Die Theologischen Fakultäten im Dritten Reich [Reprint 2011 ed.] 9783110814743, 9783110152265


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German Pages 506 [508] Year 1996

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Table of contents :
1. Institutionelle Voraussetzungen. Die Ausgangslage
2. Konflikte mit dem Nationalsozialismus vor 1933. Drei Beispiele
a) Hallescher Universitätskonflikt um Günther Dehn
b) Attacken gegen Otto Baumgarten in Kiel
c) Zwischenfälle im Kolleg Erich Faschers in Jena
3. Universitätstheologie und „nationale Erhebung“. Das Jahr 1933 im theologischen Diskurs
4. „Politische Säuberungen“. Auswirkungen des Berufsbeamtengesetzes
5. Evangelischer Fakultätentag und Reichskirchenreform
6. Der Arierparagraph im theologischen Widerstreit
7. Gutachten, Stellungnahmen, Kirchenkampfaktivitäten
8. Zwischen deutschchristlichem Anspruch und Bekenntniskritik
a) Fakultätspolitische Forderungen der Deutschen Christen
b) Die Fakultäten im Urteil der Bekenntnisfront
c) Universitätstheologen in der Bekennenden Kirche
9. Kirchliche Ausbildungsstätten. Konkurrenz oder Alternative?
a) Bekenntniskirchliche Hochschulen
b) Die Theologische Schule in Bethel
10. Fachschaftsarbeit und studentisches Korporationswesen
a) Die theologischen Fachschaften vor 1933
b) Fachschaften und Studentengruppen im Dritten Reich
c) Gleichschaltung und Ende der Studentenverbindungen
11. Kontroversen um Fakultätsexamen und Studienreform
12. Fakultätspolitische Ambitionen des Seeberg-Kreises
13. Zur Berufungs- und Besetzungspolitik. Mit Fallstudien zu Bonn, Kiel, Berlin und Breslau
Bonn
Kiel
Berlin
Breslau
14. Vom Weltanschauungs- und Existenzkampf der Universitätstheologie
a) Im Störfeuer deutschgläubiger Polemik
b) Parteioffizielle Diskriminierung
c) Protestschritte und Memoranden
15. Institutioneller Überlebenskampf seit 1938
Quellen und Literatur
Archivalien
Zitierte Literatur und Auswahlbibliographie
Personenregister
Begriffsregister
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Die Theologischen Fakultäten im Dritten Reich [Reprint 2011 ed.]
 9783110814743, 9783110152265

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de Gruyter Studienbuch

Kurt Meier

Die Theologischen Fakultäten im Dritten Reich

w DE

G Walter de Gruyter · Berlin · New York 1996

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche

Bibliothek



CAP-Einheitsaufnahme

Meier, Kurt: Die Theologischen Fakultäten im Dritten Reich / Kurt Meier. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1996. (de Gruyter Studienbuch) ISBN 3 - 1 1 - 0 1 3 7 6 1 - 5 kart. ISBN 3 - 1 1 - 0 1 5 2 2 6 - 6 G b .

©

Copyright 1996 by Walter de Gruyter & Co., D - 1 0 7 8 5 Berlin

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Diskettenkonvertierung mit T j X : Lewis &C Leins G m b H , Berlin Druck: Gerike G m b H , Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer G m b H , Berlin

Inhalt

1. Institutionelle Voraussetzungen. Die Ausgangslage

1

2. Konflikte mit dem Nationalsozialismus vor 1933. Drei Beispiele a) Hallescher Universitätskonflikt um Günther Dehn b) Attacken gegen Otto Baumgarten in Kiel c) Zwischenfälle im Kolleg Erich Faschers in Jena

12 12 16 19

3. Universitätstheologie und „nationale Erhebung". Das Jahr 1933 im theologischen Diskurs

27

4. „Politische Säuberungen". Auswirkungen des Berufsbeamtengesetzes

62

5. Evangelischer Fakultätentag und Reichskirchenreform

97

6. Der Arierparagraph im theologischen Widerstreit

116

7. Gutachten, Stellungnahmen, Kirchenkampfaktivitäten

134

8. Zwischen deutschchristlichem Anspruch und Bekenntniskritik

150

a) Fakultätspolitische Forderungen der Deutschen Christen .. b) Die Fakultäten im Urteil der Bekenntnisfront c) Universitätstheologen in der Bekennenden Kirche 9. Kirchliche Ausbildungsstätten. Konkurrenz oder Alternative? a) Bekenntniskirchliche Hochschulen b) Die Theologische Schule in Bethel

150 155 177 189 189 210

10. Fachschaftsarbeit und studentisches Korporationswesen a) Die theologischen Fachschaften vor 1933 b) Fachschaften und Studentengruppen im Dritten Reich c) Gleichschaltung und Ende der Studentenverbindungen

222 222 232 . . . . 275

11. Kontroversen um Fakultätsexamen und Studienreform

291

12. Fakultätspolitische Ambitionen des Seeberg-Kreises

313

VI

Inhalt

13. Zur Berufungs- und Besetzungspolitik. Mit Fallstudien zu Bonn, Kiel, Berlin und Breslau Bonn Kiel Berlin Breslau

352 365 374 383 387

14. Vom Weltanschauungs- und Existenzkampf der Universitätstheologie 392 a) Im Störfeuer deutschgläubiger Polemik 392 b) Parteioffizielle Diskriminierung 403 c) Protestschritte und Memoranden 419 15. Institutioneller Überlebenskampf seit 1938

436

Quellen und Literatur Archivalien Zitierte Literatur und Auswahlbibliographie

467 467 467

Personenregister

485

Begriffsregister

497

1. Institutionelle Voraussetzungen. Die Ausgangslage

Der institutionelle Charakter der theologischen Fakultäten an den deutschen Universitäten war von einem Doppelaspekt bestimmt: sie waren traditionell integrierte Institutionen des staatlichen Hochschulwesens und dienten zugleich der konfessionellen Pfarrerausbildung der Kirchen. Organisatorisch, personal- wie haushaltsrechtlich gehörten die theologischen Fakultäten zum Staat und zur Korporation der Universität. Trotz fortschreitender Säkularisierung hatte es der Staat in Deutschland nicht aufgegeben, die vollakademisch qualifizierte Theologenausbildung als eigenes staatliches kulturelles Anliegen zu behandeln. Diese Tradition setzte sich auch während der Weimarer Republik fort. Die institutionelle Einbindung der theologischen Fakultäten in das staatliche Bildungswesen und ihre wissenschaftliche Bildungsaufgabe für den Theologennachwuchs der Kirchen stellte deshalb die staatliche Hochschulpolitik vor eine spezifische doppelte Problemlage, die bei den anderen Fakultäten der Universitäten so nicht gegeben war. Die Tatsache, daß theologische Hochschullehrer einer spezifischen Konfession zugehörten und die von ihnen vertretene Lehrmaterie besonders in den normativen Fächern bekenntnisbestimmt gelehrt wurde, hatte schon des längeren zu einer gewissen Sonderstellung der theologischen Fakultäten im Blick auf die sich konfessionsneutral verstehenden anderen Universitätswissenschaften geführt. Doch waren Forderungen, die theologischen Fakultäten durch religionswissenschaftliche, konfessionsfreie Fakultäten abzulösen, relativ singulär geblieben. Außenseiter, wie der völkisch-national orientierte Göttinger Orientalist Paul de Lagarde und der kritische Baseler Theologe Franz Overbeck, hatten beide im Jahre 1 8 7 3 die Ersetzung der theologischen Fakultäten durch Lehrstühle für Religionswissenschaft gefordert. Theologen seien gegenüber der Kirche im Blick auf Resultate oder Methode ihrer Arbeit Verpflichtungen eingegangen, die dem Charakter unabhängiger Wissenschaft widersprächen. Ähnlich wie de Lagarde hatte auch Overbeck gefordert, der Staat müsse einer neuen theologischen Fakultät den Weg bahnen, die frei von konfessioneller Bindung sei und sich vielmehr mit der Religion im allgemeinen zu beschäftigen habe, von der auch staatlicherseits nicht abgesehen werden könne. Auch nach dem Ersten Weltkrieg wurde hin und wieder die Wissenschaftlichkeit der Theologie und ihre institutionelle Vertretung an

2

Institutionelle

Voraussetzungen

einer staatlichen Universität in Frage gestellt. Diese kritischen Stellungnahmen blieben indes kulturpolitisch bedeutungslos. 1 Andererseits hatten bestimmte kirchliche Kreise -

wie etwa

die

Gründung der Theologischen Schule in Bethel im J a h r e 1 9 0 5 zeigte - gravierende Bekenntnis- und Frömmigkeitsdefizite in der Universitätsausbildung evangelischer Pfarrer erblickt und biblisch-bekenntnistheologische oder auch frömmigkeitsmäßig-praktische Vertiefung und Ergänzung des Universitätsstudiums für T h e o l o g e n gefordert. 2 U m diesem D i l e m m a zwischen wissenschaftlich-kritischen wie konfessorisch-kirchenpraktischen Ansprüchen zu entgehen, g a b es gelegentliche Überlegungen, o b sich nicht die Universitätstheologie stärker a u f historische Disziplinen wie Kirchen- und Theologiegeschichte und altund neutestamentliche Bibelwissenschaft konzentrieren und normative Fächer wie D o g m a t i k und Ethik oder wenigstens die praktische T h e o l o gie den Landeskirchen überlassen solle. D o c h blieben das angesichts des tradierten F ä c h e r k a n o n s der theologischen Fakultäten kontroverse Einzelerwägungen ohne Realisierungsaussicht, zumal eine kirchlich verantwortete homiletisch-katechetische Ausbildung auf den landeskirchlichen Predigerseminaren ohnehin ergänzend zum Universitätsstudium hinzutrat. Die theologischen Fakultäten an den Universitäten haben den Z u sammenbruch des kaiserlichen Deutschlands und den Sturz des Landesfürstentums in der Novemberrevolution 1 9 1 8 überdauert, o b w o h l radikale Forderungen der Trennung von Staat und Kirche zeitweilig auch ihren Bestand zu gefährden schienen. Die Weimarer Reichsverfassung von 1 9 1 9 , die eine moderate Trennung von Staat und Kirche festschrieb, jedoch die G r o ß k i r c h e n durch staatliche Körperschaftsrechte und Kirchensteuereinziehung privilegierte, hat den Verbleib der theologischen Fakultäten im Universitätsverband garantiert.

1.

Paul de L a g a r d e , Über das Verhältnis des deutschen Staates zu Theologie, Kirche und Religion, S. 4 0 - 8 3 ; F r a n z Overbeck, Über die Christlichkeit unserer heutigen Theologie; vgl. Ernst-Lüder Solte, Theologie an der Universität, S. 2 1 - 2 6 ; hier auch Hinweise auf unterschiedliche wissenschaftskonzeptionelle Bestreitungen des universitären Existenzrechtes theologischer Fakultäten im 2 0 . J a h r h u n d e r t bei Fritz M a u t h n e r , E r n s t - H e r m a n n Haenssler, J a k o b Barion, Alwin Diemer und Gerhard Szczesny.

2.

Vgl. Jelle van der K o o i , Entstehung der Theologischen Schule.

3

Die Ausgangslage

Der Passus über theologische Fakultäten findet sich erst im vierten Verfassungsentwurf 3 vom 1 8 . J u n i 1 9 1 9 . Der betreffende Artikel 1 4 9 , Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung vom 1 1 . August 1 9 1 9 lautete in der Endfassung: „Die theologischen Fakultäten an den Hochschulen bleiben e r h a l t e n . " Der Fortbestand der theologischen Fakultäten war von allen Parteien auf der Weimarer Nationalversammlung grundsätzlich akzeptiert mit Ausnahme der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD). Sie hatte für einen etwaigen Verbleib der theologischen Fakultäten an den Universitäten ihre kirchliche Eigenfinanzierung gefordert, ohne damit durchzudringen. Strittig blieb indes, o b außer den 1 7 bestehenden evangelisch-theologischen Fakultäten auch neu zu gründende die gleichen Verfassungsgarantien erhielten. Verfassungsrechtlich galt diese Bestimmung über den Bestandsschutz der theologischen Fakultäten „als eine Verbindung von institutioneller Garantie und von Status-quo-Garantie ( . . . ) , wobei aber, von der Weimarer Verfassung aus gesehen, die Betonung des Institutionellen wohl die Sicherung der Einzelheiten des Status q u o der Fakultäten ü b e r w o g . " 4 Die auf der Weimarer Nationalversammlung 1 9 1 9 erzielte Regelung war kräftepolitisch vorrangig durch die katholische Zentrumspartei bewirkt. Ihre kultur- und kirchenpolitischen Forderungen kamen an diesem Punkte auch den evangelischen theologischen Fakultäten und damit der universitären Theologenausbildung der evangelischen Landeskirchen zugute. Angesichts der durchweg von den Parteien akzeptierten Kulturstaatsverpflichtung, zu der auch die Pflege der Wissenschaften gehörte, setzten sich verschiedentlich auch die Universitäten selbst dafür ein, die Theologie als integrativen Bestandteil der Gesamtwissenschaften beizubehalten. Gutachten von T h e o l o g e n , unter ihnen Adolf von H a r n a c k , Adolf D e i ß m a n n und H a n s von Schubert, plädierten für das Verbleiben der theologischen Fakultäten im Universitätsverband. 5 Die „Denkschrift der evangelisch-theologischen Fakultät T ü b i n g e n " 6 vom 7 . J a n u a r 1 9 1 9 beleuchtet die Situation, in der sich die Universitätstheologie unmittelbar nach der Novemberrevolution von 1 9 1 8 befand. 3.

Verhandlungen der verfassungsgebenden deutschen

Nationalversammlung.

Stenographische Berichte, Bd. 3 3 6 , 3 3 7 , 3 3 9 , Berlin 1 9 2 0 , hier: Bd. 3 3 6 , S. 2 0 9 , nach: Eike Wolgast, Hochschulpolitik, S. 4 5 - 4 7 ; vgl. Karl-Heinz Fix, Universitätstheologie und Politik, S. 1 - 1 1 . 4.

Werner Weber, Status, S. 3 0 9 . Vgl. M a r t i n Heckel, Fakultäten.

5.

Z u m Inhalt der Gutachten vgl. Walter Delius, Fakultäten, S. 3 3 - 5 4 .

6.

„Denkschrift der evg. theol. Fakultät zu Tübingen vom 7. 1. 1 9 1 9 betr. etwaige Entfernung der theologischen Fakultäten von den deutschen Uni-

4

Institutionelle

Voraussetzungen

Ähnliche Argumente für den Erhalt der theologischen Fakultät im Universitätsverband wurden auch anderwärts vorgebracht. Mit Besorgnis stellte die Denkschrift fest: Die schon im 19. Jahrhundert sich sukzessiv anbahnende „Trennung von Staat und Kirche" sei durch die deutsche Novemberevolution aktuell geworden, also in ein akutes Stadium getreten. Tatsächlich war ja das Ende der monarchischen Reichs- und Länderverfassung Ende 1918 in Deutschland und der Wegfall des Summepiskopats der Landesfürsten über die Kirchen ihres Territoriums die entscheidende Zäsur, wenngleich seit der Synodalbildungsphase im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Lockerungen des Staatskirchentums schon eingetreten waren. Mit der Trennungsabsicht der Kirche vom Staat schien auch die Stellung der theologischen Fakultäten in Frage gestellt. Man wolle sie „aus ihrem Zusammenhang mit den Universitäten loslösen und ihre Zukunft ganz dem Ermessen der in einen einfachen Verein umzugestaltenden Kirche anheimstellen", hieß es in der Tübinger Denkschrift. Die wissenschaftliche Theologie galt jedoch als Teil der Geisteswissenschaften, die den Universitäten zur Pflege überwiesen sind. Würden die evangelisch-theologischen Fakultäten grundsätzlich den deutschen Universitäten ferngehalten, so entziehe man diesen „die wissenschaftliche Untersuchung der wichtigsten und folgenreichsten Äußerungen des geistigen Lebens". Das bedeute eine empfindliche Lücke im Organismus der Universität und einen unmittelbaren Verlust für manche ihrer wissenschaftlichen Disziplinen. Denn die theologischen Disziplinen seien mit der sprach- und kulturgeschichtlichen Erforschung des Hellenismus und des Alten Orients wie auch aller Epochen der abendländischen Geschichte eng verbunden. Das gleich gelte auch von der Verfassungs-, Rechts- und Philosophiegeschichte wie anderer universitärer Forschungsrichtungen. Auf den an der Universität möglichen wissenschaftlichen Austausch wie auf die kulturelle und volkspädagogische Bedeutung einer akademischen Pfarrerausbildung im Rahmen der Universität wurde hingewiesen. Universitätsausbildung könne auch nicht „bloß auf künftige Staatsdiener" beschränkt werden, würden doch auch eine Reihe freier akademischer Berufe wie Ärzte, Apotheker, Chemiker und andere ebenso an den Universitäten ausgebildet. Deshalb dürfe auch dem für die Volksgemeinschaft wichtigen akademischen Beruf des Geistlichen die universitäre Ausbildung nicht vorenthalten werden. Die bevorstehende Kirchentrennungsfrage dürfe die Stellung der Theologischen Fakultät an der Universität versitäten", masch. 11 S., unterzeichnet von Dekan Prof. Paul Volz (UA Tübingen, 117/682).

5

Die Ausgangslage

überhaupt nicht berühren. Abschließend stellte die Theologische Fakultät den Antrag, der Senat der Universität T ü b i n g e n solle sich bei der vorgesetzten Landesbehörde dafür einsetzen, daß die evangelisch-theologische Fakultät als gleichberechtigtes Glied der Universität Tübingen erhalten bleibe. Auch von den Universitäten selbst wurde der Wunsch nach Beibehaltung der theologischen Fakultäten bisweilen artikuliert. So hatte es beispielsweise der G r o ß e Senat der Universität Heidelberg bereits am 1 9 . Dezember 1 9 1 8 in einem Beschluß für seine Pflicht erklärt, „etwaigen Absichten auf Beseitigung der theologischen Fakultäten an den deutschen Universitäten entgegenzutreten". D e r Beschluß, der in der Presse veröffentlicht, dem badischen Kultusministerium und allen anderen deutschen Universitäten übermittelt wurde, besagte: Durch ihre wissenschaftlichen Leistungen hätten sich die theologischen Fakultäten das unbedingte R e c h t e r w o r b e n , „im R a h m e n der Universitäten gleichberechtigt weiterzuwirken". Ihre Weiterexistenz galt kultur- und wissenschaftspolitisch als unerläßlich: 7 „ D i e Zerstörung des Z u s a m m e n h a n g s des theologischen Studiums mit der Gesamtuniversität würde eine unheilvolle Schädigung der wissenschaftlichen Ausbildung der Geistlichkeit und damit auch eine Gefährdung der allgemeinen Volksbildung bedeuten, die zu den Grundgedanken des Volksstaates in schroffem Widerspruch stünden. Zugleich aber würde die Wissenschaft durch eine Isolierung der theologischen Studien in besonderen Anstalten, aber auch bei einer Unterbringung der rein theoretischen Gebiete der T h e o l o g i e in der philosophischen Fakultät, einen schweren und unersetzlichen Verlust erleiden." Neben dem von der Weimarer Reichsverfassung gewährten verfassungsrechtlichen

Bestandsschutz k a m es während der Zeit der Wei-

marer Republik zu weiteren speziellen Bestandsschutzgarantien für die evangelisch-theologischen

Fakultäten durch Staatskirchenverträge

der

Länder Bayern ( 1 9 2 4 ) , Preußen ( 1 9 3 1 ) , Baden ( 1 9 3 2 ) . Für die katholischtheologischen Fakultäten w a r die entsprechende kirchenvertragliche Bestandsgarantie in den K o n k o r d a t e n des Heiligen Stuhls mit

Bayern

( 1 9 2 4 ) , Preußen ( 1 9 2 9 ) und Baden ( 1 9 3 2 ) enthalten, wobei vor allem die Regelung des kirchlichen Einflußrechts auf die theologischen Fakultäten konkretisiert wurde.

7.

UA Heidelberg, Senatsprotokolle 1 9 1 8 ; zit. nach Eike Wolgast, Hochschulpolitik, S. 4 6 , Anm. 5.

6

Institutionelle

Voraussetzungen

Was die evangelisch-theologischen Fakultäten sonst betraf, so wurde der Bestandsschutz für die theologische Fakultät an der Universität R o stock in die Verfassung des Landes Mecklenburg-Schwerin von 1 9 2 1 aufg e n o m m e n . 8 Uber die generelle Bestimmung der Weimarer Reichsverfassung hinaus blieben lediglich die theologischen Fakultäten in Gießen, J e n a und Leipzig ohne spezielle Bestandsschutzgarantien, da für die Länder Hessen, Thüringen und Sachsen Staatsverträge mit den Kirchen nicht abgeschlossen wurden, die einen solchen Passus hätten enthalten können. D o c h übte die Bestandsgarantie durch inzwischen geschlossene Kirchenverträge und K o n k o r d a t e mit Bayern, Preußen und Baden, zuletzt für die katholisch-theologischen Fakultäten im

Reichskonkordat

Juli 1 9 3 3 (Art. 1 9 , Satz 1) wegen des im deutschen Staatskirchenrecht herrschenden Paritätsprinzips auch für die evangelisch-theologischen Fakultäten Gießen, J e n a und Leipzig, die ohne speziellen Bestandsschutz waren, eine gewisse absichernde Reflexwirkung aus. 9 D a s R e i c h s k o n k o r d a t von 1 9 3 3 betonte den Bestand der katholisch-theologischen Fakultäten, ohne - ähnlich wie im bayerischen L a n d e s k o n k o r d a t - die Fakultäten einzeln zu erwähnen. An deutschen Universitäten bestanden zu Beginn des Dritten Reiches im J a h r e 1 9 3 3 insgesamt 1 7 evangelisch-theologische Fakultäten. Es handelte sich um die Universitäten Berlin, B o n n , Breslau, Erlangen, Gießen, Göttingen, Greifswald, Halle, Heidelberg, J e n a , Kiel, Königsberg, Leipzig, M a r b u r g , M ü n s t e r , R o s t o c k , T ü b i n g e n . 1 0

Ohne

logische Fakultäten waren damals lediglich die Universitäten

theoFrank-

furt/Main, Köln und H a m b u r g . Die Universitäten M ü n c h e n , Würzburg, Freiburg besaßen katholisch-theologische Fakultäten. In Breslau, B o n n , 8.

Texte und Angaben bei Ernst Rudolf Huber/Wolfgang Huber, Staat und

9.

Werner

Kirche, Bd. 4 . Weber,

Status,

S. 3 1 0 :

Wenn

man

das Reichskonkordat

vom

Juli 1 9 3 3 mit einbezieht, standen folgende (staatliche) theologische kultäten und Hochschulen unter Verfassungs- und Konkordatsschutz:

Faa)

die katholisch-theologischen Fakultäten an den Universitäten Bonn, Breslau, Freiburg i.Br., M ü n c h e n , Münster, Tübingen und W ü r z b u r g und an der Staatlichen Akademie in Braunsberg (Ostpr.); b) die

philosophisch-

theologischen Hochschulen in Bamberg, Dillingen, Freising, Passau und Regensburg (sämtlich ohne Promotionsrecht); c) die evangelisch-theologischen Fakultäten an den Universitäten Berlin, Breslau, Bonn, Erlangen, Gießen, Göttingen, Greifswald, Halle, Heidelberg, Jena, Kiel, Königsberg, Leipzig, M a r b u r g , Münster, R o s t o c k und Tübingen. 10.

Vgl. ebd. Absatz c.

7

Die Ausgangslage

M ü n s t e r und Tübingen g a b es je eine katholische und eine evangelische Fakultät. Ausschließlich mit evangelisch-theologischen Fakultäten ausgestattet waren die Universitäten Königsberg, Greifswald, Berlin, Halle, R o s t o c k , Kiel, Göttingen, Leipzig, J e n a , M a r b u r g , Gießen, Heidelberg, Erlangen. N a c h dem Anschluß Österreichs im Frühjahr 1 9 3 8 k a m noch die Evangelisch-Theologische Fakultät in Wien hinzu, die - als evangelische Ausbildungsstätte im 1 9 . J a h r h u n d e r t entstanden - erst unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg ihren Fakultätsstatus neben der traditionsreichen katholischen Fakultät in Wien erhalten hatte. 1 1 Die verfassungsrechtlichen und kirchenvertraglichen Bestandsgarantien

aus der Weimarer

Zeit

haben

auch

im

„Dritten

Reich"

den

evangelisch-theologischen Fakultäten ihre Weiterexistenz sichern geholfen, wenn sie auch nicht verhindert haben, d a ß es schon

1938

zu

parteipolitisch inszenierten Planungen k a m , die zumindest eine drastische Reduzierung der theologischen Fakultäten durch Zusammenlegung zum Ziel h a t t e n . 1 2 Die Schließung bzw. Aufhebung der evangelischtheologischen Fakultät in Leipzig Herbst 1 9 3 9 und 1 9 4 2 konnte abgewehrt w e r d e n 1 3 , zeitweilig gefährdet erschien auch R o s t o c k , ebenso Kiel. Regelrecht geschlossen worden sind indes lediglich die katholischtheologischen Fakultäten der Universität Innsbruck ( 1 9 3 8 ) und M ü n c h e n (1938/39).

Bei der nach dem Abschluß des Frankreichfeldzuges

als

Reichsuniversität 1 9 4 0 wiedereröffneten Straßburger Universität wurden theologische Fakultäten beider Konfessionen nicht mehr zugelassen, wie sie bis 1 9 1 8 bestanden hatten. D o c h hat die Situation des Z w e i t e n Weltkriegs bei aller Beschränkung der Arbeit der theologischen Fakultäten ihre institutionelle Liquidierung verhindern geholfen, weil der erhoffte „Endsieg" - ähnlich wie bei der „Endlösung der K i r c h e n f r a g e " - kriegspolitisch Vorrang hatte. Verfassungsstrukturell gesehen hatten die staatlichen theologischen Fakultäten „ihren Status (einschließlich ihrer Beziehungen zu den kirchlichen Behörden) über rund hundert J a h r e hinweg trotz aller inneren Spannungen in erstaunlicher Kontinuität b e w a h r t . " 1 4 Die Tatsache, d a ß die evangelischen Landeskirchen seit Novemberrevolution 1 9 1 8 und Weimarer Reichsverfassung 1 9 1 9 vom Staat getrennt waren und sich als Körperschaften des öffentlichen Rechts konstituiert hatten, veränderte 11.

Vgl. Karl W . Schwarz, „ G r e n z b u r g " und „ B o l l w e r k " .

12.

Uber Zusammenlegungspläne bei Eike Wolgast, Hochschulpolitik, S. 6 6 - 7 9 .

13.

Kurt Meier, Resistenzbedeutung, S. 2 1 5 - 2 1 8 .

14.

Werner Weber, Status, S. 3 1 7 .

8

Institutionelle

Voraussetzungen

den universitären Status der theologischen Fakultäten nicht, wenngleich ihre Verantwortung für die Pfarrerausbildung nunmehr für Landeskirchen erfolgte, die durch die neue Reichsverfassung ihre institutionelle Autonomie erlangt hatten. Auch das nationalsozialistische Regime hat den Status der theologischen Fakultäten als Staatsanstalten de jure nicht in Frage stellen können. Der mehrfache Wechsel der politischen Szenerie in dieser weiten Zeitspanne und die Wandlungen der kirchenpolitischen Systeme haben den Status kaum berührt. Trugen diese verfassungs- und kirchenvertraglichen Bestandsgarantien auch dazu bei, die institutionelle Existenz der evangelischtheologischen Fakultäten während des Dritten Reiches sichern zu helfen, so wurde die evangelische Universitätstheologie de facto doch mit politisch-weltanschaulichen Herausforderungen des Nationalsozialismus konfrontiert, die zunehmend auch im Interesse der Bestandssicherung zu verstärkter theologischer Apologetik führten. Aus der religionspolitischen Entwicklung im Dritten Reich, die einen drastischen Distanzierungstrend der NSDAP von Christentum und Kirche erkennen ließ, ergaben sich zusätzlich institutionsgefährdende Tendenzen für die theologischen Fakultäten. Ahnlich wie die Kirchen sahen sich die theologischen Fakultäten in einen sich zunehmend verschärfenden Weltanschauungskonflikt hineingestellt. Durch Zusammenlegungspläne15 schien ihre institutionelle Position innerhalb des staatlichen Hochschulwesens vor allem seit 1938 in Frage gestellt, obwohl es schon vorher mancherlei begründet erscheinende Befürchtungen in dieser Richtung gab. Die nationalsozialistische Hochschulpolitik gegenüber den evangelisch-theologischen Fakultäten (als universitären Stätten der Forschung und Lehre, die zentral der Ausbildung für den protestantischen Pfarrernachwuchs dienten) konnte sich nicht unabhängig oder unbeeinflußt von der Religions- und Kirchenpolitik des NS-Regimes vollziehen. Als die 1922 im Deutschen Evangelischen Kirchenbund konföderativ zusammengefaßten 28 evangelischen Landeskirchen in Deutschland sich im Frühjahr 1933 zur Deutschen Evangelischen Kirche reichskirchlich zu formieren begannen, kam es zu dem als evangelischer Kirchenkampf bezeichneten Großkonflikt innerhalb der evangelischen Kirche und zwischen NS-Staat und Kirche 16 . Diese kirchenpolitischen Auseinandersetzungen, die sich zu einem Dauerkonflikt auswuchsen, ließen auch die theologischen Fakultäten nicht unberührt. Die traditionelle Einbindung 15. 16.

Vgl. Kap. 15. Institutioneller Überlebenskampf seit 1 9 3 8 . Näheres bei Klaus Scholder, Kirchen; Kurt Meier, Kirchenkampf.

Die

Ausgangslage

9

der theologischen Fakultäten in die ressortpolitische Zuständigkeit der staatlichen Hochschulverwaltung führte zwangsläufig zu Abhängigkeitsproblemen vom NS-Staat. Dadurch gerieten Universitätstheologen in unterschiedlich wahrgenommene Loyalitätskonflikte zwischen staatlicher und kirchlicher Verantwortung. Die Gleichschaltung des evangelischen Kirchentums, 1933 mittels der staatlich und parteiamtlich massiv unterstützten Glaubensbewegung „Deutsche Christen" ins Werk gesetzt und noch bis Herbst 1934 nachhaltig forciert, wurde von einem zunächst unterschwelligen Trend abgelöst, der die Ausschaltung kirchlichen Einflusses zum Ziel hatte. Innerhalb des Altreichs stagnierten allerdings die Auswirkungen dieser massiven Restriktionstendenz der weltanschaulichen Distanzierungskräfte des NS-Systems gegenüber Christentum und Kirche während des Zweiten Weltkriegs. So vollzog sich der institutionelle Existenzkampf der theologischen Fakultäten in einem innerhalb der hochschulpolitischen Funktionsmechanismen wirksamen dialektischen Prozeß von Anpassung und Resistenz vor dem wechselnden Hintergrund der konfliktgeladenen kirchen- und religionspolitischen Entwicklung des NS-Systems. Hatten die evangelisch-theologischen Fakultäten als Staatsfakultäten an den deutschen Universitäten bisher der Kultushoheit der Länder unterstanden, so war es nach der 1933 erfolgten politischen Gleichschaltung der Länder 1 7 zu einer stärkeren Zentralisierung der Kultusverwaltung gekommen, die dem Gleichschaltungstrend des NS-Regimes entsprach. Mit Wirkung vom 1. Mai 1934 wurde ein zentrales Wissenschaftsressort geschaffen, das aus dem preußischen Kultusministerium („Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung") hervorging und als „Reichs- und Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung" die Zuständigkeit „für das gesamte Erziehungs-, Bildungsund Unterrichtswesen des Reiches sowie für die Aufgaben der Wissenschaft" zugewiesen erhielt. 18 Studienrat Wilhelm Rust, seit 1928 Gauleiter der NSDAP von Süd-Hannover-Braunschweig, bei seiner Ernennung zum preußischen Kultusminister Frühjahr 1933 von diesem bis 17.

Gesetz zur Gleichschaltung der Länder vom 7. April 1 9 3 3 (Neufassung vom 2 5 . April 1933). In: RGBl I, S. 173 (S. 2 9 3 ) ; Gesetz vom 14. Oktober 1933. In: RGBl I, S. 7 3 6 . Beide Gesetze wurden durch das Reichstatthaltergesetz vom 30. Januar 1 9 3 5 (RGBl I. S. 65) aufgehoben, mit dem die Reichsstatthalter für ihren Amtsbezirk als ständige Vertreter der Reichsregierung von Hitler selbst eingesetzt oder abberufen wurden.

18.

RGBl I (1934), S. 3 6 5 . Zur NS-Hochschulpolitik allgemein vgl. Helmut Heiber, Universität; Hellmut Seier, Universitäts- und Hochschulpolitik; Hans

10

Institutionelle

Voraussetzungen

1 9 4 0 beibehaltenen Parteiamt beurlaubt, avancierte Anfang Mai 1934 zum Reichs- und Preußischen Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Im Gefolge dieser Zentralisierung der Verwaltung des gesamten deutschen Bildungs- und Unterrichtswesens konnte Reichswissenschaftsminister Rust auf Grund reichsgesetzlicher und ministerieller Verfügungen durch Runderlaß vom 2 3 . Februar 1935 schließlich feststellen, daß die Vereinigung der gesamten Hochschul-Personalpolitik in einer Hand vollzogen sei. Gleichzeitig gingen sämtliche schwebenden Berufungs- und Disziplinarangelegenheiten von den Ländern auf das Reich über. Neben dem als „Reichs- und Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung" firmierten Reichswissenschaftsministerium 19 bestanden die bisherigen Kultusministerien und Volksbildungsressorts der gleichgeschalteten Länder mit eingegrenzten Kompetenzen weiter. Die preußische Hochschulverwaltung war ohnehin in das neugeschaffene Reichsministerium einbezogen. Die Hochschulsachbearbeiter der außerpreußischen Länder waren insofern in den Dienstweg eingeschaltet, als ihnen gewisse Befugnisse verblieben: so etwa Entscheidungsrechte für Habilitationen und Promotionen, für Anstellung und Entlassung von Assistenten, für Erledigung von Urlaubsgesuchen von Professoren usw. Doch war nun der Reichswissenschaftsminister „allein zuständig für die erstmalige Berufung eines Hochschullehrers in das Beamtenverhältnis und die Einreichung des Ernennungsvorschlags an den Führer und Reichskanzler für die außerpreußischen Länder (auf Grund des Reichsstatthaltergesetzes vom 21. Januar 1 9 3 5 mit Ausführungsverordnung vom 1. Februar 1 9 3 5 ) . " 2 0 Allerdings konnte das Reichswissenschaftsministerium personalpolitisch seit dem Führer-Erlaß vom 24. September 1935 nicht ohne die Dienststelle „Stellvertreter des Führers" tätig werden, so daß die Parteikanzlei unter dem „Stellvertreter des Führers" Rudolf Heß und dem immer stärker dominierenden Chef der Parteikanzlei, dem Stabsleiter und späteren Reichsleiter Martin Bormann, auch die Berufungspolitik der theologischen Fakultäten mitbestimmen konnte. 2 1 Maier, Hochschulpolitik; Theodor Vahlen, Wissenschaft; Eike Wolgast, Hochschulpolitik. 19. 20. 21.

Offizielle Kurzform seit 1 9 3 6 „Reichserziehungsministerium". Theodor Vahlen, Wissenschaft, S. 7. Erlaß vom 2 4 . September 1 9 3 5 . In: RGBl I, S. 1203. Vgl. Theodor Vahlen, Wissenschaft, S. 9.

Die Ausgangslage

11

In kirchenpolitisch relevanten Bereichen waren dem 1 9 3 5 gegründeten Reichskirchenministerium unter H a n n s Kerrl Mitwirkungsbefugnis und Konsultation zugestanden. 2 2 Bei der faktisch stark polykratischen Regierungsstruktur des NS-Staates haben auch sonst Parteistellen M i t spracheforderungen erhoben; für die theologischen Fakultäten

selbst

blieb der Einfluß des NS-Reichsleiters Alfred Rosenberg als Parteiideologe nur punktuell f a ß b a r , etwa in den Auswirkungen seiner Schrifttumsprüfstelle. D o c h wurde er auch bei Planungen über die Existenz der theologischen Fakultäten gehört, so daß er seinen ausgesprochen kirchenaversiven Einfluß durchaus geltend machen konnte. Auch der universitäre Einfluß etwa des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei Heinrich H i m m l e r , der mit seiner pseudowissenschaftlichen Organisation „ A h n e n e r b e " 2 3 eigenständige rivalisierende Ambitionen verband, blieb in seiner Bedeutung für die Existenz der theologischen Fakultäten unklar. D o c h oblagen ihm staatspolizeiliche R e s t r i k t i o n s m a ß n a h m e n , wie sie beim Verbot der Ausbildungsaktivitäten der Bekennenden Kirche im J a h r e 1 9 3 7 (Himmler-Erlaß) sichtbar wurden. Ferner hatten es die theologischen Fakultäten mit den universitären und zentralen Dienststellen der Reichsdozenten- wie der Reichsstudentenführung zu tun. Auch das Verhältnis zum jeweiligen Reichsstatthalter war von Belang. 2 4

22.

Z u den Kompetenzen vgl. Heinz Boberach, Organe, S. 3 0 5 - 3 3 1 ; Heinz Boberach, Inventar, S. 2 6 6 f. (auch zu den Kompetenzen der Kultusministerien der außerpreußischen Länder); Sebastian Schröcker, Praxis, S. 4 2 3 - 4 3 3 ; vgl. Heike Kreutzer, Die Entstehung des Reichsministeriums für die kirchlichen Angelegenheiten, S. 7 4 - 7 9 .

23.

Vgl. Michael H . Kater, Ahnenerbe.

24.

Z u den Machtbefugnissen der Gauleiter, die verschiedentlich zugleich auch Reichsstatthalter waren, vgl. Peter Hüttenberger, Gauleiter.

2. Konflikte mit dem Nationalsozialismus vor 1 9 3 3 . Drei Beispiele

a) Hallescher Universitätskonflikt um Günther

Dehn

Bezeichnend für den nationalistischen Trend der Jahre vor 1933 war der „Hallesche Universitätskonflikt". 1 Die Berufung von Günther Dehn, Pfarrer an der Reformationskirchengemeinde in Berlin, zum Professor für praktische Theologie an der Universität Halle führte 1931 zu spektakulären Auseinandersetzungen mit der deutschnationalen und nationalsozialistischen Studentenschaft. Dabei wurde er als „feiger Pazifist" beschimpft und als Hochschullehrer abgelehnt. Günther Dehn hatte im Dezember 1 9 3 0 zunächst einen Ruf der Theologischen Fakultät in Heidelberg auf die praktisch-theologische Professur erhalten. Zugleich hatte ihn der sozialdemokratische Kultusminister Adolf Grimme für eine praktische-theologische Professur in Halle vorgesehen. Dehn entschied sich am 5. Januar 1931 für Heidelberg. Als jedoch der Herausgeber der nationalistisch orientierten „Eisernen Blätter", Pfarrer D. Gottfried Traub, daraufhin Anfang 1931 Pressenotizen über einen Vortrag mit dem Thema „Kirche und Völkerversöhnung" in die Öffentlichkeit brachte, den Pfarrer Dehn am 6. November 1928 in der Ulrichsgemeinde in Magdeburg gehalten hatte, löste er damit einen Konflikt aus, der dazu beitrug, daß Dehn damals im akademischen Raum nicht wirksam Fuß fassen konnte. Dehn hatte in seinem Magdeburger Vortrag vom Evangelium her auf die Kriegsfrage einzugehen versucht. Als christliche Hauptmaxime galten ihm Friedensgesinnung und Friedensarbeit. Der Krieg sollte entromantisiert werden; die Beteiligung des Christen am Kriege wurde proble1.

Günther Dehn (Hg.), Kirche und Völkerversöhnung; Ernst Bizer, Der „Fall Dehn"; Helmut Heiber, Universität unterm Hakenkreuz, Teil 1, S. 8 2 - 1 0 8 ; Joachim Rhode, „Fall Günther Dehn"; Wissenschaftliches Kolloquium zum 1 0 0 . Geburtstag von Günther Dehn - veranstaltet von der Sektion Theologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg am 2 0 . und 2 1 . April 1 9 8 2 (Beiträge von Walter Bredendiek, Werner Prokoph, Wolfgang Wiefel, Eberhard Winkler), in: Standpunkt. Evang. Monatsschrift, Berlin. Beilage zu Heft 1 / 1 9 8 3 ; Kurt Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, S. 15 f.

Hallescher

Universitätskonflikt

um Günther

Dehn

13

matisiert. Er hatte sich für die Möglichkeit ausgesprochen, im konkreten Falle - analog den Quäkern - den Waffendienst zu verweigern, ohne „den Rat der unbedingten Kriegsdienstverweigerung" zu geben, weil Verteidigungskrieg ja auch Akt der Notwehr sei. Anstößig auf nationalistische Kreise wirkte es auch, daß Dehn es ablehnte, den Soldatentod auf dem Schlachtfeld nach dem Bibelwort in Joh. 15, 13 zu verstehen: „Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben lasse für seine Freunde." Bei dieser Deutung des Kriegstodes, die sich nicht selten auf Gedenktafeln oder Ehrenmälern der Weltkriegsgefallenen fand, sei außer acht gelassen, daß der, der als Soldat getötet wurde, auch selbst habe töten wollen. Gedenktafeln für Gefallene in kirchlichen Räumen seien unangebracht. Denkmäler für Kriegsgefallene aufzustellen, obliege eigentlich der bürgerlichen Gemeinde. Auch gegen die Institution der Feld- und Militärgeistlichkeit hatte Dehn sich gewandt, weil diese zu sehr in den militärischen Zwang eingebunden sei. Die geistliche Versorgung der Soldaten sollte lieber durch Zivilgeistliche erfolgen. Aus der Diskussion um den Magdeburger Vortrag war mißverständlich kolportiert worden, Dehn habe die Gefallenen des Weltkrieges als Mörder bezeichnet. Vom Berliner Konsistorium als seiner vorgesetzten Behörde, an das sich zwei pensionierte Offiziere, die davon gehört hatten, beschwerdeführend wandten, erhielt Dehn nicht die notwendige Entlastung; vielmehr wies man dort darauf hin, er habe es bei der Behandlung „so ernster und die Menschen tief bewegender Fragen ( . . . ) an der rechten Besonnenheit ( . . . ) fehlen lassen und Worte gebraucht ( . . . ) , die zu bedauerlichen Mißverständnissen geführt und eine begreifliche Erregung hervorgerufen" hätten. 2 Gegen das Sondervotum von Prof. Martin Dibelius (Heidelberg), der an der Berufung Dehns festhalten wollte, faßte die Heidelberger Theologische Fakultät unter Dekan Prof. Robert Jelke mit sechs Stimmen daraufhin am 2 6 . Januar 1931 den Beschluß, die Berufung Dehns nach Heidelberg nicht mehr aufrechtzuerhalten. Dehn verzichtete daraufhin noch Ende Januar in einem Telegramm an das badische Kultusministerium auf die ihm angetragene Heidelberger Professur. 2 7 Professoren der Universität, unter ihnen der Philosoph Karl Jaspers, erklärten zwar Ende Februar, die Gründe für eine Zurücknahme des Berufungsvorschlags durch die Theologische Fakultät nach angenommener Berufung durch Dehn könnten sie nicht als ausreichend empfinden; die dadurch bewirkte Bloßstellung Dehns in der Öffentlichkeit sei zu bedauern. Doch schien 2.

Günther Dehn (Hg.), Kirche und Völkerversöhnung, S. 62.

14

Konflikte mit dem Nationalsozialismus

vor

1933

Dehns Berufung in der aufgeheizten antipazifistisch-nationalistischen Atmosphäre konfliktverschärfend zu wirken angesichts der Attacken rechtsstehender Studentenvertretungen gegen die Berufung des jüdischen Privatdozenten für Statistik Emil J . Gumbel zum außerordentlichen Professor. Gumbel, Sohn eines jüdischen Privatbankiers, seit 1 9 1 5 Pazifist, in USPD und SPD und der „Deutschen Liga für Menschenrechte" engagiert, hatte durch zugespitzte Agitation, die gelegentlich auch nationale Gefühle im Blick auf die Kriegstoten verletzte, schon längere Zeit immer wieder für Aufregung gesorgt, ohne daß es seinen Gegnern gelang, ihn aus seiner Lehrtätigkeit zu verdrängen. 3 Die anhaltenden universitären Auseinandersetzungen um Gumbels Berufung zum außerordentlichen Professor im Herbst 1 9 3 0 hat damals ungünstige Voraussetzungen für Dehns Berufung in Heidelberg geschaffen. Hauptorganisator der Kampagnen gegen Gumbel vor 1933 war der Medizinstudent Gustav Adolf Scheel, der vom Leiter der Heidelberger „Deutschen Studentenschaft" und des dortigen NS-Studentenbundes zum Führer des NS-Studentenbundes im Reich avancierte und während des Krieges, von der Parteikanzlei protegiert, Gauleiter von Salzburg wurde. Hitler hat ihn 1945 in seinem politischen Testament zum Reichswissenschaftsminister anstelle von Rust vorgesehen. 4 Nachdem sich Dehns Berufung in Heidelberg zerschlagen hatte, wurde er vom preußischen Kultusminister Adolf Grimme im Februar 1931 nach Halle berufen. Die Theologische Fakultät in Halle, deren eigene Liste vom Ministerium nicht berücksichtigt worden war, hatte Ende November 1 9 3 0 die von Grimme zur Berufung vorgeschlagenen Pfarrer D. Emil Fuchs und Lie. Dr. Paul Piechowski, die den Religiösen Sozialisten angehörten, abgelehnt, aber eine Berufung Dehns - wenn auch unter Vorbehalten - als „nicht untragbar" bezeichnet. Noch vor seinem Amtsantritt im Wintersemester 1931/32 und den dadurch ausgelösten Studententumulten erklärte der „Kampfring der Christlich-Deutschen Bewegung" in Halle, Dehns Wirken an der Universität sähe man „in tiefer Sorge um den theologischen Nachwuchs" entgegen: „Ein Mann, der den sittlichen Gedanken der Verteidigung von Volk und Vaterland soweit herabwürdigt, daß er es den einzelnen überläßt, im konkreten Falle den Kriegsdienst zu verweigern, ist als akademischer Lehrer nicht zu ertra3.

4.

E. Gumbel wurde am 5. August 1 9 3 2 die Lehrbefugnis entzogen, vgl. Heiber, Universität unterm Hakenkreuz, S. 7 6 ; Eike Wolgast, Das zwanzigste Jahrhundert, S. 7-9. Ebd. S. 2 4 ; Peter Hüttenberger, Die Gauleiter, S. 2 0 0 , 2 0 7 , 2 2 3 .

Hallescher Universitätskonflikt

15

um Günther Dehn

g e n " . Die v o m NS-Studentenbund A n f a n g N o v e m b e r 1931 gesteuerten Demonstrationen der Hallenser Studentenschaft verfolgten den Z w e c k , Dehns Vorlesungstätigkeit zu vereiteln. Als Mitglieder in der „Christlich-Deutschen B e w e g u n g " haben die Professoren Emanuel Hirsch und Hermann Dörries in Göttingen in einer Stellungnahme zum Halleschen Universitätskonflikt betont: v o n einem zu dieser Frage redenden deutschen T h e o l o g e n hätte man fordern können, daß die N a t i o n und ihre Freiheit bei aller Fragwürdigkeit des natürlichen Lebens v o n G o t t geheiligte Güter seien, die eine ganze H i n g a b e des Herzens und des Lebens fordern. Aus dieser Erkenntnis ergäbe sich dann zwangsläufig das Bekenntnis zu dem „leidenschaftlichen Freiheitswillen unseres Volkes, das von macht- und habgierigen Feinden geknechtet und geschändet" werde. Die deutsche Jugend habe an Günther Dehn deshalb Anstoß genommen, weil sie diese Erkenntnis und dieses Bekenntnis bei ihm vermißte. M i t dem N a c h w o r t zu seiner 1932 erschienenen Veröffentlichung „ K i r c h e und Völkerversöhnung. Dokumente zum H a l leschen Universitätskonflikt" v o m 1. Dezember 1931, das den Freiheitswillen der Jugend für eine D ä m o n i e hielt, der entgegenzutreten sei, habe sich Dehn sein W i r k e n als Lehrer und Erzieher junger deutscher M e n schen selbst untergraben. Hirsch und Dörries betonten demgegenüber, sie wüßten sich trotz allem Gärenden und der Läuterung Bedürftigen „ m i t dem Willen der deutschen Jugend zu Volk und Freiheit einig." 5 Andererseits haben sich zahlreiche Theologieprofessoren verschiedener Richtung gegen das tumultuöse Vorgehen nationalistischer Gruppen der Halleschen Studentenschaft in Erklärungen an den Rektor der Universität in Halle und den Dekan der Theologischen Fakultät mit Günther Dehn solidarisch erklärt. Bemerkenswert w a r besonders eine Erklärung der Bonner Theologieprofessoren Karl Barth und Karl L u d w i g Schmidt, die auch v o n M a r t i n Dibelius (Heidelberg), O t t o Piper (Münster) und G e o r g Wünsch

(Marburg)

unterzeichnet w a r . Sie erklärten sich mit

Dehn persönlich und sachlich solidarisch. Die Hallesche Studentenschaft wurde auf die „groteske Situation" aufmerksam gemacht, die sich „ f ü r die auf Grund jener Parole von Halle A b w a n d e r n d e n auswärts ergeben könnte."6 Eine Erklärung zugunsten Dehns wurde auch von den

Professo-

ren O t t o Schmitz und W i l h e l m Stählin in Münster abgegeben. Sie w a r außerdem v o n 22 weiteren Theologieprofessoren aus Münster, M a r b u r g , 5.

Glaube und Volk 1 (1932), S. 47.

6.

Kirche und Völkerversöhnung, S. 77.

16

Konflikte mit dem Nationalsozialismus vor 1933

Gießen und Kiel unterzeichnet. Nachträglich unterschrieben noch weitere sieben Professoren den Aufruf, der folgenden Wortlaut enthielt: „Die unterzeichneten ordentlichen Professoren der Theologie, verschiedenen theologischen und politischen Uberzeugungen angehörig, fühlen sich verpflichtet, öffentlich zu erklären, daß sie jeden Versuch studentischer Kreise, D. Günther Dehn an der akademischen Lehrtätigkeit zu hindern, auf das schärfste verurteilen." 7 Hier wurde deutlich, daß bei Behinderung der akademischen Lehrfreiheit Universitätstheologen verschiedener Richtungen sich durchaus zusammenzuschließen vermochten, wenn - selbst unter betont nationaler Parole - Druck auf die Rechte von Hochschullehrern ausgeübt wurde. 8 Trotz des Eintretens des Rektors Prof. Gustav Aubin für Dehn war es zu keiner Festigung seiner Position in Halle gekommen. Zur Beruhigung der Studenten hat die Theologische Fakultät bereits 1931 Parallelveranstaltungen für praktische Theologie angeboten, die Ausweichmöglichkeiten schufen. Bemühungen der Fakultät um eine zweite praktischtheologische Professur kamen zwar beim Ministerium nicht zum Ziel. Doch sollte der schon des längeren von der Fakultät gewünschte Systematiker Prof. Friedrich Karl Schumann (damals Gießen) einen Lehrauftrag auch für praktische Theologie mit wahrnehmen. Angesichts anhaltender Boykottdrohungen hat Dehn im Herbst 1 9 3 2 einen Studienurlaub beim preußischen Kultusministerium beantragt, der ihm umgehend gewährt wurde. Nach der Machtübernahme Hitlers wurde Dehn noch im April 1933 suspendiert und am 21. November 1933 aus dem Staatsdienst entlassen.

b) Attacken gegen Otto Baumgarten in Kiel In Kiel kam es zu scharfen Angriffen der „Freien Deutschen Studentenschaft" und des NS-Studentenbundes gegen den 1 9 2 6 emeritierten liberalen Theologen Otto Baumgarten. 9 Sein Eintreten für internationale Verständigung und sein Kampf gegen den Antisemitismus machte den kultur- und sozialtheologisch geprägten, auch im Ruhestand noch politisch und publizistisch für die Weimarer Republik engagierten Theologen 7. 8. 9.

Ebd. S. 78. ThBl 11 (1932), Sp. 332 f.; auch: G. Dehn, Kirche und Völkerversöhnung, S. 76-78. Hasko von Bassi, Otto Baumgarten, S. 2 3 9 - 2 5 7 .

Attacken gegen

Otto Baumgarten

in Kiel

17

zu einem Angriffsziel nazistischer und anderer rechtsgerichteter Gruppen. Schon 1926 hatte Prof. Baumgarten sich in seiner Schrift „Kreuz und Hakenkreuz" kritisch mit der völkischen Bewegung auseinandergesetzt, in der die Nationalsozialisten zunächst noch eine Minderheit darstellten. Ihre Wurzeln sah er im hypertrophen Nationalismus der schon älteren Alldeutschen Bewegung, genährt durch die deutsche Nachkriegsentwicklung unmittelbar nach 1918 und durch die Reaktion auf Versailler Vertrag und französische Ruhrbesetzung. Richtig gedeutet galten ihm indes Christenkreuz und Hakenkreuz als einander ausschließende Gegensätze. Die Falschbehauptungen der Hakenkreuzler aller Schattierungen wurden korrigiert. Der von den Völkischen gepriesene Germanenglaube erweise sich dem christlichen Glauben unterlegen. Was die Antisemiten dem jüdischen Volk vorwürfen, die angebliche Selbstüberhebung des „auserwählten Volkes", sei vielfach durch Anbetung der arischen Rasse und des eigenen Volkes begründet. Die rassische Begründung des Antisemitismus sei durch den unscharfen Rassenbegriff höchst fragwürdig. Baumgarten setzte sich mit den völkisch-antisemitischen Strömungen innerhalb der Studentenschaft auseinander. Ihren Antisemitismus nannte er „pathologische Selbstüberhebung", der aller Gesittung Hohn spreche. Im Herbst 1 9 3 0 kam es zum Eklat. 1 0 Baumgarten wurde von nationalsozialistischen Studenten und ihnen politisch nahestehenden Kommilitonen in niederträchtigster Weise attackiert. Die „Freie Kieler Studentenschaft", der vom Rektor 1 9 2 9 die Anerkennung als akademische Vereinigung entzogen worden war, trat in Aktion und mit ihr die Hochschulgruppe des in Kiel bereits 1926/27 gegründeten NS-Studentenbundes. Man versuchte zu verhindern, daß Baumgarten Anfang Oktober 1 9 3 0 auf dem Deutschen Bachfest in Kiel die Festrede hielt. Baumgarten wurde in einer Flugblattkampagne als „landesverräterisch, philosemitisch, pazifistisch und international" diffamiert. Als Rektor und Universitätssenat in Kiel sich schützend vor ihren ehemaligen Kollegen stellten und restriktive Maßnahmen gegen den NS-Studentenbund an der Universität ergriffen, protestierte dessen Reichsleitung auf einer Versammlung in Halle am 1. November 1 9 3 0 gegen diese Maßnahmen des Senats. Auf frühere Veröffentlichungen Baumgartens gegen antisemitische und alldeutsche Tendenzen wurde dabei zurückgegriffen, wenn auch Baumgartens antivölkische Schrift „Kreuz und Hakenkreuz" von 1926 bei 10.

Zu den Attacken des NS-Studentenbundes in Kiel gegen Otto Baumgarten vgl. auch Jendris Alwast, Geschichte der Theologischen Fakultät, S. 192194.

18

Konflikte

mit dem Nationalsozialismus

vor

1933

dieser Kampagne unbeachtet blieb. 11 In einer Massenversammlung des NS-Studentenbundes im Dezember 1930 in Kiel wurde über den „Fall Baumgarten und Kieler Senat" heftig diskutiert. Der Leiter des NSStudentenbundes warf Baumgarten vor, er habe dem größten „Illusionisten der Weltgeschichte", dem amerikanischen Präsidenten Wilson, „echte Friedensliebe" attestiert. Wilsons Friedensvorschläge von Anfang 1918 waren im verhaßten „Versailler Friedensdiktat" von 1919 nicht zur Geltung gekommen. Dennoch galt er in der deutschen nationalistischen Propaganda als „Verräter". Noch 1936 erinnerten die „Hochschulblätter" in Kiel an den „Fall Baumgarten" als einen Markstein im Kampf des NS-Studentenbundes. Die Maßnahmen von Rektor und Senat, die damals der Hochschulgruppe des NS-Studentenbundes Anerkennung und Rechte eines akademischen Vereins entzogen und zwei beteiligte Studenten der Medizin vom Studium ausgeschlossen hatten, wurden als „Terror" gebrandmarkt. Prof. Hermann Mulert, der sich Baumgarten eng verbunden wußte, veröffentlichte eine Dokumentation des gesamten Vorgangs und wies die Unrichtigkeiten und offenkundigen Lügen in den gegen Baumgarten erhobenen Vorwürfen in einer Dokumentation auf. 12 Daß Baumgarten 1933, der am 21. März 1934 enttäuscht über den Untergang der Demokratie und den Sieg Hitlers in Kiel starb, nicht wie Martin Rade noch als Emeritus aus dem Hochschuldienst entlassen wurde, mag auch damit zusammenhängen, daß er seit seiner Emeritierung trotz seines sonstigen öffentlichen Engagements auf Lehrveranstaltungen an der Universität ganz verzichtet hatte, während Rade auch als Emeritus noch gelegentlich in Marburg las. Weniger bekannt als der Universitätskonflikt um Günther Dehn in Halle und die Angriffe gegen den Emeritus Otto Baumgarten in Kiel, aber doch bezeichnend für aggressive Tendenzen und Konfliktbereitschaft innerhalb bestimmter nationalistisch und nationalsozialistisch ausgerichteter studentischer Kreise, waren Zwischenfälle an der Universität Jena. Auch hier leistete der NS-Studentenbund Schützenhilfe; auch fanden die Verantwortlichen in ihrer Korporation Deckung.

11. 12.

Otto Baumgarten, Kreuz und Hakenkreuz. Hermann Mulert, Baumgarten und die Nationalsozialisten.

Zwischenfälle im Kolleg Erich Faschers in Jena

19

c) Zwischenfälle im Kolleg Erich Faschers in Jena In J e n a war es während des Sommersemesters 1 9 3 1 bei einer Vorlesung für H ö r e r aller Fakultäten, die der Neutestamentier Erich Fascher angekündigt hatte, zu provokativen Störungen g e k o m m e n . Eine gehässige Flugblattaktion und publizistische Attacken folgten. M a n e r h o b gegen Prof. Fascher den Vorwurf, „das tiefe seelische Ringen von Millionen deutscher M e n s c h e n um die höchsten deutschen und christlichen Werte verächtlich zu m a c h e n " . 1 3 Fascher hatte in seinem einstündigen Kolleg „Rasse und Religion in biblischer B e l e u c h t u n g " zunächst völkische Literatur besprochen, in der wie es in seinem Bericht heißt - „unter einseitiger Betonung des Rassegedankens christliches Glaubensgut (die Gestalt Jesu, die Lehre von Sünde und Erlösung, die T h e o l o g i e und Person des Paulus) eine Verunglimpfung und Verhöhnung e r f ä h r t " . Lauten Beifall hatte es aus der Hörerschaft heraus gegeben, als Fascher gegen das Christentum gerichtete Passagen aus dem völkischen Schrifttum zitierte, so auch aus Rosenbergs des 20. Jahrhunderts,

Mythus

w o das H a k e n k r e u z an die Stelle des Christuskreu-

zes gesetzt und als „Symbol der organischen

germanischen W a h r h e i t "

(S. 6 4 6 ) bezeichnet wird. Daraufhin hatte Fascher sich gegenüber diesen „Beifallsbekundungen" zu der Bemerkung veranlaßt gesehen, „ d a ß M e n s c h e n mit solchen Ansichten wohl nicht christliche T h e o l o g e n und Diener der Kirche sein oder w e r d e n " könnten. Z u Beginn seiner Vorlesungsreihe am 1 5 . April 1 9 3 1 hatte Fascher zwar betont, bei der Behandlung des T h e m a s sei auch weltanschauliche Trivialliteratur zum Verhältnis Rasse und Religion, die von Außenseitern publiziert werde, sorgfältig zu prüfen. In abgewandeltem Vergleich einer Vorwortpassage des Buches von Franz Weidenreich über „Rasse und K ö r p e r b a u " (Berlin 1 9 2 7 ) , w o darauf hingewiesen war, der wissenschaftliche C h a r a k t e r einer Publikation über die Rassen sei heutzutage nicht selbstverständlich, hatte Fascher zu Beginn seiner Vorlesung mit der ihm eigenen Ironie ausgeführt: 1 4 „Dies Kolleg - auch wenn es ein Publikum ist! - hat rein wissenschaftlichen C h a r a k t e r ; denn die Rassenfrage scheint darin das gleiche Schicksal wie die Religion zu teilen, d a ß darüber jeder halbwegs der Kunst des 13. 14.

U A Jena Bestand J , N r . 2 8 9 (Disziplinarfälle 1 9 2 7 - 1 9 3 7 ) . Bericht des Professors D. Fascher über die Zwischenfälle in seiner öffentlichen Vorlesung „Rasse u. Religion in biblischer Beleuchtung" (UA Jena Bestand J , N r . 2 8 9 ) .

20

Konflikte mit dem Nationalsozialismus

vor

1933

Schreibens Mächtige sich ,authentisch' äußern darf, meistens mit den nötigen Ausfällen gegen die religiösen Urkunden des Christentums oder die christliche Kirche selbst. Dennoch ist für den aufmerksamen Beobachter der Gegenwart diese vulgäre Literatur nicht gleichgültig; denn sie ist der mehr oder minder spontane Ausdruck einer Bewegung, an der die Wissenschaft nicht achtlos vorübergehen sollte. Sie würde sich selbst einen schlechten Dienst tun, wenn sie aus geistigem (oder geistlichem) Hochmut an diesen Gedanken vorübergehen wollte, weil sie bisher von ,Dilettanten' vertreten würden. Es ist nicht recht und auch wirkungslos, hiermit mit ein paar billigen geistreichen Worten etwas abtun zu wollen, was große Kreise im Volke bewegt. Man muß auch wissenschaftlich unrichtige Ansichten prüfen und ernst nehmen, wenn es Menschen gibt, die mit Ernst daran festhalten und von ihnen große Wirkungen - die Hebung der Volkskraft, die sittliche und seelische Erneuerung - erhoffen. Wer in der Geistesgeschichte zu Hause ist, weiß, daß manche großen Ideen oder Entdeckungen von Außenseitern propagiert wurden, ehe sich ,die Zünftigen' der Sache annahmen. Schließlich sollte der Theologe nicht vergessen, daß Jesus gegenüber den fachmäßig geschulten Schriftgelehrten ein Laie war oder ein Dilettant, der aber gerade deshalb die Welt richtig sah, weil er sich einen gesunden Blick in die Welt erhalten hatte." Diese konzeptionell-methodischen Vorbemerkungen Faschers hatten nur sein Vorhaben rechtfertigen wollen, auch nichtwissenschaftliche Trivialliteratur im Kolleg zu behandeln. Sie hatten indes provokativen Widerspruch nicht verhindern können, obwohl andererseits unter den ursprünglichen Hörern aus der Theologischen Fakultät Interesse und Bereitschaft bestand, sich über das damals aktuelle Thema unter theologischem Aspekt kundig zu machen. Eine große Anzahl von Hörern, die das erste Kolleg versäumten oder später - möglicherweise aus Sensationsgründen - lediglich eine Gastrolle gaben, hätten - so meinte Fascher gar keine Vorstellung von seinen Zielen gehabt, die er mit dieser Vorlesung für Hörer aller Fakultäten verfolgte. Sie hätten „in völliger Verkennung des Wesens der Ironie und des Humors als Mittel wissenschaftlicher Beurteilung" unbeherrscht nicht einmal den Abschluß eines bestimmten Sachabschnitts abgewartet, sondern sich angemaßt, Teilstücke unberechtigterweise nach parteipolitischen Gesichtspunkten zu kritisieren: es stand für Fascher damals fest, „daß es durch Parteipolitik fanatisierten Menschen fast unmöglich ist, wissenschaftlich kritisch zu denken und auch aus unbequemen Ergebnissen Konsequenzen zu ziehen". 1 5 Die Ent15.

