteilen und Mutmaßungen berechtigte. Konnte es nicht sein, daß sich hinter den eigenartigen neuen Formen der direkten Besteuerung auf dem Gebiet der Körperschaftsteuer i n Wahrheit ein System ankündigte, das den Teilhabeforderungen des Steuerstaates am Mehrprodukt der gewerblichen W i r t schaft viel besser gerecht wurde als der bisher übliche Ansatz am w i r t schaftlichen Erfolg des einzelnen Individuums? Woher wollte man wissen, daß allein die Identitätstheorie, die Vorstellung vom wirtschaftlichen Eigentum der Teilhaber also, den Schlüssel für eine angemessene 93

Dazu vgl. L. Blum, Die steuerliche Ausnutzung, S. 70. Vgl. vorstehend A n m . 89. Wie seinerzeit besonders das gefürchtete „Austrocknen" fehlerhaft i n A n spruch genommener Steuerquellen. 94

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2. Kap.: Die Periode der Einkommen-Körperschaftsteuern

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Besteuerung der erwerbswirtschaftlich aktiven Körperschaften bereit hielt? Tatsächlich sind die gewichtigen ökonomischen und sozialen Veränderungen, die von den Aktiengesellschaften und Kommanditaktiengesellschaften i n den letzten beiden Jahrzehnten vor der Jahrhundertwende ausgegangen sind, auch keineswegs gänzlich übersehen worden. So war es ζ. B. selbst L. Blum — einem ausgezeichneten, wenngleich traditionalistischen Kenner des einkommensteuerlichen Körperschaftsteuerrechts — aufgefallen, daß die wirtschaftliche Bedeutung und damit das relative Gewicht der Korporationen i m allgemeinen Wirtschaftsablauf konkurrenzlos zugenommen hatte 9 6 . Freilich hinderte ihn das nicht, nach wie vor für die traditionelle Eigentümerstellung der Aktionäre und sonstigen Teilhaber einzutreten. Entsprechend war i h m noch immer diejenige Körperschaftsbesteuerung die richtigste, die von einem einheitlichen Einkommensbegriff ausging und die Besteuerung der entstandenen Großunternehmen prinzipiell so durchführte, wie das auch bei den sog. Personenunternehmen der Fall sein würde 9 7 . I n klarer Erkenntnis der vielfältigen Ungereimtheiten zwischen den Postulaten der herrschenden Indentitätstheorie und ihrer Verwirklichung i n der Praxis, ist auf die sich abzeichnende Alternative jedoch alsbald insbesondere von W. Rathenau 98 aufmerksam gemacht worden: Da die Industrialisierung Deutschlands später als i n den anderen westlichen Ländern zum Durchbruch gekommen und darum ein relativer Vorsprung aufzuholen gewesen sei, so lautete die These, habe der Wechsel vom, wie es hieß, „ruhigen Schritt des Familienreichtums" 9 9 zum „Land der europäischen Großunternehmen" 1 0 0 besonders schnell durchlaufen werden müssen. Entsprechend habe sich die Entwicklung i n Deutschland von Anfang an und viel akzentuierter als anderswo auf das „Gesellschaftskapital" gestützt 10021 . Denn während andere Länder ihren allmählicheren wirtschaftlichen Aufschwung vielfach noch m i t den bereits vorhandenen Kapitalzusammenballungen hätten bewältigen können, sei es i n Deutschland viel früher als anderswo erforderlich gewesen, „den Reichtum des Kapitalisten durch Aktien oder Anteile, den Wohlstand des Sparers durch Schuldverschreibungen zu gewinnen" 1 0 1 . 96 Die steuerliche Ausnutzung der Aktiengesellschaften i n Deutschland, S. 1 - 4 m i t zahlreichen stat. Angaben f ü r die Zeit bis 1909. 97 S. 6 ff. 98 V o m Aktienwesen. Eine geschäftliche Betrachtung, passim. Z u m mangelnden Realitätsbezug der h. M. daselbst etwa S. 8, 12. Vgl. auch derselbe, V o n kommenden Dingen, S. 140 ff. 99 Vom Aktienwesen, S. 7. 100 S. 11 (Hervorhebung n u r hier). looa v o n Rathenau auch entpersönlichtes Eigentum bzw. Objektivierung der Wirtschaftsgüter genannt, vgl. V o n kommenden Dingen, S. 142. Ä h n l i c h auch W. Sombart, Der moderne Kapitalismus, Bd. I I / l , S. 151. 101 S. 7 und passim.

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i i e n u n d Tendenzen

Mußte das nun aber nicht auch bedeuten, daß die um die Idylle des Familienunternehmens m i t seinem geringeren Kapitalbedarf aufgebaute Einkommensteuer immer weniger als ausschlaggebendes Vorbild für die direkten Steuern dienen konnte? I n dem Maße wie die Funktion des Kapitalgebers auf eine Vielzahl von Teilhabern verteilt, sowie die Verfügungsgewalt über die einem konkreten Unternehmen gewidmeten Vermögenswerte angestellten „Beamten" übertragen wurde und infolgedessen der wirkliche funktionelle Beitrag des einzelnen Faktorträgers immer unauflöslicher mit dem sämtlicher anderer „zusammenfloß", i n dem gleichem Maße mußte es schon aus praktischen Erwägungen illusorisch erscheinen, dem Kapitalbruchteil eines Kleinaktionärs oder dem Geschäftsanteil des Mitgliedes einer anderen Körperschaft den traditionellen A n teil des Vollunternehmers früherer Zeiten zuzurechnen 102 . Gewiß, der überragende Einfluß früherer Gründerpersönlichkeiten 103 sowie das B i l d berühmter Unternehmeraktionäre 1 0 4 mochte die traditionelle Vorstellung vom Eigentümer-Unternehmer und einer darauf aufbauenden Besteuerung noch weiterhin stützen. War indessen nicht ebenso i n Rechnung zu stellen, daß über die bloße Zersplitterung großer und größter Produktiv vermögen auf eine Vielzahl von „Eigentümer " - A k t i o nären usw. hinaus 1 0 5 längst auch gesellschaftsfremde Interessenträger i n die jeweiligen Korporationen eingedrungen waren? Verdankten nicht gerade die deutschen Aktiengesellschaften einen großen Teil ihre früheren Erfolge u. a. dem stetigen Einsatz der m i t ihnen verbundenen Geschäftsbanken 106 ? Und machte sich nicht überdies die Erscheinung bemerkbar, daß juristische Personen sich i n anderen juristischen Personen 102 Einige Autoren, wie z. B. J. Schumpeter , haben denn auch schon f r ü h zeitig argumentiert, daß die Stunde der Einkommensteuer überhaupt geschlagen habe. Vgl. Ökonomie u n d Soziologie der Einkommensteuer, Der Dtsch. V o l k s w i r t , Jg. 4 I (1929/30), S. 380 ff. „ V o r allem erfüllt die Einkommensteuer ihren Sinn vollständig n u r i n einer Wirtschaftswelt, die das Prinzip privaten Erwerbs auch moralisch u n d politisch m i t allen Konsequenzen — darunter der sich aus diesem Prinzip ergebenden Einkommensverteilung — anerkennt (383)." — „Nie wieder w i r d das Prinzip privaten Erwerbs den moralischen Beifall der großen Mehrheit des Volkes haben, nie wieder der Antiinterventionismus u n d der billige Staat das Grundprinzip der Wirtschaftspolitik sein. I m m e r enger muß der Bezirk freier Konkurrenz und immer weiter der Bezirk der Kartelle, der Konzerne u n d der Unternehmungen der öffentlichen Hand werden, innerhalb dessen sich die Einkommensteuer aus der zweckmäßigsten i n die unzweckmäßigste Steuer verwandelt (384)." 103 Z u nennen ist hier insbesondere das „Dreigestirn" Hansemann, Camphausen u n d Mevissen, vgl. H. Schumacher, Die Entwicklung der inneren Organisation . . . , S. 22 ff. 104 M a n denke etwa an Namen w i e Thyssen, Stinnes, Klöckner, Siemens, Bosch. Vgl. dazu auch H. Pross, Manager u n d Aktionäre, S. 75 f. 105 Z u m Ausmaß der Zersplitterung des Aktienbesitzes zu Anfang dieses Jahrhunderts, vgl. etwa R. Passow, Die Aktiengesellschaft 2 , S. 255 f. 106 Dies ist insbes. von der ausländischen L i t e r a t u r immer wieder m i t E r staunen hervorgehoben worden, vgl. etwa A. Shonfield, Modern Capitalism, S. 260 ff. m. w. Nachw.

2. Kap. : Die Periode der E k o m m e n - K ö r p e r s c h a f t s t e u e r n

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(Tochtergesellschaften) fortzuzeugen vermochten, wodurch der persönliche Einfluß des einzelnen Individuums zusätzlich mediatisiert wurde 1 0 7 . Schließlich aber hatte die staatliche Rechtsetzung selbst, vornehmlich also die Gesetzgebung und die Rechtsprechung, den Wandel i n der modernen Wirtschaftsstruktur bereits weitgehend sanktioniert. Und wenn sie zunächst den Aktiengesellschaften, später den Kommanditgesellschaften und je länger um so mehr auch anderen Gesellschaften den Status einer juristischen Person zugebilligt hatten, so lag dahinter offensichtlich mehr als eine bloße Fiktion: Nicht nur mußte man dem Interesse derjenigen „Eigentümerunternehmer" Rechnung tragen, die sich nur noch beiläufig für „ihre" Gesellschaft zu engagieren gewillt zeigten, und denen, infolgedessen die Fungibilität, also Veräußerungsmöglichkeit ihrer Anteile, wichtiger erschien als die aktive Anteilnahme am Gesellschaftsgeschehen. Vielmehr war die Aufbringung des dringend erforderlichen Großkapitals i m wiedervereinigten Deutschland auch rechtstechnisch fast ausschließlich dadurch möglich geworden, daß man den verschiedenen Kapitalansammlungen — eben wegen der großen Zahl der jeweiligen Teilhaber — eigene Rechtspersönlichkeit zuteilte. Nur so war es möglich, die auftretenden Beteiligungsverhältnisse organisatorisch zu bewältigen. Nur so war es aber auch denkbar, auf einen Mechanismus zu stoßen, der die theoretisch vorhandenen, für die Leitung einer konkreten Unternehmung auch erforderlichen, gleichwohl aber i n ihrer herkömmlichen Personenbezogenheit weitgehend verschwundenen Eigentümerfunktionen i n der einen oder anderen Weise wieder ins Leben zurückrufen konnte. Was lag dann jedoch näher, als die Expropriation des traditionellen Eigentümers durch „seine" Unternehmung 1 0 8 auch rechtstechnisch anzuerkennen, und zwar indem man die Bedeutungsinhalte des zivilistischen Eigentümers gewissermaßen auf eine höhere Ebene hob und dadurch gewährleistete, daß die Organisations- und Ordnungsfunktionen des Eigentümers von den Sachwaltern der konkreten Unternehmung jeweils zum Nutzen der gemeinschaftlichen Veranstaltung genutzt werden konnten? Ist das alles indessen richtig beobachtet, w i r d man davon ausgehen dürfen, daß die i m Vorstehenden dargelegten neuerlichen Veränderungen an der Struktur der Körperschaftsteuer dem tatsächlichen Stand der Dinge bereits um ein erhebliches nähergekommen waren, als die Erklärungsversuche der überlieferten Identitätsvorstellung m i t der Zuweisung des vollen wirtschaftlichen Erfolges an die jeweiligen Teilhaber. I n dem Maße wie die Verfügungsbefugnis der nur noch m i t gliedschaftlich verbundenen natürlichen Personen über das Gesellschaftsvermögen als ganzes zurückging und i n dem Maße wie demzufolge die 107 108

Hierzu bereits W. Rathenau, V o m Aktienwesen, S. 22. J. Schumpeter , Kapitalismus, Sozialismus u n d Demokratie, S. 218, 228 ff.

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i i e n u n d Tendenzen

Ausschüttungen an die Aktionäre usw. hinter dem tatsächlich erzielten Gesamterfolg zurückblieben 109 , i n dem gleichen Maße mußte man sich darum bemühen, das wirtschaftliche Ergebnis bei den Gesellschaften selbst aufzusuchen. Irgendwo mußten die vom traditionellen Einkommensbegriff angesprochenen Befugnisse und Berechtigungen geblieben sein; irgendwo mußte sich das, was man früher auf den Beitrag einer individuellen Person festgelegt hatte, ja niedergeschlagen haben 1 1 0 . Gewiß, auch bei den sog. Personenunternehmungen können die einzelnen Gesellschafter, bzw. der Einzelunternehmer nicht ohne Rücksicht auf ihre Mitgesellschaft bzw. ohne Rücksicht auf die betrieblichen Belange der konkreten Unternehmung disponieren 111 . I m Gegensatz etwa zur offenen Handelsgesellschaft sind diese Vorgänge bei den Kapitalund Erwerbsgesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit jedoch institutionalisiert. Zu den i n diesem Zusammenhang interessierenden Tätigkeiten werden hier von vornherein besondere Organe eingesetzt, nämlich etwa der Vorstand, der Aufsichtsrat oder die Gesellschaftsversammlung i n ihrer Gesamtheit 112 . Dann aber waren schon vom Tatsächlich-Organisatorischen her besondere, von den Verfügungsfähigkeiten der einzelnen Teilhaber abgesonderte Verfügungsmächtigkeiten geschaffen worden und entsprechend erschienen die Grundvorausset109 Vgl. dazu schon die Wiedergabe eines (fiktiven) Meinungsaustausches z w i schen A k t i o n ä r u n d V e r w a l t u n g bei W. Rathenau, V o m Aktienwesen, S. 57 f. u n d der kurze historische Überblick über die Entwicklung der Selbstfinanzierung bes. nach dem 1. Weltkrieg bei J. Löffelholz, Rep. der Betriebswirtschaftslehre 2 , S. 567 f. 110 M i t Recht ist denn auch schon darauf hingewiesen worden, daß selbst i n den westlichen Wirtschaftssystemen die notwendige Verknüpfung der U n t e r nehmensfunktion m i t dem privaten Eigentum längst widerlegt worden sei, vgl. B. Molitor, Eigentum I, H d w S W Bd. I I I , S. 35 f. 111 Entsprechend kennt bereits das Recht der offenen Handelsgesellschaft bestimmte Kautelen, die etwa die Möglichkeit freier Entahmen i m Regelfall nicht unbeträchtlich beschneiden, vgl. §§ 121 f. HGB. Angesichts des Umstandes, daß diese Entnahmen i. d. R. die Grundlage für die Lebenshaltung der beteiligten Gesellschafter darstellen — anders als bei der Aktiengesellschaft ζ. B. ist die Geschäftsführung der Gesellschafter der Regelfall, vgl. § 114 Abs. I H G B — dürften derartigen Einschränkungen oder gar darüber hinausgehende, aus der Sicht der Gesellschaft erforderliche Einbehaltungen i n der Recht s Wirklichkeit jedoch enge Grenzen gesetzt sein. 112 Entsprechend hat die V e r w a l t u n g das Recht, bis zur Hälfte des JahresGewinns einzubehalten u n d den freien Rücklagen zuzuweisen, s. § 58 Abs. I I S. 1 A k t G . Dieses Recht ist nicht disponibel (ganz h. M.). F ü r das frühere Recht vgl. §§ 213, 261, 262 (altes) HGB. Danach bestand gesetzlich zwar n u r die V e r pflichtung, sog. Reservefonds zu unterhalten (bis zu 10 Prozent des Grundkapitals). Dafür konnten Satzungen jedoch etwas anderes vorsehen, und diese Möglichkeit ist von der L i t e r a t u r nach K r ä f t e n gefördert worden. Vgl. etwa R. Fischer (HdB des ges. Handelsrechts Bd. I I I 1, 3. Kap., S. 274) unter Hinweis auf ein entsprechendes Gewohnheitsrecht i n Frankreich: „ist dem A k t i o n ä r kein i m Umfange unabänderliches Gewinnbezugsrecht, vielmehr ist der K o r poration die Befugnis verliehen, i m Wege des Statuts die Höhe der jährlichen Dividenden zu bemessen." I m übrigen s. auch W. Rathenau, V o m Aktienwesen, S. 13 ff., 38 ff., 54 u n d bes. S. 56.

3. Kap.: Die Körperschaftsteuerreform 1920

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zungen der Identitätstheorie entscheidend geschwächt: Hinter dem auf personale Zuständigkeiten und personale Berechtigungen zugeschnittenen Einkommensbegriff waren die auf entpersönlichten Vermögenswerten aufgebauten Verfügungsfähigkeiten ebenso apersonaler Organisationsstrukturen: nämlich die der gewerblichen Körperschaften hervorgetreten. Was sich daher bereits an anderer Stelle, nämlich i m Hinblick auf die eigenartigen Veränderungen am gesetzlichen Inhalt des Einkommensbegriffs (Vermögenszugangstheorie, Besonderheiten bei der Periodenabgrenzung) angekündigt hatte, fand sich hier mit Rücksicht auf das i n der Praxis zu beobachtende Verhältnis des einkommensteuerlichen zum körperschaftsteuerlichen Besteuerungsgegenstandes bestätigt. Soweit einige der deutschen Bundesstaaten mehr oder weniger unverhüllt zur gesonderten Erfassung der körperschaftlichen Ausschüttungen übergegangen waren, bestand das umfassende Prinzip der ausschließlich personalen Zurechnung des periodischen Mehrwertes mithin nur noch der Form nach. 3. Kapitel Von der Einkommen-Körperschaftsteuer zur Eigenständigkeit der Körperschaftsteuer: Die Körperschaftsteuerreform 1920 Tatsächlich ist denn auch schon von der Körperschaftsteuerreform 1920, die normativ durch die staatsrechtliche Umwälzung nach dem verlorenen Krieg möglich geworden war 1 , die bisher vorherrschende Konzeption nicht mehr weiterverfolgt worden. Äußerlich kenntlich gemacht durch den Erlaß eines separaten Körperschaftsteuergesetzes, des Reichsgesetzes vom 30. 3. 19202, wurde vielmehr die bisherige Verbindung m i t der Einkommensteuergesetzgebung grundsätzlich aufgehoben. Trotz der i m vorstehenden Kapitel geschilderten weitgehenden Verflechtung der respektiven Begriffsinhalte zwischen der Einkommens- und der Körperschaftsbesteuerung waren somit diejenigen Entwicklungstendenzen zum Zuge gekommen, die bereits ζ. Z. der bundesstaatlichen Steuerordnungen auf eine neuerliche Emanzipation der Körperschaftsteuer hingezielt hat1

Anstelle der weitgehenden Abstinenz i m Hinblick auf die direkten Steuern, die sich das Reich unter der RV 1871 auferlegt hatte (vgl. dazu R. Thoma, Das Staatsrecht des Reiches, H d B b DtschStaatsR Bd. I, S. 73 u n d O. Bühler, Die Zuständigkeitsverteilung auf dem Gebiete des Finanzwesens, ebendort, S. 321 ff.), eröffnete A r t . 8 R V 1919 i. V. m. den Reichsfinanzgesetzen v o n 1919/20 (RAO, G. über die Reichsfinanzverwaltung u n d Finanzausgleichsgesetz) n u n mehr ohne weiteres auch den Zugriff auf die direkten Steuern. 2 RGBl. S. 393.

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i i e n u n d Tendenzen

ten. Zu deutlich hatte insbesondere die Entwicklung des Doppelbesteuerungsproblems versinnbildlicht, daß die Körperschaftsteuer ihrer gesamten Anlage nach offenbar weit mehr als eine bloße Ergänzungssteuer zu der Einkommensbesteuerung der natürlichen Personen darstellte. Wie kaum eine Körperschaftsteuerreform später zwang dieser Bruch mit der bisherigen Gesetzgebung freilich dazu, den der Körperschaftsteuer nunmehr zuzuweisenden dogmatischen Standort genauestens zu überdenken. Von der subjektiven Steuerpflicht über die Besteuerungsgrundlage i m allgemeinen bis hin zur Behandlung des Doppelbesteuerungsproblems war grundsätzlich alles i n Frage gestellt, was bisher Geltung gehabt hatte. I n bezug auf die subjektive Steuerpflicht konnte die mehr oder minder deutliche Parallele zur tatsächlichen und wirtschaftlichen Situation der natürlichen Personen nur i n einem gemeinschaftlichen Einkommen-Körperschaftsteuergesetz verfangen. Desgleichen war bei einem Verlassen der gemeinschaftlichen Besteuerungsgrundlage m i t einem Quasi-Einkommensteuerbegriff nicht mehr viel zu bewerkstelligen. Und schließlich war auch die bisherige Diskussion zur Doppelbesteuerung weitgehend ihrer Grundlage beraubt. Dennoch gelang der neue dogmatische Ansatz nur unter „Schönheitsfehlern". Die neuen Begriffsschöpfungen waren, wie insbesondere bei der subjektiven Körperschaftsteuerpfiicht, ζ. T. noch unausgereift. I n anderen Fällen, wie bei der objektiven Steuerpflicht, verdunkelte außerdem der Umstand, daß trotz alledem die Anknüpfung an den überkommenen Einkommensbegriff der Einkommensbesteuerung rechtstechnisch erhalten geblieben war, den eigentlichen Stand der Dinge nicht unerheblich. So kann es kaum verwundern, wenn selbst das Problem der Doppelbesteuerung nicht eigentlich dogmatisch sauber gelöst wurde, sondern durch eine eigenartige Verzahnung mit einer auf die regelmäßige Körperschaftsteuer „aufgepfropften" Ausschüttungssteuer eher noch zu weiteren Verwirrungen führte. Der Sache nach waren eben noch einige Reminiszenzen an die Zeit der Einkommen-Körperschaftsbesteuerung erhalten geblieben. 1. Die subjektive Steuerpflicht

Wie dem jedoch sei, i m Hinblick auf die subjektive Körperschaftsteuerpfiicht erschien der Bruch mit der bisherigen Übung schon äußerlich jedenfalls besonders deutlich. War es bisher üblich gewesen, die einzelnen subjektiv körperschaftsteuerpflichtigen Gebilde lediglich nach ihrer konkreten Organisationsform und m i t Hilfe von langen Enumerationen zu bestimmen, so unterschied das neue Gesetz nunmehr — i n höchster begrifflicher Abstraktion — nur noch zwischen zwei verschiedenen Arten von Körperschaftsteuersubjekten: erstens der Körperschaftsteuerpfiicht

3·. Kap. : Die Körperschaftsteuerreform 1920

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der juristischen Personen des öffentlichen und des bürgerlichen Rechts sowie aller Berggewerkschaften und zweitens der Körperschaf tsteuerpflicht einiger quasi-juristischer Personen, nämlich der nicht-rechtsfähigen Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und anderer Zweckvermögen, soweit deren Einkommen nicht schon unmittelbar nach dem Körperschaftsteuergesetz oder nach dem Einkommensteuergesetz bei einem anderen Steuerpflichtigen steuerbar war 3 . Sieht man von dem sprachlichen Gewinn dieser gedrängteren Formulierung ab, so ergibt sich m i t h i n das Bild, daß es auf die spezifisch zivilistische Rechtsform, i n der ein bestimmtes körperschaftsteuerpflichtiges Gebilde organisiert war, offenbar nur noch i n zweiter Linie ankommen sollte. Der Ansatz bei der konkreten Organisationsform, der eben gerade wegen seiner Beschränkung auf einige ausgewählte Gesellschaftsformen die eventuelle Uberschneidung steuerlicher Verantwortlichkeiten so besonders deutlich gemacht hatte, war mithin zugunsten eines ungleich universaleren Prinzips, d. h. des Prinzips der steuerlichen Erfassung der körperschaftlichen Struktur als solchen, ersetzt. Unmißverständlich ließ sich das für die erste Gruppe von Steuerpflichtigen beobachten: War bisher eine Aktiengesellschaft als Aktiengesellschaft steuerpflichtig gewesen oder eine Genossenschaft als Genossenschaft, so kam es auf derartige Qualifizierungen jetzt nicht mehr an. Ausschlaggebend war vielmehr, ob das betreffende, mutmaßlich körperschaftssteuerpflichtige Gebilde die Voraussetzungen einer juristischen Person erfüllte. Ähnlich lag der Sachverhalt bei der zweiten Gruppe. Zwar war i m Hinblick auf diesen Kreis eine gewisse Enumeration übrig geblieben. Gleichwohl war auch hier eine insoweit weiterführende Qualifikation vorhanden, als für die nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen, Anstalten usw. angeordnet war, daß eine konkrete Körperschaf tsteuerpflicht erst dann i n Betracht kommen sollte, wenn sich die respektiven „Einkommen" nicht schon anderweit erfassen ließen. Positiv bedeutete das jedoch, daß ebenso wie bei den juristischen Personen des öffentlichen und bürgerlichen Rechts eine allgemeine, weil weitreichendere Bedingung erfüllt sein mußte: Es mußten auch bei dieser zweiten Gruppe von Steuerpflichtigen die Rechtsbeziehungen zwischen den jeweiligen Vereinigungen bzw. Vermögensmassen und den dazugehörigen Mitgliedern oder Nutzungsberechtigten dergestalt geregelt sein, daß die entstehenden Vermögensüberschüsse den einzelnen beteiligten natürlichen Personen nicht mehr unmittelbar, sondern allenfalls vermittels schuldrechtlicher Beziehungen und dinglicher Übertragungsakte zufließen konnten. Das aber war das Erscheinungsbild der für die juristischen Personen typischen körperschaftlichen Verfassung. 3

Vgl. § 1 K S t G 1920.

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i i e n und Tendenzen

Anstelle des alten Systems, das auf die Notwendigkeit hin zugeschnitten war, ausnahmsweise i n bestimmten körperschaftlichen Formen auftretende Einkünfte gleichwohl noch einer Quasi-Einkommensteuer zuzuführen, schien die neue Körperschaftsteuer m i t h i n — zugleich weit über den bisherigen Anwendungskreis ausgedehnt 4 — bereits ganz allgemein ein K r i t e r i u m gewonnen zu haben, von dem sich eine Körperschaftsteuerpfiicht als solcher abhängig machen ließ — ein Ergebnis, das i n der Tat geeignet erscheinen mußte, die Eigenständigkeit der modernen K ö r perschaftbesteuerung besonders sinnfällig zu machen. Gleichwohl waren die neuen Begriffsbildungen natürlich noch alles andere als voll befriedigend. Freilich weniger i n dem Sinne, daß wegen der A r t der Bestimmung der subjektiven Körperschaftsteuerpfiicht i n Wahrheit doch noch Zweifel an der neuerlichen Emanzipation der Körperschaftsteuer aufkommen mußten. Das war nicht der Fall. Gleichwohl war der Gesetzgeber m i t der überstarken Hervorkehrung des Prinzips der juristischen Persönlichkeit i n einigen Fällen, bzw. dem Prinzip der Verbandsperson i n anderen Fällen offenkundig über das Ziel hinausgeschossen, das er sich selbst gesetzt hatte und das bei verständiger Würdigung der steuerlichen Notwendigkeiten auch nur angestrebt sein konnte. Denn tatsächlich hat sich (natürlich) auch der Gesetzgeber des Jahres 1920 ζ. B. nicht etwa auf eine Besteuerung sämtlicher juristischer Personen einlassen wollen. Insbesondere i m Hinblick auf den Kreis der Körperschaften des öffentlichen Rechts (Reich, Länder und Gemeinden als solche!) hätte das zu ganz unmöglichen Folgen führen müssen. Bei der vorschnell und ausschließlich am Erscheinungsbild der juristischen Person orientierten, außerordentlich weiten Formulierung der Steuerpflicht konnte dieser an sich selbstverständlichen Beschränkung freilich nur noch i n der Weise Rechnung getragen werden, daß von dem als zu breit erkannten Konzept ausdrückliche Ausnahmen zugelassen wurden. Der Regelansatz war dadurch allerdings stark verwässert. Denn wenn i n § 2 KStG 1920 neben der Reichsbank und den Staatsbanken sowie denjenigen Unternehmungen, deren Erträge ausschließlich dem Reich oder einer sonstigen Gebietskörperschaft zuflössen — um nur einige besonders wichtige öffentlich-rechtliche Körperschaften m i t besonderen Aufgaben zu nennen 5 —, das Reich, die Länder und die Gemeinden, ein4 N u r Sachsen u n d Württemberg waren schon vor dem Reich dazu übergegangen, das Prinzip der juristischen Persönlichkeit als solchen f ü r die subjektive Steuerpflicht fruchtbar zu machen, wozu dann noch gewisse vermögenserwerbsberechtigte Personenvereinigungen gekommen waren, vgl. sächsEStG v. 24. 7. 1900, abgedruckt i n F A Jg. 20 I (1903), S. 258 ff. u n d w ü r t t . EStG v. 8. 8.1903, abgedruckt i n F A Jg. 21 1 (1904), S. 115 ff. 5 Bei den restlichen (persönlichen) Befreiungen handelte es sich i m wesentlichen u m ohne weiteres ersichtliche Freistellungen wegen Gemeinnützigkeit, bzw. Mildtätigkeit.

3. Kap. : Die Körperschaftsteuerreform 1920

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schließlich der Gemeinde verbände überhaupt, von jeglicher Körperschaftsteuer befreit waren, blieben für die zuvor statuierte Steuerpflicht der Körperschaften des öffentlichen Rechts nur noch wenig bedeutsame Steuersubjekte übrig. Und selbst i m Hinblick auf die verbleibenden Körperschaften, insbesondere also m i t Rücksicht auf die juristischen Personen des privaten Rechts, war das anfangs beschriebene System einer einheitlichen Besteuerung aller Körperschaften keinesfalls durchgehend eingehalten. Freilich unterlagen alle i n diese Kategorie fallenden Körperschaften und Vermögensmassen insoweit einem einheitlichen Regime als sie sämtlich einen gleichbleibenden Steuersatz von 10 °/o auf die steuerpflichtigen Einkünfte zahlen mußten. Für die sog. Erwerbsgesellschaften, auf die die Motive besonders abgehoben hatten 6 und zu denen laut § 11 des Körperschaftsteuergesetzes die Aktiengesellschaften, die Kommanditgesellschaften auf Aktien, die Kolonialgesellschaften, gewisse bergbautreibende Personenvereinigungen und Gewerkschaften, die Gesellschaften m i t beschränkter Haftung sowie sonstige verselbständigte Personenvereinigungen mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb gehörten, konnte jedoch noch eine sog. Zuschlagssteuer hinzutreten. Diese Zusatzsteuer wurde von dem ausgeschütteten Gewinn berechnet und konnte je nach dem Verhältnis der Ausschüttungen zum Grund- oder Stammkapital 2 - 10 °/o dieser Summe betragen. Weitere Besonderheiten ergaben sich schließlich bei bestimmten Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und bei gewissen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften 7 . Ungeachtet entgegengesetzter Beteuerungen des Gesetzgebers, der beabsichtigt hatte, eine längere Entwicklung nunmehr abschließend i n den systematischen Griff zu bekommen 8 , war das Ziel, die Körperschaftsteuerpflicht auf ein einheitliches umfassendes Prinzip zurückzuführen, mithin nur recht unzulänglich gelungen. Versucht man, den Gründen für dieses Mißverhältnis nachzuspüren, so ergibt sich, daß dem Gesetzgeber des Jahres 1920 die nur teilweise Kongruenz zweier, von i h m jedoch gleichberechtigt nebeneinander zur Rechtfertigung einer eigenständigen Körperschaftsteuer vorgebrachter Kriterien offenbar nicht aufgefallen war. Denn begründete er die Notwendigkeit einer Körperschaftsbesteuerung mit der zügig voranschreitenden Emanzipation der großen Kapital- und Erwerbsgesellschaften von den 6 Begründung zum E n t w u r f eines Körperschaftsteuergesetzes, Drs. d. Dtsch. Nationalversammlung, 1920, Nr. 1976, S. 16. 7 Beschränkung des Besteuerungsgegenstandes auf Grundbesitz, K a p i t a l vermögen u n d Gewerbebetrieb, sowie — gesetzliche — Einschränkung des Begriffes Gewerbebetrieb, vgl. § 4 d. G. 8 Motive, S. 11.

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Interessen ihrer Anteilhaber 9 und verknüpfte sodann die subjektive K ö r perschaftsteuerpfiicht allgemein mit dem Erfordernis der korporativen Verfassung, so übersah er, daß das eine keineswegs die notwendige Folge des anderen zu sein brauchte und umgekehrt. Akzeptierte man nämlich die Theorie des Unternehmens an sich als die treibende Kraft hinter der Eigenständigkeit der neuen Körperschaftsteuer, so ließ sich mit ihr — wollte man gleichzeitig am Anknüpfungspunkt der Rechtsfähigkeit festhalten — eine Ausdehnung der Körperschaftsteuerpfiicht nur dann rechtfertigen, wenn beides typischerweise nebeneinander herging. Natürlich waren dem Gesetzgeber diese Zusammenhänge nicht ganz verborgen geblieben. Andernfalls wäre es nicht erklärlich gewesen, warum er i n einem langen Katalog von Befreiungsvorschriften (vgl. § 2 K S t G 1920) das zu weite Prinzip der Besteuerung nach der Rechtsfähigkeit, bzw. körperschaftlichen Organisation zugunsten zahlreicher öffentlich-rechtlicher Körperschaften wieder drastisch reduziert hatte und warum (vgl. §§ 11, 12 i. V. m. § 4 d. G.) für einige weitere körperschaftsteuerliche Gesellschaften aus dem Privatrecht das Normalregime der Körperschaftsteuer — jedenfalls vom Tarif her — nicht unerheblich abgeändert worden war. Eben diese Einschränkungen sind es aber auch, die verraten, daß i m Grunde noch keine letzte Klarheit über das neue Konzept i n der Körperschaftbesteuerung herrschte. Neben vernünftigen Befreiungen von der Körperschaftsteuer (Reich, Länder als solche) bestanden auch andere (Reich, Länder usw. als Träger wirtschaftlicher Betriebe ohne juristische Persönlichkeit), die an sich ungerechtfertigt waren. Der Verweis i n den Gesetzesmotiven auf eine spätere Regelung dieser strittigen Frage 1 0 unterstrich die mangelnde systematische Durchbildung nur. Z u Recht war daher anfangs gesagt worden, daß die neuen Begriffsbildungen noch nicht i n allen ihren Konsequenzen durchdacht gewesen sind. Wäre das schon anläßlich der Körperschaftsteuerreform von 1920 der Fall gewesen, so hätte sich aufdrängen müssen, daß eine Angleichung des steuerlichen Regimes etwa der juristischen Personen bzw. Körperschaften des öffentlichen Rechts an das der Kapital- und Erwerbsgesellschaften kaum allein über das Prinzip der Besteuerung nach der abstrakten Rechtsform erreichbar war: Dieser Ansatz war entweder zu weit, weil es definitionsgemäß, jedoch sachlich völlig ungerechtfertigt, auch den rein staatlichen (hoheitlichen) Bereich erfaßte, oder — wegen der Koppelung der Körperschaftsteuerpfiicht der öffentlichen Hand an das Erfordernis der Rechtspersönlichkeit — zu eng, weil es die ohne Rechtspersönlichkeit verselbständigten wirtschaftlichen Betriebe der öffentlichen Hand von der Steuer frei ließ. Daher hätte versucht werden müssen, die insoweit nötige 9 10

Motive, S. 15. S. 17.

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körperschaftsteuerliche Verpflichtung eher auf dem Wege der Analogie, d. h. durch einen Funktionenvergleich mit den bisher schon körperschaftsteuerpflichtigen Gebilden des Privatrechts herbeizuführen (wie es spät e r 1 1 dann auch tatsächlich geschehen ist). Infolgedessen kann man die hier besprochene Periode zwar als eine wichtige Etappe i n der Neuvermessung einer wieder einmal mehr empirisch wachsenden Entwicklung sehen. Dieser neue Ansatz ging jedoch noch weitgehend an den tatsächlichen Gegebenheiten vorbei. I h r Verdienst lag darum mehr i n dem (noch lückenhaften) Systematisierungsversuch als i n dem letztlich erzielten Ergebnis. 2. Die objektive Steuerpflicht Unklar und damit ebenfalls nicht zweifelsfrei — freilich weniger i m Sinne einer lückenhaften Systematik wie bei der subjektiven Körperschaftsteuerpflicht als vielmehr i m Sinne einer leicht fehlzudeutenden begrifflichen Verbindung der objektiven Körperschaf tsteuerpflicht mit der objektiven Einkommensteuerpflicht — war die Situation auch i m Hinblick auf die körperschaftsteuerliche Besteuerungsgrundlage. Denn so deutlich sich ζ. B. die Motive zum EStG und KStG 1920 — zumindest an einigen Stellen — für eine Trennung zwischen diesen beiden Steuerarten aus grundsätzlichen Erwägungen eingesetzt haben mochten, so unbekümmert griffen sie an anderer Stelle wieder auf Verfahren und Institutionen zurück, die unmittelbar aus dem überkommenen Arsenal der Einkommensbesteuerung stammten. Lediglich mit Rücksicht auf die Tariffrage (progressiver oder proportionaler Tarif) bestand durchgehende Folgerichtigkeit. I n Anbetracht der i n der amtlichen Begründung zum EStG 1920 zum Ausdruck gekommenen Überzeugung, daß „(d)ie steuerliche Leistungsfähigkeit einer nichtphysischen Person . . . nicht durch das von ihr erzielte Einkommen zum Ausdruck gebracht (wird) 1 2 ", wurde die bis dahin progressive Besteuerung der körperschaftlichen Gewinne zugunsten eines Proportionaltarifs, bzw. — soweit die sog. Zuschlagsteuer betroffen war — zugunsten eines auf die Rentabilität der betroffenen Erwerbs- und Kapitalgesellschaften gegründeten Tarifs aufgegeben. Dabei hatte eigentlich alles recht verheißungsvoll begonnen. I n apodiktischer Kürze und mit kaum zu überbietender Entschiedenheit hieß es ζ. B. in der amtlichen Begründung zum Einkommensteuergesetz von 1920: „Die nichtphysischen Personen stellen i n der Einkommensteuer einen Fremdkörper dar, der i n deren Rahmen nur mit Hilfe von Fiktionen hineingepreßt werden kann; ihre Besteuerung kann i n gerechter Weise nicht ausschließlich auf der Grundlage des für die physischen Personen gegebe11 12

s. dazu das nächste Kapitel. Drs. d. Dtsch. Nationalversammlung 1919, Nr. 1624, S. 17.

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nen Einkommensbegriffs erfolgen 13 ." Durchaus i n Übereinstimmung mit der bisherigen Entwicklung, aber auch i n Parallelität mit analogen A n sätzen i n Wissenschaft 14 und Praxis 1 5 schien m i t h i n der Weg für die Entwicklung einer eigenständigen körperschaftlichen Besteuerungsgrundlage und die Erarbeitung entsprechend neuer Leistungsfähigkeitsindikatoren frei zu sein, und zwar ganz ähnlich den Erwägungen, die bei der Umschreibung der subjektiven Körperschaftsteuerpfiicht zum Prinzip der Verbandspersönlichkeit und der Vorstellung vom Unternehmen an sich geführt hatten. Gegenüber dieser grundsätzlichen Betrachtungsweise blieben jedoch schon die Motive zum K S t G 1920 in nicht unauffälliger Weise zurück. Zwar hieß es auch dort — unter Hinweis auf die amtliche Begründung zum Einkommensteuergesetz —, daß der Begriff des Einkommens als Maßstab der Leistungsfähigkeit und Steuerkraft der natürlichen Personen nicht ohne weiteres übernommen werden könne 16 . Dennoch sah man keinen Anlaß, diesen Umstand nunmehr dazu zu benutzen, sich über einen gegenüber der Einkommenbesteuerung unabhängigen Besteuerungsgegenstand klar zu werden. Und entsprechend entschloß man sich, trotz allem („trotzdem" 1 7 ) bei der herkömmlichen Regelung zu verbleiben, und bestimmte demgemäß — i n „unmittelbarer" 1 8 Anlehnung an das EStG 1920 zum Gegenstand der Steuer das (steuerbare) Einkommen (vgl. §3 KStG 1920). Drei i n sich verschiedene, jedoch in ihrer Addition als tragend verstandene Begründungen wurden zur Rechtfertigung angeführt 19 . Als erstes machte man ein historisches Argument geltend: Schon die bundesstaat13

S. 17. So hatte G. Strutz schon 1903 anläßlich einer Besprechung von Fuisting s Grundzüge der Steuerlehre (vgl. V e r w A r c h i v Bd. 11 (1903), S. 488) darauf aufmerksam gemacht, daß der Begriff des Einkommens wegen seines Zuschnitts auf die Bedarfsbefriedigungssituation bei der natürlichen Person f ü r die Besteuerung der juristischen Person weitgehend ungeeignet sei. Bei dieser richte „sich das Maß der Steuerfähigkeit (vielmehr) nach dem Verhältnis ihres Ertrages zu dem A k t i e n k a p i t a l " (Rentabilitätsgrundsatz). Z u entspr. Überlegungen w a r es auch i n der Schweiz gekommen, vgl. P. Speiser, Das Verbot der Doppelbesteuerung, Ztschr. f. schweizerisches Recht NF. Bd. V I (1886), S. 30 u n d dazu E. Känzig, Die Aktiengesellschaft, S. 132. 15 Z u nennen ist hier insbes. der E n t w u r f eines (preuß.) Gesellschaftssteuergesetzes aus dem Jahre 1908, i n dessen Begründung es hieß: es ließe sich nicht verkennen, „daß die als steuerpflichtig erklärten Überschüsse der Gesellschaften nicht i n jeder Hinsicht dem Einkommen physischer Personen gleich sind; insbesondere k o m m t die Steuerkraft der Gesellschaften nicht sowohl i n dem absoluten Betrage der Überschüsse als vielmehr i n dem Verhältnis zum A u s druck, i n dem die Überschüsse zum Grundkapital stehen". Vgl. Verh. d. Preuß. Abg.H. 1908/09, Anlagen Bd. 1, Drs. Nr. 14, S. 575. 16 Begründung zum K S t G 1920, S. 10. 17 Begründung S. 11. 18 S.II. 19 dito. 14

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liehen Einkommen-Körperschaftsteuergesetze hätten die respektiven Besteuerungsgrundlagen eng aneinander angelehnt. Der zweite Gesichtspunkt betraf die verwaltungssoziologische Maxime vom Vorhandensein einer bereits länger anhaltenden Übung: Es bedeute, so führte man aus, einen wichtigen praktischen Vorteil, wenn Körperschaftsteuer und Einkommensteuer auch weiterhin eng miteinander verbunden blieben. I n Anbetracht der bislang gewonnenen Erfahrungen sei es für Steuerbehörden und Steuerbürger von nicht zu unterschätzender Bedeutung, wenn auf eine gefestigte einheitliche Verwaltungspraxis und Rechtsprechung zurückgegriffen werden könne. Schließlich machte man aber auch „innere Gründe" für eine Verknüpfung der einkommensteuerlichen und körperschaftsteuerlichen Besteuerungsgrundlagen geltend: „Wenn die Begründung zum Einkommensteuer-Gesetzentwurf i m Anschluß an die Theorie von Schanz ausführt", so hieß es, „daß Einkommen der Überschuß der Vermögenszugänge über die Vermögensabgänge . . . , der reine Vermögenszugang innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts einschließlich der Nutzungen und geldwerten Leistungen Dritter ist, so läßt sich von allen Gebilden, denen Vermögen zuwächst, die wirtschaftliche Güter beziehen, sagen, daß sie Einkommen i m steuerlichen Sinne haben, daß alles, was sie vereinbaren, ihr Einkommen sei. Bei den natürlichen Personen w i r d der Begriff „Einkommen" i n unmittelbarer Beziehung zum Verbrauche für eigene Zwecke gebraucht. Auch die unpersönlichen Gebilde des Rechtsund Wirtschaftslebens haben ihre eigenen Aufgaben, die den außerhalb der Erwerbstätigkeit liegenden Zwecken der natürlichen Personen entsprechen. Setzt man den Verbrauch hierfür in Beziehung zu dem Reinvermögenszugang, so ergibt sich eine innere Gleichheit mit den natürlichen Personen, mit anderen Worten: für die nicht physischen Bezieher von Gütern ist die Summe dieses als Reinvermögenszugang sich ausdrückenden Güterbezuges i m Verhältnis zu ihren besonderen Aufgaben ebenso Einkommen, wie die Einkünfte der natürlichen Personen i m Verhältnis zu dem Verbrauch für persönliche Zwecke. Diese Gebilde nehmen am Rechts- und Wirtschaftsleben in derselben Weise teil, wie die natürlichen Personen. Es besteht deshalb kein innerer Grund, die Anteile an den Ergebnissen des Wirtschaftslebens i n ihrer Hand steuerlich als etwas anderes anzusehen als bei den natürlichen Personen." Wenn man so wollte, ließ sich daher durchaus mit einiger Berechtigung argumentieren, daß trotz der rechtstechnischen Verselbständigung der Körperschaftsteuer i m Grunde alles beim alten verblieben sei. Tatsächlich ist daher selbst von einem so bedachten Beurteiler der hier geschilderten Sachzwänge einer werdenden echten Unternehmensbesteuerung, nämlich von Popitz 20, dargelegt worden, daß die Körperschaftsteuer nach 20

Vgl. A r t . Körperschaftsteuer i n : H d W d S t W 4 Bd. V, S. 895.

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wie vor eine „Unterart der Einkommensteuer" darstelle. War dies jedoch wirklich das Ergebnis, zu dem man bei einer verständigen Würdigung der Motive und der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften gelangen mußte? Schon die Berufung auf die verwaltungssoziologische Betrachtungsweise, die Empfehlung der Anknüpfung an eine jahrzehntelang eingespielte Verwaltungserfahrung also, verrät nämlich, daß i m Grunde keine sehr tragfähige Begründung für die Parallelität i n der Einkommen- und Körperschaftsbesteuerung geliefert werden konnte. Wer vermeinte, auf eingefahrene Verwaltungspraktiven Rücksicht nehmen zu müssen, beugte sich bloßen Argumenten aus dem Bereich der Steuertechnik (Grundsatz der Bequemlichkeit und Pratikabilität steuerlicher Maßnahmen!). Mehr als bloße rechtstechnische Beziehungen ließen sich durch eine solche „Beweisführung" eben nicht herstellen. Dasselbe traf jedoch auch für die Gesichtspunkte zu, die i n den Motiven als angebliche „innere Gründe" für die weitergehende Verflechtung der Körperschaftsteuer mit der Einkommensteuer ins Feld geführt worden waren. Gewiß, wählte man, wie es die Motive taten, die Verfügungs- bzw. Zugangskomponente i m Einkommensbegriff zum ausschlaggebenden Definitionsmerkmal, so konnte man auch für die juristischen Personen zu dem Ergebnis kommen, daß deren Überschüsse (Gewinne) nichts anderes als Einkommen sein konnten. Gerade das aber war wieder ein Ausweichen i n rein formales Argumentieren. So gesehen, ließen sich auch zahlreiche andere Steuerarten ohne weiteres i n die Kategorie der Steuern vom Einkommen einreihen. Denn knüpften sie nicht alle i n der einen oder anderen Weise an Verfügungsakte an? Letztlich war also auch mit dieser Argumentation nicht viel gewonnen. Von wohl entscheidender Bedeutung für den tatsächlichen Standort der neuen Körperschaftsbesteuerung w i r d man indessen den Umstand einzuschätzen haben, daß mit dem KStG 1920 und dem begleitenden Einkommensteuergesetz vom selben Jahr der steuerliche Einkommensbegriff selbst einen tiefgreifenden Wandel durchzumachen anfing. War die bisherige Entwicklung i n der Weise verlaufen, daß das noch i n Ertragskategorien verhaftete steuerliche Denken des 19. Jahrhunderts inzwischen allgemein vom steuerlichen Zugriff beim einzelnen Wirtschafter abgelöst worden war, das von den Besonderheiten der respektiven Einkommensquellen immer mehr abgesehen hatte 2 1 , so verlief die neuere Entwicklung seit einiger Zeit eher wieder in umgekehrter Richtung. Gemeint ist der Zerbröckelungsprozeß, der den Einkommensbegriff ζ. T. schon während der bundesstaatlichen Einkommen-Körperschaftsteuer-Periode, verstärkt 21 Hierzu allgemein: G. Wilke, Die Entwicklung der Theorie des staatlichen Steuersystems i n der deutschen Finanzwissenschaft des 19. Jahrhunderts, FA Jg. 38 I (1921), S. 1 ff., 45 ff., 51 ff., 99 ff.

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jedoch seit dieser umfänglichsten Steuerreform, die das Reich bisher gesehen hatte, zu erfassen begann. Es drängt sich auf, daß dieser Entwicklungsprozeß gleichfalls nicht ohne Einfluß auf die hier behandelte Verweisungsmethode des K S t G 1920 bleiben konnte. Folgt man der amtlichen Begründung zum Einkommensbegriff des EStG 1920, so könnten die dort zum Ausdruck gebrachten Überlegungen allerdings wieder eher den entgegengesetzten Eindruck erwecken. Wie kaum eine andere Einkommenstheorie war die Schanzsche Reinvermögenszugangstheorie, an die sich der Entwurf einer Einkommensteuer i m Jahre 1920 anzulehnen versuchte, so recht geeignet, die letzten Reste der bis dahin vorherrschenden Quellentheorie zugunsten einer synthetischen Einkommensbetrachtung aufzugeben 22 . Indessen hatte die neue Theorie eine immanente technische Schwäche. Indem sie das (steuerpflichtige) Einkommen als das Ergebnis einer Gegenüberstellung aller Vermögenszugänge mit allen Vermögensabgängen deutete, war sie i n praxi von der Existenz einer kaufmännischen Buchführung und Bilanzrechnung abhängig. Fehlte eine solche, konnten das Einkommen und insbesondere die vermögensbezogenen Wertzugänge nur sehr schwer, wenn überhaupt, ermittelt werden. Sollte deshalb einerseits möglichst viel von der zum Ausgangspunkt erhobenen Schanzschen Einkommenstheorie oder, wie sich der Reichsfinanzhof äußerte 23 , vom erweiterten kaufmännischen Gewinnbegriff gerettet, andererseits jedoch — wegen der erforderlichen Umstellung i n der A r t der Einkommensermittlung — unnötige „ V e r w i r rung und Unsicherheit i n den beteiligten Kreisen" 2 4 vermieden werden, stand nur noch die Zuflucht zu mehr oder weniger deutlichen Kompromissen offen 25 . Tatsächlich ist bei der Paraphierung der einschlägigen Gesetzesvorschriften auch so verfahren worden. Allerdings nicht i n der Weise, daß nun unterschiedliche Einkommensarten (Teileinkommensbegriffe) geprägt worden wären. Das Muster bestand vielmehr darin, daß grundsätzlich an einem übergreifenden Einkommensbegriff festgehalten („das steuerbare Einkommen"), i h m jedoch i n der Berechnung der Modalitäten ζ. T. erhebliche Modifikationen hinzugefügt wurden. Der Sache nach w u r den daher bald sämtliche Vermögenszugänge erfaßt (so bei den buchfüh-

22

Vgl. Begründung zur Reichseinkommensteuer, S. 17 ff. R G H 12, 213. 24 Begründung zur RESt 1920, S. 24. 25 Die mangelnde Übereinstimmung zwischen dem dogmatischen Ausgangsp u n k t — der verbalen Rezeption der Schanz'schen Reinvermögenszugangstheorie also — einerseits (ESt-Motive, S. 24, KSt-Motive, S. 11) u n d der p r a k tischen Durchführung dieses Konzepts andererseits, ist denn auch schon f r ü h zeitig hervorgehoben worden, vgl. etwa G. Strutz, Die Einkommensteuer, H d B d Reichssteuerrechts 2 , S. 153. 23