Ebd. (Bericht Erich Fascher).

Zwischenfälle im Kolleg Erich Faschers in Jena

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gegnung eines „völkischen Studenten", auch sie als Studenten strebten nach einer besonderen auf dem Parteidogma ruhenden Wissenschaft, war kennzeichnend genug. Der Hergang war kurz folgender: Ein stud. jur. Wolfgang Geibel, zugleich noch stud, theol. im ersten Semester, Leibfux einer schlagenden Studentenkorporation, die ihn danach deckte, hatte sich in Faschers Kolleg mehrfach störend bemerkbar gemacht und schließlich einen Ausschnitt aus dem „Völkischen Beobachter" aufs Pult gelegt, um einen Disput während der Vorlesung zu erzwingen. Er bezichtigte Fascher der Unwissenschaftlichkeit: der Professor habe die Ansichten des Parteiideologen Alfred Rosenberg falsch wiedergegeben. Auch sonstige Zwischenrufe bei den weiteren Vorlesungen hatten tumultartige Störungen verursacht. Besonders Faschers Äußerung, Menschen, die solchen Ansichten huldigten, sollten im Interesse der charakterlichen und wissenschaftlichen Sauberkeit nicht Theologen werden oder überhaupt aus der Kirche austreten, erregte Unwillen. Geibel machte eine Eingabe gegen Fascher beim Rektorat. Ein grünes Flugblatt, von Geibel verfaßt und von stud. rer. nat. Blankemeyer unterzeichnet, der der Studentenverbindung „Burgundia" angehörte, lud zu einer Versammlung im „Stern" ein. Prof. Fascher erschien zwar nicht, weil das auch ihm ausgehändigte Flugblatt Beleidigungen enthielt. Es folgte eine briefliche Auseinandersetzung mit dem NS-Studentenbund in Jena, der hinter den studentischen Störern stand und ihnen Schützenhilfe leistete. Empört darüber, daß er im Disziplinarverfahren mit Verweis wegen ungehörigen Benehmens gegen einen Hochschullehrer bestraft und auch wegen eines aggressiven Zeitungsartikels noch in einen öffentlichen Beleidigungsprozeß verwickelt wurde, hat sich Geibel zu einer Anzeige Faschers beim Weimarer Volksbildungsministerium verstiegen. Im Schreiben stud. Geibels vom 2 5 . Mai 1931 an das Weimarer Volksbildungsministerium hieß es: An der thüringischen Landesuniversität Jena lese dieses Semester der Theologieprofessor Fascher ein für Hörer aller Fakultäten geöffnetes Kolleg „Rasse und Religion in biblischer Beleuchtung". Darin habe er die Bücher verschiedener Schriftsteller, die sich mit ähnlichen Themen wie die seines Kollegs befassen, u. a. auch das Buch „Der Mythus des 2 0 . Jahrhunderts" von Alfred Rosenberg besprochen und sich dabei „schwere Mißgriffe" zuschulden kommen lassen. Es sei völlig außer acht gelassen, daß es sich beim „Mythus" um ein persönliches Bekenntnis des Verfassers handele, während Fascher die Anschauungen Rosenbergs und anderer als nationalsozialistische Anschauungen quasi parteiamtlich mißverstehe. Durch unrichtig, ja sogar bewußt

22

Konflikte mit dem Nationalsozialismus vor 1933

falsch wiedergebene oder ausgelegte Rosenbergzitate mache sich Fascher des Mißbrauchs der Lehrfreiheit schuldig, zumal seine Ausführungen bei den Hörern den Eindruck erwecken konnten, „daß die nationalsozialistische Weltanschauung eine unsinnige und unchristliche Anschauung sei". Faschers ironische Bemerkung gegenüber dem Rassendogma, „wer nun das entsprechende Blut nicht habe", der müsse an sich wohl eine „Bluttransfusion vornehmen" lassen, muß Geibel tief getroffen haben, jedenfalls schrieb er dem Volksbildungsministerium in Weimar: er sei im Innersten verletzt, daß Fascher den Nazistudenten, die mit dem Hakenkreuzabzeichen auf dem Rockaufschlag in Instituten und Kollegs umherliefen, nahelege, sie müßten mit Auffassungen, die den von ihnen mit Applaus bedachten völkisch-antichristlichen Zitaten entsprächen, eigentlich die Konsequenzen ziehen und das Theologiestudium quittieren. Das bedeute, Fascher erkläre Nationalsozialismus und Christentum vom Katheder aus für unvereinbar. Aus Gründen germanischer Reinheit müßten diese Studenten den Trennungsstrich mit den christlichen Kirchen ziehen. Fascher habe damit „die Ehre eines großen Teils der Theologiestudierenden verletzt und dieselben zum Austritt aus der Kirche oder zum Austritt aus der nationalsozialistischen Bewegung aufgefordert". Hier war Faschers beißende Kritik gegen ein völkisch-antichristlich akzentuiertes Verständnis des nazistischen Weltanschauungskonglomerats lediglich als Beleidigung von NS-Studenten aufgefaßt worden, ohne daß das Anliegen, das Fascher mit seiner Vorlesung verfolgte, nämlich zur theologischen Klärung des zeitgenössisch aktuellen Problems „Rasse und Religion" beizutragen, wirklich erfaßt worden wäre. Wie die „Theologische Fakultät der Thüringer Landesuniversität" die Vorgänge sah, zeigt ein an alle 17 theologischen Fakultäten Deutschlands gerichtetes Schreiben vom 16. Juni 1931, das vom amtierenden Dekan Prof. Willy Staerk unterzeichnet war. Unter Beifügung eines Berichtes von Prof. Fascher in seiner Vorlesung „Rasse und Religion in biblischer Beleuchtung" wurde darin in drei Punkten folgendes klargestellt: 16 1. Soweit es Studenten bei ihrem Auftreten an der schuldigen Achtung vor der Person eines akademischen Lehrers hätten fehlen lassen, werde ihr Verhalten durch ein Disziplinarverfahren die gebührende Strafe finden. Es sei aber darauf hinzuweisen, „daß nach Meinung unserer juristischen Fakultät die geltenden Statuten nicht ausreichen, um gegen die Studentenverbindung, trotz des schwer beleidigenden Inhalts ihres gegen 16.

UA Jena Best. J, Nr. 2 8 9 .

Zwischenfälle im Kolleg Erich Faschers in Jena

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Herrn Fascher gerichteten Flugblattes, vorzugehen, und wir geben zu bedenken, o b nicht auch andere Universitätsstatuten so veraltet sind, d a ß sie in die heutige schwierige Lage nicht mehr passen, weil sie nicht mehr ausreichen, Freiheit und Ehre des akademischen Lehrers zu schützen in einer Zeit, die die Studenten in die Politik hineingerissen h a t . " 2 . Die Jenenser Vorgänge galten der Fakultät als „ein bedauerliches Zeichen dafür, wie in weiten Kreisen der jungen Generation die fundamentalen Glaubenserkenntnisse des Christentums einem hemmungslosen Denken in den Kategorien der naturhaften Blut- und Rasseideologie, wie sie in den Büchern von Dinter und in dem ζ. T . blasphemischen W e r k e von Rosenberg Ausdruck gefunden hat, zu weichen b e g i n n e n . " Die Gefahr für die Kirche der R e f o r m a t i o n könne nicht ernst genug gen o m m e n werden: „Wenn erst der Naturalismus in der verführerischen F o r m der sittlichen Hochleistung für das gefährdete Staats- und Volksleben durch die irregeführte junge Generation zum Siege k o m m t und womöglich auf den Kanzeln vertreten wird, dann ist der Verfall unserer so schwer bedrängten evangelischen Kirche vielleicht nicht mehr aufzuhalten, weil sie - anders als die katholische Kirche - die ganze Last des innerpolitischen Kampfes zu tragen h a t . " 3 . Die Jenenser Fakultät bat die übrigen theologischen Fakultäten, mit ihr zu erwägen, wie durch akademische M a ß n a h m e n ,

eventuell

auch durch Vorlesungen, oder durch eine baldige gemeinsame Erklärung der drohenden G e f a h r entgegengewirkt werden könne. Der k o m m e n d e Evangelisch-Theologische Fakultätentag müßte sich eigentlich mit diesem Problem befassen. D e k a n Staerk betonte abschließend: es liege ihm fern, an die politische Seite der Sache zu rühren, „aber wir spüren in T h ü r i n g e n , wie schon im vorigen J a h r e unter dem Ministerium Frick, so jetzt in dem Vorgehen der Studenten ganz besonders stark die Gefahr, die bei einer von vielen erwarteten politischen Umgestaltung im Reiche von dieser Seite her der Universität wie der Kirche d r o h t . " Übrigens seien „die Vorgänge in Heidelberg, Kiel, Berlin und H a l l e " ebensolche Zeichen der Gefahr, die gemeinsame Abwehr erfordere. 1 7 Es gingen eine Reihe von Antworten ein; die von Breslau und Kiel seien erwähnt: W ä h r e n d der Breslauer D e k a n Prof. Anton J i r k u a m 2 6 . J u n i 1 9 3 1 schrieb, seine Fakultät wünsche nicht, „irgendwie zu den 17.

Auf entsprechende Umtriebe von NS-Studentengruppen an der Universität Berlin vor 1 9 3 3 verweist Eduard Spranger, Mein Konflikt mit der HitlerRegierung 1 9 3 3 . Als M a n u s k r i p t gedruckt 1 9 5 5 , S. 2 f. (Auszug bei Wolfgang Kalischer, Universität, N r . 1 3 8 , S. 2 1 9 ) .

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Konflikte mit dem Nationalsozialismus vor 1933

Vorgängen in Jena Stellung zu nehmen", antwortete Prof. Hans Windisch aus Kiel, man habe mit großem Interesse und warmer Anteilnahme vom Jenenser Schreiben Kenntnis genommen und halte ebenfalls eine Behandlung der Probleme auf einem künftigen Fakultätentag für angezeigt. 18 Die Theologische Fakultät Jena hat im übrigen ihr Kollegiumsmitglied Fascher nachhaltig zu verteidigen versucht. In ihrer Erklärung zur Richtigstellung falscher Zeitungsnachrichten und entsprechender Presseartikel hieß es, daß Studiosus Geibel inzwischen vom akademischen Disziplinargericht wegen mehrfacher Beleidigung seines Lehrers im Kolleg, auf einem Flugblatt, das von ihm verfaßt und von einem stud, rer. nat. Blankemeyer unterzeichnet war, wie auch wegen einer Rede auf einer Studentenversammlung, und außerdem vom Schöffengericht wegen eines Artikels im Weimarer „Nationalsozialist" verurteilt worden sei. Die Fakultät wies darauf hin, daß diese Beleidigungen erfolgt seien, weil Prof. Fascher „das Christentum gegen die Schmähung eines Rosenberg, der christliche Erlösungsgedanke sei Folge von Bastardisierung, Rassenschande, und gegen die unsere Religion unter den Blutgedanken unterordnenden weiteren publizierten völkischen Äußerungen ( . . . ) in seinem Kolleg mit berechtigt scharfen Worten verteidigt" habe. Außerdem sei aus einem widerrechtlich herangezogenen Privatbrief Faschers an den Rektor fälschlicherweise eine feindliche Einstellung Faschers zum studentischen Verbindungswesen konstruiert worden, obwohl Fascher die gute Korporationserziehung, die nicht durch parteipolitische Inanspruchnahme und Verquickung gefährdet werden solle, gerade bei seiner Kritik im Auge gehabt habe. Er habe „bis dahin immer das beste Verhältnis zu einer großen Zahl von Korporationen gehabt." Die Erklärung der Jenenser Theologischen Fakultät resümierte: „Herr Fascher hat auch nicht gegen den Nationalsozialismus gesprochen oder gar das deutsche Volk und Vaterland herabgesetzt, sondern ausdrücklich genannte, das Christentum schmähende Angriffe von Rosenberg u. a. abgewehrt. Wenn er dabei gesagt hat, daß wer das Hakenkreuz über das Kreuz Christi stelle, nicht Pfarrer werden könne, so ist dies Urteil völlig berechtigt und wird auch von uns durchaus vertreten. Es gibt also keinen Fall Fascher, sondern nur einen Fall Geibel." 1 9 Die Vorgänge in Jena haben bei weitem keine so großen Wellen geschlagen wie der Dehnkonflikt in Halle, obwohl sich auch dort die Uni18. 19.

UA Jena Best. J, Nr. 2 8 9 . UA Jena Best. J, Nr. 2 8 9 .

Zwischenfälle im Kolleg Erich Faschers in Jena

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versitätsbehörden, insbesondere R e k t o r Gustav Aubin, zunächst bemüht h a b e n , Dehn die ungestörte Abhaltung seiner Vorlesungen zu ermöglichen. Im Dehnkonflikt stand in reichsweit virulenten Auseinandersetzungen die Frage des Pazifismus und die Verletzung

„vaterländischer

G e f ü h l e " im Blick auf kirchliche Ehrung der Weltkriegsgefallenen im Vordergrund. Der nationalistische Trend jener J a h r e , der auch in kirchlichen Kreisen vielfach als „nationaler A u f b r u c h " empfunden wurde, wirkte sich atmosphärisch indes auch für m a n c h e Kollegen Dehns als eine Hemmschwelle aus, für ihn öffentlich einzutreten. Am ehesten konnte m a n sich dazu verstehen, die politischen Angriffe, denen D e h n sich ausgesetzt sah, als akademisch unqualifiziert abzulehnen. In Kiel hatten sich bei den Auseinandersetzungen um Baumgarten R e k t o r und Senat gegen die politische Verunglimpfung eines bekannten Emeritus mit akademischen Disziplinarmaßnahmen zur W e h r gesetzt und waren ebenfalls O b j e k t wütender Angriffe des NS-Studentenbundes geworden. In J e n a handelte es sich um ein umstrittenes Problem nationalsozialistischer Weltanschauungsinterpretation. Die von Kreisen des NS-Studentenbundes unterstützten S t ö r m a n ö v e r gegen Fascher entzündeten sich an der Frage, inwieweit Alfred Rosenbergs Buch „Der M y t h u s des 2 0 . J a h r h u n d e r t s " für die N S D A P parteioffiziösen C h a r a k t e r habe. Die tendenziell antikirchlichen Anschauungen Rosenbergs blieben auch später - wie die kirchlich-theologische Auseinandersetzung mit R o s e n bergs „ M y t h u s " im Dritten Reich zeigt - kirchlich problematisch und suspekt. Auch der religionspolitische Kurs der N S D A P hatte diesem Sachverhalt R e c h n u n g tragen müssen: sie hatte den 1 9 3 0 erschienenen „ M y t h u s " Rosenbergs als Privatarbeit des Verfassers deklarieren lassen, um die Massenbasis der N S D A P unter kirchlichen Wählerschichten nicht zu gefährden. Deutschgläubig-völkische Anschauungen, auch die Rosenbergs, waren damals keineswegs kirchlich oder theologisch ohne weiteres rezipierbar. Selbst deutschchristliche T h e o l o g e n haben ihre theologische Synthesekonzeption im Blick a u f den Nationalsozialismus verschiedentlich damit zu legitimieren versucht, daß sie Rosenbergs Schrifttum als nicht parteioffiziell betrachteten. 2 0 Während

es

im

Universitätskonflikt

in

Halle

darum

ging

und

schließlich gelang, Dehns Lehrtätigkeit zu verhindern, und in Kiel ein öffentliches Auftreten Baumgartens als Festredner bei der B a c h w o c h e 20.

Vgl. Kurt Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, S. 3 0 - 3 3 und öfters. Vgl. auch Harald Iber, Christlicher Glaube oder rassischer Mythus. Zu Rosenberg allgemein: Reinhard Bollmus, Das Amt Rosenberg und seine Gegner.

26

Konflikte mit dem Nationalsozialismus vor 1933

1 9 3 0 Anlaß zu Protesten des NS-Studentenbundes war, handelte es sich bei den Jenenser Zwischenfällen in der öffentlichen Vorlesungsreihe Faschers um tumultuarisch sich äußernde studentische Proteste gegenüber einem Hochschullehrer im Kolleg, die sich an einem rassenideologischen Thema entzündeten.

3. Universitätstheologie und „nationale Erhebung". Das Jahr 1 9 3 3 im theologischen Diskurs

Ähnlich wie im evangelischen Kirchentum sonst ist auch von der Universitätstheologie im Jahre 1 9 3 3 versucht worden, der als „nationale Erhebung" propagierten nationalsozialistischen Machtergreifung nicht nur positive Seiten abzugewinnen, sondern auch die besonderen Aufgaben zu umreißen, vor die sich Kirche und Theologie jetzt gestellt sahen. Weitgehend herrschte Einigkeit darüber, daß der christlich-kirchliche Einfluß auch künftig im neuen Staat erhalten, ja sogar verstärkt werden müsse oder könne. Neue Möglichkeiten umfassender Volksmission wurden erwartet, die es engagiert zu nutzen gelte. M a n c h e Theologen sahen anfangs ihre spezifische Aufgabe darin, innerhalb der N S D A P , ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände um Verständnis für die christliche Botschaft zu werben. Eine Reihe von Theologieprofessoren traten im Frühjahr 1 9 3 3 in die NSDAP oder andere Parteigliederungen ein. Das apologetische Bemühen war darauf gerichtet, das Christentum als das unaufgebbare Fundament von Volk, Staat und Gesellschaft zu erweisen. Dieses Bemühen besaß einen die theologischen Richtungen und kirchlichen Gruppenbindungen weithin übergreifenden Charakter. Auch Vertreter der bekenntniskirchlichen Richtung haben ihr Engagement im Kirchenkampf nachdrücklich damit begründet, daß das Dritte Reich gerade einer bekenntnismäßigen Verkündigung nicht entbehren könne. Besonders prononziert drückte der den Deutschen Christen verbundene Göttinger Alttestamentler Prof. Johannes Hempel den Wunsch nach christlicher Bestimmtheit des Volkslebens unter dem Nationalsozialismus aus. Sein religionsgeschichtlich orientierter Aufsatz „Zur Geschichte des Hakenkreuzes" im Deutschen Pfarrerblatt Schloß mit folgenden Worten: 1 „ M ö c h t e es dem Hakenkreuzbanner als staatlichem Symbol im Dritten Reich beschieden sein, in fortschreitender Vertiefung seines Symbolgehalts zum Wahrzeichen eines nach außen freien, nach innen lebendigen, aus dem Glauben an das Evangelium seine Kraft schöpfenden neuen deutschen Volkstums zu werden."

1.

Deutsches Pfarrerblatt 3 7 ( 1 9 3 3 ) , Nr. 3 5 . ; zit. nach Theologische Blätter 9 ( 1 9 3 3 ) , Nr. 8, Sp. 2 8 1 .

28

Universitätstheologie

und „nationale

Erbebung"

Zahlreiche Professoren an den theologischen Fakultäten haben bei akademischen Anlässen, bei Vorträgen vor der Studentenschaft, zu Semesterbeginn in ihren Vorlesungen, aber auch in der kirchlich-theologischen Publizistik zur „Wende" des Jahres 1933 aktuell oder auch im Rückblick Stellung genommen und dabei auch Aufgaben skizziert, die sich für Kirche und Theologie unter den neuen politischen Verhältnissen des „Dritten Reiches" zu ergeben schienen. 2 Eine analytische Untersuchung dieser Vorgänge kommt dabei mit Recht zu dem Schluß, daß „ungeachtet der unterschiedlichen politischen und theologischen Ausgangspunkte ( . . . ) die konservativ-autoritäre Transformation der Republik zur Diktatur vornehmlich unter vorpolitischen Gesichtspunkten erörtert" wurde. 3 Der politisch-wirtschaftliche Ursachenzusammenhang des Scheiterns der Weimarer Republik und die Machtübergabe an Hitler mag zwar im Prinzip bewußt gewesen sein; die Herausforderung, die Zeitdeutung mit politischen Kategorien anzugehen, wird kaum sichtbar. 4 Daß vielmehr die religiös-ethische oder auch geschichts- und kulturtheologisch ausgerichtete theologische Betrachtungsweise bei der Deutung dominierte, liegt auf der Hand. Sie ergab sich bereits aus der fachspezifischen theologischen Orientierung; volkstumsorientierte Fragestellung und Diktion findet sich allenthalben auch bei Vertretern kritischer Positionen. Rein politisch artikulierte kritische Deutungsmuster erwiesen sich 1933 zudem als gefährlich. Daß selbst ein so eminent politischer Kopf wie Prof. Otto Piper (Münster), der in den zwanziger Jahren als Privatdozent und Professor in Göttingen politische Sachprobleme mit seltener Kompetenz erörtert hatte, bei der Deutung des deutschen Herrschaftsumbruchs sich wieder stärker vorpolitischer Kategorien bediente, 5 mag Fragen aufgeben, hängt indes wohl auch mit situationsbedingten Überlegungen zusammen: Piper, als durch SPD-Mitgliedschaft belasteter, noch 1933 aus dem Hochschuldienst entlassener Universitätstheologe hat sich im Frühjahr 1933 zu politischer Vorsicht veranlaßt gesehen.

2. 3. 4.

5.

Vgl. Kurt N o w a k , Protestantische Universitätstheologie. Ebd. S. U l f . Ebd. S. 112. Als gewisse Ausnahme wird Hermann Mulert genannt, der sich indes bald auf theologisch-kulturpolitische Resistenz beschränken mußte, um die Herausgabe seiner Zeitschrift „Die Christliche Welt" nicht zu gefährden. Ebd. S. 112 mit Verweis auf Friedrich Wilhelm Graf, Neuidealismus.

Das Jahr 1933 im theologischen

Diskurs

29

Im Zusammenhang mit der nach Hitlers Machtübernahme 1933 gefährdet erscheinenden Hochschulautonomie gab es in der Universitätstheologie Überlegungen zum Problem Freiheit von Lehre und Forschung unter der NS-Herrrschaft. 6 Im einzelnen zeigten sich in dieser spezifischen Frage unterschiedliche persönlich und situationär bedingte Sichtweisen, bei denen auch die theologische Prägung und Herkunft verschiedentlich eine unverkennbare Rolle spielten. Wollte zum Beispiel 1932 Prof. Paul Tillich in Frankfurt/M. die „Freiheit der Wissenschaft" kompromißlos vertreten und vor außerakademischen Zumutungen nach Kräften geschützt sehen, so war er im Frühjahr 1933 genötigt, darüber nachzudenken, ob und wie er seine Position als Universitätslehrer und preußischer Beamter - etwa durch Austritt aus der ohnehin in Auflösung begriffenen SPD - sichern könne. In der Korrespondenz mit Tillich hingegen erklärte sein Bonner Kollege Prof. Karl Barth damals, die Freiheit der Wissenschaft habe die Freiheit des Wissenschaftlers, sich parteipolitisch zu organisieren, einzuschließen. 7 Diese Alternative bestand freilich seit der Selbstauflösung und dem Verbot der politischen Parteien ohnehin nicht mehr, als die NSDAP am 14. Juli 1933 zur alleinigen Partei in Deutschland erklärt wurde und die Gründung neuer Parteien verboten und unter Strafe gestellt war. 8 In ähnlicher Weise empfand der Kieler Systematiker und Konfessionskundler Prof. Hermann Mulert die Einengung der Wirkungsmöglichkeit des Hochschullehrers unerträglich. Er unterließ es aber 1933, seine Professur unter Protest aufzugeben, weil Gesinnungsfreunde - so besonders Prof. Hans von Soden (Marburg) - meinten, der Staat könne dann mit einem Schein des Rechts von Revolte reden. Als Theologieprofessor solle man vielmehr an seinem akademischen Amt solange festhalten, wie man nicht gehindert sei, Theologie zu treiben. 9 Gegen Zumutungen des Reichswissenschaftsministeriums, sich kirchenpolitisch nicht öffentlich zu äußern, haben sich später in Marburg Hans von Soden und Ru6.

7. 8. 9.

Vgl. die Positionsmarkierungen zu Paul Tillich, Karl Barth, Hermann Mulert, Rudolf Bultmann, Hans von Soden und Hanns Rückert bei Kurt Nowak, Protestantische Universitätstheologie, S. 9 2 - 9 9 . Ebd. S. 9 2 - 9 4 . Gesetz gegen die Neubildung von Parteien. Vom 14. Juli 1 9 3 3 (RGBl I, S. 4 7 9 ) . Erich Dinkler/Erika Dinkler-von Schubert, Theologie, S. 4 5 - 5 2 : Briefwechsel über freiwillige Amtsniederlegung von Theologieprofessoren; vgl. Klaus Michael Führer, Hermann Mulert - kirchlicher Liberalismus als politischer Protestantismus in der Weimarer Republik.

30

Universitätstheologie

und „nationale

Erhebung"

dolf Bultmann 1 0 ähnlich wie manche Professoren anderer theologischer Fakultäten durch Einspruch bei der Hochschulverwaltung zu wehren versucht. Zu Beginn des Sommersemesters 1933 hat sich Prof. Rudolf Bultmann (Marburg) vor den Hörern seiner neutestamentlichen Vorlesung zur aktuellen Aufgabe der Theologie 1 1 unter Zuhilfenahme des lutherischen Denkmodells der Zweireiche-Lehre geäußert, die ihm die Unterscheidung zwischen christlichem Glauben und Weltgestaltung nahelegte, wobei er im politischen Handeln das Prinzip der Nächstenliebe geltend machte: Christlicher Glaube müsse seine kritische Kraft in den Fragen der Gegenwart bewähren, dürfe nicht abstrakten propagandistischen Idealen folgen, sondern habe Verantwortung für den konkreten Menschen: „Wir verschließen unseren Blick nicht dafür, daß mit den Möglichkeiten auch die Versuchungen gegeben sind, ja, es ist unsere Pflicht als Theologen, gerade darauf hinzuweisen, daß die Freude am Neuen rein und der Glaube an die neuen Möglichkeiten ehrlich sei". 1 2 Fraglos liege „in dieser entscheidungsvollen Zeit auch die Dämonie der Sünde auf der Lauer". Bultmann warnte vor unbesonnen und verantwortungslos vorauseilendem Gehorsam („Vorschußlorbeeren" für das neue System), vor politischem „Denunziantentum", sichtlich im Blick auf die anstehenden politischen Säuberungen durch das Berufsbeamtengesetz vom 7. April 1933 artikuliert, und vor „Diffamierung anders Denkender", besonders der deutschen Juden. Seine Hörer ermahnte er: „Halten Sie den Kampf für das deutsche Volkstum rein, und sorgen Sie dafür, das edles Wollen für Wahrheit und Deutschtum nicht durch dämonische Verzerrung entstellt wird". 1 3 Christlicher Glaube, angesichts mancher Stimmen der Gegenwart selbst in Frage gestellt, könne und dürfe von seinem Wesen und Anspruch nichts preisgeben: „Und vor Verfälschungen des Glaubens durch eine völkische Religiosität sollen wir uns ehrlicherweise ebenso hüten, wie vor einer Verfälschung des völkischen Glaubens durch christlichen Aufputz." 1 4 Auch der Tübinger Kirchenhistoriker Hanns Rückert gehörte zu den Universitätstheologen, die sich zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik geäußert haben. Unter Ablehnung einer bloß kontemplativen wissen10. 11. 12. 13. 14.

Ebd. S. 7 3 - 8 1 ; 1 3 4 - 1 4 3 . Rudolf Bultmann, Aufgabe der Theologie. Ebd. Sp. 165. Ebd. Sp. 166. Ebd. Sp. 166.

Das Jahr 1933 im theologischen

Diskurs

31

schaftlichen Haltung versuchte er, den „nationalen Sinn" akademischer theologischer Arbeit in einer stärkeren Bezogenheit auf die „nationale Revolution" als geschichtstheologisch verstandenes offenbarungsträchtiges Geschehen zu erblicken. Er wollte damit offensichtlich einem Funktionsverlust der Universität und damit auch der Universitätstheologie im Volksleben wehren. Ohne die Standards üblicher wissenschaftlicher Arbeit preiszugeben, hat er „zwischen nationaler Integrationsbereitschaft und Fachgelehrsamkeit eine Balance zu halten" 1 5 versucht. Er meinte, damit auszusprechen, was bei den meisten seiner Kollegen lebendige Uberzeugung sei. Dabei ist festzuhalten, daß konservative Gelehrte, deren Haltung stärker vom Festhalten an reiner Fachgelehrsamkeit bestimmt war, manche beängstigenden Erscheinungen der „nationalen Revolution" auch im Blick auf die Z u k u n f t der Universitätstheologie für ein überwindbares gärendes Anfangsstadium hielten. Stellungnahmen und Verlautbarungen zahlreicher Hochschultheologen zum politisch-weltanschaulichen Umschwung des Jahres 1933 lassen im übrigen ein stark volkstumsbestimmtes Staatsdenken erkennen. Der Gedanke des Volkes und des Volkstums hatte schon seit den zwanziger Jahren verstärkt schöpfungs- und ordnungstheologische Relevanz gewonnen. 1 6 Stellte doch die vielschichtige „völkische Bewegung", deren radikalen Zweige eine biologistisch akzentuierte, völkisch-antijudaistische Volkstums- und Rassenideologie vertraten, gerade während der Zeit der Weimarer Republik eine aktuelle Herausforderung für Theologie und Kirche dar. Der Rückgang kirchlichen Einflusses wurde um so stärker empfunden, als den Kirchen ihre früher staatlich begünstigte Wertpropagierung in der Öffentlichkeit durch die Trennung von Kirche und Staat seit 1918 spürbar geschwunden war. Hinzu kam, daß der sich ausbreitende weltanschauliche Pluralismus die religiöse Sinnstiftungsfunktion des Christentums relativierte und begrenzte. Theologie und Kirche hatten daher die Herausforderung durch die „völkische Bewegung" verstärkt angenommen. So hat der Neutestamentler und Sozialethiker Heinz Dietrich Wendland schon Mitte der zwanziger Jahre, damals noch Dozent an der Evangelisch-Sozialen Schule in Berlin-Spandau, eine Veröffentlichung mit dem Titel „Volk und Gott" 15.

Kurt N o w a k , Protestantische Universitätstheologie, S. 98; zu H a n n s Rücken: speziell in seiner Auseinandersetzung mit Karl Barth vgl. Leonore SiegeleWenschkewitz, Geschichtsverständnis.

16.

Zur theologischen Rezeption des Volkstumsgedankens vgl. Wolfgang Tilgner, Volksnomostheologie.

32

Universitätstheologie und „nationale Erhebung"

vorgelegt, in der er das der Kirche durch die völkische Bewegung gestellte theologische Problem beleuchtete. In der „Aufspaltung zwischen Religion und Volkstum" sah er die herrschende Kulturkrise sich auswirken: 1 7 „Im Kulturverfall lösen sich Volk und Kirche, Volkstum und Religion voneinander." Wirkliche Volkseinheit sei damit unmöglich. Versuche der völkischen Bewegung, vom Volkstum aus zu Gott vorzustoßen und dadurch die gegenwärtige Kulturkrise religiös zu überwinden, müßten scheitern. Volk und Volkstum gelte es vielmehr schöpfungstheologisch zu verstehen; sie dürften nicht verabsolutiert werden, sondern bedürften selbst der Erlösung. N u r durch die biblische Offenbarung werde Sinn und Wert des Volkstums erkannt. Wendlands kulturtheologischer Ansatz war demgegenüber auf christliche Durchdringung der Kultur gerichtet. Erst die Sinnerfassung von Gott aus stelle das Volkstum in Zusammenhänge ewiger gültiger Wahrheit hinein, da erst durch die Heilsoffenbarung ein Wissen um die Welt als Schöpfung möglich werde; anderenfalls entarte Volkstum zur immanenten Pseudoreligion. Auch Helmuth Schreiner, ab 1926 Leiter des Johannesstifts in Berlin und von 1931 bis 1938 Professor für praktische Theologie in Rostock, hat schon frühzeitig zu diesem Themenbereich Stellung genommen. Damals noch Vorsteher der Stadtmission in Hamburg - hatte er auf der Novemberkonferenz 1924 des „Verbands für Innere Mission der evangelischen Kirche" über „Das Christentum und die völkische Frage" gesprochen. 1 8 Im existentiellen Erleben der unmittelbaren Nachkriegsjahre sah er die völkische Frage aus der „unerhörten nationalen Ohnmacht, in der wir leben", entstanden; sie durchdringe als die „Grundfrage unserer Volksgemeinschaft" die Gegenwartskultur tief 1 9 . Das Grundanliegen der im weiteren Sinne verstandenen völkischen Bewegung schien ihm berechtigt: Durch den Enthusiasmus der Treue zum eigenen Volkstum und die Hochschätzung des eigenen Vaterlandes - einmalig seit den Tagen der Freiheitskriege - werde die „,christlich-fromme' Halbwelt" in ihrer gottlosen Gleichgültigkeit gegenüber Volkstum, Nation und Staat beschämt. Die völkische Bewegung galt ihm dabei als legitime Herausforderung von Kirche und Christentum, die Volkstumsfrage ernster zu nehmen; gleichzeitig sei die drohende Gefahr nicht zu übersehen, die in der von manchen

17. 18. 19.

Heinz-Dietrich Wendland, Volk und Gott, S. 9-11 und passim.; Zit. S. 10. Helmuth Schreiner, Christentum; vgl. ders., Geheimnis. Ders., Christentum, S. 7.

Das Jahr 1933 im theologischen

Diskurs

33

ihrer Führer propagierten Tendenz zu radikaler A b k e h r von christlichen Werten d r o h e 2 0 . Vom Volkstumsgedanken geprägte ordnungstheologische Konzeptionen wurden auch in den folgenden J a h r e n deshalb theologisch favorisiert, weil sich Volk, Staat und alle Kulturbereiche einer theologisch-religiösen Sinndeutung nicht entziehen könnten. Auch das „ G e s e t z " als Ausdruck der Herrschaft Gottes wurde im ordnungstheologischen Vorstellungshorizont für die „ L e b e n s o r d n u n g " des Volkstums herangezogen. 2 1 Bezeichnenderweise k a m auch der Deutsche Evangelische Kirchentag 1 9 2 7 in Königsberg nicht umhin, das T h e m a „Volk und V o l k s t u m " in einem der beiden Hauptvorträge aufzugreifen, den der Erlanger Systematiker Paul Althaus hielt. In der „Vaterländischen K u n d g e b u n g " des Kirchentages hieß es neben der Würdigung des vaterländischen Gedankens zur Frage des Volkstums: 2 2 „Wir sind Deutsche und wollen Deutsche sein. Unser Volkstum ist uns von G o t t gegeben. Es hochzuhalten ist Pflicht, zwiefache Pflicht in einer Lage wie der gegenwärtigen. Ein Weltbürgertum, dem das eigene Volk gleichgültig ist, lehnen wir a b . ( . . . ) Christentum und Deutschtum sind seit mehr als einem J a h r t a u s e n d eng miteinander verwachsen. ( . . . ) . T r o t z d e m will man Christentum

und

Deutschtum einander entfremden. Das bedeutet eine tödliche Gefahr für unser Volk. Die Kirche kann dazu nicht schweigen. Sie ruft zum K a m p f und zum Einsatz aller Kraft für die immer völligere Durchdringung des Volkslebens mit dem Geiste des Evangeliums. W i r müssen bleiben, was wir waren, ein Volk, das seine tiefsten Lebenskräfte aus dem Evangelium schöpft." Auch bei der Frage nach der Stellung von Theologie und Kirche zum Dritten Reich spielte volkstumsbestimmte Denkweise eine wichtige Rolle. Auf ihrem Hintergrund wurde der theologisch-kirchliche Z u g a n g zum politischen Umschwung des J a h r e s 1 9 3 3 reflektiert. Kirchenpraktisch stellte sich die Frage: „Wie hat sich die Kirche in der Zeit der na-

20. 21.

Ebd. S. 9. Vgl. exemplarisch Friedrich Gogarten, Einheit von Evangelium und Volkst u m ? ; ders., Ist Volksgesetz Gottesgesetz?; Paul Althaus, Kirche und Volkst u m ; ders., Die deutsche Stunde der Kirche; Theologie der Ordnungen; Werner Eiert, Bekenntnis, Blut und Boden. - Z u Elerts wirklichkeitsintegrativen Ausweitung des Gesetzesbegriffs vgl. Kurt Meier, Kulturkrise.

22.

Verhandlungen des zweiten Deutschen Kirchentages 1 9 2 7 , Königsberg in Preußen. 1 7 . - 2 1 . Juni 1 9 2 7 , Berlin-Steglitz o. J . ( 1 9 2 8 ) , S. 3 3 8 - 3 4 0 . Wortlaut der vaterländischen Kundgebung.

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Universitätstheologie und „nationale Erhebung"

tionalen Erhebung zu verhalten." 2 3 So überschriebene „Leitsätze" von Prof. Wilhelm Knevels (Heidelberg) gaben darauf im Juni 1933 folgende durchaus nicht nur singular bedeutsame Antwort: Es gelte, das reine Evangelium zu verkünden, d e m Wort Gottes und der Schöpfungsordnung gemäß das Volkstum und die Volksgemeinschaft zu betonen und sich nicht mit der Pflege der Einzelseele und der f r o m m e n Gemeinschaft zu begnügen. Die Kirche solle „in deutscher Z u n g e und auf deutsche Art" predigen und die „Verbundenheit mit der Volksseele" und alles Soziale fördern: Ferner: rückhaltlose Anerkennung der Größe, Bedeutung und des Wertes der nationalen Bewegung und Verzicht auf kleinliche Beurteilung einzelner Vorgänge, A b w e n d u n g vom Parlamentarismus und Ja zur Reichskirche. Solche H a l t u n g der Kirche werde die Achtung der „nationalen Bewegung" finden. Terminologisch w u r d e die politische Umwälzung, die der M a c h t ü b e r nahme Hitlers a m 30. J a n u a r 1933 folgte und sich in der sukzessiven Gleichschaltung aller Institutionen und Lebensbereiche äußerte, innerhalb der evangelischen Universitätstheologie vielfach mit Begriffen wie „nationale Revolution", „nationale W e n d e " , „nationaler A u f b r u c h " , „nationale Erhebung", „geschichtliche Stunde" erfaßt und bezeichnet. Dabei folgten evangelische Kirche und Theologie vielfach zeitgeisttypischen Begrifflichkeiten, wie sie dem völkisch-nationalistischen Trend jener Jahre auch propagandistisch und publizistisch entsprachen. Bisweilen w u r d e auch der „Geist von 1 9 1 4 " , jene „vaterländische" Begeisterung beschworen, von dem man die akademischen Jugend zu Beginn des Ersten Weltkrieges weithin beseelt glaubte. Begriffe patriotischen Erlebens wurden auf das Jahr 1933 übertragen. Von solch verbreiteter nationalprotestantisch-vaterländischer Erfassung des Geschehens von 1933 w a r die Ansprache bestimmt, die der Neutestamentier Prof. Ernst Haenchen vor dem Akademischen Theologischen Verein Anfang 1934 in Gießen hielt. Z u m ersten Jahrestag der M a c h t ü b e r n a h m e Hitlers w u r d e die „Wende" des Jahres 1933 rückblickend mit jenem Geist verglichen, der die „ M o b i l m a c h u n g " des Jahres 1914 beseelte. 24 Betont „vaterländisch" sprach Haenchen davon: Beim Kriegsausbruch 1914 sei unglücklich gewesen, wer am großen Geschehen nicht aktiv teilhaben konnte. Im Blick auf die „nationale E r h e b u n g " des Jahres 1933 stellte sich dem Redner die Frage: „Was ist die Aufgabe, die dem jungen Theologen, dem Theologiestudenten, in dieser M o b i l m a c h u n g des 23. 24.

Christentum und Wissenschaft 9 (1933), S. 187. Deutsche Theologie 1 (1934), S. 167-175

Das Jahr 1933

im theologischen

Diskurs

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Geistes zugefallen ist? Was ist unsere Aufgabe als Theologen heute im völkischen A u f b r u c h ? " 2 5 Wehrsport und Arbeitsdienst gälten für alle Studenten verbindlich: Wie aller studierenden Jugend, so sei es auch für den jungen Theologen gut, „wenn er einmal herausgerissen wird aus seiner Bude und seinem Kollegsaal, wenn die Bücher dahinten bleiben und eine neue Aufgabe den ganzen Kerl fordert, nicht bloß den Geist." Das Politische gewinne gegenwärtig stärker Bedeutung auch für den Theologen. Deshalb müsse man sich fragen: 2 6 „Wie verträgt sich denn unsere Arbeit im Hörsaal und Seminar, unser griechisches N . T . , die Biblia Hebraica, die Kirchengeschichte mit ihren Konzilen und die Dogmatik mit ihren Problemen und die Praktische Theologie mit Katechesen und Predigtentwürfen - wie verträgt sich denn das alles mit der neuen Bewegung, die durch unser Volk geht?" Es gehe darum, wie sich die Arbeit des Theologen in die große Mobilmachung des Geistes eingliedere, die man gegenwärtig in unserem Vaterland erlebe: „Was ist die besondere theologische Aufgabe, die wir im Dienst eines größeren Herrn gerade unserem Volk zu leisten h a b e n ? " 2 7 Haenchens Antwort an seine studentischen Zuhörer lautete: Volksmission! Denn es sei nicht gleichgültig, welcher Geist den „Marschtritt der Bataillone" beflügele: „Wir schulden unseren Volksgenossen, mit denen uns ja das neue, die Unterschiede der Klassen und Stände in immer steigendem M a ß überbrückende Leben zusammenführt, das vollständige Bild Gottes, wie es uns selbst aufgegangen i s t . " 2 8 Das Zeugnis der Theologen an die völkische Bewegung dürfe sich dabei nicht auf Gott den Schöpfer beschränken, sondern müsse die ganze Botschaft umschließen: auch das Evangelium von Christus. Wie im kirchlichen Bereich sonst verließ man sich auch innerhalb der Universitätstheologie auf Zusagen, die Hitler in seinen Reden 1 9 3 3 den Kirchen machte. Es entstand der nicht selten zur Überzeugung verfestigte Wunsch, der Dienst des Theologen werde auch vom NS-System für unverzichtbar gehalten: 2 9 „Unsere Regierung, welche jetzt unsere Mitarbeit an der Neuwerdung des deutschen Volkes fordert, will ja nicht an den Hauptkräften des Christentums vorbeigehen. Sie verlangt von uns, daß wir diese Botschaft ausrichten, mit der uns Gott betraut h a t . " M a n 25.

Ebd. S. 1 6 7 .

26. 27. 28. 29.

Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.

S. S. S. S.

1 6 7 f. 169. 172. 174.

36

Universitätstheologie und „nationale

Erhebung"

fühlte sich einbezogen in den „Aufbruch der N a t i o n " , den es christlich zu fundieren gelte. In damals weithin üblicher, wenngleich unterschiedlich akzentuierter geschichtstheologischer Sicht hieß es: der Sieg der „nationalen R e v o l u t i o n " , als „ M o b i l m a c h u n g des Geistes" verstanden, liege in eines Höheren H a n d . Zugleich wurde der transzendente Bezug der christlichen Botschaft in seiner kraftspendenden Bedeutung betont. Auch der einzelne müsse wissen: 3 0 „ M e i n Schwerpunkt liegt nicht mehr in mir. Ein Stärkerer hilft mir tragen. Diesen Trost und diesen Quell neuer Kraft, die aus der Botschaft von der Vergebung in Christus entspringt, schulden wir als T h e o l o g e n heute mehr denn je unserem Volk. Wir können noch so gute Kameraden sein im Arbeitsdienst, noch so ebenbürtige M i t k ä m p f e r im Wehrsport, wir können noch so sehr mit den Volksgenossen aus anderen Schichten zusammenleben: solange wir ihnen das Evangelium vorenthalten, geben wir ihnen das Beste, das Wichtigste nicht, w a s uns als T h e o l o g e n anvertraut ist." Die Bezeugung der christlichen Botschaft von Gericht und Gnade galt als das Spezifikum, das den Dienst des T h e o l o g e n beim „Aufbruch der N a t i o n " bestimmen sollte. Prof. H a e n c h e n schloß seine Ansprache mit den programmatischen W o r t e n : 3 1 „Unsere völkische Aufgabe als T h e o logen ist unsere theologische Aufgabe an unserem V o l k . " Gelegentlich wurde auch die theologische Neubesinnung nach dem Ersten Weltkrieg für das Dritte Reich fruchtbar zu m a c h e n versucht. T r o t z gemeinsamer Kritik a m Liberalismus geschah dies allerdings nicht selten in Abgrenzung von der „Dialektischen T h e o l o g i e " vor allem Karl Barths oder auch im Affront gegen sie. Barths krisistheologischer Affront gegen kulturprotestantische Synthesekonzeptionen, die er vor allem innerhalb der deutschchristlichen Bewegung in völkisch getönter Reinkultur gegeben, aber auch sonst in Theologie und Kirche vertreten sah, schloß damals ein theologisches Anknüpfen an geschichtliche Gegebenheiten aus. Bei der Liberalismuskritik ging man davon aus: Liberalismus und damit verbundener Individualismus zersetze die organischen Kräfte des Volkskörpers und sei für den Säkularismus der Gegenwart verantwortlich. Walter G r u n d m a n n , damals noch O b e r k i r c h e n r a t im Landeskirc h e n a m t Dresden und führend in der sächsischen D C - B e w e g u n g , seit 1 9 3 6 Lehrbeauftragter und bald Professor für Neues Testament und völkische T h e o l o g i e an der Universität J e n a , hat in einem Aufsatz „Die 30.

Ebd. S. 1 7 5 .

31.

Ebd.

Das Jahr 1933 im theologischen

Diskurs

37

Neubesinnung der Theologie und der Aufbruch der N a t i o n " 3 2 im Jahre 1933 die Aufgabe des Theologen im Dritten Reich programmatisch umschrieben. Auch er beschwor die Gefahr des Liberalismus: Im Weltanschauungspluralismus der Weimarer Zeit habe liberalistisches Menschenund Lebensverständnis zur „Zerstörung aller Lebensordnung" geführt. 3 3 Im Zusammenhang mit dem Fortschrittsgedanken seien die Ordnungen wie Ehe, Familie, Staat und Volk durch übersteigerten Individualismus ausgehöhlt: „Wir haben das mit Schaudern erlebt und sind an den Abgrund aller Negation, der Bolschewismus heißt, geführt worden." 3 4 Im Blick auf ein verbreitetes Krisenbewußtsein wurde die Weimarer Zeit als „Beweis" für die zivilisatorischen Negativfolgen des Liberalismus herangezogen: Kriegserlebnis, Inflation, Weltwirtschaftskrise und die Geißel der Massenarbeitslosigkeit hätten „mitten im Entwicklungsrausch einer technisierten Welt die andere Seite der Technik gezeigt". 35 Damit sei der dem Liberalismus eigene Fortschrittsglaube zerstört. Solche Zeitkrisendeutung im Blick auf die „Systemzeit" fand sich auch sonst in der theologischen Diskussion allenthalben. Schon 1930 hatte sich für Wilhelm Koepp, Professor für systematische Theologie an der Universität Greifswald, die geistige Situation jener Jahre nach dem Ersten Weltkrieg im Blick auf Kirche und Christentum entsprechend dargestellt: 36 Nach dem deutschen Zusammenbruch von 1918 seien Kirche und deutsches Bürgertum weitgehend frustriert und orientierungslos gewesen. Vielen Gebildeten, besonders aber der breiten Masse erschienen die weltanschaulichen Spannungen zwischen Christentum und Materialismus, Diesseitsethik, Positivismus und Skeptizismus hoffnungslos. Die Situation galt als von völligem Unverstehen, immer größerer Gleichgültigkeit und steigendem H a ß der atomisierten Massen gegen die Kirchen gekennzeichnet. Die Freidenkerpropaganda versuchte, kirchlichen Einfluß innerhalb der proletarischen und kleinbürgerlichen Schichten auszuhöhlen. Blieben auch die Kirchenaustrittszahlen begrenzt, so irritierte es die Kirchen doch, daß selbst bisherige Stammschichten zerbröckelten, auf denen sich die Kirchenleitungen stützen konnten. Insbesondere der kirchlich vertretenen Sexualmoral stehe die Bevölkerung zumal der Großstädte vielfach abweisend gegenüber. Die kirchliche 32. 33. 34. 35. 36.

Ebd. 1 (1934), S. 39-46. Ebd. S. 39. Ebd. Ebd. S. 40. Vgl. Wilhelm Koepp, Die gegenwärtige geistige Lage, S. 23.

38

Universitätstheologie

und „nationale

Erhebung"

Sünden- und Bußpredigt habe die Menschen schon lange nicht mehr getroffen; auch an der reformatorischen Gnadenpredigt gehe das evangelische Kirchenvolk ohne wirklich innere Berührung vorbei. Aufbruchsund Reformbewegungen unter der Jugend, so die Wandervogelbewegung, verhielten sich dem offiziellen Kirchentum gegenüber weithin abgewandt oder gäben sich synkretistischen Neigungen hin wie Köngener Bund und Neupfadfinder 37 . Koepps Zeitanalyse um 1930 wies indes gleichfalls auf einen krisenbedingten Erkenntnisumschwung in Kirche und Theologie der Nachkriegszeit hin: „Die Desillusionierung in bezug auf die vom Glanz des Kaiserreichs solange überdeckten Verfallsphänomene der Aufklärungskultur haben auch das Denken des deutschen evangelischen Christentums wirksam ergriffen." 3 8 Koepp hatte damals sein Buch als kritisches Gespräch mit der dialektischen Theologie gesehen, die er vom Kontext der Kulturkrise aus gesehen als „Zeitgestalt des Evangeliums" verstanden wissen wollte. Ihre Vertreter (neben Karl Barth die schweizerischen Theologen Eduard Thurneysen und Emil Brunner wie auch Friedrich Gogarten u.a.) seien „nicht aus dem Evangelium allein, sondern aus der neuen Konfrontation zwischen dem Evangelium und der gegenwärtigen Geisteslage zu begreifen." 3 9 Dieser Interpretation folgte nach 1933 auch Walter Grundmann, wenn er betonte, daß die Neubesinnung der Theologie nach dem Ersten Weltkrieg zur kritischen Deutung des Liberalismus entscheidend beigetragen habe: „Damit ist die Neubesinnung der Theologie nicht nur ein theologisches Ereignis, sondern zugleich ein geistesgeschichtliches Ereignis von entscheidender Bedeutung im Leben der Nation." 4 0 Die herkömmliche Theologie sei viel zu sehr mit dem Liberalismus verquickt gewesen, als daß sie das lösende Wort hätte sprechen können. Die Neubesinnung der Theologie, die Grundmanns Aufsatz in der stark von Schülern Karl Holls bestimmten und der Lutherrenaissance verbundenen Zeitschrift „Deutsche Theologie" als „Wiederbesinnung auf Luther" verstand, müsse zu einer Verkündigung führen, „die unser Volk unter die Herrschaft Gottes stellt" 4 1 .

37. 38. 39. 40. 41.

Ebd. S. 23 f. Ebd. S. 24. Ebd. S. 2 (Vorwort). Deutsche Theologie 1 (1934), S. 4 1 . Ebd. S. 42.

Das Jahr 1933 im theologischen

Diskurs

39

D o c h sei diese als elementar empfundene volksmissionarische Aufgabe in doppelter Weise gefährdet: einmal durch eine aus der Neubesinnung der T h e o l o g i e k o m m e n d e Tendenz zu o r t h o d o x e r Verhärtung, wie sie vor allem in der Theologie Karl Barths b e o b a c h t b a r sei. Die theologische Distanz gegenüber dem völkischen Ideengut des Nationalsozialismus, die trotz unterschiedlich intensiver Staatsloyalität unter dialektischtheologisch orientierten T h e o l o g e n durchaus wahrzunehmen war, lasse bei Barth das notwendige Eingehen auf den „nationalen A u f b r u c h " des J a h r e s 1 9 3 3 vermissen, den vor allem deutschchristlich orientierte Zeitgeistdeutung im J a h r e 1 9 3 3 geschichtsmächtig werden sah und unkritisch geschichtstheologisch verklärte. Zweifellos sei es das Verdienst Barths, die theologische Existenz entschieden an Gottes W o r t zu binden. D o c h seine Einseitigkeit führe zur Verständnislosigkeit gegenüber dem Ringen der Theologie um Volk und Reich. Barth verwerfe die Erkenntnis, d a ß die geschichtliche Situation einen neuen Anspruch an Theologie, Verkündigung und Kirche stelle, und erhebe fälschlicherweise den Vorwurf, d a ß diese Art Geschichtstheologie zu einem neuen, theologisch illegitimen Erkenntnis- und Normprinzip neben der Heiligen Schrift führe. 4 2 Im theologisch an sich legitimen G e d a n k e n der S c h ö p f u n g " (creatio continua)

„fortwährenden

sah G r u n d m a n n wie viele T h e o l o g e n sei-

ner Zeit ein positives Verhältnis zur Geschichte gegeben. O h n e die geschichtliche Situation zu berücksichtigen, hielt er eine sachgemäß vergegenwärtigte Verkündigung für unmöglich. H a b e doch die Kirche, die aus dem Worte G o t t e s entstehe, ihre Existenzgrundlage im Volk. Geschichtliche Veränderungen im Leben eines Volkes könnten deshalb nicht ohne R ü c k w i r k u n g auf die Kirche bleiben. 4 3 So verstehe sich die volkskirchlich bestimmte evangelische Reichskirche in Deutschland aus der Veränderung der geschichtlichen Existenzgrundlage der Kirche durch die „nationalsozialistische R e v o l u t i o n " . Die Neubesinnung der T h e o l o g i e nach dem Ersten Weltkrieg, die jetzt diesen als Zeitenwende charakterisierten politischen Umschwung des J a h r e s 1 9 3 3 nicht theologisch berücksichtige, werde daher steckenbleiben und ihre Gegenwartsaufgabe verfehlen. Der deutschchristliche Liberalismusvorwurf richtete sich allerdings auch gegen christentumskritische und kirchenaversive Strömungen der völkischen Bewegung: das sei liberalistisches Potential im „braunen Gew a n d " . In der Ablehnung der neuheidnisch-deutschgläubigen

Propa-

ganda bestand übrigens ein breiterer Konsens innerhalb theologischer 42. 43.

Ebd. S. 4 3 . Ebd. S. 4 4 .

40

Universitätstheologie

und „nationale

Erhebung"

und kirchlicher Strömungen des deutschen Protestantismus, wie auch die Kanzelabkündigungen bekenntniskirchlicher Führungsgremien 1935/36, die kirchliche Publizistik allgemein und auch interne Eingaben deutschchristlicher Exponenten gegen die Deutschgläubigen und ihren Einfluß in der NSDAP zeigen. 44 Das Problem stellte sich für Kirche und Theologie dadurch, daß diese völkischen Gruppierungen, von denen sich eine Reihe Ende Juni 1933 zur Arbeitsgemeinschaft der „Deutschen Glaubensbewegung" formierten und staatliche Anerkennung suchten, von Anbeginn des Dritten Reiches als deutschgläubig-neuheidnische Konkurrenz der deutschchristlichen Bewegung auftraten. Für Grundmann vertraten die deutschgläubigen Gruppen die alternative Extremposition zu der von Barth beeinflußten Bekenntniskirche. Der Liberalismus kehre durch sie in völkisch-rassischer Tarnung wieder. 45 Auch andere Deutschen Christen bezeichneten die „Deutsche Glaubensbewegung" und verwandte völkische Gruppen übrigens gelegentlich polemisch als „braun angestrichenes Freidenkertum". Kirchliche Volksmission, für die das Dritte Reich zunächst Voraussetzungen zu schaffen schien, war hier gefährdet: Das liberalistische Menschenverständnis einer Epoche, die der Nationalsozialismus überwunden habe, mache sich in den Deutschgläubigen mit dem Pathos des völkischen Rassebewußtseins wieder geltend und versperre dem deutschen Volk den Weg in die Gemeinde Jesu. Der Liberalismusvorwurf richtete sich allerdings auch gegen völkischkirchenfeindliche Strömungen im Nationalsozialismus selbst: konterkarierten sie doch offensichtlich den christentumsintegrativen Charakter der nationalsozialistischen Bewegung, der für das deutschchristliche Anliegen einer Synthesekonzeption von Christentum und Nationalsozialismus unverzichtbare Voraussetzung war. Den deutschgläubigneuheidnischen Strömungen war diese gewiß unterschiedlich konzipierte deutschchristliche Synthesekonzeption von Christentum und Nationalsozialismus ebenso zuwider wie sie gegen die traditionelle staatliche Privilegierung der Großkirchen aufbegehrten. Grundmanns Ausführungen sind repräsentativ für die in großer Breite auch publizistisch betriebene 44.

45.

Näheres bei Kurt Meier, Kirchenkampf, Bd.3, S. 6 0 5 - 6 0 8 . Vgl. Kurt Dietrich Schmidt, Der Widerstand der Kirche im Dritten Reich, Lutherische Monatshefte 1 (1962), S. 3 6 6 - 3 6 8 ; hier auch Liste interner Eingaben von Exponenten der deutschchristlichen Bewegung an Staats- und Parteistellen wegen kirchenfeindlicher Tendenzen seit 1 9 3 4 : ebd. S. 3 6 8 , Anm. 15. Deutsche Theologie 1 (1934), S. 4 4 .

Das Jahr 1933 im theologischen

Diskurs

41

theologische Auseinandersetzung in dieser Hinsicht: er beschwor die Gefahr, die das deutschgläubige Konkurrenzpotential für die deutschchristliche Bewegung darstellte, zugleich als Gefahr für den Nationalsozialismus selbst: „Wenn wir diesen Liberalismus nicht restlos enthüllen, lassen wir es zu, d a ß in Adolf Hitlers Werk der Todeskeim hineingelegt w i r d . " 4 6 So galt dem deutschchristlichen Repräsentanten das Anliegen der D C - B e w e g u n g für das NS-System als unverzichtbar, weil lebensnotwendig: „Der Entscheidungskampf gegen den Liberalismus wird in unserem Ringen um die Kirche a u s g e f o c h t e n . " Denn die völkisch-prophetische Verkündigung der Deutschen Christen werde „einmal das Geschichtsbewußtsein der nationalsozialistischen Bewegung unter den Herrn der Geschichte stellen". D e m sollte auch das Pfarrerbild der Gegenwart entsprechen. Der Pfarrer müsse ein M e n s c h sein, der seine theologische Existenz in der restlosen Bindung an das offenbare W o r t G o t t e s habe und zugleich im völkischen Erleben mit innerster Anteilnahme und innerstem Verstehen des Leidens- und Kampfgenossen stehe. N u r so sei er imstande, die Aufgabe der Stunde zu lösen, die in der Verbindung „Neubesinnung der Theologie und Aufbruch der N a t i o n " bestehe. 4 7 Unter ganz anderen theologischen Prämissen setzte sich Prof. O t t o Piper (Münster) mit der Frage des Verhältnisses von Kirche und Politik im Blick auf das J a h r 1 9 3 3 auseinander. 4 8 Piper, der wegen Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie durch das Berufsbeamtengesetz noch 1 9 3 3 seine Professur verlor und schließlich emigrieren mußte, war kirchlich während der Weimarer Zeit führend in der „Jungevangelischen B e w e g u n g " verankert. Deren Vertreter fanden sich Frühjahr 1 9 3 3 kirchenpolitisch vielfach in der „Jungreformatorischen B e w e g u n g " wieder, einer vorübergehend wirksamen Gruppierung ohne einheitliche theologische Ausrichtung; sie forderte in K o n k u r r e n z zu den machtpolitischen Ambitionen der „Deutschen C h r i s t e n " , bei der Zusammenfassung des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes zur Deutschen Evangelischen Kirche 1 9 3 3 müsse aus dem „Wesen der K i r c h e " heraus gehandelt werden. Die „Jungreformatorische B e w e g u n g " w a r neben der Kirchenwahlgruppe „Evangelium und K i r c h e " und Pfarrernotbund 1 9 3 3 ein Vorläuferpotential bekennender Kreise, die sich seit Anfang 1 9 3 4 auf mannigfachen freien und Bekenntnissynoden zur Bekennenden Kirche f o r m i e r t e n . 4 9 46. 47.

Ebd. S. 4 5 . Ebd. S. 4 6 .

48. 49.

Otto Piper, Kirche und Politik. Peter Neumann, Jungreformatorische Bewegung.

42

Universitätstheologie und „nationale

Erhebung"

Pipers theologischer Ansatz w a r stark pneumatologisch

geprägt,

gleichzeitig aber gekennzeichnet durch Wertschätzung auch des empirischen Kirchentums; dabei w a r sein Anliegen nicht institutionskirchlich orientiert, aber im Blick a u f das im W o r t G o t t e s bezeugte und vermittelte Heil k a m der empirischen Kirche eine besondere Bedeutung zu. Pipers ekklesiologische Besinnung zielte auf das „eigentliche Wesen der Kirc h e " , ein Anliegen, wie es in den unterschiedlichen „jungevangelischer" Aufbruchsgruppen (Neuwerk, Berneuchener Bewegung, H a n n o v e r s c h e Jungevangelische Konferenz u.a.) vertreten wurde, aber auch sonst die theologische Debatte schon während der Weimarer R e p u b l i k bis in das Kirchenrechtsverständnis bestimmte. Fragen kirchlicher Praxis sollten in Pipers jungevangelischer Konzeption nicht lediglich nach dem O p p o r t u nitätsprinzip oder gar aus kirchlichem M a c h t w i l l e n angegangen, sondern vorrangig nach theologischen Grundansätzen bedacht werden, ohne d a ß der empirisch-organisatorische Außenaspekt von Kirche so in den Hintergrund trat wie innerhalb der dialektischen Theologie vor allem Karl Barths noch zu Beginn der dreißiger J a h r e . 5 0 Pipers T h e m a „Kirche und P o l i t i k " verstand sich als eine grundsätzliche und zugleich zeitgenössisch-aktuelle theologische Analyse der „Umb r u c h s " von 1 9 3 3 . Seine Situationsanalyse in den M o n a t e n nach der Machtergreifung Hitlers wies auf einen signifikanten Uberraschungseffekt bei den Führungskräften des evangelischen Kirchentums hin: 5 1 „ D i e Kirchen sind durch die Entwicklung der letzten M o n a t e überrumpelt worden. Keiner der führenden T h e o l o g e n oder Kirchenmänner hat vorausgesehen, d a ß das ganze Gefüge der Kirche durch den Ansturm der ,Deutschen Christen' ins W a n k e n geraten k ö n n e . " Das evangelische Kirchentum sei in den letzten J a h r e n zu sehr mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Inneren Mission (Devaheim-Skandal), der Kontrolle des schulischen Religionsunterrichts und dem K a m p f gegen die G o t t losenbewegung beschäftigt gewesen: „Und in der Theologie n a h m die Auseinandersetzung mit der dialektischen Theologie und die Erörterung der Fragen politischer Ethik die ganze Aufmerksamkeit in A n s p r u c h . " In den Bemühungen um äußere Machtstellung des evangelischen Kirchentums zu Anfang der dreißiger J a h r e , wie sie Karl Barth in den letzten J a h r e n der Weimarer Republik bei Kirchenführern wie

Otto

Dibelius heftig attackiert hatte, offenbare sich das „Bewußtsein innerer S c h w ä c h e " der Kirche. In dieser Hinsicht zeigte sich eine ähnliche 50. 51.