6 Rasenack

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renden Gewerbe- und Bergbautreibenden 26 ), bald beschränkte man sich — immer natürlich neben den schon nach bisherigem Rechtszustand erfaßbaren Einkünften — auf die auf das Umlaufvermögen entfallenden Zugänge (so bei den übrigen Gewerbe- und Bergbautreibenden, einschließlich der ihren Grundbesitz selbst bewirtschaftenden Land- und Forstwirte 2 7 ). Und i n zahlreichen, i n der Regel die Sphäre privater Kapitalzugänge betreffenden Fällen kam die Besteuerung von Vermögenswertzugängen sogar überhaupt nicht i n Betracht 28 . Dieser Differenzierungsprozeß innerhalb des von der Reinvermögenszugangstheorie gerade erst synthetisch zusammengefaßten Einkommensbegriffs war — wie bereits dargelegt wurde 2 9 — an sich bereits zu Zeiten der bundesstaatlichen Steuerordnungen i n Gang gekommen, als mit der Entdeckung der Marktgängigkeit gewisser Anlagegüter die ersten Steuerpflichtigen dazu gezwungen wurden, i m Gegensatz zu der noch herrschenden Quellentheorie auch (unmittelbare) Kapitalgewinne auszuweisen. Hatte diese neuere Entwicklung bisher jedoch lediglich dort eingesetzt, wo die erforderlichen Rechnungsmethoden bereits vorhanden waren, also insbesondere bei den sog. Buchkaufleuten, einschließlich der steuerpflichtigen Kapital- und Erwerbsgesellschaften, so dehnte sich dieser Prozeß jetzt auch i n Anlehnung an die einzelnen Einkunftsarten aus. Das konnte insbesondere an der Kategorie derjenigen Steuerpflichtigen beobachtet werden, die — wie Kleingewerbetreibende, sowie Land- und Forstwirte — zu einer Gewinnrechnung ohne Bestandsvergleich verpflichtet waren 3 0 . M i t h i n lag die Essenz der neuen Regelung darin, daß neben die Differenzierung des Einkommensbegriffs je nach Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer kaufmännischen Buchführung jetzt noch die weitere Unterscheidungsmöglichkeit nach der jeweils i n Frage stehenden Einkunftsart trat 3 1 . Dabei schien die Annäherung an den für Vollkaufleute 26 §§§ 7, 33 Abs. I I EStG 1920, sowie 33a EStNovelle v o m 24. 3. 1921, der den Grundsatz i n das Gesetz aufnahm, daß nicht-realisierte Gewinne nicht als E i n kommen betrachtet werden dürfen (Ansetzung der Gegenstände des Betriebsvermögens höchstens zum Anschaffungs- oder Herstellungswert!). 27 §§ 6 (soweit die L a n d - u n d Forstwirtschaft betreffend) u. 32 EStG 1920. 28 Es sei denn, es handelte sich u m sog. Spekulationsgewinne, §§11 Ziff. 5, 352EStG 1920. 9 Vorstehend i n Kap. 2 unter 2. 30 Dieser eingeschränkte Vermögensvergleich errechnete sich ζ. B. für den selbstbewirtschafteten Grundbesitz durch Vergleich der Betriebseinnahmen m i t den Betriebsausgaben unter Berücksichtigung der Bestands- und Wertveränderungen i m Hinblick auf die noch vorhandenen Wirtschaftserzeugnisse, Waren u n d Vorräte, sowie des beweglichen Anlagekapitals. 31 Was freilich i n Anbetracht des synthetischen Ansatzes des Einkommensbegriffs, d. h. nach Ablehnung der herkömmlichen Quellentheorie, nicht ganz unstreitig w a r : Die Differenzierung des Gesamteinkommens nach Maßgabe dreier unterschiedlicher Rechnungsformen (dazu zusammenfassend die EStMotive, S. 53 f.) w a r i n formellen Berechnungsvorschriften erfolgt. Vgl. dazu insbes. die spätere amtliche Begründung zu § 13 EStG 1925, nach der die E i n -

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geltenden Einkommensbegriff, den Gewinn, um so klarer vollzogen worden zu sein, je deutlicher der an der Hervorbringung der laufenden Einkünfte beteiligte Bestand, das Anlage- bzw. Betriebsvermögen, selbst als Gegenstand von Einkünften hervortreten konnte. Denn wenn die Motive zum EStG 1920 diese grundsätzliche Forderung der Reinvermögenszugangstheorie m i t den Gerechtigkeits- und Billigkeitsanschauungen eines „entwickelten Wirtschaftslebens, wo fast jeder jede Erwerbsmöglichkeit auszunutzen bestrebt sei 3 2 ", i n Verbindung zu bringen suchten, mußte daraus i m Gegenschluß gefolgert werden, daß man sich i m Hinblick auf die Ermittlung des steuerbaren Einkommens dann nicht weiter oder jedenfalls nicht i n vollem Umfang u m Wertveränderungen an der Einkommensbasis zu kümmern brauchte, wenn nach allgemeiner Verkehrsanschauung bzw. nach den tatsächlichen Gegebenheiten das Vermögen selbst nicht unmittelbar zur Einkommenserzielung eingesetzt zu werden pflegte. Tatsächlich ist dieses Prinzip auch äußerst folgerichtig ausgeführt worden: Angesichts einer Einkommenstheorie, für die die Notwendigkeit der Einbeziehung unmittelbar kapitalbedingter Leistungsfähigkeiten, etwa hervorgerufen durch extreme (konjunkturbedingte) Wertsteigerungen an Gegenständen des Anlagevermögens, zum wesentlichen Bestandteil des begrifflichen Selbstverständnisses geworden war, mußte es bei der administrativen Ausfüllung des Konzepts i n erster Linie darauf ankommen, ob derartige unmittelbare Kapitalgewinne i n der Praxis erzielt wurden oder nicht. Ging man vom nicht-gewerbetreibenden und nicht Landwirtschaft ausübenden Steuerzahler aus, konnte von Anlagevermögen regelmäßig keine Rede sein. Folglich war die Überschußrechnung der Einnahmen über die gesetzlich vorgesehenen Abzüge (Einnahme-Überschußrechnung) die regelmäßige und zugleich sachgerechte Methode der einkommensteuerlichen Erfassung 33 . Anders lag der Sachverhalt schon beim Land- und Forstwirt bzw. dem kleinen (nicht-buchführenden) Gewerbetreibenden. Hier war fast ausnahmslos ohne den Einsatz eines wie auch immer beschaffenen Betriebsvermögens nicht mehr auszukommen. So brauchte der Bauer bereits Vieh, Weiden, Äcker, Gebäude und Gerätschaften, also alle Arten von Anlage- sowie Umlaufvermögen; und selbst der ärmlichste Gewerbetreibende konnte zumindest nicht ohne ein M i n i mum an Gegenständen des Umlaufvermögens auskommen, wie etwa Pferd und Wagen beim Trödler oder der Musterkoffer beim Gewerbetreibenden i m Umherziehen. Gleichwohl repräsentierten diese Gegenstände des Betriebsvermögens nur ζ. T. eine eventuelle wirtschaftliche Potenz. kommensermittlungsvorschriften eindeutig materiellen Charakter angenommen hatten (ReichstagsDrs. 3. Wahlperiode 1924, Nr. 795, S. 19 ff.), sowie G. Strutz, K o m m . z. EStG 1925 Bd. I, S. 531 f. 32 Motive zum EStG 1920, S. 20. 33 Vgl. § 34 EStG 1920. 6*

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Denn i n dem Maße wie das unbewegliche Anlagevermögen des Landund Forstwirts, also der Grund und Boden, festliegender Produktionsfaktor war, der nicht beliebig vermehrt und i n seiner Eigenart und Güte auch nicht wesentlich verbessert werden konnte, entzog er sich i. d. R. spektakulären Wertsteigerungen 34 . Beim nicht-buchführenden Gewerbetreibenden endlich brauchte dieser Vermögensgegenstand nicht einmal überhaupt vorhanden zu sein: Das Gewerbe konnte ggf. auch i n angemieteten Räumlichkeiten ausgeübt werden. Nichts lag daher näher, als den i n den §§ 32, 33 Abs. I EStG 1920 angeordneten eingeschränkten Vermögensvergleich auf die Gegenstände des beweglichen Anlagevermögens, sowie das Umlaufvermögen zu beschränken. Erst beim buchführenden Gewerbetreibenden, insbesondere also bei den Vollkaufleuten einschließlich der körperschaftsteuerpflichtigen Erwerbs- und Kapitalgesellschaften, bestand Anlaß, den umfänglichen Vermögensvergleich gesetzlich vorzuschreiben, vgl. § 33 Abs. I I EStG 1920. Denn je ausgedehnter ein gewerbe- oder bergbautreibendes Unternehmen angelegt war, je eher war damit zu rechnen, daß jetzt auch das beteiligte unbewegliche Anlagevermögen unmittelbar zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beitragen konnte. Weder bestand hier, wie etwa bei den Landwirten, eine eingewurzelte Auffassung, daß gewisse Bestandteile des Betriebsvermögens als marktgängige Ware nicht i n Betracht kämen und füglich nur selten veräußert zu werden pflegten, noch war Wertsteigerungen an Grund, Boden und Gebäuden i n irgendeiner Weise ein Riegel vorgeschoben. I m Gegenteil, der technische Fortschritt und die Gegebenheiten des Marktes begünstigten derartiges eher. Ist das jedoch richtig beobachtet, w i r d man i n der Tat der Verweisung auf die einkommensteuerlichen Besteuerungsgrundlagen durch das KStG 1920 kaum noch die wesentliche materielle Bedeutung beimessen können, die man ihr früher i m Rahmen einer Einkommensbesteuerung mit Ausschließlichkeitsanspruch noch beilegen mochte. Eine Einkommensteuer, die wieder zunehmend auf die Eigenarten der einzelnen Faktoreinkommen abhob, zerfiel selbst i n ein Bündel mehr oder weniger ausgeprägter Teileinkommensteuern und abstrahierte i n ganz ähnlicher Weise, wie es für die moderne Körperschaftsteuer der Fall war, von der singulären Situation, i n der sich der einzelne Steuerbürger befinden mochte, u m entsprechend neuerlich mehr Gewicht auf die typischen sozialen Bezüge zu 34

Dazu schon G. Strutz, Die Einkommensteuer, HdBdRSteuerR 2 , S. 195. — Noch bis i n die letzte Zeit sind die Bodenwertveränderungen i m langwirtschaftlichen Vermögen aus eben diesen Erwägungen von der Einkommensteuer freigestellt gewesen, vgl. § 4 Abs. I, S. 4 EStG 1958 (BGBl. I, S. 673) u n d dazu allg. E. Becker, Grundlagen der Einkommensteuer, S. 447, 454 f. Wegen veränderter Verhältnisse ist die unterschiedslose Fortführung dieser A r t des eingebrachten Vermögensbestandvergleichs freilich inzwischen f ü r verfassungswidrig erklärt worden: BVerfGE 28, 227 ff. sowie 2. StÄndG 1971 v. 10. 8.1971 (BGBl. I, S. 1266).

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legen, die durch die Verbindung des Einzelnen über die verschiedenen Faktoreinkommen mit dem gesamtwirtschaftlichen Prozeß hergestellt wurden 3 5 . Die Konsequenzen, die eine solche Entwicklung zu einer mehr objekt i v verstandenen Leistungsfähigkeit nach sich ziehen mußte, liegen auf der Hand. Der einkommensteuerliche Einkommensbegriff mußte selbst zu einem konventionellen, die typischen Gegebenheiten von Verwaltungspraxis und Wirtschaftsleben berücksichtigenden Terminus werden. Dagegen konnte er seine eigentliche Funktion, als steuerpolitisches Ideal den individuellen Fall allein nach den konkreten Umständen für die Steuer zu erfassen 36 , immer weniger erfüllen. Dann aber stellte die körperschaftsteuerliche Anknüpfung an den Einkommensbegriff i n einem anderen Gesetz schon selbst nur noch die Anlehnung an einen bereits aus anderen Gründen formalisierten Begriff dar und war somit auch aus diesen Gründen ein Vorgang (sogar doppelter) rechtstechnisch konventioneller Natur ohne weitere sachliche Aussagekraft. Nicht ohne Grund hatte der Gesetzgeber an anderer Stelle des Gesetzes denn auch bereits selbst eine höchst bedeutsame Folgerung aus dem so veränderten Einkommensbegriff gezogen. Gemeint ist die seit dem K S t G 1920 erstmalig vollzogene Umstellung der Körperschaftsteuer auf den reinen Proportionaltarif 3 7 . Denn hätte man mit der Weiterverweisung auf das Einkommensteuerrecht wirklich eine volle „innere" Übereinstimmung mit der Zielrichtung der einkommensteuerlichen Erfassung der natürlichen Person herstellen wollen — was hätte dann näher gelegen, als zugleich von denselben tariflichen Vorstellungen auszugehen, wie sie der Einkommensteuer zugrunde lagen 38 ? I n der Tat kam i n dieser Neuerung des KStG 1920 der Bruch mit der bisherigen Entwicklung wohl am deutlichsten zum Ausdruck. War i n dieser Beziehung bislang überall i n Deutschland zu progressiven Steuersätzen gegriffen worden — u. a. um dadurch zu bekunden, daß etwa einbehaltene Gewinne, die aus rechtlichen Gründen nicht personal zugerechnet werden konnten (keine Verfügungsgewalt!), um deswillen noch nicht von einer progressiven, personale Leistungsfähigkeiten berücksichtigen35 Dieser Gedanke ist auch angesprochen bei H. Teschemacher, Die E i n k o m mensteuer, HdBdFinWiss 1 , S. 77. 36 So aber w o h l noch J. Schumpeter , Die Krise des Steuerstaates, S. 29. Anders später i n Ökonomie u n d Soziologie der Einkommensteuer, Der Dtsch. V o l k s w i r t , Jg. 4 I (1929/30), S. 380 ff. 37 Nachdem frühere Bestrebungen, die m i t ähnlicher Zielrichtung vorgetragen worden waren, gescheitert waren, vgl. vorstehend die A n m . 14 u. 15. 38 Dem Prinzip der Besteuerung individueller Leistungsfähigkeit also — was man darunter theoretisch oder praktisch auch verstehen wollte. Z u m Stand der Meinungen f ü r die damalige Zeit vgl. W. Lötz, Finanzwissenschaft, S. 239 ff., 243 ff.

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i i e n und Tendenzen

den Einkommensteuer ausgeschlossen zu werden brauchten —, so hatte sich jetzt die Betrachtungsweise augenscheinlich geradewegs umgekehrt: Eben weil das körperschaftsteuerliche „Einkommen" zu einer Kategorie besonderer A r t aufgestiegen war, d. h. weil sich — theoretisch beflügelt durch die Theorie vom Unternehmen an sich — die Überzeugung Eingang verschafft hatte, daß körperschaftliche Gewinne mit Hilfe der überkommenen Theorien rein individueller Zurechnung einfach nicht mehr ausreichend erklärt werden konnten, mußte es logischerweise auch unmöglich erscheinen, diesen (körperschaftlichen) Gewinn länger an Kriterien zu messen, die für die Messung der Steuerkraft von natürlichen Personen entwickelt worden waren. Infolgedessen war es nur naheliegend, auf den ungeteilten Gewinn, das „Einkommen" der Körperschaften, auszuweichen und alles wieder wie Erträge zu besteuern, d. h. proportional, an der Quelle und ohne Ansehung der persönlichen Verhältnisse der einzelnen Anteilhaber. Deutlicher konnte das Abgehen vom bisherigen Konzept der Einkommen-Körperschaftsbesteuerung jedoch kaum zum Ausdruck gebracht werden. I n voller Ubereinstimmung mit dem bis jetzt Vorgetragenen konnte daher anfangs gesagt werden, daß es dem Körperschaftsteuergesetzgeber des Jahres 1920 trotz mancher zweifelhafter Bekundungen weitgehend darum gegangen war, auch hinsichtlich der objektiven Besteuerungsgrundlage den Bruch m i t der bisherigen Entwicklung soweit wie möglich deutlich zu machen. Allerdings — zu mehr als einer rechtstechnischen Verweisung auf die entsprechende Regelung bei der Einkommensbesteuerung hatte es dabei nicht gereicht. Daraus w i r d man dem damaligen Gesetzgeber jedoch nur bedingt einen Vorwurf machen können. Denn selbst die heutigen Körperschaftsteuergesetze sind i n dieser Beziehung nicht über diese Situation hinausgelangt. Freilich — und das muß hier nochmals betont werden — blieb die moderne Körperschaftsteuerung seitdem auch m i t dem Handicap belastet, daß sich wegen der nun einmal „festgeschriebenen" Begriffswahl die unglücklichsten Assoziationsvorgänge immer aufs neue wiederholen konnten.

3. Besieuerungsgegenstand und Periodenabgrenzung

So wenig derartige Mißdeutungen jedoch bei einer sorgfältigen Analyse des körperschaftsteuerlichen Besteuerungsgegenstandes gerechtfertigt erschienen, so wenig bestand zu derartigen Schlußfolgerungen auch mit Rücksicht auf die sonstigen Veränderungen i m aktuellen Körperschaftsteuerrecht, hier also i n Hinblick auf die Periodenabgrenzung, bzw. den sog. Verlustausgleich, Anlaß. Denn obschon der Steuergesetzgeber des Jahres 1920 — und zwar nicht zuletzt wegen der allgemeinen Finanzlage nach dem verlorenen Krieg — dazu gezwungen war, den bisher üblichen

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Periodenausgleich generell abzuschaffen, blieb es für die Körperschaftsteuer gleichwohl bei einer bezeichnenden Ausnahme, die den neuen Sonderstatus dieser Steuer nur weiter unterstreichen konnte: Laut § 7 Ziff. 3 K S t G 1920 war es nach wie vor statthaft, vom Gesamtbetrag der körperschaftlichen Einkünfte u. a. die zur Deckung von Unterbilanzen eingestellten Beträge abzuziehen. Natürlich konnte hier argumentiert werden, daß diese Vorform des modernen Verlustvortrags bzw. Verlustabzugs lediglich Vorschriften des Handelsgesetzbuchs und des GmbH-Gesetzes Rechnung tragen wollte, auf Grund derer — wegen der Einstellung des Grund- bzw. Stammkapitals i n die Passivseite der Bilanz — Gewinne erst nach Wiederauffüllung einer ggf. vorhandenen Unterbilanz ausgewiesen werden durften 3 9 . Tatsächlich scheint dies auch die Überzeugung der Reichsfinanzverwaltung gewesen zu sein 40 . Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus ließ sich jedoch ebensowenig leugnen, daß die von der steuerfreien Wiederauffüllung ihrer Unterbilanzen begünstigten Körperschaften, und zwar nur sie, nach wie vor Verlust jähre mit Gewinn jähren aufrechnen durften. Denn selbstverständlich konnte eine Unterbilanz i n aller Regel nur durch ein Übergewicht der Aufwendungen über die Erträge entstehen, und umgekehrt konnte ein steuerpflichtiger Gewinn erst bei einem Überschuß der Roheinnahmen über die Ausgaben (einschließlich der Kompensierung vergangener Verluste) auftreten. Damit war jedoch — von der Beschränkung des Verlustvortrags auf den rechnerischen Betrag der Unterbilanz abgesehen — die Berücksichtigung des wirtschaftlichen (Miß-)Erfolges von Vorjahren grundsätzlich gewährleistet und zudem, i m Unterschied zu der Situation bei den natürlichen Personen, derjenige Aspekt der bisherigen Periodenabgrenzung beibehalten, nach dem Gewinne und Verluste zwischen mehreren Rechnungsperioden unter bestimmten Voraussetzungen für die Steuerberechnung berücksichtigt werden konnten. Und diese Differenzierung erschien auch sachgerecht. Während sich i n Hinblick auf natürliche Personen argumentieren ließ, daß selbst bei vollständigem Vermögensverfall — zumindest i m typischen Fall — der Rückgriff auf die individuelle Arbeitskraft offen blieb, war ein solcher Neubeginn für Verbandpersonen i. d. R. nicht möglich. War hier das Eigenkapital und damit die regelmäßige wirtschaftliche Basis verzehrt, so endete regelmäßig auch die Existenz des betroffenen Rechtsgebildes. Daher bestand Folgerichtigkeit, wenn auch die Steuer an diesen Gegebenheiten nicht vorüberging, sondern — wie dargelegt — trotz der schlechten Finanzlage des Reichs Vorkehrungen dafür traf, daß zumindest das vorhandene Eigenkapital der Körperschaften gebührend geschont wurde. 39 40

Vgl. §§ 261 Nr. 5, 288, 320 Abs. I I I HGB, 42 Nr. 4 GmbHG. Vgl. den Hinweis bei R. Evers, Köperschaftsteuer HdBdRSteuerR 2 , S. 309.

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4. Das Doppelbesteuerungsproblem Zweifellos waren daher nunmehr auch für das leidige Doppelbesteuerungsproblem diejenigen Voraussetzungen geschaffen, an Hand derer sich zu einer grundsätzlich neuen Sicht der Dinge gelangen lassen mußte. Stand fest, daß das „Einkommen" der Körperschaften nicht mehr stellvertretend für das Einkommen der an ihnen beteiligten natürlichen Personen genommen werden durfte, sondern war vielmehr davon auszugehen, daß dieser Terminus zu einem durchaus selbständigen (wenn auch rechtstechnisch von der parallelen Einkommensbesteuerung ebenfalls benutzten) Indikator für eine grundsätzlich eigenständige Leistungsfähigkeit geworden war, so ergab sich i m allgemeinen kaum noch Raum für Betrachtungen, i n deren Befolgung für die Exemtion irgendwelcher konkreter Gewinnbestandteile aus der Gesamtbesteuerungsgrundlage plädiert werden konnte. Für einen Einkommensbegriff, der die Leistungsfähigkeit einer von den Interessen ihrer Kapitalinhaber mehr oder weniger emanzipierten Unternehmung treffen sollte, mußte es vielmehr vergleichsweise gleichgültig sein, an Hand welcher konkreter Bestandteile ihres wirtschaftlichen Erfolges die jeweilige körperschaftsteuerliche Leistungsfähigkeit gemessen wurde. Hielt man es für opportun, eventuell auszuschüttende Dividenden oder sonstige Bezugsrechte i n die Besteuerungsgrundlage einzubeziehen, so hatte das allein seine rechnerischen Konsequenzen: Entschloß man sich zu einem solchen Schritt, konnte bei einem gegebenen, d. h. durch die Körperschaftsbesteuerung zu erzielenden Gesamtaufkommens, der Tarif entsprechend niedriger gehalten werden. Umgekehrt war der Steuertarif zu erhöhen, falls der Dividendenanteil am Gewinn ausgeschieden werden sollte. M i t ebenso gutem Recht hätte man daher beispielsweise auch die an Dritte zu zahlenden Schuldzinsen zum Gewinn rechnen können oder gar die an Angestellte und Arbeiter auszuzahlenden Gehälter bzw. Löhne. I m Hinblick auf die Aufsichtsratvergütungen ist das seit 1906 ja auch wiederholt geschehen41. Besonderheiten hätten sich dadurch jedoch nicht ergeben. Noch immer wären dem Staat seine Steuerbeträge allein aufgrund der erwerbswirtschaftlichen Betätigung i n Körperschaftsform zugekommen. Wenn der Gesetzgeber i n der Begründung zum Körperschaftsteuerentwurf die herkömmliche Argumentation zur (wirtschaftlichen) Doppelbesteuerung mit der Überlegung zurückgewiesen hat, daß es allein darauf ankommen könne, ob dasselbe Wirtschaftssubjekt mehrfach von derselben Steuer getroffen werde, so ergab sich hieraus denn auch folgerichtig, daß die gesonderte körperschaftsteuerliche Steuerpflicht ohne weiteres für eine besondere materielle Leistungsfähigkeit genommen werden 41

Erstmalig hatte es eine „Aufsichtsratsteuer" i m ReichsstempelG v. 1906

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müsse. I m einzelnen hieß es wie folgt: „Zuzugeben ist, daß die Vermögenswerte, die sich i n der Hand der Erwerbsgesellschaften aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit ansammeln und besteuert werden, zum Teil i n eine zweite Hand gehen und dort nochmals besteuert werden. Eine Doppelbesteuerung mag hier i n dem Sinne vorliegen, daß Teile der volkswirtschaftlichen Gütererzeugung auf dem Wege zum endgültigen Verbraucher zweimal m i t einer rein nach den persönlichen Verhältnissen des Verbrauchers sich bestimmenden Steuer belegt werden. Jedenfalls aber liegt eine doppelte Besteuerung i n dem Sinne nicht vor, daß dasselbe Subjekt zweimal besteuert wird. Nur i n dieser A r t könnte aber die doppelte Besteuerung einen besonderen Angriffspunkt bieten; denn i m übrigen ist die mehrfache Besteuerung desselben wirtschaftlichen Gutes nichts Ungewöhnliches. W i r d diese mehrfache Besteuerung nun auf die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen selbst gestützt, also nicht auf Verhältnisse und Merkmale, die mit dem Gute und dem Betrieb, i n den es gerät, unmittelbar zusammenhängen, so w i r d dadurch die mehrfache Besteuerung ebensowenig begrifflich unzulässig wie i n anderen Fällen. Eine Doppelbesteuerung wie beim Kapitalertragsteuergesetz, bei dem unter Umständen dasselbe Subjekt zweimal besteuert wird, liegt jedenfalls nicht vor 4 2 ." M i t h i n hielt der Entwurf i n voller Übereinstimmung mit dem bisher Vorgetragenen den Vorwurf der Doppelbesteuerung systematisch für durchaus irrelevant. Freilich hatte die amtliche Begründung auch noch eine Argumentationskette für den Fall parat, daß gleichwohl an einer weitgehenden Identifizierung von Körperschaften und Anteilhabern und damit zugleich an der Vorstellung einer echten Doppelbesteuerung festgehalten werden würde. Dabei erschienen wiederum sämtliche Überlegungen, mit denen bereits bisher auf den V o r w u r f einer drohenden wirtschaftlichen Doppelbesteuerung reagiert worden war. A n dem lediglich ergänzenden, hilfsweisen Vorbringen dieser Erwägungen konnte jedoch kein Zweifel bestehen; denn i n diesem Zusammenhang hieß es: „Aber selbst dann, wenn man eine Doppelbesteuerung anerkennen wollte, wäre sie innerlich begegeben. Diese Vorschrift ist später i n das Kapitalverkehrsteuergesetz übernommen worden u n d hat v o n dort ihren Weg i n das K S t G gefunden, nämlich i n die §§ 10 Abs. I I Nr. b, 17 Nr. 4 K S t G 1925, u n d zwar dadurch, daß man die Abzugsfähigkeit der (freiwilligen, d. h. zusätzlichen) Aufsichtsratsvergütungen usw. als Betriebsausgaben nicht mehr zuließ, vgl. amtl. Begründung z u m K S t G 1925, R T Drs. I I I . Wahlp. 1924, Nr. 796, S. 10. Neben der Absicht, körperschaftsteuerfreie Gewinnverschiebungen zu unterbinden (vgl. dazu auch § 5 R A O 1919, später § 6 S t A n p G [Rechtsmißbrauch]), hat dabei immer auch der Gedanke eine Rolle gespielt, eine besondere körperschaftsteuerliche Leistungsfähigkeit zu erfassen (Aufsichtsratvergütungen als „Verbrauch" der Körperschaften!), vgl. R. Evers, K o m m , zum K S t G 19252, S. 434 f. — Heute ist die „Aufsichtsratsteuer" geregelt i n § 12 Ziff. 3 KStG. 42 Begründung zum E n t w u r f des K S t G 1920, S. 14.