Kurt Meier, Volkskirche. Otto Piper, Kirche und Politik, S. 5 f.

Das Jahr 1933 im theologischen

43

Diskurs

Zielrichtung, nur war die „jungevangelische" Kirchenkritik viel stärker als die dialektische Theologie Barths kirchenreformerisch orientiert. Piper meinte, die evangelischen Kirchen der letzten 15 J a h r e seien vorrangig auf Wahrung ihrer politischen

Rechtsstellung

fixiert

gewesen

und hätten nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland „die einzigartige M ö g l i c h k e i t , die sich ihnen durch die Trennung vom Staat b o t , nicht g e n ü t z t " . N a c h 1 9 1 8 wäre es der Kirche möglich gewesen, „aus ihrer Klassengebundenheit herauszutreten und das Vertrauen der Arbeiterschaft zu g e w i n n e n " . Es hätte des Religiösen Sozialismus, dem sich Piper selbst verbunden wußte, nicht bedurft, hätte die Kirche von sich aus das Problem einer proletariatszugewandten Volkskirche wirklich erfaßt:52 „Statt dessen beobachtete man in der kirchlichen Führung wie in der T h e o l o g i e diesen Fragen gegenüber weitgehend eine Kühle und vielfach verständnislose Zurückhaltung. Als dann die nationale Begeisterung wuchs, k a m die Sorge, m a n könnte diesmal wieder den Anschluß versäumen, und so wurde man , n a t i o n a l ' . " Der Fehler der Kirchen läge nicht darin, d a ß sie ein offenes O h r für das Anliegen eines neuen Nationalismus hatten; das sei im Gegenteil ihre Pflicht gewesen. Falsch war vielmehr, daß sie dem Nationalismus zu wenig als Kirche begegneten: 5 3 „Es war eine politische Anpassung mittels einer Theologie, die weithin nur getarnte Politik war. Heute sehen wir den S c h a d e n . " D a s Verhältnis des evangelischen Kirchentums zum Dritten Reich sah Piper im F r ü h j a h r 1 9 3 3 so: Die offizielle Kirchenführung der evangelische Kirche stehe vor einem D i l e m m a : Die Forderung der „Deutschen C h r i s t e n " nach Gleichschaltung von Kirche und Politik zeige, daß ihnen die Kirche eine M a c h t p o s i t i o n sei, um deren Erringung sich zu kämpfen lohne. D a s bringe die offiziellen alten Kirchenführer in eine schwierige L a g e : 5 4 „ D e r K a m p f um die Kirche ist heute kein K a m p f gegen die Kirche, sondern ein K a m p f für die Kirche. Weil man will, d a ß das deutsche Volk ein christliches Volk werde, will man eine deutsche

Kirche."

D a s Dilemma der bisherigen Kirchenführung liege jedoch nun darin, d a ß sie trotz aller Bedenken schwerlich zum deutschchristlichen Kirchenr e f o r m p r o g r a m m einfach nein sagen k ö n n e . Auch die

„Jungevangeli-

s c h e n " , die in letzten J a h r e n vor 1 9 3 3 einen „ K a m p f gegen die Kirche für 52.

Ebd. S. 8.

53. 54.

Ebd. S. 9. Ebd. S. 6.

44

Universitätstheologie und „nationale Erhebung"

die Kirche" 5 5 führten, seien durch den Mangel an Einsicht kirchenleitender Stellen oft frustriert gewesen. Die Abgrenzung und Eigenprofilierung jungevangelischer Kreise gegenüber den Deutschen Christen sei deshalb ebenfalls gegenwärtig nicht leicht, die Versuchung, in der DC-Bewegung einen Bundesgenossen gegen die alte Kirchenführung zu gewinnen, nicht ganz gebannt. M a n komme der „deutschen Revolution" von 1933, nach Piper mentalitätsmäßig mit dem Aufbruch der bündischen Jugendbewegung vor dem Ersten Weltkrieg vergleichbar, nicht bloß mit kirchenpolitischopportunistischer Taktik bei, wie die offiziellen Kirchenleitungen es gegenwärtig im Blick auf die von Staat und NSDAP unterstützten Reichskirchenreform versuchten: Die großen Volksbünde wie „Jungdo" („Jungdeutscher Orden"), „Stahlhelm" (Deutschnationaler Wehrverband) und die SA, die „Sturmabteilungen" der NS-Partei, hätten ein neues Gefühl der Verbundenheit geschaffen, das grundlegend verschieden von der Interessengemeinschaft in Parteien, Genossenschaften und Gewerkschaften im bisherigen System sei: „Uberwindung des Parteiwesens, Verbundenheit mit der deutschen Vergangenheit, deutsches Volk auf deutschem Boden, politische Ausrichtung des gemeinsamen Wollens in der gemeinsamen Reichsidee". All das gehöre unlöslich zusammen, daß alles mache die „Heimatsehnsucht des deutschen Menschen" aus, wie sie Piper damals als eine Wurzel des dominierenden Mentalitätstrends kennzeichnete: 56 „Solange man sich diese Eigenart des heutigen politischen Wollens nicht klargemacht hat, kann man auch den Sinn des Angriffs nicht verstehen, den die ,Deutschen Christen' heute gegen das evangelische Kirchentum in seiner gegenwärtigen Gestalt führen. Wenn die führenden Staatsmänner heute davon sprechen, daß es ihnen um die Christlichkeit des ganzen deutschen Volkes gehe, so hat man kein Recht, dahinter nur politische Taktik zu sehen. Wer zum Deutschtum Ja sagt, der kann den Anteil nicht übersehen, den das Christentum an der Bildung des deutschen Volkes gehabt hat." Piper wandte sich gegen die deutschgläubig-christentumsfeindlichen Strömungen im Nationalsozialismus auch insofern, als er die im letzten volkskirchliche Verbundenheit evangelischer Bevölkerungskreise als wenngleich oft genug verdeckte - religiös-christliche Tiefendimension deutete: 5 7 55. 56. 57.

Nach Titel des gleichnamigen Buches von Hermann Schafft. Otto Piper, Kirche und Politik, S. 7 f. Ebd.

Das Jahr 1933 im theologischen

Diskurs

45

„Es ist geschichtslose und politisch nicht ernst zu nehmende R o m a n t i k , die heute von einer deutschen oder indogermanischen Religion t r ä u m t , die neben oder gar an die Stelle des Christentums treten soll. D e n n es handelt sich dabei um ein Bildungsprodukt, das nur in den Köpfen einzelner Gebildeter lebt. Die M a s s e n des deutschen Volkes wollen gerade nicht aus der H e i m a t der Kirche auswandern in die Gletschereinsamkeit der M y s t i k , die ihnen die ,deutsche Religion' verheißt." Die kirchenfreundlich abgefaßten Verlautbarungen der „nationalen R e g i e r u n g " (so Hitlers Regierungserklärung vom 2 3 . M ä r z 1 9 3 3 ) führten Piper jedoch durchaus zu kritischer R e f l e x i o n : 5 8 „ G e r a d e weil wir es heute nicht mit einer Regierung zu tun h a b e n , die dem Christentum gleichgültig oder gar feindlich gegenübersteht", bestehe die G e f a h r , sich den Weg der Kirche lieber von den herrschenden politischen M ä c h ten vorschreiben zu lassen. Im zwischenkirchlichen Vergleich wurde die G e f a h r , sich der politischen M a c h t auszuliefern, bei den Landeskirchen größer als bei Freikirchen und Sekten veranschlagt, größer auch als bei der katholischen Kirche, die sich niemals ins Schlepptau der Parteipolitik des Z e n t r u m s habe nehmen lassen, sondern diese Partei des politischen Katholizismus kirchlicherseits gelenkt habe. Die katholische Kirche verdanke ihre politische Überlegenheit auch nicht lediglich ihrer internationalen Spitze, dem Papsttum, sondern vielmehr ihrem glaubensvolleren Selbstbewußtsein als Kirche. Für die protestantischen Kirchen bestehe trotz aller Proteste gegen Parteipolitik doch eine Beziehung zwischen kirchenpolitischen Gruppen und politischen Parteien. Dabei m o c h t e an die parteipolitische Beziehungsnähe konservativer kirchlicher Kreise an die Deutschnationale wie Deutsche Volkspartei gedacht sein, wie bei manchen Liberalen und freien Protestanten an die Deutsche D e m o k r a t i s c h e Partei oder bei Religiösen Sozialisten an die Sozialdemokratie, der Piper selbst angehörte. Z u diesem Zeitpunkt, als der Selbstauflösungsprozeß und das Verbot der republikanischen Parteien mit der Avancierung der N S D A P zur alleinberechtigten Partei a m 1 4 . Juli 1 9 3 3 zum Abschluß k a m , w a r es allerdings kaum noch situationsgemäß, vor der G e f a h r zu w a r n e n , d a ß politische Restgruppen republikanischer Parteien der Weimarer Republik sich der evangelischen Kirche gegen den Staat oder gegen die Regierung bedienen und damit das Anliegen der Kirche illegitimerweise politisieren könnten. Die Ereignisse überholten o f f e n b a r die Drucklegung der interessanten Broschüre an diesem Punkte! 58.

Ebd. S. 82.

46

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Erhebung"

Piper meinte im F r ü h j a h r 1 9 3 3 auch: Indes sei die „politische Aufgabe der Kirche ( . . . ) dem totalen Staat gegenüber unendlich viel schwieriger als f r ü h e r . " 5 9 Denn war im konservativen Feudalstaat ein Gegensatz schon durch das landesherrliche Kirchenregiment unmöglich und begnügte sich der liberale Rechtsstaat mit der äußeren Achtung seiner Gesetze, so verlange der totale Staat die Hingabe des ganzen M e n s c h e n . Aus G e h o r s a m gegen G o t t müsse man sich indes auch „dem neuen Staate ganz zur Verfügung stellen für sein Ziel, die völlige Erneuerung Deutschlands aus seinem eigenen W e s e n " . Allerdings werde die erforderliche U m stellung a u f diese neue Art des staatlichen G e h o r s a m s vielfach gerade ernsthaften Christen nicht leicht fallen. M a n müsse dem einzelnen Z e i t lassen, sich umzustellen. Piper forderte auch Verständnis dafür, „ d a ß das konkrete freudige J a zum neuen Deutschland nicht notwendig auch ein uneingeschränktes J a zu den Mitteln einschließen m u ß , mit denen man heute dieses Ziel zu erreichen s u c h t . " 6 0 Piper lehnte von seinem Kirchenverständnis natürlich mit N a c h d r u c k die deutschchristlichen Gleichschaltungsforderungen der Kirche mit dem N S - S t a a t a b , weil sie dem Wesen genuin kirchlicher Erneuerung nicht entsprachen, wie seine theologische Konzeption sie voraussetzte. Wenn in kirchlichen Körperschaften und Behörden nur noch Nationalsozialisten säßen, so sei damit noch keine wirkliche R e f o r m vollzogen: So wie die deutsche Revolution zwar in politischen F o r m e n erfolge, aber eben doch nicht Politik sei, sondern innere U m k e h r , so nähme die Kirche erst dann an der nationalen Revolution teil, wenn sie sich an dieser inneren U m k e h r beteilige. D a b e i sei es mit Erbaulichkeiten und kirchlichen Verfassungsänderungen nicht getan. 6 1 Die Frage nach den M e h r heiten in den Synoden und Kirchenvertretungen dürfe in der Kirchenreform nicht zur entscheidenden Frage gemacht werden. D a m i t beginne das ganze Elend der kirchenpolitischen Entwicklung mit der Parlamentarisierung der Nachkriegszeit von neuem. Der kirchenpolitische Einbruch der deutschchristlichen Bewegung im S o m m e r 1 9 3 3 in die Kirchenparlamente, von der N S - P r o p a g a n d a massiv unterstützt, und vielfach damit verbunden die Eroberung der Kirchenbehörden, setzte freilich den bisherigen Kirchenparlamentarismus konfliktreich weitgehend außer Vollzug. In Abgrenzung von deutschchristlichen Synthesekonzeptionen, die die Machtergreifung Hitlers als „heilige W e n d e " und „nationalen Auf-

59. Ebd. S. 83. 60. Ebd. S. 83 f. 61. Ebd. S.ll.

Das Jahr 1933 im theologischen

Diskurs

47

bruch" in unterschiedlicher Weise geschichtstheologisch zu rechtfertigen versuchten, galt für die von Piper vertretene jungevangelische Position: Die Kirche sei dem neuen Staat zwar Gehorsam schuldig für sein politisches Ziel der „Erneuerung Deutschlands"; doch bedürfe dies keiner besonderen theologisch-kirchlichen Legitimation. In der religionsund kirchenpolitischen Orientierung des Nationalsozialismus sei leider die Frontstellung zwischen Kirche und Staat zunächst dadurch verwischt worden, daß der NS-Staat im Frühjahr 1933 als seine Sachwalter in der evangelischen Kirche nur die Deutschen Christen gelten lassen wollte. Grundsätzliche Staatsbejahung, die kritische kirchliche Vorbehalte gegen politische M a ß n a h m e n des NS-Staates einschloß, entsprach der „jungevangelischen" Haltung Pipers: 62 „Für die Z u k u n f t kommt alles darauf an, daß der Staat zu scheiden weiß zwischen den vom Glauben diktierten christlichen Vorbehalten hinsichtlich der politischen Mittel und dem aus dem Glauben stammenden Ja der Kirche zur nationalen Revolution und zur Idee des neuen Reiches." In „jungevangelischer" Sichtweise, wie sie in der Folgezeit auch in Kreisen der Bekennenden Kirche anzutreffen war, hieß es: es dürfe „nicht dahin kommen, daß das theologische und kirchenpolitische Nein zu den Deutschen Christen sich verbinde mit einem politischen Ressentiment gegen den neuen Staat." 6 3 Der im kirchlichen Raum seinerzeit oft geäußerte Gedanke, den zumeist grundsätzlich bejahten „Neuaufbruch der N a t i o n " im Ewigen zu verankern, war auch in der Universitätstheologie beobachtbar, mitunter in fachspezifischer Ausformung. Dieses Argumentationsmuster läßt sich auch später beobachten, als das Vordringen der weltanschaulichen Distanzierungskräfte es nahelegte, in der kirchlichen Apologetik immer stärker auf die Notwendigkeit bleibender Integration des Christentums im Volksleben hinzuweisen. Dabei konnte die Bedeutung, die dem Christentum als religiöse Dimension oder auch als religiös-sittliches Fundament im Leben des deutschen Volkes zugemessen wurde, unterschiedlich begründet werden. Indes haben sich nicht nur systematische oder praktische Theologen zu Anfang des Dritten Reiches der unter den neuen Machtverhältnissen dringlichen und bleibenden apologetischen Aufgabe angenommen, das Verhältnis von Kirche und Theologie zum Nationalsozialismus zu reflektieren. Auch Kirchenhistoriker und Vertreter der Bibelwissenschaften 62. 63.

Ebd. S. 84. Ebd.

48

Universitätstheologie und „nationale Erhebung"

meldeten sich zu Wort. Hier sei etwas ausführlicher auf einen Aufsatz „Das Alte Testament in der christlich-deutschen Gegenwart" 6 4 hingewiesen, in dem der Tübinger Alttestamentier Artur Weiser in fachspezifisch akzentuierter Weise zur Aufgabe der Kirche im Dritten Reich Stellung nahm. Er bediente sich dabei durchaus verbreiteter kirchlicher Argumentationsmuster. Als ungenügend galt, wenn nur neue politische, wirtschaftliche und kulturelle Lebensformen geschaffen würden, im übrigen aber das Volk in den letzten Fragen nach dem inneren Recht seiner gegenwärtigen Lebenslage sich selbst überlassen werde: 6 5 „Gelingt es nicht, ein weltanschauliches religiöses Verständnis des geschichtlichen Augenblicks und der aus ihm werdenden Aufgabe, besonders auch bei den weithin unter dem Eindruck des Chaos der jüngsten Vergangenheit entwurzelten Menschen zu wecken, so werden jene nicht mit eigenem Leben erfüllten Formen dem Druck von außen und innen nicht standhalten." Vielmehr gelte: 6 6 „Von der Antwort, die sich unser Volk auf diese Frage geben wird, hängt in gleicher Weise die Zukunft der deutschen Erhebung wie die Zukunft der Volkskirche a b . " Hier war die Volkskirche gefordert: 6 7 „Als christliche Kirche weiß sie, daß nur im Vertrauen und Gehorsam gegen Gott der deutschen Sendung Kräfte geschenkt werden, die allein verhüten können, daß sie nicht in staats-, wirtschafts- und kulturpolitischen Experimenten sich erschöpft". Prof. Weiser, der Herbst 1 9 3 3 mit anderen Tübinger Theologen nach kurzfristiger Zugehörigkeit die deutschchristliche Bewegung im Protest gegen ihre bekenntniswidrigen Tendenzen wieder verlassen hatte, artikulierte übrigens auch den damals verbreiteten Affront gegen die „dialektische Theologie": diese „Theologie der Krise" galt ihm als überholt und für die Gegenwart unfruchtbar. Die zunehmende Bedeutung Karl Barths für aktive bruderrätliche Kreise der Bekennenden Kirche im Kirchenkampf des Dritten Reiches hat übrigens in der Folgezeit die Widerstände gegen ihn noch verschärft. Insbesondere Barths scharfes Verdikt gegen die Traditionen des Kulturprotestantismus forderte auch dort oft Widerspruch heraus, wo eine deutschchristliche Affinität keineswegs gegeben war, vereinzelt sogar bei Bekenntnissynodalen wie Prof. Rudolf Hermann (Greifswald), aber auch sonst. Verbreitet war auch Weisers Vorwurf, Karl Barth, seit 1 9 2 1 Theologieprofessor an deutschen Universitäten, habe als 64. 65.

66.

67.

Deutsche Theologie 1 ( 1 9 3 4 ) , S. 4 7 - 5 6 . Ebd. S. 4 7 . Ebd. Ebd. S. 4 8 .

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Schweizer den Kampf des deutschen Volkes nur als Zuschauer erlebt. 68 Mit seiner Streitschrift „Theologische Existenz heute" vom Sommer 1933 rede Barth deshalb an der Sache vorbei. Kirche, vom Volke selbst getragen, wurzele im Ewigen; als Kirche im deutschen Volk höre sie „aus dem Aufbruch des deutschen Volkes aus dem Sumpf der Zersetzung" im Kampf um die innere Gemeinschaft „die Stimme Gottes heraus", die die Kirche hier in einer bestimmten Aufgabe zum Gehorsam rufe. 6 9 Weil Kritik an der Kirche häufig genug nur Ruf nach der Kirche sei, dürfe die Kirche der „Gottesstunde" nicht ausweichen; dies wäre biblisch gesehen Unglauben. 7 0 Nicht die Synthese von Volkstum und Christentum als zweier ihrem Wesen nach verschiedener Ansprüche an den deutschen Menschen der Gegenwart müsse hier gesucht werden, sondern das organische Ineinander beider, das sich nicht trennen lasse: „ich stehe zu meinem Volk gerade als Christ, und ich wäre nicht mehr Deutscher, wenn ich das christliche Erbe meiner Väter in den Wind schlüge." 71 Als vermeintlich gültiger Beleg für eine unverzichtbare christliche Traditionsbindung des völkischen Engagements der Nationalsozialisten wurde auf Artikel 24 des NS-Programms und entsprechende „Worte des Führers" verwiesen, die eine christlich-kirchliche Orientierung nahezulegen schienen. Das Evangelium dürfe allerdings nicht verkürzt und verdunkelt werden, gleichzeitig müsse aber verhindert werden, daß die „Volksbewegung", wie sie in der nationalsozialistischen Bewegung ihren Ausdruck gefunden habe, in ein altes oder neues Heidentum einmünde. 7 2 Weisers Apologetik hatte dabei auch die unübersehbaren antisemitische Tendenzen des Nationalsozialismus im Auge, die sich gegen die alttestamentliche Traditionsbindung des Christentum richteten. Demgegenüber gelte es vielmehr, im Kampf um ein christliches Selbstverständnis des deutschen Volkes auch das Alte Testament theologisch fruchtbar zu machen. Das Alte Testament sei in der kirchlichen Aufbauarbeit der christlich-völkischen Gegenwart als Urkunde der Offenbarung Gottes unverzichtbar; abzulehnen sei es nur da, w o es Ausdruck derjenigen Haltung des Judentums sei, die schließlich Jesus ans Kreuz gebracht habe. 7 3 68. 69. 70. 71. 72. 73.

Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.

S. S. S. S.

47. 48. 47. 48.

S. 49.

50

Universitätstheologie und „nationale

Erhebung"

Die deutschgläubig-neuheidnische Gegnerschaft gegen das Alte Testament verkenne seine Doppelstellung: 74 „Jesus hat die alttestamentliche Zukunftshoffnung auf sich bezogen und zugleich die jüdische Messiashoffnung abgelehnt. Er hat sich zu dem Gott wie ihn Mose und die Propheten gesehen haben, als seinem Vater bekannt und dabei eine Gottesdeutung, die jüdische Dogmatik in die Zwangsjacke rationaler Ideologien eingesperrt hatte, bekämpft." Jesus bejahe den alttestamentlichen Erwählungsglauben in seinem eigentlichen Sinn als den Anspruch Gottes an das Volk, Träger der Gottesoffenbarung für die Völker zu sein, habe aber seine Entstellung scharf zurückgewiesen, die aus dem menschlichen Auftrag einen Anspruch des Menschen an Gott und in völkischer Erhebung über die anderen Völker ein Werturteil daraus abgeleitet habe. Jesus habe vielmehr das Alte Testament aus der Umklammerung der Gesetzesreligion und menschlicher Kasuistik befreit 7 5 . In seiner Apologie des wegen seines jüdischen Ursprungs in völkischen Kreisen des Nationalsozialismus problematisierten und zumeist polemisch abgelehnten Alten Testamentes wies Artur Weiser kritisch auch auf die Defizite einer bloß biologisch-materialistischen Rassenlehre hin. Gefahren für die Reinerhaltung des Volkstums, vor denen die neuheidnisch-deutschgläubige Bewegung meine warnen zu müssen, seien gegenstandslos. 76 In diesem Zusammenhang wurde auch vorsichtige Kritik an NSReichsleiter Alfred Rosenberg geübt, dessen „Mythus des 2 0 . Jahrhunderts" aus parteitaktischen Gründen damals allerdings als nicht parteioffiziell galt. Die Ansicht des NS-Ideologen, jede Denkform sei auch rassisch bestimmt, enthalte zwar Richtiges. Blinde Rassenvermischung sei daher Untreue gegen den Schöpferwillen Gottes. Aber Volkstum sei mehr als das Ergebnis rein biologischer Vorgänge. Neben die Kräfte der Natur (Rasse) träten die Faktoren der Geschichte, die besonders nach ihrer geistigen Seite sich nicht aus dem Rassegedanken ableiten ließen. Das Alte Testament habe hier schärfer gesehen und die Einheit von Natur und Geschichte vorausgesetzt. 77 Das Seinsverständnis des vor Gott gestellten Menschen sei ein Wirklichkeitsbewußtsein, das als letzte Wahrheit nicht an Rasse und Geschichtsbezogenheit der Völker gebunden sei, wenn auch

74.

Ebd.

75. 76. 77.

Ebd. Ebd. S. 5 2 . Ebd. S. 5 3 .

Das Jahr 1933

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der Gottes Wort vernehmende Mensch nicht ohne die Voraussetzung seiner geschichtlichen und natürlichen Art gesehen werden könne. Auch hier wurde die Gefahr beschworen, daß unter Wiederkehr materialistischer, individualistischer und liberalistischer Gedanken das rassische oder geschichtliche Fundament des Volkstums zum absoluten M a ß s t a b des gesamten Denkens gemacht und ein Kampf der Meinungen ausgelöst werde, der die innere Einheit der gegenwärtigen Volksbewegung zerstöre. Rassische Zukunftsschau bleibe im materialistischen Kampf ums Dasein der Rassen und Völker stecken. Gerade der alttestamentliche Erwählungsglauben stelle aber dem Volk die Aufgabe, durch Ausgestaltung seiner schöpfungsmäßigen Eigenart im Gehorsam gegen seine göttliche Bestimmung von der Wirklichkeit Gottes zu zeugen. Einheit im neuen Volksgemeinschaftsstaat sei nur in einer letzten Schau der Dinge von Gott her möglich, die die Verabsolutierung des Volkstums ausschließe. Bei dieser Aufgabe könne die Kirche das Gotteswort des Alten Testamentes nicht entbehren: überall, wo bei den Fragen Natur und Geschichte, Volk und Land, Nation und Staat, Rechtsordnung und sittliche Ordnung ein menschlicher Anspruch von absoluter Geltung sich ergibt, bezeuge das Alte Testament ein klares Nein Gottes; es wisse die Existenz eines Volkes abhängig von dem Glaubensgehorsam, in dem es seine Aufgaben als von Gott gegeben erfaßt und durchführt. Die Kirche Gottes verkündige das Nein Gottes zu all diesen Irrwegen und verdeutliche und vergegenwärtige sein J a zum Weg des Gehorsams: „Hier braucht das deutsche Volk seine Kirche, wenn es nicht in einen religiös verbrämten Individualismus oder in ein völkisches Heidentum zurückfallen will, dadurch, daß der Rassegedanke oder völkische Ideen verabsolutiert w e r d e n . " 7 8 Zu den im weitesten Sinne volkstumsorientierten, wenngleich vor Absolutsetzung des Volkstums warnenden theologischen Stellungnahmen von Universitätstheologen, die - wie gezeigt - nicht selten antibarthianische Vorbehalte erkennen ließen, befand sich die dialektisch-theologische Position Karl Barths in einer ausgesprochenen Querlage. Barth hatte mit seiner am 2 4 . Juni 1 9 3 3 abgeschlossenen Schrift „Theologische Existenz heute" die konkrete theologische Bezugnahme auf die Probleme des Tages kategorisch abgelehnt und dafür das Reden „zur Sache" der Theologie gefordert. Auf die Erwartung seiner akademischen Zuhörer und theologischen Gesinnungsgenossen, zu den „uns alle seit M o n a ten beschäftigenden kirchlichen Sorgen und Problemen" etwas zu sagen, 78.

Ebd. S. 55.

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und „nationale

Erhebung"

meinte Barth, er bemühe sich in Bonn mit seinen Studenten „in Vorlesungen und Übungen nach wie vor und als wäre nichts geschehen vielleicht in leise erhöhtem Ton, aber ohne direkte Bezugnahmen Theologie und nur Theologie zu treiben." Auch das sei „eine Stellungnahme, jedenfalls eine kirchenpolitische und indirekt sogar eine politische Stellungnahme". 7 9 Barth sah die große Versuchung der Kirche darin, über „der Macht anderer Ansprüche die Intensität und Exklusivität des Anspruchs des göttlichen Wortes" die „theologische Existenz" zu verlieren. 80 In kirchlichen und theologischen Aufrufen und Stellungnahmen zur Machtergreifung und zu der davon abgeleiteten Notwendigkeit einer Kirchenreform komme die illegitime „Proklamierung eines unerhört neuen Erkenntnis- und Normprinzips in der evangelischen Kirche" zum Ausdruck. Werde doch dabei von dem „,großen Geschehen unserer Tage'" und nicht primär von der Bindung an Gottes Wort ausgegangen. 81 Barths Kritik galt nicht nur Verlautbarungen der alten kirchlichen Instanzen, die zwischen Theologie und Politik in politischer Begeisterung oder aus politischer Klugheit nicht zu unterscheiden wüßten oder wollten. Sein kategorisches Nein galt besonders der ihm völlig verfehlt erscheinenden Synthesekonzeption der Glaubensbewegung „Deutsche Christen". Doch selbst von der „Jungreformatorischen Bewegung" 82 hielt Barth wenig, ohne damit freilich ihrer Resistenzbedeutung als kirchenpolitische Gegner der Deutschen Christen im Jahre 1933 ganz gerecht zu werden. Die Jungreformatoren würden eine kirchlich-theologisch substanzlose Kirchenpolitik betreiben. Das „Wesen der Kirche", aus dem heraus sie beim Versuch, die kirchliche Selbständigkeit zu wahren, zu handeln vorgäben, sei wegen der theologischen Verschiedenheiten ihrer Hauptvertreter weithin unklar, wenngleich sie im Unterschied zu den Deutschen Christen wenigstens die Ausschließung der Nichtarier aus der Kirche ablehnten. Um die theologische Disparatheit der Jungreformatorischen Bewegung zu kennzeichnen, die innerhalb ihrer eigenen Reihen einen „theologischen Burgfrieden" proklamiert habe, nannte Barth in seiner Schrift als Exponenten neben anderen Kirchenvertretern wie Hanns Lilje und den Berneuchener Georg Schulz auch die Universitätstheologen Karl Heim (Tübingen), Friedrich Gogarten (Breslau), Friedrich Brunstäd und Hel-

79. 80. 81. 82.

K. Barth, Theologische Existenz heute, S. 3. Ebd. S. 5 f. Ebd. S. 12. Ebd. S. 3 0 - 3 4 ; vgl. P. Neumann, Jungreformatische Bewegung.

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muth Schreiner in R o s t o c k , Wilhelm Stählin (Münster), auch Wilhelm Lütgert (Berlin). 8 3 Barth übersah keineswegs die Verbesserungsbedürftigkeit kirchlicher Praxis, betonte aber die Notwendigkeit theologisch begründeter Kirchenreform, die sich das G e b o t des Handelns nicht einfach unvermittelt aus der politischen Situation des J a h r e s 1 9 3 3 geben lassen könne. D e r kirchliche Auftrag a m deutschen Volk sei ein bleibender Auftrag: D a r u m dürfe die Kirche „auch im totalen Staat keinen Winterschlaf antreten, kein M o r a t o r i u m und auch keine Gleichschaltung sich gefallen lassen." Die Kirche galt ihm als die „naturgemäße Grenze jedes, auch des totalen S t a a t e s " . Denn das Volk lebe auch im totalen Staat vom W o r t e Gottes: „Diesem Wort haben Kirche und Theologie zu dienen. D a r u m sind sie die Grenze des Staates. Sie sind es zum Heil des Volkes, zu dem

Heil,

das weder der Staat noch auch die Kirche schaffen k ö n n e n , zu dessen Verkündigung aber die Kirche berufen i s t . " 8 4 Gegen Barths zentral biblisch orientierten Ansatz, der eine von situationären Gesichtspunkten weitgehend freie theologische Existenz proklamierte, wurde verschiedentlich gerade auch im Blick auf seine Schrift „Theologische Existenz h e u t e " polemisiert. Prof. R o b e r t Winkler (Heidelberg) meinte in seinem Aufsatz „Die Revolution in der Wissenschaft und die T h e o l o g i e " dazu, es gäbe „keine chemisch reine E x i s t e n z " : 8 5 Der T h e o l o g e sei eo ipso an sein Volkstum gebunden; der G l a u b e eines deutschen T h e o l o g e n sei von seinem Deutschtum ebenso mitbestimmt wie seine theologische Existenz von seiner wissenschaftlichen Existenz. 8 6 Winkler sah gerade auch den neuen Wissenschaftsbegriff von einer Neubesinnung auf das Volkstum geprägt. 8 7 In der Wissenschaft habe sich unter dem Einfluß der neuen Haltung, „die in der Wende von

1933

zu geschichtlichem D u r c h b r u c h k a m " , manches geändert. Früher weniger beachtete Gebiete wie Rassenkunde, Rassenhygiene und Volkskunde erführen gegenwärtig neue Z u w e n d u n g , in der Geschichtswissenschaft steige die Vorgeschichte im Kurs, rückten Geschichtsepochen und Er83. 84. 85. 86.

87.

Karl Barth, Theologische Existenz heute, S. 31 (Namen). Ebd. S. 4 0 . Christentum und Wissenschaft 10 (1934), S. 3 6 1 - 3 7 3 ; Zit. 3 6 1 . Karl Barth, Theologische Existenz heute, S. 5: Für Barth hieß „theologische Existenz", „daß uns inmitten unserer sonstigen Existenz (z.B. als Männer, als Väter und Söhne, als Deutsche, als Bürger, als Besitzer eines allzeit unruhigen Herzens usf.") das Wort Gottes die Größe sei, „die insbesondere unsere Berufung als Prediger und Lehrer" primär und dominant beanspruche. Christentum und Wissenschaft 10 (1934). S. 3 6 1 .

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Universitätstheologie

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eignisse in den Vordergrund, die im heutigen Erleben interessierte Nähe beanspruchen könnten. Genannt wurden: Widukind und die Sachsenbekehrung, die Reichsidee im Mittelalter u.a. Sofern die Theologie in die „Universitas litterarum" eingebettet sei, werde sie sich dieser Tendenz nicht entziehen können. Sachverhalte, die nur Quelle für die Geschichte Israels und des Judentums seien, würden zurückzustellen und im Alten Testament in erster Linie das „"Wort Gottes an uns" zu sehen sein. Im Bereich der Kirchengeschichte empfinde man es im Banne dieser allgemeinen wissenschaftlichen Haltung als wichtiger, eine Geschichte des deutschen Glaubens zu schreiben, als etwa eine Monographie einer entlegenen Gestalt altkirchlicher Dogmengeschichte (wie Methodius von Olymp). W o man in der Dogmatik I, der Vorlesung, die die Grundlegung der Theologie behandele, religionsgeschichtliches Material bringe, oder sonst über Buddhismus und Zarathustra spreche, werde nun auch die germanische Religionsgeschichte den ihr gebührenden Platz einnehmen. Winkler verwies darauf, daß auch die Frage nach der Möglichkeit einer „natürlichen T h e o l o g i e " , die Karl Barth übrigens auch in Auseinandersetzung mit ehemaligen dialektisch-theologischen Weggenossen wie Friedrich Gogarten und Emil Brunner (Zürich) radikal verneinte, zum bevorzugten Thema der Dogmatik geworden sei. Mit diesem Trend hänge auch die Notwendigkeit zusammen, auf aktuelle zeitgeschichtliche Phänomene der Gegenwart einzugehen. So werde der Theologe in der Konfessionskunde die „Deutsche Glaubensbewegung" mitbehandeln, sei es in apologetischer Absicht oder weil er in verdeckter Form immer noch Christentum in ihr finde. Doch sah Winkler in aktuellen Auswirkungen des völkisch betonten Wissenschaftsverständnisses keinen Grund zur Besorgnis, im Gegenteil: 8 8 „Alle diese Akzentverschiebungen in der Bewertung der wissenschaftlichen Objekte bedeuten freilich keine Veränderung der Substanz der Wissenschaft. Es ist dieselbe Wissenschaft, die ihre Vorliebe nur anderen Gegenständen zuwendet." M a n solle nicht gleich von einer Revolution der Wissenschaft sprechen: 8 9 „Die Theologie, die sich in dieser Richtung dem vom Zeitgeist beeinflußten Wissenschaftsbetrieb gleichschaltet, ist die gleiche Theologie geblieben, die sie schon vorher war. Eine Wandlung in dieser Richtung läßt ihr Fundament unangetastet." Es bedürfe ihretwegen keiner neuen Grundlage der Theologie. 9 0

88. 89.

Ebd. vgl. S. 3 6 2 f. Ebd. S. 3 6 2 f.

Das Jahr 1933 im theologischen

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Auch die von manchen Politikern geforderte praktische Anwendbarkeit der Forschung und ihre einseitige Ausrichtung auf utilitäre Verwertbarkeit im Beruf habe ihre Grenzen. Die Übertragung eines pragmatischen Wissenschaftsverständnisses auf die T h e o l o g i e , für den das Kriterium der Wissenschaft nicht mehr die Wahrheit sei, lehnte Winkler ab. Er berief sich auf den NS-Pädagogen Prof. Ernst Krieck, 9 1 der in seiner Heidelberger Antrittsrede J u n i 1 9 3 4 die Wahrheitserkenntnis wissenschaftlichen Denkens bestätige, wenngleich er sie an die „Bedingungen unserer rassischer Art und unseres völkischen Standortes, ( . . . ) den Voraussetzungen unserer geschichtlichen L a g e " binde. 9 2 Wichtig sei nur, daß der Student mit seinem Berufsstand frühzeitig in Berührung k o m m e . Aber selbst der Vorschlag, ein praktisches J a h r ins Studium einzuschalten, galt methodisch nicht als Revolutionierung der Theologie. Die in Anlehnung an die von Krieck hervorgehobene Volkstums- und Geschichtsbezogenheit wissenschaftlicher Erkenntnis sah Winkler für die Theologie durch Verbundenheit mit dem Gemeinschaftsleben der Kirche gegeben. Im Blick auf Stimmen, die Wissenschaft weltanschauungsbedingt betrachteten und ihre Anpassung an die NS-Weltanschauung forderten, weil sich der nationalsozialistische Totalitätsanspruch auf die Wissenschaft erstrecke, meinte Winkler, die Theologie dürfe sich aus dem weltanschaulichen Diskurs nicht ausschalten. In Anlehnung auch an Alfred Bäumlers Buch „ M ä n n e r b u n d und Wiss e n s c h a f t " 9 3 sah Winkler auch für die T h e o l o g i e in der von Bäumler der Wissenschaft aufgetragenen Deutung der Symbole, in denen Staat 90.

Z u Kontinuitätsproblem und Resistenzbedeutung des M e t h o d e n s t a n d a r d s der Universitätstheologie im Dritten Reich vgl. Trutz Rendtorff, Wissenschaftsverständnis; Kurt Meier, Anpassung und Resistenz.

91.

Vgl. Ernst Krieck, Objektivität; zu E. Krieck, 1 9 3 3 Ordinarius für Pädagogik in F r a n k f u r t / M . , 1 9 3 4 bis 1 9 4 5 in Heidelberg, vgl. Armin M ö h l e r , Konservative Revolution, 2 . Aufl. S. 4 8 0 - 4 8 2 . Z u n ä c h s t überwiegend pädagogisch orientiert, sieht Krieck Erziehung im geschichtlichen und systematischen G e s a m t z u s a m m e n h a n g ; seit 1 9 3 5 Wende zu gesamtphilosophischsystematischen Deutungsversuch des Dritten Reiches: Ernst Krieck, Völkischpolitische Anthropologie, 3 Bde., Leipzig 1 9 3 6 - 3 8 .

92.

Christentum und Wissenschaft 1 0 ( 1 9 3 4 ) , S. 3 6 5 .

93.

Berlin 1 9 3 4 . Z u Alfred Bäumler, früher Technische Hochschule Dresden, 1 9 3 3 - 1 9 4 5 Direktor des Instituts für politische Pädagogik in Berlin, von Alfred Rosenberg gefördert und gestützt, vgl. Armin Möhler, Konservative Revolution, 2 . Aufl., S. 4 7 9 f. Für die Diskussion um A. Bäumler und E. Krieck vgl. Karl Christoph Lingelbach, Erziehung.

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Universitätstheologie und „nationale

Erhebung"

und Wissenschaft vereinigt seien, eine analoge Aufgabe: Gleich aller anderen Wissenschaft müsse auch die Theologie den Einsatz wagen und das „Wort" suchen helfen, mit dem sich der Nationalsozialismus selber durchsichtig werde. Schalte sich die Theologie im Ringen um das Selbstverständnis des Nationalsozialimus aus dem Weltanschaungsdiskurs aus, sei sie selbst schuld daran, wenn dessen Sinndeutung überhaupt keinen religiösen oder einen falschen religiösen Klang bekomme. 9 4 Für den Systematiker Prof. Robert Jelke (Heidelberg), der im Blick auf eine Positionsbestimmung der Theologie im Dritten Reich ebenfalls Ernst Kriecks Deutungsmuster zu Rate zog, stellte der neue Wissenschaftsbegriff der Theologie schlicht die Aufgabe, daß sie das Christentum in Beziehung zum Volkstum setze und untersuche, welche Berührungspunkte es zwischen Christentum und deutschem Volkstum gäbe. Denn nur das der jeweiligen seelischen Art des Volkstums Kongeniale werde geschichtlich rezipiert. 95 Auf den universitären Aspekt allgemein bezog sich der Kirchenhistoriker Heinrich Bornkamm, 9 6 als er im Amtsjahr 1933/34 als gewählter Rektor der Universität Gießen das Verhältnis der akademischen Wissenschaften zum neuen Staat in eine universitätsgeschichtliche Perspektive einzuordnen versuchte. Bornkamm, später (1935) nach Leipzig berufen und als Präsident des „Evangelischen Bundes" auch konfessionspolitisch präsent, gehörte mit Hanns Rückert, Hermann Wolfgang Beyer, Emanuel Hirsch und Erich Vogelsang zu den akademischen Schülern des 1 9 2 6 verstorbenen Berliner Kirchenhistorikers Karl Holl, des Initiators der sogenannten „Lutherrenaissance" nach dem Ersten Weltkrieg. Holls Schüler haben in besonderem Maße versucht, das nationale Leben durch aktualisierenden Rückbezug auf Luther aktiv mitzugestalten. Die kulturpolitische Ausmünzung dieser vertieft theologischen Lutherdeutung verfiel 1933 zunächst auf oft allzu direkte Bezugnahmen und versuchte so, auf das aktuelle Geschehen der „nationalen Erhebung" positiv einzugehen. In seiner hochschulpolitischen Stellungnahme „Die Sendung der deutschen Universität in der Gegenwart" hat Prof. Heinrich Bornkamm das Verhältnis der Universitätswissenschaften zum nationalsozialistischen 94.

Christentum und Wissenschaft 10 ( 1 9 3 4 ) , S. 3 7 2 f.

95.

Robert Jelke, Was ist deutsches Christentum?, Christentum und Wissenschaft 10 ( 1 9 3 4 ) , S. 3 7 3 - 3 8 4 ; hier: S. 3 7 3 ; Jelke verweist auf Emst Krieck, Der Staat des deutschen Menschen, Berlin 1 9 3 3 , S. 11 ff. Zu Heinrich Bornkamm vgl. Kurt Nowak, Zeiterfahrung und Kirchengeschichtsschreibung.

96.

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Staat näher bestimmen wollen. Dabei werden in seiner aktuellen Aufgabenbestimmung die auf Kontinuität bedachte Orientierung ebenso deutlich wie die Warnung vor kurzschlüssigen organisatorischen Experimenten. Strukturelle Integrität und traditionsbezogener Auftrag der Universität sollen möglichst gewahrt bleiben: 97 „Die deutsche Universität ist in den Sturm der nationalsozialistischen Revolution hineingerissen und hat eine erste Zone der sprunghaften Umbrüche hinter sich. In dem Augenblick der Besinnung, der ihr nunmehr angemessen ist, erheben sich die Fragen nach Ziel und Kurs ihrer neuen Fahrt mit eindringlichem Ernst. ( . . . ) Nach dem uns bisher die ersten organisatorischen und nötigen personellen Veränderungen in Atem gehalten haben, erfüllt uns nun ein Heißhunger nach sachlicher Arbeit. Ihr das rechte Ziel und beständigen Grund zu geben, ist der edelste Wettbewerb zwischen Lehrerschaft und Studentenschaft." Als die beiden unveräußerlichen Wesensmerkmale der deutschen Universität galten ihm körperschaftliches Leben und strenge Bindung zwischen Forschung und Lehre. Die Aufgabe der Universität erschöpfe sich sonst in reinem Berufsunterricht, wenn es zu einer ihrem geschichtlich gewordenen Wesen widersprechenden generellen Verweisung der Forschung an spezielle (nationalsozialistische) Forschungsakademien käme. Bornkamm hielt zwar die Vorstellung eines idealistischen Wissenschaftsbegriffs und die ihm entsprechende Sehnsucht nach einer staatsfreien Wissenschaft für illusorisch. Dann müsse die Wissenschaft anderen Herren dienen. Auch „absolute Lehrfreiheit" galt ihm als „Unding": „Wo die Gesamtordnung des völkischen Daseins, aus der die Wissenschaft ihre Kraft saugt, tief geschädigt wird durch wissenschaftliche Lehre, steht der Schutz des Volkstums über dem Schutz der Lehrfreiheit. Ich weiß, wie heikel und verantwortungsvoll die Aufgaben des Staates hier sein können, aber das darf nicht hindern, das auszusprechen. Die tragischen Konflikte, die dabei ausbrechen können, gehören zu den Schmerzen, unter denen die Menschheit wächst." 9 8 Die hier im Hintergrund stehenden Folgen personalpolitischer Säuberungen waren Bornkamm als Universitätsrektor des Jahres 1933/34 nur zu vertraut und wurden hier der Hochschulöffentlichkeit gegenüber nicht unerwähnt gelassen. Doch brach Heinrich Bornkamm für die traditionsreiche Korporationsstruktur der Universität eine Lanze. Der Wunsch, es brauche keines97. 98.

Heinrich Bornkamm, Die Sendung der deutschen Universität in der Gegenwart, in: Ernst Krieck, Volk im Werden. 2 (1934), S. 25-35, hier: S. 25. Ebd. S. 33.

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Universitätstheologie und „nationale

Erhebung"

wegs zu radikaler Aufhebung jedweder H o c h s c h u l a u t o n o m i e zu k o m men, kam argumentativ so zum Ausdruck: gerade ein starker Staat, wie er sich im Dritten Reich a n b a h n e , k ö n n e der Universität die korporative Selbstverantwortung um so eher übertragen, als er durch die „ M a c h t seines G e d a n k e n g u t e s " eine viel stärkere Einheit bilde, als es auch die „strengsten behördlichen Organisationsfesseln einer

schwindsüchtigen

D e m o k r a t i e " je tun k ö n n t e n . " Im Blick auf den „zentralen

Angriff

des nationalsozialistischen Staatsgedankens auf den bisherigen Wissenschaftsbegriff" der neueren deutschen Universitätsgeschichte gelte e s , 1 0 0 „zu einer ernst zu nehmenden Begründung der Freiheit der Wissenschaft und zu einem innerlich begründeten Verhältnis zwischen Wissenschaft und Staat, Wissenschaft und V o l k " zu gelangen, das nicht vom „ Z u s t a n d mißtrauischer G r e n z ü b e r w a c h u n g " 1 0 1 bestimmt sei. B o r n k a m m n a h m Bezug a u f Gedanken M a r t i n Heideggers, der bei Antritt des R e k t o r a t s in seiner Freiburger Universitätsrede „Die Selbstbehauptung der deutschen Universität" Ende M a i 1 9 3 3 auf das ursprüngliche Wissenschaftsverständnis der griechischen Philosophie rekurriert hatte, w o n a c h Wissenschaft nicht lediglich ein „ K u l t u r g u t " , sondern die „innerst bestimmende M i t t e des ganzen völkisch-staatlichen

Daseins",

„auch nicht das bloße Mittel der B e w u ß t m a c h u n g des U n b e w u ß t e n , sondern das ganze Dasein scharfhaltende und es umgreifende M a c h t " sei, und als klassisches M o t i v das Aeschyluszitat „Wissen ist aber weit « « k r ä f t i g e r als N o t w e n d i g k e i t " herangezogen h a t t e . 1 0 2 Eine vertiefte Erkenntnis von der Bestimmtheit des M e n s c h e n „durch Erbmasse, Volkstum, Umwelt und geschichtlicher S t u n d e " als aktuell-bestätigende Erfahrung auch des Umbruchsjahres 1 9 3 3 sollte in Kritik an einem bloß rationalistischen Wissenschaftsverständnis nach B o r n k a m m zu einer stärkeren Berücksichtigung der Konstitutionsbedingungen menschlichen Lebens ( „ G a n g der N o t w e n d i g k e i t " und „Unabänderlichkeit der menschlichen O r d n u n g e n " ) führen. In zeittypischer Weise wurde die Volks- und Volkstumsbezogenheit der Wissenschaft postuliert; sie sei „wichtiger als alle Organisationsvorschläge, mit denen wir beschenkt worden sind: Die sogenannte politische Universität, politische Fakultäten, politische Semester, deutsche Hochschule usw. M i t alledem kuriert m a n nur die Symptome. Vielmehr m u ß in allen Wissenschaften die Wurzel nach der Polis, 99. 100. 101. 102.

Ebd. S. 29. Ebd. Ebd. S. 3 1 . Martin Heidegger, Die Selbstbehauptung der deutschen Universität, S. 9 f.

Das Jahr

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nach der Volksgemeinschaft hin ausgegraben werden." Gewarnt wird vor ängstlichem Bemühtsein, „neue Aufgaben zu erfinden, um sich zu rechtfertigen". 1 0 3 Auch politische Erziehung dürfe sich nie in besonderen Einrichtungen, Fächern und Instituten erschöpfen, sondern müsse „unter strenger Führung und aus einem gemeinsamen, verbindlichen Geist von allen Gebieten aus den Weg zu einer im weitesten Sinne politischen, völkischen Wirklichkeit suchen". Aus der Zeitschrift „Der deutsche Student" wird zustimmend zitiert: „Wir sind auf Werke von Professoren, die ihr Fachgebiet aus dem Geist unserer Zeit behandeln, gespannter als auf R e f o r m p l ä n e " . 1 0 4 Gleichermaßen signifikant war auch eine Bestimmung des Standorts und der Aufgaben der Universitätstheologie im politisch-weltanschaulichen Umbruch des Dritten Reiches, wie sie rückblickend der Jenenser Neutestamentier Erich Fascher vornahm. Ursprünglich deutschchristlich engagiert, führte ein Konflikt mit der Führung der Thüringer Kirchenbewegung D C Juli 1 9 3 6 zu seinem Ausschluß, dem er durch Austritt zuvorkam. Daraufhin zeitweilig auch von seiner Jenenser Professur beurlaubt, ging er 1 9 3 7 als Neutestamentier nach Halle. 1 0 5 In einer Dekanatsansprache zum Jahresfest der Universität Jena, die unter dem Titel „Die Theologie im Geisteskampf des Gegenwart" im Herbst 1 9 3 5 veröffentlicht wurde, unterstrich Fascher trotz aktueller Akzentsetzung die Kontinuität theologischer Tradition auch für die Situation des Dritten Reiches: 1 0 6 Theologie sei zu jeder Zeit Geisteskampf gewesen. Nur einmal sei diese stolze Tradition der Theologie unter den Universitätswissenschaften nach der Revolution von 1 9 1 8 akut bedroht gewesen, als man die Theologie aus der Universität habe entfernen, sie als christliche Theologie aufheben oder in reine Religionswissenschaft habe verwandeln wollen. Im Vergleich etwa mit dem Mittelalter, wo die theologische Wissenschaft alle anderen überragte und das Weltbild bestimmte, schien sie in dieser dunklen Epoche deutschen Zusammenbruchs von 1 9 1 8 auf dem Tiefpunkt ihrer Bedeutung angelangt: 1 0 7 „Heute ist dies gottlob anders geworden." M i t Hinweis auf die Lutherrenaissance nach dem Ersten Weltkrieg hieß es: „ 1 5 Jahre ernster Forschung haben 1 0 3 . Heinrich Bornkamm, Die Sendung der deutschen Universität in der Gegenwart, S. 3 4 . 1 0 4 . Zitiert ebd. 1 0 5 . UA Jena, Bestand D, Personal-Akte Erich Fascher. 1 0 6 . Erich Fascher, Theologie im Geisteskampf, S. 13 f. 1 0 7 . Ebd. S. 14.

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und „nationale

Erhebung"

uns die Bedeutung Martin Luthers wieder ins helle Licht gerückt, und es bedurfte nur eines gründlichen Wandels des Zeitgeistes, damit die Bedeutung dieses Mannes wieder klar erkannt wurde." Man solle nicht vergessen, was Wissenschaft und freie Forschung Luther verdanke. Solle dieser Dank etwa dadurch abgestattet werden, daß man die protestantische Theologie aus der Universität entferne? Dieser rhetorischen Frage stellt Fascher die These gegenüber: „Nach deutschen Begriffen gibt es aber keine universitas litterarum ohne Theologie." Denn: „Was wollte der Historiker für alte und neue Geschichte, der Kirchenrechtler, der Philosoph, der Sozialethiker, der Gräecist anfangen, wenn er nicht hier und da einen sachkundigen Theologen hätte, der ihn bei Fragen, die in sein Gebiet hineinragen, ihn beriete? Wie wollte man in deutscher Dichtung und Malerei, ohne christliches Vorstellungsgut, mit welchem beide seit tausend Jahren verwurzelt sind, zu berücksichtigen, eine wissenschaftliche Deutung wagen?". Die Verweisung protestantischer Theologie auf Kirchenseminare komme ebensowenig in Frage; denn Theologie gehöre seit Luther als Wissenschaft unter die Wissenschaften und in die Welt. Die jungen Theologiestudenten gehörten gleichfalls auf die Universität, wo sie mit Kameraden anderer Fakultäten in lebendiger Verbindung stünden, damit sie einen weiten Horizont bekommen und andere verstehen. Mit dieser Methode des Einbezogenseins der Theologie in den Kreis der Universitätswissenschaften habe sich Deutschlands Theologie in der ganzen Welt Ruf und Ansehen erworben. Beides gelte es zu erhalten und noch zu steigern: „Wir danken dem Staat, daß er uns diese Forschung ermöglicht und fragen, was haben wir nun dafür zu tun?". Für die theologischen Fakultäten sah Fascher perspektivisch folgende Aufgaben: 1. Es gelte, an der Grundlage der christlichen Lehre, die ein für allemal gegeben sei, und an der großen wissenschaftlichen Tradition, in der man stehe, festzuhalten: 108 „Alles Große muß durch die Zeiten des Umschwungs, sollen wir nicht in ein geistiges Chaos versinken, hindurchgerettet werden." Im Wissen darum, „daß uns mit der Weltanschauung des Nationalsozialismus und seiner Schöpfung des Dritten Reiches nach aller Zerissenheit feste Grundlagen gegeben sind", gelte es, in eine theo108. Folgende Zitate ebd. S. 15. Ähnlich erklärte der Leipziger Alttestamentler Albrecht Alt rückblickend, er habe seine Aufgabe als Hochschullehrer und Forscher während der Zeit des „Dritten Reiches" darin gesehen, die „wissenschaftlichen Belange" zu wahren und in die Zukunft hinüberzuleiten (UA Leipzig, Personalakte Albrecht Alt).

Das Jahr 1933 im theologischen

Diskurs

61

logische Aussprache einzutreten. M a n müsse sich bewußt machen, d a ß die geistigen Auseinandersetzungen der Theologie nicht mehr wie zu Luthers Zeiten mit der klassischen Antike stattzufinden h a b e , sondern an deren Stelle mit dem Sieg des Nationalsozialismus die germanische Vorgeschichte getreten sei. H a b e Luther mit seiner reformatorischen T a t die Germanisierung des Christentums begonnen in Gegenwirkung auf die Christianisierung der G e r m a n e n e n im römisch-christlichen Geiste, so müsse hier Luthers Erbe gewahrt und in neuer Fragestellung fortgesetzt werden: „ W i r sind willens, alle Fragen der Artgemäßheit und Artfremdheit des Christentums, das Verhältnis von Christentum und Volkstum, Rasse und Religion neu zu d u r c h d e n k e n . " Als praktische Aufgabe galt die Überwindung des Individualismus im Fakultätswesen: anstelle zusammenhangsloser Fachdisziplinen sei quasi interdisziplinär ein organisch-theologisches Ganzes anzustreben. Aus der theologischen Jugend müsse eine Lernkameradschaft werden, die sich in gemeinsamem Ringen gegenseitig erzieht und unter M i t w i r k u n g ihrer Hochschullehrer auf den künftigen Beruf so vorbereitet, d a ß sie hernach als Pfarrergemeinschaft einen zusammenführenden und damit gemeindebildenden Einfluß auf die Laien nehmen k ö n n e . Der zeitgenössischnationalsozialistische Appell „Alles für D e u t s c h l a n d ! " bedeute: Bewahrung der Weltgeltung deutscher T h e o l o g e n und Bildungs- und Erziehungsarbeit an der studierenden theologischen Jugend, die zu Volksseelsorgern zu erziehen seien. Für diese Aufgabe der Theologischen Fakultäten, an der Bildung und Auslese der G e r a d e n , Mutigen und Opferbereiten für dieses schwere und herrliche A m t des Pfarrers und T h e o l o g e n zu wirken, erwarte die protestantische Universitätstheologie Vertrauen und Zeit auch gerade zu wissenschaftlicher Vertiefung und religiöser Besinnung.

4. „Politische Säuberungen". Auswirkungen des Berufsbeamtengesetzes

Mit der Herrschaftsübernahme des Nationalsozialismus in Deutschland im Jahre 1933 kam es zu einschneidenden Veränderungen an den Universitäten. Als staatliche Institutionen wurden auch die theologischen Fakultäten vom „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 betroffen. 1 Wenig später wurde das Gesetz durch die 3. Durchführungsverordnung vom 6. Mai 1933 auch auf nicbtbeamtete Personen, zum Beispiel an den Universitäten vom Honorarprofessor bis zum Privatdozenten, ausgedehnt. Das Berufsbeamtengesetz bot dem NS-Staat die Handhabe, auch die Universitäten politisch zu säubern und politisch Mißliebige und „Nichtarier" aus dem Staatsdienst zu entfernen. Wer nach Auffassung des Regimes nicht die Gewähr dafür bot, jederzeit rückhaltlos für den „nationalen Staat" des Dritten Reiches einzutreten, konnte in den Ruhestand versetzt oder aus dem Staatsdienst entlassen werden. Das Berufsbeamtengesetz verfügte in §1, daß zur „Wiederherstellung eines nationalen Berufsbeamtentums und zur Vereinfachung der Verwaltung" Beamte aus dem Amt entlassen werden konnten, auch wenn nach geltendem Recht die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Auf sogenannte Parteibuchbeamte des „Weimarer Systems" zielte insbesondere §2: Danach waren Beamte ohne weitergehende Versorgungsansprüche zu entlassen, die seit dem 9. November 1918 ins Beamtenverhältnis eingetreten waren, „ohne die für ihre Laufbahn vorgeschriebene oder übliche Vorbildung oder sonstige Eignung zu besitzen". Ihnen stand auch die Weiterführung der Amtsbezeichnung, des Titels, der Dienstkleidung und der Dienstabzeichen nicht zu. Als Beamte im Sinne des Gesetzes galten auch Ruhestandsbeamte, so daß auch ihnen nachträglich noch Pensionsansprüche streitig gemacht werden konnten. Für Universitätsprofessoren wirkte sich insbesondere § 4 des Berufsbeamtengesetzes gravierend aus: „Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten, können aus dem Dienst entlassen werden." Drei Mona1.

Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Vom 7. April 1933. RGBl I S. 175; Ingo v. Münch, Dokumente eines Unrechtssystems, S. 26-29.

Auswirkungen des

Berufsbeamtengesetzes

63

ten nach der Entlassung wurden ihre Bezüge auf drei Viertel des Ruhegeldes ( § 8 ) und entsprechende Hinterbliebenversorgung gekürzt. § 5 verfügte Zurückstufungen und Versetzungen in ein anderes A m t von geringerem R a n g und planmäßigem Diensteinkommen, wenn es das dienstliche Bedürfnis verlange. Besonders gravierend wirkte sich der im Berufsbeamtengesetz enthaltene Arierparagraph ( § 3 ) für Hochschullehrer jüdischer Herkunft aus: „ B e a m t e , die nicht arischer A b s t a m m u n g sind, sind in den Ruhestand zu versetzen; soweit es sich um Ehrenbeamte handelt, sind sie aus dem Amtsverhältnis zu entlassen." Einen gewissen Schutz genossen vorläufig noch „nichtarische" Vorkriegsbeamte und solche, die im „Weltkrieg an der Front für das Deutsche Reich oder für seine Verbündeten gekämpft haben oder deren Väter oder Söhne im Weltkrieg gefallen" waren (sog. Frontkämpferklausel). Für die theologischen Fakultäten ergaben sich allerdings personelle Eingriffe durch das Berufsbeamtengesetz weniger aus dem Arierparagraphen. Im Unterschied zu anderen Fakultäten, w o der Anteil von Wissenschaftlern jüdischer H e r k u n f t erheblich war, gab es direkt vom Arierparagraphen

Betroffene unter den Ordinarien der theologischen

Fakultäten nicht. Doch wurden unter den Nichtordinarien und wissenschaftlichen Mitarbeitern einzelne betroffen, so Lazar G u l k o w i t s c h , ostjüdischer Herkunft aus M i n s k , seit 1 9 1 8 in Litauen, 1 9 2 4 in Deutschland eingebürgert, zuletzt seit 1 9 3 2

außerordentlicher

Professor

für

späthebräische, aramäische und Talmudwissenschaften an der Universität Leipzig. Er lehrte seit 1 9 2 4 als Lektor, später als Privatdozent zugleich am Alttestamentlichen Institut an der Theologischen Fakultät. An der Philosophischen Fakultät 1 9 2 7 habilitiert und 1 9 3 2 ernannt, wurde ihm auf Grund des Arierparagraphen ( § 3 Berufsbeamtengesetz) am 7 . O k t o b e r 1 9 3 3 die Lehrbefugnis durch das sächsische Volksbildungsministerium entzogen. 2 Sein Lehrauftrag an der Theologischen

Fakultät,

zunächst zum Alttestamentlichen Seminar gehörig, wurde vom Neutestamentlichen Seminar ü b e r n o m m e n . Eine für Leipzig und Halle anteilige Anstellung eines jüdischen Lektors für Talmudistik erwies sich als undurchführbar. Es handelte sich um Dr. Woskin, dessen anteilige Beschäftigung für Halle und Leipzig der Fakultätentagsvorsitzende H a n s Schmidt in Halle vorschlug. D a s Dresdener 2.

Volksbildungsministerium

Theologische Blätter 1 2 ( 1 9 3 3 ) , Sp. 3 4 3 . Hier auch die Meldung, daß der H o n o r a r p r o f e s s o r für Religionswissenschaft Dr. phil. M a r t i n Buber nicht mehr an der Universität F r a n k f u r t / M . lehren durfte.

64

Politische

Säuberungen"

hatte bei Eintreffen des Angebots aus Halle inzwischen den neutestamentlichen Honorarprofessor Prof. Paul Fiebig zum kommissarischen Leiter der rabbinischen Abteilung an der Theologischen Fakultät bestellt. Falls der Fakultätentag erreiche, daß für talmudische Wissenschaft jüdische Lektoren angestellt werden dürften, würde Leipzig zuerst wieder an Prof. Dr. Gulkowitsch denken, der „seit 1924 mit sichtbarem Erfolg hier in Leipzig tätig war und einen kleinen Kreis von Schülern für die Rabbinika geradezu begeistert" habe, ließ Prof. Johannes Leipoldt als Direktor des Neutestamentlichen Seminars wissen. Freilich werde er - „jetzt ordentlicher Professor in Dorpat" - „nicht leicht zu haben sein". Außerdem war unklar, ob Woskin „schriftstellerisch ausgewiesen" sei. Bedenken, daß die Anstellung einer Hilfskraft für zwei Universitäten auch ähnliche Kombinationen bei anderer Stellen anregen könne, hatte seitens der Fakultät namentlich der Religionsgeschichtler Dekan Prof. Hans Haas geäußert. 3 Gulkowitsch war Anfang 1934 nach Dorpat emigriert, wo er eine Professur für jüdische Studien erhielt. Nach Errichtung der Sowjetherrschaft in Estland auf Grund des Hitler-Stalin-Paktes wurde das Seminar für jüdische Studien in Dorpat geschlossen, Gulkowitsch entlassen. Nach dem Einfall der deutschen Wehrmacht in die Sowjetunion fiel er vermutlich schon im Sommer 1941 - mit seiner Familie einem Massaker der Einsatzkommandos der SS an der jüdischen Bevölkerung zum Opfer. 4 Obwohl im Blick auf die Besetzungsverhältnisse an den theologischen Fakultäten das Nichtarier-Problem im Jahre 1933 keine weitere Rolle spielte, haben Universitätstheologen durch Stellungnahmen und Gutachtertätigkeit zu der brisanten Frage der Übernahme des staatlichen Arierparagraphen in die Kirchengesetzgebung seit dem Herbst 1933 Stellung genommen: zustimmend, kritisch abwägend, aber auch ablehnend. 5 Während stärker deutschchristlich orientierte Theologen die Übernahme des staatlichen Arierparagraphen des Berufsbeamtengesetzes auf die Kirchengesetzgebung im Jahre 1933/34 bejahten, haben einzelne Fakultätsgutachten vom kirchlichen Bekenntnis- und Autonomieprinzip aus sich durchaus kritisch gegen die Anwendung des staatlichen Arierparagraphen auf den innerkirchlichen Bereich ausgesprochen. Hier wirkte 3. 4. 5.

UA Halle, Rep. 27, Nr. 85 (Briefwechsel Hans Schmidt mit Albrecht Alt und Johannes Leipoldt, Februar/März 1934). Vgl. Siegfried Hoyer, Lazar Gulkowitsch. Vgl. Kap. 6: Der Arierparagraph im theologischen Widerstreit.

Auswirkungen des

Berufsbeamtengesetzes

65

sich die seit 1 9 1 8 verstärkt zur Geltung k o m m e n d e Verselbständigung des protestantischen Landeskirchentums aus. Eine ungeprüfte

Übernahme

weltlichen R e c h t s auf die Kirche galt zunehmend als problematisch, da kirchliche Entscheidungen verstärkte Bekenntnisrelevanz gewannen. Gegen den Arierparagraphen des Berufsbeamtengesetzes im staatlichen Bereich hingegen, also in seiner Anwendung a u f die Universitäten, gab es faktisch kaum Protest, weil er für die theologischen Fakultäten personalpolitisch nahezu gegenstandslos war. W o Erfolgsaussicht zu bestehen schien, wurden mit Hinweis auf zwingende fachliche Argumente einvernehmliche Lösungen mit dem Ministerium gesucht, so etwa bei Weiterbeschäftigung eines nichtvollarischen Sprachlektors und wissenschaftlichen Mitarbeiters, der auf dem Gebiet von Judaistik und Semitologie der theologischen Fakultät erhalten werden sollte; das w a r allerdings nur solange möglich, wie es die repressiven Nichtarierbestimmungen noch zuließen. Der doppelte Verantwortungsbezug, der sich aus der Einbindung der theologischen Fakultäten als universitäre Einrichtungen in das staatliche Hochschulwesen und zugleich aus der wissenschaftlichen Bildungsaufgabe für den Pfarrernachwuchs der Landeskirchen ergab, hat das Problem ohnehin kompliziert. Im Unterschied zum Arierparagraphen hatten jedoch die sonstigen politischen Bestimmungen des Berufsbeamtengesetzes spürbare Auswirkungen auch a u f die theologischen Fakultäten, wenngleich die Z a h l der Theologieprofessoren, die auf Grund des Berufsbeamtengesetzes aus dem Hochschuldienst entlassen worden sind, sich im Verhältnis zu anderen Fakultäten und Wissenschaftszweigen zahlenmäßig in Grenzen hielt. Besonders gefährdet waren Hochschullehrer, die der Sozialdemokratischen Partei angehörten. So wurde in einem R u n d e r l a ß des preußischen M i nisteriums des Innern vom 2 4 . Juli 1 9 3 3 die weitere Zugehörigkeit zur S P D , ihren Hilfs- und Ersatzorganisationen bei Strafe der Dienstentlassung angedroht. Begründet wurde dies mit „dem offen zutage liegenden landesverräterischen C h a r a k t e r der sozialdemokratischen Bestrebung e n " 6 . D e m schon a m 14. Juli 1 9 3 3 erlassenen „Gesetz gegen die Neubildung von P a r t e i e n " 7 , durch das die N S D A P zur einzigen zugelassenen

6.

Preußisches Besoldungsblatt N r . 2 7 , 1 9 3 3 ( A E F Bonn, Bestand 2 9 ) .

7.

Gesetz gegen die Neubildung von Parteien. Vom 14. Juli 1 9 3 3 . RGBl I, 1 9 3 3 , S. 4 7 9 : „§ 1. In Deutschland besteht als einzige politische Partei die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei. § 2. Wer es unternimmt, den organisatorischen Z u s a m m e n h a l t einer anderen politischen Partei aufrechtzuerhalten oder eine neue politische Partei zu gründen, wird, sofern nicht

66

Politische Säuberungen "

Partei in Deutschland wurde, war bis Anfang Juli 1 9 3 3 Verbot oder Selbstauflösung aller anderen Parteien unter politischem D r u c k voraufgegangen. Auf die bereits unmittelbar nach dem Reichstagsbrand Ende Februar 1 9 3 3 durch Terror und Verhaftungswellen faktisch vollzogene Ausschaltung der Kommunistischen Partei war a m 2 2 . J u n i 1 9 3 3 das Verbot der Sozialdemokratischen Partei gefolgt, deren Abgeordnete nach Ausschluß der Mitglieder der K P D - F r a k t i o n als einzige Partei a m 2 4 . M ä r z im Reichstag gegen das „Ermächtigungsgesetz" gestimmt hatten. D o c h waren nicht nur der SPD angehörende Hochschullehrer an den evangelisch-theologischen Fakultäten durch das Berufsbeamtengesetz gefährdet. Anlaß zu personalpolitischen Konsequenzen konnte auch Betätigung in anderen republikanischen

Parteien des „Weimarer

Sy-

s t e m s " sein, etwa in der Deutschen Demokratischen Partei, zuletzt unter dem N a m e n Deutsche Staatspartei, oder auch im Christlich-Sozialen Volksdienst, dem beispielsweis der 1 9 3 5 entlassene

Kirchenhistoriker

Prof. Kurt Dietrich Schmidt angehört hatte. Auch der bereits 1 9 2 4 emeritierte M a r b u r g e r Systematiker M a r t i n R a d e , der bei der Deutschen D e m o k r a t i s c h e n Partei engagiert gewesen war, wurde N o v e m b e r 1 9 3 3 dienstentlassen. Zentrumspartei oder Bayerische Volkspartei als ausgesprochen katholische Parteien k a m e n für evangelische T h e o l o g e n nicht in Betracht. Ehedem deutschnationale Beamte waren weniger gefährdet, gehörten doch zunächst deutschnationale Minister dem Kabinett Hitler an, das sich als Regierung der „nationalen K o n z e n t r a t i o n " deklarierte. Deutschnationale Beamte, deren Partei sich ohnehin Ende J u n i

1933

selbst auflöste, haben ihre Position im öffentlichen Dienst zumeist durch Eintritt in die N S D A P oder Betätigung in anderen N S - O r g a n i s a t i o n e n konsolidieren können. W o kirchlich-theologische Vorbehalte nicht hinderten, sahen m a n c h e Universitätstheologen 1 9 3 3 eine M ö g l i c h k e i t , fehlende NS-Parteizugehörigkeit durch Mitgliedschaft bei der Glaubensbewegung D C zu k o m pensieren. Auch für Partei- und SA-Angehörige unter den

jüngeren

Lehrkräften legte sich anfangs ein M i t t u n bei den Deutschen Christen als parteiamtlich geförderter kirchenpolitischer Organisation vielfach nahe. Die nach dem Sportpalastskandal der Glaubensbewegung Deutsche Christen in Berlin a m 1 3 . N o v e m b e r 1 9 3 3 innerkirchlich auch belastend oder diskreditierend wirkende Zugehörigkeit zu den Deutschen Christen bedie Tat nach anderen Vorschriften mit einer höheren Strafe bedroht ist, mit Z u c h t h a u s bis zu drei J a h r e n oder mit Gefängnis von sechs M o n a t e n bis zu drei J a h r e n bestraft."

Auswirkungen

des

Berufsbeamtengesetzes

67

hielt für Nachwuchskräfte auch später noch eine gewisse Bedeutung im Blick auf die berufliche Karriere, vor allem in Fakultäten, die eine stärkere deutschchristliche Orientierung im Lehrkörper aufwiesen, während bekenntniskirchliches Engagement zumeist Berufungschancen verbaute. Erste Auswirkungen des Berufsbeamtengesetzes vom 7. April 1933 auf die Universitätstheologie waren alsbald in der Öffentlichkeit bekannt geworden. So brachte das von Prof. D. Heinrich Weinel (Jena) und Pfarrer D. Carl Mensing (Dresden) vierzehntägig erscheinende liberale Kirchenblatt „Die freie Volkskirche" 8 Ende April 1933 die Notiz: „Unter den 16 aus nationalpolitischen Gründen beurlaubten preußischen Hochschullehrern befinden sich außer Professor D. Dehn, bei dem es ja nach den Vorgängen in Halle kaum zweifelhaft sein konnte, auch der Frankfurter Religionsphilosoph Professor D. Tillich." 9 Paul Tillich, 1925 bis 1929 Lehrstuhlinhaber für Religionswissenschaft an der Kulturwissenschaftlichen Abteilung der Technischen Hochschule Dresden, 1927 bis 1929 zugleich Honorarprofessor für Systematische Theologie in Leipzig, wirkte seit 1929 als Professor für Philosophie und Soziologie einschließlich Sozialpädagogik an der Universität Frankfurt/M. 1 0 War Tillich auch nicht Mitglied einer theologischen Fakultät, so hat doch seine Beurlaubung Aufsehen erregt. Als literarisch besonders profilierter Exponent der religiös-sozialistischen Richtung im deutschen Protestantismus wie auch als Mitglied der SPD, der er seit 1929 angehörte, war Tillich bereits während der Osterferien am 13. April 1933 von seiner Frankfurter Professur suspendiert worden. 1 1 Zunächst hatte er - obschon von politischen Angriffen keineswegs verschont - gehofft, möglicherweise an einer Theologischen Fakultät unterzukommen, wenn schon sein philosophischer Lehrstuhl an der Frankfurter Universität gefährdet sei, die auch deshalb damals Gegenstand heftiger politischer Angriffe war, weil mehrere linksgerichtete Professoren an ihr dozierten. Tillich hatte am 19. März 1933 an den Kirchenhistoriker Erich Seeberg in Berlin geschrieben, er sehe den Dingen trotz allem mit Ruhe entgegen. Viel-

8. 9. 10.

Die Freie Volkskirche, Nr. 8 v o m 30. April 1 9 3 3 . Theologische Blätter 1 2 ( 1 9 3 3 ) , H . 5, Sp. 1 5 5 . Paul Tillich, Autobiographische Betrachtungen, G. W. Bd. XII, S. 5 8 - 7 7 ; Renate Albrecht/Margot Hahl, Paul Tillich. Ein Lebensbild in D o k u m e n t e n , S. 199; Wilhelm und M a r i o n Pauck, Paul Tillich. Sein Leben und Denken, Bd. 1, S. 1 3 1 - 1 4 5 .

11.

Theologische Blätter 12 ( 1 9 3 3 ) , Sp. 3 4 3 .

68

Politische Säuberungen "

leicht käme es zu einer gemeinsamen Arbeit an der Berliner Fakultät: wenn man ihn in Frankfurt beseitige, aber die Existenz in Deutschland ermögliche, bliebe ihm „kaum etwas anderes übrig, als - eine Habilitation für Religionsphilosophie in Berlin zu versuchen." 1 2 Doch erwies sich Tillichs Beurlaubung im April 1933 als Vorstufe endgültiger Entlassung aus dem Hochschuldienst, die allerdings erst gegen Jahresende 1933 erfolgte. Tillichs kritische Stellungnahme gegenüber dem Nationalsozialismus in verschiedenen Veröffentlichungen, besonders in bestimmten Passagen seines Buches „Die sozialistische Entscheidung" wirkten sich angesichts der Machtübernahme Hitlers als akute Gefährdung aus. 13 Während der zweiten Märzhälfte 1933 wurde er in zwei Artikeln der „Frankfurter Zeitung" angegriffen, in der die Johann-Wolfgang-GoetheUniversität Frankfurt als „kulturbolschewistische" Hochburg gebrandmarkt und ihre radikale Säuberung von „unzuverlässigen Elementen" gefordert wurde; auch Tillich wurde diffamiert, weil er sich im Jahre 1932 als Senatsmitglied bei Studentenkrawallen scharf gegen die Nazis gewandt hatte, als universitätsfremde SA-Gruppen im Wintersemester 1932/33 die Universität attackierten. Verteidigung linksorientierter Studenten wie projüdische und prosozialistische Äußerungen in seinen Schriften wurden ihm zur Last gelegt, insbesondere seine Weihnachten 1 9 3 2 erschienene Schrift „Die sozialistische Entscheidung". Zur sofortigen Emigration, zu der ihm sein ebenfalls bald emigrierter jüdischer Kollege Prof. M a x Horkheimer, Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts, bereits im Februar 1933 dringend geraten hatte, konnte sich Tillich nicht entschließen, wenn auch Vorsichtsmaßnahmen im Blick auf die Familie getroffen wurden. Schon im Sommer 1933 hat Tillich in brieflichem Kontakt mit Prof. Horace Friess und Prof. Reinhold Niebuhr wegen einer Einladung an die Columbia University gestanden; der Ruf des Union Theological Seminary in New York zu Gastvorlesungen kam im Oktober 1933. Tillich verließ Deutschland Ende Oktober 1933, um einer Einladung zu Vorlesungen über Religionsphilosophie an der Columbia University und am Union Theological Seminary in New York Folge zu leisten. Dort erreichte ihn kurz nach Weihnachten die offizielle Mitteilung seiner Entlassung aus dem 12.

Renate Albrecht/Werner Schüßler, Paul Tillich. Sein Leben, Frankfurt a. M . 1 9 9 4 , S. 8 4 .

13.

Paul Tillich, Die sozialistische Entscheidung; wurde 1 9 3 3 eingestampft, erschien neu 1 9 4 8 .

Auswirkungen des

Berufsbeamtengesetzes

preußischen Staatsdienst vom 2 0 . Dezember 1 9 3 3 . Im Februar

69 1934

hat er dann seine Vorlesungstätigkeit a m Union Theological Seminary aufgenommen14. Über die Frage, o b Gefährdungen im Amt durch einen Austritt aus der S P D begegnet werden könnte, ist der Briefwechsel zwischen Paul Tillich und Karl Barth, damals Professor für systematische Theologie in B o n n , aufschlußreich. 1 5

N a c h der bedrohlichen Situation, die das

Ermächtigungsgesetz geschaffen hatte, erwog Tillich Ende M ä r z 1 9 3 3 , aus der S P D auszutreten, weil es nach Auffassung zentraler wie auch lokaler sozialdemokratischer Parteigremien damals für Beamte richtiger schien, auf die Parteimitgliedschaft zu verzichten, als das A m t zu gefährden: der tätsächliche Einfluß der Beamten in ihren Stellungen wurde unter diesen Umständen für wesentlich wichtiger gehalten als das Bekenntnis zur Sozialdemokratischen Partei durch Aufrechterhaltung formeller M i t gliedschaft. Die Überlegungen gingen davon aus, d a ß Tillichs sozialistisches Anliegen auch unabhängig von einer jetzt positionsgefährdenden Parteimitgliedschaft innerhalb der Sozialdemokratie vertretbar sei. O b ein rechtzeitiger Parteiaustritt aus der SPD Tillichs Professur hätte retten k ö n n e n , bleibt indes mehr als fraglich. Barth legte Anfang April 1 9 3 3 im Briefwechsel mit Tillich indes auf eine rein politisch verstandene Parteimitgliedschaft Wert und betonte, er wolle daran festhalten, solange die S P D nicht aufgelöst sei. Für Barth, der schon seit 1 9 1 5 der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz angehört hatte, als Professor in Deutschland allerdings erst 1 9 3 2 SPD-Mitglied wurde, war dies „schlechterdings eine praktische politische Entscheid u n g " und keinesfalls „das Bekenntnis zur Idee und Weltanschauung des Sozialismus", wie er Tillichs Haltung interpretierte. Vereinzelt hat es im F r ü h j a h r 1 9 3 3 Stimmen gegeben, die meinten, Tillichs Begriff des „ K a i r o s " als einer entscheidungsträchtigen Wendezeit hin zum Sozialismus lasse sich auf die „nationale E r h e b u n g " des J a h r e s 1 9 3 3 anwenden. Pfarrer Wilhelm Schubring, Schriftleiter des liberalen „ P r o t e s t a n t e n b l a t t e s " , brachte im Interesse Tillichs dieses Argument in die öffentliche Debatte: der Nationalsozialismus werde bei der Riesenaufgabe, die er sich gestellt habe, a u f Köpfe wie Tillich gar nicht verzichten können, um so weniger, als Tillichs Lehre vom „ K a i r o s " ganz

14.

Theologische Blätter 1 2 ( 1 9 3 3 ) , Sp. 3 4 3 ; 13 ( 1 9 3 4 ) , Sp. 5 9 .

15.

Tillich an Barth, 2 9 . M ä r z 1 9 3 3 ; Barth an Tillich, 2 . April 1 9 3 3 (Tillich, G. W . , Erg. u. Nachl.bde. V, S. 1 9 1 - 1 9 5 ) .

70

Politische Säuberungen "

unmittelbar in das heutige Geschehen hineinführe. 1 6 Hier war an eine Übertragung des Kairosbegriffs, der als geschichtstheologische Chiffre für den sozialistischen Kairos galt, auf den „nationalen A u f b r u c h " gedacht, den ausgesprochen nationalkonservativen Trend jener J a h r e also, in dem sich die nationalsozialistische Bewegung als politisch zunehmend dominierender F a k t o r erwies. Tillich hatte sich zwar im stärker politisch und kirchenpolitisch agierenden „Bund der religiösen Sozialisten D e u t s c h l a n d s " nicht engagiert. Sein Berliner Kreis favorisierte stärker die geistige und

theologisch-

kulturtheoretische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. 1 7 D o c h erschwerten Tillichs kritische Äußerungen gegen den N a t i o n a l s o zialismus vor 1 9 3 3 jetzt seine Lage. Der vor 1 9 3 3 von ihm vertretene G e d a n k e n , der sozialistischen Position ermangele es an kritischer Synthese mit den „ U r s p r u n g s m ä c h t e n " , hätte zwar Vermittlungsansätze erkennen lassen. D e m standen indes andere Aussagen gegenüber, die politisch schwerer wogen. Schon die „ Z e h n T h e s e n " , die er auf G r u n d einer Rundfrage des Leopold-Klotz-Verlags beisteuerte und die im ersten der beiden kleinen Sammelbände „Die Kirche und das dritte R e i c h " im J a h r e 1 9 3 2 erschienen, waren eindeutig genug: „Ein Protestantismus, der sich dem Nationalsozialismus öffnet und den Sozialismus verwirft, ist im Begriff, wieder einmal seinen Auftrag an der Welt zu v e r r a t e n . " Der Protestantismus habe vielmehr „seinen prophetisch-christlichen C h a r a k ter darin zu bewähren, d a ß er dem Heidentum des Hakenkreuzes das Christentum des Kreuzes entgegenstellt." Er habe „zu bezeugen, d a ß im Kreuz die N a t i o n , die Rasse, das Blut, die Herrschaft in ihrer Heiligkeit gebrochen und unter das Gericht gestellt s i n d . " l s Tillichs religiös-sozialistische Position war so profiliert, d a ß ein Arrangement mit dem Dritten Reich einen Grad von Anpassung vorausgesetzt hätte, für die subjektive wie objektive Voraussetzungen fehlten. Ein ihm vom preußischen Kultusminister Rust möglicherweise nahegelegter Widerruf seines Buches „ D i e sozialistische E n t s c h e i d u n g " , das nach der M a c h t ü b e r n a h m e Hitlers Ende J a n u a r 1 9 3 3 bald eingestampft werden mußte, k a m für Tillich auch als taktische „ r e t r a c t a t i o " nicht in Betracht, weil sie eine grundlegende Verleugnung seines religiös-sozialistischen An16.

Theologische Blätter 1 2 ( 1 9 3 3 ) , Sp. 1 5 5 , mit Verweis auf Protestantenblatt

17.

Detlef Döring, Christentum und Faschismus, S. 3 5 - 6 0 .

12 ( 1 9 3 3 ) , Nr. 17. 18.

Paul Tillich, Zehn Thesen. Vgl. B. R e y m o n d , Das Reich Gottes; J. A. Reimer, The Kingdom of G o d .

Auswirkungen des

71

Berufsbeamtengesetzes

satzes bedeutet hätte. Die etwas undeutliche Überlieferung dieses Vorgangs zeigt indes zweierlei: Die neue Regierung hat Tillich unter bestimmten Bedingungen halten wollen, aber Tillich hat sich auf diese Bedingungen nicht eingelassen. 1 9 W ä h r e n d Tillichs Abneigung gegen die Nationalsozialisten „sich normalerweise in sorgfältig formulierten theoretischen

Äußerungen

ver-

b a r g " 2 0 , so d a ß sein jüdischer Frankfurter Kollege T h e o d o r W . A d o r n o (ehemals T h e o d o r Wiesengrund), der eine Zeitlang Tillichs Seminarassistent war, ihn vor 1 9 3 3 mehrfach bestürmt haben soll, Sprache und Ideologie der Nazis noch deutlicher zu verwerfen, b o t Tillich mit seiner dem Nationalsozialismus suspekten Schrift „Die sozialistische Entscheidung" nazistischen Angriffen eine offene Flanke. Hier hieß es: 2 1 „Siegt aber die politische R o m a n t i k und mit ihr der kriegerische Nationalismus, so ist der Selbstvernichtungskampf der europäischen Gesellschaft unvermeidlich. Die Rettung der europäischen Gesellschaft vor der R ü c k k e h r in die Barbarei ist in die H a n d des Sozialismus g e g e b e n . " Für NS-Journalisten waren solche Sätze bei ihren Attacken gegen Tillich ein gefundenes Fressen, auch wenn Tillich seine Schrift „Die sozialistische Entscheidung" als „den umfassenden Versuch" verstand, „die beiden großen politischen Tendenzen, die ,ursprungs-mythische, die in der nationalen Bewegung wirkt, und die p r o p h e t i s c h e ' , die den Hintergrund des Sozialismus bildet, z u s a m m e n z u f a s s e n . " 2 2 Überlegungen, Tillichs religiös-sozialistische Position - etwa als kritisches Korrektiv - im neuen politischen K o n t e x t des Dritten Reiches zu integrieren, erwiesen sich als völlig unpraktikabel. Tillich

selbst

hat 1 9 3 4 von seinem amerikanischen Exil aus dem ihm befreundeten, jungkonservativ-deutschnational orientierten Göttinger T h e o l o g e n Emanuel Hirsch sinnentfremdende positive Verwendung des Kairosbegriffes im Blick auf das Dritte Reich vorgeworfen. Hirsch hatte in geschichtstheologischer Besinnung den Begriff des „ K a i r o s " auf den als Geschichtswende empfundenen „nationalen A u f b r u c h " zu Anfang dreißiger J a h r e bezogen, wie er auch bestimmte kirchlichen Kreise des deutschen Pro-

19.

So bei Renate Albrecht/Werner Schüßler, Paul Tillich, S. 8 4 .

20.

Wilhelm und M a r i o n Pauck, Paul Tillich, Bd. 1, S. 1 3 3 f.

21.

Paul Tillich, G. W „ Bd. 2 , S. 3 6 4 .

22.

Paul Tillich

an

Erich

Seeberg,

19.

März

1933;

zit.

recht/Werncr Schüßler, Paul Tillich. Sein Leben, S. 8 4 .

bei

Renate

Alb-

72

Politische Säuberungen "

testantismus erfaßte und trotz mancher Bedenken und Besorgnisse im Nationalsozialismus geschichtsmächtig zu werden schien. 2 3 Auch nach seiner Ausreise zu Gastvorlesungen in den USA Ende Oktober 1 9 3 3 hatte Tillich offenbar die Hoffnung nicht ganz aufgegeben, einer Entlassung nach § 4 des Berufsbeamtengesetzes zu entgehen. Hatte doch Staatssekretär Dr. Wilhelm Stuckart im preußischem Kultusministerium einen ins Auge gefaßten längeren Auslandsaufenthalt Tillichs gebilligt, ihm dabei allerdings strikte politische Zurückhaltung nahegelegt und im übrigen versichert, Tillichs Fall werde nicht als schwerwiegend betrachtet. Tillich erhob im Blick auf etwaige künftige Pensionsansprüche am 2 0 . Januar 1 9 3 4 von den USA aus gegen seine Entlassung aus dem Staatsdienst Einspruch. Mitte Juni 1 9 3 4 lehnte das Reichswissenschaftsministerium Tillichs Einspruch ab. 2 4 Auch im Blick auf Prof. Karl Barth in Bonn wurden singular Stimmen laut, die seine Gefährdung durch das Berufsbeamtengesetz unter Hinweis auf seine internationale Bedeutung erfolglos abzuwenden versuchten. Nach einem Bericht der „Kreuz-Zeitung" hieß es Ende April 1 9 3 3 : 2 5 „Wie wir hören, besteht in bestimmten nationalsozialistischen Kreisen der Wunsch, den Bonner Theologieprofessor Karl Barth nach Berlin zu berufen". Es handelte sich dabei um den durch die Emeritierung von Prof. Arthur Titius freigewordenen Lehrstuhl. „Wir würden diese Berufung außerordentlich begrüßen, weil wir glauben, daß Barth als Führer der dialektischen Theologie gerade auf dem Boden der Altpreußischen Union sehr fruchtbar wirken konnte. Wir wissen dabei durchaus, daß Barth vor dem Krieg der Sozialdemokratie beigetreten ist, ein Entschluß, der in Zusammenhang mit dem Versagen der Kirche in der Arbeiterfrage zu bringen ist. Wir glauben auch zu wissen, daß Barth innerlich in der Lage wäre, die neue Obrigkeit positiv zu bejahen: er ist aber in erster Linie und nahezu ausschließlich Theologe, ein Theologe von Weltruf, der Zeit seines Lebens Fühlung mit dem Volke, mit Bauern und Arbeitern hatte und suchte. Wird also Kultusminister Rust dem Wunsche bestimmter nationalsozialistischer Kreise nachkommen?" 23.

Vgl. Paul Tillich, Die Theologie des Kairos und die gegenwärtige geistige Lage. Offener Brief an Emanuel Hirsch (1. 10. 1 9 3 4 ) ; Entgegnung: E. Hirsch, Christliche Freiheit und politische Bindung. Ein Brief an Dr. Stapel und anderes (16. 11. 1 9 3 4 ) ; P. Tillich: Um was es geht. Antwort an Emanuel Hirsch. In: P. Tillich, Briefwechsel und Streitschriften, S . 1 4 2 - 1 7 6 ; 1 7 7 - 2 1 3 ; 2 1 4 - 2 1 8 ; vgl. auch James A. Reimer, The Kingdom of God.

24.

Wilhelm und Marion Pauck, Paul Tillich, Bd. 1, S. 1 4 3 - 1 5 8 .

25.

Kreuzzeitung, Nr. 16 (27. April 1 9 3 3 ) ; nach: ThBl 12 ( 1 9 3 3 ) , Sp. 1 5 5 .

Auswirkungen des

Berufsbeamtengesetzes

73

In diesem K o n t e x t ist zu sehen, d a ß auch Tillich im

Reichswis-

senschaftsministerium gesprächsweise der Widerruf der „Sozialistischen Entscheidung" nahegelegt worden sei. 2 6 Unqualifizierte

Bemerkungen,

es bestünden doch Berührungspunkte zwischen Religiösem Sozialismus und Nationalsozialismus, so d a ß eine klare politische Umorientierung Möglichkeiten eröffnen k ö n n e , im Hochschuldienst zu bleiben, hat es vereinzelt gegeben. So berichtet D . Emil Fuchs, als Pfarrer in Eisenach während der Weimarer Republik führender Vertreter des „Bundes der religiösen Sozialisten D e u t s c h l a n d s " und 1 9 3 1 vom sozialdemokratischen Kultusminister Adolf G r i m m e als Professor für M e t h o d i k des Religionsunterrichts an die Pädagogische Akademie in Kiel berufen, von einem bei seiner antifaschistisch-pazifistischen

Einstellung untauglichen Ver-

such, ihm gleichsam eine Brücke zu bauen. Als er 1 9 3 3 im preußischen Kultusministerium in Berlin über die Gründe seiner fristlosen Entlassung in Kiel nachfragte, habe ihm der für die Pädagogischen Akademien zuständige Ministerialdirektor bedeutet, er gehöre doch trotz bisheriger sozialdemokratischen Betätigung, die seine Entlassung durchaus rechtfertige, als religiöser

Sozialist und sicherlich auch „national denkender

M a n n " eigentlich a u f die Seite der NS-Bewegung. Fuchs, der übrigens kurz darauf wegen kritischer Äußerungen über den Terror gegen Andersdenkende inhaftiert und später wegen „Beleidigung der Reichsregierung" zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, die mit der Untersuchungshaft als abgebüßt galt, hatte jedoch erwidert, es vereinbare sich „nicht mit der W ü r d e einer Regierung, einem alten M a n n e solche Anerbieten zu m a c h e n " . 2 7 Seine scharfen Auseinandersetzungen mit dem aufsteigenden Nationalsozialismus in den J a h r e n vor 1 9 3 3 , zuletzt noch sein publizistischer Z u s a m m e n s t o ß 2 8 mit Alfred Rosenberg im J a h r e 1 9 3 2 , ließen Emil Fuchs für eine Weiterverwendung im Hochschuldienst chancenlos bleiben. D a s Berufsbeamtengesetz, das an den Pädagogischen Akademien und Lehrerbildungsanstalten rigoros durchgeführt wurde, führte auch bei Karl T h i e m e zum Verlust seiner Professur an der Hochschule für Lehrerbildung in Elbing, weil er (nach § 4 ) politisch nicht als t r a g b a r galt. 2 9 26. 27. 28. 29.

Renate Albrecht/Margot Hahl (Hg.), Paul Tillich. Ein Lebensbild in Dokumenten, S. 1 9 5 f. Emil Fuchs, Mein Leben, Bd. 2, S. 2 2 6 f. Leopold Klotz (Hg.), Die Kirche und das dritte Reich, Bd. 1, S. 3 1 - 3 8 ; Bd. 2, S. 11-13 (Rosenbergs Replik). Vgl. Kurt Meier, Machtglauben. Theologische Blätter 12 (1933), Sp. 3 4 3 .

74

Politische

Säuberungen"

Auch der sozialfürsorgerisch wie ökumenisch engagierte Theologe Friedrich Siegmund-Schultze, Leiter der ersten deutschen Nachbarschaftssiedlung, der Sozialen Arbeitsgemeinschaft Berlin-Ost, und führend im Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen, wurde Opfer der „politischen Säuberung". Unmittelbar vor Kriegsbeginn 1914 Mitbegründer des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen, war er auch führend in dem von den Nazis als pazifistisch beargwöhnten Internationalen Versöhnungsbund tätig gewesen. Seit 1917 zugleich Leiter des Berliner Wohlfahrtsamtes, verlor er 1933 seine öffentlichen Amter: die 1926 übernommene Honorarprofessur für Jugendkunde und Jugendwohlfahrt an der philosophischen Fakultät der Berliner Universität wurde natürlich sofort gestrichen, als er nach Uberfall durch die SA, Hausarrest unter Bewachung und Verhandlung vor der Gestapo ab 24. Juni 1933 ins Zwangsexil nach Zürich ging, w o er u. a. in der ökumenischen Flüchtlingshilfe tätig war. Nach dem Kriege nach Deutschland zurückgekehrt, wurde er 1948 Honorarprofesor und Leiter der Sozialpädagogischen Abteilung der Sozialforschungsstelle der Universität Münster mit Sitz in Dortmund und gründete 1958 noch in hohem Alter das Ökumenische Archiv in Soest. 30 Unter den Religiösen Sozialisten, die im Hochschuldienst tätig waren, hat eigentlich nur Prof. Georg Wünsch (Marburg), der dem „Bund der religiösen Sozialisten Deutschlands" und seit 1929 der SPD angehörte, seine Position als Professor halten können, jedoch April 1933 als Dekan an der Theologischen Fakultät Marburg zurücktreten müssen. Die von ihm herausgegebene, seit 1929 erscheinende „Zeitschrift für Religion und Sozialismus" mußte Juni 1933 ihr Erscheinen einstellen. Wünsch hat seiner vorgesetzten Dienstbehörde nachzuweisen versucht, daß für ihn als Religiösen Sozialisten der Marxismus niemals weltanschaulichideologisch, sondern nur seinem ökonomisch-sozialen Aspekt nach von Bedeutung gewesen sei und daß ihm die Verbindung von Volk und Kirche besonders am Herzen gelegen habe. 3 1 Das vom Religiösen Sozialismus vertretene Anliegen werde nun - wie Wünsch schöpfungs- und geschichtstheologisch akzentuiert begründete - vom Dritten Reich übernommen und im Kontext der klassenübergreifenden Volksgemeinschaft zur Geltung gebracht. 3 2

30. 31. 32.

Vgl. Lebendige Ökumene (Festschrift für Friedrich Siegmund-Schultze). Nach Stellungnahme von Georg Wünsch über Gründe seiner SPD-Mitgliedschaft (1936), in: Personalakte Georg Wünsch, Staatsarchiv Marburg. Vgl. auch Georg Wünsch, Evangelische Ethik des Politischen, Tübingen 1936, 668 S. Die NS-Schrifttumsprüfstelle forderte noch am 20. Dezem-

Auswirkungen des

Berufsbeamtengesetzes

75

Auch weitere Universitätstheologen, die den Anforderungskriterien des Berufsbeamtengesetzes im Blick auf „nationale Zuverlässigkeit" nicht zu entsprechen schienen, wurden zwangspensioniert oder dienstentlassen. Günther D e h n hatte im Gefolge der Studentenkrawalle, die von nationalistisch aufgeheizten Kreisen der „Deutschen Studentenschaft" im Wintersemester 1 9 3 1 / 3 2 gegen ihn inszeniert worden waren, schon vor der M a c h t ü b e r n a h m e Hitlers auf die aktive W a h r n e h m u n g seiner praktischtheologischen Professur an der Universität Halle verzichten müssen und ein Forschungsjahr angetreten. Im April 1 9 3 3 wurde er auf Grund des Berufsbeamtengesetzes ebenso wie Tillich suspendiert und im Herbst 1 9 3 3 aus dem Staatsdienst entlassen. 3 3 Dehn hatte ursprünglich den Religiösen Sozialisten nahegestanden; nach seiner Wendung hin zur Theologie Karl Barths schon seit den frühzwanziger J a h r e n hielt er sich nach 1 9 3 3 folgerichtig zur Bekennenden Kirche. Chancen für akademische Wiederverwendung gab es im Dritten Reich für Dehn nicht. Der „Fall D e h n " war bekannter geworden, als ihm lieb sein konnte. 1 9 3 6 an der in die Illegalität gedrängten Kirchlichen Hochschule in Berlin als D o z e n t tätig, wurde er im J a h r e 1 9 4 1 im Z u s a m m e n h a n g mit dem Vorgehen gegen die staatspolizeilich untersagte Prüfungspraxis der Bekennenden Kirche, an der er sich beteiligt hatte, verhaftet und im Prozeß vor dem Sondergericht mit anderen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Der Universitätskonflikt um D e h n im J a h r e 1 9 3 1 , in der Kirchenkampfhistoriographie gelegentlich als „ein theologisch-politisches Vorspiel zu der Auseinandersetzung in der Kirche 1 9 3 3 / 3 4 , und zwar unter dem T h e m a Kirche und Volkstum, Wort G o t t e s oder G e w i s s e n s r e l i g i o n " 3 4 charakterisiert, zeigt die Virulenz nationalistischer Aversionen gegen pazifistische Tendenzen schon vor 1 9 3 3 . In Bonn wurde der sozialdemokratisch engagierte Neutestamentier Prof. Karl Ludwig Schmidt (früher J e n a ) , seit 1 9 2 2 Herausgeber der „Theologischen B l ä t t e r " , amtsenthoben. Er war zunächst auf seinen Anber 1 9 3 6 -

unmittelbar nach Erscheinen - zwei Exemplare an und ver-

suchte, die weitere Verbreitung des Buches zu unterbinden. Die Freigabe erfolgte erst Juli 1 9 3 7 . W ü n s c h wies darauf hin, daß in J a p a n und anderwärts im Ausland bereits Rezensionen darüber erschienen (Staatsarchiv M a r b u r g , Personal-Akte Georg W ü n s c h ) . Vgl. auch Heinz R ö h r , Wirklichkeitschristentum. Z u m Gedächtnis des 1 0 0 . Geburtstages von Georg W ü n s c h , in: Freies Christentum, 1 9 8 7 , N r . 3, S. 4 1 - 4 4 (Lit.-Kurzorientierung). 33.

Zum

„Fall

Dehn"

vgl. die zeitgenössischen

Berichte von Karl

Ludwig

Schmidt in Theologische Blätter 1 0 ( 1 9 3 1 ) , Sp. 3 3 2 f.; Sp. 3 6 0 - 3 6 2 . ;

11

( 1 9 3 2 ) , Sp. 9 3 f. 34.

So Ernst Wolf, Barmen, S. 3 4 ; vgl. Karl Kupisch, Landeskirchen, S. 1 2 8 - 1 3 0 .

76

Politische Säuberungen "

trag hin für das Sommersemester 1933 zum Zwecke wissenschaftlicher Arbeiten beurlaubt. In der kirchlichen Presse wurde mitgeteilt, er schreibe einen Grundriß der Biblischen Theologie, der in der von Erich Seeberg herausgegebenen Sammlung Theologischer Lehrbücher bei Quelle und Meyer in Leipzig herauskommen solle. Seine bereits angekündigten Lehrveranstaltungen sollten wenigstens teilweise von seinen Kollegen Karl Barth und Gustav Hölscher übernommen werden. Doch folgte der Beurlaubung am 15. September 1933 die Entlassung aus dem Staatsdienst. Karl Ludwig Schmidt ging als Pfarrverweser nach St. Gallen und wurde 1935 gleichzeitig mit Barth an die Universität Basel berufen. 35 Die Schriftleitung der „Theologischen Blätter" gab er 1935 ab; 1 9 3 7 verzichtete er im Interesse des Weitererscheinens auch auf die Mitherausgeberschaft. Fritz Lieb, Professor mit Lehrauftrag für östliches Christentum seit 1931 in Bonn, profunder Kenner der russischen Religionsphilosophie, Herausgeber von „Orient und Okzident", entzog man ebenfalls Herbst 1933 aus politischen Gründen die Lehrbefugnis. Lieb, der der SPD angehörte und noch am 12. März 1933 bei der Bonner Stadtverordnetenwahl für die SPD kandidiert hatte, machte auch sonst von seiner sozialdemokratischen Gesinnung keinen Hehl und gehörte zu den Hochschullehrern, die sich deshalb im Frühjahrssemester 1933 Boykottaufrufen ausgesetzt sahen. Lieb wurde kurz nach Beginn des Wintersemesters 1933/34 entlassen; die Lehrbefugnis wurde ihm am 2 1 . November 1933 entzogen (nach dem politischen § 4 ) : Als langjähriges Mitglied der Sozialdemokratischen Partei habe er nicht die Gewähr geboten, jederzeit rückhaltlos für den Nationalsozialismus einzutreten, hieß es in einem Schreiben des preußischen Kultusministeriums vom 17. Februar 1934. Lieb ging im April 1934 zunächst ins französische Exil nach Paris, wo er ökumenische Kontakte unterhielt und aktive Verbindung zu Volksfrontbestrebungen deutscher sozialdemokratischer und kommunistischer Emigranten aufnahm. 3 6 An der Universiät Basel, wo er bereits seit 1924 als Privatdozent für systematische Theologie gelehrt hatte, erhielt er 1936 Titel und Rechte eines außerplanmäßigen Professors an der Theologischen Fakultät verliehen. 37 Nach dem Krieg wurde er (1948) ordentlicher Professor an der Humboldt-Universität in Ostberlin und zuletzt (1958) wieder in Basel. 35. 36. 37.

Theologische Blätter 12 (1933), Sp. 1 5 5 f.; Sp. 3 1 2 . Vgl. Martin Rohkrämer, Fritz Lieb 1 9 3 3 - 1 9 3 9 . Theologische Blätter 12 (1933), Sp. 3 7 2 ; Junge Kirche 4 (1936), S. 6 4 6 .

Auswirkungen des

Berufsbeamtengesetzes

77

In M ü n s t e r wurde Prof. O t t o Piper, seit 1 9 3 0 Ordinarius für systematische T h e o l o g i e nach § 4 des Berufsbeamtengesetzes wegen seiner SPD-Zugehörigkeit entlassen 3 8 . Bei der Rundfrage des Leopold-KlotzVerlags hatte er sich 1 9 3 2 überdies kritisch gegen nationalsozialistische Wahlvorschläge in der Kirche geäußert, weil damit die Kirche zu einem Werkzeug im K a m p f um die politische M a c h t erniedrigt w e r d e 3 9 . N a c h einem fehlgeschlagenen Versuch, in eine Pfarrstelle in Deutschland einzurücken, ging Piper nach England, w o er als Gastprofessor in Wales wirkte. Seit 1 9 3 7 erhielt er eine Existenzmöglichkeit in Princeton (USA). D o r t wurde er 1 9 4 1 ordentlicher Professor für Literatur und Exegese des Neuen Testaments. Als deutscher lutherischer T h e o l o g e hat er neben Wilhelm Pauck und Paul Tillich die protestantische Theologie in den USA der Nachkriegszeit mit prägen helfen. 4 0 Bei den Amtsenthebungen in den J a h r e n 1 9 3 4 / 3 5 spielte natürlich auch die Frage des Kirchenkampfes eine Rolle, so etwa bei der Z w a n g s pensionierung des Neutestamentiers O t t o Schmitz, seit 1 9 1 6 ordentlicher Professor in M ü n s t e r . Er wurde zum Ende des Sommersemsters

1934

nach § 6 des Berufsbeamtengesetzes zwangspensioniert. D a n a c h konnten Beamte zur „Vereinfachung der Verwaltung" (seit 2 3 . J u n i 1 9 3 3 auch: „oder im Interesse des D i e n s t e s " ) 4 1 in den Ruhestand versetzt werden, auch wenn sie noch nicht dienstunfähig waren. D a m i t war eine erweitert a n w e n d b a r e Begründung für Zwangspensionierungen geschaffen. Diese Stellen durften nach Gesetzeswortlaut eigentlich nicht mehr besetzt werd e n . 4 2 Schmitz traf dieses Geschick im Blick auf seine Aktivitäten innerhalb der Bekennenden Kirche, mit der er auch nach seiner Pensionierung eng verbunden blieb und auf deren Synoden er mitwirkte. Bis zur Schließung a m 9 . N o v e m b e r 1 9 3 7 durch die G e s t a p o wirkte er als Leiter des Predigerseminars Bielefeld-Sieker in der Ausbildung von BKKandidaten. Gleichzeitig war er D o z e n t an der Theologischen Schule in Bethel, ehe er 1 9 3 8 das Direktorat der Evangelistenschule J o h a n n e u m in Wuppertal (bis 1 9 5 1 ) ü b e r n a h m . 4 3

38.

Theologische Blätter 1 2 ( 1 9 3 3 ) , Sp. 3 1 2 .

39.

Leopold Klotz (Hg.), Die Kirche und das dritte Reich, S. 9 0 - 9 5 , hier: 9 4 .

40.

Wilhelm Stählin, Via Vitae, S. 2 9 5 .

41.

RGBl I, 1 9 3 3 , S. 3 8 9 .

42.

Theologische Blätter 1 3 ( 1 9 3 3 ) , Sp. 2 4 5 ; vgl. dazu Reformierte Kirchenzeitung 1 9 3 4 , N r . 3 0 , S. 2 5 0 .

43.

Vgl. Wilhelm Niemöller, Bekennende Kirche in Westfalen (Reg.); Wilhelm Stählin, Via Vitae.

78

Politische Säuberungen " Bei Prof. H a n s von Soden, Professor für Neues Testament und Kir-

chengeschichte in M a r b u r g , dem - übrigens auch in Kurhessen selbst bekenntniskirchlich stark engagiert - die Z u s a m m e n f a s s u n g der der Bekennenden Kirche angehörenden theologischen Hochschullehrer oblag, wurde die Anfang August 1 9 3 4 verfügte Zwangspensionierung am 2 4 . O k t o b e r 1 9 3 4 wieder rückgängig gemacht. Als wesentliche Gründe für diese disziplinarische M a ß n a h m e war dem R e k t o r der Universität M a r burg seitens des Reichswissenschaftsministeriums die Veröffentlichung der Erklärung der 3 5 Hochschullehrer über Bekenntnis und Kirchenverfassung genannt worden, ebenso von Sodens kirchenpolitischer Widerstand a u f der Seite der Bekennenden Kirche Kurhessens gegen die reichskirchliche Gewaltpolitik des Rechtswalters August J ä g e r , der damals noch im preußischen Kultusministerium tätig w a r . 4 4 H a n s Schmidt, der Vorsitzende des Fakultätentags, hatte beim Reichswissenschaftsministerium nach den Gründen für diese M a ß n a h m e n gegen Schmitz und von Soden angefragt. Er erhielt erst Ende J a n u a r 1 9 3 5 mit erheblichem Zeitverzug vom Reichswissenschaftsministerium ( O b e r regierungsrat Kasper) Bescheid auf „die erbetene Aufklärung über die Grundlagen der Pensionierung der Professoren v. S o d e n - M a r b u r g und S c h m i t z - M ü n s t e r " . In dem Schreiben hieß es: „In beiden Fällen handelte es sich um die Hereintragung kirchenpolitischer Gegensätze in Angelegenheiten staatlicher L e h r t ä t i g k e i t " . Im Falle Prof. H a n s von Sodens habe m a n sich nachträglich überzeugt, „ d a ß der Vorwurf nur in geringem M a ß e b e g r ü n d e t " gewesen sei, so d a ß die vollzogene M a ß n a h m e aufgehoben werden konnte. Prof. Schmitz indes habe „seine kirchenpolitische Tätigkeit in unerträglicher Weise mit Angelegenheiten seines Lehramts v e r q u i c k t " . Er habe die Studierenden, „die lediglich seinem Unterricht anvertraut w a r e n , " dahingehend zu beeinflussen gesucht, „bei welcher der am Kirchenstreit beteiligten Parteien sie sich der Abschlußprüfung unterziehen s o l l t e n " . Schmitz habe in der Fakultät sogar offen für eine Kirchenkampfpartei (gemeint war die Bekennende Kirche) geworben und in der Fakultät „eine besondere Gruppe zu bilden versucht, die auf eigene Faust Kirchenpolitik t r i e b " . Schmitz habe damit unmittelbar seinen Pflichten als Staatsbeamter zuwidergehandelt und zwar in einer Weise, „die seine dauernde Entfernung aus dem Lehramte erforderlich m a c h t e . " Für die ministerielle Sichtweise und Sprachregelung kennzeichnend war auch der Schlußsatz des Briefes: Der 44.

Fakultätentagsvorsit-

Theologische Blätter 13 ( 1 9 3 4 ) , Sp. 2 6 9 ; Erich Dinkler/Erika Dinkler-von Schubert, Theologie.

Auswirkungen des

Berufsbeamtengesetzes

79

zende solle „von diesen Aufklärungen in vorsichtiger Weise G e b r a u c h machen und in allen Fällen darauf hinweisen, daß keineswegs die besondere kirchenpolitische Haltung des Professors als solche, sondern lediglich die Hereintragung kirchenpolitischer Gegensätze in der Ausübung des Lehramtes A n l a ß zu M a ß n a h m e n nach dem Berufsbeamtengesetz gewesen s i n d . " 4 5 Als kirchenpolitisch mißliebig sollte der Kirchenhistoriker Heinrich Hermelink (geb. 1 8 7 7 ) in M a r b u r g nach § 5 des Berufsbeamtengesetzes an eine andere Universität versetzt werden. Erich Seeberg hatte dem M i nisterium auf Anfrage empfohlen, von einer Entlassung Hermelinks aus sozialen Gründen („wegen seiner acht K i n d e r " ) abzusehen und ihn „nach Gießen zu s t e c k e n " . 4 6 Hermelink k o n n t e aber seine eigene Professur noch ein Semester vertreten und ließ sich dann vorzeitig entpflichten. Seinen kirchengeschichtlichen Lehrstuhl hat dann Ernst Benz ü b e r n o m m e n 4 7 . Der Religionsgeschichtler Friedrich Heiler, zuerst zur Versetzung an die philosophische Fakultät Greifswald vorgesehen, wurde von der theologischen Fakultät an die philosophische Fakultät M a r b u r g versetzt. 4 8 Wegen parteipolitischer Betätigung im Christlich-sozialen Volksdienst und aktiver M i t a r b e i t in der Bekennenden Kirche wurde der Kieler Kirchenhistoriker Prof. Kurt Dietrich Schmidt, damals besonders durch seine dreibändige D o k u m e n t a t i o n über den K i r c h e n k a m p f b e k a n n t , 1 9 3 5 in den Ruhestand versetzt. 4 9 Er trat nach anfänglichen polizeilichen Schwierigkeiten 1 9 3 6 in den Dienst des Hermannsburger Missionsseminars. 5 0 Sein damals entstehendes Standardwerk über die G e r m a n e n b e k e h r u n g bildete eine wichtige wissenschaftliche Grundlage für die kirchliche Auseinandersetzung mit völkischen Konzeptionen in der Frage der Bekehrung der G e r m a n e n zum Christentum. 5 1 Als Vertreter des „freien Protestantantismus" sahen sich der bereits emeritierte M a r b u r g e r Professor M a r t i n R a d e wie auch der mehr dem kirchlichen Liberalismus zuzurechnende Kieler Systematische T h e o l o g e 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51.

UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 2 8 6 (Oberregierungsrat Kasper an Hans Schmidt, 2 6 . Januar 1935). BA Koblenz, N L 248/3a, Bl. 134 (Erich Seeberg an Ernst Benz, 16. Januar 1935). Theologische Blätter 14 (1935), Sp. 102. Ebd. 13 (1934), Sp. 2 9 9 ; 14 (1935), Sp. 57. Junge Kirche 3 (1935), S. 828. Ebd. 4 (1936), S. 4 9 2 . Kurt Dietrich Schmidt, Die Bekehrung der Germanen zum Christentum, 2 Bde.

80

Politische Säuberungen "

und Konfessionskundler Hermann Mulert in unterschiedlicher Weise vom Wandel der politischen Verhältnisse betroffen. Martin Rade, schon 1 9 2 4 wegen Erreichung der Altersgrenze pensioniert, wurde mit Erlaß vom 2 8 . November 1 9 3 3 nach § 4 des Berufsbeamtengesetzes aus dem Staatsdienst entlassen. 5 2 Als ein dem „freien Protestantismus" verbundener Theologe, bis 1 9 3 1 Herausgeber der von Hermann Mulert fortgeführten, gemäßigt kirchlich-liberalen Zeitschrift „Die Christliche Welt", war er in den zwanziger Jahren Mitglied der „Deutschen Demokratischen Partei" gewesen. Auch hatte er sich vor 1 9 3 3 dem Nationalsozialismus gegenüber öfters kritisch geäußert. 1 9 3 2 hatte er geschrieben, die evangelisch-kirchliche Stellungnahme zum Nationalsozialismus könne nur „in der Ablehnung der heutigen Führer der NSDAP und in einer gründlichen positiven Befassung mit der ihr zugetanen und zuströmenden Jugend" bestehen. Allein der Satz des kirchlichen Programms der „Evangelischen Nationalsozialisten", wie der anfänglich erwogene Name der im Juni 1 9 3 2 gegründeten Glaubensbewegung „Deutsche Christen" im Rundschreiben des Gaues Schlesien der NSDAP vom Februar 1 9 3 2 hieß, daß nämlich die „Reinigung und Erhaltung der Rasse ( . . . ) eine von Gott für alle Ewigkeit gegebene Pflicht" sei, müsse genügen, „um eine Listenverbindung zwischen evangelischer Kirche und Nationalsozialismus unmöglich zu m a c h e n " . 5 3 Eine Eingabe an das preußische Kultusministerium vom 11. Januar 1 9 3 4 zugunsten Rades durch den damaligen Dekan Prof. Hans von Soden wurde am 6. April 1 9 3 4 abschlägig beschieden. Das Schreiben hatte dafür plädiert, Rade die „volle politische und nationale Ehre zurückgeben". § 4 des Berufsbeamtengesetzes sei auf Rade nicht anwendbar, da er - seit 1 9 2 4 als Emeritus nicht mehr im Staatsdienst stehend - nach einmütiger Uberzeugung der politisch durchaus unterschiedlich ausgerichteten Fakultätsmitglieder - „stets lautere nationale Gesinnung" gehabt habe. Die durch seine Entlassung zum Ausdruck gebrachte Aberkennung der vollen politischen und nationalen Ehre Rades als eines durch die Herausgabe des von ihm gegründeten und jahrzehntelang geleiteten Blattes „Die Christliche Welt", eines in der ganzen Welt bekannten 52.

Theologische Blätter 12 ( 1 9 3 3 ) , Sp. 3 7 2 ; Staatsarchiv Marburg: Personalakte Martin Rade, 3 0 7 a , acc. 1 9 6 2 / 1 2 , Nr. 6 2 .

53.

Leopold Klotz (Hg.), Die Kirche und das dritte Reich, Bd. 1, S.95 f. Vgl. Johannes Rathje, Die Welt des freien Protestantismus, S. 4 2 6 - 4 3 0 : Rades kritische Stellung zu Hitlers „Mein Kampf" und den politischen Wahlen des Jahres 1 9 3 2 . Vgl. auch Nachlaß Martin Rade, UB Marburg, Ms. Nr. 6 9 7 .

Auswirkungen

des

Berufsbeamtengesetzes

81

und beachteten Organs, werde im Ausland mißverstanden: „Rade ist im Ausland nicht so sehr als Vertreter einer innenpolitischen Richtung in Deutschland bekannt wie vielmehr als eine Führergestalt des deutschen Protestantismus und der theologischen Wissenschaft". Die „kirchenpolitische Belastung unseres Staates" vertrage Ende 1933 keine weitere außenpolitische Belastung mehr. Daß es trotz solidarischen Verhaltens der Theologischen Fakultät Marburg für ihren Emeritus bei der einmal verfügten Entlassung Rades blieb, zeigt die nachhaltige Konsequenz dieser politischen Säuberungen. Seitens des Rektorats wurde zudem noch gerügt, daß das Schreiben an das Ministerium nicht auf dem Dienstweg eingereicht worden sei. 54 Prof. Hermann Mulert (Kiel), 1931 Rades Nachfolger in der Herausgeberschaft der Christlichen Welt, die er mit entsprechender politischer Zurückhaltung während des Dritten Reiches bis zum weitgehenden Verbot der konfessionellen Presse Juni 1941 redigierte, sah sich 1935 veranlaßt, um seine Entpflichtung von seiner Professur in Kiel einzukommen, um damit einer befürchteten Entlassung zuvorzukommen. Mulert war als liberaler Theologe während der Weimarer Republik ebenfalls parteipolitisch in der Deutschen Demokratischen Partei engagiert gewesen (zeitweilig als Schriftführer des DDP-Landesverbandes SchleswigHolstein). Seine Entpflichtung von seinem Lehrstuhl entsprach einer Zwangslage, in die er nicht zuletzt durch die antifaschistische Tätigkeit seines Neffen Hermann Reinmuth geraten war. Schon 1934 hatte Mulert auch Rade gegenüber geäußert, es entspräche seiner ganzen Anlage mehr, „aus dieser ganzen Verlogenheit heraus mich in den sogenannten Ruhestand zu flüchten". Sein Verhalten im Dritten Reich gilt mit Recht als die spezifische „Wahrnehmung eines kulturell-ethischen und religiösen Gesinnungswiderstandes" 5 5 . Die Existenz der trotz aller Vorsicht mehrfach verwarnten oder beschlagnahmten traditionsreichen liberalen Zeitschrift „Die Christliche Welt" bot aber immerhin eine Plattform, mit der M u lert die Uberwindung theologisch-dogmatischer und kirchenpolitischer Gegensätze im Kirchenkampf des Dritten Reiches erstrebte. Dabei lag ihm als Liberalen an einer „Mobilisierung aller christlichen Gedanken

54.

Personalakte Martin Rade, StA Marburg Nr. 3 0 7 a, acc. 1962/12, Nr. 62; vgl. Christoph Schwöbel (Hg.), Karl Barth; Martin Rade. Ein Briefwechsel, Gütersloh 1984.

55.

Vgl. die Analyse von Mulerts Position im Dritten Reich bei Kurt N o w a k , Kirche und Widerstand, S. 256, 259; vgl. Klaus Michael Führer, Hermann Mulert (Lit.).

82

Politische Säuberungen "

und Werte" als einem wirksamen Resistenzfaktor im NS-Totalstaat. Die Emigration des Zweitherausgebers Friedrich Siegmund-Schultze 1933, die Entlassung Rades aus dem Staatsdienst am 24. November 1 9 3 3 , die erzwungene Selbstauflösung der „Vereinigung der Freunde", 5 6 des traditionellen Freundeskreises um die Zeitschrift, ließ besondere Vorsicht geraten erscheinen, wenn die Wirksamkeit des christlichen Gedankens in seiner kulturellen Breite erhalten bleiben sollte, wie er sie mit seiner volkskirchlich ausgerichteten Zeitschrift zu vertreten suchte. Für volkskirchliches Empfinden im Sinne Mulerts durften „außer dem Staat auch die übrigen großen, das Volksleben gestaltenden Mächte: Schule, Wissenschaft, Kunstpflege, öffentliche Jugenderziehung usw. nicht in scharfem Gegensatz zum Christentum stehen". 5 7 Ein großes Aufsehen erregender Fall war die Zwangspensionierung Prof. Karl Barths in Bonn 5 8 . Barth, ehedem Pfarrer in Safenwil (Aargau), führender Exponent der sogenannten Dialektischen Theologie, war seit 1 9 2 1 Professor an deutschen Universitäten: zunächst Professor für reformierte Theologie in Göttingen, 1 9 2 5 Ordinarius für systematische Theologie in Münster und seit 1 9 3 0 an der Theologischen Fakultät in Bonn. Nach politischen Anfeindungen an der Universität Bonn Herbst 1 9 3 4 wurde er im Frühjahr 1935 definitiv als Professor abgesetzt. Anlaß zum offiziellen Eingreifen Herbst 1934 bot die „Verweigerung des Führereides". Barth, kirchenpolitisch auch dadurch exponiert, daß er - Gegner der Deutschen Christen und theologisch führend in der Bekennenden Kirche - Hauptverfasser der Theologischen Erklärung von Barmen war, hatte es zunächst abgelehnt, den durch das Reichsgesetz vom 30. August 1934 vorgeschriebenen Beamteneid auf Hitler ohne einschränkenden Zusatz zu leisten. Die amtliche Mitteilung von Barths Beurlaubung 56.

Vgl. jetzt den Reprint: An die Freunde d. i. nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Mitteilungen ( 1 9 0 3 - 1 9 3 4 ) . Nachdruck mit einer Einleitung von Christoph Schwöbel, Berlin und New York 1 9 9 3 , X X X I V und 6 1 8 S.

57. 58.

Die Christliche Welt 51 (1937), Sp. 2 2 2 - 2 2 4 . Dokumente bei Hans Prolingheuer, Der Fall Karl Barth. Die sonst instruktive Dokumentation versucht tendenziell, der Bekennenden Kirche die Schuld am Weggang Barths aus Deutschland 1 9 3 5 zuzuschieben; Eberhard Busch, Karl Barths Lebenslauf, S. 2 6 9 - 2 7 5 : Das Ende der Bonner Lehrtätigkeit; vgl. S. 2 7 6 : „Drei Tage nach der Bekanntmachung meiner Absetzung als Bonner Professor hat mich der Regierungsrat von Basel ( . . . ) auf einen außerplanmäßigen Lehrstuhl dieser meiner Heimatstadt berufen." Die Berufung Barths ist nach den Baseler Nachrichten vom 26. Juni 1 9 3 5 vorausgesetzt (Hans Prolingheuer, Der Fall Karl Barth, S. 177).

Auswirkungen

des

Berufsbeamtengesetzes

83

Ende November 1935 lautete: 59 „Reichsminister Rust hat den beamteten ordentlichen Professor der Theologie in Bonn Dr. Karl Barth, der sich geweigert hat, den auf Grund des Gesetzes über die Vereidigung der Beamten vom 20. August 1934 vorgeschriebenen Eid auf den Führer und Reichskanzler zu leisten, vom Amte suspendiert und ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet." Die Baseler Nachrichten schrieben am 27. November 1934 dazu: 6 0 „Auf eine persönliche Anfrage in Bonn erklärte Herr Professor Barth, er hätte sich nicht geweigert, den Eid zu leisten, sondern nur einen Zusatz verlangt." Der geforderte Beamteneid hatte folgenden Wortlaut: „Ich schwöre: Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe". Barth wollte die Treueverpflichtung auf Hitler zunächst nur mit dem Zusatz leisten: „soweit ich es als evangelischer Christ verantworten kann". 6 1 Die Anklageschrift im Dienststrafverfahren, das am 26. November 1934 gegen Barth eingeleitet wurde, ging von der nur bedingten Eidesleistung aus, nannte aber als weitere Punkte: staatsabträgliche Äußerungen Barths und Verweigerung des Hitlergrußes zu Beginn seiner Vorlesungen. Wie ein der Gestapo in die Hände gefallener Bericht von Studienrätin Erica Küppers für Freunde und Bekannte Barths zeigt, hatte er im Freundeskreis in Berlin schon Ende Oktober 1933 über das NS-Systems sich kritisch geäußert und zum Beispiel die Tatsache von Konzentrationslagern, die Behandlung der Juden, die „Eugenik", das Wahlmanöver im Blick auf den 12. November 1933 wie überhaupt den totalstaatlichen Trend kritisch apostrophiert. Der Bericht zeigt, daß Barths persönliche politische Meinung, die er im Diskurs mit den Anwesenden vertrat, 6 2 schon aversiver gegen das NS-Regime war als seine öffentliche Stellungnahme im Dezember 1933, w o er seinen und seiner Freunde Kampf als nicht gegen die NS-Staatsordnung, sondern nur gegen die bei ihr Zuflucht suchende Theologie (der Deutschen Christen) gerichtet bezeichnet und entsprechenden Reaktionen der Auslandspresse,

59. 60. 61. 62.

Ζ. B. Frankfurter Zeitung, Reichsausgabe Nr. 6 0 3 / 6 0 4 vom 27. Nov. 1934. Baseler Nachrichten 1934, Nr.325; zit. nach Theologische Blätter 13 (1934), Sp. 360. Theologische Blätter 13 (1934), Sp. 360. Hans Prolingheuer, Der Fall Karl Barth, S. 236-240.