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gründet. Die Verleihung der Rechtspersönlichkeit gewährt den Erwerbsgesellschaften so viele Rechte, daß sie die Folgen der Selbständigmachung auch auf einem Gebiete tragen müssen, auf dem sie für sie nachteilig ist. Die Vorteile der Rechtsform, i n der sie ihre Zwecke verfolgen können, sind vor allem, neben der völligen Gleichstellung m i t den natürlichen Personen auf allen Verkehrs- und Wirtschaftsgebieten, die bedeutende Verstärkung der Kreditfähigkeit, die i n der fast unbeschränkten Möglichkeit der Erweiterung des Kapitals liegt. Gerade hierin liegt ein Vorteil, der dem Einzelwirtschafter entfernt nicht i m gleichen Maße erreichbar ist. Daß i n vielen Fällen die Kapitalhäufung auch die W i r t schaftlichkeit steigert, ist eine weitere Folge dieser Rechtsform. Außerdem ist aber darauf hinzuweisen, daß die Erwerbsgesellschaften, wie gerade das Beispiel großer Gesellschaften i n neuerer Zeit immer klarer dartut, immer mehr darüber hinauswachsen, eine bloße Hilfsform i n der W i r t schaftstätigkeit der natürlichen Personen zu sein, daß sie sich vielmehr ihre eigenen Aufgaben und Ziele stellen, sich i n Verfolgung dieser Zwecke über ihre ursprüngliche Grundlage hinaus ausdehnen und zum Teil sich i m Gegensatze zu den an ihnen beteiligten natürlichen Personen stellen. Diese Wirtschaftsemanzipation von den Zwecken der Einzelperson ist eine weitere Grundlage für eine selbständige Besteuerung. Endlich aber darf nicht übersehen werden, daß die Erwerbsgesellschaften sich auch zu so übermächtigen Wettbewerbern der privaten Einzelwirtschafter entwickelt haben, daß die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der letzteren unbedingt einen Ausgleich auf steuerlichem Gebiet erfordert. Die Freilassung der Gesellschaften von einer Besteuerung ihres Einkommens würde die Übermacht der Kapitalansammlung noch mehr steigern. Sie würde u m so mehr ins Gewicht fallen, als die Einzelpersonen die für ihren persönlichen Verbrauch benötigten Mittel zu versteuern haben 43 ." I n der Tat war der Entwurf zur Körperschaftsteuer 1920 gut beraten, „für alle Fälle" eine solche zusätzliche Rechtfertigung nachzuschieben. Zwar konnte man sich regierungsseitig insoweit durchsetzen, als die für alle Steuerpflichtigen gleichmäßig anwendbare Sockelsteuer von 10 °/o (später 20 °/o44) nicht durch einschränkende Zusätze i n Richtung auf die Anerkennung einer (echten) Doppelbesteuerung festgelegt wurde, vgl. §§11 und 12 K S t G 1920. Entsprechend gab es keinerlei Rücksichtnahme mehr auf die begleitende Einkommensteuer etwaiger Bezugsberechtigter. I n Hinblick auf die sog. Dividendensteuer, die als Ausschüttungssteuer nach Rentabilitätsgrundsätzen von einzelnen, besonders hervorgehobenen Körperschaftsteuerpflichtigen erhoben wurde 4 5 , hatte der 43

S. 15. U n d zwar durch eine Novelle v o m 8.4.1922 (RGBl. I, S. 472). U n d zwar nach dem V o r b i l d des gescheiterten preuß. Gesellschaftsteuerplans von 1908, vgl. §§ 12 Abs. I Nr. 2, 13 K S t G 1920 u n d dazu die amtl. Begründung, S. 16 ff. 44

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Entwurf jedoch wieder herkömmlichen Vorstellungen weichen müssen. I n § 12 Abs. I Ziff. 2 d. G. war die Regelung getroffen, daß der Zuschlag auf die Ausschüttungen erst zu erbringen war, wenn die zu verteilenden Gewinnanteile „mehr als drei von Hundert des Grund- oder Stammkapitals ausmachten". M i t h i n hatte man hinsichtlich des Aufschlags geradewegs an den Rechtszustand angeschlossen, wie er schon zu Zeiten der bundesstaatlichen Einkommen-Körperschaften vielerorts i n Deutschland gegolten hatte. Tatsächlich sind die Auswirkungen dieser Regelung, die der amtlichen Theorie von der grundsätzlichen Inkongruenz zwischen Körperschaften und natürlichen Personen durchaus entgegenstehen mußten, indessen nicht weiter zum Tragen gekommen. Angesichts der Dividendenpolitik, m i t der die inkorporierten Unternehmen auf die zusätzliche Belastung m i t einer Ausschüttungsteuer reagierten, konnte sich die Dividendensteuer i m K S t G 1920 nicht entfalten. Ohne es zu bemerken oder zumindest ohne es offen zuzugeben 45a , hatte man i m Ergebnis die erste steuerlich indizierte Selbstfinanzierung der betroffenen Gesellschaften i n die Wege geleitet — ganz ähnlich wie es einige Jahre später von der sog. Eilsener Konferenz deutscher Wirtschaftsfachleute 46 mit dem Ziel verlangt worden ist, die institutionelle Kapitalbildung gegenüber der privaten überhaupt zu fördern: Die über diesen Normalausschüttungsbetrag hinausgehenden Beträge wurden eben einfach einbehalten 47 . I n der Praxis dürfte die Dividendensteuer über den Status einer Bagatellsteuer daher kaum hinausgelangt sein. Dann aber war die Doppelbesteuerungsproblematik und ihre gesetzestechnische Bekämpfung ohnehin bedeutungslos 48 . Als viel einschneidender gegenüber dem regierungsamtlichen Konzept konnte sich dagegen schon die Einführung des sog. Schachtelprivilegs erweisen, das seit seiner Niederlegung i n § 6 Ziff. 8 K S t G 1920 — abgesehen von kurzen Unterbrechungen — nicht mehr aus dem deutschen Körperschaftsteuerrecht hinwegzudenken ist. Kurz skizziert ist dieses Privileg — unter teilweiser Beseitigung der objektiven Körperschaftsteuerpflicht — in der Weise angelegt, daß bei bestimmten Mindestbetei45a

Dazu auch F. Terhalle, Finanzwissenschaft, S. 305. Vgl. K a p i t a l b i l d u n g u n d Steuersystem, Verhandlungen u n d Gutachten der Konferenz von Eilsen, hrsg. v o n G. Colm u. H. Neisser, 1. Teil, bes. S. 434 ff. 47 s. dazu Begründung zum E n t w u r f eines K S t G 1925, RTDrs. I I I . Wahlp. 1924, Nr. 796, S . l l . 48 Schon unter dem K S t G 1920 selbst ist es daher auch bereits zu ersten Einschränkungen dieser ursprünglich ausschließlich bei den Erwerbsgesellschaften selbst eintretenden M i l d e r u n g der Doppelbelastung gekommen: § 12 des K S t G i. d. F. der Novelle v o m 8. 4. 1922 (RGBl. I 351) ließ die Milderung lediglich noch i n der H a n d der Ausschüttungsbesitzer eintreten, u n d zwar degressiv m i t steigendem Gesamteinkommen und ohnehin n u r zu einem Bruchteil. Einzelheiten bei R. Evers, Körperschaftsteuer, HdBdRSteuerR 1 , S. 328 ff. 46

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ligungen einer Obergesellschaft an einer Untergesellschaft die auf diese Beteiligung entfallenden (Schachtel-)Gewinne steuerlich außer Ansatz bleiben. Trotz des Vorhandenseins zweier selbständiger Körperschaftsteuersubjekte — der Ober- und der Untergesellschaft — kam die Steuer also nur einmal zur Anwendung 4 9 . Stellte diese A r t der Hintanhaltung einer körperschaftsteuerlichen Mehrfachbelastung, so muß man fragen, jedoch wirklich ein Verfahren dar, das mit der allgemeinen Tendenz des neuen Körperschaftsteuergesetzes, auf (wirtschaftliche) Doppelbesteuerungen keine Rücksicht mehr zu nehmen, grundsätzlich i m Widerspruch stand? Wohl nicht. Zwar war und ist es allgemeine Meinung, daß das Schachtelprivileg der Vermeidung von Doppelbelastungen dienen soll 5 0 . Recht besehen ist diese Sichtweise jedoch nur formallogisch richtig. Näher besehen ist das Problem der Vermeidung zwischen-körperschaftlicher Mehrfachbelastungen gegenüber den i m Verhältnis zwischen natürlichen und juristischen Personen auftretenden Doppelbelastung etwas durchaus anderes: Beim Privileg des steuerfreien Bezugs von Schachtelgewinnen geht es um die Berücksichtigung des Umstandes, daß es sich i m Verhältnis zwischen Ober- und Untergesellschaft nicht nur um denselben Typus von Gewinn und überdies die Zusammenfassung vergleichbarer subjektiv Steuerpflichtiger handelt; vielmehr ist diese Sonderregelung i m körperschaftsteuerlichen Bereich auch noch aus allgemein wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Gründen geschaffen worden: Seitdem, wie es schon W. Rathenau beobachtet und beschrieben hatte 5 1 , die erwerbswirtschaftlich tätigen Korporationen — dem Trend der gegenwärtigen Wirtschaftsepoche zu immer weiter ausholenden organisatorischen Zusammenschlüssen folgend 52 — dazu übergegangen waren, selbst wieder juristische Personen ins Leben zu rufen, bzw. sich an anderen zu beteiligen, konnte eine Körperschaftsteuer, die ausnahmslos vom Prinzip der Besteuerung nach der Rechtsform ausging, nur dazu führen, daß Gesellschaften aus Gründen der Steuerersparnis 523 zu überdimensionierten Unternehmenszusammenschlüssen geschritten wären. Folglich war die Einführung des Schachtelprivilegs 53 jedoch i n der Hauptsache eine Maßnahme, die vorrangig auf die Überlagerung 49

I m K S t G 1920 wurde eine Beteiligung von 20 Prozent verlangt. Vgl. etwa Bühler-Strickrodt, Steuerrecht Bd. I 2 3 , S. 327. V o m Aktienwesen, S. 22. 52 Zuerst erkannt worden ist dieser Trend freilich von K . Marx, vgl. dazu J. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus u n d Demokratie, S. 62 f. Neuerdings vgl. auch W. Friedmann, Recht u n d sozialer Wandel, S. 271. 52 a U m also die gesonderte Besteuerung von Beteiligungsgewinnen u n d später die nochmalige Besteuerung dieses Gewinns i m eigenen Gesamtgewinn zu vermeiden. 53 Sachlich gehört hierher auch das Prinzip der sog. Organschaft, das sich aus der K o n s t r u k t i o n sog. unselbständigen Arbeitseinkommens i m Rahmen des körperschaftlichen Gesamteinkommens entwickelt hat. 50

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3. Kap. : Die Körperschaftsteuerreform 1920

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bislang anerkannter Verbandsautonomie durch noch weitergehende Formen gleichgerichteter Interessenbündelungen, d. h. die beginnende Konzentration i m Konzern, Kartell usw., reagierte: Immer wenn man auf Grund des typischen Erscheinungsbildes einer erheblichen w i r t schaftlichen Verflechtung (Verschachtelung) annehmen konnte, daß die rechtlich an sich existente Selbständigkeit mehrerer Gesellschaften i n praxi nicht vorhanden w a r 5 3 a , ging man auch von dieser tatsächlichen Gestaltung aus und besteuerte konsequenterweise nur einmal. Das jedoch waren wiederum Argumente, wie sie sich m i t Rücksicht auf das Verhältnis zwischen juristischen und natürlichen Personen i. d. R. nicht vorbringen ließen. I n dieser Beziehung bestand weder Vergleichbarkeit der Steuergrundlagen noch des rechtlichen Status, noch konnte man sich — nachdem das Dogma von der Inkongruenz zwischen juristischen und natürlichen Personen einmal eingeführt war — darauf berufen, daß die an einer Körperschaft beteiligten natürlichen Personen dieselbe noch typischerweise beherrschen konnten 5 4 . M i t dem Problem der Doppelbesteuerung i m herkömmlichen und i n dem i n diesem Zusammenhang allein interessierenden Sinn hatte die Einführung des Schachtelprivilegs dann jedoch nichts zu tun. Vielmehr war dieses Verfahren streng auf den eigentlich körperschaftsteuerlichen Bereich beschränkt. Infolgedessen ergaben sich aber auch von hierher keinerlei Anhaltspunkte, vermittels derer sich darlegen ließe, daß das KStG 1920 entgegen der hier vertretenen Ansicht gleichwohl noch maßgeblich auf das bisherige Verhältnis zwischen Einkommen- und Körperschaftsteuer festgelegt gewesen wäre. I m Grundsatz war die neue selbständige Struktur der Körperschaftsteuer m i t h i n durchaus Realität geworden. Freilich war mit diesem Ergebnis das Verhältnis zwischen den beiden Steuerarten nicht schlagartig problemlos geworden. Denn so sehr man sich auch bemüht haben mochte, die Einkommen- und Körperschaftsbesteuerung dadurch sauber voneinander zu trennen, daß man getrennte Einkommensbegriffe einführte und die i n der Praxis beobachteten Verteilungs- und Zurechnungsprobleme dadurch unterlief, daß man anstelle der beteiligten natürlichen Personen die juristischen Personen als solche zu Zurechnungssubjekten erklärte, so wenig war dadurch — jedenfalls 53a W e i l etwa eine Obergesellschaft vermittels ihrer Beteiligung eine Schachteluntergesellschaft w i e eine echte Tochtergesellschaft beeinflussen konnte. 54 Es sei denn, dieser Sachverhalt ließ sich — ebenso typisch — f ü r bestimmte Gruppen v o n Korporationen widerlegen: Entspr. ist bes. f ü r die GmbHs immer wieder versucht worden, Sonderbehandlungen durchzusetzen, die insoweit auf eine Annäherung der K S t an die ESt hinzielten. F ü r das K S t G 1920 waren derartige Vorstellungen (vgl. Bericht des 10. Ausschusses m i t der Zusammenstellung der Vorlagen [hier Vorlage des Reichsrates zu § 11 d. G.], Drs. NationalVers. 1920, Nr. 2344) allerdings nicht durchgedrungen.

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i i e n u n d Tendenzen

i n einem System der freien Wahl der respektiven wirtschaftlichen Assoziationsformen — die Tatsache beseitigt, daß die Körperschaftsteuer — eben weil sie immer nur einen begrenzten Kreis von Unternehmungen erfaßte und bestimmungsgemäß auch nur erfassen wollte — deswegen noch nicht völlig isoliert dastand, sondern immer — um es so auszudrücken — i n Konkurrenz mit der herkömmlichen Form der Unternehmensbesteuerung treten konnte, nämlich der Einkommensbesteuerung der Einzel- und Personenunternehmen, bei denen — schon mangels der rechtlichen Konstruktion, aber auch wegen der Überschaubarkeit des Kreises der ggf. vorhandenen Teilhaber — eine individuelle Zurechnung der i m einzelnen erzielten Überschüsse noch immer durchgeführt werden konnte. Gemeint ist m i t h i n der Umstand, daß sich bestimmte natürliche Personen — eben wegen des grundsätzlich erlaubten Wechsels von einer unternehmensmäßigen Gestaltungsform i n die andere — dieser Gestaltungsfreiheit u. U. aus ganz anderen Gründen bedienen konnten, als es eigentlich i m Sinne der gesetzlichen Typologie lag. So brauchte ζ. B. der Wechsel i n die Form der juristischen Person (AG oder GmbH) keineswegs allein deswegen vorgenommen zu werden, weil man der hierdurch eröffneten rechtlichen und ökonomischen Gestaltungsmöglichkeiten (angemessene Organisation, Weitung der Kapitalbasis usw.) bedurfte. Vielmehr ließ sich an einen solchen Schritt auch ausschließlich wegen der eventuellen Steuervorteile denken. Bei entsprechender gesetzlicher Tarifgestaltung konnte es vorteilhaft erscheinen, daß jemand sein persönliches Einkommen, anstatt es als solches zu beziehen und zu versteuern, i n körperschaftlichen Gewinn umwandelte und dadurch Steuern zu sparen versuchte. Geradewegs diese Situation bekam denn auch schon das K S t G 1920 sehr bald zu spüren. Während der Körperschaftsteuersockeltarif zunächst nämlich nur 10 Prozent, später aber auch nicht mehr als 20 Prozent vom körperschaftlichen Gewinn betrug (wozu freilich noch die allerdings vermeidbare Dividendensteuer m i t Sätzen von 2 - 1 0 Prozent je nach Rentabilität treten konnte), stieg die Einkommensteuer von 10 Prozent bei 1 501 M über ζ. B. 34,3 Prozent bei 100 000 M auf 59,5 Prozent bei 10 000 000 M 5 5 . Entsprechend gehörte nur wenig Phantasie dazu zu erkennen, daß die Verwandlung von persönlichem Einkommen in körperschaftsteuerlichen Gewinn u. U. ganz erhebliche Steuervorteile mit sich bringen konnte. Je nach der Tarifstufe, i n der man zur persönlichen Einkommensteuer herangezogen wurde, konnten ggf. Steuerersparnisse bis zu gut 40 und später doch noch gut 30 Prozent erzielt werden. Und hierbei brauchte dieser offenkundige Spareffekt der K ö r perschaftsteuer noch nicht einmal dadurch wettgemacht zu werden, daß 55 Vgl. §§ 20 Abs. I, 21 EStG 1920 u n d dazu G. Strutz, Die Einkommensteuer, HdBdRSteuerR 1 , S. 210.

3. Kap.: Die Körperschaftsteuerreform 1920

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für die Ausschüttungen — systemgemäß und unvermeidbar — die persönliche Einkommenbesteuerung fällig werden würde: Wer sich seine laufend benötigten Verbrauchseinkünfte (den Lebensunterhalt) i n der Form von Aufwand produzierenden Gehältern zahlen ließ, konnte vorweg den körperschaftsteuerlichen Gewinn noch um einen entsprechenden Betrag kürzen 5 6 . M i t h i n hatte man sich anstelle der Unzuträglichkeiten aus der Frühzeit der Körperschaftsbesteuerung, nämlich der regelmäßig vollständigen Schonung der einbehaltenen Gewinne, und anstelle des Problems aus der Zeit der Einkommenkörperschaftsteuern, daß i m Rahmen eines Systems vollständiger Einkommensbesteuerung gewisse Einkunftsarten (nämlich die Ausschüttungen) ggf. steuerlich höher belastet wurden als andere Einkunftsarten, nunmehr das mißliche Resultat eingehandelt, daß bestimmte Steuerpflichtige ihre Steuerlast überhaupt nach eigenem Gutdünken einzurichten i n der Lage waren — ein Ergebnis, das sich i n der Praxis denn auch schon bald i n einer überproportionalen Zunahme der i n körperschaftlichen Formen betriebenen Unternehmungen niederschlug 57 . Die Gründe für diese neuerliche unangenehme Randerscheinung einer Körperschaftsbesteuerung sind schon angedeutet worden. So sehr man Recht damit gehabt haben mochte, Großunternehmungen, wie Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung usw., nicht mehr nach dem Vorbild des Familien- oder Einzelunternehmens zu besteuern (weil sich die jeweiligen ökonomischen Faktorbeträge derart differenziert hatten, daß man keine eindeutigen Zurechnungen mehr vornehmen konnte 58 ), so wenig geeignet mußten doch — zumindest auf die Dauer gesehen — die rechtstechnischen Anknüpfungspunkte erscheinen, mit denen man diesen Gedanken in die Praxis umzusetzen bemüht war. Zwar mochte es anfangs, und zwar besonders m i t dem Aufkommen der großen Publikumsgesellschaften 50 , durchaus legitim erschienen sein, die Tendenz des Wirtschaftslebens zur Versachlichung der Unternehmungen immer dann als gegeben anzunehmen, wenn die Rechtsform der juristischen Person gegeben war. Sobald durch unheilvolle Gestaltungen des Steuersystems i m übrigen dazu angereizt wurde, daß sich auch solche Unternehmungen der körperschaftlichen Form bedienten, die dieser Rechtsform nicht eigentlich bedurften, mußte der ursprüngliche Ansatzpunkt jedoch an zwingender Logik verlieren. Wie 56 § 9 K S t G 1920 i. V. m. § 33 Abs. I I EStG 1920 ( = Betriebsausgaben). So auch R F H 2, 83 (1919). 57 Stichwort besonders: Flucht i n die Rechtsform der GmbH. Vgl. schon J. Popitz, Körperschaftsteuer, HdWdStW 4 , Bd. V, S. 898 sowie O. Bühler, Steuerrecht der Gesellschaften 3 , S. 14. 58 So auch, freilich i n anderem Zusammenhang (d. h. m i t Rücksicht auf das allg. finanztheoretische Problem einer Scheidung des sog. Besitz- v o m Nichtbesitzeinkommen), etwa B. Moll, Probleme der Finanzwissenschaft, S. 163. 59 d. h. der sog. AEG-Typus, vgl. F. Haussmann, V o m Aktienwesen, S. 17.

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i i e n und Tendenzen

schon oben zur subjektiven Steuerpflicht angeführt worden war, konnten sich hinter einer inkorporierten Unternehmung eben auch Gebilde verbergen, für die die Logik der Theorie vom Unternehmen an sich nicht oder nur i m beschränkten Umfang zutraf. Damit aber dürfte schon jetzt deutlich geworden sein, i n welcher Richtung sich die zukünftige Entwicklung zu bewegen haben würde, wenn sie unter Beibehaltung der prinzipiellen Unterscheidung zwischen natürlichen und juristischen Personen offensichtlich unbillige Ergebnisse vermeiden wollte: Entweder mußte man auf eine Angleichung der respektiven Gesamtbelastung, insbesondere also der Tarife achten oder man mußte sicherstellen, daß die Körperschaftsteuer wirklich nur von echt körperschaftsteuerwürdigen Gebilden erhoben wurde, m. a. W. es mußte nach Mitteln und Wegen Ausschau gehalten werden, mit deren Hilfe es sich verhindern ließ, daß die Körperschaftsteuerpflicht umgangen wurde. 4. Kapitel Die Konsolidierung der bisherigen Entwicklung: Das Körperschaftsteuergesetz 1925 Nicht ohne Grund ist das KStG 1925 denn auch geradewegs i n dieser Richtung wirksam geworden. I n deutlicher Abkehr von der Gesetzestechnik des K S t G 1920 wurde wieder sehr viel mehr Wert auf das differenzierende Detail gelegt und ebenso deutlich nahm die Verwendung unnötig pauschaler Begriffsbestimmungen ab. Entsprechend entstanden diejenigen zahlreichen Sondertatbestände, m i t deren Hilfe sich die moderne Körperschaftsbesteuerung seither bemüht hat, dem Sondersteuercharakter der Körperschaftsteuer allmählich besser Rechnung zu tragen. Durchaus folgerichtig i n dem Bemühen, sich die „Erfahrungen" zunutze zu machen, „die man bei der (bisherigen) praktischen Durchführung (des KStG 1920) gemacht hat(t)e K 1 , hat daher das K S t G 1925 ζ. B. den Versuch nicht wiederholt, die Körperschaftsteuerpflicht ausschließlich auf das Prinzip der juristischen Persönlichkeit zu stützen. Doch auch i m Hinblick auf die objektive Besteuerungsgrundlage bahnten sich wichtige Neuerungen an: So wurden ζ. B. für die aufkommensmäßig wichtigsten Körperschaften, die sog. Erwerbsgesellschaften, das Bündel der theoretisch denkbaren Einkommensarten nach dem begleitenden Einkommensteuergesetz allmählich zu einer einzigen A r t , den sog. gewerblichen Einkünften qua besonderer Rechtsform zusammengefaßt. Entsprechend wendete sich das Blatt bei der Diskussion der Doppel1 Begründung zum E n t w u r f eines K S t G (1925) RTDr., I I I . Wahlperiode 1924, Nr. 796, S. 8.