84

Politische Säuberungen "

die diesen Kampf als politischen Gegensatz verstand, als irreführend ablehnt. 63 Barth hat am 18. Dezember 1934 der Universität wie auch dem Reichswissenschaftsminister Rust mitgeteilt, daß er auf den Zusatz zum Beamteneid verzichten könne. Er begründete das damit, daß inzwischen durch Verlautbarungen der Bekenntnisgemeinschaft der Deutschen Evangelischen Kirche wie auch durch das Moderamen des Reformierten Bundes in Deutschland eine Deutung des Beamteneides erfolgt war, die einen deutlichen Gewissensvorbehalt erkennen ließ. Dadurch sei als amtlich anerkannte Lehre der Evangelischen Kirche erwiesen, daß „die Verpflichtung auf den Führer Adolf Hitler für den evangelichen Christen nur einen grundsätzlich durch das Gebot Gottes begrenzten Inhalt haben" könne. Damit werde sein eigener einschränkender Zusatz überflüssig. Auf seine nachträglich bekundete Bereitsschaft, den Beamteneid nunmehr in der vorgeschriebenen Form zu leisten, ging das Ministerium jedoch nicht ein. Gegen das am 20. Dezember 1934 vom Dienststrafgericht ergangene Urteil auf Dienstentlassung legte Barth Berufung ein. Im Berliner Berufungsverfahren wurde am 14. Juni 1935 das Urteil des Disziplinargerichts in Köln vom Dezember 1934 aufgehoben und Barth lediglich wegen Verweigerung des „Deutschen Grußes" und bekannt gewordener Äußerungen vom Oktober 1933 in Berlin im Hause von Pfarrer Gerhard Jacobi, über die die Gestapo ermittelt und auch Erica Küppers vernommen hatte, mit einer Geldstrafe belegt. Doch wurde Barth bereits am 21. Juni 1935 von Reichswissenschaftsminister Rust zwangspensioniert. Eine „Entlassung" nach § 4 des Berufsbeamtengesetzes (wie im RustTelegramm vom 22. Juni 1935 die tags vorher verfügte Pensionierung mit Ruhestandsbezügen versehentlich bezeichnet wurde) war zwar bei Barth jetzt aus Termingründen nicht mehr möglich, wohl aber eine Zwangspensionierung nach § 6, mit dem Strukturveränderungen im Hochschulbereich oder dienstliches Interesse vorgeschützt werden konnten. Angesichts der politisch aufgeladenen Atmosphäre zeigten sich selbst radikale bruderrätliche Kreise der Bekennenden Kirche stark irritiert, ob Barth - da politisch stark angefeindet - sich in Deutschland überhaupt noch halten könne. Der Gedanke, ihm eine bekenntniskirchliche Wirkungsstätte zu verschaffen und ihm bei einem Gehaltsausgleich das weitere Lehren in Deutschland zu ermöglichen, blieb unrealisiert. Noch Anfang Juni - kurz vor Abschluß der Berufungsverhandlungen in seinem 63.

Karl Barth, Die Kirche Jesu Christi (Theologische Existenz heute, H. 5, München 1 9 3 3 , S. 8 f.) Vorwort vom 11. Dezember 1933.

Auswirkungen des

Berufsbeamtengesetzes

85

Disziplinarprozeß - hatte Barth zwar mit einem E x p o n e n t e n der rheinischen Bekennenden Kirche vereinbart, er wolle sich für einen etwa an ihn ergehenden bekenntniskirchlichen R u f offenhalten. D o c h k a m es nicht zu einer Berufung „in F o r m eines endgültigen und verbindlichen R u f e s " seitens der Bekennenden Kirche, wenn auch Ende April 1 9 3 5 die Vierte Rheinische Bekenntnissynode den Beschluß gefaßt hatte, beschleunigt dafür Sorge zu tragen, daß Barth seine Arbeit in Deutschland fortsetzen k ö n n e 6 4 . Einen erwogenen R u f an die reformierte Theologische Schule in Elberfeld, etwa als deren Leiter, hatte Barth „wegen der schmalen konfessionellen B a s i s " , möglicherweise auch wegen ihres nicht voll a k a demischen, teilweise propädeutischen C h a r a k t e r s abgelehnt. O k u m e n i scherseits hatte sich Willem Visser't H o o f t , damals noch Generalsekretär des Christlichen Studentenweltbundes, mit N a c h d r u c k für eine Berufung Barths auf einen Genfer Lehrstuhl eingesetzt. Unmittelbar nach seiner Zwangspensionierung a m 2 2 . Juni 1 9 3 5 erhielt Barth einen R u f an die Universität Basel, wie es schon einige W o c h e n vorher für den Fall eines negativen Ausgangs seines Berufungsprozesses vereinbart w a r . Barth hat der Bekennenden Kirche vorgehalten, d a ß ihr Angebot verspätet, unverbindlich und im Blick auf die dem Staat gegenüber zu konzessionsbereiten Beschlüsse der Augsburger Bekenntnissynode vom 4 . bis 6 . J u n i 1 9 3 5 vor allem in ihrem relativ staatspositiven Obrigkeitswort - auch bekenntnismäßig für ihn nicht akzeptabel gewesen s e i 6 5 . Barth, der nach seinen Angaben Anfang 1 9 2 6 bei Berufung ins Beamtenverhältnis neben seiner schweizerischen auch die preußische (deutsche) Staatsangehörigkeit erhalten hatte, o b w o h l er nach Auffassung des Disziplinargerichtes lediglich Schweizer w a r 6 6 , hat sich durch seinen Weggang aus Deutschland auf alle Fälle Belastungen erspart, möglicherweise auch nicht vorhersehbaren Gefährdungen entzogen. Von der Schweiz aus konnte er durch Veröffentlichungen theologisch wegweisend für die Bekennende Kirche wirken, wenngleich der K o n t a k t zu ihm in Deutschland zunehmend eine politische Belastung bedeutete. Besonders seit dem H r o m a d k a - B r i e f im Z u s a m m e n h a n g mit der Tschechenkrise Herbst 1 9 3 8 , als Barth einen ihm notwendig erscheinenden militärischen Widerstand gegen die Annexions-

64.

Wilhelm Niemöller, K a m p f und Zeugnis, S. 2 4 6 .

65.

Wilhelm Niemöller, Die dritte Bekenntnissynode, S. 6 2 - 6 4 (Schreiben Barths an Pastor H e r m a n n Hesse v o m 3 0 . Juni 1 9 3 5 ) .

66.

H a n s Prolingheuer, Der Fall Karl Barth, S. 2 8 6 . Durch einen Passus in der Anstellungsurkunde w a r es nach Auffassung des Disziplinargerichtsurteils bei Barths schweizerischer Staatsangehörigkeit geblieben.

86

Politische Säuberungen "

forderungen Hitlers christologisch begründet vorbrachte, war selbst in radikalen bruderrätlichen Kreisen eine gewisse politische Distanzierung von ihm nicht zu vermeiden 67 . Auch in den letzten Vorkriegsjahren erfolgten noch Zwangspensionierungen von Universitätstheologen. So wurden auf Grund von § 6 des Berufsbeamtengesetzes die beiden Professoren der praktischen Theologie Helmuth Schreiner (Rostock) und Friedrich Ulmer (Erlangen) Ende Juni 1 9 3 7 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Schreiner, schon in den zwanziger Jahren im Rahmen der Inneren Mission, zuletzt am Johannesstift in Berlin-Spandau leitend tätig, wirkte seit 1931 als Professor in Rostock. Er gehörte zu den Begründern der 1933 kirchenpolitisch als Konkurrenten der Deutschen Christen agierenden „Jungreformatorischen Bewegung", einer nur kurzfristig arbeitenden kirchenpolitischen Bewegung. Zusammen mit Walter Künneth hatte Schreiner 1933 den apologetischen Sammelband „Die Nation vor G o t t " 6 8 herausgegeben. Gegen Schreiner war schon 1933 wegen politischer Äußerungen disziplinarisch vorgegangen worden, was zu einer kurzfristigen Amtsenthebung während der Semesterferien geführt hatte. Seine wie auch Brunstäds Eintreten für die Bekenntniskirche war dem Oberkirchenrat in Schwerin unter dem deutschchristlich orientierten Landesbischof Walther Schultz sichtlich ein Dorn im Auge. Beim mecklenburgischen NS-Reichsstatthalter Friedrich Hildebrandt in Schwerin wurde Stimmung gegen ihn gemacht. In zeitlichem Zusammenhang mit dem Verbot theologischer Lehrgänge der Rostocker Fakultät, die als ministeriell unerwünschte und bald verbotene „Ersatzkurse" galten, wurde Schreiner im Juni 1 9 3 7 - damals 4 4 Jahre alt - zwangsweise in den Ruhestand versetzt, ohne daß die Fakultät dies abwenden konnte. Nach seiner Zwangspensionierung in Rostock wurde Schreiner Vorsteher der Diakonissenanstalt in Münster (Westf.), wo er nach dem Kriege 1946 gleichzeitig wieder eine Professur an der Theologischen Fakultät übernahm. 69 Friedrich Ulmer, seit 1924 Professor für praktische Theologie in Erlangen, auch seit 1928 Präsident des Martin-Luther-Bundes, war der einzige aus der Erlanger Fakultät, der während des Dritten Reiches zwangsweise in den Ruhestand versetzt wurde. Trotz früherer positiver Bekun67.

Kurt Meier, Der evangelische Kirchenkampf, Bd. 3, S. 5 6 f.

68.

1. u. 2 . Aufl. 1 9 3 3 , 3 . erw. Aufl. 1 9 3 4 .

69.

Niklot Beste, Kirchenkampf, S. 1 3 4 - 1 3 8 ; vgl. auch Sabine Pauli, Geschichte der theologischen Institute an der Universität R o s t o c k .

Auswirkungen des

Berufsbeamtengesetzes

87

düngen zum „Führer" 7 0 brachte ihn sein Einspruch gegen einen Aufruf des Reichsorganisationsleiters der NSDAP und Reichsleiters der Deutschen Arbeitsfront Dr. Robert Ley zu Fall. In dem Aufruf war das Christentum zusammen mit Klassenhaß, liberalistischem Bürgertum und marxistischem Proletariat als lebensverneinend und lebenszerstörend angeprangert worden. Ulmer hatte gegen die Rede von Ley in der „Lutherischen Kirche" protestiert. 7 1 Es fehle Ley die nötige Sachkenntnis über das Christentum und er möge bedenken, daß zum deutschen Volk Millionen von Christen gehören, die nach wie vor „trotz solcher niederschmetternder und freuderaubender Erfahrungen nicht müde werden, in Fürbitte, so wie des Führers, so wie des gesamten Reiches und Volkes" zu gedenken. Es half Ulmer jetzt auch nicht, daß er zwei Jahre früher sich in der gleichen Zeitschrift „Lutherische Kirche" 7 2 positiv zum „Führer" bekannt hatte. Alle Versuche der Erlanger Fakultät, anstelle der Zwangspensionierung wenigstens die Emeritierung zu erreichen, blieben erfolglos. Eine der Erlanger Fakultät erwünschte Neuberufung von Leonhard Fendt (Berlin) oder Martin Doerne (Leipzig) auf Ulmers Stelle gelang nicht. Die Berufung eines deutschchristlich orientierten Nachfolgers - es sei an Wilhelm Vollrath und Wilhelm Knevels in Heidelberg gedacht gewesen - konnte von Prof. Werner Eiert, Dekan von 1 9 3 5 bis Frühjahr 1 9 4 4 , abgewehrt werden. Auch Bemühungen um Eduard Steinwand (damals Dorpat) und Pfarrer Erich Stange (damals Kassel) kamen nicht zum Zuge. Faktisch hat dann Wolfgang Trillhaas, dessen Berufung auf den praktisch-theologischen Lehrstuhl in Halle Frühjahr 1 9 3 5 aus kirchenpolitischen Gründen gescheitert war, die praktische Theologie in Erlangen bis Kriegsende 1 9 4 5 im Nebenamt vertreten. 7 3 Restriktiv wurde auch gegen verschiedene Privatdozenten der Theologie vorgegangen. Der Neutestamentier Ernst Fuchs in Bonn, der Assistent bei Karl Ludwig Schmidt gewesen war, wurde ebenfalls wie dieser bereits Herbst 1 9 3 3 noch nach § 4 des Berufsbeamtengesetzes entlassen. 1 9 3 4 wurde Volkmar Herntrich und Hans Engelland in Kiel nach § 6 des Berufsbeamtengesetzes die Venia legendi entzogen; ebenso dem langjährigen Privatdozenten und Stiftsinspektor am Lutherheim Hans-Joachim Iwand 70.

Lutherische Kirche 16 ( 1 9 3 4 ) , N r . vom 1. April 1 9 3 4 . Vgl. Walther von Loewenich, Erlebte Theologie, S. 1 8 0 .

71.

Lutherische Kirche 1 8 ( 1 9 3 6 ) , S. 1 5 8 - 1 6 2 .

72.

Ebd. 16 ( 1 9 3 4 ) , N r . vom 1. April 1 9 3 4 .

73.

Walter von Loewenich, Erlebte Theologie, S. 1 8 1 . Vgl. Wolfgang Trillhaas, Aufgehobene Vergangenheit, S. 1 5 3 - 1 6 1 .

88

Politische

Säuberungen"

in Königsberg, 74 damals Professor am Herderinstitut in Riga. Iwand war danach Predigerseminardirektor der Bekennenden Kirche in Ostpreußen und wurde 1 9 3 7 Pfarrer in Dortmund; gegen die Übernahme der systematischen Dozentur an der Theologischen Schule in Bethel hatte das Kuratorium in Bethel Bedenken gehabt, da politische Schwierigkeiten für die Theologische Schule wegen Iwands Ehefrau befürchtet wurden, die nach den Nürnberger Rassegesetzen als nicht „vollarisch" galt. Ernst Fuchs, ähnlich wie Prof. Lieb sozialdemokratisch engagiert, ging nach Entzug seiner Lehrbefugnis im Herbst 1933 in den württembergischen Pfarrdienst. 75 Er konnte seine akademische Laufbahn als Neutestamentler erst 1949 fortsetzen. Volkmar Herntrich, seit 1932 Pfarrer und Universitätsdozent in Kiel, bekenntniskirchlich im dortigen Landesbruderrat aktiv, neben Prof. Kurt Dietrich Schmidt (Kiel) Unterzeichner der Ulmer Erklärung der Bekennenden Kirche vom 2 2 . April 1934, ging nach dem Verlust der Lehrbefugnis 1 9 3 4 als Dozent an die Theologische Schule in Bethel; nach ihrer Schließung 1 9 3 9 wurde er Leiter des Burkhardthauses in Berlin-Dahlem, danach 1942 Hauptpastor an St. Katharinen in Hamburg. 76 Seit Erlaß der Reichshabilitationsordnung vom 13. Dezember 1934, die zwischen Habilitation und Lehrbefugnis unterschied, konnte das Reichswissenschaftsministerium nicht nur die Lehrbefugnis verweigern, sondern auch nach früheren Bestimmungen Habilitierten die Lehrbefugnis entziehen, ohne daß sich - so bei Theologen - am akademischen Grad eines Dr. habil. oder Lie. theol. habil. etwas änderte. Der Zugang zur Dozentur setzte nunmehr neben der Habilitation die eigens zu beantragende Erteilung der Lehrbefugnis durch das Reichswissenschaftsministerium voraus. Nach § 8 wurden Personen zur Dozentur nur zugelassen, die Beamte werden konnten. Darin setzte sich die politisch restriktive Tendenz des Berufsbeamtengesetzes von 1933 gegenüber politisch Mißliebigen wie auch Nichtariern fort. Die Lehrbefugnis war gültig für alle Universitäten und Hochschulen des Deutschen Reiches (§ 16); Übernahme einer Auslandsdozentur, die ohnedies zustimmungsbedürftig war, konnte Anlaß sein, daß die Lehrbefugnis für erloschen erklärt wurde. Der Wechsel der Hochschule bedurfte der Zustimmung des Ministers, konnte von diesem indes auch angeordnet werden ( § 1 7 ) ; die Lehrbefug74. 75. 76.

§ 6 des Berufsbeamtengesetzes (Einziehung der Stelle zur Vereinfachung des Dienstes). Theologische Blätter 12 (1933), Sp. 3 1 2 . Junge Kirche 2 ( 1 9 3 4 ) 3 7 2 ; S.928; 8 (1940), S. 5 6 3 .

Auswirkungen des

Berufsbeamtengesetzes

89

nis konnte auch wieder entzogen oder eingeschränkt werden, „wenn es im Universitätsinteresse g e b o t e n " schien. Durch obligatorisches Gemeinschaftslager und Besuch der Dozentenakademie ohnehin erschwert, war der Z u g a n g zur Dozentur neben der Habilitation entscheidend von der ministeriellen Lehrbefugnis a b h ä n g i g . 7 7 An der Theologischen

Fakultät in Berlin verlor

1936

Lie.

Die-

trich Bonhoeffer, Privatdozent für Systematische T h e o l o g i e seit August 1 9 3 1 , wegen seiner bekenntniskirchlichen Aktivitäten seine Lehrbefugn i s 7 8 . Aus seinem L o n d o n e r Auslandspfarramt, das er seit M i t t e O k tober 1 9 3 3 versah, im F r ü h j a h r 1 9 3 5 zurückgekehrt, hatte Bonhoeffer die Leitung des Predigerseminars der Bekennenden Kirche in Finkenwalde übernommen. Er k o n n t e seine für das Wintersemester

1935/36

angekündigte Vorlesung über „ N a c h f o l g e " halten. N a c h einer Vorentscheidung des Reichswissenschaftsministeriums vom 2 9 . N o v e m b e r 1 9 3 5 sollte es ihm indes verwehrt sein, künftig neben der Tätigkeit an der Universität das Predigerseminar zu leiten, w o r a u f er verständlicherweise nicht verzichten wollte. Wegen Förderung bekenntniskirchlicher Aktivitäten, die schließlich 1 9 3 7 zur Relegierung von 2 9 Theologiestudenten in Berlin führten, 7 9 war Bonhoeffers Entfernung aus der Privatdozentur schon 1 9 3 6 auch von der Fachschaftsleitung der Theologischen Fakultät gefordert w o r d e n . S ü Bonhoeffer hat sein L e h r a m t an der Universität zu erhalten versucht, indem er den damals für aktive Hochschullehrer übli77.

U A Halle Rep. 2 7 , N r . 7 8 . Die Reichshabilitationsordnung vom 13. Dezember 1 9 3 4 setzte alle bisher geltenden Bestimmungen außer Kraft (§ 1 9 ) und fand auch auf die nach den bisherigen Bestimmungen Habilitierten sinng e m ä ß Anwendung (§ 2 0 ) . Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg mußte übrigens die Lehrbefugnis für Dozenten und nichtbeamtete außerordentliche Professoren erneut beantragt werden (Durchführungsbestimmung zu Abschmitt III der Reichshabilitationsordnung v o m 1 7 . Februar 1 9 3 9 ) . Wer bis 3 0 . September 1 9 3 9 einen entsprechenden Antrag auf Ernennung zum Dozenten neuer O r d n u n g nicht stellte, sollte seiner Lehrbefugnis verlustig gehen (Näheres: U A Halle, Rep 2 7 , N r . 7 9 ) .

78.

Theologische Blätter 1 5 ( 1 9 3 6 ) , Sp. 2 4 7 ; Eberhard Bethge, Dietrich Bonhoeffer, S. 5 8 4 - 5 8 7 : Entzug der Lehrbefugnis.

79.

H a r t m u t Ludwig, Theologiestudium in Berlin. Die Relegierung von 2 9 Theologiestudenten von der Berliner Universität, in: Theologische Fakultäten im Nationalsozialismus, S. 3 0 3 - 3 1 5 .

80.

B A Koblenz N L 2 4 8 / 8 6 , Bl. 9 3 f.(DiszpIinargericht Universität Kiel; 3 1 . J a nuar 1 9 3 8 ) . D a n a c h hat Bengt Seeberg namens der Fachschaft dem Reichswissenschaftsministerium nahegelegt, wegen Unruhe stiftender bekenntniskirchlicher Aktivitäten den Einfluß von Bonhoeffer, Dreß und Künneth auf

90

Politische Säuberungen "

chen großen politischen Fragebogen einreichte. 81 Darin enthaltene Fragen, ob er sozialistischen oder kommunistischen Vereinigungen oder einer Freimaurerloge angehört habe, konnte er ebenso verneinen, wie die Frage nach einem jüdischen Eltern- oder Großelternteil. Bei dem Ariernachweis wurde Bonhoeffer von seinem Schwager, dem Juristen Gerhard Leibholz, beraten, der als Nichtvollarier auf Grund des gleichen Nachweises sein Amt im Februar 1936 verlor. Ein Auslandsbesuch Bonhoeffers mit den Kandidaten seines Predigerseminars in Dänemark und Schweden vom 29. Februar bis 10. März 1 9 3 6 wurde Bonhoeffer als Verstoß gegen einen Erlaß des Reichswissenschaftsministeriums vom Juni 1935 ausgelegt, der die Genehmigungspflicht von Auslandsreisen für Dozenten vorschrieb. Auch sein Antrag vom 18. April 1936 um erneute Beurlaubung von seiner Dozentur konnte den drohenden Entzug der Lehrbefugnis nicht abwehren, der ihm am 5. August 1936 schriftlich mitgeteilt wurde. Als Begründung wurde angegeben, daß er noch immer das BK-Seminar leite, das es auf Grund der 5. Durchführungsverordnung des Gesetzes zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 2. Dezember 1935 gar nicht mehr geben dürfe. Auch habe er seine Schwedenreise, „wenn auch auf Einladung des Ökumenischen Ausschusses in Schweden", ohne Genehmigung des Ministers unternommen. Die Verdrängung Bonhoeffers von der Universität war bei seiner entschieden bekenntniskirchlichen Haltung unter den damaligen kirchenpolitischen Verhältnissen nahezu unvermeidlich. Daß er trotzdem versucht hat, „die Universitätsstelle eventuell auch mittels des Ariernachweises zu halten", galt ihm sicherlich überwiegend „als Notwendigkeit, um sich nicht von den Studenten abdrängen und aus einer weiteren Stelle des öffentlichen Lebens entfernen zu lassen". Es spielte dabei offenbar auch eine Rolle, daß sich die Haltung und Argumentation der Bekennenden Kirche seit 1933 leise zu verschieben begonnen hatte: „denn nun vertrat die Bekennende Kirche den Standpunkt und beriet die davon Betroffenen darin, daß man seinen Posten in staatlichen Amtern nicht mehr von selber räumen, sondern es besser auf Amtsenthebung ankommen lassen

81.

die Studenten zu unterbinden: „Bonhoeffer ist daraufhin entfernt worden". Die ebenfalls geforderte Ablösung der Privatdozenten Walter Künneth und Walter Dreß ( 1 9 3 7 / 3 8 ) sei (wegen Untätigkeit des Hochschulreferenten Mattiat) nur schleppend erfolgt. Folgendes nach Eberhard Bethge, Bonhoeffer, S. 5 8 4 - 5 8 7 .

Auswirkungen

des

Berufsbeamtengesetzes

91

sollte. Vielleicht kamen für Bonhoeffer erste Überlegungen in Richtung politischer Taktik in Sicht." 8 2 Als Bonhoeffer im Zweiten Weltkrieg bei der militärischen Abwehr des Admirals Canaris mit den bürgerlich-militärischen Widerstandskreisen in konspirative Verbindung kam und seine ökumenischen Kontakte nutzen konnte, zwang diese Entscheidung verstärkt zu taktischem Kalkül, Staatsloyalität nach außen zu simulieren und sich von öffentlichen Aktionen der Bekennenden Kirche fernzuhalten. Sein Weg in den aktiven politischen Widerstand hinein endete am 5. April 1943 mit seiner Verhaftung. Am 9. April 1945 wurde Bonhoeffer im KZ Flossenbürg zusammen mit dem Chef der militärischen Abwehr Wilhelm Canaris und anderen exekutiert. Von weiteren Fällen, die zum Entzug der Venia legendi führten, ist für Berlin noch der Kirchenhistoriker Lie. Walter Dreß zu nennen, der eine Zeitlang Professor an der Lutherakademie in Dorpat gewesen war. 1937 zunächst auf eigenem Antrag für ein Jahr beurlaubt, verlor er Frühjahr 1938 auf Grund § 1 6 der Reichshabilitationsordnung die Lehrbefugnis. Er stellte sich als Dozent der illegalen Kirchlichen Hochschule der Bekennenden Kirche in Berlin zur Verfügung; nach dem Kriege wirkte er als Professor mit Lehrauftrag an der Berliner Humboldtuniversität 83 . Auch Lie. Dr. Walter Künneth 1938 verlor seine Lehrbefugnis als Privatdozent an der Berliner Fakultät im Zusammenhang mit der dramatischen Schließung der Apologetischen Zentrale Dezember 1937, deren Leiter er war. Von der Gestapo mit Schreib- und Redeverbot für das ganze Reich belegt, wurde ihm seine Lehrtätigkeit unmöglich gemacht. Seine literarische Auseinandersetzung mit Rosenbergs „Mythus" und anderem antikirchlichen Schrifttum ließen ihn politisch untragbar erscheinen. Da er zum freiwilligen Rücktritt, zu dem ihn Dekan Stolzenburg, der ihn eigens aufsuchte, bewegen wollte, nicht bereit war, wurde im offiziellen Entlassungsschreiben des Ministeriums betont, die von ihm vertretenen Lehren seien „unvereinbar mit der Weltanschauung des Nationalsozialismus"; er sei „politisch unzuverlässig", seine offenkundige „Staatsfeindschaft" mache eine weitere Lehrtätigkeit unmöglich. Künneth, von bayerischen Landesbischof Meiser als Pfarrer nach Starnberg geholt, übernahm - nach dem Kriege zunächst weiter im Kirchen-

82.

Eberhard Bethge, Bonhoeffer, S. 5 8 5 .

83.

Theologische Blätter 16 ( 1 9 3 7 ) , Sp. 1 2 2 ; Junge Kirche 5 ( 1 9 3 7 ) , S. 6 5 4 ; 6 ( 1 9 3 8 ) , S . 3 1 1 ; Walter Dreß, Evangelisches Erbe; vgl. T h R 4 6 ( 1 9 8 1 ) , S . 3 9 0 .

92

Politische Säuberungen "

dienst tätig - nach dem Tode Werner Elerts 1954 dessen Lehrstuhl für systematische Theologie in Erlangen. 84 In Breslau hatte Lie. Dr. Hans Georg Haack, Pfarrer an der Pauluskirchgemeinde und Privatdozent für praktische Theologie, bereits Herbst 1 9 3 4 seine Lehrbefugnis an der Universität verloren. Ihm waren hitlerkritische Äußerungen in einer Versammlung der Religiösen Sozialisten vorgeworfen worden. 8 5 Lie. Edmund Schlink, nach dem Zweiten Weltkrieg ordentlicher Professor für Systematik und Ökumenische Theologie in Heidelberg, konnte während des Dritten Reiches trotz seiner Gießener Habilitation bald lediglich als Dozent an einer kirchlichen Ausbildungsstätte tätig werden. Ab Sommersemester 1935 an die Theologische Schule in Bethel berufen 8 6 , wirkte er nach deren Schließung 1 9 3 9 als Visitator der Bekennenden Kirche in Hessen-Nassau, seit 1941 als Pfarrer der westfälischen Kirche in Bielefeld, dazu als Studieninspektor. Der Entzug der Venia legendi traf 1 9 3 6 auch Lie. Peter Brunner, Pastor in Ranstadt bei Friedberg, seit 1 9 2 7 Privatdozent in Gießen. Wegen einer verbotenen Kanzelabkündigung gegen die neuheidnische Deutsche Glaubensbewegung im Frühjahr 1935 zusammen mit einigen anderen jungen Bekenntnisgeistlichen mehrere Wochen im K Z Dachau inhaftiert, wurde Brunner vom Rat der Bekennenden Kirche der altpreußischen Union 1 9 3 5 als Dozent für lutherische Dogmatik an die Theologische Schule in Elberfeld berufen, die Mitte Dezember 1 9 3 6 von der Gestapo offiziell aufgelöst, aber noch für einige Semester illegal ihre Arbeit fortführen konnte. Brunner blieb in verschiedenen Bekenntnisgremien des Rheinlandes durch seine theologische Mitwirkung aktiv. 8 7 Im Jahre 1 9 4 7 wurde er ordentlicher Professor für systematische Theologie in Heidelberg. Lie. Günther Bornkamm, neutestamentlicher Privatdozent an der Universität Königsberg seit 1934, hatte 1936 einen widerruflichen Lehrauftrag für Heidelberg erhalten. Wegen mangelnder universitärer Berufungschancen ließ er sich Anfang März 1 9 3 7 für zwei Jahre beur84. 85.

Vgl. Walter Künneth, Lebensführungen, S. 1 4 3 - 1 5 7 und passim. Theologische Blätter 13 (1934), Sp. 3 3 4 ; Vgl. Dietrich Meyer, Zur Geschichte der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Breslau, S. 163.

86. 87.

Junge Kirche 3 (1935), S. 4 3 3 . Junge Kirche 4 (1936), S. 3 9 7 ; vgl. Günther van Norden, Kirchliche Hochschule.

Auswirkungen des

Berufsbeamtengesetzes

93

lauben, um als D o z e n t an der Theologischen Schule in Bethel zu wirken. Wegen Teilnahme an einer kirchlich-theologischen Rüstzeit, die vom 2 8 . Februar bis 3 . M ä r z 1 9 3 7 in G u m b i n n e n (Ostpreußen) stattfand und zuerst als bekenntniskirchliches theologisches Wissenschaftslager geplant w a r , wurde ihm schließlich die Venia legendi litationsordnung)

entzogen. 8 8

(nach § 18 der Reichshabi-

D a s Reichswissenschaftsministerium hatte

schon M i t t e Februar mit Befremden zur Kenntnis genommen, d a ß er auf einer Veranstaltung mitwirke, auf der „der frühere Pfarrer Vischer, der wegen seiner staatsfeindlichen Gesinnung aus dem Dozentendienst bei der Theologischen Schule in Bethel im S o m m e r 1 9 3 3 ausscheiden mußte und seitdem im Ausland lebt, sowie der vom Staat gemaßregelte frühere D o z e n t Lie. I w a n d " als Referenten angekündigt waren. B o r n k a m m , der trotzdem an der Rüstzeit teilgenommen und den Eröffnungsgottesdienst gehalten hatte, rechtfertigte sich in der ihm abverlangten dienstlichen Erklärung mit Hinweis auf den rein kirchlichen C h a r a k t e r der Veranstaltung, deren ursprüngliches Programm außerdem abgeändert war: Pfarrer Wilhelm Vischer (Basel) und Professor M a r t i n N o t h (Königsberg) hielten ihre Vorträge nicht. Von einer staatlicherseits erfolgten Maßregelung Lie. Iwands, der an der G u m b i n n e r Rüstzeit teilnahm, sei ihm nichts b e k a n n t gewesen, da dessen Entlassung nach § 6 des Berufsbeamtengesetzes („Universitätsinteresse") keine Maßregelung des Betroffenen darstelle. B o r n k a m m betonte, er habe überdies schon früher - auch nach dem Ausscheiden Iwands aus seiner Königsberger Dozentur - im R a h men kirchlicher Veranstaltungen mit ihm zusammengewirkt, „ohne d a ß es mir verboten w u r d e " . 8 9 Der Heidelberger D e k a n Prof. O d e n w a l d versuchte, dem R e k t o r gegenüber B o r n k a m m s Verhalten mit notwendigen kirchlichen K o n t a k t e n wegen Ü b e r n a h m e einer kirchlichen Dozentur verständlich zu machen. In Heidelberg habe sich Günther B o r n k a m m auf W u n s c h des D e k a n s ganz zurückgehalten. Über seinen Aufenthalt im D o zentenlager habe er sich immer positiv geäußert: „ K ö n n t e man nicht so einen M a n n noch einmal eine derartige Kameradschaft erleben lassen, um so den Versuch zu m a c h e n , ihn für die Deutsche T h e o l o g i e noch fruchtbar werden zu l a s s e n ? " 9 0 Dieser Ausgleichsversuch w a r unwirk-

88. 89.

90.

Nach § 18 der Reichshabilitationsordnung konnte die Lehrbefugnis entzogen oder eingeschränkt werden, „wenn es im Universitätsinteresse geboten ist." UA Heidelberg H-I-349 (Schreiben Günther Bornkamms vom 18. August 1937). Dort auch weitere Korrespondenz zwischen Ministerium, Rektor und Dekan. UA Heidelberg H-I-349 (Dekan Odenwald an Rektor, 16. März 1937).

94

Politische Säuberungen "

sam und gegenstandslos zugleich. B o r n k a m m verlor die Lehrbefugnis; sie hätte nach der Beurlaubung bei R ü c k k e h r von Bethel an die Universität ohnehin neu beantragt werden müssen. N a c h der kirchenministeriell verfügten Schließung der Theologischen Schule Bethel im J a h r e 1 9 3 9 wurde G ü n t h e r B o r n k a m m Pfarrer in D o r t m u n d und M ü n s t e r . 9 1 N a c h dem Krieg wieder kurzfristig Dozent in Bethel und M ü n s t e r , wurde er 1 9 4 6 außerplanmäßiger Professor in Göttingen - 1 9 4 9 als Ordinarius für Neues Testament nach Heidelberg berufen. Lie. Karl Heinrich Rengstorf, seit 1 9 3 0 Privatdozent für Neues Testament in T ü b i n g e n , der 1 9 3 6 eine Lehrstuhlvertretung in Kiel wahrgen o m m e n und sich für Wiederbesetzung der personell weitgehend vakanten Fakultät durch eine D e n k s c h r i f t 9 2 eingesetzt und dadurch fakultätspolitisch zu sehr exponiert hatte, ging nach Entzug der Lehrbefugnis 1 9 3 7 als Konventualstudiendirektor ans hannoversche Predigerseminar in Kloster L o c c u m . 9 3 1 9 4 8 erhielt er einen neutestamentlichen Lehrstuhl in M ü n s t e r . Vereinzelt wurde auch a u f die Lehrbefugnis verzichtet, um einem Entzug zu entgehen. Die Lehrbefugnis als solche bot natürlich noch keine G e w ä h r einer Berufung zum Professor. Verschiedene

Lehrbeauftragte,

besonders wenn politische oder kirchenpolitische Gründe gegen ihre Berufung zu sprechen schienen, sind deshalb während des Dritten Reiches auch nicht ins Ordinariat gelangt. So zerschlug sich bei dem als Lehrstuhlvertreter für praktische T h e o logie zuerst in Erlangen, dann zeitweilig in Halle tätigen Privatdozenten Lie. Wolfgang Trillhaas im F r ü h j a h r 1 9 3 5 die schon eingeleitete Berufung in eine Professur aus kirchenpolitischen Gründen, obgleich der zuständige Hochschulreferent M a t t i a t ihm in einem Berufungsgespräch faktisch eine Zusage für den praktisch-theologischen Lehrstuhl in Halle gemacht hatte. Trillhaas wirkte seit Herbst 1 9 3 5 hauptamtlich als Pfarrer in Erlangen und vertrat an der Fakultät den praktisch-theologischen Lehrstuhl, dessen Neubesetzung erst nach Kriegsende möglich war. 1 9 4 6 nach Göttingen berufen, lehrte er dort seit 1 9 5 4 Systematik. 9 4 Dr. H a n s von C a m p e n h a u s e n , seit 1 9 2 8 Privatdozent in M a r b u r g und Göttingen, blieb vor 1 9 4 5 eine Berufung in das kirchengeschichtliche O r -

91.

Junge Kirche 5 ( 1 9 3 7 ) , S. 1 2 4 .

92.

Vgl. K a p . 1 3 . Z u r Berufungs- und Besetzungspolitik (Kiel).

93.

Theologische Blätter 1 6 ( 1 9 3 7 ) , Sp. 2 5 .

94.

Wolfgang Trillhaas, Aufgehobene Vergangenheit, S. 1 3 4 - 1 6 1 .

Auswirkungen

des

Berufsbeamtengesetzes

95

dinariat verwehrt. 9 5 Von der Heidelberger Fakultät 1936 als Nachfolger Walther Köhlers auf den kirchengeschichtlichen Lehrstuhl vorgeschlagen, scheiterte die Berufung im Frühjahr 1937 „nach eingehender Prüfung der Angelegenheit, die im Anschluß an den Einspruch des Stellvertreters des Führers stattgefunden hat". 9 6 Seit Herbst 1937 nahm er einen mehrmals verlängerten Lehrauftrag in Greifswald wahr und wurde seit Oktober 1939 zum Dozenten neuer Ordnung ernannt (unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf, ohne Recht auf Bewilligung von Diäten oder auf Berufung auf einen Lehrstuhl). Seit dem zweiten Trimester 1940 kündigte Hans von Campenhausen an der Theologischen Fakultät in Wien in Vertretung des Lietzmannschülers Hans Georg Opitz, der nach Kriegsausbruch eingezogen worden war und am 9. Juli 1941 an der Ostfront starb, kirchengeschichtliche Lehrveranstaltungen an, die er bis Kriegsende neben seiner Dienstverpflichtung in der Wehrmacht regelmäßig wahrnahm. 9 7 Auch bei Lie. Dr. Walther von Loewenich, seit 1931 Privatdozent in Erlangen, scheiterten Berufungsaussichten zwischen 1937 und 1940 in Basel, Breslau und Rostock. Ein nahegelegter Eintritt in die SA oder Partei kam für ihn nicht in Frage. Ebenso hatte er das Dozentenlager nicht besucht, das auch den bereits vor 1933 Habilitierten nachzuholen empfohlen wurde, um ihre Berufungschancen zu verbessern. In anderen Fällen, so bei seinen Freunden Wolfgang Trillhaas, Oskar Grether und Helmut Thielicke, deren Berufung in eine ordentliche Professur damals ebenfalls nicht zustande kam, hatte er die Nutzlosigkeit dieser Bemühungen festgestellt. Walther von Loewenich, der zunächst von einer Repetentur lebte, konnte als Privatdozent seine Lehrbefugnis dadurch erhalten, daß er 1935 als Studienrat für Religion am Lehrerinnenseminar Erlangen angestellt und gerade noch verbeamtet wurde. Diese feste Anstellung im Schuldienst in Erlangen ermöglichte es ihm, gleichzeitig weiterhin Lehrveranstaltungen an der Fakultät anzubieten. So sicherte er seine Venia legendi und wurde 1940 als nebenamtlicher außerplanmäßiger Professor neuer Ordnung in Erlangen ernannt und hat auch während des Krie-

95.

96. 97.

Hans v. Campenhausen wurde erst 1945 o. Professor für Kirchengcschichte mit Lehrauftrag für N e u e s Testament in Heidelberg. Vgl. Adolf Martin Ritter, H a n s von Campenhausen; ders., Die Heidelberger Kirchenhistoriker. Vgl. Adolf Martin Ritter, Die Heidelberger Kirchenhistoriker, S. 177 (Zit. aus Ministerialerlaß vom 14. Mai 1937). Ebd. S . 1 7 3 - 1 7 7 . Vgl. auch Kap. 12. Fakultätspolitische Ambitionen des Seeberg-Kreises.

96

Politische Säuberungen "

ges in Erlangen seinen Lehrauftrag wahrnehmen können. 1 9 4 6 wurde er als Ordinarius für Kirchengeschichte in die Erlanger Nachkriegsfakultät berufen. 9 8 Lie. Dr. Helmut Thielicke, 1 9 3 6 Privatdozent in Erlangen und kommissarischer Professor in Heidelberg, wurde weder in Heidelberg berufen noch in Erlangen, wo Mehrfachbesetzung der systematischen Theologie Berufungschancen ausschloß. Als Prof. Jelke, der wegen Beleidigung des Reichsstudentenführers Scheel längere Zeit suspendiert war, 1 9 3 9 seine Lehrtätigkeit wieder aufnahm, wurde Thielickes fast dreijähriger Lehrauftrag in Heidelberg vom Reichswissenschaftsministerium widerrufen. Eine Rückverweisung Thielickes nach Erlangen hielt Dekan Prof. Eiert wegen der dortigen Vierfachbesetzung der Systematik für ausgeschlossen." Thielicke wurde 1 9 4 0 Pfarrer in Ravensburg, von Landesbischof Wurm wurde ihm 1 9 4 2 das Theologische Amt der Württembergischen Landeskirche übertragen. Von dort aus gelangte er 1 9 4 5 auf den systematisch-theologischen Lehrstuhl in Tübingen und 1 9 5 4 in Hamburg. Für andere jüngere Theologen, deren Universitätskarriere der restriktiven Personalpolitik ganz zum Opfer fiel, haben die kirchlichen Ausbildungsstätten (Bethel; Elberfeld und Berlin) vorübergehend ein Refugium geboten. Allerdings wurde die Theologische Schule in Bethel im Jahre 1 9 3 9 geschlossen. Die bekenntniskirchliche „Hochschule für reformatorische Theologie" in Elberfeld und Berlin-Dahlem, beide unmittelbar nach ihrer Gründung im Herbst 1 9 3 5 von der Gestapo verboten, vermochten zwar, ihre Kurse noch eine Weile unter stark erschwerten Umständen illegal fortzusetzen; in Elberfeld innerhalb der Theologischen Schule, die allerdings Dezember 1 9 3 6 ebenfalls aufgelöst wurde. 1 0 0 Der Himmler-Erlaß Herbst 1 9 3 7 und schließlich der Prüfungsprozeß gegen die Bekennende Kirche 1 9 4 1 setzte auch diesen dezentralisierten, zuletzt nur noch sporadischen Aktivitäten bekenntniskirchlicher Pfarrerausbildung ein Ende.

98. 99.

Theologische Blätter 19 ( 1 9 4 0 ) , Sp. 2 7 . Näheres bei Walther von Loewenich, Erlebte Theologie, S. 1 4 5 ; 1 5 9 - 1 8 4 : Die Erlanger Fakultät im Dritten Reich.

UA Halle Rep. 27, Nr. 2 7 8 (aufschlußreich: Briefwechsel Helmut Thielicke mit Fakultätentagsvorsitzenden Hans Schmidt, Oktober 1 9 3 9 ) . Vgl. auch Leonore Siegele-Wenschkewitz, Theologische Fakultät, in: Semper Apertus, S.504-543. 1 0 0 . Vgl. Kap. 9. Kirchliche Ausbildungsstätten. Konkurrenz oder Alternative?

5. Evangelischer Fakultätentag und Reichskirchenreform

An den dramatischen Auseinandersetzungen um die Reichskirchenreform im Jahre 1933/34 haben sich die verschiedenen evangelischtheologischen Fakultäten durch Gutachten und Stellungnahmen wie auch durch persönliches kirchenpolitisches Engagement einzelner ihrer Vertreter beteiligt. Insbesondere hat sich auch der Evangelisch-Theologische Fakultätentag als ihr Vertretungsorgan eingeschaltet. Der Evangelisch-theologische Fakultätentag, an dem Vertreter der 17 evangelisch-theologischen Fakultäten in Deutschland zu in der Regel jährlichen fachinternen Tagungen zusammentraten, war aus den seit 1919 meist in Halle stattfindenden Zusammenkünften von Vertretern aller deutschen evangelisch-theologischen Fakultäten entstanden. Seit 1929 in Nachfolge von Prof. Wilhelm Lütgert vom Hallenser Alttestamentler Prof. Hans Schmidt 1 als Präsident geleitet, versammelte der Fakultätentag gewählte Delegierte der theologischen Fakultäten. Auch im Dritten Reich führte der Fakultätentag seine Tätigkeit fort. Allerdings wurde seine noch 1932 verbesserte Satzung, die sich der Fakultätentag 1926 gegeben hatte, Ende 1934 durch eine vom Reichswissenschaftsministerium oktroyierte Satzung ersetzt, die das Führerprinzip vorsah und die Verhandlungsgegenstände stärker der ministeriellen Vorgabe vorbehielt. Danach handelte es sich beim Fakultätentag mehr oder weniger nur noch um eine Zusammenkunft der Dekane oder ihrer Vertreter. Während dem Fakultätentag Erörterung und Beschlußfassung über fachspezifische Fragen der theologischen Fakultäten oblagen, wurden die seit 1925 in Aussicht genommenen, seit 1927 in Regie des Fakultätentages jeweils im Oktober 1927 in Eisenach, 1928 in Frankfurt a. M. und 1930 in Breslau durchgeführten Theologentage mit thematischen Programmen und unter Beteiligung aller Professoren und habilitierten Universitätstheologen während des Dritten Reiches nicht fortgeführt; be-

1.

Vgl. Gerhard Wallis, H a n s Schmidt ( 1 8 7 7 - 1 9 5 3 ) ; Akten zum EvangelischTheologischen Fakultätentag 1 9 3 1 - 3 4 : U A Halle Rep. 2 7 , Nr. 2 8 5 ; frühere Fakultätentage: Nr. 2 9 6 , 2 9 7 ; spätere (und einschlägig): Nr. 2 7 8 - 2 8 4 .

98

Εν. Fakultätentag und

Reichskirchenreform

reits der für 1 9 3 2 in Erlangen geplante T h e o l o g e n t a g k a m nicht mehr zustande. 2 W ä h r e n d die Beteiligung von Universitätstheologen an den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen später staatlicherseits als unerwünscht galt und 1 9 3 4 / 3 5 sogar ministeriell untersagt wurde, ist im F r ü h j a h r 1 9 3 3 ihre M i t w i r k u n g an der Reichskirchenreform durchaus erwartet worden, wie die Niederschrift der Verhandlungen des außerordentlichen Fakultätentages in Berlin a m 2 7 . April 1 9 3 3 zeigt. 3 Der Fakultätentagsvorsitzende Prof. H a n s Schmidt (Halle) sah sich im April 1 9 3 3 auch durch Anfragen der Professoren Erich Fascher und Waldemar M a c h o l z (beide J e n a ) , J o h a n n e s Hempel (Göttingen) wie auch Friedrich Baumgärtel (Greifswald) veranlaßt, einen

außerordentlichen

Fakultätentag nach Berlin einzuberufen. Die seit M ä r z 1 9 3 3 ins Werk gesetzte, durch die Reichstagung der Glaubensbewegung Deutsche Christen Anfang April 1 9 3 3 stürmisch vorangetriebene Reichskirchenreform ließ es geraten erscheinen, d a ß auch die Universitätstheologie zu den kirchenpolitischen Veränderungen Stellung nahm. H a n s Schmidts Postkript zum Einladungschreiben vom 5 . April 1 9 3 3 an die Fakultäten verwies auf den verschiedentlich dringend geäußerten W u n s c h , unverzüglich einen außerordentlichen Fakultätentag abzuhalten, der für den 26.127.

April

1 9 3 3 nach Berlin einberufen wurde. Es sei Stellung zu nehmen zu dem „in der Presse auftauchenden Gedanken einer Lösung der theol. Fakultäten von den Universitäten, sowie gegenüber Problemen, die die Reichstagung der Deutschen Christen stellt". 4 Ernst Sellin, Alttestamentier in Berlin, g a b auf diesem Fakultätentag einen Bericht zur Kirchenfrage. Die Glaubensbewegung Deutschen Chri2.

UA Erlangen Nr. 331 (Schreiben des Vorsitzenden Prof. Hans Schmidt an die Theologischen Fakultäten vom 18. Juli 1932). Der bereits für Herbst 1 9 3 2 in Erlangen geplante Theologentag wurde verschoben, aber auch im Herbst 1933 nicht abgehalten. Ein Theologentag fand zwischen 1 9 3 3 und 1945 überhaupt nicht statt. Die von den evangelisch-theologischen Fakultäten der deutschsprachigen Schweiz (Zürich, Basel und Bern) gewünschte Beteiligung am Evangelisch-Theologischen Fakultätentag kam während der Zeit der Weimarer Republik nicht zustande. Die evangelisch-theologische Fakultät Wien war auf dem Fakultätentag in Halle (Saale) am 25.126. Oktober 1 9 3 2 nicht vertreten. Nach dem politischen Anschluß Österreichs an Deutschland im April 1 9 3 8 intensivierte sich der Kontakt.

3.

UA Göttingen Nr. 140/2; UA Bonn Fakultätentag (Verhandlungsniederschrift a.o. Fakultätentag in Berlin, 27. April 1933). UA Göttingen Theol. Fak. Nr. 146.

4.

Εν. Fakultätentag

und

Reichskirchenreform

99

sten hätte einen bisher nicht klar erkennbaren Zusammenhang mit der NSDAP. Eine positive Stellungnahme des Fakultätentages zu den Deutschen Christen sei unter Zurückweisung aller Bedenken notwendig. Sellin bat ausdrücklich darum, „daß sich auch die Dozenten an der Kirchendebatte beteiligen". Etwas unbestimmt hieß es im Protokoll: zentralerseits werde darauf gewartet; konstruktive Anregungen aus Fakultätskreisen für die Reichskirchenreform würden durchaus berücksichtigt. Offensichtlich entsprach das einer Anregung aus Kreisen des preußischen Kultusministeriums. Auch Prof. Georg Wobbermin (Göttingen), der urlaubshalber am Fakultätentag nicht teilnehmen konnte, teilte seinem Göttinger Dekan Prof. Emanuel Hirsch mit, die Fakultät möge doch dafür eintreten, „daß der Fakultätentag sich für eine evangelische Reichskirche im Sinne der Reformation Luthers einsetze". Da Versuche zur Schaffung einer evangelischen Reichskirche, die einen noch engeren Zusammenschluß der im Deutschen Evangelischen Kirchenbund von 1 9 2 2 zusammengefaßten 2 8 evangelischen Landeskirchen zum Ziele hatten, von verschiedenen Seiten betrieben würden, müßten die Fakultäten das Ihre dafür tun, „daß der Versuch rein sachlich nach M a ß g a b e der Grundintention der Reformation erfolge" 5 . Für die Fakultäten sei die Anerkennung des preußischen Kirchenvertrages von 1 9 3 1 „feste Grundlage", betonte Prof. Sellin in seinem Bericht 6 . Er verwies auch darauf, daß der Königsberger Wehrkreispfarrer Ludwig Müller Mitte April 1 9 3 3 Vertrauensmann Hitlers in Fragen der evangelischen Kirche geworden war. Durch Wehrkreispfarrer Ludwig Müller, bisher auch Provinzialleiter der ostpreußischen Deutschen Christen, wie auch besonders durch den Reichsleiter der Glaubensbewegung Deutsche Christen Pfarrer J o a c h i m Hossenfelder, der damals kurzfristig in beratender Funktion in das preußische Kultusministerium berufen wurde, befürchtete man deutschchristlichen Einfluß auf die Hochschulpolitik, den es zu unterbinden oder wenigstens abzuschwächen gelte. Sellin meinte: „In Universitätsangelegenheiten wird die neue Zeit nicht hineinreden, darum positive Stellung zur neuen Z e i t . " In der Debatte wurde in der Hauptsache zu den Fragen der bevorstehenden Reichskirchenreform und ihren Auswirkungen auf die Fakultäten Stellung genommen. Während der Vorsitzende Hans Schmidt zu bedenken gab, eine etwaige Aufgliederung lutherischer und reformier5. 6.

UA Göttingen Theol. Fak. Nr. 1 4 0 . UA Göttingen Theol. Fak. Nr. 1 4 0 / 2 .

100

Εν. Fakultätentag und

Reichskirchenreform

ter Kirchen könne die Schaffung reformierter Fakultäten im Gefolge haben, gab sich der Berliner Neutestamentier und Okumeniker Prof. Adolf Deißmann davon überzeugt, das preußische Kultusministerium werde kaum von sich aus an die Fakultäten rühren. Für den Breslauer Alttestamentler Prof. Anton Jirku war unklar, ob während der Weimarer Zeit abgeschlossene Kirchenverträge durch die bevorstehende Reichskirchenreform irgendwie tangiert würden. Prof. Hans Lietzmann, der neben Erich Seeberg in Berlin die Kirchengeschichte vertrat, zeigte sich in der Debatte besorgt, daß Staatseingriffe drohen könnten, wenn die Kirche nicht bald von sich aus die Reformen vornehme. Der Göttinger Alttestamentler Prof. Johannes Hempel gab zu erwägen, ob man die theologische Studentenschaft noch in der Hand habe, wenn neue Erregung durch die bevorstehende öffentliche Bücherverbrennung am 10. Mai in Universitätsstädten drohe, zu der der Kampfausschuß der „Deutschen Studentenschaft" aufgerufen hatte, um „undeutsche" Autoren zu verfemen. Prof. Georg Beer, Alttestamentler in Heidelberg, meinte zwar, das Verhältnis zu den Studenten sei gut, doch seien Einflüsse von Nichttheologen möglich, was zu Spannungen und Konflikten führen könne. Im übrigen sei die Heidelberger Fakultät durch den Kirchenvertrag mit dem Land Baden vom 14. November 1932 geschützt. Und das „Eindringen in die Bibliotheken am Verbrennungstag" von studentischer Seite galt ihm als unwahrscheinlich. Prof. Wilhelm Lütgert (Berlin) wies auf den Fall des Berliner Psychologen Prof. Eduard Spranger hin, gegen den nationalsozialistische Studententumulte inszeniert worden waren: das zeige die Gefahr, wie „unzulässiger Druck von der Masse" ausgehen könne. 7 Neben der Sorge um Ruhe und Ordnung an den theologischen Fakultäten blieben auf dem Fakultätentag auch Bedenken über die ge7.

Vgl. Eduard Spranger, Mein Konflikt mit der Hitlerregierung 1 9 3 3 (Auszug bei Kalischer, Universität, S. 2 1 9 f.). Staatspolitisch besorgt über tumultuarische Vorgänge zeigt sich der Erlaß des preußischen Kultusministers Rust an die preußischen Studentenschaften vom 2. Mai 1 9 3 3 , der zur Disziplin auffordert (Kalischer, Universität, S. 2 2 6 f.): „Eine Umgestaltung der Lehrkörper ist Aufgabe der Staatsregierung." Warnend und zugleich beschwichtigend hieß es: „Ich werde Studenten, die sich zu störenden Aktionen an den Hochschulen mißbrauchen lassen, ebenso vom Hochschulstudium ausschließen, wie ich Lehrer, die unser deutsches Hochschulwesen und damit das neue Deutschland vor der Welt durch unzeitgemäße und unberechtigte Erklärungen denunzieren, nach den Bestimmungen des Gesetzes zum deutschen Berufsbeamtentum von den Lehrstühlen der preußischen Hochschulen zu entfernen wissen werde."

Εν. Fakultätentag

und Reichskirchenreform

101

genwärtige staatliche und kirchliche Entwicklung nicht unausgesprochen. So hielt Hermann Mulert (Kiel), theologisch stark liberal und politisch der Deutschen Demokratischen Partei verpflichtet, ein „Wort der Warnung" des Fakultätentages wegen möglicherweise drohender konfessioneller „Zerschlagung der altpreußischen U n i o n " für erforderlich. Er erinnerte auch „an die zum Schweigen gezwungenen abseits stehenden Kreise des Volkes, die Sozialdemokraten und Kommunisten, die auch jetzt noch zu ihrer Partei stehen. Auch sie bedürfen der Kirche und gehören zur Volkskirche." Der kurz darauf - Mitte M a i 1 9 3 3 - verstorbene praktische Theologe Friedrich Mahling (Berlin), der eng mit der Inneren Mission liiert war, meinte: „Sehr viele warten auf ein Wort der Kirche oder der Fakultäten gegen das, was jetzt an Unrecht geschieht." Das Protokoll vermerkt noch von Mahlings Beitrag: „Die Kirche müßte auf Unterstützung durch den Staat verzichten, um die Freiheit des Geistes, der Kultur und Verkündigung zu retten. Hat sie noch die Freiheit, zu reden?" Dagegen fragte Prof. Jirku, ob die Kirche noch das moralische Recht habe, um gegen heute geschehenes Unrecht aufzutreten. Sie stehe heute unter dem Gericht Gottes und müsse es tragen. Der Kirchenhistoriker Prof. Hermann Wolfgang Beyer (damals noch Greifswald), aktiv auch im Gustav-Adolf-Verein tätig, 1 9 3 3 / 3 4 vorübergehend in die Reichskirchenregierung einbezogen, beschwichtigte und mahnte zum politischen Engagement: Die Begleiterscheinungen der nationalen Bewegung gäben den Theologen kaum das Recht, sich so kritischaversiv zu verhalten: „Wo ist denn unser Evangelium angetastet?" Es gäbe zwei Wege: den Weg der Trennung vom Staat und des Martyriums und den Weg „Kirche im nationalsozialistischen S t a a t " . Einen dritten Weg gebe es nicht. Die Kirche müsse in den Staat hineingehen. Kirchenpolitisch brauche man neben der Uberleitung des unter dem altpreußischen Kirchenpräsidenten Hermann Kapler stehenden Dreiergremiums des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes eine geistliche Führung, die das Vertrauen der „Deutschen Christen" besitze. Prof. Wilhelm Lütgert, bis 1 9 2 9 als Präsident des Evangelisch-Theologischen Fakultätentages Vorgänger von Prof. Hans Schmidt, betonte die Einigkeit im Nationalen, befürwortete die Deutsche Evangelische Kirche, lehnte aber staatskirchliche Tendenzen ab. Auch sonst sprachen sich verschiedene Professoren positiv für die Glaubensbewegung „Deutsche Christen" aus. Dabei setzte der Berliner Missionswissenschaftler Prof. Julius Richter auf die gemäßigte Richtung der Deutschen Christen, die jetzt die Oberhand gewinne. Auch der Staatseingriff in Mecklenburg durch radikale völkische Kreise, die in-

102

Εν. Fakultätentag und

Reichskirchenreform

des nichts direkt mit den dortigen Deutschen Christen zu tun hatten, sei durch die von Hitler verfügte Restituierung des Mecklenburger Landesbischofs Heinrich Rendtorff rückgängig gemacht, was damals vertrauenserweckend gegenüber Hitlers Kirchenpolitik bei den betroffenen Kirchengremien wirkte und - wie hier ersichtlich - auch Außenstehende beeindruckte. Prof. Jirku (Breslau) wünschte, daß Wehrkreispfarrer Ludwig Müller stärker unterstützt würde, der Kontakt zu dem kirchenoffiziellen Dreierausschuß Kaplers suchte. Prof. Johannes Witte (Berlin), der später wegen seiner zunächst nicht bekannten Logenzugehörigkeit Probleme bekam, erklärte, er sei Mitglied bei der Glaubensbewegung DC; Mitarbeit bei den Deutschen Christen sei erwünscht. Er wollte auch wissen, ob SPDZugehörigkeit zur Absetzung führen könne. Ein vom Dekan der Bonner Fakultät (damals noch Prof. Gustav Hölscher) übersandter Antrag, der Fakultätentag möge für die durch das Berufsbeamtengesetz vom 7. April 1933 damals bereits suspendierten Professoren Günther Dehn und Paul Tillich eintreten, wurde vom Vorsitzenden Hans Schmidt mit Zustimmung der Versammlung nicht debattiert. Einen Wiedereintritt Dehns in seine Professur hielt man angesichts der Situation für unmöglich. Für Tillich, der als Professor an der Universität Frankfurt nicht Mitglied einer Theologischen Fakultät sei, galt der Fakultätentag selbst als nicht zuständig und könne daher zunächst nichts unternehmen. Doch seien „nachdrückliche Bemühungen an anderer Stelle bereits mit Aussicht auf Erfolg eingeleitet": eine Hoffnung, die sich indes nicht erfüllte. Witte meinte noch: es sei gut gewesen, daß die Kirche zum Boykott jüdischer Geschäfte Anfang April geschwiegen habe, da sonst die Wirkung auf das Ausland verheerend gewesen wäre. Die Kirche müsse die Schuld des Volkes hier mittragen. Prof. Emanuel Hirsch, von 1 9 3 2 bis 1 9 3 9 Dekan der Göttinger Theologischen Fakultät, gab seine Absicht kund, Mitglied bei den Deutschen Christen zu werden und verwies auf die ihm gegebenen Vollmachten seiner Göttinger Fakultät zum Handeln, nicht zum Debattieren. Prof. Friedrich Gogarten (damals noch Breslau), der im Sommer 1933 vorübergehend eine deutschchristlich orientierte Pfarrergruppe in Schlesien gründete, verwies auf den realen Umbruch, der theologisches Handeln fordere: beim Nationalsozialismus handele es sich nicht um Stimmungen, sondern um eine auch sonst beobachtbare „Umwälzung der Ordnung". Er warnte vor Irrlehre und davor, „daß die Straße in der Kirche regiert". Wie andere auch betonte er, den Studenten müsse ihre Verantwortung klargemacht werden. Daß die Studenten von ihren

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Reichskirchenreform

103

akademischen Lehrern politisch und kirchenpolitisch Orientierungshilfen bekämen, galt allgemein als unverzichtbar. In der Frage, o b man sich mit einem Wort an die Öffentlichkeit wenden solle, blieben allerdings die Meinungen geteilt: Prof. Hans v. Soden, damals Dekan der Marburger Theologischen Fakultät, später auch Vertrauensmann der theologischen Hochschullehrer, die der Bekennenden Kirche angehörten, hielt die Voraussetzungen für ein öffentliches politisches Wort nicht für gegeben. Noch am ehesten möglich sei ein theologisches Wort zur Sache: „Ein vorbehaltloses Bekenntnis zur gegenwärtigen Umwälzung gibt es nicht für Theologen. Kann man sagen: das Evangelium ist nicht angetastet?" Er wies auf die Entwürdigung der Taufe hin, der im Berufsbeamtengesetz faktisch geringere Bedeutung als der Kriegsteilnehmerschaft zuerkannt sei, weil Ausnahmen vom Arierparagraphen nur durch die Frontkämpferklausel vorgesehen waren, christliche Konfessionszugehörigkeit aber unberücksichtigt blieb. Fakultätspolitisch müsse man für das Verbleiben der theologischen Fakultät an der Universität eintreten und die Notwendigkeit des Führergedankens betonen. M a n unterschätze die konfessionellen Unterschiede, da hinter dem Lutheraner Wilhelm Zoellner, der als westfälischer Generalsuperintendent a. D. damals für eine lutherische Reichskirche und ein starkes Bischofsamt eintrat, auch starke Kreise stünden. Hermann Kapler als Präsident des altpreußischen Oberkirchenrates sei zur Zeit am besten legitimiert, die notwendigen Verhandlungen in puncto Reichskirchenreform zu führen. Es bleibe zu fragen: „Was ist eigentlich der Nationalsozialismus. Was wollen die Deutschen Christen konkret. Wo sind die guten Elemente der Pfarrerschaft? Jeder wünscht, daß Hitler Erfolg hat. Aber wir machen Kirchengeschichte und die geht nach der politischen Umwälzung weiter." Soweit die Protokollnotiz über den Gesprächsbeitrag v. Sodens. Der Alttestamentler Johannes Hempel pflichtete seinem Göttinger Dekan Prof. Hirsch im Blick auf dessen positive Beurteilung der theologischen Jugend bei. M a n müsse sich in der evangelischen Kirche den gegenwärtigen Methoden anpassen, aber die Gefahr einer radikalen Lösung meiden. In seiner Landeskirche Hannover würden sonst lutherische Gemeinden zur Freikirche abdriften. Persönliche Fühlungnahme mit den Deutschen Christen sei wünschenswert; man müsse die Männer unterstützen, die im Kaplerausschuß Vollmachten des Kirchenbundes übertragen bekommen hatten, meinte Prof. Ernst Sommerlath (Leipzig), der sich als konservativer Lutheraner richtungspolitisch zurückhielt, im übrigen aber eine gemeinsame Erklärung an die Studenten für wünschens-

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Εν. Fakultätentag und

Reichskirchenreform

wert erachtetej »die besagt, daß wir tätig mitarbeiten an der nationalen Bewegung". Der praktische Theologe Prof. Alfred Dedo Müller (Leipzig), in der Weimarer Zeit stark vom pazifistischen Versöhnungsbund bestimmt, trat ebenfalls dafür ein, daß sich der Fakultätentag auf eine Erklärung einige: „Wir dürfen eine Uneinigkeit nicht vor die Gemeinden bringen, die von uns klare Weisung erwarten." Im übrigen benannte er die Notwendigkeit der Apologie des Christentums gegenüber den Nationalsozialisten, deren Fragen wir als Theologen zu beantworten hätten (Fragen des Alten Testaments, des Dogmas und des Bekenntnisses). Er berichtete „über Ergebnisse einer Diskussion zwischen völkischen Christen und Theologen in 12 Punkten" in Leipzig. Es müsse deutlich werden, was eine substanzhafte Kirche, die von ihrer Sache überzeugt sei, dem Staat gegenüber leisten könne. Der Kirchenhistoriker Prof. Heinrich Bornkamm (damals noch Gießen, seit 1935 in Leipzig) verlangte ein klares Wort an die Studenten. Wenn im übrigen der Impuls der Deutschen Christen als „religiöse Bewegung", für die er sich 1933 vorübergehend einsetzte, versande, wisse man nicht, wo man kirchlich stehe. Auch die Gefahr kirchlicher Fakultäten wurde von ihm beschworen; Studienreform sei notwendig. Von den Fakultäten müsse die Initiative dafür ergriffen werden, wie man die Theologen in die Volksgemeinschaftsarbeit eingliedern könne. Exemplarisch wies Bornkamm auf das Beispiel seiner Landeskirche Hessen hin: hier werde der Arbeitsdienst durch die Kirche religiös betreut, während anderswo der NS-Lehrerbund die Sache in die Hand genommen habe. Auch die Arbeit an einem neuen Bekenntnis galt als erforderlich. Prof. Erich Fascher berichtete über Thüringen und Jena, ohne daß das Protokoll Näheres vermerkt. Für ein aktives fakultätspolitisches Handeln trat Prof. Joachim Jeremias ein. Sein Votum, man solle nicht auf außertheologische Kreise warten, war offenbar in dem Sinne gemeint, sich die Initiative nicht aus der Hand nehmen zu lassen. Im Studienplan sei germanische Religion stärker zu betonen. Der für die Hochschulen anstehende „numerus clausus" bringe allerdings, was die Neuimmatrikulation der Studenten betreffe, die „Gefahr, daß wir ohne unser Zutun nur gesiebtes Material bekommen". Betont aktivistisch gab sich auf diesem Fakultätentag der Tübinger Alttestamentler Artur Weiser. Er bezeichnete sich als zur Mitarbeit entschlossen, damit sich die NS-Bewegung in den Rahmen der Kirche einfüge: „Entweder bleiben wir im Stand der Beobachtung für die nächsten Wochen. Oder der Professor arbeitet als Führer mit." Im Sinne dieser Verkirchlichungstendenz unterstützte er den bereits

Εν. Fakultätentag und Reichskirchenreform

105

von H e r m a n n Wolfgang Beyer genannten Antrag D e i ß m a n n s , den praktischen T h e o l o g e n Prof. Karl Fezer (als Vertrauensmann des Fakultätentages) einzusetzen, namens der T ü b i n g e r Fakultät nachhaltig. Z u r Einsetzung eines Arbeitsausschusses aus einzelnen, auf dem Fakultätentag zu benennenden Theologieprofessoren, die der Vorsitzende des Fakultätentages H a n s Schmidt bereits zu Beginn angeregt hatte, kam es indes nicht. Dieser Ausschuß hatte der Kirche wie dem Staate bei theologischen Fragen der Kirchenreform (besonders im Blick auf die Bekenntnisfrage) beratend zur Verfügung stehen sollen. N a c h längerer Debatte über die kirchliche Situation des Frühjahrs 1 9 3 3 wurde ein von Hirsch etwas modifizierter Antrag D e i ß m a n n s a n g e n o m m e n , den Hermann Wolfgang Beyer bereits vorgebracht hatte. D a n a c h beauftragte der Fakultätentag einstimmig seinen Vorsitzenden H a n s Schmidt, als „Vertrauensmann des Theologentages in den zu lösenden K i r c h e n f r a g e n " den praktischen T h e o l o g e n Prof. Karl Fezer (Tübingen) heranzuziehen. Fezer sollte sich den mit der Reichskirchenreform befaßten kirchlichen und staatlichen Institutionen zur Verfügung stellen 8 . Unter Fezers M i t w i r k e n entstanden die neuen Richtlinien der Deutschen Christen vom 1 6 . M a i 1 9 3 3 , die auf eine entsprechende Vorlage des gemäßigten ostpreußischen Flügels der Glaubensbewegung Deutsche Christen unter Wehrkreispfarrer Ludwig M ü l l e r zurückgingen, aber entsprechend überarbeitet waren. Im Unterschied zu den radikalen Hossenfelderschen Richtlinien der Glaubensbewegung D C vom J u n i

1932

fanden die „Fezerschen R i c h t l i n i e n " auch in Kreisen der neu entstandenen „Jungreformatorischen B e w e g u n g " eine gewisse Anerkennung. In ihrer mehr vermittelnden Art boten sie sich jedenfalls als Grundlage für kirchenpolitische Verhandlungen an, die jetzt im Interesse einer breiteren Basis für die Kirchenreform zu führen w a r e n 9 . A m 1 2 . Juni 1 9 3 3 trat ebenfalls in Berlin ein weiterer außerordentlicher Fakultätentag zusammen. Das Einladungsschreiben vom 1. J u n i 1 9 3 3 sah als einzigen Tagungsordnungspunkt die „Erörterung der Kirc h e n f r a g e " v o r 1 0 . Alle Fakultäten außer Wien waren vertreten. In der strittigen Reichsbischofsfrage wurde folgender Beschluß g e f a ß t : 1 1 8. 9. 10. 11.

„Der

UA Göttingen Nr. 140/2; UA Erlangen (Vorsitzender des Fakultätentages an die Dekane vom 6 . Juli 1933). Vgl. Kurt Dietrich Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 1, S. 143 f. UA Göttingen Nr. 140/2. UA Bonn 33: Fakultätentag (Schreiben des Vorsitzenden an die Dekane vom 6. Juli 1933).

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Εν. Fakultätentag und

Reichskirchenreform

Fakultätentag k a n n es nicht als seine Aufgabe ansehen, in der Frage der Person des Reichsbischofs einen Beschluß zu fassen. In dieser Frage folgen die Fakultäten und ihre einzelnen Mitglieder verschiedenen Uberzeugungen." Unbeschadet der unterschiedlichen M e i n u n g e n , die im Fakultätentag in der Frage der Person des Reichsbischofs bestanden, wurde Prof. Fezer das volle Vertrauen ausgesprochen. M a n bat ihn, „in Fühlung mit den entscheidenden Stellen und Persönlichkeiten des Staates und der Kirche seinen Auftrag weiterzuführen." Bei der Debatte über die beiden Reichsbischofskandidaten wurde auf dem Fakultätentag ein Konsens nicht erzielt: weder für Pastor Friedrich v. Bodelschwingh (Bethel), den die „Jungreformatorische B e w e g u n g " unter M a r t i n Niemöller, H a n n s Lilje, Walter Künneth, Karl Bernhard Ritter u. a. unterstützte, noch für den durch die Deutschen Christen massiv favorisierten Wehrkreispfarrer Ludwig M ü l l e r (Königsberg). D a s war bei der konträren Einstellung theologischer Hochschullehrer, die nicht selten auch für die betreffende Fakultät charakteristisch sein mochte, nur zu verständlich. So hatte beispielsweise Emanuel Hirsch als D e k a n der T h e o logischen Fakultät Göttingen, der sich auch in der Folgezeit prononziert auf die Seite Ludwig Müllers stellte, eine ihm zugegangene Erklärung der M a r b u r g e r Theologieprofessoren zugunsten der Reichsbischofskandidatur Bodelschwinghs mit dem Bemerken an das preußische Kultusministerium weitergeleitet: die hier zutagetretende Propaganda erscheine ihm völlig untragbar und sei mit den Pflichten eines Staatsbeamten unvereinbar. H a b e doch Hitler die Wahl Bodelschwinghs zum Reichsbischofskandidaten als rechtsttnverbindlich (also nicht verbindlich!) und die kirchliche Entwicklung störend bezeichnet 1 2 . Auf Vorschlag Fezers wurde der R o s t o c k e r Systematiker Prof. Friedrich Brunstäd um seine M i t a r b e i t gebeten. Der Beschluß wurde einstimmig bei zwei Stimmenthaltungen (Berlin und Erlangen) gefaßt. Neben Fezer, der für seine Berliner Aktivitäten vom R e k t o r der Tübinger Universität Urlaub erbeten hatte, nahmen auch H a n s Schmidt als Vorsitzender des Fakultätentags und Brunstäd K o n t a k t mit den kirchenpolitischen Exponenten in Berlin auf. H a n s Schmidt hatte schon a m 1 7 . J u n i 1 9 3 3 dem Reichsbischofskandidaten Pastor Friedrich v. Bodelschwingh nahegelegt, „ d a ß er unter Verzicht auf die angefochtene Bischofswürde sich lediglich auf seine Beauftragung mit der Herstellung der Kirchenverfassung beschränke und in dieser Eigenschaft die Verhandlungen auch mit 12.

UA Göttingen Theol. Fak.Nr. 1 4 0 / 2 (Schreiben Hirschs vom 2 0 . Juni 1 9 3 3 an den Kurator).

Εν. Fakultätentag

und Reichskirchenreform

107

dem Beauftragten des Reichskanzlers wieder a u f n e h m e " 1 3 . Da Wobbermin eine von 2 0 Universitätstheologen unterschriebene Bitte an den designierten Reichsbischof v. Bodelschwingh gerichtet hatte, er möge auf den Reichsbischofstitel vorerst verzichten, versuchte Hans Schmidt, die Aktion Wobbermins in der Reichsbischofsfrage im Gespräch mit Bodelschwingh als nicht persönlich gemeint zu entschärfen. Andererseits hatte Prof. Brunstäd bereits am 19. Juni 1 9 3 3 Kontakt zu Wehrkreispfarrer Müller aufgenommen. Fezer berichtete dem Fakultätentag von seinen Verhandlungen mit den Pfarrern Walter Künneth, Walter Jeep und Martin Niemöller als Führern der am 9. M a i 1 9 3 3 konstituierten „Jungreformatorischen Bewegung". Die Beratungen seien zufriedenstellend verlaufen. Fezer verhandelte auch mit den Kirchenführern, die in Eisenach versammelt waren. Dabei bemühte er sich offensichtlich auch darum, unliebsame Auswirkungen des Staatskommissariats August Jägers und seiner Kirchenkommissare zu begrenzen und zu entschärfen. Auch in die Verhandlungen um die Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche schaltete sich Fezer ein. Vom Fakultätentag aus versuchte Hans Schmidt seinerseits beruhigend auf die Fakultäten einzuwirken. Eine besondere Kundgebung zur Kirchenfrage seitens der Theologischen Fakultäten oder gar eine Neuformierung des Fakultätentags hielt Fezer damals nicht für erforderlich. Zunächst waren die Aktivitäten des Evangelisch-Theologischen Fakultätentages zugunsten der Reichskirchenreform durchaus im staatlichen Interesse gewesen. Aus den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen, die durch die deutschchristliche Bewegung im Raum der evangelischen Kirche ausgelöst wurden, versuchte der neue preußische Kultusminister Bernhard Rust jedoch, die theologischen Fakultäten herauszuhalten. Schon während der Verhandlungen um die Reichskirchenverfassung Anfang Juli 1 9 3 3 legte nunmehr das Kultusministerium auf eine völlige Zurückhaltung der Fakultäten und einzelner Hochschullehrer im Kirchenstreit großen Wert. Öffentliche Äußerungen in der Kirchenfrage bedürften der vorherigen Fühlungnahme mit dem Vorsitzenden des Fakultätentages und durch ihn mit dem Kultusministerium, hatte Prof. Hans von Soden bei einer dienstlichen Besprechung in Berlin erfahren. Wegen der Schwierigkeiten öffentlicher Stellungnahme zur Kirchenfrage teilte denn auch der Dekan der Erlanger Fakultät Prof. Hermann Strathmann dem Vorsitzenden des Fakultätentags Hans Schmidt mit, 13.

U A Göttingen Theol. Fak. N r . 1 4 0 / 2 (Schreiben H a n s Schmidts als Vorsitzender des Fakultätentags vom 6. Juli 1 9 3 3 an die Dekane).

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Εν. Fakultätentag und

Reichskirchenreform

d a ß er den geplanten T h e o l o g e n t a g O k t o b e r 1 9 3 3 in Erlangen für nicht durchführbar halte. Ein T h e o l o g e n t a g könne dem gegenwärtig brisanten T h e m a „Kirche und S t a a t " nicht ausweichen; eine Erörterung dieser Frage erscheine aber „wegen der völligen Undurchsichtigkeit der Lage nicht angezeigt". So wurde der T h e o l o g e n t a g schon jetzt abgesagt; ein Fakultätentag - voraussichtlich für Halle - wurde für die letzte O k t o berwoche 1 9 3 3 in Aussicht g e n o m m e n , fand aber dann doch nicht statt. Die virulente kirchenpolitische Lage nach dem Sportpalastskandal der Deutschen Christen am 1 3 . N o v e m b e r 1 9 3 3 hätte in der unmittelbaren Folgezeit n o c h m a l s die Einberufung eines außerordentlichen Fakultätentages nahegelegt. D o c h k a m es nicht mehr zu einem weiteren Z u sammentreten des Fakultätentages: der preußische Kultusminister Rust hat bereits am 1 3 . J a n u a r 1 9 3 4 warnend darauf hingewiesen, eine Beteiligung an Protesten gegen den „ M a u l k o r b - E r l a ß " des Reichsbischofs M ü l l e r von Anfang J a n u a r , w o m i t dieser seine kirchlichen Kritiker und Gegner mundtot zu machen suchte, sei mit den Pflichten eines Beamten der preußischen Unterrichtsverwaltung nicht vereinbar. Der breite innerkirchliche Widerspruch gegen diesen Erlaß, an dem sich auch Universitätstheologen beteiligten, sollte so für den Hochschulbereich unterbunden w e r d e n 1 4 . Es ist bemerkenswert, d a ß dieses Verbot nicht einfach hingenommen wurde, sondern auch aus Kreisen der theologischen Fakultäten Widerspruch erfuhr. Die Greifswalder Erklärung, die allen Kollegen reichsdeutscher Fakultäten zuging und insgesamt 7 2 Unterschriften erzielte, zeigt das. 1 5 Diese Verordnung des Reichsbischofs vom 4 . J a n u a r 1 9 3 4 setze landeskirchliche Gesetze wieder in Kraft, die als theologisch und christlich untragbar galten, weil sie die Pflicht des Pfarrers gefährdeten, das lautere Evangelium ohne M e n s c h e n f u r c h t zu verkündigen und der Gemeinde zu helfen, auch die kirchlichen N ö t e im Lichte des Evangeliums zu sehen. Weiter hieß es: Die Verordnung setze alle kirchlichen Amtsträger durch Androhung sofortiger Amtsenthebung und Gehaltskürzung unter einen unevangelischen Gewissensdruck und stehe in Sachen bischöflicher Gewalt im Widerspruch zum Geist der Bekenntnisschriften 1 6 . In

dieser

gespannten

der Vorsitzende 14. 15. 16.

Prof.

Situation

Hans

gegen

Schmidt

Jahresende

die Frage

1933

an die

richtete

Fakultäten,

UA Göttingen Theol. Fak. Nr. 1 4 0 / 2 ; vgl. auch UB Marburg MS. Nr. 8 7 0 (Nachlaß Theodor Siegfried). Kurt Dietrich Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 2, S. 2 9 . Ebd. S. 2 7 .

Εν. Fakultätentag

und

Reichskirchenreform

109

„ob es ihnen zweckmäßig erscheine, unseren Fakultätentag und seine Geschäftsführung auch im neuen Jahr zu erhalten". Von 17 theologischen Fakultäten antworteten zwölf; unter ihnen widerriet nur Berlin und Marburg dem Weiterbestehen des Fakultätentags; die übrigen Fakultäten votierten sämtlich und teilweise sehr entschieden dafür, den Fakultätentag weiterbestehen zu lassen. Hans Schmidt wurde gebeten, den Vorsitz bis zur nächsten Tagung weiterzuführen. Er erhielt auf mehrfache Anfrage beim Reichswissenschaftsministerium auch noch im Herbst 1934 die Mitteilung, daß gegen das Fortbestehen des evangelischen Fakultätentags keine Bedenken bestünden. Auch die Reichskirchenregierung Ludwig Müllers hat 1934 über den Fakultätentag Verbindung mit den theologischen Fakultäten gesucht, so zum Beispiel in der Frage einer geplanten Studienreform 1 7 . Die kirchenpolitische Situation des Jahres 1934, die durch die gewaltsame Eingliederungspolitik der Landeskirchen in die Reichskirche und andererseits durch den Kampf der Bekennenden Kirche gegen die Deutschen Christen auf den Bekenntnissynoden der Deutschen Evangelischen Kirche in Barmen und Berlin-Dahlem gekennzeichnet war, löste zwar Aktivitäten des Vorsitzenden des Fakultätentages aus; ein außerordentlicher Fakultätentag wurde indes während dieser konfliktreichen M o n a t e nicht einberufen. Dieser unbefriedigende Zustand veranlaßte Prof. Karl Heim (Tübingen) dazu, am 5. November 1934 den Vorsitzenden aufzufordern, den Fakultätentag aufzulösen und seine Präsidentschaft für erloschen zu erklären. Hans Schmidt antwortete sichtlich verärgert: er sei bis zuletzt mit Anfragen der Fakultäten und einzelner Kollegen mit der Bitte um Vermittlung namentlich der Regierung gegenüber angegangen worden und um Klärung dieser Anliegen bemüht gewesen. Die gegen die Amtsführung des Vorsitzenden gerichteten Beschwerden solle Heim auf dem nächsten ordentlichen Fakultätentag am 17. November 1934 in Halle vorbringen 1 8 . Zwischen Einladungs- und Tagungstermin schrieb auch Prof. Julius Schniewind von der Theologischen Fakultät in Königsberg, es bestehe eine „weitgehende Opposition" dagegen, daß Prof. Hans Schmidt bei der Einführung des Reichsbischofs Ludwig Müller öffentlich in Erscheinung getreten sei. Auch Schmidts neuerliche Kundgebung als Vorsitzender des Fakultätentags wurde beanstandet. Er besitze dazu nicht die Vollmacht 17. 18.

UA Göttingen Theol. Fak. Nr. 146; UA Bonn: Fakultätentag (Hans Schmidt an die Dekane, 27. Dezember 1933). Zum Folgenden UA Bonn 33 (Fakultätentag).

110

Εν. Fakultätentag

und

Reichskirchenreform

des Fakultätentages, der als solcher außerdem keine „rechtlich greifbare Körperschaft" sei. Die gespannte kirchliche Situation und die unterschiedliche kirchenpolitische Einstellung der theologischen Hochschullehrer, die sich in den Jahren 1 9 3 3 und 1 9 3 4 bedingt auch durch Wandlungen des Kirchenkampfgeschehens verschiedentlich veränderte, hatte schon des längeren zu einer gewissen Unzufriedenheit einzelner Kollegen mit dem Vorsitzenden geführt: Hans Schmidt stehe faktisch nur noch einer Dekanskonferenz vor und habe deshalb nicht mehr das Recht, als Vorsitzender des Fakultätentages als der Gesamtvertretung der evangelischen theologischen Fakultäten Deutschlands zu fungieren und zu sprechen. Damals trat Hermann Wolfgang Beyer (Greifswald) mit einer neuen Initiative in Konkurrenz zum bisherigen Fakultätentag. Er erwog die Konstituierung eines neuen Fakultätentages. Auf einer Beratung in Erfurt am 3 0 . Oktober 1 9 3 4 hatte eine Reihe von Professoren bereits einen Aktionsausschuß gebildet, in den auf Vorschlag des Tübinger Neutestamentlers Gerhard Kittel die Professoren Hermann Wolfgang Beyer, Rudolf Bultmann (Marburg), Julius Schniewind (Königsberg) und Friedrich Karl Schumann (Halle) berufen wurden. Ernst Lohmeyer (Breslau) und Wilhelm Stählin (Münster) sollten ein entsprechendes Schreiben an Hans Schmidt entwerfen. Stählin berichtet auf Grund persönlicher Aufzeichnungen über diese Konferenz: Bezeichnend für die Situation sei die Stellungnahme der Anwesenden zur Bekennenden Kirche gewesen: „während alle sich zur Bindung der theologischen Lehrer an Schrift und Bekenntnis bekannten, lehnten die meisten die Eingliederung in die Bekennende Kirche nachdrücklich ab in der Sorge, daß in der Bekenntniskirche eine bestimmte theologische Schule mit der reinen Lehre gleichgesetzt und unter dem Einfluß von Karl Barth über alle Andersdenkenden schroff abgeurteilt w e r d e " 1 9 . Auch die damals aktuelle Frage des Beamteneides auf Hitler wurde besprochen. Die Formel „so wahr mir Gott helfe" bedeute bereits einen Vorbehalt, so daß dieser Treueid nicht einschränkungslos geleistet werde. Bindende Weisungen für das Verhalten beim Treueid der Professoren galten ohnehin als nicht möglich. Abgesehen von der Einstellung der einzelnen Hochschullehrer seien die Verhältnisse an den theologischen Fakultäten zu unterschiedlich. D a ß die Theologie als Funktion der Kirche bezeichnet wurde, war ebenfalls nur eine vage Orientierungsformel, die sich angesichts der unterschiedlichen kirchenpolitischen Verhältnisse in 19.

W . Stählin, Via vitae, Kassel 1 9 6 8 , S. 2 9 2 f.

Εν. Fakultätentag

und

Reichskirchenreform

111

den Landeskirchen, in deren Bereich die theologischen Fakultäten wirkten, als nur begrenzt praktikabel erwies. Im Protokoll der Erfurter Tagung Ende Oktober 1934 hieß es: 20 „In der Frage des Anschlusses an die Bekenntnissynode wurde festgestellt, daß alle Anwesenden tatsächlich auf der Seite der Bekenntnisbewegung stehen und für sie kämpfen. Es wurden freilich auch nicht die Gefahren übersehen, die in theologischer, kirchlicher und politischer Hinsicht auf der Seite der Bekenntnisbewegung sich erheben." Diese Meinung vertraten besonders Hermann Wolfgang Beyer und Gerhard Kittel. Eine „dritte Front" wolle man indes nicht bilden. M a n vertrat die Meinung, daß der Fehler des bisherigen kirchlichen Systems in der unmöglichen Übertragung des Führerprinzips auf die Kirche bestehe und „daß die Bedeutung und Verantwortung der theologischen Fakultäten durch die Entwicklung der Dinge nur noch größer geworden" sei. Der von Heinrich Bornkamm gemachte Vorschlag, eine Erklärung des Erfurtes Kreises zur Kirchenfrage zu veröffentlichen, wurde wegen der Ungeklärtheit der kirchlichen Lage abgelehnt. Der Aktionsausschuß wurde beauftragt, eine weitere Zusammenkunft theologischer Hochschullehrer für spätestens Anfang 1935 einzuberufen, die die Arbeit im Sinne der gegenwärtigen Verhandlungen fortsetzen solle. Auf der Erfurter Konferenz waren als Fakultätsvertreter folgende Professoren anwesend: Otto Bauernfeind (Tübingen), Hermann Wolfgang Beyer (Greifswald), Heinrich Bornkamm (Gießen), Rudolf Bultmann (Marburg), Hermann Faber (Tübingen), Gerhard Heinzelmann (Halle), Gerhard Kittel (Tübingen), Hans Lietzmann (Berlin), Ernst Lohmeyer (Breslau), Waldemar Macholz (Jena), Gerhard von Rad (Jena), Hanns Rückert (Tübingen), Kurt Dietrich Schmidt (Kiel), Hilko Wiardo Schomerus (Halle), Friedrich Karl Schumann (Halle), Ernst Sommerlath (Leipzig), Wilhelm Stählin (Münster). Z u einer Fortsetzung kam es auf einer Konferenz in Berlin am 5. und 6. Januar 1935. Vertreter von 16 Fakultäten waren beteiligt; lediglich Königsberger Vertreter fehlten. Von den theologischen Fakultäten Leipzig, Greifswald und Berlin waren sogar mehrere Kollegen anwesend. Doch gewann dieses Konkurrenzunternehmen zu dem von Hans Schmidt geleiteten offiziellen Fakultätentag nur vorübergehend eine gewisse Bedeutung 2 '. Die ungeklärte kirchenpolitische Situation um die 20.

21.

Evang. Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Zeitgeschichte München, Nachlaß v. Soden, Theol. Fakultäten; UA Bonn 33 (Fakultätentag). Das Protokoll enthält auch die N a m e n der anwesenden Universitätstheologen. Ebd.

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Reichskirchenreform

Jahreswende hatte das Vorhaben des Erfurter Kreises für die beteiligten Universitätstheologen sinnvoll erscheinen lassen. Außerdem waren nach der Dahlemer Bekenntnissynode vom 19. und 2 0 . Oktober 1 9 3 4 Verhandlungen eingeleitet worden, die am 2 2 . November 1 9 3 4 zu einer Basisverbreiterung der Bekenntniskräfte in Gestalt einer (1.) Vorläufigen Kirchenleitung der Deutschen Evangelischen Kirche unter dem hannoverschen Landesbischof August Marahrens geführt hatten. Der offizielle Fakultätentag, den Hans Schmidt damals vergeblich einzuberufen versuchte, wirkte zerstritten und war daher zunächst wenig aktionsfähig. Der am 17. November 1 9 3 4 geplante ordentliche Fakultätentag des Jahres 1 9 3 4 sah eine Aussprache über die Kirchenfrage vor. Der Zusammenbruch des Eingliederungswerkes und die Abberufung des Rechtswalters der DEK, August Jäger, Ende Oktober 1934 hatten eine ganz neue Situation hervorgebracht, bei der auch die theologischen Fakultäten kirchenpolitisch gefordert waren. Ein weiterer Punkt der Tagesordnung erwies sich angesichts der Krise der Reichskirchenregierung Ludwig Müllers als gegenstandslos und unaktuell: es handelte sich um die Entwürfe zur Vor- und Ausbildung der Theologiestudenten, die von Direktor Otto Weber von der Theologischen Schule Elberfeld erstellt worden waren, als er noch in seinem Amt als Geistliches Mitglied der Reichskirchenregierung gewesen war. Otto Weber war 1934 inzwischen zum Professor für reformierte Theologie in Göttingen berufen worden. Auch die Frage der Immatrikulierung nicht für hochschulreif erklärter Studenten wie ein Antrag der Theologischen Fakultät Gießen auf Abschaffung das Lizentiatentitels und die einheitliche Verleihung eines Dr. theol. standen auf der Tagesordnung. Ebenso sollte das schon Ende 1933 ins Auge gefaßte Problem der Gestaltung des Fakultätentages erörtert werden. Die auf Anfrage des Vorsitzenden eingegangenen Antworten zielten dahin, die Zukammenkünfte des Fakultätentages als Dekanskonferenzen zu gestalten. Bei der inzwischen nach dem Führerprinzip herausgestellten Position der Dekane als Führer ihrer Fakultäten legte sich dies nahe. Ahnlich wie im Dritten Reich der Rektor als Führer 22 der Universität verstanden wurde, galt der Dekan als verantwortlicher Einzelleiter der jeweiligen Fakultät. Die Stellung des am 1. Mai 1934 mit dem weiterbestehenden preußischen Kultusministerium zusammengefaßten Reichswissenschaftsministeriums zum Weiterbestehen des Fakultätentags schien nicht ungünstig zu sein. Die aus der 22.

Vgl. zur keinesfalls reibungslosen Durchsetzung des Führerprinzips an den Universitäten Hellmut Seier, Rektor.

Εν. Fakultätentag und Reichskirchenreform

113

veränderten kirchenpolitischen Situation sich ergebende „Frage nach der Stellung der Theologischen Fakultäten innerhalb der Universität" könne „je n a c h der Entwicklung der Dinge in den nächsten Tagen wichtig und dringlich" werden, schrieb H a n s S c h m i d t . 2 3 J e d o c h k o n n t e der für den 1 7 . N o v e m b e r 1 9 3 4 geplante Fakultätentag nicht stattfinden, sondern wurde zunächst auf den 1 5 .

Dezem-

ber 1 9 3 4 verschoben, o b w o h l dieser Termin verschiedenen Fakultäten nicht paßte. Am 1 0 . Dezember 1 9 3 4 indes erreichte den Vorsitzenden H a n s Schmidt ein Telegramm des Reichswissenschaftsministeriums. Der für theologische Fakultäten neuerdings zuständige Referent Kirchenrat Eugen M a t t i a t 2 4 teilte mit: der Reichswissenschaftsminister habe den für den 1 5 . Dezember 1 9 3 4 vorgesehenen Fakultätentag verboten. Ein Schreiben Rusts vom gleichen Tage befand im Zuge der Neuordnung an den deutschen Universitäten auch eine Neuordnung des Evangelischtheologischen Fakultätentages als notwendig. Die alten Satzungen, die auf Beschlüssen des Fakultätentages vom 2 5 . und 2 6 . O k t o b e r 1 9 3 2 beruhten, wurden außer Kraft gesetzt. Die neuen Satzungen vom 1 0 . Dezember 1 9 3 4 zeigten in ihren Einzelbestimmungen, daß die theologischen Fakultäten der deutschen Universitäten Glieder staatlicher Institute seien, daher staatliche Aufgaben hätten und staatlicher Aufsicht unterstünden. Die Einschränkung der Aufgaben und Veränderung des Fakultätentages sei keine gegen die evangelisch-theologischen Fakultäten gerichtete Sonderregelung; sie ergebe sich vielmehr aus ihrer allgemeinen Rechtsstellung. Rust betonte, er lege Wert a u f „peinliche Durchführung der sachlichen Beschränkung der Verhandlungsgegenstände", da er wünsche, „ d a ß sich die Fakultäten ebensowenig wie andere staatliche Stellen in den gerade herrschenden Streit innerhalb der evangelischen Kirche e i n m i s c h e n " würden. Die Er23.

U A Göttingen Theol. Fak. N r . 1 4 6 (Einladung H a n s Schmidts an Dekane zum geplanten Fakultätentag a m 1 7 . N o v e m b e r 1 9 3 4 in Halle/Saale).

24.

Eugen M a t t i a t , hannoverscher Pfarrer in Kerstlingerode b. Göttingen und radikaler Deutscher Christ,

1933/34

Landeskirchenrat,

wurde nach sei-

ner kirchlichen E n t m a c h t u n g Herbst 1 9 3 4 in den Staatsdienst übernommen. Als Hochschuldezernent im Reichswissenschaftsministerium für die theologischen Fakultäten verantwortlich und formell mit einer praktischtheologischen Professur in Berlin bedacht, erhielt er Anfang 1 9 3 8 eine Professur für deutsche und religiöse Volkskunde in Göttingen, ohne - außerdem fachlich überfordert - diese Stelle wegen seines Kriegsdienstes wirklich wahrnehmen zu können. Vgl. Junge Kirche 3 ( 1 9 3 5 ) , S. 7 7 1 f.; 6 ( 1 9 3 8 ) , S. 1 2 4 und 1 7 7 .

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Reichskirchenreform

nennung des Präsidenten des Fakultätentags und seines Stellvertreters behalte sich der Reichswissenschaftsminister vor. Doch blieb Prof. Hans Schmidt auch in der Folgezeit bis Kriegsende Präsident des Evangelisch-theologischen Fakultätentages. Es fand sich niemand sonst zur Übernahme dieses letztlich undankbaren Amtes, obschon manche Fakultätskreise, so auch der kirchen- und fakultätspolitisch stark engagierte Prof. Erich Seeberg in Berlin, später gelegentlich eine Ablösung Schmidts als Vorsitzender des Fakultätentages erwogen, aber nie ernsthaft betrieben haben. Das Schreiben Rusts verwies auch darauf, daß der auf Grund der alten Satzungen für Mitte Dezember 1 9 3 4 einberufene Fakultätentag einstweilen wieder abzusetzen sei 2 5 . Doch beschränkten die neuen Satzungen vom 10. Dezember 1 9 3 4 die Zuständigkeit des Fakultätentages drastisch. Er galt nunmehr als „Verband ohne Rechtspersönlichkeit". Der Präsident wurde ministeriell ernannt. Jede Fakultät entsandte den Dekan, bei dessen Verhinderung den Prodekan als stimmberechtigtes Mitglied. Jedes Fakultätsmitglied konnte indes mit beratender Stimme an den Verhandlungen teilnehmen. Ein Vertreter des Reichswissenschaftsministeriums konnte zu den Verhandlungen entsandt werden. Die Tagungsfrequenz des ordentlichen Fakultätentages war auf einmal jährlich festgelegt. Ein außerordentlicher Fakultätentag konnte einberufen werden, wenn ein Drittel der Fakultäten dies beantragte. Die vom Präsidenten zu erstellende Geschäftsordnung bedurfte ministerieller Bestätigung 2 6 . Auf das ministerielle Verbot des Fakultätentags für den 15. Dezember 1 9 3 4 wirft ein Schreiben des Göttinger Dekans Emanuel Hirsch vom 15. Dezember 1 9 3 4 ein bezeichnendes Licht. Die Behandlung der Kirchenfrage, wie sie schon für die verschobene Novembertagung vorgesehen gewesen war, hielt Hirsch für abwegig. Der Fakultätentag sei bis zur Klärung der kirchlichen Lage zu verschieben. Angesichts der Erklärung von 118 Theologieprofessoren zur Kirchenfrage kämen die Dekane auf dem Fakultätentag in ein Dilemma. Beschlössen sie eine Stellungnahme, „die von der Verantwortung für die Stellung im Ganzen der Universität und der Kirche im Volk getragen" sei, werde dies eine Dublette zu dem abends bei Erich Seeberg in Berlin geplanten Beschluß, der dann sicherlich nicht von allen Dekanen mitvollzogen werde. Es handelte sich dabei um eine geplante öffentliche Verlautbarung, die die Staatsloyalität der theologischen Fakultäten besonders unterstreichen sollte. Oder aber es 25. 26.

UA Heidelberg Η 1 / 0 5 5 ; UA Heidelberg 1 / 0 5 5 ; auch UA Göttingen Theol. Fak. Nr. 1 4 6 .

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und

Reichskirchenreform

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komme durch vertretungsweise Entsendung anderer Abgeordneter zum Fakultätentag zu einem politisch konturlosen Beschluß, den man abends bei der inoffiziellen Zusammenkunft mit Erich Seeberg nicht verantworten könne. Auch die anderen auf dem Fakultätentag vorgesehenen Beschlüsse, so das Vor- und Ausbildungsgesetz, galten Hirsch als übereilt. Das müsse ein einzelner Bevollmächtigter zusammen mit der Reichskirchenregierung machen; das Gremium des Fakultätentages sei dafür ungeeignet. Die „Licentiat-Doctor-Frage", die „berühmte Seeschlange", liege ohnehin beim Reichswissenschaftsministerium und werde dort im Sinne der Gleichförmigkeit aller theologischen Fakultäten entschieden. Hirsch meinte: „Einrichtungen, die man durch die jetzige schwierige Lage hindurchretten will, muß man auf Eis legen. In einem halben J a h r , vielleicht schon in einem Vierteljahr haben wir eine Lage, in der wir uns gerne zusammenfinden, den ganzen Scherbenhaufen ansehen, der entstanden ist, und uns klar werden über das, was wir tun können. Bis dahin sollten wir nicht ein solches Experiment machen, das bei dem mangelnden politischen Instinkt des deutschen Professors sicher nicht gut ausgeht." 2 7 Prof. Emanuel Hirsch hatte bereits am 2 7 . November 1 9 3 4 namens der Göttinger Fakultät die Teilnahme am geplanten Fakultätentag abgesagt und seine Vertagung bis zum Ende des Kirchenkampfes gefordert. Es sei unverantwortlich, „die Fakultäten in die Gefahr zu bringen, die vom Führer und Reichskanzler für den Staat und die Bewegung vorgeschriebene Zurückhaltung durch einen Fakultätentag zu verletzen" 2 8 .

27. 28.

UA Göttingen Nr. 146. Ebd.

6. Der Arierparagraph im theologischen Widerstreit

Der Arierparagraph des Berufsbeamtengesetzes vom 7. April 1933 hatte ursprünglich keinen Bezug zum innerkirchlichen Bereich. Die Durchführungsverordnung vom 6. Mai 1933 sah die Anwendung des Berufsbeamtengesetzes auf Beamte, Angestellte und Arbeiter der öffentlichrechtlichen Religionsgesellschaften nicht vor. Doch übernahmen im Jahre 1933 verschiedene inzwischen deutschchristlich beherrschte Kirchensynoden den Arierparagraphen für Geistliche und Kirchenbeamte durch Mehrheitsbeschluß. In diesem Zusammenhang ergab sich die Notwendigkeit, daß seitens der Universitätstheologie Stellung zur Frage des Arierparagraphen im kirchlichen Bereich bezogen wurde. 1 Im Nachgang zur brandenburgischen Provinzialsynode vom 24. August 1933 hat die altpreußische Generalsynode im „Gesetz betreffend die Rechtsverhältnisse der Geistlichen und Kirchenbeamten" vom 6. September 1933 die Einführung des Arierparagraphen in der „Evangelischen Kirche der altpreußischen Union" beschlossen. Die deutschchristlich geführten lutherischen Landeskirchen von Sachsen und Mecklenburg folgten alsbald. Ahnliche Kirchengesetze wurden in einigen weiteren Landeskirchen von den Deutschen Christen durchgesetzt. 2 Allerdings sah die Nationalsynode der Deutschen Evangelischen Kirche im 2 7 . September 1933 in Wittenberg wegen aufkommender Proteste davon ab, einen Antrag zur reichskirchlichen Übernahme des Arierparagraphen einzubringen. Kirchliche Proteste im Zusammenhang mit der Wahl des Reichsbischofs Ludwig Müller auf der Nationalsynode sollten damit beschwichtigt werden. Auch im Jahre 1934 zeichnete sich ein bemerkenswerter Zickzack-Kurs der Reichskirchenführung im Blick auf die Ariergesetzgebung in der Kirche ab. Doch hatten 1.

Gutachten theologischer Fakultäten und Universitätstheologen zum Arierparagraphen in der Kirche bei Heinz Liebing, Theologen; zeitgenössische Dokumentation auch: Theologische Blätter 12 ( 1 9 3 3 ) , Nr. 10, 11 und 12; Kurt Dietrich Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 1, S. 1 7 8 - 1 9 8 .

2.

Vgl. Joachim Gauger, Chronik der Kirchenwirren I, S. 9 8 . Ahnliche kirchliche Beamtengesetze mit Arierparagraphen wurden - teils verschärft, teils abgeschwächt - angenommen von den Landeskirchen Sachsen, SchleswigHolstein, Braunschweig, Lübeck, Nassau-Hessen, Thüringen und Württemberg. Vgl. Kurt Meier, Kirche und Judentum, S. 16 f.

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deutschchristlich beherrschte Landes- und Provinzialsynoden einen Vorlauf geschaffen. Die innerkirchliche Gewaltpolitik der Deutschen Christen und die Forderung nach kirchlichen Nichtariergesetzen haben bereits 1 9 3 3 nachhaltige Proteste ausgelöst. Der Arierparagraph der landeskirchlichen Beamtengesetze hat damit faktisch dazu beigetragen, daß sich die kirchliche Bekenntnisopposition herausbildete. Ohne daß die Einschränkung der Rechte der jüdischen Beamtenschaft in Staat und Gesellschaft damals zu einem offiziellen Thema in der Bekennenden Kirche gemacht worden wäre oder zu grundsätzlichen Bedenken und Einsprüchen herausgefordert hätte, trug das Festhalten an der Bekenntnisautonomie der Kirche dazu bei, daß die von den Deutschen Christen forcierte Übertragung des staatlichen Arierparagraphen auf den kirchlichen Bereich zu heftigen Protesten in der evangelischen Kirche führte, wenngleich nach damaliger Meinung allenfalls ein Kreis von etwa 3 0 Pfarrern in ganz Deutschland vom Arierparagraphen betroffen war. 3 Schon bei der Konstitutierung des Pfarrernotbundes im September 1 9 3 3 war neben anderen unzumutbaren bekenntniswidrigen Maßregelungen von Geistlichen die Abwehr des kirchlichen Arierparagraphen als Teilmotiv für den Bekenntnisprotest genannt. Die Verpflichtungserklärung des Pfarrernotbundes vom Oktober 1 9 3 3 lautete in der Fassung Martin Niemöllers unter Punkt 5 : „In solcher Verpflichtung bezeuge ich, daß eine Verletzung des Bekenntnisstandes mit der Anwendung des Arierparagraphen im Raum der Kirche Christi geschaffen i s t . " 4

3.

Aufstellung über „nichtarische" evangelische Pfarrer in Deutschland seit der R e f o r m a t i o n : Deutsches Pfarrerblatt 3 7 ( 1 9 3 3 ) , N r . 4 4 . D a n a c h handelte es sich für 1 9 3 3 um etwa 3 0 nichtarische Geistliche, von denen die Hälfte unter die (vorläufigen) Schutzbestimmungen fiel. Inzwischen (Stand von 1 9 8 7 / 8 8 ) ist eine (noch nicht vollständige) höhere Z a h l von judenchristlichen Pfarrern (ca. 1 1 5 ) ermittelt w o r d e n , die nach den Rassegesetzen des NS-Staates als „nicht a r i s c h " oder „nicht voll a r i s c h " galten. Darin sind auch T h e o l o gen berücksichtigt, die erst nach 1 9 3 3 ihr Studium beendeten oder während des Exils Pfarrer wurden. Vgl. Johann-Friedrich Enke (Bearb.), Wider das Vergessen, S. 2 2 - 2 5 . Nicht erwähnt ist zum Beispiel Wolfgang Caffier (Dresden), der als „Nichtvollarier" bei der Bekennenden Kirche Sachsens vikarisch beschäftigt wurde.

4.

Wihelm Niemöller, Texte, S. 2 6 f.

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Martin Niemöller, damals Pfarrer in Berlin-Dahlem, hatte in seinen „Sätzen zur Arierfrage in der K i r c h e " 5 vom 2. November 1 9 3 3 das prinzipielle Recht von Nichtariern auf kirchliche Amter bejaht, jedoch zugleich an die „gebotene Zurückhaltung" erinnert. Es sei „nicht wohlgetan, wenn heute ein Pfarrer nichtarischer Abstammung ein Amt im Kirchenregiment oder eine besonders hervortretende Stellung in der Volksmission einnimmt". Niemöller lehnte aber unter den obwaltenden Umständen des Jahres 1 9 3 3 „ein kirchliches Gesetz, das die Nichtarier oder Nichtvollarier, soweit sie dem jüdischen Volk angehören, von den Ämtern der Kirche ausschließt" als „bekenntniswidrig" ab, „weil es die im dritten Artikel bekannte Gemeinschaft der Heiligen grundsätzlich negiert". Diese Erkenntnis verlange „von uns, die wir als Volk unter dem Einfluß des jüdischen Volkes schwer zu tragen gehabt haben, ein hohes M a ß von Selbstverleugnung, so daß der Wunsch, von dieser Forderung dispensiert zu werden, begreiflich" sei. Die Kirche könne aber keinesfalls auch nur vorübergehend das Bekenntnis außer Kraft setzen. Vielmehr müsse sich gerade an den bekehrten Juden erweisen, „ o b es der Kirche Jesu Christi mit der Gemeinschaft, die über die natürlichen Zusammengehörigkeiten hinausreicht, ernst ist". Hatte die deutschchristliche Forderung, den Arierparagraphen des staatlichen Berufsbeamtengesetzes vom 7. April 1 9 3 3 auch auf die Kirche anzuwenden, den Kirchenkonflikt in der evangelischen Kirche mit auslösen helfen, so wurde der vor allem von den Deutschen Christen erwogene Plan, „christliche Nichtarier" schon damals kirchenorganisatorisch auszugrenzen und ihnen zuzumuten, eigene judenchristliche Gemeinden zu schaffen, zunächst nicht weiter verfolgt. Diese weitergehenden Forderungen im Blick auf die „nichtvollarischen" Kirchgemeindeglieder sind offensichtlich auch deshalb zurückgestellt worden, weil es sich bei der Übernahme des staatlichen Arierparagraphen in den kirchlichen Bereich um eine beamtenrechtliche Frage handelte. Erst nach dem N o vemberpogrom 1 9 3 8 , der sogenannten Reichskristallnacht, setzten diese Ausgrenzungsbestrebungen gegenüber christlichen Nichtariern wieder in einigen deutschchristlichen Landeskirchen ein, die zu einer gesamtkirchlichen Regelung durch die Deutsche Evangelische Kirchenkanzlei drängten. Aber bereits die Anwendung des Arierparagraphen auf Pfarrer und

5.

Junge Kirche 1 ( 1 9 3 3 ) , S. 2 6 9 - 2 7 1 ; auch Kurt Dietrich Schmidt, Bekenntnisse I, S. 9 6 - 9 8 .

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Kirchenbeamte im Jahre 1 9 3 3 erwies sich innerkirchlich als ausgesprochen brisant und konfliktträchtig. 6 Die bekenntniskirchliche Opposition in der Deutschen Evangelischen Kirche beschränkte sich damals auf den Protest gegen die kirchliche Übertragung des staatlichen Arierparagraphen auf den innerkirchlichen Bereich. Sie verzichtete im ganzen darauf, der Diskriminierung jüdischer Bürger im Berufsleben zu widerstehen, auch wenn sie der Kirche angehörten. Doch wurde vereinzelt die Hoffnung ausgesprochen, daß auch im Berufs- und Geschäftsleben jüdischen Bürgern Ausnahmeregelungen zugestanden würden, wie sie im Berufsbeamtengesetz vorgesehen seien. Die im wesentlichen kirchenspezifische Orientierung hat damals den staatlichen Bereich dem Zugriff des NS-Regimes überlassen. Strittig blieb die Anwendung rassischer Gesichtspunkte auf den innerkirchlichen Bereich. Doch darf die politische Auswirkung des Bekenntnisprotestes gegen den kirchlichen Arierparagraphen nicht unterschätzt werden. Wurde doch wenigstens in dieser kirchlichen Konfliktzone der herrschaftsgeschichtliche Anspruch des NS-Regimes grundsätzlich attackiert. Einzelne Theologen haben sich bereits im Frühjahr 1 9 3 3 zur Judenfrage geäußert, so etwa Leopold Cordier, Professor für praktische Theologie an der Universität Gießen, Mitte April 1 9 3 3 . Er gehörte führend zur 1 9 2 1 in Herborn gegründeten „Christdeutschen J u g e n d " , auch „Christdeutscher B u n d " genannt, einem Zweig der christlichen Jugendbewegung, der seit 1 9 2 4 auf Schloß Hohensolms (Kreis Wetzlar) eine Christdeutsche Heimvolkshochschule besaß. 7 Im April 1 9 3 3 betonte Cordier, damals Dekan der Theologischen Fakultät Gießen, in einem Aufruf „Der Christdeutsche Bund im neuen S t a a t " : „Wir stehen einsatzbereit hinter einer nationalen Regierung, auch wenn wir manche ihrer M a ß n a h m e n nicht ohne weiteres verstehen können." Die vaterländische Bewegung sei darauf angewiesen, „daß sie auf das Wort des christlichen Zeugnisses hört, will sie nicht innerlich entleert werden. Wir leisten der nationalen Bewegung den besten Dienst, wenn wir uns offen zu den christlichen Erkenntnissen bekennen." 8

6. 7. 8.

Heinz Brunotte, Kirchenmitgliedschaft, S. 1 4 0 - 1 7 4 ; Kurt Nowak, Stigma der Rasse. Zur Christdeutschen Jugend vgl. Otto Kammer, Christdeutsche Jugendburg Hohensolms. Christdeutsche Stimmen 13 ( 1 9 3 3 ) H. 1/2, S. 1-5.

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Die „Judenfrage" zu lösen - so meinte Cordier in seinem Beitrag „Nachdenkliches zur Judenfrage" 9 (ebenfalls im April 1933) sei „den christlichen Völkern bisher kaum gelungen". Im Grunde genommen könne sie nur durch Bekehrung zum Christentum gelöst werden: „Israel bleibt ein Volk des Unsegens, der Unruhe und der Unrast für sich und die anderen Völker, bis es seinen Messias gefunden hat." Wenn die neue hessische Regierung im Frühjahr 1933 eine allgemeine Nachprüfung der Einbürgerung fremder, in diesem Falle östlicher Einwanderer der Nachkriegszeit angeordnet habe, so galt dies als eine politisch durchaus begreifliche Maßnahme. Das deutsche Volk müsse sich gegen Überfremdung schützen. Doch diese Einzelmaßnahme erfasse nicht das Gesamtproblem: die Reichsregierung unter Hitler versuche, vom Rassengedanken her zu einer generellen Lösung zu kommen, wie dies an dem Boykott jüdischer Geschäfte Anfang April 1933 sichtbar geworden sei. Doch zeige gerade das Berufsbeamtengesetz vom 7. April 1933 bemerkenswerte Ausnahmebestimmungen, worauf Cordier so Bezug nahm: 1 0 „Nichtarier sollen in Beamtenstelluungen verbleiben können, wenn sie bereits vor dem 1. August 1914 solche Stellen bekleidet, wenn sie als aktive Kämpfer im Weltkrieg teilgenommen oder Väter bzw. Söhne im Weltkrieg verloren haben. Die Nachforschung der bluthaften Abstammung soll nur bis zu den Großeltern durchgeführt werden. Soll mit alledem nicht anerkannt sein, daß es Juden gibt, die sich wirklich in unsere Volksgemeinschaft eingebürgert, ihr mit Leib und Leben gedient haben und damit auch ihren Schutz verdienen? Sind damit nicht nationale, kulturelle und gesellschaftliche Gesichtspunkte zugestanden, die ihre Bedeutung neben den rassischen haben? Es wäre zu wünschen, daß genau die gleichen Gesichtspunkte, die das Beamtengesetz der nationalen Regierung gelten läßt, auch für die Regelung der Verhältnisse im bürgerlichgeschäftlichen Leben sich durchsetzten. Es würde manche Härte, insbesondere den jüdischen Kriegsteilnehmern gegenüber, vermieden werden können." Die NS-Judenpolitik des Frühjahrs 1933 lasse den religiösen Aspekt vermissen, führte Cordier weiter aus: 11 „Die Abwehr der Juden macht nicht Halt vor den Juden, die Christen geworden sind." Zwar gelte es, unechte Massenübertritte zu verhindern. Eine Möglichkleit sah er darin: „Sofortige Sperre für alle Judentaufen durch Einführung eines mehrjähri9. 10. 11.

Ebd. 13 (1933), H. 4/6, S. 82-84. Ebd. S. 82. Ebd. S. 82 f.

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gen Katechumenats, das Gelegenheit gibt, die Geister zu prüfen." Aber andererseits sei es unmöglich, „die aus Uberzeugung zur Christengemeinde übergetretenen Juden den übrigen Juden schematisch gleichzusetzen!" Vielmehr: „Wie für die Kriegsteilnehmer als Frontsoldaten müßte auch hier für die 'Frontchristen' aus den ehedem jüdischen Familien, d. h. für solche, die sich wirklich als überzeugte Christen bewährt haben, eine Ausnahmestellung gefunden werden." Wenn „für den Staat das bluthafte Manko nach drei Generationen ausgetilgt" sei, müsse auch von einer wirklichen Bekehrung zum Christentum eine Veränderung vorausgesetzt werden, die es zu berücksichtigen gelte: „Für die Kirchenleitungen erwächst die verantwortliche Pflicht, sich dieser ihrer getauften Glieder aus Israel anzunehmen, ihnen Schutz und Hilfe zu schenken und für sie auch vor den staatlichen Stellen einzutreten." Die minimalen Zugeständnisse, die mit den Ausnahmebestimmungen des Berufsbeamtengesetzes vom 7. April 1933 gegeben waren, wurden hier als Argument dafür herangezogen, daß staatsbürgerliche Bewährung und kulturelle Integration der Juden bei verantwortlicher Regelung im „bürgerlich-geschäftlichen Leben" nicht unberücksichtigt bleiben dürften. Auch die christliche Taufe und die Kirchengliedschaft müßten als Bewährungs- und Integrationsfaktoren anerkannt werden. Die staatliche Judengesetzgebung dürfe nicht einfach pauschal rassenideologisch ausgerichtet sein. Der damals noch nicht eingeführte innerkirchliche Arierparagraph, der nichtarische Geistliche und Kirchenbeamte von kirchlichen Amtern ausschloß, konnte von Prof. Cordier bei seinen Überlegungen, die zur Besonnenheit und Schonung mahnten, noch nicht berücksichtigt werden. Aber für christliche Nichtarier im öffentlichen Dienst und auch im Wirtschaftsbereich schlechthin verlangte Cordier Ausnahmeregelungen analog der Frontkämpferklausel. Schon frühzeitig hatten die Deutschen Christen die Übernahme des Rasseprinzips für die evangelische Kirche gefordert. Die Hossenfelderschen Richtlinien der Glaubensbewegung DC vom 6. Juni 1932 hatten - wie sich rückblickend zeigte - faktisch Elemente der Nürnberger Rassengesetze von 1935 in nuce vorweggenommen. Punkt 9 dieser DCRichtlinien lautete: „In der Judenmission sehen wir eine schwere Gefahr für unser Volkstum. Sie ist Eingangstor fremden Blutes in unseren Volkskörper. Sie hat neben der Äußeren Mission keine Daseinsberechtigung. Wir lehnen die Judenmission in Deutschland ab, solange die Juden das Staatsbürgerrecht besitzen und damit die Gefahr der Rassenverschleierung und Bastardisierung besteht. Die Heilige Schrift weiß auch etwas zu sagen vom heiligen

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Zorn und sich versagender Liebe. Insbesondere ist die Eheschließung zwischen Deutschen und Juden zu verbieten." 1 2 Für die deutschchristliche Sicht der Dinge aus dem akademischen Raum ist ein stärker theologisch reflektierendes umfangreiches „Theologisches Gutachten in der Nichtarierfrage" 1 3 interessant, das Prof. Emanuel Hirsch, Dekan der Theologischen Fakultät Göttingen, am 7. Oktober 1933 der Reichskirchenregierung Ludwig Müllers erstattete. Im Mai 1934 gab er es erweitert in Druck, da die Nichtarierfrage nicht zur Ruhe komme. Hirschs Ausführungen vom Herbst 1933 sind im Blick auf die verwendeten Argumente interessant. Deutsche und Juden waren ihm „zwei verschiedene Völker": „Der rassischen Herkunft nach, der Geschichte nach, der ganzen natürlichen und soziologischen Art nach haben sie wenig Verwandtes und viel Gegensätzliches. Wir sind von den Juden stärker unterschieden, als von jedem anderen Volke, das wir in Europa zum Nachbarn haben." 1 4 Der „Nachschub des Ostjudentums" in Deutschland galt als gefährlich; der „deutsche Blutbund" könne ihn ohne Schaden nicht aufnehmen. Eine Gefahr wurde auch in der Assimilierung des Judentums seit dem 19. Jahrhundert gesehen; sie habe die „religiöse Indifferenz" und damit die „Entchristlichung unserer Volksordnung und unseres Volksethos nach Kräften gefördert". Andererseits beklagte Hirsch die „privilegierte Vorzugsstellung" der Juden in Deutschland „im wirtschaftlichen und geistigen Lebensbereich", die „im Zeitalter des Kapitalismus und des Handels" besonders günstige Bedingungen für das Judentum schufen. Die durch die Machtergreifung Hitlers 1933 eingetretene Zäsur kennzeichnete er so: „Deutschland war 1932 weitgehend unter die Herrschaft eines fremden Volkes geraten. Das Offenbarwerden dieser Tatsache der Fremdherrschaft ist das endgültige Ende der Assimilation geworden". 1 5 Die antijüdischen M a ß n a h m e n seien ungeachtet des Schicksals einzelner „ein einfach vorbeugender Akt der Selbstbehauptung des deutschen Volkes". Christliche Einwände gegen ein „Gast- und Fremdenrecht" der jüdischen Minderheit gäbe es nicht, wenngleich schonende Formen der Gesetzgebung und Ausnahmeregelung für „einzelne innerlich deutsch und christlich gewordne Menschen" wünschenswert seien.

12. 13. 14. 15.

Kurt Meier, Kirche und Judentum, S. 82 (Dok. 12). Deutsche Theologie, 1 (1934), H. 5, S. 182-199 . Ebd. S. 182. Eda. S. 183.

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Hirsch lehnte es allerdings ab, die „Fremdartigkeit" der Juden einfach als minderwertig hinzustellen; sie seien andersartig und deshalb zu uns nicht passend. 16 Den Arierparagraphen für kirchliche Amtsträger versuchte Hirsch vom Gedanken der Volkskirche her zu verstehen, in der auch sonst Befähigungsnachweise für das Pfarramt bis hin zur gleichen Staatsangehörigkeit gefordert würden: Die Berechtigung zu Predigt, Unterricht und berufsmäßiger Seelsorge sei „nicht durch Christenstand und wahre Berufung durch den Geist" erworben worden, sondern durch äußerliche Berufung, die an zufällige menschliche Bedingungen geknüpft sei. Kirchliche Ordnung galt als unverzichtbar an äußerliche Ordnung geknüpft. Ganz unverständlich sei die Aufregung darüber, „daß die Zugehörigkeit zum deutschen Volke eine der Vorbedingungen für die Ausübung des Pfarramts in der deutschen Volkskirche ist". 1 7 Hirsch konstatierte: „Der Widerspruch gegen eine Ordnung der deutschen evangelischen Volkskirche, welche das Pfarramt auf Menschen deutscher Herkunft beschränkt, hat also keine christlichen Gründe." 1 8 Damit sei der Boden der theologischen Diskussion verlassen, und der scheinbar christliche und kirchliche Einspruch gegen die Forderung der Volkszugehörigkeit für den Pfarrer enthülle sich als ein volkspolitisch bedingter Einspruch gegen die im heutigen deutschen Staat vorgenommene Kennzeichnung der deutschsprechenden Juden als Glieder eines fremden Volkes. Falls sich judenchristlichen Sondergemeinden bilden sollten, müsse dies freiwillig geschehen. Judenchristlichen Gliedern könne man in der Deutschen Evangelischen Kirche nicht die Predigt- und Abendmahlsgemeinschaft versagen. Für die Bildung von Sondergemeinden, die voll in die Deutsche Evangelische Kirche einbezogen bleiben müßten, spräche höchstens die sich dann eröffnende Möglichkeit des Pfarramtes für Christen jüdischer Herkunft oder der Wunsch solcher, die als Juden künftig zum Christentum übertreten wollten. Für die Zukunft sei entscheidend, daß Kandidaten nichtarischer Herkunft nicht mehr als Pfarrer eingestellt würden. Das Gutachten Hirschs zielte darauf, der Reichskirchenregierung Ludwig Müllers ein bekenntnismäßig korrektes Vorgehen zu bescheinigen: sie habe ebenso wie die Bewegung der Deutschen Christen jedwede dogmatische Begründung in der Arierfrage vermieden und den Arierparagraphen nur beamtenrechtlich verstanden, hingegen die volle Gliedschaft 16. 17. 18.

Ebd. S. 184. Ebd. S. 192. Ebd. S. 194.

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der nichtarischen Christen in der Deutschen Evangelischen Kirche und ihre Teilhabe an den Gaben des Heiligen Geistes nie in Abrede gestellt. So sei die Frage des Arierparagraphen lediglich eine Frage der äußeren Anstellungsbedingungen für das evangelische Pfarramt in Deutschland, womit sich die wenigen Betroffenen abzufinden hätten. In einer Generation hätte sich das Problem ohnehin biologisch geregelt. Das Gutachten zeigte indes, daß Hirsch mit dem Vorgehen gegen nichtarische Pfarrer keineswegs generell einverstanden war; insbesondere die altpreußische Form galt ihm angesichts der geringen Zahl nichtarischer Pfarrer, die nicht unter Schutzbestimmungen des Arierparagraphen fielen, als unzweckmäßig. M a n hätte bisherige kirchliche Bestimmungen für einen vorzeitigen Ruhestand anwenden oder die Betroffenen in ein anderes weniger öffentliches Amt versetzen können. Hier war wohl an Verwendung in der Diakonie usw. gedacht. Schon im Frühherbst 1933 waren aus Kreisen der Bekennenden Kirche, die auf Grund ihrer betont kirchenautonomen Orientierung eine einfache Übernahme politischer Maßstäbe in der Nichtarierfrage für illegitim hielt, Gutachten von theologischen Fakultäten ihres Vertrauens eingefordert worden. So richteten die Abgeordneten des kurhessischen Kirchentages aus drei oberhessischen Kirchenkreisen am 11. September 1933 ein von Kreispfarrer Gottfried Schmidmann (Marburg) unterzeichnetes Schreiben an die theologischen Fakultäten Marburg und Erlangen. 19 Darin wurde die Frage gestellt, ob das von der altpreußischen Generalsynode in Aussicht genommene „Gesetz über die Anstellungsbedingungen für Geistliche und Beamte der kirchlichen Verwaltung", das den Arierparagraph enthielt, der Heiligen Schrift und den reformatorischen Bekenntnissen gemäß sei oder ihnen widerspreche. Schon am 19. September 1933 war das vom Marburger Dekan Prof. Hans von Soden unterzeichnete „Gutachten der Theologischen Fakultät der Universität Marburg zum Kirchengesetz über die Rechtsverhältnisse der Geistlichen und Kirchenbeamten" abgeschlossen. 20 Das Marburger Gutachten wurde gleichzeitig den deutschen evangelischen Kirchenregierungen, allen evangelischen theologischen Fakultäten sowie den Mitgliedern der Nationalsynode zugestellt. Denn Kirchengesetze mit dem Arier19. 20.

Theologische Blätter 12 (1933), Nr. 10, Sp. 289; auch bei Heinz Liebing, Theologen, S. 9. Heinz Liebing, Theologen, S. 9-14; auch Theologische Blätter 12 (1933), Nr. 10, Sp. 289-294 (Marburger Gutachten mit Text der Bestimmungen des Kirchengesetzes der altpreußischen Generalsynode).

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p a r a g r a p h e n w a r e n auch a n d e r w ä r t s in Vorbereitung. Die reichskirchliche Sanktionierung des kirchlichen A r i e r p a r a g r a p h e n w u r d e auf der N a t i o n a l s y n o d e a m 27. September 1 9 3 3 in Wittenberg erwartet. D a s altpreußische Kirchengesetz galt d e m M a r b u r g e r G u t a c h t e n als „unvereinbar mit d e m Wesen der christlichen Kirche". N i c h t nur der A r i e r p a r a g r a p h w u r d e abgelehnt, der die Dienstentlassung nichtarischer Geistlicher u n d Kirchenbeamten oder mit Nichtariern verheirateten Personen im Kirchendienst vorsah. Kritik w u r d e a u c h an der Bestimmung geübt, die die Berufung in den Kirchendienst vom rückhaltlosen Eintreten für den NS-Staat und die Reichskirche a b h ä n g i g machte. Die Forder u n g separater judenchristlicher Gemeinden galt erst recht als bekenntniswidrig. Die Kirche bleibe der Rasse und d e m Volkstum, denen sie jeweils zu dienen habe, das Wesentliche ihrer Botschaft schuldig, w e n n sie diese „als Gliedschaft oder Rechte in der Gemeinde b e g r ü n d e n d e oder ausschließende Gegebenheiten a n e r k e n n t " . Auch die „Versuche, in Jesus einen arischen Menschen zu e r k e n n e n " , seien „ohne jede geschichtliche G r u n d l a g e " , da Jesu Botschaft Gesetz und Propheten der J u d e n als Gottes O f f e n b a r u n g voraussetze und seine Apostel jedenfalls J u d e n w a r e n . D a s M a r b u r g e r G u t a c h t e n bezog sich abschließend auf den ersten Artikel der Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche v o m 11. Juni 1 9 3 3 , der die u n a n t a s t b a r e G r u n d l a g e der Reichskirche im Evangelium von Jesus Christus gegeben sah, wie es in der Heiligen Schrift bezeugt und in den Bekenntnissen der R e f o r m a t i o n neu a n s Licht getreten sei. Werde mit diesen Sätzen der Reichskirchenverfassung, die ja auch d u r c h Reichsgesetz vom 14. Juli 1 9 3 3 staatlich a n e r k a n n t w a r , theologisch ernst gem a c h t , so sei eine politische oder kirchenpolitische Fesselung kirchlicher Verkündigung ebenso wie eine Beschränkung der Rechte nichtarischer Christen in der Kirche d a m i t nicht vereinbar. Hinweise auf „die g a n z vereinzelten Beispiele kleiner außereuropäischer Kirchenbildungen mit rassischer Beschränkung, wie sie in Asien, Afrika, Amerika begegnen", seien o h n e Belang; sie seien „rückständige oder rückfällige Bildungen, in denen die christliche Botschaft u n d ihre F o r d e r u n g gebrochen sind". Übrigens handele es sich bei ihnen nicht u m den Unterschied von J u d e n und Ariern. A m 25. September 1 9 3 3 lag auch das „Theologische G u t a c h t e n über die Zulassung von Christen jüdischer H e r k u n f t zu den A m t e r n der deutschen evangelischen Kirche" aus Erlangen vor. 2 1 Die Erlanger Theolo21.