4. Kap.: Das Körperschaftsteuergesetz 1925

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besteuerung. Von der Erörterung dieses Problems als solchen, bzw. seiner Vermeidung oder Rechtfertigung, ging man immer mehr zu den Problemen über, die die Eigenständigkeit nun einmal mit sich brachte, d. h. man überlegte jetzt i n klarer Erkenntnis der Gegebenheiten, wie sich die als solche gewünschte Sonderbesteuerung der Körperschaften institutionell sichern ließ. M i t h i n hatte sich das K S t G 1925 das Ziel gesetzt, die bisherige Entwicklung zu konsolidieren. 1. Die subjektive Steuerpflicht Schon die Neuordnung des bisherigen Systems der subjektiven Steuerpflicht legte hiervon ein deutliches Zeugnis ab. Hatte es dem bisherigen Gesetzgeber genügt, diesen neuralgischen Punkt einer jeden Körperschaftsbesteuerung i n zwei knappen Vorschriften abzuhandeln, so benötigte das KStG 1925 für diese Aufgabe jetzt acht lange Paragraphen, die i n ihrer Kompliziertheit und Ausführlichkeit gegenüber modernsten Entwicklungen der Körperschaftsteuerpfiicht schon nichts mehr zu wünschen übrig ließen 2 . Freilich waren nicht alle Bestandteile der neuen Regelung eine sachliche Neuerung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand. Soweit die Neuordnung der Körperschaftsteuerpfiicht der privatrechtlichen Rechtsgebilde anstand, waren vielmehr kaum mehr als Überlegungen einer besseren sachlichen Gruppierung i m Spiel 3 . Insbesondere war das i m Hinblick auf die sog. Erwerbsgesellschaften der Fall 4 . Ihre besondere Hervorhebung als erste Gruppe der nach neuem Recht steuerpflichtigen Körperschaften und Vermögensmassen 5 bedeutete i m großen und ganzen lediglich eine Reverenz an die aufkommensmäßig hervorragende Stellung dieser Kategorie von Steuerpflichtigen 6 . Denn selbstverständlich galt auch für die Erwerbsgesellschaften die Notwendigkeit körperschaftlicher Organisation. Insbesondere war nicht daran gedacht, diesen Begriff nunmehr etwa i n der Weise zu verstehen, daß auch bloße M i t 2

§ § 2 - 9 K S t G 1925 gegenüber §§ 1 u n d 2 K S t G 1920. I m m e r h i n w a r auch die dem alten K S t G so wichtige Unterscheidung i n juristische Personen des öffentlichen Rechts u n d des bürgerlichen Rechts als besondere gesetzliche Kategorie aufgegeben. 4 M i t Recht wiesen die Motive (S. 8) darauf hin, daß auf ihnen das Schwergewicht der Körperschaftsbesteuerung überhaupt beruhte. Vgl. auch A. Kennerknecht, Der E n t w u r f eines neuen Körperschaftsteuergesetzes, DJZ Jg. 30 (1925), Sp. 377. 5 Das w a r die neue kategoriale Umschreibung der subjektiven Körperschaftsteuerpfiicht, w i e sie i n § 1 d. G. vorangestellt worden war. 6 So betrug der A n t e i l der Erwerbsgesellschaften am körperschaftsteuerlichen Gesamtaufkommen 1926 v o n 359,9 M i l l . R M allein 353,8 M i l l . RM. 1927 betrug der A n t e i l 509,3 M i l l . R M von 521,4 M i l l . RM. Nach Α. Lampe, Körperschaftsteuer, Wörterb. d. V o l k w . Bd. I I , S. 639. 3

7 Rasenack

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i i e n und Tendenzen

Unternehmerschaften, wie die offene Handelsgesellschaft oder die Kommanditgesellschaft, körperschaftsteuerpflichtig werden sollten 7 . Doch schon i m Hinblick auf die i n den Tarifvorschriften, aber auch anderweitig von einem körperschaftsteuerlichen Sonderregime betroffenen kleinen GmbHs, bzw. Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, sowie einige weitere Körperschaften 8 kündigte sich eine deutliche Neuorientierung an. Denn wenn diesen körperschaftsteuerlichen Gebilden — wie i m übernächsten Abschnitt noch des näheren dargelegt werden w i r d — ζ. B. vom Normaltarif abweichende Sondertarife eingeräumt wurden, die — wie insbesondere bei den kleinen GmbHs usw. — eine direkte Querverbindung zur Einkommensbesteuerung herstellten, so zeigte sich, daß zumindest i n Teilbereichen die bisher so stark betonte Einheit der Körperschaftsteuer zunehmend durchlässiger gestaltet worden war — und m i t ihr zugleich natürlich auch der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Rechtsform für die Körperschaftsteuer. Die sachlich wie formal bedeutsamste Änderung i n der subjektiven Steuerpflicht brachte jedoch zweifellos die Neuregelung der Körperschaftsteuerpflicht für den öffentlich-rechtlichen Bereich. Allerdings hatte sich hier die bisher übliche Gesetzestechnik auch als besonders „unzweckmäßig" 9 erwiesen. Weder war das vom KStG so stark hervorgehobene Prinzip der selbständigen juristischen Persönlichkeit i n der Lage gewesen, an sich nicht steuerwürdige Körperschaften schon grundsätzlich aus der Körperschaftsteuerpflicht herauszuhalten, noch hatte es Eignung gezeigt, Betriebe der öffentlichen Hand, bei denen Steuerwürdigkeit vorhanden war, i n die Körperschaftsteuer einzubeziehen. Bereits früher war daher darauf hingewiesen worden, daß der bis 1925 bestehende Rechtszustand einiges zu wünschen übrig gelassen hatte 1 0 . Immer wieder hatte man der Eventualität einer Besteuerung von werbenden Veranstaltungen i m öffentlich-rechtlichen Bereich jedoch entgegengehalten, daß ein derartiges Verfahren bestenfalls zu Umverteilungen führen würde — nämlich von einer Gewinn erwirtschaftenden öffentlichen Hand auf eine steuerberechtigte öffentliche Hand — und überdies noch unnötige Kosten verursachen müßte 1 1 . 7

Motive, S. 8. Vgl. §§ 4 Abs. I i. V. m. § 21 Ziff. 2 (sog. kleine GmbHs usw. m i t Vermögen unter 50 000 RM), 4 Abs. I I i. V. m. § 21 Ziff. 3a (GmbHs als Genossenschaftszentrale, gewisse Genossenschaften, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit usw.) sowie überhaupt § 21 d. G. 9 Motive, S. 8. 10 So hatte der Reichswirtschaftsrat i n einem Gutachten v. 23. 4. 1928 gesagt: „Es ist eine alte Forderung der Wirtschaft, daß öffentliche Betriebe, die reine Erwerbsunternehmungen bilden, i m Wettbewerb m i t Privatunternehmungen steuerlich nicht bevorzugt werden sollen." Zitiert nach K . Zülow, Die Besteuerung der öffentlichen Betriebe, VJSchrStF Jg. 5 (1931), S. 33. 11 Dazu A. Hensel, Grundsätzliches zur Frage der Besteuerung öffentlicher Betriebe, StuW Jg. 9 (1930), Sp. 879 ff. sowie K . Zülow, S. 38 ff. 8

4. Kap.: Das Körperschaftsteuergesetz 1925

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So wichtig derartige Überlegungen für Zeiten geringer Steuerbelastung gewesen sein mochten, i n denen Wettbewerbsvorteile lediglich aus steuerlichen Gründen noch wenig zählten, dafür aber ein unaufwendiges Erhebungsverfahren m i t stetigen anderweitig nicht zu erzielenden Ertragsquoten umso mehr bedeutete, so unzutreffend mußte diese Argumentation jedoch i n dem Augenblick werden, i n dem die respektiven Steuerbelastungen zu einem (betriebswirtschaftlichen) Kostenfaktor ersten Ranges aufzusteigen begannen. Und gerade diese Situation war nach dem 1. Weltkrieg eingetreten: Nicht nur war die allgemeine Steuerlast auf ein bisher unbekanntes Niveau gestiegen. Auch war der Wettbewerb zwischen den werbenden Betrieben der öffentlichen Hand und den privatwirtschaftlich geführten Unternehmungen zu einer immer alltäglicheren Erscheinung geworden, und zwar besonders nachdem das erwerbswirtschaftliche Engagement des Staates i n den sog. Kriegsgesellschaften über den Krieg hinaus beibehalten worden w a r 1 2 . Schon ein Sondersteuergesetz vom 30. 8. 1924, das Gesetz zur Aufbringung einer Industriebelastung 13 , ist denn auch m i t gutem Grund und erstmalig i n der Finanzgeschichte von den bislang üblichen Befreiungen zugunsten der öffentlichen Hand abgewichen. Den von dieser (einmaligen) Abgabe betroffenen industriellen und gewerblichen Betrieben wurden als aufbringungspflichtige Steuersubjekte jetzt auch zugerechnet: „die werbenden Betriebe des Reichs, der Länder und der Gemeinden (Gemeindeverbände), sowie (diejenigen) werbenden Betriebe, deren Erträge ausschließlich dem Reiche, den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden), zufließen 14 ." Und damit war dann auch — wenngleich erst nach umfangreichen und ζ. T. noch immer grundsätzlichen Erörterungen 1 5 — der allgemeine Weg für die Behandlung dieser Frage i m Körperschaftsteuerrecht gewiesen: Jedenfalls für den öffentlich-rechtlichen Bereich sollte es auf den Grundsatz der Maßgeblichkeit der Rechtsform für die Besteuerung nicht mehr ausschließlich ankommen. Ausschlaggebend war jetzt vielmehr der Gedanke geworden, allein aus steuerlichen Gegebenheiten aufbrechende Wettbewerbsvorteile nicht länger zu dulden. Folgerichtig war deshalb auch nur noch für die zweite Untergruppe von Steuerpflichtigen in § 2 Ziff. 3 KStG 1925, d. h. die öffentlichen 12 Hauptbeispiel die Viag. Vgl. dazu K . Neu, Aufgaben u n d Organisationsformen der öffentlichen Unternehmungen, S. 187 ff., J. Landmann, Moderne Organisationsformen I I , S. 200 ff.; H. Staudinger, Der Staat als Unternehmer, S. 27 ff. 13 RGBl. I I , S. 269. 14 Vgl. § 2 Abs. I I d. G. 15 Eine gute Zusammenstellung der Entwürfe u n d Gegenentwürfe sowie der einschlägigen Diskussionsbeiträge findet sich bei R. Evers, Kommentar zum K S t G (1925), S. 221 f.

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i i e n u n d Tendenzen

Betriebe und Verwaltungen mit eigener Rechtspersönlichkeit, die völlige rechtliche Selbständigkeit vorgesehen: Je nach Organisation konnten sie zu den juristischen Personen des öffentlichen oder privaten Rechts gehören. Die erste Untergruppe, d. h. die Betriebe und Verwaltungen von Körperschaften des öffentlichen Rechts, zeichnete sich dagegen nur noch durch steuerliche Selbständigkeit aus. Von der Notwendigkeit einer Organisation i n Form der juristischen Person des privaten oder öffentlichen Rechts war nirgends die Rede. Und was schließlich die dritte Untergruppe anging, deren Erträge ausschließlich Körperschaften des öffentlichen Rechts zuflössen, war die Steuerpflicht schließlich nicht einmal mehr subjektiv bestimmt. Ausschlaggebend waren vielmehr objektive Kriterien geworden 16 . Ist das alles jedoch richtig beobachtet, lag die entscheidende Neuerung des KStG 1925 auf diesem Gebiet offenbar darin begründet, daß es für die eventuelle Körperschaftsteuerpflicht von Organisationsgebilden des öffentlichen Rechts lediglich noch darauf ankommen sollte, ob A k t i vitäten eines öffentlichen Betriebes gegeben waren, die, wie sich aus einem langen Negativkatalog i m Anschluß an die eigentliche Bestimmung der Steuerpflicht ergab 17 , allerdings außerdem noch auf eine echt gewerbliche Veranstaltung bezogen sein mußten: Neben gemeinnützigen (einschließlich kirchlichen und mildtätigen) sowie hoheitlichen Tätigkeiten befreite also auch noch die Qualifizierung eines Betriebes als Versorgungsbetrieb automatisch von der Steuerpflicht. Die Begründung, die man seinerzeit für die Ausnahme anführte, lag jedoch — so sehr man über ihre Berechtigung heute streiten würde — durchaus i n der Konsequenz des Gesetzes. Man nahm nämlich nicht nur an, daß diese besonderen Betriebsformen wegen der Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Bedürfnissen (Gas, Wasser, Elektrizität usw.) i n erster Linie einem sozialen Zweck dienten. Vielmehr glaubte man auch nicht, daß diesen Betrieben die Erzielung von Überschüssen wesensgemäß sei 18 . Infolgedessen war eine Konkurrenz mit privatwirtschaftlichen Betrieben i. d. R. ausgeschlossen, und entsprechend wäre ihre Besteuerung systemwidrig gewesen: Weder konnte man eine rationellere Wirtschaftsführung erwarten — auf Gewinnmaximierung und damit Beachtung des Kostenprinzips kam es ja nicht an —, noch war eine Besteuerung aus fiskalischen Gründen gerechtfertigt: Bei den grundsätzlich kostendeckenden Veranstaltungen wären Steuereinnahmen nur über eine Anhebung der Preise zu erzielen gewesen. Das aber hätte wiederum i m Gegensatz zu den Zwecken einer Körperschaftsteuer gestanden, nämlich vorhandene Überschüsse bestimmter A r t zu treffen. 16 17 18

So auch R. Evers, S. 230. Vgl. § 2 Abs. I Ziff. 3 d. G. Vgl. die Motive zum K S t G 1925, S. 9.

4'. Kap.: Das Körperschaftsteuergesetz 1925

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Folglich hatte sich der Gesetzgeber des Jahres 1925 jedoch i n viel größerem Umfang als der des Jahres 1920 auf die eigentlichen Hintergründe einer modernen Körperschaftsteuer konzentriert und war dabei zugleich auf zwei wichtige Ergänzungen zum bisherigen rechtstechnischen Ansatz der modernen Körperschaftsbesteuerung gestoßen: Soweit die Körperschaftsbesteuerung von Veranstaltungen der öffentlichen Hand als solchen i n Frage stand, war dem Erfordernis der besonderen rechtlichen Organisation nunmehr die Voraussetzung beigegeben, daß es sich um Veranstaltungen handeln mußte, die auf Gewinnerzielung angelegt waren. Soweit es dagegen um die körperschaftsteuerliche Verpflichtung von Verbandspersonen ging, suchte man die volle körperschaftsteuerliche Verantwortlichkeit auf solche Gesellschaften zu beschränken, bei denen aller Voraussicht nach die Voraussetzung echter körperschaftsteuerlicher Leistungsfähigkeit i n jedem Fall gegeben war. M i t h i n hatte man nicht nur dem Umstand Rechnung getragen, daß i n gewissen Fällen schon der steuerliche Belastungsvergleich zur Errichtung bzw. zum (teilweisen) Erlaß einer gesonderten Körperschaftsteuerpfiicht zwingen konnte, sondern man hatte außerdem noch gesehen, daß i m gegebenen Fall das Prinzip der Maßgeblichkeit der Rechtsform nur sehr unvollkommen darüber Auskunft geben konnte, ob eine besondere Steuerpflicht geboten war oder nicht. Denn während i n der Frage der Besteuerung der nichtinkorporierten Unternehmen der öffentlichen Hand körperschaftsteuerliche Leistungsfähigkeiten offenbar auch ohne Inkorporation zum Vorschein kamen, lag die Situation etwa bei den kleinen Gesellschaften m i t beschränkter Haftung eher umgekehrt. Zwar hatten sich hier Unternehmen ihrer Rechtsform nach den Anschein einer Körperschaft gegeben. I n Wahrheit waren sie aber gleichwohl eher der Kategorie des (noch) nicht-versachlichten Personenunternehmens zuzurechnen und entsprechend als nicht bzw. nur bedingt körperschaftsteuerpflichtig anzusehen 19 . Daß diese an sich selbstverständlichen Hinterfragungen des Prinzips der Maßgeblichkeit der Rechtsform für die moderne Körperschaftsbesteuerung so lange vernachlässigt worden sind, mag vielleicht überraschen. Zu bedenken ist jedoch, daß die Körperschaftsteuer — wie hier nachgewiesen worden ist — ihren Ursprung in der punktuellen Besteuerung der schon frühzeitig zu besonderem Umfang angewachsenen Aktien- und Kommanditgesellschaften gehabt hat. Bei diesen Organisationseinheiten waren die körperschaftliche Verfassung und das streng erwerbswirtschaftliche Prinzip i. d. R. jedoch derart eng miteinander ver19 M i t Recht hat daher ζ. B. auch R. Evers (Bemerkungen zum E n t w u r f eines neuen Körperschaftsteuergesetzes, DJZ Jg. 30 [1925], Sp. 545) hervorgehoben, daß das K S t G i n seiner Behandlung der kleinen GmbHs die Zwischenstellung, die diese Unternehmungen n u n einmal zwischen der echten Kapitalgesellschaft und dem reinen Personenunternehmen einnehmen, bestens gelöst habe.

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i i e n u n d Tendenzen

bunden, daß der Blick für Ausnahmen, d.h. körperschaftliche Organismen ohne erwerbswirtschaftliche Motivation, nicht gerade übermäßig geschärft werden konnte. Außerdem waren gerade diese Gesellschaften es gewesen, die das Konzept vom Unternehmen an sich hatten entstehen lassen. Ohne das rechtstechnische Mittel der Inkorporation m i t der zunehmenden „Verdünnung" des traditionellen Eigentumskontexts wäre dieses Konzept der Ersetzung individueller Eigentümerfunktionen durch apersonale Körperschaftsfunktionen kaum i n der Deutlichkeit entstanden, wie das i n der Periode der Einkommenkörperschaftsteuern der Fall gewesen ist. Dann aber mußte i n der Tat das Prinzip der Besteuerung nach der (abstrakten) Rechtsform als der eigentliche Angelpunkt der Körperschaftsteuer erscheinen, während die fallweise, empirische Erarbeitung der Körperschaftsteuerpflicht aus der tatsächlichen Emanzipation der Gesellschaften von ihren „Inhabern", wie sie ζ. B. schon 1924 von E. Becker gefordert worden ist 2 0 , klar verdrängt wurde. Eben deswegen w i r d man den pragmatischen Ansatz des K S t G 1925 allerdings kaum überbewerten können. Zwar hatte schon die amtliche Begründung zum K S t G 1920 auf die Verselbständigung der Körperschaften von den Interessen ihrer Teilhaber als den eigentlichen Existenzgrund der modernen Körperschaftsteuer hingewiesen. Wie zu Zeiten der bundesstaatlichen Einkommenkörperschaftsteuern — damals freilich noch unter genau umgekehrten Vorzeichen — war es jedoch noch nicht gelungen, die neue systematisch-dogmatische Bewertung der Körperschaftsteuer voll und ganz m i t den tatsächlichen Ausprägungen des K S t G 1920 in Übereinstimmung zu bringen. I m Grunde hat daher erst das K S t G 1925 die vollen Konsequenzen der Statuierung einer selbständigen Körperschaftsteuerpflicht gezogen. 2. Die objektive Steuerpflicht Entsprechend kann es nicht weiter verwundern, wenn genau das — nämlich die pragmatische Auflockerung und Weiterentwicklung der Ansätze des K S t G 1920 — das zentrale Anliegen auch bei der Behandlung der objektiven Besteuerungsgrundlage gewesen ist. Auch hier hatten das EStG/KStG 1920 insoweit schon wichtige Vorarbeit geleistet als die rechtstheoretische Selbständigkeit der körperschaftsteuerlichen 20 „Es liegt n u n aber doch w o h l auf der Hand, daß darüber, ob ein Unternehmen f ü r die Einkommensteuer ausscheiden u n d f ü r die Körperschaftsteuer selbständige Bedeutung haben soll, nicht lediglich die w i l l k ü r l i c h beliebte Rechtsform entscheiden darf, sondern daß dies n u r dann bejaht werden darf, wenn das Unternehmen auch wirtschaftlich eine gewisse selbständige Bedeut u n g hat; es muß insbesondere i n gewisser Weise v o n der Persönlichkeit der jeweiligen Inhaber losgelöst sein und diesen gegenüber eine gewisse Selbständigkeit haben", Bericht v. E. Becker zum 33. Dtsch. Jur.Tag (1924), Verh. d. 33. Dtsch. Jur.Tags, 3. Abt., S. 433 ff., 459.

4. Kap.: Das Körperschaftsteuergesetz 1925

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Besteuerungsbasis klar erkannt und entsprechend gesetzlich durchgesetzt worden waren 2 1 . Außerdem hatte die sowohl von der Einkommen- wie von der Körperschaftsteuer benutzte Steuerbasis, das steuerbare Einkommen, selbst einen zunehmend rechtstechnisch konventionellen A n strich erhalten — was die Verbesonderung der Körperschaftsteuer nochmals zusätzlich bestätigen mußte. Wegen der eigenartigen Umschreibung der einzelnen Einkommensarten lediglich von der Verfahrensseite her (dem steuerlichen Erhebungsverfahren) konnte jedoch — wenn auch nur mit Hilfe einer deutlichen Anleihe bei Gedankengängen der inzwischen überwundenen Quellentheorie — immer noch behauptet werden, daß die inzwischen neuerlich formierte Differenzierung des i n seiner theoretischen Anlage ohne Zweifel einheitlichen Einkommenskonzepts am Ende allenfalls formal-erhebungstechnisch, nicht jedoch eigentlich materiell-rechtlich aufgefaßt v/erden könnte. Je nachdem wie diese Streitfrage entschieden wurde, konnte die von der kaufmännischen Buchführung und Bilanzrechnung ausgehende Dynamisierung des Einkommensbegriffs (und damit Abwendung von der herkömmlichen Quellentheorie m i t allen ihren Folgen) sogar weitgehend unterlaufen werden: Handelte es sich, wie es vereinzelt noch behauptet worden ist 2 2 , lediglich um Anweisungen, die das Erhebungsverfahren als solches betrafen, ohne daß die materielle Steuerpflicht i m übrigen berührt wurde, ließ sich ζ. B. i m Hinblick auf die Realisierung auch gewerblicher Vermögenszugewinne (etwa Veräußerung von Betriebsgrundstücken über Buchwert) noch immer argumentieren, daß nicht etwa Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorlägen, sondern allein die Kategorie der sonstigen Gewinne, die erst unter bestimmten weiteren Voraussetzungen von der Steuer erfaßt wurden 2 3 . Diese unter dem EStG/KStG 1920 zumindest theoretisch noch denkbaren Einwände waren nach dem neuen Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht jetzt jedoch endgültig ausgeschlossen. I n deutlicher Abkehr von den gewundenen Konstruktionen des EStG 1920, das trotz Anerkennung unterschiedlichster Methoden der Einkommensermittlung an einem ganzheitlichen Konzept des Einkommens festgehalten hatte, akzeptierte das EStG 1925 und mit i h m das KStG 1925 nämlich von vornherein einen analytischen Einkommensbegriff, der i n acht verschiedene Einkunftsarten und zwei verschiedene Einkommensermittlungsmethoden zerfiel, vgl. § 6 ff. EStG 1925, § 10 ff. K S t G 1925. Vielen ist der Gesetzgeber deshalb zur alten Quellentheorie zurückgekehrt; 21 Vgl. die von E. Becker u. M. Lion dem 33. Jur.Tag vorgelegten Leitsätze Nr. I I u n d I I I , S. 430 f. 22 Vgl. die Nachweise bei G. Strutz, Die Einkommensteuer, HdBdRSteuerR 2 , S. 155. 23 d. h. i m wesentlichen n u r bei Spekulationsabsicht, vgl. §§ 11, 12 Ziff. 12, 13 EStG 1920.

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1. Teil: Entwicklungsliraien u n d Tendenzen

denn erneut galt jetzt als steuerbares Einkommen nur, was vom Gesetz ausdrücklich dazu erklärt worden war, und entsprechend erschien die i n Einkünfte gegliederte Einkommensteuer wie schon einmal — nämlich bis 1920 — wie ein nur lose zusammengefaßtes Bündel von selbständigen Ertragseinkommensteuern angelegt zu sein 24 . I n Wahrheit sind jedoch weder das neue Körperschaftsteuergesetz noch das Einkommensteuergesetz von einem zusammenhängenden w i r t schaftstheoretischen Konzept ausgegangen. Wie die Motive zu Recht hervorhoben 25 , entsprach der neue Einkommensbegriff weder der Schanzschen Reinvermögenszugangstheorie noch der Quellentheorie. Vielmehr hatte man sich — getreulich den Maximen, von denen sich die EStG/KStG-Reform von 1925 leiten ließ — nunmehr daran gehalten, einfach darauf zurückzugreifen, was von den einzelnen Steuerpflichtigen tatsächlich als Einkommen ermittelt zu werden pflegte. Je nach der verwendeten Rechnungsmethode und je nach den bei der Erzielung von Einkünften eingesetzten Produktionsfaktoren wurden nun einmal Einkommensgrößen ganz unterschiedlicher Qualität erzielt: Während der Bezieher von Einkünften aus unselbständiger Arbeitsleistung grundsätzlich nur seine eigene Arbeitskraft einsetzte, daher kaum Werbungskosten einzukalkulieren hatte und deshalb i. d. R. m i t einer reinen Einnahme-(Geld)rechnung auskam, waren bei anderen Einkünften immer weitergehende Kombinationen von Produktionsfaktoren zu berücksichtigen. Infolgedessen schwoll das Vorhandensein von Werbungskosten (Betriebsausgaben) an und entsprechend dem ansteigenden Residualcharakter dieser Einkünfte ließen erst komplizierte Rechenmethoden (Gewinnermittlung) den jeweiligen Anteil am (Brutto)Ertrag i n Erscheinung treten. Tatsächlich hingen also die Einkunftsart, die jeweilige Einkommensrechnung und die konkrete Größe des letztlich verfügbaren Einkommens unmittelbar voneinander ab. M i t vollem Recht hatte der Einkommensteuergesetzgeber des Jahres 1925 daher die künstliche Trennung i n steuerbares Einkommen einerseits und die als lediglich exemplarische Beispiele geltenden einzelnen Einkünfte sowie die vielfältigen Ermittlungsvorschriften andererseits durchgehend aufgegeben. I m Anschluß an die nunmehr abschließend umschriebenen 26 Einkunftsarten, (vgl. § 6 EStG 1925) wurde vielmehr sogleich, d. h. i n § 7 EStG 1925, bestimmt, auf welche Ermittlungsart hierbei zurückzugreifen sei, und ausdrücklich wurde dabei hervorgehoben, daß die so ermittelten Einkünfte als Einkommen i. S. d. Gesetzes 24

So, sogar wörtlich, z. B. G. Strutz, Komm. z. EStG 1925 S. 494. S. 22 (Drs. d. RTags, I I I . Wahlperiode 1924, Nr. 795). 26 I m Gegensatz zu den beispielhaften Enumerationen nach § 4 ff. EStG 1920 bestimmte § 6 Abs. 1 EStG 1925: „Der Besteuerung des Einkommens nach diesem Gesetz unterliegen nur . . . " (Hervorhebung nur hier). 25

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anzusehen seien . Folglich gab es seit 1925 den Begriff des steuerbaren Einkommens nur noch als formalen Oberbegriff, dessen materieller Gehalt sich erst aus den verschiedenen Einkunftsarten und ihrer Zuordnung entweder zum Gewinneinkommen oder zum Überschußeinkommen ergab 28 . Eine i m vorliegenden Zusammenhang fast noch bedeutsamere Konsequenz folgte indessen aus einer Sonderentwicklung i m Reichsbewertungsgesetz vom 10. 8. 192529, die i. V. m. den sachlich neu geordneten Einkommensermittlungsmethoden des EStG/KStG 1925 schließlich dazu führte, daß das gesamte „Einkommen" der buchführenden Erwerbsgesellschaften wie Einkommen aus Gewerbebetrieb behandelt wurde. Gerade dadurch mußte die körperschaftsteuerliche Besteuerungsgrundlage jedoch zusätzliches Profil gewinnen. Denn wenngleich es bereits für den alten Rechtszustand nahezu unzweifelhaft war, daß die Verweisung des Körperschaftsteuerrechts auf den einkommensteuerlichen Besteuerungsgegenstand eine ausschließlich rechtstechnische Weiterverweisung ohne eigenen sachlichen Gehalt darstellte, so konnte diese Sachlage durch eine Sonderbewegung des körperschaftsteuerlichen Besteuerungsgegenstandes doch nur weiter untermauert werden. Man erinnert sich: Nach bisherigem Körperschaftsteuerrecht hatte man immer wieder angenommen, daß Erwerbsgesellschaften, auch wenn sie zur kaufmännischen Buchführung verpflichtet waren, deswegen noch kein einheitliches Einkommen aus Gewerbebetrieb zu beziehen brauchten. Vielmehr wurde davon ausgegangen, daß diese Gesellschaften prinzipiell dieselben Einkommensarten erzielen konnten wie natürliche Personen 30 . Grundsätzlich dieselbe Rechtslage galt bei den sog. Einheitswerten (Vermögensteuern, Realsteuern etc.): Für die Frage, ob die einer Erwerbsgesellschaft (Aktiengesellschaft usw.) gehörigen landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Grundstücke, sowie Mietgrundstücke als Betriebsvermögen anzusehen waren, mußte immer zunächst geklärt werden, ob die betroffenen Gesellschaften nach ihrem Statut oder ihrem gewöhnlichen Geschäftsgang gewerbliche Zwecke verfolgten oder nicht. Dienten sie gewerblichen Zwecken, so bedurfte es ferner noch der Prüfung, ob sie neben den gewerblichen auch noch nicht gewerbliche Zwecke verfolgten und welchem der beiden Zwecke das zu bewertende Grundstück i m Einzelfall gewidmet war 3 1 . 27 § 7 Abs. I I begann (vgl. heute § 2 Abs. I V EStG: „sind"): »Als Einkommen gilt..(Hervorhebung n u r hier). 28 Vgl. auch die Begründung zu § 13 EStG 1925. Ebenso G. Strutz, Komm. z. EStG 1925, S. 531. 29 RGBl. I, S. 214. 30 s. dazu v o r n das 2. Kap. unter 2., sowie die Rspr. Nachweise bei R. Evers, Komm. z. K S t G 1925, S. 388. 31 Dazu die Begründung zum RBewG 1925, S. 37 ff. (Drs. d. RTags, I I I . W a h l periode 1924, Nr. 797).