Heinz Liebing, Theologen, S. 20-23; vgl. Theologische Blätter 12 (1933), Nr. 11, Sp. 3 2 1 - 3 2 4 (Erlanger Gutachten).

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gische Fakultät hatte ihre Systematiker Paul Althaus und Werner Eiert beauftragt, die kurhessische Anfrage zu beantworten. War das Marburger Gutachten entschieden gegen jedwede Anwendung des Arierparagraphen auf das kirchliche Leben aufgetreten, so betonte das Erlanger Gutachten: die allen Christen gemeinsame Gotteskindschaft hebe die „biologischen und gesellschaftlichen Unterschiede" nicht auf. Die äußere Ordnung der christlichen Kirche habe nach reformatorischer Lehre im Unterschied zur römisch-katholischen „nicht nur der Universalität des Evangeliums, sondern auch der historisch-völkischen Gliederung der christlichen M e n schen zu entsprechen". Die Forderung nach Einheit sei nach Artikel VII der Confessio Augustana auf die Reinheit der Lehre und der Sakramentsverwaltung zu beschränken. Die Kirche könne nicht entscheiden, „ o b das unter uns wohnende Judentum im vollen Sinne zum deutschen Volke gehört oder ein fremdes, ein Gastvolk ist". Das Bekenntnis der Kirche zur Heilsbedeutung der Taufe schließe beispielsweise auch kein Urteil darüber ein, „ o b Eheschließungen zwischen Deutschen und getauften, christusgläubigen Juden im ganzen erwünscht oder zu widerraten sind". Die Frage nach dem völkischen Verhältnis von Deutschtum und J u d e n t u m " sei „biologisch-geschichtlicher A r t " . Die A u f g a b e der Kirche, Volkskirche der Deutschen zu sein, lege es nicht nahe, kirchliche Amter mit „Judenstämmigen" zu besetzen, weil das Judentum als fremdes Volkstum empfunden werde: 2 2 „ D i e Kirche muß daher die Zurückhaltung ihrer Judenchristen von den Amtern fordern. Ihre volle Gliedschaft in der deutschen evangelischen Kirche wird dadurch nicht bestritten oder eingeschränkt, sowenig wie die anderer Glieder unserer Kirche, welche die Voraussetzungen für die Zulassung zu den Amtern der Kirche irgendwie nicht erfüllen." Ausnahmen sollten aber möglich sein, wie ja auch das Berufsbeamtengesetz eine entsprechende Frontkämpferklausel aufweise. Eine Entlassung bereits im Dienst stehender Geistlicher und Kirchenbeamter lediglich wegen ihrer Abstammung widerspreche dem Wesen des geistlichen Amtes. Künftige Zulassung von Männern jüdischer Herkunft solle der Entscheidung der Bischöfe zugewiesen werden. Prof. Rudolf Bultmann (Marburg), der als Neutestamentier selbst zur Nichtarierfrage in der Kirche Stellung nahm, hat beiläufig manche Ausführungen des Erlanger Gutachtens als zu kompromißhaft kritisch apostrophiert. 2 3

22.

Ebd. S. 22 f.; ebd. 12 (1933), Sp. 323.

23.

Heinz Liebing, Theologen, S. 32-45; hier: S. 37.

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Der Erlanger Neutestamentier Prof. Hermann Strathmann gab ein Sondergutachten ab: „ K a n n die evangelische Kirche Personen nichtarischer Abstammung weiter in ihren Amtern t r a g e n ? " 2 4 Strathmann lehnte zwar judenchristliche Gemeinden ab, aber die Frage der Zulassung zum geistlichen Amt für Christen jüdischer Herkunft wollte er differenziert behandelt wissen. Nicht nur die subjektive Eignung, sondern auch die durch die völkische Umwelt gegebene objektive Seite sei bei den nichtarischen Geistlichen zu berücksichtigen, deren Wirksamkeit in Deutschland aufs schwerste bedroht sei. M a n müsse darauf dringen, daß die Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe die aus der völkischen Verschiedenheit kommenden Hemmungen ertrage oder überwinde. Wenn trotzdem aus Anlaß nichtarischer Herkunft eines Pfarrers sein Vertrauensverhältnis in der Gemeinde gefährdet sei, müsse nach entsprechenden bisherigen Vorschriften verfahren werden, die für Fälle der Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen Pfarrern und Gemeinde vorgesehen waren. Auch für die Zukunft habe zu gelten, daß die Kirche bei ihren judenchristlichen Mitgliedern „die größte Zurückhaltung hinsichtlich des Eintritts in die kirchlichen Ämter erwarten und sicherstellen muß". 2 "' Bei Strathmann war der Gesichtspunkt des gemeindlichen Vertrauensverhältnisses zum entscheidenden Kriterium der weiteren Verwendung judenchristlicher Geistlicher in der Gemeinde gemacht. Dem Sondergutachten war außerdem eine Tendenz zur Beschwichtigung eigen: auch vom staatlichen Standpunkt aus werde das weitere Wirken der judenchristlichen Geistlichen erträglich sein, da eine „Gefahr volkszersetzender Wirk u n g " von ihnen her erfahrungsgemäß nicht bestehe. Hinsichtlich des kirchlichen Arierparagraphen kam es damals zu einer schroffen Auseinandersetzung zwischen den Professoren Georg Wobbermin (Göttingen) und Rudolf Bultmann (Marburg). Wobbermin betonte, er wolle die Arierfrage seiner Fachkompetenz gemäß als „experimenteller Religionspsychologe" beleuchten, eine Bemerkung, die Bultmann in seiner Entgegnung entsprechend ironisch quittierte. 2 6 Wobber-

24.

25. 26.

Ebd. S. 2 4 - 2 7 ; vgl. Theologische Blätter 12 (1933), N r . 11, Sp. 2 4 - 2 8 (Gutachten Strathmann, undatiert, wie das Erlanger Fakultätsgutachten in den Theologischen Blättern (Nr. 10, N o v e m b e r 1933) veröffentlicht). Zitat Heinz Liebing, Theologen, S. 2 7 ; Theologische Blätter 12 (1933), N r . 11, Sp. 3 2 7 . Georg Wobbermin, Zwei Gutachten in Sachen Arierparagraph, in: Heinz Liebing, Theologen, S. 2 8 - 3 1 ; Theologische Blätter 12 (1933), Sp. 3 5 6 - 3 6 9 .

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min meinte, den Arierparagraphen der altpreußischen Generalsynode „als sachgemäß und berechtigt anerkennen" zu müssen. Das Marburger Gutachten und die den Arierparagraphen vom neutestamentlich-exegetischen Standpunkt aus verwerfende Stellungnahme von 21 Neutestamentlern 27 verschiedener theologischer Fakultäten galt ihm als „voreilig und irreführend". Diese Stellungnahme der Neutestamentier hielt im Blick auf die Heilstat Gottes den Gegensatz von Juden und Heiden als Gegensatz völkisch verschiedener Gruppen neutestamentlich für völlig irrelevant: daher seien „zu kirchlichen Amtsträgern Juden und Heiden in grundsätzlich gleicher Weise geeignet". Die Professoren Karl Heim (Tübingen), Alfred Juncker (Königsberg) und Julius Schniewind (Königsberg) zogen allerdings am 30. Oktober 1933 ihre Unterschrift von der Erklärung „Neues Testament und Rassenfrage" zurück. Sie sahen durch die Art ihrer Verbreitung falsche praktische Folgerungen hinsichtlich des Arierparagraphen gezogen; eine kirchenpolitische Ausmünzung ihrer neutestamentlich-exegetischen Erkenntnisse läge ihnen fern. 28 Ihnen war es nur um die Darstellung des neutestamentlichen biblischen Befundes gegangen. Ebenso erklärte Dekan Prof. Georg Wehrung, daß die Tübinger Fakultät die Begründung gegen eine sinngemäße Anwendung des Beamtengesetzes auf die deutsche Kirche so nicht billigen könne, als ob es sich „um eine Frage des Glaubens, des Bekenntnisses und der Reinheit biblischer Verkündigung handele". Deshalb gab Wehrung die Stellungnahme der Tübinger Fakultät bekannt 2 9 , die ebenso wie auch die Darlegungen ihres Mitgliedes Prof. Gerhard Kittel über „Kirche und Judenchristen" aus dessen Schrift „Kirche und Judenfrage" (2. Aufl.) allen theologischen Dozenten außerhalb Deutschlands in Europa und Amerika zugesandt wurde. 3 0 Kittel hatte hier neben der schöpfungstheologisch geschlußfolgerten Andersartigkeit (nicht Minderwertigkeit) der Juden zuRudolf Bultmann, Der Arierparagraph im Raum der Kirche, in: Heinz Liebing, Theologen, S. 3 2 - 4 5 ; Theologische Blätter 12 ( 1 9 3 3 ) , Sp. 3 5 9 - 3 7 0 . 27.

28.

29. 30.

„Neues Testament und Rassenfrage". Professoren und Dozenten der Neutestamentlichen Wissenschaft (Vor dem 5. Oktober), Theologische Blätter 12 ( 1 9 3 3 ) , Sp. 2 8 9 - 2 9 4 ; vgl. Heinz Liebing, Theologen, S. 1 6 - 1 9 . Die Evangelisch-theologische Fakultät der Universität Tübingen und der Arier-Paragraph im Raum der Kirche, in: Heinz Liebing, Theologen, S. 4 6 4 8 ; Theologische Blätter 12 ( 1 9 3 3 ) , Sp. 3 7 4 f. Heinz Liebing, Theologen, S. 4 7 f. 1. und 2. (erweiterte) Aufl. 1 9 3 3 ; 3. Auflage 1 9 3 4 : Mit zwei Beilagen: Antwort an Martin Buber; Kirche und Judenchristen, Stuttgart 1 9 3 4 .

Der Arierparagraph im theologischen Widerstreit

129

gleich den heilsgeschichtlich relevanten biblischen Verwerfungs- und Unheilsaspekt in einer Weise, die voraufklärerisch anmutete, als geschichtsund politikbedeutsam verstanden und eine Art Apartheidsforderung aufgestellt, die den J u d e n in Deutschland lediglich ein Fremden- und Gastrecht einräumen wollte. D a s Tübinger Gutachten plädierte dafür, auch etwaige judenchristliche Sondergemeinden als vollgültig zur „Una s a n c t a " gehörig anzuerkennen; in ihnen könne sogar eine geistliche Bereicherung der kirchlichen Gemeinschaft erblickt werden. Die Frage der judenchristlichen Amtsträger sei eine Frage der Verwaltung der Volkskirche und sei nach Grundsätzen der ihrer Eigenart sich bewußtwerdenden Volkskirche „mit Weisheit, Liebe und T a k t zu e n t s c h e i d e n " . 3 1 In der Kritik an der Erklärung „Neues Testament und R a s s e n f r a g e " stand W o b b e r m i n also nicht allein. W o b b e r m i n s Darlegungen, die sich gegen das M a r b u r g e r Gutachten richteten, lösten allerdings die Gegenkritik Bultmanns aus, der die M a r b u r g e r Linie in dieser Frage begründet vertrat. W o b b e r m i n ging davon aus, der Arierparagraph wolle eine Notlage beheben und normale personell proportionale Zustände auch an Universitäten wieder herstellen. Wer den kirchlichen Arierparagraphen ablehne, müsse auch die staatliche Gesetzgebung (also das Berufsbeamtengesetz) attackieren; denn die „heutige deutsche J u d e n f r a g e " sei „ R a s s e n f r a g e " . Diesen Begriff kenne das Neue Testament zwar nicht; es zwinge aber auch nicht dazu, „in der Behandlung der Judenfrage den Gesichtspunkt der Rasse grundsätzlich auszuschalten". Der jüdische Einfluß a u f das deutsche Geistesleben müsse eingeschränkt werden. In manchen Fakultäten hätten die Z a h l jüdischer Privatdozenten und Assistenten schon 5 0 Prozent überschritten. Durch zahlreiche Ubertritte zur evangelischen Kirche habe sie an dieser „ Ü b e r f r e m d u n g " des Geisteslebens auch ihren Schuldanteil. Milderungen seien angemessen, dürften aber in der Kirche nicht zur Regel werden, meinte W o b b e r m i n . 3 2 Demgegenüber wies Bultmann kritisch darauf hin, d a ß nicht nur Seelsorge und Abendmahlsgemeinschaft aller Getauften, sondern auch das Predigtamt, das W o b b e r m i n den Judenchristen verwehre, der geistlichen Sphäre zugehöre und keineswegs nur Sache der kirchlichen

Ordnung

sei. Das Neue Testament kenne keine Bindung des kirchlichen Amtes an die Volkszugehörigkeit. Auch die von W o b b e r m i n beschworene „Einheit des deutschen Geisteslebens" sei gerade kein Kriterium, nach dem sich 31.

Heinz Liebing, Theologen, S. 4 8 .

32.

Heinz Liebing, Theologen, S. 3 1 .

130

Der Arierparagraph

im theologischen

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die kirchliche Ordnung zu richten habe. Die Anerkennung des Volksbewußtseins sei kein Grund dafür, dem Arierparagraphen eine gewisse Berechtigung in der Kirche zuzusprechen, wie es das Gutachtens Strathmanns tue, das sich sonst von dem der übrigen Theologischen Fakultät Erlangen erfreulich abhebe. Denn auch das Volksbewußtsein unterstehe der Kritik des Wortes Gottes. Wobbermin fühlte sich bei dieser Kontroverse von Bultmann mißverstanden. In einem weiteren Wort „Nochmals die Arierfrage in der Kirche" 3 3 wiederholte er seine These: die Kirche habe nicht von sich aus den Arierparagraph eingeführt; sie sei nur dem Staat gefolgt. Die M a ß n a h m e n wollten nur einen Notstand überwinden helfen. Im übrigen beziehe sich die Arierfrage „lediglich auf die äußere kirchliche O r d n u n g " der Kirche, soweit sie durch das Glaubensprinzip nicht betroffen sei. Auch hier konnte Bultmann auf eine Verschiebung des Problems hinweisen, auf die er sich nicht einließ: nämlich auf die Kritik der staatlichen Ariergesetzgebung. Wolle die Kirche an der „Bekämpfung eines jüdischkulturbolschewistischen Literatentums" mitwirken, wie Wobbermin fordere, so habe sie das nicht durch Einführung des Arierparagraphen in die kirchliche Gesetzgebung zu tun; denn nichtarische Geistliche seien ja keine „jüdisch-bolschewistischen Literaten". Bultmann meinte vielmehr: 3 4 „Und wenn die Kirche den Einfluß eines jüdischen Geistes auf unser ganzes geistiges Leben für verderblich hält, so hat sie dafür zu sorgen, daß der Geist Christi ( . . . ) zur Herrschaft gelange, und daß Israel für den christlichen Glauben gewonnen werde, wofür jedenfalls der Arierparagraph kein geeignetes Mittel sein dürfte". Auch der Systematiker Prof. Carl Stange (Göttingen) schaltete sich in die Kontroverse ein. In Kritik am Erlanger Gutachten bestritt er, daß das geistliche Amt lediglich als eine Sache der äußeren Ordnung gelte. Die Tatsache, daß die „aus jüdischem Blut hervorgegangenen Geistlichen der deutschevangelischen Kirche" eine verschwindende Minderheit bilden, die nicht annähernd dem Prozentsatz der vom Staat in staatlichen Amtern belassenen ungetauften Juden gleichkomme, zeige, daß es der Kirche keineswegs an vaterländischer Gesinnung fehle. 35 33. 34.

Georg Wobbermin, N o c h m a l s die Arierfrage in der Kirche, in: Heinz Liebing, Theologen, S. 51 f.; Deutsches Pfarrerblatt 38 (1934), S. 9 f. Rudolf Bultmann: Zur Antwort auf Herrn Prof. D. Wobbermins Artikel ,Nochmals die Arierfrage in der Kirche', in: Deutsches Pfarrerblatt 38 (1934), S. 8 7 f. vgl. Liebing, Theologen, S. 5 3 f.

Der Arierparagraph

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131

Unter der Zwischenüberschrift „Allgemeines Priestertum und Arierparagraph" hatte 1933 auch der seit 1934 in Königsberg wirkende Prof. Hans Michael Müller (damals noch in Jena) in einer Schrift Stellung zum Arierparagraphen genommen. 3 6 Er war Sohn des bekannten freien religiösen Schriftstellers Johannes Müller, der 1903 auf Schloß Mainberg, seit 1916 auf Schloß Elmau (Oberbayern) eine Begegnungstätte für weltanschaulich suchende Menschen unterhielt. Hans Michael Müller war 1933 als theologischer Referent des Reichsbischofs Ludwig Müller tätig (ohne mit ihm verwandt zu sein). Als Professor an der Theologischen Fakultät der Universität Königsberg fühlte er sich der deutschchristlichen Richtung verbunden. Den kirchlichen Kampf gegen den Arierparagraphen bezeichnete er als „theologisch unhaltbar". Ahnlich wie der Reichsbischof auf der Nationalsynode in Wittenberg September 1933 meinte auch Hans Michael Müller: es sei eine Frage bloßer Zweckmäßigkeit, ob man den Arierparagraphen für Geistliche und Kirchenbeamte in der kirchlichen Gesetzgebung wiederholen oder ihn einfach durch die staatliche Gesetzgebung auch kirchlich gewährleistet sein lasse. 37 Der Arierparagraph war seit dem 16. November 1933 ohnehin durch reichskirchlichen Erlaß für den landeskirchlichen Bereich ausgesetzt. Der deutschchristliche Reichsbischof Ludwig Müller hatte aus vorwiegend taktischen Motiven bereits auf der Nationalsynode im September 1933 davon abgesehen, ein entsprechendes Kirchengesetz mit dem Arierparagraphen zu erlassen. Vom allgemeinen Priestertum als organischem Einheitsband der Gemeinde im Protestantismus und der Heilsindifferenz kirchlicher Rechtsordnung aus schlußfolgerte Hans Michael Müller, die Einführung des Arierparagraphen für leitende Amtsträger sei weder „heilsschädlich" noch „heilsnotwendig". Denn das allgemeine Priestertum kenne den Unterschied zwischen Ariern und Nichtariern nicht. Die Auswirkung der Ariergesetzgebung in der Kirche sei nicht dogmatisch, sondern lediglich rechtlich relevant. Der Arierparagraph vermöge das allgemeine Priestertum der Betroffenen weder zu beeinträchtigen noch zu bekräftigen. Das allgemeine Priestertum als religiöses Prinzip wäre nur verletzt, wenn völkische Theologie dem Arier zusage, er habe bei Gott einen Vorzug vor dem Nichtarier. Gelegentlich habe allerdings diese Meinung entstehen können. Im Anklang an die paulinische Weisung im 35. 36.

Ebd. S. 4 9 . H a n s Michael Müller, Der innere Weg der Deutschen Kirche, Tübingen 1933.

37.

Ebd. S. 5 8 .

132

Der Arierparagraph im theologischen

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Blick auf das Essen von Götzenopferfleisch in Korinth ( l . K o r i n t h e r b r i e f , Kap. 8) bezeichnete H a n s Michael Müller die Vertreter des Arierparagrap h e n als „Schwache im G l a u b e n " , w e n n sie die E n t f e r n u n g nichtarischer Geistlicher aus kirchlichen Amtern als „ G r u n d l e g u n g oder F ö r d e r u n g des Heils" verstünden. Sie seien aber „Starke im evangelischen G l a u b e n " , w e n n sie dies als „politische N o t w e n d i g k e i t " betrachteten und die Betroffenen zwar „kulturell bewerten, sie aber nicht metaphysisch a b w e r t e n , d. h. verketzern" w ü r d e n . 3 8 Die Gegner des A r i e r p a r a g r a p h e n „aus anderen als politischen G r ü n d e n , aus theologischen also, seien schwach im evangelischen G l a u b e n und in ihrer T h e o l o g i e " . Sie sähen diese M a ß n a h m e als heilsnotwendig an bzw. als heilsschädlich an. Es müsse aber gelten: „ O b Nichtarier kirchliche Beamte sind oder es nicht sind, schadet unserem G l a u b e n nicht und schadet a u c h ihnen nicht. Wenn wir uns abschließend für die Ausschaltung der Nichtarier aus kirchlich leitenden A m t e r n entscheiden, so ist dies Urteil ein politisches, kein dogmatisches. Als politisches Urteil ist es psychologisch motiviert." 3 9 Der Arierparag r a p h sei theologisch in der evangelischen Kirche möglich und politisch notwendig. 4 0 Wenn die Kirche den Nationalsozialismus verstehe und seine gottgewollte Mission bejahe, stehe sie im Z u g der Zeit, resümierte H a n s Michael Müller. Als Volkskirche solle die Kirche sich v o m NS-System tragen lassen. Denn Volkskirche heiße, bei der Verkündigung des Evangeliums mit den geschichtlichen Gegebenheiten rechnen, sich ihnen nicht entziehen, auf sie eingehen und zu ihrem Gedeihen beitragen. Jedes Glied der Kirche sei als Glied des Staates a u c h dem Volk verpflichtet u n d k ö n n e f ü r sich keine A u s n a h m e fordern. 4 1 Dieses Beispiel zeigt einen deutschchristlich orientierten, betont distinguierten Versuch, das kirchenpolitische Eingehen auf die Ariergesetzgebung für Pfarrer und Kirchenbeamte im Jahre 1 9 3 3 / 3 4 biblischdogmatisch zu begründen. Hier w u r d e allerdings noch nicht auf die Frage nach dem kirchlichen H e i m a t r e c h t christlicher Nichtarier in der Kirche, das heißt der judenchristlichen Gemeindeglieder eingegangen. N u r das Problem des A r i e r p a r a g r a p h e n f ü r kirchliche Amtsträger w a r Gegenstand der Reflexion. Vom Gesichtspunkt der Heilsindifferenz kirchlicher R e c h t s o r d n u n g , die der politischen Sphäre zugeordnet und so als 38. 39. 40. 41.

Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.

S. S. S. S.

54. 55. 58. 65.

Der Arierparagraph

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133

dogmatisch wertneutral empfunden wurde, leitete Hans Michael Müller die Berechtigung ab, den staatlichen Arierparagraphen für die Kirche zu übernehmen. Eine eigene kirchliche Ariergesetzgebung erschien ihm sogar als unnötig, weil sich die Auswirkung staatlicher Rechtsordnung für kirchliche Amtsträger von selbst verstehe: diesen Gedanken hat auch der Reichsbischof auf der Nationalsynode Herbst 1 9 3 3 in Wittenberg vertreten. Die Auseinandersetzung um den kirchlichen Arierparagraphen zeigt, daß - wie im Marburger Gutachten besonders deutlich - kirchliches Autonomiebewußtsein und Bekenntnisprinzip sich einer Übernahme rassenpolitisch akzentuierter staatlicher M a ß n a h m e n auf den kirchlichen Bereich theologisch widersetzten. Die Deutschen Christen blieben demgegenüber darauf bedacht, die äußere Ordnung und damit auch das Predigtamt in der Volkskirche den Erfordernissen des Dritten Reiches anzupassen. Haben die kirchlichen Kreise, die sich 1 9 3 4 auf den Bekenntnissynoden formierten, kaum öffentliche Kritik am staatlichen Arierparagraphen geübt, so setzten sie in den Auseinandersetzungen um die Nichtarierfrage in der evangelischen Kirche ein Zeichen dafür, daß nationalsozialistisch-völkisches Rassenbewußtsein für Kirchengliedschaft und kirchliches Amt irrelevant, ja inakzeptabel war. 4 2

42.

Vg. Kurt Meier, Kirche und Judentum, passim.

7. Gutachten, Stellungnahmen, Kirchenkampfaktivitäten

Außer Gutachten und kontroversen Stellungnahmen zur Frage des kirchlichen Arierparagraphen war auch sonst das bekenntnis- und kirchenpolitische Engagement der theologischen Fakultäten 1933/34 beachtlich. Erst ein nur unter Protest hingenommener ministerieller „Maulkorberlaß" Ende Februar 1935 hat den theologischen Hochschullehrern an den Universitäten für das NS-System unerwünschte politisch kritische Verlautbarungen zum Kirchenstreit zu verbieten versucht. Eine ganze Reihe von Gutachten der Fakultäten über aktuell brisante Fragen von Bekenntnis und Kirchenordnung zeigt das kirchen- und bekenntnispolitische Engagement. Im Unterschied zu 1933 trat im Frühjahr 1934 die Frage des Arierparagraphen in der Kirche durch die taktisch lavierende Politik der Reichskirchenregierung Ludwig Müllers etwas in den Hintergrund. Dies ist auch einer der Gründe gewesen, weswegen der Arierparagraph auf der Bekenntnissynode zu Barmen keine Rolle spielte und in der Barmer Theologischen Erklärung keinen direkten Niederschlag fand. Doch ergaben sich im Jahre 1934 neue Konflikte durch die gewaltsam versuchte Eingliederung der Landeskirchen in die Reichskirche. Bei der Eingliederungsgesetzgebung wurden die landeskirchlichen Gesetzgebungsbefugnisse mit Ausnahme von Bekenntnis- und Kultusfragen auf die Nationalsynode übertragen. Die auf kirchliche Gleichschaltung bedachte Eingliederungspolitik der Landeskirchen in die Reichskirche, von Reichsbischof Müller und „Rechtswalter" August Jäger aus dem preußischen Kultusministerium bedenkenlos inszeniert, scheiterte im Herbst 1934 schließlich an dem außen- und aufrüstungspolitisch für das NS-Regime störenden Einspruch ausländischer Kirchen, besonders des anglikanischen Episkopats. Hitler versagte dem staatlicherseits zunächst massiv unterstützten Eingliederungswerk kurz vor seinem Abschluß weitere Unterstützung. 1 Die theologischen Fakultäten haben sich im Jahre 1934 gegen solche als rechtswidrig empfundene Ubergriffe der Reichskirchenregierung 1.

Vgl zur Eingliederung der einzelnen Landeskirchen Kurt Meier, Kirchenkampf, B d . l , S. 5 0 1 - 5 2 7 .

Gutachten,

Stellungnahmen,

Kirchenkampfaktivitäten

135

durch Gutachten und Protestschreiben zur Wehr gesetzt. Sie haben damit die bekenntnissynodale Opposition unterstützt, ebenso die von der reichskirchlichen Eingliederung betroffenen Landeskirchen Württemberg und Bayern, deren Bischöfe Wurm und Meiser damals mehrere Wochen unter Hausarrest gestellt waren. Der bekenntniskirchliche Widerstand Bayerns und Württembergs gegen die Eingliederungsaktion sollte auf diese Weise gebrochen werden. Auch gegen diese gewaltsame Eingliederungsaktion in Bayern und Württemberg haben die theologischen Fakultäten der Landesuniversitäten Erlangen und Tübingen protestiert. Sie signalisierten so ihren Gegensatz gegen die deutschchristliche Reichskirchenpolitik. Bereits 1 9 3 3 finden sich solche kritische Stellungnahmen. So wandte sich das Gutachten der Theologischen Fakultät Leipzig 2 über die „ 2 8 Thesen der sächsischen Volkskirche zum inneren Aufbau der Deutschen Evangelischen Kirche" gegen den deutschchristlichen Kurs der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Das Gutachten war durch ein Ersuchen von 15 sächsischen Superintendenten vom 2 8 . Dezember 1 9 3 3 veranlaßt. Sie waren mit einer Verordnung des deutschchristlich beherrschten Kirchenregiments in Dresden nicht einverstanden, mit der die von Oberkirchenrat Dr. Walter Grundmann verfaßten 2 8 Thesen zu landeskirchlich verbindlichen Arbeitsrichtlinien gemacht werden sollten. Diese deutschchristlichen Thesen wurden auch von anderen Landeskirchen übernommen, so von Braunschweig und SchleswigHolstein; sie wurden auch von den nach dem Rücktritt Hossenfelders von Konsistorialrat Dr. Christian Kinder (Kiel) geführten Deutschen Christen im Reich, die sich anstatt G/tfwbewsbewegung D C bald RezcA>sbewegung Deutsche Christen nannten, übernommen. Die Theologische Fakultät an der Universität Leipzig hat die 2 8 Thesen ausgewogen analysiert, zugleich aber mit klarer theologischer Kritik bedacht. Zahlreiche Bekenntniswidrigkeiten wurden aufgewiesen, so die „wechselseitige Verwirrung des Staatlichen und Kirchlichen, die der Wesensverschiedenheit beider widerspricht". 3 Die Anwendung des Arierparagraphen auf die Kirchen berühre ein schwieriges Problem. Das zeige die 2.

Gutachten der Theologischen Fakultät Leipzig über die 2 8 Thesen der Sächsischen Volkskirche zum inneren Aufbau der Deutschen Evang. Kirche, in: Kurt Dietrich Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 1, S. 1 9 5 - 1 9 9 ; zu den Thesen selbst W . G r u n d m a n n , Die 2 8 Thesen; vgl. auch Allgemeine Lutherische Kirchenzeitung 6 7 ( 1 9 3 4 ) , Sp. 5 8 9 - 5 9 3 .

3.

Kurt Dietrich Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 1, S. 1 9 7 .

136

Gutachten, Stellungnahmen,

Kirchenkampfaktivitäten

reichskirchliche Außerkraftsetzung des Arierparagraphen wie auch die Warnung des Reichsinnenministeriums vor mechanischer Übertragung auf ursprünglich nicht gemeinte Gebiete. Voreilige, nur landeskirchliche Lösungen in dieser Frage könnten daher weder in kirchlichem noch in staatlichem Interesse liegen. Diese kritische Stellungnahme der Leipziger Theologischen Fakultät zu wesentlichen Thesenreihen Grundmanns kam zu dem Resultat, „daß die 28 Thesen in wichtigen Punkten nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Geist der Bekenntnisschriften widersprechen". 4 Die „Klarheit und Tiefe der kirchlichen Bekenntnisschriften" werde zudem vielfach durch Formulierungen ersetzt, die in ihrer volksmissionarischen Absicht als verständlich galten, „aber den Vollgehalt des Evangeliums nicht erschöpfen" würden. Die „braune Synode" am 10. Dezember 1 9 3 3 habe den 2 8 Thesen keineswegs Bekenntnischarakter zu geben vermocht. Gegen die Annahme der Thesen auf der Synode wurden schwere Bedenken der Leipziger Fakultät erhoben. Ihr Fakultätsvertreter auf der Synode Prof. Horst Stephan hatte sich bereits auf der Synodaltagung von den Thesen kritisch distanziert. Er hatte, da Stimmenthaltung nicht zugelassen wurde, nicht mit abgestimmt. Die Leipziger Theologische Fakultät bescheinigte der synodalen Instanz der sächsischen Landeskirche, daß sie bekenntniswidrige Thesen für verbindlich erklärt habe. Die Berliner Theologische Fakultät hatte ihren Senior, den bereits des längeren emeritierten Systematiker Prof. Reinhold Seeberg beauftragt, ebenfalls zu den Thesen Stellung zu nehmen. Das viel positiver ausfallende Gutachten Reinhold Seebergs kam zu dem Schluß: 5 „Mag man manches an diesen Sätzen anders formuliert sehen wollen, soviel ist klar, daß die Thesen in positiv christlichem Geist gemeint sind und daß sie christliche Grundwahrheiten so zu formulieren versuchen, wie es der Bedarf der nationalsozialistischen Bewegung erfordert." Die das Gutachten anfordende Rheinländische Pfarrbruderschaft, hatte sich gleichzeitig an den Reichsbischof gewandt und ihn ersucht, die evangelischen Glaubensgrundlagen in den Landeskirchen Sachsen, Braunschweig und Schleswig-Holstein wiederherzustellen, wo die Thesen offiziell eingeführt waren. Reinhold Seeberg versuchte zu beschwichtigen. Abschließend formulierte sein Gutachten „den Eindruck, daß, so schroff auch der theologische Gegensatz von seiten der Rheinländer formuliert wird, eine wirklich durchgreifende religiöse Differenz nicht zu 4. 5.

Ebd. S. 198. Ebd. Bd. 2, S. 31-35; Zit.:32.

Gutachten,

Stellungnahmen,

137

Kirchenkampfaktivitäten

bestehen scheint". 6 Wenn man parteimäßige Differenzen zurückstelle und Substanz mit Substanz vergleiche, könnten die vorhandenen Lehrunterschiede überwunden werden. Reinhold Seebergs Sohn Prof. Erich Seeberg, damals Dekan der Berliner Theologischen Fakultät, wies in einer Vorbemerkung darauf hin, daß „von verschiedenen Fakultätsmitgliedern, namentlich im Hinblick auf das zur Arierfrage Gesagte, Gewissensbedenken ausgesprochen w o r d e n " seien. 7 Im Gefolge der Veröffentlichung des Berliner Gutachtens kam es verschiedentlich zu Angriffen auf Reinhold Seeberg. Eine Ehrenerklärung, der auch die partiell dissentierenden Kollegen der Berliner Fakultät zugestimmt hatten, ohne daß deren sachlichen Einwände berücksichtigt waren, brachte in den folgenden Monaten weitere Dissonanzen in die Berliner Fakultätsverhältnisse. 8 Außerdem gab es verschiedene Fakultätsgutachten zu landeskirchlichen Verfassungsfragen (so durch die theologischen Fakultäten in Kiel, Münster, Erlangen, Tübingen, Gießen). 9 Daneben sind kritisch-aversive Stellungnahmen gegen die Kirchenpolitik der Reichskirchenregierung zu nennen, die die Rechtmäßigkeit kirchenpolitischer M a ß n a h m e n vom Standpunkt der reformatorischen Bekenntnisschriften anfochten und massive Rücktrittsforderungen an den Reichsbischof enthielten. Für diese kritisch-ablehnende Erklärung zur Sicherungsverordnung des Reichsbischofs vom 4 . Januar 1 9 3 4 wurden binnen kurzem 7 2 Unterschriften von Professoren und Privatdozenten der Theologie geleistet. 10 Die ausführliche Erklärung zu Bekenntnis und Verfassung in der evangelischen Kirche, die am 2 3 . M a i 1 9 3 4 von allgemein reformatorischen Grundsätzen auf die Notwendigkeit bekenntnisbestimmter Kirchenordnung hinwies und das politische Führerprinzip in der Kirche verwarf, war von 3 5 Theologen unterzeichnet. 1 1 Ein von zwölf Pro6.

Ebd. S. 3 5 .

7.

Ebd. S. 3 1 .

8.

Günther K o c h , Die Theologie eines Gutachters, Junge Kirche 2

(1934),

S. 5 0 3 - 5 0 7 ; ferner: ebd. S. 6 3 8 f.: Entgegnung von Kurt Deißner und Rudolf H e r m a n n ; ebd. S. 6 3 9 : Entgegnung von Berliner Professoren; S. 9 2 3 - 9 2 6 : Junge Kirche, Erklärung der Schriftleitung; J o h a n n e s Witte, Die Theologie eines Gutachters, in: Evangelium im Dritten Reich 3 ( 1 9 3 4 ) , S. 3 4 4 f.; S. 4 2 5 f. 9.

Defensive

Fakultätsgutachten

bei Kurt

Dietrich

Schmidt,

Bekenntnisse,

Bd. 1, S. 1 9 1 - 1 9 5 (Kiel, 5. O k t o b e r 1 9 3 3 ) ; Bekenntnisse, B d . 2 , S. 2 9 - 3 1 (Münster, 1 8 . J a n u a r 1 9 3 4 ) ; S. 1 3 6 - 1 3 8 (Erlangen, September 1 9 3 4 ) ; S. 1 4 9 (Tübigen, 1 9 . September 1 9 3 4 ) ; S. 1 6 3 (Gießen, 2 . N o v e m b e r 1 9 3 4 ) . 10.

K u r t Dietrich Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 2 , S. 2 9 .

11.

Ebd. S. 81 f.

138

Gutachten, Stellungnahmen,

Kirchenkampfaktivitäten

fessoren der Leipziger Theologischen F a k u l t ä t unterzeichnetes Protesttelegramm vom 1 9 . M a i 1 9 3 4 beschwor die deutschchristlichen Kirchenbehörden, vor allem die Reichskirchenregierung, auf den klaren Rechtsboden der Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 1 1 . Juli 1 9 3 3 zurückzukehren. N a c h lutherischer Auffassung dürfe die äußere O r d n u n g der Kirche den Geist der Bibel und der Bekenntnisschriften nicht verleugnen. 1 2 Diese gutachtliche Äußerungen zu kirchlichen Verfassungsfragen, so auch das Eintreten der Fakultäten Tübingen und Erlangen für ihre vom reichskirchlichen Zugriff bedrängten Landeskirchen Württemberg und Bayern im Herbst 1 9 3 4 , bezeugen eindrücklich das rege Engagement der theologischen Fakultäten überwiegend gegen die deutschchristliche Zentralisierungs- und Gleichschaltungstendenz. D a s Konfessionsprinzip und die landeskirchliche R e c h t s a u t o n o m i e wurden hier beeindruckend zur Geltung gebracht. Die T ü b i n g e r Fakultät hat sich a m 1 9 . September 1 9 3 4 an den M i nisterpräsidenten und Kultusminister Christian Mergenthaler in Stuttgart gewandt. In dem vom D e k a n Prof. H a n n s R ü c k e r t unterzeichneten Protestschreiben wurden die M a ß n a h m e n der Reichskirchenregierung, „welche a u f Herstellung einer absoluten Zentralgewalt in der Kirche abzielen", als zu „den Forderungen Jesu Christi für die Führung und Gestaltung seiner K i r c h e " im krassen Widerspruch stehend abgelehnt. Auch gegen die Gewaltpraktiken wurde protestiert, mit denen die württembergische Landeskirche in die Reichskirche eingegliedert werden sollte. 1 3 Ebenso wandte sich die Erlanger Theologische Fakultät am 1 3 . O k tober 1 9 3 4 an den bayerischen Reichsstatthalter Ritter Franz von Epp in M ü n c h e n . 1 4 Die von Berlin aus am 1 1 . O k t o b e r 1 9 3 4 eingeleiteten Eingliederungsmaßnahmen widersprächen der Reichskirchenverfassung von 1 9 3 3 und seien daher nicht rechtsgültig. Die Erlanger Fakultät forderte dazu auf, die Spaltung der bayerischen Kirche in zwei Kirchengebiete (Franken und Bayern) rückgängig zu machen und die rechtmäßige geistliche Obrigkeit des Landesbischofs Meiser wieder herzustellen. Die Rücktrittsforderungen aus dem Bereich der theologischen Fakultäten an Reichsbischof Ludwig M ü l l e r nahmen Maße

an.

Am

6.

November

1934

forderten

119

überdimensionale namentlich

ge-

nannte Universitätstheologen den Rücktritt Ludwig Müllers als Reichs12. 13. 14.

Ebd. S. 81. Ebd. S. 149. Ebd. S. 1 3 6 - 1 3 8 .

Gutachten, Stellungnahmen,

Kirchenkamp faktivitäten

139

bischof. 1 5 Neun Professoren der Theologischen Fakultät Leipzig hatten ihn am gleichen Tag telegraphisch zum Rücktritt aufgefordert und veröffentlichten den Text des Protesttelegramms am Schwarzen Brett der Fakultät. 1 6 Ludwig Müller, der auf die Forderungen vom 6. November 1 9 3 4 , von seinem Amt zurückzutreten, brieflich und in einem „Wort an die Gemeinden" ablehnend reagierte, erhielt eine öffentliche Antwort von 1 2 2 theologische Hochschullehrern, in dem sie seine Ausflüchte zurückwiesen: Führerpersönlichkeiten gehörten mit dem kirchenpolitischen System, für das er ein J a h r lang die Verantwortung getragen habe, unlösbar zusammen. Die Zustimmung des deutschchristlich orientierten Bischofstages könne ihn als Reichsbischof nicht decken; denn dieses Gremium umfasse nur einen Teil der Kirchenführer und habe bald seine letzte Autorität verloren. Der Reichsbischof habe in seinem veröffentlichten Wort die selbstverschuldete Zerrüttung der Kirche auf die Uneinigkeit der deutschen Theologie abzulenken versucht. Die deutsche evangelische Theologie sei indes bei aller Mannigfaltigkeit in nichts so einig wie in der Forderung seines Rücktritts. Die Verwahrlosung der evangelischen Kirche sei nicht zuletzt auf den vollständigen Mangel an echter Theologie beim reichsbischöflichen Kirchenregiment zurückzuführen. Die Zumutung, die Universitätstheologen sollten sich auf ihr Lehramt beschränken, wurde zurückgewiesen. Theologische Entscheidungen müßten vielmehr lebens- und volsksnah bewährt werden. Der Hinweis auf die reichsbischöfliche Verantwortung gegenüber den der Kirche Entfremdeten sei unbegründet: 1 7 „Nicht durch Verflachung der Verkündigung und durch unevangelische Gewaltmaßnahmen, sondern durch opferbereites Bekenntnis der Kirche ist es gelungen, weiten Kreisen entkirchlichter Volksgenossen den Ernst und die Würde der evangelischen Kirche wieder ins Bewußtsein zu bringen." Der Brief schloß mit erneuter Rücktrittsforderung. Angesichts dieser massiven Rücktrittsforderungen war die Position des Reichsbischofs ernsthaft bedroht, zumal auch kirchliche Verbände ähnlich votierten und der Staat das Eingliederungswerk auch wegen der Proteste ausländischer Kirchenführer aufgeben mußte. Ein Schreiben deutschchristlich orientierter Theologieprofessoren im November 1 9 3 4 an Hitler, das auf eine Initiative Prof. Erich Seebergs (Berlin) zurück15. 16. 17.

Ebd. S. 1 7 1 . Ebd. S. 1 6 7 . Ebd.

140

Gutachten, Stellungnahmen,

Kirchenkampfaktivitäten

ging 1 8 , war für die fakultätspolitischen Aktivitäten dieses Theologenkreises charakteristisch. Angesichts mancher Unsicherheiten, denen sich die Universitätstheologie durch die Krise des Reichskirchenexperiments Ende 1 9 3 4 ausgesetzt sah, trat dieses auf Initiative von Erich Seeberg konzipierte Schreiben für eine enge Staatsbindung der evangelischen Kirche ein und beschwor auch die Zusammengehörigkeit des deutschen evangelischen Christentums mit dem Nationalsozialismus. Nur eine solche Kirchenregierung könne fruchtbar arbeiten, der der Reichskanzler sein Vertrauen schenke und mit der die Reichsstellen zusammenzuarbeiten bereit seien. Umgekehrt könne die evangelische Kirche „nur in enger Verbindung mit dem Führer ihm die Kräfte zur Verfügung stellen, die er im Kampf gegen die dem Dritten Reich widerstrebenden Mächte braucht". Zerfiele die evangelische Kirche in vom Staat gesonderte Sekten und Gemeinschaften, „würden diese leicht der Gefahr unterliegen, Sammelpunkte für eine dem Dritten Reich abträgliche Gesinnung zu werden und der politischen Ordnung das religiöse Gewissen entfremden". An der Existenzkrise der Reichskirchenregierung Ludwig Müllers hat indes auch diese Erklärung des Kreises um Erich Seeberg an Hitler nichts ändern können. Die Position des Reichsbischofs und damit das deutschchristliche Reichskirchenexperiment waren in eine ihre Existenz bedrohende Konfliktzone geraten. Das Reichswissenschaftsministerium sah sich Anfang 1 9 3 5 veranlaßt, Auswirkungen des Kirchenkampfes auf die theologischen Fakultäten einzuschränken und versuchte auf dem Verordnungswege, theologiepolitische Einflußnahme der Fakultäten oder einzelner Hochschullehrer auf die kirchlichen Auseinandersetzungen zu unterbinden. Insbesondere sollte eine Unterstützung der Bekennenden Kirche verhindert werden. Rust hat im Erlaß vom 28. Februar 1935 darum zunächst einmal die nach außen gerichteten Aktivitäten der Universitätstheologie zum Erliegen zu bringen versucht. 19 Mit diesem Erlaß hat Rust den Professoren der Theologie jede öffentliche Stellungnahme im Kirchenkampf untersagt. Professoren und Dozenten an den evangelisch-theologischen Fakultäten hätten durch aktive Teilnahme an den kirchlichen Auseinandersetzungen gegen die politische Verantwortung eines Amtsträgers des NS-Staates verstoßen. Ihr Verhalten habe „in stärkstem Maße dazu beigetragen, daß der Kirchenstreit in das Gebiet der Hochschulen und in die Reihen der Dozenten und Studenten hineinge18. 19.

Ebd. S. 170. Erlaß vom 2 8 . Februar 1 9 3 5 (StA Marburg, 3 0 7 a , acc. 1 9 6 2 / 1 2 , Nr. 2 5 , Bl. 5 9 ) ; auch in: Junge Kirche 3 ( 1 9 3 5 ) , S. 3 2 2 .

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tragen w u r d e " . Sie hätten an öffentlichen Erklärungen kirchenpolitischer Art mitgewirkt und seien freigebildeten Vereinigungen kirchenpolitischer Herkunft und Zielsetzung beigetreten. Der E r l a ß versuchte, die weitere aktive Teilnahme an bekenntniskirchlichen Gremien für Universitätstheologen zu verhindern. Kirchliche M i t a r b e i t von Hochschullehrern an kirchenpolitischen Gruppierungen erforderte jetzt den N a c h w e i s , d a ß der Gesuchsteller den amtierenden staatlich anerkannten Kirchenbehörden nach wie vor den schuldigen Dienst leisten wolle. Außerdem müßte sichergestellt sein, d a ß jedes Mitglied eines kirchlichen Gremiums, an dem Universitätstheologen mitwirken wollten, jederzeit rückhaltlos für den N S - S t a a t eintritt und „die Wiederherstellung des kirchlichen Friedens anstrebt und öffentliche Einrichtungen, wie theologische Prüfungen, aus dem kirchenpolitichen K a m p f h e r a u s h ä l t " . Die Theologieprofessoren sollten dafür Sorge tragen, d a ß auch die Studierenden der Theologie sich jeder öffentlichen Stellungnahme im Kirchenstreit enthielten. E h r e n p r o m o t i o n e n sollten bis a u f weiteres nur mit ministerieller Genehmigung erfolgen. Die D e k a n e hatten Berichtspflicht über etwaige Verstöße gegen diesen Erlaß. In einer Mitteilung des Präsidiums des Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche vom 8. April 1 9 3 6 hieß es mit einem Anflug von Ironie dazu: nach diesem E r l a ß sei „allen Professoren, die das bekenntniswidrige DC-Kirchenregiment nicht unterstützen k ö n n e n , jede kirchliche Betätigung untersagt". Sie dürften also nur noch die von den Deutschen Christen besonders bekämpfte „Theologie im luftleeren R a u m " ohne Beziehung zum kirchlichen Leben treiben. 2 0 Dieses ministerielle Verbot kirchenpolitischer Äußerungen wurde keineswegs überall widerspruchslos hingenommen. So haben beispielsweise an der Theologischen Fakultät M a r b u r g die bekenntniskirchlich engagierten Professoren H a n s von Soden und R u d o l f Bultmann wie auch Pfarrer i. R . D r . T h e o d o r Sippell, Lehrbeauftragter für englische Kirchenund Sektengeschichte, ihre abweichende Auffassung von der Pflicht eines evangelischen Hochschullehrers umfassend begründet. 2 1 H a n s von Soden schrieb dem Ministerium: werde die Bekundung und Betätigung theologischer Uberzeugung dem staatlich beamteten Professor der T h e o l o g i e durch dienstliche Anweisung eingeschränkt, so sei die Freiheit der Wis-

20.

LKA Hann S 1 E 1 I

1 3 2 (Mitteilung des Präsidiums der D E K N r . 3 8 vom

8. April 1 9 3 5 ) .

21.

StA M a r b u r g 3 0 7 , acc. 1 9 6 2 / 1 2 , N r . 2 5 , Bl. 6 9 - 7 4 .

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Kirchenkampfaktivitäten

senschaft und des Glaubens, zu deren Schutz sich der NS-Staat ausdrücklich verpflichtet habe, am entscheidenden Punkt aufgehoben. Auch für Prof. Rudolf Bultmann bestand zwischen dem ministeriellen Erlaß und der von ihm vertretenen „Auffassung von theologischer Arbeit, zu der ich mich als Glied meiner Kirche wie als Volksgenosse und Staatsbeamter verpflichtet fühle, ein unvereinbarer Widerspruch". 2 2 Selbst Dr. Sippell, der sich unter schweren Bedenken für kurze Zeit der Bekennenden Kirche angeschlossen hatte, aber bereits einige Wochen vor dem Erlaß wieder ausgetreten war, konnte sich mit der jetzt von ihm geforderten grundsätzlichen Beschränkung seiner kirchlichen Arbeit nicht einverstanden erklären. Dozent Lie. Heinrich Schlier sah in kirchenpolitischen Entscheidungen „nichts anderes als das Wirksammachen der Lehre und des Bekenntnisses zur Ordnung der Kirche". 2 3 Komplizierend trat für Marburg hinzu, daß beispielsweise in der Landeskirche KurhessenWaldeck die Legalität der miteinander prozessierenden „Einstweiligen Kirchenleitung" und der stärker deutschchristlich orientierten „Kommissarischen Kirchenregierung" strittig war, wie der damalige Dekan Prof. Emil Balla in dem Begleitschreiben an das Ministerium mitteilte. 24 Unterschiedliche Stellungnahmen innerhalb der theologischen Fakultäten ergaben sich aus den verschiedenen kirchenpolitischen Positionen der jeweiligen Hochschullehrer. Als Mitglieder der Göttinger Fakultät gaben die Professoren Abt Carl Stange, Johannes Meyer, Walter Bauer, Hermann Dörries, Dozent Hans von Campenhausen wie auch Lehrbeauftragter Georg H o f f m a n n in einem Schreiben an Rust zu Protokoll, sie seien gewissens- und auftragsgemäß an die Kirche gebunden: „Soweit also der Kirchenstreit ein Lehrstreit ist, waren und sind wir genötigt, mit den von uns in der wissenschaftlichen Arbeit gewonnenen Erkenntnissen unserer Kirche und damit unserem Volk in ihrem schweren Ringen um die christliche Wahrheit und die sich daraus ergebende Gestaltung der Kirche beizustehen." Die Lebensnähe der theologischen Wissenschaft erfordere solchen Dienst. Es sei ihnen unmöglich, darauf zu verzichten, ihre theologische Uberzeugung gegebenenfalls auch vor der Öffentlichkeit der Kirche zu vertreten: „Dazu rechnen wir auch die Pflicht, uns unter Umständen an frei gebildeten kirchlichen Einrichtungen, die jedem Christen offenstehen, anzuschließen." 2 5 22. 23. 24. 25.

Ebd. Bl. 80 f. Ebd. Bl. 82 f. Ebd. Bl. 66 f. UA Göttingen Nr. 140, Bd. 2.

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Dekan Hirsch hingegen hielt die Bedenken seiner Kollegen nicht für begründet. Eine Abänderung der Ziffer 3 des Erlasses vom 2 8 . Februar 1 9 3 5 (Beteiligung an frei gebildeten Vereinigungen) führe dazu, schrieb Hirsch am 15. M ä r z 1 9 3 5 an das Reichswissenschaftsministerium, „daß die Absicht des Ministeriums, die theologischen Lehrer aus dem kirchenpolitischen Kampf herauszunehmen, illusorisch" bliebe. 2 6 Seinen Kollegen Georg Wobbermin, Johannes Hempel, Walter Birnbaum sowie Herbert Preisker (Breslau), der im Sommersemester vertretungsweise in Göttingen las, ließ Hirsch am 16. April 1 9 3 5 wissen, daß ihre Mitarbeit bei den Deutschen Christen, denen sie wie auch Hirsch selbst angehörten, keiner besonderen Regelung bedürfe, weil die Deutschen Christen keine eigenen Prüfungskommissionen eingerichtet hätten. Forderungen, die sich aus dem Erlaß ergäben, müßten „in Hinsicht einer Mitarbeit bei den Deutschen Christen bis auf weiteres dem Taktgefühl des einzelnen Kollegen überlassen bleiben". 2 7 Auch kontrollierende Nachfragen nach bekenntniskirchlichen Aktivitäten blieben nicht aus. So erging zum Beispiel am 6. Juli 1 9 3 5 eine streng vertrauliche Anfrage des Reichswissenschaftsministeriums an die Rektoren der Universitäten über eine neugegründete Akademikerkammer in Berlin, die unter Leitung eines Vikars Weth stehe. Es werde die Gründung einer Bekenntnisstudentengruppe an jeder Universität angeregt, die engste Bindung zur Reichsbruderschaft der Hilfsprediger und Vikare der Bekennende Kirche halten solle. Eine Werbung unter der Studentenschaft aller Fakultäten sei zu erwarten. Ziel dieser Bekenntnisgruppe, die bezeichnenderweise das Schrifttum Karl Barths besonders empfehle, sei es, in regelmäßigen Zusammenkünften, Wochenendfreizeiten und Semesterschluß-Kursen sich in erster Linie mit der völkischen Deutschen Glaubensbewegung auseinanderzusetzen. Die Arbeiten von Alfred Rosenberg und Wilhelm Hauer und entsprechende Gegenschriften dazu würden auf den Arbeitsplan gesetzt. Beim Bekanntwerden von derartigen Strömungen sei sofort der Gestapo und dem Reichswissenschaftsministerium zu berichten. 2 8

26. 27.

Ebd. Ebd.

28.

StA Marbg 3 0 7 a, acc. 1 9 6 2 / 1 2 , Nr. 2 5 , B1.144, vgl. auch ALK Hannover, S 1, Ε II 1 3 2 („Zusammenschluß der jungen Theologen", 1. März 1 9 3 4 . Gustav v. Bodelschwingh, Dünne, Kr. Herford/Westf.). Zum Ganzen vgl. Wolfgang Scherffig, Junge Theologen im Dritten Reich.

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In der „Nachwort" genannten Information der Reichskirchenregierung, die im Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen Kirche vom 28. Juni 1935 dem „Wort des Reichsbischofs an die Studenten der Theologie" folgte, hatte sich Reichsbischof Ludwig Müller zugleich gegen die Bekennende Kirche und die neuheidnisch-völkische Deutsche Glaubensbewegung gewandt.29 Er warnte die Theologiestudenten: sie möchten sich von keiner dieser kirchenpolitischen Fronten einfangen lassen. Dabei bezeichnete er die völkische Religiosität als die geringere Gefahr. Dieses „Nachwort" zitierte auch das Urteil eines namentlich nicht genannten Dekans einer Theologischen Fakultät über die Augsburger Hochschulbeschlüsse der Bekennenden Kirche von Anfang Juni 1935. Die Beschlüsse der Synode wurden dort des Boykotts der staatlichen Fakultäten bezichtigt. Die Studenten der Theologie wurden vom Reichsbischof vor bekenntniskirchlicher Obstruktion gewarnt, „damit die im nationalsozialistischen Deutschland selbstverständliche Einheit des Bildungswesen gewahrt bleibe, damit die Theologie, die Mutter und Keimzelle der Universitäten, nicht herausgebrochen wird aus der universitas litterarum, zu ihrem und der anderen Fakultäten unermeßlichen Schaden." Die Sorge um institutionelle Existenzgefährdung der Universitätstheologie blieb hier das entscheidende Argument. Da die Hochschulbeschlüsse der 3. Bekenntnissynode der DEK vom 4. bis 6. Juni 1935 in Augsburg das Fernbleiben von Lehrveranstaltungen bestimmter Hochschullehrer nahelegten, die den Deutschen Christen nahestanden oder sich der Bekenntnissynode gegenüber distanziert verhielten, kam es zu ministeriellen Rückfragen. Noch am 15. Oktober 1935 wurden alle Angehörigen des Lehrkörpers der Theologischen Fakultäten zur Abgabe einer dienstlichen Erklärung aufgefordert, ob sie an der Augsburger Bekenntnissynode und an den Beratungen ihres „Hochschulausschusses betr. Vorbildung und Prüfung der Pfarrer der Bekennenden Kirche" teilgenommen oder bei der Formulierung der betreffenden Synodalbeschlüsse mitgewirkt hätten. Bejahendenfalls wurde eine Äußerung darüber erwartet, „wie der Betreffende sein Verhalten mit dem Theologen-Runderlaß vom 28.Februar 1935 ( . . . ) vereinbaren wolle." 30 Die Berufung des Reichskirchenministers Hanns Kerrl, der im Herbst 1935 den Kirchenkonflikt im Staatsinteresse durch Kirchenausschüsse beizulegen versuchte, führte zu einer neuen kirchenpolitischen Konstellation, die staatlicherseits eine Unterstützung durch die theologischen 29. 30.

Gesetzblatt der DEK 1935, Nr. 20, S. 67-69. StA Marburg 3 0 7 a, acc.1962/12, Nr. 25, Bl. 96.

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Fakultäten nahelegte. Für die „Befriedungspolitik" Kerrls erschien die Mitwirkung des Potentials der theologischen Fakultäten unentbehrlich. Kerrl schwebte das Ziel einer staatsverbundenen Reichskirche vor. Die zerstrittene evangelische Kirche sollte durch die Kirchenauschüsse als Treuhändergremien für eine Ubergangszeit (bis 3 0 . September 1 9 3 7 ) „geordnet" und damit „befriedet" werden. Das führte zur Ablösung des Reichskirchenregiments Ludwig Müllers durch den Reichskirchenausschuß unter Generalsuperintendent a. D. Wilhelm Zoellner O k t o b e r 1 9 3 5 . Die Einsetzung von weiteren Kirchenausschüssen außer dem altpreußischen Landeskirchenausschuß und den entsprechenden Provinzialkirchenausschüssen gelang nur zögernd und unvollständig. Die Bekennende Kirche war nur bedingt oder gar nicht zur Mitarbeit zu gewinnen. Die deutschchristlichen Landeskirchenleiter (so in Thüringen, Mecklenburg, Anhalt und Lübeck) sträubten sich erfolgreich gegen ihre Entmachtung. Auch den intakten Landeskirchen Württemberg und Bayern blieb die Einsetzung von Landeskirchenausschüssen erspart. Um zunächst jedoch für das „Befriedungswerk" der Kirchenausschüsse und damit der Kirchenpolitik des Reichskirchenministers Kerrl unterstützende Voten theologischer Fakultäten zu ermöglichen, hat der Reichswissenschaftsminister seine einschränkenden Maßregeln gelockert und schließlich ganz aufgehoben. Machte es sich doch beispielsweise in den folgenden Monaten erforderlich, daß in die Theologische Kammer des Reichskirchenausschusses auch Professoren berufen wurden. Ein einheitliches Engagement für die Kirchenausschußpolitik Kerrls war bei den unterschiedlichen Positionen der Universitätstheologen allerdings nicht zu erwarten. Indes gehörten die Professoren Paul Althaus und Werner Eiert (Erlangen), Friedrich Gogarten (Göttingen), Ernst Haenchen (Gießen), Theodor Odenwald (Heidelberg), Wilhelm Stählin (Münster) und O t t o Weber (Göttingen) neben einigen anderen kirchlichen Exponenten außerhalb des akademischen Bereichs der Theologischen Kammer des Reichskirchenausschusses an. Der Kammer oblag es, den Reichskirchenausschuß in wesentlichen Fragen theologisch zu beraten. 3 1 Ende O k t o ber 1 9 3 6 hat die Theologische Kammer die Legitimität der „staatlichen Rechtshilfe" für die Kirche und damit die Einsetzung der Kirchenausschüsse, die bekenntniskirchlicherseits verschiedentlich scharf attackiert wurden, theologisch und kirchenrechtlich nachzuweisen versucht. Im Blick auf solche für die Kirchenpolitik Kerrls erwünschte Unterstützung aus dem universitätstheologischen Bereich, hat das Reichs31.

Kurt Meier, Kirchenkampf, Bd. 2, S. 124 f.

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wissenschaftsministerium bereits am 15. Januar 1936 einen neuen Erlaß herausgegeben, der das Verbot kirchenpolitischer Äußerungen der Theologieprofessoren aufhob. 3 2 Mit Bezugnahme auf das Reichsgesetz vom 24. September 1935, durch das Kerrl zur Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse ermächtigt worden war, sollte allen theologischen Hochschullehrern nunmehr die Möglichkeit eröffnet werden, „in voller Freiheit der Neuregelung der kirchlichen Verhältnisse innerlich zuzustimmen und das auch durch literarisch grundsätzliche Stellungnahmen zu vertreten": Im Vertrauen darauf, daß die Professoren und Dozenten „in Zukunft die Mitarbeit an der grundsätzlichen Klärung der die kirchliche Lehre betreffenden Fragen und die kirchenpolitische Betätigung scharf scheiden", habe Rust sich entschlossen, die im Erlaß vom 5. Juli 1 9 3 5 bereits in Aussicht gestellte Prüfung, ob der restriktive Erlaß vom 28. Februar 1935 aufgehoben werden könne, schon jetzt als abgeschlossen zu betrachten und den letzteren Erlaß aufgehoben, der eine Beteiligung an Fragen der Kirchenpolitik verbot. Dem Kirchenstreit sei allerdings künftig kein Einfluß auf die theologischen Fakultäten einzuräumen, vielmehr solle die Arbeitsgemeinschaft innerhalb der Fakultäten gefestigt werden. Das Verbot kirchenpolitischer Stellungnahme im nunmehr aufgehobenen Erlaß von 28. Februar 1935 wurde rückblickend so gerechtfertigt: in den kirchlichen Auseinandersetzungen hätje eine gewisse Einheitlichkeit staatlicher Stellungnahme erzielt werden müssen. Es hätte deshalb die Beeinträchtigung der Staatsautorität durch das Hineintragen kirchlicher Streitigkeiten in die Arbeit der Professoren und Dozenten der Theologie unterbunden werden müssen. Der neue Erlaß vom 15. Januar 1936, der die kirchliche Betätigung der Theologieprofessoren freigab, zielte auf deren nunmehr erwünschte Beteiligung an kirchlichen Körperschaften, das heißt an der Arbeit der Kirchenausschüsse auf allen Ebenen, wie ein erläuterndes Schreiben des Reichswissenschaftsministeriums vom 3. Juli 1936 deutlich machte, das klärend auf Anfragen von Universitätsseite Stellung nahm. 3 3 Doch versuchte man die Kontrolle über kirchliche Aktivitäten der Professoren aufrechtzuerhalten. Am 26. Februar 1936 wurden die Mitglieder der theologischen Fakultäten ersucht, vor Abgabe einer Bereitschaftserklärung über Mitarbeit in kirchlichen Körperschaften auf dem Dienstweg über den Dekan dem Misterium zu berichten. 34 32. 33. 34.