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i e n und Tendenzen

Richtig i n Zeiten, i n denen man Begriffe wie Einkommen, gewerbliche Einkünfte u. dgl. noch überwiegend inhaltlich zu bestimmen pflegte, mußte diese Sicht jedoch i n dem Augenblick überholt erscheinen, i n dem man sich immer mehr auf bloße rechtstechnische Begriffsbestimmungen zurückzog und hierbei auch auf die Praxis der Steuerpflichtigen blickte — und genau das war der Punkt, auf den die amtliche Begründung zum RBewG 1925 hinauslief: Denn, so mußte man sich fragen, wenn diese Dinge nicht nur zu allgemeinen Schwierigkeiten geführt hatten, die i n keinem Verhältnis zum einschlägigen Arbeitsaufwand der beteiligten Parteien standen, sondern, wenn ggf. noch mit buchtechnischen Manipulationen der Steuerpflichtigen zu rechnen war 3 2 , so konnte es u. U. vernünftiger sein und i m Interesse einer gleichmäßigen Steuerbelastung auch gerechter, wenn derartigen Streitigkeiten für die Zukunft dadurch die Spitze genommen wurde, daß man einfach vorschrieb, daß alle einer Erwerbsgesellschaft gehörigen Gegenstände zu dem gewerblichen Betrieb der betroffenen Gesellschaften zu rechnen waren. Und durchaus folgerichtig betonte § 26 Abs. I I RBewG 1925 auch kurzerhand, daß künftig alle Gegenstände, die einer Erwerbsgesellschaft und ihr gleichgestellten Unternehmen gehörten, als einem gewerblichen Betrieb zugehörig anzusehen seien 33 . Was für die Bewertungsfragen bei den Einheitssteuern der juristischen Personen recht war, konnte für die parallel liegenden Fragen der Ermittlung der konkreten Einkommensart (gewerblicher Gewinn, Miet- oder Pachteinkünfte u. dgl.) bei den direkten Personalsteuern jedoch nur billig sein. Erkannte man nämlich, daß die Abgrenzung des betrieblichen vom nicht-betrieblichen Vermögen m i t dem Problem der Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Einkommensarten bei — schon ihrer Rechtsform nach — grundsätzlich gewerblich ausgerichteten juristischen Personen durchaus identisch war, so drängte sich eine Angleichung der Rechtslage i m Verhältnis der direkten Personalbesteuerung zu der Einheitswertbesteuerung gleichsam auf. Tatsächlich hat der Reichsfinanzhof denn auch schon bald ausgeführt, daß es bei einer grundsätzlich gewerblich tätigen Erwerbsgesellschaft steuerlich völlig gleichgültig sein müsse, welchen speziellen Erwerbszweck sich die konkrete „gewerbliche" juristische Person i m Einzelfall gewidmet habe 34 . Folglich war es seitdem ausgeschlossen, daß sich eine gewerblich tätige juristische Person i m gegebenen Fall auf den Rechtsstandpunkt stellen konnte, daß i n Wahrheit nicht-gewerbliche Nebenzwecke (etwa bloße

32 V o n der Zurechnung eines Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen (anstatt zum Privatvermögen) konnte ζ. B. abhängen, ob neben der Grundsteuer auch noch Gewerbesteuer fällig wurde. 33 Vgl. die Begründung, S. 38. 34 R F H 15, 200 ff.

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Einkunftserzielung aus Pacht oder Miete [Immobiliengesellschaft]) verfolgt worden seien. Von dieser Betrachtungsweise war es dann aber nur noch ein denkbar kleiner Schritt, die besondere Einkommensartbestimmung überhaupt an das typische Erscheinungsbild der als juristische Person organisierten Unternehmungen zu binden. Denn stellte man nunmehr i n Rechnung, daß die Erwerbsgesellschaften gerade wegen ihrer m i t erwerbswirtschaftlicher Betätigung verbundener Rechtsform zu einem selbständigen Steuersubjekt aufgestiegen waren und daß schon das Privatrecht diesen Umständen besondere Konsequenzen beimaß, indem es diese Gesellschaften kraft ihres Organisationszwecks und wegen ihrer Organisationsform qua Gesetz zu Kaufleuten erklärt und damit zu besonderen Rechnungsmethoden, nämlich der kaufmännischen Buchführung und Bilanzierung, verpflichtet hatte 3 5 , so mußte es merkwürdig stimmen, wenn bei der Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen „Einkommens" dies alles beiseite geschoben werden und entgegen der typisierenden Betrachtungsweise der allgemeinen Rechtsordnung für das Steuerrecht eine betont Einzelfall-orientierte Betrachtungsweise gelten sollte. War nicht gerade das Steuerrecht — als das Masseverfahren par excellence — darauf angewiesen, möglichst weitgehend an die bestehende Rechtsordnung anzuknüpfen, um überflüssige und ggf. kostspielige Eigenerhebungen zu vermeiden 36 ? Damit aber war man geradewegs zu der anfangs angedeuteten Symbiose zwischen der Betrachtungsweise des Bewertungsrechts und der des Körperschaftsteuerrechts gelangt: Immer wenn es sich um eine körperschaftsteuerpflichtige Erwerbsgesellschaft oder einen gleichgestellten Steuerpflichtigen handelte, kam es für die Einkommensermittlung nicht mehr darauf an, ob eine gewerbliche Betätigung i m allgemeinen bzw. gewerbliche Gewinne i m besonderen vorlagen. Vielmehr wurde vom Statut und dem ggf. exzeptionellen Geschäftsgang völlig abgesehen und die jeweilige Geschäftstätigkeit schon deswegen für eine gewerbliche Tätigkeit i m Sinne des Gesetzes genommen 37 , weil es sich um eine ihrem äußeren Erscheinungsbild und ihrer gesetzlichen Rechtsform nach typischerweise gewerbliche Veranstaltung handelte. Wie es schon von H. V. Simon für das preuß. EStG 1891 gefordert worden w a r 3 8 , hatte mithin die Gewinnermittlungsmethode der buchführungspflichtigen 35 Vgl. §§ 38 f., 344 Abs. I H G B a. u. n. F.; 210 Abs. I I , 320 Abs. I I I H G B a. F.; 133Abs. I I I G m b H G ; 17 Abs. I I GenG. 6 A u f diese Dinge hat denn auch bes. R. Evers, Komm. z. K S t G 1925, S. 390 ff., hingewiesen. 37 Vgl. die Rspr. Nachweise bei A. Kennerknecht, Komm. z. K S t G 193410, A n m . 19 zu § 16 K S t G (S. 220), der die spätere rechtssatzmäßige Ausgestaltung dieser Rechtsprechung durch § 19 K S t D V O I v. 9. 2. 1938 (RGBl. I, S. 163) dann auch als eine glatte Wiederholung bereits existenten Rechts bezeichnete. 38 Vgl. v o r n Kap. 2 unter 2.

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i i e n und Tendenzen

Kapital- bzw. Erwerbsgesellschaften letztlich doch noch den Sieg über die funktionale Bestimmung der respektiven Besteuerungsgrundlage davongetragen. Zugleich war aber erneut unterstrichen worden, daß die körperschaftsteuerliche Besteuerungsgrundlage nur noch dem Namen nach m i t der der einkommensteuerpflichtigen Person übereinstimmte. Denn nicht mehr die kategorialen Inhalte eines auf allseitige Erfassung sämtlicher denkbarer Einkunftsarten angelegten Einkommenskonzepts waren jetzt ausschlaggbend, sondern allein der i n einem substantiell wertfreien Verfahren, nämlich der kaufmännischen Gewinn- und Verlustrechnung ermittelte wirtschaftliche Erfolg als solcher. Diesem erschien die unternehmensbezogene Entindividualisierung jedoch geradezu auf die Stirn geschrieben. So kann es nicht weiter überraschen, wenn das K S t G 1925 auch i n dem letzten hier zur Erörterung anstehenden Punkt, nämlich der Tariffrage, einen gegenüber der früheren Entwicklung deutlich flexibleren Standpunkt eingenommen hat. Nachdem sich das K S t G 1920 i n dieser Beziehung auf einen einheitlichen Steuersatz für alle körperschaftsteuerpflichtigen Subjekte beschränkt und lediglich für die sog. Erwerbsgesellschaften noch einen weiteren Zuschlag vorgesehen hatte, der i n der Praxis freilich kaum zum Zuge gekommen sein dürfte, kannte das KStG 1925 bereits drei verschiedene Tarife, zwei feste von 20 und 10 Prozent — je nachdem ob es sich um Erwerbsgesellschaften und gleichgestellte Körperschaftsteuerpflichtige handelte oder nicht — und einen durchgestaffelten Steuersatz von 10 bis 20 Prozent des steuerbaren Einkommens, der insbesondere bei kleineren Gesellschaften mit beschränkter Haftung und gewissen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Anwendung fand, vgl. §§ 20 f. d. G. Allem Anschein nach war die Körperschaftsteuer daher dabei, sich über die schon bestehenden Besonderheiten hinaus auch noch ein spezifisch körperschaftsteuerliches Instrumentarium abgestufter sachlicher Leistungsfähigkeit zu schaffen. Gewiß — auf den ersten Blick mochte diese offenkundige Einschränkung des bislang viel rigoroser gehandhabten körperschaftsteuerlichen Prinzips auch zu der Annahme verleiten, daß sich der neue Gesetzgeber — insbesondere wegen der gleitenden Heranführung der Gesellschaften mit beschränkter Haftung an die Normalbesteuerung — eher umgekehrt darum bemüht hätte, wieder mehr auf die Belange der an den einzelnen Körperschaften beteiligten natürlichen Personen Rücksicht zu nehmen. Denn natürlich mußte es gerade bei diesem Personenkreis häufig unbillig erscheinen, wenn der proportionale Körperschaftsteuersatz zur Anwendung kam, obwohl — beim Zwang zur Ausschüttung — die steuerliche Leistungsfähigkeit offensichtlich eher i n den ausgeschütteten Gewinnen zum Ausdruck kam als i n den Kapitalakkumulationen i m Gesellschaftsinteresse. Interessanterweise ist i n den Motiven zum

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neuen Körperschaftsteuergesetz das Argument der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung auch geradewegs i m Zusammenhang mit der Besteuerung der Gesellschaften mit beschränkter Haftung i n die Debatte eingeführt worden 3 9 . Dennoch würde eine solche Sicht der Dinge übersehen, daß es sich bei den sog. kleinen Gesellschaften m i t beschränkter Haftung von Anbeginn um ein Grenzgebiet, wenn nicht das typische Grenzgebiet zwischen der Einkommensbesteuerung und der modernen Körperschaftsbesteuerung gehandelt hatte. Schon dem preußischen Gesetzgeber war die Einordnung i n dieser Beziehung schwer gefallen 40 . Infolgedessen mußte die — teilweise — Ausschaltung zweifelhafter Körperschaftsteuerpflichtiger aus dem Körperschaftsteuerrecht dem Konzept dieser Steuerart jedoch eher förderlich als schädlich sein. Denn wenn — wie gerade die jüngste Entwicklung dargelegt hatte — die moderne Körperschaftsbesteuerung nur i n ihrem äußeren Erscheinungsbild nach eine Rechtsformsteuer darstellte, ihrem eigentlichen Wesen nach dagegen eine Steuer auf funktional und materiell unzurechenbare Gewinne, war es nur natürlich, dort Abstriche am bisherigen Körperschaftsteuerkonzept vorzunehmen, wo diese Voraussetzungen typischerweise fehlten oder doch zweifelhaft waren. Daher w i r d man weder i n den Tarifanpassungen zugunsten der Gesellschaften m i t beschränkter Haftung noch i n den Tarivergünstigungen für einige nicht-gewerbliche Körperschaftsteuerpflichtige einen echten Einbruch i n das bisher entwickelte Körperschaftsteuerkonzept sehen dürfen. Vielmehr muß man zu dem Schluß kommen, daß insoweit lediglich diejenigen natürlichen Korrekturen an der überkommenen Körperschaftsteueridee vorgenommen worden waren, die sich i m Grunde von selbst verstanden, jedoch aus mangelnder Erfahrung und vielleicht auch aus einer besonders beim K S t G 1920 zu beobachtenden Vorliebe für vorschnelle Verallgemeinerungen noch nicht zum Zuge gekommen waren. 3. Besteuerungsgegenstand und Periodenabgrenzung

Geradewegs u m diese Situation handelte es sich aber auch bei der Neuordnung der körperschaftsteuerlichen Periodenabgrenzung i n einem weitesten Sinne. Zwar waren hier das KStG 1925 und m i t i h m das EStG vom gleichen Jahr zunächst auf dem schon 1920 erreichten Stand stehen geblieben. Schon durch eine Novelle vom 29. 7. 192941 änderte sich dieser Sachverhalt jedoch entscheidend. Trotz des Umstandes, daß die körper39 40 41

Begründung zum K S t G 1925, S. 11. Vgl. oben das 2. Kapitel. RGBl. I, S. 123.

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i i e n u n d Tendenzen

schaftsteuerliche Privilegierung von Bilanzverlusten eine gerade auf die Bedürfnisse der Körperschaften zugeschnittene und damit besonders systemgerechte Sonderentwicklung i m Körperschaftsteuerrecht darstellte, ließ sich nämlich — zumindest unter wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten — nicht übersehen, daß die Forderung nach steuerlicher Berücksichtigung der aktuellen Liquiditätslage grundsätzlich auch aus der Sicht der nicht-inkorporierten Unternehmungen geltend gemacht werden konnte. Zwar stand bei dieser A r t von Betrieben — entsprechend der gesetzlichen Trennlinie zwischen Personenunternehmen m i t relativ einfacher individueller Zurechenbarkeit des erwirtschafteten Gewinns und Kapitalunternehmungen ohne diese Möglichkeit — neben dem persönlichen Kapital immer noch das unternehmerische Engagement des aktiv beteiligten Selbst-Unternehmers i m Hintergrund, das bei einem wirtschaftlichen Fehlschlag der konkreten erwerbswirtschaftlichen Veranstaltung relativ leicht anderweitig Verwendung finden konnte, während ζ. B. eine Aktiengesellschaft nach Aufzehrung des Stammkapitals i m allgemeinen das Ende ihrer Existenz erreicht hatte. Wollte man jedoch, wie es angesichts der mißlichen, manipulatorischen Begleiterscheinungen des KStG 1920 angezeigt erschien, verhindern, daß nun auch diese wesensmäßige Sondergestaltung der Körperschaftsbesteuerung letztlich zum wirtschaftlich nicht gerechtfertigten Ausweichen i n körperschaftliche Gestaltungsformen mißbraucht wurde, erschien es angebracht, auch insoweit nach einem pragmatischen Ausweg zu suchen. Die Lösung der vorgenannten Gesetzesnovelle bestand denn auch schlichtweg darin, die bisher auf den körperschaftsteuerlichen Bereich beschränkte Exemtion von der streng periodenbezogenen Veranlagung wieder ganz allgemein auf den gesamten gewerblichen Sektor auszudehnen 42 . Dem ersten Anschein nach begannen die Einkommen- und Körperschaftsteuer sich dadurch freilich i n einem weiteren Teilbereich wieder aufeinander zuzuentwickeln. Ganz ähnlich wie bei der zuvor behandelten Tarif fr age jedoch ausschließlich rechts technisch. Solange die körperschaftsteuerliche Unternehmensbesteuerung von einer Einkommensteuer begleitet wurde, die i m Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb i n ganz ähnlicher Weise quasi-unternehmenssteuerliche Aspekte annehmen konnte, mußte eben immer nach institutionellen Sicherungen gesucht werden, durch die sich die besondere Funktion der modernen Körperschaftsteuer absichern ließ. Warum sollte das Ergebnis dieser Bemühungen i m konkreten Fall dann aber nicht auch einmal i n Versuchen bestehen, offene Flanken in konsequenter Vorwärtsverteidigung durch ein Angleichen der respektiven steuerlichen Regime abzudecken? 42

Vgl. insbes. § 15 I Ziff. 4 EStG 1929.

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4. Das Doppelbesteuerungsprohlem (Betriebsbelastungsvergleich)

Entsprechend war denn auch das nach wie vor jedes neue Körperschaftsteuergesetz begleitende Doppelbesteuerungsproblem durch die Reform der Körperschaftsteuer i m Jahre 1925 keinesfalls ersatzlos i n Wegfall geraten. Zwar war es m i t der Konsolidierung, die die Körperschaftsteuer seit dem K S t G 1925 erfahren hatte, durchaus ausgemachte Sache, daß das bisher mit so großem Aufwand behandelte Doppelbesteuerungsproblem — jedenfalls vorerst — eindeutig an weiterem theoretischen Interesse verlieren mußte. Wie schon mehrfach angedeutet, war die Körperschaftsbesteuerung dadurch jedoch keinesfalls problemlos geworden. Jetzt hatte man vor allem mit finanzpolitisch prekären Evasionsbemühen solcher Steuerpflichtiger zu tun, die sich aus der Besteuerung i n körperschaftlichen Organisationsformen ggf. einen steuerlichen Vorteil versprechen konnten. Man könnte nun versucht sein anzunehmen, daß diese neueste Problematik der Körperschaftsbesteuerung i n Übereinstimmung mit dem flexiblen Ansatz des K S t G 1925 unschwer zu lösen gewesen sein sollte. Welcher Rechtstechniken man sich i m einzelnen zur Abwehr bei der Erschleichung einer ungerechtfertigten körperschaftsteuerlichen Behandlung bedienen konnte, war ja ebenfalls bereits des näheren behandelt worden. Nachdem jedoch der 33. Deutsche Juristentag das hier konkret anstehende Problem außerdem unter dem Gesichtspunkt einer möglichst gleichmäßigen Behandlung der gewerblichen Einkünfte überhaupt behandelt hatte 4 3 , konnten die Weichen — das kann schon hier vermerkt werden — möglicherweise schon wieder i n einer ganz neuen Richtung gestellt sein: War es nicht denkbar, daß die Körperschaftsteuer, die gerade erst ihre eigentliche Bekräftigung erlebt hatte, schon längst wieder auf neue Wege festgelegt war? Konnte, ja mußte man nicht, und zwar wegen des häufig unschwer zu vollziehenden Wechsels zwischen der körperschaftsteuerlichen Unternehmensbesteuerung und der einkommensteuerlichen Besteuerung personaler Unternehmen erneut auf die Gretchenfrage stoßen, ob die moderne Körperschaftsbesteuerung trotz allem dennoch kein eigenständiges Konzept besaß, sondern ggf. erst i n einem viel weiteren Rahmen richtig zu erfassen war — freilich nicht mehr i m Zusammenspiel m i t einer i m herkömmlichen Sinne personalistisch-individuell angelegten Einkommensteuer, sondern jetzt i m 43 Vgl. dazu die Berichte von E. Becker und M. Lion zu dem Thema: „Ist es erwünscht, das Einkommen aus Gewerbebetrieb nach gleichmäßigen Grundsätzen zu besteuern, ohne Rücksicht auf die Rechtsform, i n der das Gewerbe betrieben wird? Welche Wege rechtlicher Ausgestaltung bieten sich f ü r eine solche Besteuerung? S. 433 ff., 465 ff., sowie die später angenommenen L e i t sätze, S. 491 ff.

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Hinblick auf den Problemkreis der gewerblichen Unternehmungen überhaupt? Gleichwohl verlief, zunächst jedenfalls, die Entwicklung noch durchaus i n Richtung auf eine institutionelle Sicherung der Körperschaftsbesteuerung als solche. So wurde als erstes ζ. B. der seit dem KStG 1920 bestehende Zuschlag zur Körperschaftsteuer, die sog. Dividendensteuer, bis auf einige unbedeutende Reminiszenzen 44 aufgegeben. Z u Recht wurde i n der Begründung darauf abgehoben, daß diese Unterform der Körperschaftsteuer dadurch hätte umgangen werden können, daß die Gesellschaften von Ausschüttungen überhaupt absahen oder m i t ihren Ausschüttungen hinter dem wirtschaftlich vertretbaren Maß zurückblieben 4 5 . Damit war zumindest der institutionelle Anreiz zur Vermeidung von Ausschüttungen beseitigt. Denn wenigstens aus der Sicht der Körperschaften bestand kein Anlaß mehr, lediglich i m Hinblick auf eine Dividendensteuer zu entscheiden, inwieweit erwirtschaftete Gewinne ausgeschüttet oder einbehalten werden sollten. Die Körperschaftsteuer richtete sich also wieder einzig und allein nach Gegebenheiten, die i n den betroffenen Körperschaften selbst ihren Grund hatten, nämlich nach dem von ihnen erzielten Gewinn selbst. Auf die Verwendung dieses Gewinns (Einbehaltung bzw. Ausschüttung) kam es demgegenüber nicht mehr an. Freilich war damit nur eine der Ursachen ausgeräumt, auf Grund derer es entgegen der gewollten Sonderbelastung der körperschaftlichen Gewinne gleichwohl und gerade bei hohen Gewinnen zu einer häufigen Privilegierung dieser Gewinne gekommen war. Denn noch immer konnte — jetzt aus der Sicht der betroffenen natürlichen Personen gesehen — der Fall eintreten, daß diese aus rein steuerlichen Gesichtspunkten Einkommen i n Gewinne umwandelten und dadurch gegenüber solchen Personen einen Vorteil erzielten, die über derartige Gestaltungsformen nicht verfügten und infolgedessen ihre Gewinne ausschließlich den progressiven Sätzen der Einkommensteuer unterwerfen mußten. Rechtstechnisch hat man dieses Problem durch eine bessere Anpassung der Tarife von Einkommen- und Körperschaftsteuer zu lösen versucht. Zwar waren die Motive hier offensichtlich der Meinung, daß es sich lediglich um ein Problem angemessener und deshalb steuerliche Evasionen nicht begünstigender Steuersätze überhaupt handele 46 ; die tatsächliche gesetzliche Regelung läßt indessen erkennen, daß das Verhältnis zwischen dem Einkommen- und Körperschaftsteuertarif durchaus mit44 Dazu gehörte insbesondere die sog. Mindestbesteuerung nach den Ausschüttungen, vgl. § 10 Abs. I I Ziff. 1 K S t G 1925. Vgl. dazu R. Evers, Komm. z. K S t G 1925, S. 421 ff. 45 Begründung zum K S t G 1925, S. 10 f. 46 U n d zwar unter Hinweis auf die Begründung zum EStG 1925, vgl. S. 11 der Motive.

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angesprochen war. Denn nachdem sich der Körperschaftsteuerregelsatz i m K S t G 1920 zum Einkommensteuersatz vom gleichen Jahr anfänglich fast wie eins zu sechs und später immerhin noch wie beinahe zwei zu sechs verhalten hatte 4 7 , endete die neue Reichseinkommensteuer bei einem Spitzensatz von 40 Prozent vom Einkommen 4 8 . Bei einem gleichgebliebenen Körperschaftsteuersatz von grundsätzlich 20 Prozent 49 hatte sich der Abstand des Einkommensteuerspitzensatzes vom Regeltarif der Körperschaftsteuer also erneut beträchtlich verringert. Freilich war der Einkommensteuersatz von 20 Prozent schnell erreicht, nämlich schon für jede Mark über 16 000 R M hinaus. Immerhin konnte die eventuelle Steuerersparnis eines Steuerpflichtigen, der Einkommen i n körperschaftliche Gewinne transferierte, nur noch höchstens 20 Prozent betragen. Außerdem aber hatte man durch die Sonderregelung für die sog. kleinen Gesellschaften m i t beschränkter Haftung und einige gleichgestellte Unternehmenstypen — wovon schon die Rede war — sichergestellt, daß für eine nicht ganz unbedeutende Gruppe von Steuerpflichtigen die volle Schärfe der körperschaftlichen Sonderbesteuerung i n einer ohnehin wesentlich gemilderten Form zum Zuge kam. Auch von der subjektiven Steuerpflicht her war also Sorge dafür getragen, daß die Körperschaftsteuerpflicht auf die Fälle echter Körperschaftsteuerwürdigkeit beschränkt blieb. Gleichwohl waren damit natürlich keinesfalls alle Mißlichkeiten einer nebeneinander herlaufenden Einkommens- und Körperschaftsbesteuerung beseitigt. Nach wie vor konnte i m Einzelfall die körperschaftliche Unternehmensform für die (gewerbliche) Gewinnerzielung vorteilhafter sein als die nicht-inkorporierte Form der Einzel- bzw. Mitunternehmerschaft (OHG und KG). Nicht nur war es denkbar, daß die Differenz zwischen dem (höheren) einkommensteuerlichen Spitzensatz und dem (niedrigen) proportionalen Körperschaftsteuersatz wie eh und je eine Rolle spielte. Vielmehr ließen sich auch aus der inzwischen verfestigten steuerlichen Anerkennung von Dienst- und Darlehnsverhältnissen zwischen den jeweiligen Körperschaften und ihren Anteilseignern beachtliche Vorteile herausschlagen. Während diese Gestaltungen für die Körperschaftsteuer bis zur Grenze der verdeckten Gewinnausschüttungen 50 gewinnmindernden Aufwand darstellten 51 , bedeuteten sie für nicht47

s. Vorkapitel unter 4. U n d zwar für über 80 000 R M Einkommen hinausgehende Beträge, vgl. § 55 EStG 1925. 49 Vgl. § 21 K S t G 1925. 50 Entwickelt besonders an den Geschäftsführergehältern (RFH 21, S. 1) u n d Gesellschafterdarlehen (Nachweise bei A. Kennerknecht, K o m m . z. K S t G 19348, S. 237 ff.). Später gesetzl. geregelt i n § 6, S. 2 K S t G 1934. 51 U n d zwar i m Grunde schon durch den für die Gewinneinkommen der buchführungspflichtigen Erwerbsgesellschaften obligatorischen Vermögensvergleich, bei dem die einzelnen Wirtschaftsgüter (ζ. B. Kassenbestand, Bankkonten 48

8 Rasenack

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i i e n und Tendenzen

inkorporierte Unternehmungen lediglich eine Form der Gewinnverwendung 5 2 . Hinzu kam, daß schon Anfang der 30er Jahre wegen erneuter wirtschaftlicher Schwierigkeiten wiederum Tarifänderungen vorgenommen worden waren. Und da man diese auf die Einkommensbesteuerung beschränkte 53 , setzte alsbald neuerlich die Flucht i n körperschaftliche Rechtsformen ein 5 4 — eine Konsequenz, die 1931 durch eine Begünstigung der sog. nicht-entnommenen Gewinne bei den buchführenden natürlichen Personen und Personalgesellschaften nur in sehr unvollkommener Weise wieder wettgemacht werden konnte 5 5 . Gerade dieser Vorgang zeigte indessen, daß die Standortbestimmung der Körperschaftsteuer durchaus aufs Neue i n Bewegung geraten konnte. Gewiß, durch eine wechselseitige Angleichung der Unternehmensbesteuerung der juristischen Personen und der Unternehmensbesteuerung der Personenunternehmen konnte der Anreiz zu einem Wechsel der Rechtsform allein aus steuerlichen Gründen sicherlich entscheidend beeinflußt werden. Wenn die Personenunternehmen i m gegebenen Fall ähnlich günstig wie die Körperschaften thesaurieren konnten und wenn umgekehrt die Körperschaftsteuertarife auf die Höchstsätze der Einkommensteuer zustrebten, blieb es sicherlich immer häufiger gleichgültig, i n welcher Organisationsform Einkünfte zu Einkommen wurden. Je mehr man sich indessen dem Vergleich der körperschaftsteuerlichen und der parallelen einkommensteuerlichen Unternehmensbesteuerung widmete, um so mehr wurde — unmerklich zwar — zugleich der allgemeine Stellenwert der Körperschaftsbesteuerung aufs neue verrückt. Denn wenn es offensichtlich eher darauf ankam, eine allseits gleiche Belastung der verschiedenen Unternehmensformen sicherzustellen, war auch wieder die Berechtigung einer besonderen Körperschaftsbesteuerung als solchen i n Frage gestellt. Ja, recht besehen, konnte — jedenfalls auf lange Sicht — auch das inzwischen längst verdrängte Doppelbesteuerungsproblem wieder zu Ansehen gelangen. Freilich i n durchaus usw.) sogleich m i t ihrem durch die i m Verlaufe des Wirtschaftsjahres anfallenden Betriebsausgaben verminderten Wert i n die Schlußbilanz eintreten. T a t sächlich w u r d e n die einzelnen einschlägigen Ausgaben freilich noch größtenteils als Werbungskosten behandelt: siehe die Nachweise bei R. Evers, K o m m , z. K S t G 1925, S. 597 ff. 52 Oder genauer Betriebsentnahme, vgl. § 12 Abs. I I EStG 1925. Ebenso schon früher, vgl. etwa §§ 32 Abs. I, S. 3, 33 Abs. I, S. 3 EStG 1920. 53 Vgl. die NotVOen des RPräsidenten nach A r t . 48 Abs. I I RV 1919 v o m 27. 6. 1930 (RGBl. I, 311/12), 1. 12. 1930 (RGBl. I, 517/27), 23. 12. 1931 (RGBl. I, 779) u n d 18. 3. 1933 (RGBl. I, 109/113), die u. a. jeweils einen 5 f l /oigen EStZuschlag für Einkommensbezieher über 8000 R M festsetzten ( = RechnJahre 1930 - 33). 54 Vgl. O. Bühler, Steuerrecht der Gesellschaften und Konzerne 3 , S. 14. 55 Vgl. § 58a EStG, eingefügt durch eine NotVO des RPräsidenten vom 5. 6.1931 (RGBl. I, 279/311). Dazu auch K . Barth, Die Entwicklung des deutschen Bilanzrechts, Bd. I I 1, S. 253 f.

5. Kap.: Das Körperschaftsteuergesetz 1934

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neuer Weise. Wurde nicht mehr lediglich das „Unternehmen an sich", sondern jedes Unternehmen überhaupt zunächst einmal als Unternehmen besteuert (Kapitalerhaltung!) — was sprach dann noch für die inzwischen zur Tradition gewordenen Zweigleisigkeit i n der Unternehmensbesteuerung? Gab es nicht sogar unerwünschte volkswirtschaftliche Fehlentwicklungen zu befürchten, wenn man insbesondere an der eigenartigen körperschaftsteuerlichen Vorbelastung der ausgeschütteten Gewinne festhielt, und zwar nicht nur i n der extremsten Form einer zusätzlichen Dividendensteuer wie i m K S t G 1920, sondern überhaupt durch ihre Einbeziehung i n die körperschaftsteuerliche Besteuerungsgrundlage? Man brauchte ja nur, wie es bis 1925 gezeigt worden war, immer häufiger von Ausschüttungen überhaupt abzusehen, und konnte dann hinsichtlich der Finanzierung von einer Politik der Emission neuen Eigenkapitals zu einer Finanzierung durch steuersparendes Fremdkapital oder — besser noch — zu einer Politik der Finanzierung über die Preise (Selbstfinanzierung, Zwangssparen) übergehen.

5. Kapitel V o n der eigenständigen Körperschaftsteuer zur Unternehmenshesteuerung überhaupt: Das Körperschaftsteuergesetz von 1934

Geradewegs mit diesen Alternativen hatte denn auch die Körperschaf tsteuerreform von 1934 schon bald zu tun. Zwar bemühte man sich zunächst durch eine sukzessive weitere Angleichung der respektiven körperschaft- und einkommensteuerlichen Tarife zunächst erneut darum, das Fluktuieren zwischen körperschaftlichen Unternehmensformen und nicht-inkorporierten Unternehmen auch i m Interesse einer institutionellen Absicherung der Körperschaftsbesteuerung besser i n den Griff zu bekommen. Zur gleichen Zeit war das KStG 1934 jedoch durch eine nicht unerhebliche Veränderung des allgemeinen Standpunkts gekennzeichnet. Unter dem Schlagwort der Vereinfachung wurden zahlreiche Bestimmungen des K S t G 1925, die dazu gedient hatten, i n zweifelhaften Fällen den Zugriff der Körperschaftsteuer geschmeidiger zu gestalten, wieder rückgängig gemacht (Vereinheitlichung bisher differenzierter Tarife, Abschaffung der Sonderbehandlung der sog. kleinen GmbHs usw.), weswegen man sich alsbald gezwungen sah, das Fluktieren zwischen körperschaft- und einkommensteuerpflichtigen Unternehmensformen ausschließlich über die Tarife zu unterbinden. Vor allem aber begann der Gesetzgeber seit etwa 1933 viel häufiger und unmittelbarer lediglich aus wirtschafts- bzw. gesellschaftspolitischen Erwägungen i n die einzelnen Steuerarten und deren begriffstechnischen Apparat ein8*

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i e n u n d Tendenzen

zugreifen. Legt man die offiziösen Meinungsäußerungen des damaligen Staatssekretärs i m Reichsfinanzministerium, F. Reinhardt, zugrunde, so kam es für die anstehende Steuerreform insbesondere auf folgendes an: 1. Bekämpfung der v/eltweiten Wirtschaftskrise i m nationalen Bereich durch steuerliche Anreize. 2. Durchsetzung bevölkerungspolitischer Ziele, 3. Umbau der Steuerordnung mit dem Ziel, den (damaligen) Vorstellungen personaler Verantwortung i n der Wirtschaft mehr Geltung als zuvor zu verschaffen und 4. Inaussichtstellung eines allgemeinen Steuerabbaus für den Fall der wirtschaftlichen Gesundung 1 . Während bislang systematisch-dogmatische sowie verwaltungstechnische Gesichtspunkte den Vorrang besessen hatten, legte es der NS-Gesetzgeber also von vornherein darauf an, i n die Steuergesetzgebung ggf. auch aus ausschließlich wirtschaftspolitischen und somit vom individuellen Steuersubjekt durchaus unabhängigen Gründen einzugreifen. Zwar steuerte man dadurch der theoretischen Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung einen äußerst interessanten neuen Aspekt bei. Ein Gemeinwesen, das die Gewinnsituation der Unternehmungen nicht mehr als ein i n diesen selbst liegendes, unabänderliches Faktum hinnahm, sondern durch liquiditätssteigernde Abschreibungsvergünstigungen und ähnliche Maßnahmen immer häufiger die Seinsbedingungen des Periodengewinns selbst bestimmte, mußte entsprechend als berechtigt angesehen werden, sich ggf. schon aus diesem Grunde und nicht erst wegen des Vorliegens spezifischer körperschaftlicher Leistungsfähigkeiten einen Anteil am Unternehmensgesamtgewinn zu sichern. Recht besehen konnte das aber auch wieder dem Körperschaftsteuergedanken als solchen entgegenwirken. Denn wenn wirtschaftspolitische Maßnahmen nunmehr immer beherrschender i n die einzelnen Steuergesetze eindrangen, wenn sich also — um mit W. Gerloff zu sprechen 2 — der Steuer als „Finanzsteuer" die sog. „Ordnungssteuer" hinzugesellte, so konnte das die rationale Eigenstruktur der jeweiligen Steuerart auf lange Sicht gesehen nur verwischen: Nicht nur konnte, was heute w i r t schaftspolitisch sinnvoll war und daher steuerlich als förderungswürdig galt, morgen schon wieder völlig überholt sein. Vielmehr kamen durch die gesamtwirtschaftlichen Zielfestlegungen Aspekte zum Tragen, die möglicherweise nur bedingt mit einer bestimmten Steuerform i n Zusammenhang standen. Wirtschaftsförderung konnte offenbar auch i m Hinblick auf einkommensteuerpflichtige Unternehmungen betrieben werden. Welches waren dann aber noch die Gründe für eine eigenständige Körperschaftsbesteuerung?

1 F. Reinhardt, Der erste Abschnitt der nationalsozialistischen Steuerreform, RStZ 1934, S. 913 ff. 2 Die öffentliche Finanzwirtschaft 2 , S. 148 ff.

. Kap.: Das Körperschaftsteuergesetz 19

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1. Die subjektive Steuerpflicht

A m wenigsten machte sich dieser erneute Umschwung i n der allgemeinen Entwicklung freilich noch bei der neuerlichen Umgestaltung des Katalogs zur subjektiven Körperschaftsteuerpfiicht bemerkbar. Was die Neuordnung des durch § 1 KStG 1934 inzwischen auf sechs Arten von Steuerpflichtigen angeschwollenen Katalogs der subjektiven Körperschaftsteuerpfiicht anging, so handelte es sich i n der Tat beinahe ausschließlich um eine systematisch effektvollere Straffung der bisherigen Gruppeneinteilung. I m Gegensatz zu der m i t zahlreichen Weiterverweisungen arbeitenden Gesetzestechnik des KStG 1925 ließ sich die subjektive Steuerpflicht jetzt auf einen Blick übersehen 3 . Auch waren die tatsächlichen Änderungen i m Umfang der Steuerpflicht minimal 4 — mit einer Ausnahme freilich, und das war die Neufassung der Steuerpflicht der körperschaftsteuerpflichtigen Gebilde der öffentlichen Hand. Allerdings ging es auch insoweit zunächst u m die Verbesserung einer bislang ungeschickten gesetzlichen Regelung. Denn während noch nach dem K S t G 1925 die Steuerpflicht der öffentlichen Betriebe und Verwaltungen erst nach einem Substraktionsvorgang positiv bestimmt werden konnte, war man dieser Mühe jetzt enthoben: Steuerpflichtig waren jetzt nicht mehr die Betriebe und Verwaltungen von Körperschaften, ob mit oder ohne Rechtsfähigkeit und unter den besonderen, i m Gesetz angegebenen Voraussetzungen, sondern einfach alle Betriebe gewerblicher Art, sofern sie von Körperschaften des öffentlichen Rechts betrieben wurden. Infolgedessen konnte der größte Teil der bisherigen Befreiungsvorschriften ersatzlos wegfallen. Diese neue Terminologie brachte jedoch noch einen zusätzlichen Aspekt ins Spiel. Über den systematischen Gewinn dieses neuen Gesetzesaufbaus hinaus war m i t der Umgestaltung der Körperschaftsteuerpfiicht i m Bereich der öffentlichen Betriebe nämlich auch das Problem aufgeworfen, mit welchem Ziel und i n welchem Umfang diese Gruppe von Steuerpflichtigen überhaupt zu besteuern war. Folgt man dem Wortlaut des Gesetzes und den gesetzgeberischen Motiven, so war zunächst eindeutig, daß m i t der Anknüpfung des Gesetzes an den sog. „Betrieb gewerblicher A r t " offensichtlich eine Erweiterung gegenüber dem Begriff des Gewerbebetriebs i. e. S. erzielt werden sollte. Andernfalls wäre die Wort3 Bis auf einen Zusatz i n § 1 Abs. I Ziff. 6 (Gleichsetzung der Betriebe gewerblicher A r t v o n Körperschaften des öffentlichen Rechts m i t der Verpachtung eines solchen Betriebes) ist der damalige, die subjektive Körperschaftsteuerpfiicht umschreibende Katalog denn auch heute noch geltendes Recht. 4 Nach dem K S t G 1925 waren nichtrechtsfähige Personenvereinigungen jeder A r t unter der Voraussetzung des § 6 K S t G 1925 steuerpflichtig. Das K S t G 1934 hat diese Steuerpflicht — unter den gleichen Voraussetzungen (vgl. § 3 K S t G 1934) — auf die nichtrechtsfähigen Vereine beschränkt, s. §§ 1 Abs. I Ziff. 5 K S t G 1934, abgedr. RGBl. I, S. 103L

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i i e n u n d Tendenzen

wähl überflüssig gewesen. Doch worin sollte diese Erweiterung liegen und womit sollte sie gerechtfertigt werden? Eine erste A n t w o r t gibt hier die amtliche Begründung zum K S t G 1934. Wollte man nämlich, wie die Motive ausführten 5 , erreichen, daß auch solche Betriebe der öffentlichen Hand körperschaftsteuerpflichtig w u r den, die lediglich das äußere B i l d eines Gewerbebetriebes boten, wie etwa eine Behördenkantine, eine gemeinschaftliche Einkaufsstelle, aber auch die reinen Versorgungsbetriebe der öffentlichen Hand, so konnte das nur bedeuten, daß bei den sog. Betrieben gewerblicher A r t auf die sonst für einen Gewerbebetrieb erforderliche Absicht der nachhaltigen Gewinnerzielung 6 verzichtet werden sollte 7 . Soweit man berücksichtigte, daß bereits unter dem K S t G 1925 davon abgesehen worden war, bei der Umschreibung des Steuergegenstandes für bestimmte Körperschaftsteuerpflichtige, nämlich die Gruppe der sog. Erwerbsgesellschaften (jetzt: Kapitalgesellschaften), noch länger danach zu unterscheiden, ob eine gegebene wirtschaftliche Veranstaltung sämtliche Voraussetzungen der Einkunftsart „Einkommen aus gewerblicher Tätigkeit" erfüllte 8 , könnte man meinen, daß auch diese Abstrahierung von den konkreten erwerbswirtschaftlichen Zielen einer gegebenen Veranstaltung durchaus i m Rahmen der bisherigen Entwicklung lag. Auch konnte wegen des Umstandes, daß zahlreiche Versorgungsbetriebe trotz ihrer Bindung an einen öffentlichen Zweck zuweilen nicht unbeträchtliche Überschüsse an das Trägergemeinwesen abführten 9 , argumentiert werden, daß zumindest faktisch erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten gegeben waren, die schon deswegen eine selbständige, von der Körperschaftsteuer erfaßbare steuerliche Leistungsfähigkeit repräsentierten, und zwar u m so mehr, als durch eine Besteuerung der Versorgungsbetriebe keineswegs ausgeschlossen war, daß diese auch weiterhin einem besonderen öffentlichen Zwecke dienten. Ja, recht besehen konnte die Ausdehnung der Körperschaftsteuer auf Versorgungsbetriebe sogar zu einer verstärkten Besinnung auf die öffentlichen (sozialen) Zwecke beitragen. Denn geschah die Versorgung der Bevölkerung m i t lebensnotwendigen Bedürfnissen und Gütern ohne die Erzielung von Gewinnen, was den Belangen der Betroffenen sicherlich am meisten entsprach, so wurde mangels von Uberschüssen auch keine Steuer fällig. Entledig5 s. Begründung zum K S t G 1934, abgedr. i n RStBl. 1935, S. 81, sowie Veranl/ R i d i t i . 1935 (RStBl. 1935, S. 407). 6 Nachweise f ü r diese Begriffsbildung bei Landmann! Rohmerl Ey ermann! FrÖhler, Gewerbeordnung 1 2 , Einl. A 112. 7 So auch A. Kennerknecht, K o m m . z. K S t G 1934, § 1 A n m . 36. 8 s. das Vorkapitel unter 2. 9 Vgl. dazu T. Keller, Die Eigenwirtschaft öffentlicher Gemeinwesen, HdBFinWiss 2 , S. 185, 199 ff., sowie Stern-Püttner, Die Gemeindewirtschaft. Recht u n d Realität, S. 24 ff,

. Kap.: Das Körperschaftsteuergesetz 19

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ten sich die einschlägigen Versorgungsbetriebe ihrer Aufgaben dagegen gewinnmitnehmend 1 0 , so zeigte sich lediglich, daß wegen erhöhter Tarife der jeweilige öffentliche Zweck offenbar nicht optimal verfolgt wurde. Infolgedessen konnte eine Überprüfung des bisherigen Rechtszustandes nur angezeigt sein. Ggf. konnte eine steuerliche Belastung der Versorgungsbetriebe noch dazu beitragen, daß sich die Unternehmen auf ihre eigentlichen Aufgaben besannen. Indessen ließ sich das Abstrahieren von den besonderen Motiven einer wirtschaftlichen Veranstaltung, d. h. hier also vor allem das Absehen von der Absicht der Gewinnerzielung, auch durchaus anders auffassen, und überdies m i t überzeugenderen Gründen. Wenn die Verwaltungspraxis und Rechtsprechung schon unter dem KStG 1925 davon abgerückt war, i m Einzelfall zu ermitteln, welche Einkunftsart bei den betroffenen Körperschaftsteuersubjekten angefallen war, so bedeutete das noch nicht, daß die Absicht, wirtschaftliche Überschüsse als solche zu erzielen, unbeachtlich gewesen oder unbeachtlich geworden wäre. Schließlich war die damalige Ausdehnung der Körperschaftsteuer i m öffentlich-rechtlichen Bereich ausdrücklich als ein Gebot der Wettbewerbsneutralität verstanden worden 1 1 . Das setzte aber eine bestehende Wettbewerbslage und damit das Vorhandensein konkurrierender Gewinnerzielungsmotivationen geradezu voraus. Überdies war das erwerbswirtschaftliche Motiv bei den privatrechtlich organisierten juristischen Personen, auf die sich die Steuerpflicht der öffentlichen Betriebe und Verwaltungen gewissermaßen i n Analogie bezog, i n aller Regel von selbst gegeben. Fehlte sie i m Einzelfall — wie etwa bei der Verfolgung von gemeinnützigen Zwecken —, gewährte das Gesetz ohnehin die entsprechenden sachlichen oder persönlichen Befreiungen 12 . Dann war jedoch die Erweiterung der Körperschaftsteuerpfiicht i m KStG 1925 aus anderen Gründen erfolgt als jetzt i m K S t G 1934. Nicht mehr die auf dauerhafte und nachhaltige Gewinnerzielung gegründete besondere körperschaftliche Leistungsfähigkeit war das Ausschlaggebende. Worauf es für einen Teilbereich der Körperschaftsbesteuerung nunmehr ankommen sollte, war vielmehr der Tatbestand, daß überhaupt Überschüsse erzielt und daß diese Überschüsse — bislang jedenfalls — steuerlich nicht erfaßt worden waren. Nicht ohne Grund war daher i n den Veranlagungsrichtlinien für das Jahr 1934 die körperschaftsteuerliche Erfassung der Versorgungsbetriebe auch bereits ausschließlich mit dem Gebot der Gleichheit vor der Steuer i n Zusammenhang gebracht worden. Warum diese Belastungs10 Z u diesem Begriff Hans J. Wolff , Rechtsformen gemeindlicher Einrichtungen, Arch. f. KommWiss. Jg. 2 (1963), S. 151. 11 Vgl. Fn. 5. 12 Jetzt § 4 Abs. I Ziff. 5 K S t G 1934.

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i i e n u n d Tendenzen

gleichheit jedoch gerade durch die Körperschaftsbesteuerung hergestellt werden mußte, blieb unerörtert. Sicherlich — eine einkommensteuerliche Lösung kam wohl nicht i n Betracht. Dem stand die Organisation dieser Betriebe entgegen. Bemerkenswert mußte jedoch der Umstand erscheinen, daß mit dieser A r t der Begründung der Frage nach der besonderen körperschaftsteuerlichen Leistungsfähigkeit an sich ausgewichen worden war. Damit machte sich aber auch insoweit bemerkbar, worauf sich i m folgenden die Aufmerksamkeit vor allem richten würde. Nicht mehr der Körperschaftsteuerpflicht als solchen galt das Interesse, sondern immer deutlicher der Gewährleistung der Gleichheit vor der Steuer als solchen. Die Folgen, die diese Sicht der Dinge für die Unterschiedbarkeit der Körperschaftsbesteuerung von der parallel laufenden einkommensteuerlichen Behandlung bestimmter Betriebsformen haben mußte, erscheinen ohne weiteres einsichtig. 2. Die objektive Steuerpflicht

So kann es nicht überraschen, wenn sich auch i m Hinblick auf den körperschaftsteuerlichen Belastungsgegenstand die weitere Entwicklung eigenartig zwiespältig darstellen mußte. Zwar hieß es zunächst, daß der Steuergegenstand als solcher ohne wichtige Veränderungen aus dem bisherigen Recht übernommen werden könne. Auch das neue Recht habe sich weder der Quellentheorie noch der Schanzschen Reinvermögenszugangstheorie angeschlossen, sondern den Begriff des Einkommens „ausschließlich i n einer für die Zwecke der Besteuerung möglichst geeigneten Weise umgrenzt, und zwar i n Anschluß an das bisherige Gesetz und seine Auslegung durch Verwaltung und Rechtsprechung 13 ". Entsprechend wurde die seit 1920 übliche Sonderbesteuerung des körperschaftlichen Gewinns m i t einer reinen Proportionalsteuer fortgesetzt 14 . Insbesondere wurde auch die schon zu Zeiten des K S t G 1925 abgeschlossene Sonderentwicklung des körperschaftsteuerlichen Gewinneinkommens fortgeführt 1 5 . Gleichwohl begannen die Akzente auch i m vorliegenden Zusammenhang schon wieder durchaus neu gesetzt zu werden. Wie bei keinem Körperschaftsteuergesetz zuvor gab es jetzt nämlich auch steuerliche Gestaltungen, die ihren Existenzgrund keineswegs i n der Eigenstruktur der m i t eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Kapital- und Erwerbsgesellschaften fanden, sondern lediglich und allein auf den Umstand gemünzt schienen, daß die Körperschaftsteuergesetzgebung auf 13 14 15

Begründung zum EStG 1934, RStBl. 1934, S. 34. §§ 5, 6,18 f. K S t G 1934. Jetzt textlich niedergelegt i n § 19 K S t D V I v o m 6. 2.1935 (RGBl. I, S. 163).

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denselben Besteuerungsgegenstand zurückgriff, wie er für die Besteuerung der natürlichen Personen und insbesondere der sog. Personenunternehmungen seit je benutzt wurde. Gemeint ist die schon seit 1933 zu beobachtende Erscheinung, daß der Gesetzgeber trotz aller bisherigen Bemühungen, einen i m Verhältnis zwischen den Personen- und Kapitalunternehmungen deutlich unterscheidbaren Steuergegenstand herauszustellen, nun auch wieder auf die gleichwohl noch existenten Gemeinsamkeiten, insbesondere also die gleichzeitige und übereinstimmende Teileinkommenstruktur des gewerblichen Gewinns zurückzukommen bemüht war. So durften ζ. B. schon nach einem Gesetz über Steuerfreiheit für Ersatzbeschaffungen vom 1. 6. 193316 Aufwendungen für Gegenstände des gewerblichen und landwirtschaftlichen Anlagevermögens innerhalb eines bestimmten Zeitraums voll vom steuerlichen Gewinn als solchen abgezogen werden; und nach einem Gesetz über Steuererleichterungen vom 15. 7. 193317 ermäßigte sich sowohl bei der Veranlagung zur Einkommensteuer, wie auch bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer unter bestimmten Umständen die Steuerschuld sogar unmittelbar. Und nach dem EStG/KStG 1934 wurde dann schließlich für den gesamten gewerblichen Bereich die Bewertungsfreiheit i m Hinblick auf die sog. kurzlebigen Wirtschaftsgüter eingeführt; außerdem wurde i n gewissen Fällen auf die strikte Durchführung des erst 1925 (vgl. § 13 EStG 1925) geschaffenen Grundsatzes der Bilanzkontinuität verzichtet, vgl. § 6 EStG 1934 i. V. m. § 6 K S t G 1934. Durch einen breit angelegten Katalog von Steuervergünstigungen war somit Sorge dafür getragen, daß über die Organisationsformen hinweg, i n denen die respektiven (gewerblichen) Gewinne anfielen, die gewerblichen Überschüsse ohne Ansehung ihrer personalsubjektiven Zuordnung von einem Sonderregime erfaßt wurden. Volkswirtschaftlich gesehen, d. h. i n Anbetracht der seit 1933 verfolgten Politik, auch vermittels geeigneter steuerlicher Maßnahmen auf den darnieder liegenden Wirtschaftsprozeß (Weltwirtschaftskrise!) einzuwirken, mußte die materielle Reaktivierung der bisher nur formalrechtstechnisch gesehenen Beziehungen zwischen der Einkommen- und der Körperschaftsteuer freilich durchaus vernünftig erscheinen. Wenn es galt, eine gesamtwirtschaftlich für ungenügend erachtete Einkommens- und Gewinnsituation insgesamt auf ein angemessenes Niveau anzuheben und dem durch steuerliche Anreize nachzuhelfen, konnte sich eine auf individuelle Verhältnisse abstellende (steuerliche) Wirtschaftsförderung nur verzetteln. Vielmehr mußte es allein darauf ankommen, nach Mitteln und Wegen Ausschau zu halten, mit deren Hilfe man i n einer unnötige Verwaltungsarbeit vermeidenden, aber gleichwohl nicht mehr als nötig diskriminierenden A r t und Weise möglichst schnell zu einer durchgreifenden Besserung der Situation gelangen konnte. 16 17

RGBl. I, S. 324. RGBl. I , S . 491.

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Tatsächlich bot sich dann aber weder eine ausschließliche Förderung individueller Einkünfte, etwa durch eine allgemeine Steuersenkung bei der Einkommensteuer, noch eine selektive steuerliche Entlastung ζ. B. der körperschaftlichen Gewinne an. A m erfolgversprechendsten erschien vielmehr eine allgemeine Stützung der gewerblichen Wirtschaft als solchen. Denn hinsichtlich der ersten Alternative ließ sich einwenden, daß der durch eine Begünstigung privater Einkünfte favorisierte Prozeß individueller Produktivkapitalbildung bzw. erhöhten Konsums ggf. zu lange dauern könnte, und gegenüber einer ausschließlichen Begünstigung des bereits gesellten Kapitals konnte angeführt werden, daß dadurch unnötigerweise nach der Unternehmensform diskriminiert werde. Lediglich für die dritte Alternative ließ sich eine i m wesentlichen positive Gesamtwürdigung vorbringen. Ja, i n einer Witschaftsordnung, i n der die Signale für das Auf und Ab der Wirtschaft noch immer fast ausschließlich von den jeweiligen gewerblichen Unternehmen gesetzt wurden, und zwar sowohl den inkorporierten wie den nicht-inkorporierten, war neben einigen direkten staatlichen Initiativen, wie Notstandsarbeiten und Investitionen i m Verteidigungsbereich, eigentlich überhaupt kein anderer Ansatzpunkt vorhanden. Nirgendwo ließen sich die Gewinnerwartung nach der Steuer m i t offensichtlich größerem volkswirtschaftlichen Nutzen beeinflussen als i m gewerblichen Bereich als solchen. Von diesem ging der schon den englischen Volkswirtschaftsklassikern bekannte Anstoßeffekt aus: Nicht nur brachten die gewerblichen Betriebe zugleich eigene Nachfrage (nach Dienstleistungen und Investitionsgütern) und eigenes Angebot (von Verbrauchs- oder Investitionsgütern) hervor. Vielmehr regten sie immer auch fremdes Angebot und fremde Nachfrage an, und zwar wiederum sowohl auf der Ebene der Betriebe wie auch auf der Ebene der Haushalte: Nicht nur mußte die Ausweitung des Geschäftsvolumens i m Unternehmensbereich ζ. B. auf die Geschäftsaktivitäten der Zulieferungsbetriebe einwirken. Vielmehr bedingte erhöhte Güterproduktion i. d. R. auch einen erhöhten Bedarf an Arbeitskräften — und mit der Ausweitung persönlich verfügbaren Einkommens immer auch zusätzlichen Verbrauch und damit weitere Nachfrage. Steuerliche Erleichterungen, die man zunächst auf der betrieblichen Ebene einräumte, wurden also, wenn sie zu einer Belebung der Wirtschaft führten, i n einem sich zunehmend ausweitenden Anstoßprozeß an andere W i r t schafter, nicht zuletzt aber auch an die Bezieher von Lohneinkünften weitergegeben 18 . Doch selbst steuertheoretisch war diese Entwicklung keineswegs ungerechtfertigt. Zwar w i r d man annehmen müssen, daß das moderne synthetische Konzept der Einkommensbesteuerung, wie es u m die Jahrhundertwende entwickelt worden war, einer Wiederentdeckung des 18

Vgl. zum ganzen auch die Darlegungen von F. Reinhardt,

S. 913 ff.

. Kap.: Das Körperschaftsteuergesetz 19

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analytischen Ansatzes durchaus entgegenstand. Der Idee nach waren die Teileinkommen (früher Erträge) durch ihre Reduktion zu Einkünften und Rückführung auf individuelle Wirtschafter (natürliche Personen) vergleichbar, ja theoretisch identisch geworden. Sonderegelungen innerhalb des universalen Konzepts des Einkommens mußten daher grundsätzlich unzulässig erscheinen. Wie jedoch i m Vorstehenden schon des öfteren dargelegt werden konnte, war das ursprünglich einheitlich verstandene Einkommenskonzept inzwischen nicht nur durch Zulassung einer selbständigen Körperschaftsteuer auseinandergefallen. Wieder hatte sich auch eine Vielzahl von nur noch lose miteinander verbundenen Teileinkommensbegriffen gebildet 19 . Dann aber konnte es nicht nur geboten erscheinen, einzelne Teileinkommen, hier also etwa die gewerblichen Einkünfte i m Verhältnis zu den Einkünften aus unselbständiger Arbeit, ihren Sonderheiten entsprechend ungleich zu behandeln. Vielmehr mußte es — sofern man den ökonomischen Zielvorstellungen (die alsbaldige Gesundung der Wirtschaft auf schnellstmöglichem Wege) nur genügend Eigengewicht beimaß — umgekehrt sogar als möglich angesehen werden, daß aus steuersystematischen Erwägungen an sich unvereinbare Steuergrundlagen, nämlich das gewerbliche Einkommen von Personenunternehmen gegenüber dem Gewinn von Körperschaften, aus anderen Gründen, nämlich i n Verfolgung wirtschaftspolitischer oder anders ausgedrückt: makroökonomischer Betrachtungsweisen, letztlich wieder gleichbehandelt wurden. Durchaus folgerichtig war die zeitweilige Begünstigung der gewerblichen Gewinne während der Jahre von 1933 bis etwa 1937 allerdings auch umkehrbar. Das geschah schon durch die Einkommensteuernovelle aus dem Jahre 193820, durch die ζ. B. die Bewertungsfreiheit für kurzlebige Wirtschaftsgüter wieder rückgängig gemacht wurde 2 1 , dann aber insbesondere durch eine zunehmende Verschärfung der steuerlichen A k tivierungspflicht einschließlich der Vermehrung der sog. nicht-abzugsfähigen Ausgaben 22 sowie eine nicht abreißende Kette von Tariferhö19 Über diese, sich seit dem E S t G / K S t G 1925 noch verstärkende Entwicklung informiert i m einzelnen besonders P. Schimke, Wandlungen der Einkommensteuer, bes. S. 87 ff. 20 G. v. 1. 2.1938, RGBl. I, S. 99. 21 Vgl. § 51 Abs. 2 i. V. m. § 6 Ziff. 1 S. 4 EStG 1938 u n d dazu die Begründung des EStG 1938 (RStBl. 1938, S. 100): „Die Bewertungsfreiheit w a r durch das EStG 1934 geschaffen worden, u m die Unternehmer zu beschleunigter Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern des betrieblichen Anlagevermögens und zur Erweiterung ihrer Betriebsanlagen anzuregen. Sie w a r i m wesentlichen als Maßnahme i m K a m p f u m die Verminderung der Arbeitslosigkeit u n d zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit der betrieblichen Anlagen gedacht. Die Bewertungsfreiheit hat ihren Zweck durchaus erfüllt. Es wäre volkswirtschaftlich verfehlt, sie i n der Zeit der Vollbeschäftigung der Maschinenindustrie u n d der Rohstoffknappheit bestehen zu lassen. Viele Unternehmer würden ihre betrieblichen Anlagen ohne zwingenden G r u n d erweitern, und zwar einzig u n d allein, u m Steuern zu sparen . . . " 22 Dazu siehe P. Schimke, Wandlungen der Einkommensteuer, S. 22 ff., 29 ff., 67 ff., 92.

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1. Teil: E n t w i c k l u n g s l i i e n und Tendenzen

hungen 23 . Denn nach der Überwindung der Wirtschaftskrise und in Folge der durch den Krieg ausgelösten dauernden Hochkonjunktur kam es auf eine steuerliche Anreizung der Investitionstätigkeit und dadurch vermittelt eine positive (mittelbare) Beeinflussung des Konsums und der Investitionen nicht mehr i n dem Maße an wie noch 1933. Vielmehr mußte es jetzt neben der Befriedigung des ungeheuren staatlichen Finanzbedarfs eher darum gehen, aufgestaute Liquidität abzuschöpfen. Preiskontrollen, eine zügige Anhebung der Steuersätze und die verstärkte Anspannung der Besteuerungsgrundlagen waren daher das Gebot der Stunde. Und wieder trafen diese Maßnahmen inkorporierte und nicht-inkorporierte Unternehmungen i n gleichem Maße 24 . Sind das jedoch die Konsequenzen eines nunmehr vorwiegend w i r t schaftspolitisch orientierten Selbstverständnisses i n der direkten Besteuerung gewesen, waren durchaus wieder gewichtige Zweifel an der Begründetheit, bzw. Begründbarkeit i n der bisherigen Verselbständigung der Körperschaftsteuer möglich. Zwar bestand i n Übereinstimmung m i t dem K S t G 1925 für die wichtigsten Körperschaftsteuerpflichtigen noch immer die Besonderheit, daß sie lediglich Gewinneinkünfte beziehen konnten, während entsprechenden natürlichen Personen — selbst wenn sie buchführungspflichtig waren — daneben auch andere Einkommensarten zufließen konnten. Auch machte das K S t G 1934 durch eine bisher unbekannte Intransigenz i n der Tariffrage deutlich, daß Körperschaften eben anders behandelt wurden als natürliche Personen: Hatte das K S t G 1925 insoweit noch die wichtigen tariflichen Übergänge für die kleineren GmbHs und Genossenschaften und auch zwei verschiedene Steuersätze m i t weit gespanntem Anwendungsbereich gekannt, so ging das K S t G 1934 nunmehr grundsätzlich von einem Einheitstarif aus 25 . Lediglich für einige Körpeschaften unter staatlicher Aufsicht 2 6 und später die sog. Kreditgenossenschaften 27 gab es noch Sonderregelungen. Das körperschaftliche Moment, die besondere rechtliche Organisation war also wieder als ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal hervorgekehrt worden. 23 Vgl. dazu die Übersicht über die Spitzeneinkommensteuersätze bei Herrmann-Heuer, K o m m . z. ESt/KSt 1 4 , § 19 A n m . A 3, nach der der Spitzentarif von 40 Prozent i m Jahre 1934 auf 60,562 Prozent einschließlich Kriegszuschlag i m Jahre 1945 gestiegen ist. 24 u. a. durch die fortbestehende Verweisung auf die begleitende E i n k o m mensbesteuerung, vgl. § 6 K S t G 1934. 25 Vgl. § 19 Abs. I K S t G 1934. 26 Nämlich die Kreditanstalten des öffentlichen Rechts u n d die sog. reinen u n d gemischten Hypothekenbanken, vgl. § 19 Abs. I I K S t G 1934. Sämtliche sonstigen Vergünstigungen aus dem K S t G 1925 waren ersatzlos gestrichen, so daß die Tarifvorschriften i m K S t G 1934 schon rein umfänglich auf einen Bruchteil ihres ursprünglichen Bestandes zusammengeschrumpft waren. 27 Vgl. zunächst § 23 K S t G 1934 i. V. m. § 36 K S t D V O I v o m 6. 2. 1935 u n d später die V O über die Körperschaftsteuer der Erwerbs- u n d Wirtschaftsgenossenschaften vom 8.12.1939 (RGBl. I, S. 2391).

5. Kap.: Das Körperschaftsteuergesetz 1934

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Gleichwohl muß auffallen, daß die neuen wirtschaftspolitischen bzw. verwaltungsvereinfachenden Eingriffe in die Struktur der Körperschaftsbesteuerung augenscheinlich ohne Ansehung der respektiven Steuerform vorgenommen worden waren. Anstatt sich an den einzelnen oder nach typischen Merkmalen zu bestimmenden Steuerträgern zu orientieren, war man i m Gegenteil ganz auf funktionale Bezüge ausgewichen. Operationsbasis für die steuerlichen Förderungen seit Anfang der 30er Jahre waren eindeutig die gewerblichen Gewinne als solche und nicht die Besteuerungsgrundlagen spezifischer Zurechnungsträger, also etwa der Körperschaften oder der Inhaber von Personenunternehmen. Freilich hatte es auch schon früher zumindest beiläufig wirtschaftspolitisch motivierte Eingriffe i n die Besteuerungsgrundlagen gegeben 28 . Sowohl die Dividendensteuer des K S t G 1920 als auch die Einräumung steuervergünstigter Gewinnthesaurierungen für Personenunternehmungen seit 1931 könnten hier als Beispiele angeführt werden. I n dem einen Fall wie i n dem anderen w a r die Begünstigung der Bildung von Produktivkapital das tatsächliche Ergebnis. M i t der Anknüpfung an die Gewinnverwendung anstatt — wie seit 1933 üblich — an den Besteuerungsgegenstand selbst war auf die Eigenstruktur der beiden Steuerarten — die Körperschaft- und die Einkommensteuer — jedoch auch äußerlich Rücksicht genommen. Allerdings w i r d man diese neuerliche Parallelität i m Verhältnis der Einkommen- und Körperschaftsteuer zueinander jetzt wohl eher als einen Angleichungsprozeß der Einkommensteuer i n Richtung auf die Körperschaftsteuer zu kennzeichnen haben. Während die Berücksichtigung objektiver, gesamtwirtschaftlicher Kriterien für die Einkommensteuer der natürlichen Personen einen offenkundigen Bruch m i t der bisherigen Grundidee der Einkommensbesteuerung darstellte, so traf das für die Körperschaftsbesteuerung nur i n bedingtem Umfang zu: Immerhin war die körperschaftsteuerliche Leistungsfähigkeit schon immer insoweit eine versachlichte Leistungsfähigkeit gewesen, als sie sich bemüht hatte, die Leistungsfähigkeit einer sozialen Wirkeinheit i n Rechnung zu stellen. Diese aber hatte man i m Grunde schon immer als losgelöst von der Leistungsfähigkeit der beteiligten natürlichen Personen betrachtet 29 . 28 Dazu allgemein A.Lampe, DiewirtschaftlichenVoraussetzungen der nichtfiskalischen Steuergestaltung, Fstg. f. G. Schanz, Bd. I, S. 172 ff. 29 So k a n n es nicht weiter verwundern, daß selbst die Handhabung des Problems des sog. steuerlichen Periodenausgleichs seit 1933 nurmehr i n rein k o m pensatorischer Manier angegangen worden ist. Nachdem 1934 weder dem Wunsch nach einer Wiedereinführung der früher üblichen Besteuerung nach einem 3-Jahres-Durchschnitt noch den Bestrebungen nach einer Fortführung des erst 1929 wieder eingeführten allgemeinen Verlustvortrages nachgegeben worden ist (s. amtl. Begründung zum EStG 1934, RStBl. 1935, S. 33), wurde der Verlustvortrag 1938 kurzerhand wieder zugelassen (§ 10 Abs. I Ziff. 4 EStG

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1. Teil: Entwicklungslinien und Tendenzen 3. Das Verhältnis der Körperschaftsbesteuerung zur Einkommensbesteuerung

Zweifellos wäre es daher schon unter dem K S t G 1934 durchaus konsequent gewesen, wenn sich zugleich mit den wichtigen Veränderungen i m Hinblick auf die objektive Körperschaftsteuerpfiicht auch das Problem der tatsächlichen Ausgestaltung des Verhältnisses der Körperschaftsteuer zu den entsprechenden Strukturen der die nicht-inkorporierten Gewerbeunternehmen betreffenden Einkommensteuer i n einem neuen Licht darzustellen begonnen hätte. I n demselben Maße, i n dem der körperschaftsteuerliche Besteuerungsgegenstand zunehmend nach denselben Gesichtspunkten wie die Steuerbasis der einkommensteuerpflichtigen Unternehmen ausgestaltet wurde, mußte es immer schwieriger werden, für gleichwohl bestehende Unterschiede i n der traditionell zweigliedrigen Unternehmensbesteuerung eine logische Begründung zu finden — handelte es sich nun auf der rein betrieblichen Ebene um die Unterschiede i n der Tarif gestaltung oder auf der Ebene der beteiligten natürlichen Personen um die inzwischen zum Wesen der Körperschaftsbesteuerung gehörenden Nichtrücksichtnahme auf die eventuelle anschließende Einkommensbesteuerung der Ausschüttungen bzw. die Abzugsfähigkeit von Gesellschaftergehältern u. dgl. Drängte unter den übergreifenden Gesichtspunkten der neuen Steuerpolitik m i t starken w i r t schaftspolitischen Obertönen nicht ohnehin alles danach, die einzelnen Steuern überhaupt unter einem ganz anderen Blickwinkel zu sehen30? Ungeachtet der i m Vorstehenden beobachteten Veränderungen kam die Entwicklung i m vorliegenden Zusammenhang jedoch wieder einmal erst m i t deutlicher Phasenverzögerung i n Gang. Ja, recht besehen, schien sich — jedenfalls am Anfang — überhaupt nichts an dem bisherigen Selbstverständnis der Körperschaftsbesteuerung geändert zu haben. So besaß ζ. B. die i n § 6 S. 2 KStG 1934 eingestellte Vorschrift über die verdeckte Gewinnausschüttung zwar keinerlei Vorbild i n den KStG 1920 bzw. 1925. Tatsächlich setzte sie jedoch lediglich eine schon früher zur Sicherstellung der selbständigen Besteuerung der Körperschaften eingeleitete Rechtsentwicklung fort und gehörte damit zum Bestand derjenigen gesetzlichen Regelungen, die von einer Sonderstellung der körperschaftlich organisierten Unternehmen ausgingen 31 . 1938). Einziger Grund: Z u gleicher Zeit w a r das großzügige Entgegenkommen bei der Bewertung der sog. kurzlebigen Wirtschaftsgüter rückgängig gemacht worden. 30 A u f die Bedeutung der jeweiligen Wirtschaftsverfassung f ü r die Ausgestaltung des begleitenden Steuersystems ist denn auch schon frühzeitig hingewiesen worden, vgl. etwa J. Popitz, Einkommensteuer, H d S t W 4 Bd. I I I , S. 403, 431 f. oder H. Teschemacher, Die Einkommensteuer, HdBdFinWiss 1 , S. 66 f. 31 Vgl. das V o r k a p i t e l unter 2.

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Entsprechendes galt für die Vorschriften, die die Erfassung bisher nur teilweise versteuerter Vermögensmehrungen (unaufgedeckte Rücklagen) durch die Körperschaftsteuer vor Wegfall der subjektiven Steuerpflicht sicherstellen sollten (Umwandlung, Fusion, Liquidation, Geschäftsverlegung ins Ausland) 3 2 . Und selbst i m Hinblick auf den Steuertarif hatte sich nur insoweit etwas geändert als an Stelle der bis 1934 gültigen 3 Tarife jetzt wieder, jedenfalls ganz regelmäßig, nur ein einziger Einheitstarif zur Anwendung kam 3 3 . Der aber belief sich — wie schon unter dem K S t G 1925 der Regelsteuersatz — nach wie vor auf 20 Prozent. Doch selbst als m i t einem Gesetz vom 27. 8. 193634 diejenige Reihe von Tariferhöhungen eingeleitet wurde, die die Körperschaftsteuer zunächst auf 25 bzw. 30 Prozent und i n den letzten Kriegsjahren auf bis zu 55 Prozent (vom steuerbaren Gewinn) brachte 35 , wodurch sich der Abstand der einkommensteuerlichen Spitzenbelastung von der entsprechenden körperschaftsteuerlichen bis auf wenige Prozent verringerte 3 6 , änderte sich an der bisherigen Betrachtungsweise i m Grunde genommen noch nichts wesentliches. Wie es schon i n der Begründung zur 1. Steuererhöhung geheißen hatte, ging es, jedenfalls den gesetzlichen Intentionen nach, lediglich darum, daß „(d)er Anreiz, aus Steuerersparnisgründen die Form der anonymen Gesellschaft zu wählen, . . . durch die Erhöhung der Körperschaftsteuer . . . erheblich abgeschwächt werden (solle. Denn d)ie Form der Kapitalgesellschaft und damit die Form der Anonymität und der Ausschließung der persönlichen Haftung . . . (dürfe) nur i n den wenigen Fällen gewählt werden, i n denen dies aus volkswirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt ist 3 7 ". Man hatte eben den Preis dafür zu zahlen, daß die m i t dem KStG 1925 eingeführten Sonderregelungen für die zweifelhaften Fälle i n der Körperschaftsbesteuerung (die kleinen GmbHs usw.) ersatzlos gestrichen worden waren. Wer aber i n dem Maße, wie es soeben dargelegt worden ist, auf der rechts technischen Absicherung einer selbständigen Körperschaftsteuer beharrte und bei diesem Unterfangen — wie statistisches Material beweist — erstmalig einen durchschlagenden Erfolg zu verzeichnen hatte 3 8 , der mußte logi-

32 Vgl. § 15 K S t G gegenüber § 18 Abs. I I , I I I K S t G 1925 und dazu A. Kennerknecht, K o m m . z. K S t G 193411, § 15 Anm. 9. 33 s. A n m . 25, 26. 34 RGBl. I, S. 701. 35 Vgl. den Überblick über die körperschaftsteuerliche Regelbelastung nach Jahren bei Herrmann-Heuer, K o m m , zum ESt/KSt 1 4 , § 19 A n m . 3. 30 Vgl. A n m . 23. 37 Vgl. die allg. Gesetzesbegründung i n RStBl. 1936, S. 873. Z u r Frage der — relativen — Begünstigung der Personalgesellschaften vgl. auch G. Albrecht, Z u r Frage der Besteuerung der kapitalgesellschaftlichen Gewinne, F A N.F. Jg. 6 (1939), S. 424, 437. 38 Vgl. die Nachweise bei H. Attinger, Die Besteuerung der Aktiengesellschaften, S. 84 A n m . 26.

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1. Teil: Entwicklungslinien u n d Tendenzen

scherweise — trotz aller Angleichungen der respektiven einkommenund körperschaftsteuerlichen Strukturen — auch davon ausgehen, daß es sich nach wie vor u m wesensmäßig voneinander geschiedene Steuerformen handelte. Dennoch war es — und das ist leicht zu sehen — auch i n diesem Zusammenhang i n Wahrheit bereits zu Auswirkungen der i m Vorstehenden so klar zum Ausdruck gekommenen Wiederannäherung der einkommensteuerlichen und körperschaftsteuerlichen Unternehmensbesteuerung gekommen. Denn obschon man die allmähliche Heranführung des Körperschaftsteuersatzes an den einkommensteuerlichen Spitzensatz vornehmlich zur institutionellen Sicherung der Körperschaftsbesteuerung i n Angriff genommen hatte, war doch schon durch diese Tarifangleichung als solche — wenngleich zunächst wohl unbeabsichtigt — auch hier das so deutlich am gewerblichen Unternehmen als solchen orientierte Denken vorgedrungen: Gerade weil es i m Verhältnis der Einkommens- zur Körperschaftsbesteuerung immer auch um den häufig genug ohne zwingenden sachlichen Grund erfolgenden Wechsel i n der gewerblichen Organisationsform als solchen ging, hatte man ja so starken Wert auf Tarifangleichungen gelegt. Ganz zwangsläufig hatte die Gesetzgebung dann aber diejenigen Besteuerungsfälle zum Gegenstand, die offensichtlich auf beiden Seiten der Unternehmensbesteuerung „existenzfähig" waren. Und je weiter man m i t der Angleichung ging, je deutlicher mußte sich die Überlegung aufdrängen, daß wesensbedingte Unterscheidungen i n der Unternehmensbesteuerung möglicherweise nicht zu rechtfertigen waren. Und tatsächlich ließ sich diese Betrachtungsweise bei jeder Gelegenheit weiter ausbauen. Nachdem die Besteuerungsgrundlagen selbst wieder näher aneinandergerückt waren und nachdem die Besteuerung des körperschaftlichen Gewinns nur unter ständiger Rücksichtnahme auf die begleitende Einkommensteuer durchführbar geworden war, konnte man sich fragen, ob nicht auch die inzwischen üblich gewordene (proportionale Struktur der Körperschaftsteuer einer Überprüfung bedürfte. Während der Einkommensteuersatz nach wie vor progressiv ausgestaltet war, bestand der körperschaftsteuerliche Tarif seit 1920 grundsätzlich i n einem Proportionalsteuersatz. Das aber bedeutete, daß aus Zufälligkeiten i n der Gewinnentwicklung noch immer nicht unerhebliche Belastungsunterschiede resultieren konnten: Während Körperschaften immer denselben prozentualen Anteil vom Gewinn abführen mußten, war der staatliche Steueranteil bei den nicht körperschaftlich verfaßten Unternehmen auch von der Höhe des Gewinns abhängig. Es konnte daher kaum ausbleiben, daß der Gesetzgeber auch i n dieser Richtung zu experimentieren begann. Das erste Ergebnis zeitigte ein Gesetz zur Erhöhung der Körperschaftsteuer für die Jahre 1938 - 1940

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aus dem Jahre 1938 , durch das die Körperschaftsteuer erstmals seit fast 20 Jahren wieder von der Höhe des erzielten Gewinns abhängig gemacht wurde: Für Körperschaften, die einen Gewinn von mehr als 100 000 R M realisiert hatten, wurde statt des Regelsteuersatzes von damals 30 Prozent für das Kalenderjahr 1938/39 ein Steuersatz von 35 Prozent angeordnet und für das Kalenderjahr 1939/40 sogar ein solcher von 40 Prozent. Und bei diesem Stand der Dinge verblieb es nicht einmal. Schon ab 1941 wurde der zweigestufte Sondertarif i n einen dreigestuften verwandelt 4 0 und ab 1942 wurde schließlich für Gewinne über 500 000 R M noch eine vierte Tarif stuf e eingeführt 4 1 . Zwar dürfte man auch hierin i m Zweifel nichts anderes gesehen haben als einen weiteren Schritt auf dem Wege zur möglichst weitgehenden Absicherung der Besteuerung i n den beiden herkömmlichen Unternehmenssteuerbereichen 42 . Diese Anpassung war jedoch offensichtlich ambivalent: Je mehr zu der inzwischen fast schon üblich gewordenen Übung, den Körperschaftsteuersatz an den entsprechenden einkommensteuerlichen Spitzensätzen zu orientieren, nunmehr außerdem das Bemühen trat, die Struktur der jeweiligen Einkommensteuersätze auch i m übrigen nachzuahmen, u m so auffälliger mußte auch insoweit die Parallelität zwischen Körperschaft- und Einkommensteuer werden: Aus der institutionellen Absicherung der Körperschaftsteuer war — i n der „Überdosierung" — Parallelität und weitgehende Identität geworden. Ist das aber richtig beobachtet, war man sachlich beinahe wieder dort angelangt, wo man sich zu Anfang der modernen Körperschaftsbesteuerung schon einmal befunden hatte. Wenn sich nicht nur die respektiven Besteuerungsgrundlagen zwischen der Einkommens- und Körperschaftsbesteuerung wieder angeglichen hatten, sondern auch die auf diese „gemeinsame" Basis gelegten Tarife, so lag es vergleichsweise nahe — 39 G. v. 25. 7. 1938 (RGBl. I, S. 952). Dazu: Lühe, Der Körperschaftsteuertarif, DStBl. 1938, S. 2 ff. 40 Vgl. StÄndVO v o m 20. 8. 194-1 (RGBl. I, S. 510), die i n § 2 einen 25°/oigen Zuschlag zum Regelsatz (von entweder 30 oder 40 Prozent) festlegte (falls die betr. Körperschaft m i t ihren Gewinnen über 50 000 R M lag), der f ü r 1941 freilich n u r zur Hälfte erhoben werden sollte. Damit ergaben sich folgende T a r i f stuf en: Bis 50 000 R M : 30