StA Marburg 307 a, acc. 1962/12, Nr. 25, Bl. 141. Ebd. Bl. 162. Ebd. Bl. 147.

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Auf Anfrage wurde am 3. Juli 1 9 3 6 mitgeteilt: im Benehmen mit dem Reichskirchenministerium seien als kirchliche Körperschaften im Sinne dieses Erlasses alle Organe anzusehen, die von staatlich anerkannten Kirchenleitungen zur Vertretung oder Beratung der Kirche oder ihrer Unterverbände gebildet seien oder gebildet würden. Es ging vorrangig um die Förderung der Kirchenausschüsse auf lokaler, regionaler oder zentraler Ebene und deren beratende Kammern und Prüfungsämter, während bekenntniskirchliche Gremien damit nicht als erlaubt gelten konnten. M i t der Freigabe unterstützender Meinungsäußerung der theologischen Hochschullehrer für die Kirchenausschußpolitik des Reichskirchenministers Kerrl ging der massive Versuch einher, das Prüfungswesen der Bekennenden Kirche als Konkurrenzpotential zu den theologischen Fakultäten auszuschalten. Zunächst verbot Rust am 17. Dezember 1 9 3 5 im Einvenehmen mit Kerrl „sämtlichen Professoren und Dozenten einschließlich Lehrbeauftragten die Beteiligung an illegalen Prüfungen und an solchen Vorlesungen, die als Gegenveranstaltungen gegen den Vorlesungsbetrieb der Fakultäten beabsichtigt sind bzw. angesehen werden k ö n n e n . " Im Zweifelsfalle sei die Entscheidung des Ministers einzuholen. 3 5 M i t Erlaß vom 15. J a n u a r 1 9 3 6 stellte Rust zugleich die Neuordnung des theologischen Prüfungswesens an den Fakultäten in Aussicht. Im Erlaß vom 17. November 1 9 3 6 wurde schließlich versucht, das Prüfungswesen der Bekennenden Kirche auszuschalten. Es hieß darin: die „von den sog. Bruderräten oder anderen Stellen der Bekennenden Kirche unternommenen Versuche, den planmäßigen Unterricht der Evangelisch-Theologischen Fakultäten dadurch zu zerstören, daß sogenannte kirchliche Ersatzvorlesungen und -seminare gegen die ihnen nicht genehmen Hochschullehrer eingerichtet und die Studenten zum Boykott des Universitätsunterrichtes gedrängt werden", gebe im Einverständnis mit dem Reichskirchenminister Anlaß zu folgender Anweisung: Jedem eingeschriebenen Studenten der evangelischen Theologie sei es verboten, „derartige Ersatzkurse oder ähnliche Einrichtungen an Stelle der Hochschul-Vorlesungen zu besuchen und sich am Boykott gegen Hochschullehrer zu beteiligen." Zuwiderhandlungen hätten dauernden Ausschluß vom Studium an allen deutschen Universitäten auf Grund der Bestimmungen der Strafordnung für Studenten vom 1. April 1 9 3 5 zur Folge. Der Erlaß war allen Theologiestudenten sofort und jeweils am Semesterbeginn bekanntzugeben. 3 6 35. 36.

Ebd. Bl. 1 4 3 . Ebd. Bl. 186.

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Der altpreußische Bruderrat hat daraufhin ein Wort an die Studenten der Bekennenden Kirche beschlossen, das die ministeriellen Vorwürfe zurückwies. Dieses Wort sollte am 2. Adventssonntag 1936 im Gottesdienst bekanntgegeben werden. 3 7 Darin hieß es: Durch die „planmäßige Verdrängung einer an die Heilige Schrift und die Bekenntnisse gebundenen Theologie von den Lehrstühlen der Theol. Fakultäten als Ausbildungsstätten für die zukünftigen Diener am Wort" seien die universitären Einrichtungen weitgehend zerstört. Die Bekennende Kirche habe deshalb eigene Ausbildungsmöglichkeiten schaffen müssen. Um einen Boykott handele es sich nicht. Die Studenten selbst sähen sich indes nicht mehr in der Lage, am Unterricht solcher Professoren teilzunehmen, die Irrlehre verträten, förderten oder sich in ihrem kirchlichen Handeln nicht sichtbar gegen sie abgrenzten. Die Studenten handelten entsprechend der Erwartung, die die Bekenntnissynode der DEK in Augsburg Juni 1935 ihnen gegenüber ausgesprochen hätte. Die ministerielle Verfügung wolle die Studenten durch Androhung und Ausübung von Gewalt dem kirchlichtheologischen Unterricht entziehen und sie dauernd einer dem Bekenntnis der Kirche nicht entsprechenden Ausbildung und Einflußnahme aussetzen. Das sei ein Eingriff des Staates in die kirchliche Verkündigung, für die die Kirche schon bei der Ausbildung ihrer zukünftigen Prediger verantwortlich sei. Die Bekennende Kirche sei der Uberzeugung, daß die Fakultäten ihre Aufgabe im Sinne einer kirchlichen Ausbildung nicht mehr erfüllen könnten. Der Bruderrat erwarte daher von den Studenten, daß sie von den Ausbildungsmöglichkeiten der Bekennenden Kirche Gebrauch machten, und erinnerte auch die Eltern der Theologiestudenten an ihre Verantwortung. Der altpreußische Bruderrat habe beim Reichswissenschaftsminister Einspruch gegen den Erlaß erhoben. Dieser Erlaß des Reichswissenschaftsministers vom 17. November 1936, der den Besuch von bekenntniskirchlichen Ersatzvorlesungen bei Strafe der Relegierung verbot, hatte angesichts der tiefgreifenden Konfliktsituation jener Monate offensichtlich nicht den gewünschten Erfolg. Ähnlich war bereits die 5. Durchführungsverordnung vom 2. Dezember 1935 zum Gesetz zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 24. September 1935, die den Bruderräten der Bekennenden Kirche kirchenregimentliche Befugnisse absprach, sobald in ihrem Bereich Kirchenausschüsse gebildet worden seien, weitgehend wirkungslos geblieben. Ein stärkeres polizeiliches Vorgehen gegen die Bekennende Kirche im Sommer 1 9 3 7 wirkte sich auch auf den Hochschulsektor aus. So wurde 37.

ALK Hannover, S 1 Η II 1 3 1 .

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a m 3 0 . September 1 9 3 7 in der Presse ein „Erlaß des Reichsführers SS und des Chefs der deutschen Polizei" Heinrich Himmler vom 2 9 . August 1 9 3 7 publiziert. 3 8 Auf Grund von § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 2 8 . Februar 1 9 3 3 wurden alle „von den Organen der sogen. Bekennenden Kirche errichteten Ersatzhochschulen, Arbeitsgemeinschaften und die Lehr-, Studenten- und Prüfungsämter aufgelöst und sämtliche von ihnen veranstalteten theologischen Kurse und Freizeiten v e r b o t e n " . In diesem restriktiven Erlaß w a r auch auf die gegen die Bekennende Kirche gerichtete 5 . Durchführungsverordnung vom 2 . Dezember 1 9 3 5 Bezug g e n o m m e n . Diese Verordnung des Reichskirchenministeriums hatte zwar verfügt, d a ß in den Gebieten mit Kirchenausschüssen die Bruderräte ihre Arbeit einstellten, war aber faktisch wirkungslos geblieben. Durch den H i m m l e r - E r l a ß hingegen waren die Ausbildungsaktivitäten der Bekennenden Kirche nunmehr kriminalisiert. An bekenntniskirchlichen Protesten fehlte es angesichts dieser gravierenden R e s t r i k t i o n s m a ß n a h m e n gegen die Bekennende Kirche nicht. Das aus Vorläufiger Kirchenleitung, Lutherrat und Kirchenführerkonferenz kürzlich gegründete Kasseler G r e m i u m äußerte sich in einem Schreiben vom 2 6 . O k t o b e r 1 9 3 7 dazu. Auch die 6. Tagung der Evangelischen Bekenntnissynode im Rheinland vom 9. bis 1 1 . N o v e m b e r 1 9 3 7 n a h m in einem Beschluß „ Z u r Frage des theologischen N a c h w u c h s e s " kritisch gegen dieses Verbot des Ausbildungswesens der Bekennenden Kirche Stellung. Ende 1 9 3 7 erschien mit Bezugnahme auf einen Beschluß der 4 . Bekenntnissynode der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union vom 1 6 . bis 1 8 . Dezember 1 9 3 6 , „ d a ß der Angriff auf das Katheder des Lehramtes der Angriff auf die Kanzel des Predigtamtes i s t " , die Denkschrift mit der Uberschrift „Lage der Theologiestudenten h e u t e " . 3 9

38.

Vgl. Theologische Blätter 16 ( 1 9 3 7 ) , Sp. 2 8 2 ; zum H i m m l e r - E r l a ß in seinen kirchlichen Auswirkungen vgl. Kurt Meier, Kirchenkampf, Bd. 3, S. 1 8 3 1 8 5 ; 6 3 9 , A n m . 4 9 7 u. ö.

39.

Wilhelm Niemöller, Evangelische Kirche im Dritten Reich, S. 3 4 3 .

8. Zwischen deutschchristlichem Anspruch und Bekenntniskritik

a) Fakultätspolitische Forderungen der Deutschen Christenv Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland im Jahre 1 9 3 3 hatte sich auch für die evangelische Universitätstheologie die Frage nach ihrer Position und Funktion unter den Verhältnissen des Dritten Reiches gestellt. Dabei spielte das Problem eine Rolle, wie sich die von Staat und Partei damals massiv protegierte Glaubensbewegung „Deutsche Christen" den Fakultäten gegenüber verhalten würde. Die Glaubensbewegung D C hatte im kirchenpolitischen Gleichschaltungsrausch des Frühjahrs 1 9 3 3 auch die Gleichschaltung der theologischen Fakultäten verlangt. In ihrem Wochenblatt „Evangelium im Dritten R e i c h " stand am 7. M a i 1 9 3 3 zu lesen: 1 „Wir fordern, daß freie und freiwerdende Lehrstühle in den nächsten Jahren so lange nur mit Theologen unserer Richtung besetzt werden, bis in deutschen Fakultäten nur Deutsche Christen wirken." Begründet wurde diese Forderung damit, daß die Bewegung der „Deutschen Christen" im Frühjahr 1 9 3 3 mit „elementarer Gewalt" um sich griffe und von den Großstädten aus jetzt auch die Kleinstädte und das platte Land erfasse. Auch Pfarrer und Gemeinden würden begreifen, daß das alte Evangelium in deutschem Sinne verstanden und für das deutsche Volk fruchtbar gemacht werden müsse. Selbst die Kirchenbehörden seien bereit, diesem Anliegen Rechnung zu tragen und die Deutschen Christen in den Apparat der sichtbaren Kirche gebührend einzuschalten. Nur an einer Stelle sei bisher alles beim alten geblieben: 2 „In den Theologischen Fakultäten der Universität. Sie, die führend vorangehen sollen, verharren in beschaulicher Ruhe. Sie berufen sich auf einen Wissenschaftsbegriff, der keinerlei Beziehung zum konkreten Leben aufweist. Z u Zeiten Schleiermachers und Hegels ging die Wissenschaft voran und die Praxis der Kirche, oft nur langsam, nach. Heute ist es umgekehrt. In Kiel, Marburg und Bonn, um nur einige zu nennen, sitzen alte 1.

Evangelium im Dritten Reich 2 ( 1 9 3 3 ) , N r . 1 9 , S. 1 7 1 (Ausgabe v o m 7. M a i 1 9 3 3 ) ; vgl. Die Christliche Welt 4 7 ( 1 9 3 3 ) , N r . 1 0 , Sp. 4 7 6 .

2.

Ebd.

Fakultätspolitische

Forderungen

der Deutschen

Christen

151

Demokraten oder gar Marxisten auf den Kathedern und pflegen ihren längst vermoderten Liberalismus. Für die Neubesetzung eines vakanten Lehrstuhls hat die Berliner Fakultät gutem Vernehmen nach Vorschläge gemacht, die einem Museumsdirektor zur Ehre gereichen würden. Das ist ein Unding!" Im Interesse der Ausbildung des künftigen Pfarrernachwuchses, dem der für die Zukunft der NS-Bewegung lebensnotwendige Kampf gegen Liberalismus und Gottlosentum obliege, werde von der Glaubensbewegung „Deutsche Christen" mit aller Entschiedenheit die „Gleichschaltung der theologischen Fakultäten" gefordert. Dabei genüge es gerade in der Theologie nicht, daß dieser oder jener von den Alten „sich jetzt äußerlich parteimäßig umschaltet". Der Hochschullehrer müsse vielmehr im lebendigen völkischen Erneuerungsprozeß stehen, wie er innerhalb der Kirche in der Bewegung der „Deutschen Christen" seinen Ausdruck finde. Gerade in den Wochen, als der durch das Berufsbeamtengesetz vom 7. April 1 9 3 3 eingeleitete Verdrängungsprozeß politisch unliebsamer Angehöriger des Lehrkörpers an den Universitäten und Hochschulen anlief, forderte der Artikel: „Wir erwarten, daß auch in den Theologischen Fakultäten die schlimmsten Vertreter eines erledigten Geistes abtreten." Eine künftig ausschließliche Berücksichtigung von Theologen, die den „Deutschen Christen" angehörten, sollte die gewünschte Gleichschaltung und deutschristliche Ausrichtung der Theologischen Fakultäten garantieren. 3 Ein in der gleichen Nummer abgedruckter Artikel von Pfarrer Erich Meyer, Frankfurt (Main), unter dem Titel „Gegen das alte System in der Kirche. Evangelische Kirchenbehörden und theologische Fakultäten als Eingangstor des M a r x i s m u s " 4 kritisiert die Predigten des kurmärkischen Generalsuperintendenten O t t o Dibelius in der Nicolaikirche Potsdam und des nassauischen Kirchenpräsidenten August Kortheuer in der Frankfurter Paulskirche im Zusammenhang mit der Reichstagseröffnung am 2 1 . M ä r z 1 9 3 3 als neutralistisch. Beide würden den Vertretern des Weimarer Systems verdächtige Zugeständnisse machen. Doch ging der Artikel entgegen seiner Uberschrift auf die theologischen Fakultäten nicht eigens ein. Schon am 2 6 . M ä r z 1 9 3 3 war im Blick auf O t t o Dibelius und seine „Wochenschau" im Berliner Evangelischen Sonntagsblatt 3.

Evangelium im Dritten Reich 2 ( 1 9 3 3 ) , N r . 1 9 , S. 1 7 1 : Mit Dr. Th. gezeichneter Artikel in der Ausgabe vom 7. Mai 1 9 3 3 unter der Rubrik „Theologie und Hochschule", dem Fachreferat von Dr. phil. Friedrich Wieneke.

4.

Ebd. S. 1 6 8 f.

152

Zwischen deutschchristl. Anspruch und

Bekenntniskritik

die neutralistische H a l t u n g der Kirche gegenüber der Sozialdemokratie vom Fachreferat Presse der Deutschen Christen kritisch beleuchtet w o r den: „Endlich Schluß mit der zwiespältigen Haltung der Kirche gegenüber der nationalen Erhebung!" 5 Die überspannten fakultäts- und besetzungspolitischen Forderungen der Glaubensbewegung D C ließen sich natürlich nicht o h n e weiteres realisieren. Ging doch auch ihre Rechnung im Blick auf die Eroberung der evangelischen Kirche nach anfänglichen Erfolgen nicht auf. Eine bekenntniskirchliche Recherche aus dem Jahre 1 9 3 7 hat allerdings mit Kritik an der personalpolitischen Entwicklung der theologischen Fakultäten nicht gespart. 6 Es hieß dort, d a ß seit 1933 die meisten Theologen zum Zeitp u n k t ihrer Berufung in eine Professur der DC-Bewegung angehörten oder ihr wenigstens nahegestanden hätten. Auch bei Eintritten von bereits im Amt befindlichen Hochschullehrern bei den Deutschen Christen im Frühjahr 1933 spielten zunächst status- und einflußsichernde Motive mit. Zumindest schien ein Mitwirken bei der Reichskirchenreform im Frühjahr 1933 staatlicherseits erwünscht zu sein. Karrierefördernde Gesichtspunkte einer DC-Mitgliedschaft sind in den ersten Jahren des Dritten Reiches sicherlich von Bedeutung gewesen und spielten im Blick auf deutschchristlich dominierte Fakultäten auch künftig noch eine Rolle, vorausgesetzt, d a ß Dekane, fakultätspolitisch potente Wissenschaftler oder Fakultätsmehrheiten sich berufungspolitisch in den Kultusressorts ihres Landes und seit Mai 1934 beim Reichswissenschaftsministerium mit Berufungsvorschlägen durchsetzen konnten. So hat beispielsweise Pfarrer Siegfried Leffler, Mitbegründer der Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen, als Oberregierungsrat im Thüringer Volksbildungsministerium in Weimar seit 1 9 3 3 die Berufungspolitik an der Universität Jena zugunsten Deutscher Christen stark beeinflußt. Der durch Protektion Lefflers Ende 1933 berufene praktische Theologe Prof. Wolf Meyer-Erlach, ehemals bayerischer DC-Pfarrer in Würzburg-Heidingsfeld, hat als Dekan der Theologischen Fakultät und vor allem als zeitweiliger Rektor der Universität Jena die Berufung Walter G r u n d m a n n s und Erich Eisenhuths ermöglichen helfen. Wolf MeyerErlach, stark nationalistisch orientiert, hatte sich durch seine R u n d f u n k predigten einen N a m e n gemacht, w o d u r c h er sich, o b w o h l unpromoviert, 5. 6.

Ebd. 2 (1933), S. 104 f.; Fortsetzung: S. 117. Denkschrift vom 27. Mai 1937, 10 S. , verfaßt von Lie. Heinrich Schlier im Auftrag des altpreußischen Bruderrates (Landeskirchl. Archiv Hannover D 15 I G).

Fakultätspolitische Forderungen der Deutschen

153

Christen

als praktischer T h e o l o g e empfahl. Bei Eisenhuth und G r u n d m a n n waren die fachlichen Voraussetzungen für eine akademische Karriere allerdings durchaus gegeben. 7 Von den Universitätstheologen, die im Frühjahr 1 9 3 3 der Glaubensbewegung D C beigetreten w a r e n , haben sich durch den alsbald aufbrechenden Kirchenkonflikt indes eine Reihe bereits im Herbst 1 9 3 3 wieder zum Austritt veranlaßt gesehen. Radikalisierung und kirchliche Gewaltpolitik der deutschchristlichen Bewegung konnte die kirchliche und akademische Reputation schädigen. Insbesondere der theologisch unbekümmerte Führungsstil des DC-Reichsleiters Hossenfelder hat heftige Bedenken ausgelöst. Viele zogen sich im Z u s a m m e n h a n g mit dem Berliner Sportpalastskandal der Deutschen Christen a m 13. N o v e m b e r 1 9 3 3 wieder aus der D C - B e w e g u n g zurück, so die Tübinger Theologieprofessoren H a n n s R ü c k e r t , Artur Weiser und Karl Fezer; ihrem Protestschritt hat sich damals auch Prof. Gerhard Kittel angeschlossen. Diese T ü b i n g e r T h e o l o g e n hatten im M a i 1 9 3 3 eine Art theologische „Richtlinienkompetenz" bei der Schaffung der Reichskirche wie der württembergischen Landeskirche beansprucht, sahen sich jedoch bereits im September 1 9 3 3 von der Reichsleitung der Glaubensbewegung Deutsche Christen ausgegrenzt, was sie zu Rückzug, Distanzierung und Dissens veranlaßte. 8 Auch H e r m a n n Wolfgang Beyer (Greifswald), um die Jahreswende 1933/34

als

Mitglied

des

Geistlichen

Ministeriums

der

Reichskir-

chenführung kirchenpolitisch engagiert, Friedrich Karl S c h u m a n n (Halle) und Ernst Kohlmeyer (Halle) haben 1 9 3 3 der Glaubensbewegung Deutsche Christen angehört. E b e n s o war Prof. Heinrich B o r n k a m m ,

der

spätere Präsident des Evangelischen Bundes, als Professor in Gießen 1 9 3 3 vorübergehend ihr Mitglied gewesen, ohne d a ß seine Intention, an ihrer inneren R e f o r m mitzuwirken, zum Zuge k a m . Ahnlich hat sich Herbst 1 9 3 3 Prof. Friedrich Gogarten und sein schlesischen Pfarrerkreis von der Glaubensbewegung D C distanziert. 9 Die skandalösen theologischen Entgleisungen der Generalmitgliederversammlung der Glaubensbewegung D C des Gaues Großberlin im Berliner Sportpalast Herbst 1 9 3 3 , die als Sportpalastskandal in die Geschichte des evangelischen Kirchenkampfes einging, hat übrigens auch sonst wie ein „ E r d r u t s c h " dezimierend auf die Mitgliederbewegung der 7.

Vgl. UA Jena, Best. D, Nr. 6 0 3 : Erich Eisenhuth; Nr. 9 8 6 : Walter Grundmann; Nr. 2 0 3 1 : Wolf Meyer-Erlach (Personalakten)

8. 9.

Leonore Siegele-Wenschkewitz, Geschichtsverständnis, S. 1 3 4 . Vgl. Kurt Meier, Die Deutschen Christen, S. 17; 4 4 f.

154

Zwischen

deutschchristl.

Anspruch

und

Bekenntniskritik

„Deutschen Christen" gewirkt. Theologische Unbekümmertheit, radikale völkische Äußerungen, unkirchliche Gewaltpolitik beim Kampf um die kirchliche Macht, die sich unbedenklich der staatlichen Unterstützung bediente, wirkte abstoßend und innerkirchlich rufschädigend. Außerdem traf die Deutschen Christen zunehmend der bekenntniskirchliche Vorwurf der Irrlehre und unkirchlicher Gewaltpraktiken. Besonders in Fakultäten, deren Lehrkörper auf traditionsbewußte, landeskirchliche Reputation bedacht waren, wirkte sich ein zu betontes Hervortreten im deutschchristlichen Sinn nicht selten eher kontraproduktiv aus. Doch haben manche Universitätstheologen innerhalb der Reichsbewegung D C und später (seit 1938) bei den sogenannten „LutherDeutschen" weiterhin theologisch-publizistisch mitgewirkt. Später ist es dem Eisenacher „Institut zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben", das im Frühjahr 1939 von der Nationalkirchlichen Einung Deutsche Christen gegründet wurde, gelungen, verschiedene Universitätstheologen zur Vortragsmitarbeit heranzuziehen. 1 0 Die den Deutschen Christen verbunden gebliebenen Universitätstheologen innerhalb der in Reichsbewegung DC umbenannten Glaubensbewegung DC waren seit 1934 bemüht, Kontakt untereinander zu halten. Theologische Profilierungsversuche einer dem Dritten Reich gegenüber aufgeschlossenen nationalsozialistisch akzentuierten Theologie sollten den aktuellen Erfordernissen des NS-Systems Rechnung tragen. Nach einer der Reichstagung der Deutschen Christen angegliederten Theologischen Arbeitstagung 1 1 im Herbst 1934, an der die Professoren Hans Wilhelm Schmidt (Münster), Theodor Odenwald (Heidelberg), Wilhelm Koepp (Greifswald), Johannes Witte (Berlin), aber auch bereits Walter Grundmann (damals noch Oberkirchenrat in Dresden) und Privatdozent Erich Eisenhuth (seinerzeit noch in Leipzig) als Referenten neben anderen Rednern aus dem kirchenamtlichen Bereich mitwirkten, kam es vom 21. bis 23. Oktober 1935 wiederum zu einer Theologischen Tagung der Deutschen Christen in Wittenberg. Referenten waren diesmal Erich Seeberg (Berlin), Robert Winkler (Breslau), Theodor Odenwald (Heidelberg), Erich Vogelsang (Königsberg), Johannes Hempel (Göttingen) und Erich Eisenhuth (noch Leipzig). 12

10. 11. 12.

Vgl. Kurt Meier, Kirchenkampf, Bd. 3, S. 77-79 (Sachregister); ders. , Die Deutschen Christen, S. 267-300. Vgl. die gedruckten Referate in: Reichstagung der Deutschen Christen. Friedrich Grünagel (Hg.), Evangelische Theologie vor deutscher Gegenwart.

Die Fakultäten im Urteil der Bekenntnisfront

155

Im Bericht über die Wittenberger Tagung hieß e s : n es zeige sich, daß hier ein neuer Gelehrtentyp am W e r k e sei, der nicht w i e früher vielfach abseits v o m pulsierenden Leben der Z e i t stehe. Der heute allgemein gültige Wissenschaftsbegriff, die Wissenschaft nicht um ihrer selbst willen zu betreiben, sondern volksbezogen, gewinne an Bedeutung: „ D a r u m kann es heute keine wissenschaftliche T h e o l o g i e ohne Beziehung auf das sich in der Kirche sammelnde Volk geben. Erst diese Beziehung macht sie zur Wissenschaft." M a n meinte, „ d a ß die T h e o l o g i e um der völlig veränderten Lage willen, die seit fast drei Jahren in Volk und Kirche Platz gegriffen hat, jetzt einen ebenso radikalen Bruch durchmachen muß, w i e alle anderen Wissenschaften ihn bereits erfahren haben." Unmöglich sei anzuknüpfen an das System theologischen Denkens der Weimarer Z e i t , dessen Exponent Karl Barth bekanntlich ein schweizerischer Sozialdemokrat gewesen sei. Im bekannten Antibarthianismus deutschchristlichen Denkens jener Jahren wurde der dialektischen T h e o l o g i e Barths die für deutsche T h e o l o g i e unerläßliche Volksbezogenheit bestritten und gefordert, in Z u k u n f t theologisch neue W e g e zu suchen. Die ins A u g e gefaßte „Kameradschaft für deutsche T h e o l o g i e " verstand sich dabei weder als Bund oder Organisation, sondern als Arbeitskreis. Der Leiter der Tagung w a r Pfarrer D r . Friedrich Grünagel (Aachen), der durch die Schriftenreihe „ K i r c h e in Bewegung und Entscheidung" hervortrat, in der auch Universitätstheologen schrieben.

b) Die Fakultäten im Urteil der Bekenntnis front Für die Kräfte der sich 1934 auf Bekenntnissynoden formierenden Bekennenden Kirche galt die Gefahr einer deutschchristlichen Überfremdung der theologischen Fakultäten als unerträglich. D a ß die Deutschen Christen damals ihren kirchenpolitischen Führungsanspruch auch auf die Ebene der theologischen Fakultäten zu übertragen versuchten, forderte den Protest ihrer bekenntniskirchlichen Gegner heraus. So verwundert es nicht, daß angesichts der bedenklichen kirchenpolitischen Entwicklung im protestantischen R a u m vor allem radikale Bekenntniskräfte die theologischen Fakultäten als Residuum staatskirchlicher Verhältnisse der Vergangenheit mißtrauisch beobachteten, besonders dort, w o Professoren deutschchristlich eingestellt waren oder auch ohne deutschchristliche Bindung sich der Bekennenden Kirche gegenüber distanziert verhielten. 13.

Folgende Zitate: Evangelium im Dritten Reich 2 (1933), S. 171.

156

Zwischen

deutschchristl.

Anspruch

und

Bekenntniskritik

Das im Kirchenkampf besonders innerhalb der Bekennenden Kirche starke kirchliche Autonomie- und Bekenntnisbewußtsein, das sich als ein wesentlicher Faktor beim Widerstand gegen die deutschchristliche „Kirchenrevolution" erwies, machte sich deshalb gegenüber den theologischen Fakultäten geltend. Die Bruderräte der Bekennenden Kirche haben daher nicht ohne Grund eine Favorisierung deutschchristlich orientierter Hochschullehrer bei der Besetzungspolitik befürchtet und kritisiert. Zu Spannungen und Kollisionen zwischen theologischer Fakultät und Leitung der jeweiligen Landeskirche kam es bei unterschiedlicher kirchenpolitischer Haltung von Fakultät und Landeskirche. Während beispielsweise die Theologische Fakultät in Jena mit der deutschchristlich dominierten Leitung der Thüringer Kirche stärker übereinstimmte, ergaben sich in Sachsen Spannungen mit der Kirchenbehörde in Dresden unter dem DC-Landesbischof Friedrich Coch und später (seit 1937) besonders mit dem vom Reichsstatthalter NS-Gauleiter Martin Mutschmann stark abhängigen Präsidenten des Landeskirchenamtes Johannes Klotsche. 1 4 Das Verhältnis des hannoverschen Landesbischofs Marahrens zur Theologischen Fakultät in Göttingen unter ihrem ebenfalls deutschchristlich ausgerichteten Dekan Emanuel Hirsch blieb gespannt, was seinen Grund nicht zuletzt in der Konkurrenz von Landeskirche und Fakultät in der Frage der ersten theologischen Prüfung hatte. 1 5 Uberhaupt ergaben sich in der Frage der Beteiligung der Professoren an den landeskirchlichen Prüfungen besonders in der altpreußischen Unionskirche, aber auch sonst - wie die Landeskirche Hannover zeigt - immer wieder Kollisionen. 16 Daß ausgesprochen bekenntniskirchlich orientierte Nachwuchswissenschaftler in ihrer Universitätslaufbahn behindert wurden, provozierte verständlicherweise heftige Kritik. Einer Reihe von Privatdozenten wurde die Lehrbefugnis (Venia legendi) entzogen und so die akademische Karriere an den Universitäten verbaut. Daß bekenntnisbestimmte Hochschullehrer auf Schwierigkeiten im Universitätsbereich stießen, wirkte konfliktverschärfend. So fand es der deutschchristlich orientierte Systematiker Prof. Robert Winkler (Breslau) angesichts der konfliktgeladenen Verhältnisse im Kirchenkampfgeschehen durchaus „begreiflich, daß die Stellungnahmen da am schärfsten auf14. 15. 16.

Zur Ära Klotsche in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens ( 1 9 3 7 bis 1 9 4 5 ) vgl. Kurt Meier, Kirchenkampf, Bd. 3, S. 4 6 8 - 4 7 8 . Eberhard Klügel, Landeskirche, S. 3 2 4 - 3 3 0 . Vgl. Wilhelm Neuser, Teilnahme der Professoren aus Münster.

Die Fakultäten

im Urteil der

Bekenntnisfront

157

einanderprallen müßten, w o sich staatliche und kirchliche Kompetenzen am stärksten überschneiden, wie zum Beispiel im Falle unserer staatlichen theologischen Fakultäten. An diesem Punkt ist man daher eigentlich auch am weitesten auseinandergekommen, nämlich dadurch, daß die Bekennende Kirche besondere Fakultäten oder Kirchenseminare aufgemacht hat. (Berlin, Elberfeld und Breslau.)" 17 Während es sich in Berlin und Elberfeld um die Begründung kirchlicher Hochschulen handelte, die sofort Verbote der Gestapo auslösten, ging es in Breslau nur um Ersatzkurse. Hier hatte Pfarrer Lie. Dr. Heinrich Benckert im Auftrag der Bekennenden Kirche ein Verzeichnis mit Vorlesungen und Übungen zunächst für das Wintersemester 1935/36 zusammengestellt. In dem Prospekt hieß es: „ N u r im Raum der Kirche gibt es Theologie. ( . . . ) Der ProvinzialBruderrat gibt jeden Studenten die Möglichkeit, unter fachkundiger Anleitung den Fragen einer kirchlich theologischen Wissenschaft nachzugehen". 1 8 Die Vorlesungen wurden unter anderem von den BK-Pfarrern Dr. Heinrich Benckert, Dr. Robert Berger, Lie. Gerhard Ehrenforth, Lie. Werner Schmauch und Lie. Dr. Joachim Konrad abgehalten. 1 9 Wie prekär die Situation war, zeigte sich etwa daran, daß Lie. Heinrich Schlier, der der Bekennenden Kirche angehörte, als Privatdozent in Marburg verdrängt wurde. Als Dozent an der im Herbst 1935 gegründeten, aber sofort staatspolizeilich in die Illegalität gedrängten Kirchlichen Hochschule in Wuppertal-Elberfeld plädierte er 1936 dafür, es sei erforderlich, nicht mehr dem Staat allein die Berufung der Universitätstheologen zu überlassen. Gleichwohl erkannte Schlier allerdings auch die Gefahren, die sich für Theologie und Kirche aus einem radikalen Schritt durchgängig kircheneigener Theologenausbildung ergeben könnten. Die Gefahr einer Erstarrung der Theologie an einer kirchlichen Ausbildungsstätte sei zwar nicht zu erweisen; aber die andere Gefahr, „die mit der Gründung kirchlicher theologischer Anstalten verbunden ist, besteht darin, daß damit die Kirche die allgemeine Bildungsstätte des Volkes, die Universität, preisgibt. Das ist in der Tat ein kaum vermeidbarer Schaden für die Universität, für das Volk und damit auch für die Kirche." Doch was nütze es, daß die Kirchen an der Universitätsausbildung ihrer Pfarrer festhielten, wenn die Fakultäten nicht wirklich Bekennt-

17. 18. 19.

Robert Winkler, Theologie und Kirche, S. 49. Gerhard Ehrenfordt, Kirche, S. 131. Vgl. Dietrich Meyer, Zur Geschichte der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Breslau, S. 164.

158

Zwischen deutschchristl. Anspruch und

Bekenntniskritik

nistheologie trieben. Es gelte, die Theologenausbildung den M ä c h t e n zu entreißen, die Gottes W o r t verfälschten. 2 0 Auf Bekenntnissynoden erhobene Kritik an den theologischen Fakultäten, deren Legitimität bekenntnismäßig mitunter ziemlich pauschal in Frage gestellt wurde, führte zu Irritationen innerhalb der Universitätstheologie. Hatte doch die Bekennende Kirche nach voraufgehender Boykottankündigung gegen deutschchristliche Hochschullehrer im J a h r e 1 9 3 5 auf synodaler Ebene eine partielle kircheneigene Theologenausbildung ins Werk gesetzt. N i c h t entschieden bekentniskirchlich optierende Theologieprofessoren gerieten dabei ins Schußfeld der Kritik bekennender Kreise. Andererseits blieben der Bekennenden Kirche verpflichtete Universitätstheologen an der Existenz theologischer Fakultäten existentiell interessiert: trotz m a n c h e r Fehlbesetzung böten die meisten theologischen Fakultäten noch gute Voraussetzungen für ein wissenschaftlich und bekenntnismäßig vollgültiges Studium. Wissenschaftlichkeit und Kirchlichkeit seien durchaus zu vereinbaren. D o c h in den Augen besonders radikaler Kreise der Bekennenden Kirche entsprach die universitäre T h e o l o genausbildung nicht mehr generell den wirklich bekenntnismäßigen Voraussetzungen. So zeichnete sich in den Hochschulbeschlüssen der Augsburger Bekenntnissynode Anfang J u n i Hochschullehrer

1 9 3 5 zwar die Tendenz ab,

zu boykottieren

und durch

bestimmte

Ersatzvorlesungen

und

Prüfungen einen Ausgleich im Sinne der Bekennenden Kirche zu schaffen. Im Beschluß 1 2 über Vorbildung und Prüfung der Pfarrer der Bekennenden Kirche hieß es: die Synode erwarte von den Studenten, „ d a ß sie bei der Wahl ihrer Lehrer der Zugehörigkeit zur Bekennenden Kirche eingedenk bleiben und sich nur den von ihr anerkannten Prüfungsbehörden s t e l l e n " . 2 1 Sollte die M i t w i r k u n g der Professoren der Theologie an den bekenntniskirchlich eingerichteten Prüfungen beschränkt werden, „würde die Einrichtung der theologischen Fakultäten für die Kirche ihre bisherige Bedeutung v e r l i e r e n " . 2 2 Das hieß jedoch nicht durchweg, d a ß man die theologischen Fakultäten einfach preisgeben wollte. Es sollte nur zusätzlich eine bekenntnisorientierte Theologenausbildung gewährleistet sein, die an den Fakultäten fehlende Themenbereiche ergänzen und bekenntniswidrige Auf20.

Junge Kirche 4 ( 1 9 3 6 ) , H . 4 , S. 1 7 6 f.

21.

Wilhelm Niemöller, Dritte Bekenntnissynode, S. 8 1 f.

22.

Ebd.

Die Fakultäten

im Urteil der

Bekenntnisfront

159

fassungen korrigieren könnte. In der Gründung der „Kirchliche Hochschule für reformatorische Theologie" in Elberfeld und Berlin-Dahlem wurde ein wichtiges Projekt der bekenntniskirchlichen Ausbildungskonzeption realisiert, das an anderer Stelle näher beschrieben ist. Trotzdem haben verschiedene Bekenntnistheologen an den Universitäten sichtlich verstimmt davon gesprochen, die Bekennende Kirche gebe verfrüht die theologischen Fakultäten auf, an denen noch Hochschullehrer wirkten, die der Bekennenden Kirche angehörten. Es böten sich durchaus noch Möglichkeiten, Bekenntnistheologie an den Fakultäten zu hören. Selbst Prof. Hans von Soden (Marburg), der Vertrauensmann bekenntniskirchlicher Dozenten an den theologischen Fakultäten, hat die bekenntniskirchlichen Organe 1 9 3 4 / 3 5 zur Zurückhaltung gemahnt. Auch der Kirchenhistoriker Prof. Hans Lietzmann (Berlin) oder der praktische Theologe Prof. Wilhelm Stählin (Münster) warnten vor überhitzter Bekenntniskonsequenz in der Hochschulfrage. Prof. Rudolf Hermann (Greifswald), selbst Mitglied der Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche, hat mit Kritik an den Hochschulbeschlüssen der Augsburger BK-Synode vom Juni 1 9 3 5 nicht gespart. Prof. Hans Emil Weber, der 1 9 3 5 von Bonn nach Münster versetzt wurde, klagte darüber, die Bekennende Kirche gebe zu früh die Staatsfakultäten preis und verkenne die Tatsache, daß an ihnen die Studenten durchaus noch bekenntnisgemäß studieren könnten. Im Interesse der Position von Hochschullehrern, die der Bekennenden Kirche nahestanden oder ihr als Mitglieder zugehörten, sollte die bekenntniskirchliche Beurteilung der Situation, in der die Universitätstheologie sich in dieser schwierigen Zeit befand, nicht zu überspitzten Konsequenzen führen, die als institutionsgefährdend galten. 2 3 Die Ende 1 9 3 5 sofort in die Illegalität gedrängte Theologenausbildung der Bekennenden Kirche hat indes nur einen Bruchteil der Theologiestudenten von den Universitäten abziehen können. 2 4 Die Hochschulbeschlüsse des Augsburger Bekenntnissynode ließen das Verhältnis der Bekennenden Kirche zu den theologischen Fakultäten verstärkt Gegenstand kontroverser Diskussionen werden. Ein in der Oktober-Nummer 1 9 3 5 der Theologischen Blätter erschienener Aufsatz von Rudolf Hermann (Greifswald) „ Z u r Frage der Theologischen Fa23.

Z u r Kritik der Universitätstheologen a m bekenntniskirchlichen Kurs in der Frage der theologischen Fakultäten vgl. Kurt Meier, Barmen und die Universitätstheologie.

24.

Vgl. Gerhard Besier, Zur Geschichte der Kirchlichen Hochschulen oder: Der Kampf um den theologischen Nachwuchs.

160

Zwischen deutschchristl. Anspruch und

Bekenntniskritik

k u l t ä t e n " 2 5 u m r i ß d a s in der aktuellen K i r c h e n k a m p f s i t u a t i o n w i e d e r b r i s a n t e P r o b l e m universitärer T h e o l o g e n a u s b i l d u n g . D e r A u f s a t z w a r im H e r b s t 1 9 3 5 u n m i t t e l b a r v o r der E r ö f f n u n g der beiden b e k e n n t n i s kirchlichen H o c h s c h u l e n f ü r r e f o r m a t o r i s c h e T h e o l o g i e in Berlin u n d Elberfeld erschienen, die s o f o r t d u r c h die G e s t a p o v e r b o t e n u n d in die Illegalität g e d r ä n g t w u r d e n . P r o f . R u d o l f H e r m a n n hielt die universitäre P f a r r e r a u s b i l d u n g a u c h u n t e r d e n Verhältnissen des D r i t t e n Reiches f ü r kirchlich wichtig. D a b e i w a r i h m die in m a n c h e n kirchlichen w i e s t u d e n t i s c h e n Kreisen v o r h a n d e n e U n z u f r i e d e n h e i t ü b e r zu geringe P r a x i s b e z o g e n h e i t der universitären T h e o l o g e n a u s b i l d u n g d u r c h a u s b e w u ß t . D o c h gäbe es zahlreiche, vielleicht n u r n o c h s t ä r k e r w a h r z u n e h m e n d e M ö g l i c h k e i t e n , kirchliche Praxis s c h o n w ä h r e n d des U n i v e r s i t ä t s s t u d i u m s k e n n e n z u l e r n e n . Er n a n n t e a k a d e m i s c h e G o t t e s d i e n s t e , M o r g e n a n d a c h t e n , Frei- u n d Rüstzeiten, Exk u r s i o n e n , T e i l n a h m e a n F e r i e n k u r s e n . D o c h ä u ß e r t e er B e d e n k e n gegen v e r f r ü h t e n Praxiseinsatz der S t u d e n t e n : Die „Vorbereitungszeit ist n o c h nicht die Amtszeit, die Z e i t des Lernens n o c h nicht die Z e i t des A u s ü b e n s , o d e r gar des B e s s e r k ö n n e n s . " Eine gewisse U n a b h ä n g i g k e i t v o n der o r ganisierten Kirche bei der A u s b i l d u n g sei f ü r d e n p e r s ö n l i c h e n K l ä r u n g s u n d R e i f e p r o z e ß der S t u d i e r e n d e n w i c h t i g , k ö n n e Selbständigkeit f ö r d e r n u n d e n t s p r e c h e der inneren W a h r h a f t i g k e i t : „ T h e o l o g i e s t u d e n t u n d t h e o logischer Z ö g l i n g sind nicht d a s s e l b e " . 2 6 Z e n t r a l e s T h e m a der A u s f ü h r u n g e n R u d o l f H e r m a n n s w a r indes die A u s e i n a n d e r s e t z u n g mit S t i m m e n , die auf eine s t ä r k e r e G r u n d s a t z k r i tik zielten, wie sie d a m a l s in b e k e n n t n i s k i r c h l i c h e n Kreisen g e g e n ü b e r der staatlichen T h e o l o g e n a u s b i l d u n g a n d e n Universitäten laut w u r d e u n d d u r c h b e k e n n t n i s s y n o d a l e S t e l l u n g n a h m e n neue N a h r u n g e r h a l t e n hatte:27 „ M a n sagt, die F a k u l t ä t e n m ü ß t e n in der H a n d der Kirche sein. Die T h e o l o g i e sei, w e n n es recht zugehe, eine F u n k t i o n der Kirche, bilde ein Stück ihrer ,Liturgie', sie h ü t e die kirchliche N o r m u n d Regel der evangelischen V e r k ü n d i g u n g u n d b a u e im Sinne des Bekenntnisses, selber b e k e n n e n d , die kirchliche Lehre a u s , - der T h e o l o g i e p r o f e s s o r sei ,Lehrer der Kirche', - dies alles k o m m e in d e n staatlichen F a k u l t ä t e n nicht z u m A u s d r u c k . D e n n diese stellten ihre freie F o r s c h u n g s a r b e i t in d e n V o r d e r g r u n d u n d seien z u d e m d e m Sinn u n d Z w e c k der staatlichen 25. 26. 27.

Zum Folgenden Rudolf Hermann, Zur Frage der theologischen Fakultäten. Ebd. Sp. 255. Ebd.

Die Fakultäten

im Urteil der

Bekenntnisfront

161

Hochschule eingegliedert. Das aber sei nicht kirchlich, sondern politisch gedacht. Es bedeute vor allem eine Säkularisierung der Theologie, und das sei ein Schaden, der schon nicht mehr bloße Jahrzehnte, sondern viel weiter zurückreiche. Symptomatisch für das alles sei die Berufung der Theologieprofessoren durch staatliche Stellen." Diese „Beanstandungen" des Universitätsstudiums für Theologen, in der sich „Berechtigtes mit Bedenklichem" mische, seien zwar darin richtig, daß „ohne das Dasein der Kirche die theologische Fakultät gegenstandslos" wäre: „Wichtig aber ist nicht minder, daß die Kirche eine von ihr nicht direkt abhängige Theologie auch fernerhin zu schätzen weiß." Theologie habe nach evangelischer Lehre „nicht bloß einen Wächter-, sondern auch einen Pionierdienst zu leisten, ja es können ihr - im Bilde zu bleiben - auch strategische Aufgaben zufallen." W o die Kirche manchen Konzeptionen der Theologie nicht folgen könne, sei lebendige Auseinandersetzung angezeigt, wenn anders die Kirche „sich nicht einkapseln, sondern mit dem Leben in Welt und Zeit bleiben will, in die sie hineingestellt ist. Die Theologie ist nicht eine Aufgabe bloß intra muros ecclesiae". 2 8 Die Beschränkung darauf, dem künftigen Pfarrer lediglich Rüstzeug für sein Amt zu vermitteln, könne zu einer Verengung des Gesichtskreises führen. Die Gesamtaufgabe der Universitätstheologie mit ihrer wissenschaftlich-theologischen Arbeit könne in Möglichkeiten und Notwendigkeiten nicht mehr von einer Kirchenleitung verwaltet oder überschaut werden. Sonst wäre die Kirchenleitung auf theologische Beratung angewiesen, die dann leicht die „Gefahr einer legitimierten Normaltheologie" in sich schlösse. Obwohl selbst Kritiker der dialektischen Theologie, vor allem im Blick auf Karl Barths abwertende Haltung gegenüber der kulturprotestantischen Theologietradition seit Aufklärung und Pietismus, machte Rudolf Hermann doch den Wert universitärer Strukturen für die Theologie gerade an Barth deutlich, der von 1 9 2 1 bis zu seinem entlassungsbedingten Weggang nach Basel im Frühjahr 1 9 3 5 Professor an deutschen Universitäten war: „Denkt man an den akademischen Theologen, der in den letzten 1 5 Jahren den größten Einfluß gewonnen hat, an Karl Barth, so ist sehr zu fragen, ob er wohl in einem kirchlich geleiteten Hochschulwesen sich ebenso hätte durchsetzen können, gerade wenn man an seine Kirchenkritik denkt. In Universitätsfakultäten fand er das Feld freier Aus-

28.

Ebd. Sp. 2 5 5 f.

162

Zwischen deutscbchristl. Anspruch und

Bekenntniskritik

einandersetzung mit theologischen und kirchlichen Richtungen, gegen die er seinen Kampf vortragen konnte." 2 9 Die damals bekenntniskirchlich aktuelle kritische Frage, ob die Unabhängigkeit der akademischen theologischen Arbeit garantiert sei und ob der Staat nicht durch seine Hochschulpolitik und die Besetzung der Lehrstühle eine zu große Überlegenheit gegenüber unaufgebbaren kirchlichen Ansprüchen besitze, verkannte Rudolf Hermann dabei nicht. Die Berufung des Reichskirchenministers Hanns Kerrl am 16. Juli 1935 und das „Gesetz zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche" vom 2 4 . September 1935 führte zu den unterschiedlichsten kirchenpolitischen Erwartungen im Blick auf die evangelische Kirche. Rudolf Hermann sah die Fakultätenfrage jedoch von einer Gesamtlösung des gegenwärtigen Problems Staat und Kirche abhängig: 30 „Vor diesem Termin sollte überhaupt die Fakultätenfrage zwar wohl genau beobachtet, aber nicht in rasche Lösungen gestürzt werden", meinte er. Zwar sei die Sorge der Kirche nicht gering, wem sie für eine Reihe von Jahren ihren Nachwuchs anvertraue. Doch sehe es in den Fakultäten, auch in ihrer Gesamtheit, vielfach anders aus, als es sich dem Blick von außen darbiete: 31 „Es wird sehr wohl um die Sache der Theologie gekämpft und gerungen. ( . . . ) Und um eine Einrichtung, die seit einem halben Jahrtausend mit der deutschen Universität verbunden ist, zu kämpfen, ist besser, als die Sorge gleich Herr werden zu lassen und sie preiszugeben. Die Kirche darf, soviel an ihr ist, die deutsche Universität nicht ohne Theologische Fakultäten lassen, und eine kirchlich autoritäre Meisterung der theologischen Entwicklung, hat auch ihre großen Gefahren." Gegenüber dem Einwand, die theologische Mannigfaltigkeit innerhalb der Bekenntnisgemeinschaft der Deutschen Evangelischen Kirche sei doch groß genug, lebendig und so voller Spannungen, daß die Gefahr einer einheitlichen „Normaltheologie" oder Beeinträchtigung freier theologischer Forschung nicht existiere, entgegnete Hermann: es bestehe beim etwaigen Wegfall theologischer Fakultäten an den Universitäten doch „die Gefahr, Kirche und geistiges Leben in noch anderer Weise in Gegensatz zueinander zu stellen, als ein solcher durch den heiligen Bußruf des Evangeliums ( . . . ) gewiß gegeben ist." 3 2 29. 30. 31. 32.

Ebd. Sp. 2 5 6 . Ebd. Ebd. Ebd. Sp. 257.

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im Urteil der

Bekenntnisfront

163

Fielen die staatlichen theologischen Fakultäten weg, so bestehe die Gefahr, daß dann „die gegen den christlichen Glauben gerichteten K r ä f t e " sich geschlossener gegen die Kirche zu richten vermöchten, weil diese - um bei dem militärischen Bilde zu bleiben - dann einen wichtigen „Patrouillendienst" zurückgezogen hätten und sich in eine einseitige Verteidigungsstellung drängen ließen. Ohne die forschende und lehrende Mitarbeit der Theologie werde das Bild des gesamten geistigen Lebens verzeichnet und verkehrt. In den anderen Fakultäten denke man hierüber im Grund nicht anders. Im übrigen sei es auch für den Theologiestudenten „nicht etwa bloß in der kurzen Studentenzeit, sondern für sein gesamtes späteres Amts- und Berufsleben, von Bedeutung, ob er deutscher Akademiker gewesen ist oder nicht". Prof. Rudolf Hermann verstand seine Ausführungen als Wort der Warnung: In einer Krise gelte es zu halten, was man habe, und das heiße: kämpfen. Mahnend hieß es im Blick auf die Existenz der theologischen Fakultäten:' 4 „In einer Krise aber gar alte oder neue Reformwünsche sich zu unabwendbaren Umwälzungen, die dann unumkehrbar sind, auswachsen und gestalten zu lassen, dürfte zumal in der Kirche gewissensbedenklich sein. Es ist ohne Zweifel möglich, daß die Tage unserer theologischen Universitäts-Fakultäten über kurz oder länger ihr Ende erreichen. Aber nicht die Kirche darf ihr Ende mitbetrieben haben. Sie soll gewiß am wenigstens von ihrer schriftgemäßen, unumstößlichen Botschaft etwas abbrechen, sich vielmehr für die Geltung von Schrift- und Bekenntnistheologie die notwendigen Sicherungen auf den Universitäten erkämpfen. Niemand verkennt den Ernst der Lage und der Aufgaben. Aber dieser Kampf gehört in die ihr verordnete Geschichte als ein schon älteres, freilich sich erneuerndes, Thema hinein." In einem längeren „Zusatz der Schriftleitung" der Theologischen Blätter, damals bereits von Prof. Hermann Strathmann (Erlangen) redigiert, hieß es: Die von Prof. Rudolf Hermann angedeuteten Gesichtspunkte könnten nicht ernst genug erwogen werden. Allerdings wurde auch betont: 3 5 „Bei der Frage, ob staatliche oder kirchliche theologische Fakultät, wird, von der Kirche her gesehen, entscheidend sein, ob die Fakultäten von Männern besetzt sind, die ihre Aufgabe als kirchlichen Dienst ver33. 34. 35.

Ebd. Ebd. Ebd. Sp. 2 5 7 f.

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Zwischen deutschchristl. Anspruch und Bekenntniskritik

stehen und erfüllen. So lange der Staat die Bedeutung von Christentum und Kirche für das Volk positiv bewertet (von einem anderen Gesichtspunkt her kann der Staat die Frage nicht ansehen) - und weshalb sonst unterhielte er die theologischen Fakultäten? -, m u ß a n g e n o m m e n werden, d a ß er grundsätzlich bereit ist, diesem Erfordernis auch seinerseits R e c h n u n g zu tragen. Die Praxis wird sich freilich k a u m ohne eine verantwortliche M i t w i r k u n g der Kirche bei der Berufung von Theologieprofessoren befriedigend gestalten lassen. Die Verantwortung einer bekennenden Kirche, die als solche allerdings ein vitales Interesse daran hat, d a ß die Ausbildung ihrer T h e o l o g e n in einem Geiste erfolgt, der dem Wesen der Kirche entspricht, ist hier in jedem Falle sehr groß. Die Kirche wird um ihrer selbst willen immer auch die Unentbehrlichkeit einer gediegenen wissenschaftlichen Fundamentierung des Theologiestudiums im Auge behalten müssen. Bevor da und dort kirchliche Seminare für den theologischen N a c h w u c h s eingerichtet werden, müssen W a r n u n gen gehört werden, wie sie in dem vorliegenden Aufsatz ausgesprochen sind. Als kirchliche T h e o l o g e n wissen wir heute wohl wieder etwas besser als zuvor, d a ß die systematische Theologie die K r o n e der Theologie und die praktische Theologie die K r o n e des theologischen Studiums sind. U m dieser Krönung willen darf aber nicht die Grundlage fehlen, die mit der Exegese und der Kirchengeschichte gegeben ist. Wir möchten die guten Worte von Pastor D . Wilhelm Kolfhaus unterstreichen, der in der von ihm herausgegebenen ,Reformierten Kirchenzeitung' 1 9 3 5 , N r . 3 6 eine Lanze für das akademische Studium der T h e o l o g e n einer bekennenden Kirche bricht und zu dem beachtlichen Schlüsse k o m m t : ,Wir haben ebensogut verweltlichte kirchliche Theologenseminare wie verweltlichte theologische Fakultäten.' " Z u r Aussprache um dieses Problem wurden „jüngere und ältere sachverständige T h e o l o g e n " aufgefordert. Auf frühere Auseinandersetzungen von theologischer (Karl Ludwig Schmidt) und kirchenrechtlicher Seite (Johannes Heckel) in den Theologischen Blättern wurde hingewiesen. 3 6 T r o t z solcher Plädoyers für die theologischen Fakultäten verstummte die bekenntniskirchliche Diskussion darüber nicht, o b universitäre T h e o 36.

Vgl. Karl Ludwig Schmidt, Evangelisch-Theologische Fakultät; J o h a n n e s Heckel, Evangelisch-Theologische Fakultät über Kirchenverfassung und Bildungswesen; vgl. J o h a n n e s Heckel, Evangelisch-Theologische Fakultät und Evangelische Kirche. Aus Fakultätssatzungen; enthält Auszüge aus Satzungen der Fakultäten Berlin, Bonn, Erlangen, Göttingen, Greifswald, Halle, J e n a , Kiel, M a r b u r g .

Die Fakultäten

im Urteil der

Bekenntnisfront

165

logenausbildung unter den Bedingungen des Kirchenkampfes im NSStaat noch vertretbar sei. Obwohl oder gerade deshalb, weil die Organe des NS-Staates der bekenntniskirchlichen Theologenausbildung die Existenzgrundlage sukzessiv beschnitten, legte sich ein Diskurs darüber nahe, ob und inwieweit die Bekennende Kirche die Theologenausbildung selbst organisieren solle. 3 7 Unter dem Titel „Die Verantwortung der Kirche für den theologischen Unterricht" hat Lie. Heinrich Schlier, Dozent an der Theologischen Schule Elberfeld in Wuppertal-Barmen, zu der Frage der staatlichen theologischen Fakultäten in einer kleinen Schrift Stellung genommen. Entscheidende Sätze seiner Broschüre wurden in den Theologischen Blättern als Beitrag zu der durch Rudolf Hermanns Aufsatz O k t o b e r 1 9 3 5 eingeleiteten Diskussion wiedergeben. Schliers Ausführungen zeigten den Standpunkt der bruderrätlich organisierten Bekennenden Kirche: 3 8 „Wir behaupten nicht, daß die Kirche zu jeder Zeit und im ganzen Umfang die theologische Unterweisung direkt ausüben muß. Aber wir be-

haupten, daß sie heute den theologischen

Unterricht wieder selbst in die

Hand nehmen muß. Denn die Voraussetzungen, unter denen die Kirche auf eigene theologische Unterrichts- und Forschungsanstalten in einem gewissen Umfang verzichten konnte, ohne doch ihren Auftrag untreu zu werden, sind gänzlich dahingefallen." Früher seien die den Staat regierenden Männer mit ihrem kirchlichen Amt als bewußte Glieder der evangelischen Gemeinde betraut worden und nicht als Inhaber der politischen M a c h t ; auch ihre Bekenntnisverpflichtung entfalle im säkularen Staat. Deshalb seien die Voraussetzungen, unter denen ein Einfluß auf die Ordnung und Verkündigung der Kirche zur Not noch möglich war, gegenwärtig völlig weggefallen: „Es

gibt objektiv den an die Kirche gebundenen

Staat nicht mehr." So sei es

für die christliche Gemeinde nicht zu verantworten, „daß eine bekenntnislose, der Predigt in der Kirche sich nicht mehr unterstellende Obrigkeit die Sorge für die Ausbildung der künftigen Diener am Wort übernimmt und die theologischen Lehrer der Kirche bestellt". Es verbiete sich, „ d e m

grundsätzlich bekenntnisfreien, gegen die christliche Lehre gleichgültigen Staat die Entscheidung über die Bestellung der Lehrer in der Kirche zu überlassen". 37.

Vgl. Jörg Thierfelder, Ersatzvorlesungen der Bekennenden Kirche.

38.

Heinrich Schlier, Die Verantwortung der Kirche für den kirchlichen Unterricht. Hier zit. nach Auszügen in: Theologische Blätter 15 ( 1 9 3 6 ) , Sp. 21 f. Es handelt sich um die J a n u a r - N r . 1 9 3 6 . Hervorhebungen wie im Original.

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Zwischen deutschchristl. Anspruch und

Bekenntniskritik

Gegen Rudolf Hermanns Befürchtung, beim Wegfall der theologischen Universitätsfakultäten ergäbe sich die Gefahr starrer „Orthodoxie", die den Zusammenhang mit wissenschaftlicher Kritik und geistigkultureller Weite innerhalb der Gesamtwissenschaften verlöre, meinte Schlier: 39 „Daß die Gefahr der Erstarrung der Theologie an einer kirchlichen Ausbildungsstätte besonders groß ist, ist freilich durch nichts zu erweisen." Und die andere Gefahr, die mit der Gründung kirchlicher theologischer Anstalten verbunden sein könnte, nämlich „daß damit die Kirche die allgemeine Bildungsstätte des Volkes, die Universität, preisgibt", sei zwar ein Schaden für die Universität, das Volk und damit auch für die Kirche. Doch besitze die Universitätstheologie ohnehin kaum mehr Kraft, Willen und Möglichkeit, entscheidendes Zeichen gegen ideologische Überfremdung zu sein. Während Rudolf Hermann die Möglichkeit, innerhalb der Universitäten auch unter den Verhältnissen des Dritten Reiches sinnvoll Theologenausbildung zu betreiben, bejahte und den Kampf um die möglicherweise durch das NS-Regime selbst bedrohte Existenz der theologischen Fakultäten für dringend geboten hielt, verlor die universitäre Theologenausbildung für Schlier infolge der staatlich gelenkten Fakultätspolitik und Personalentwicklung der theologischen Lehrkörper gänzlich an Wert: 40 „Das ist es ja gerade, was die Kirche mit Sorge erfüllt, und was ihr mehr und mehr die Augen geöffnet hat für die Dringlichkeit eigener Unterrichtsanstalten, daß die theologischen Fakultäten immer mehr der Lehrer beraubt werden, die das Wort der Offenbarung erforschen und lehren, daß sie immer mehr solche Theologen aufweisen, die der Schrift und dem Bekenntnis entfremdet, ihre eigenen traumhaften Uberzeugungen und Ansichten als theologische Lehre vortragen. Damit ist aber der Wissenschaft, damit ist auch dem Volke nicht geholfen. Wenn das Salz der Universität, die theologische Fakultät, dumm geworden ist, dann hat die Kirche die Universität schon preisgegeben, ob das Salz noch im Hause bleibt oder ob es auf die Straße geworfen und dort zertreten wird." In harscher Kritik an den „volkskirchlichen" Universitätstheologen, die weiterhin dem Volkskirchenideal huldigen und darum am staatlichen Hochschulstudium festhalten würden, gelte es, auch bei geringer werdender Zahl „Kirche unter dem Wort" zu bleiben und jeder Ideologisierungstendenz zu wehren. Die bekennende christliche Gemeinde verstehe es, wenn die Kirche heute „das Wort Gottes den Mächten, die es verdecken 39.

40.

Theologische Blätter 15 (1936), Sp. 22. Ebd. Sp. 22.

Die Fakultäten im Urteil der Bekenntnisfront

167

und verfälschen, entreißt" und wenn „die Kirche die Ausbildung ihrer 41 künftigen Diener am Wort wieder selbst besorgt. " Bereits im Frühjahr 1936 ließ Lie. Schlier dieser kleinen Schrift vom Herbst 1935 über die „Die Verantwortung der Kirche für den theologischen Unterricht" eine neue unter dem Titel folgen: „Die kirchliche Verantwortung des Theologiestudenten". 42 Es handelte sich dabei um einen Vortrag, den er auf der Tagung der rheinischen Theologiestudenten der Bekennenden Kirche am 4. Januar 1936 gehalten hatte. Grundsätzliche Studienempfehlungen wurden gegeben; die Studenten wurden bei der Wahl ihrer theologischen Lehrer aufgefordert, den Bekenntnisstandpunkt zu beachten. Das Studium der Theologie sei mit Eifer und Sachlichkeit zu betreiben. Sachlich heiße, der Theologiestudent solle wirklich Theologie treiben und nicht christliche Geisteswissenschaft studieren: „Die Theologie hat ihre eigene Sache ( . . . ) : Gott, so wie er sich in das irdisch-menschliche Wort der Geschichte Jesu hineingeoffenbart hat." In einem dem Verständnis der Wort-Gottes-Theologie Barths verwandten Sinn hieß es: „Wir müssen ( . . . ) auch darin sachlich sein, daß wir Gott das Wort auch so sagen lassen, wie es ihm gefällt und nicht wie wir es uns wünschen. Und wir schulden es der Kirche um des wahren Wortes willen, daß wir die das Wort Gottes verhüllende Menschlichkeit und Zeitlichkeit nicht übersehen und überspringen, um uns einen eingebildeten Christus zu machen." Weiter warnte Schlier vor der modischen Verachtung der Theorie: „Haben Sie den Mut, in der Zeit ihres Studiums ,Theoretiker' zu sein ( . . . ) . Theorie ist ( . . . ) nicht der Gegensatz zur Praxis, sondern ihre notwendige Vorbereitung." Die bekenntnissynodale Beratungstendenz gegenüber den Studenten, die zu Spannungen und Konflikten mit der Universitätstheologie führte, kam in der Mahnung an die Studenten zum Ausdruck: „Sie können ( . . . ) nur solche Theologen zu Lehrern wählen, die echte Theologie lehren, d. h. die Ihnen das zentrale Wort Gottes aus der hl. Schrift und ihren Zeugnissen, den Bekenntnisschriften, eindeutig und unverfälscht zu Gehör bringen und ihnen also helfen, in das Wort und seine Erkenntnis mehr und mehr hineinzuwachsen." Außerdem entspreche der Mangel an einem geordneten gemeinsamen Leben der Theologiestudenten nicht reformatorischen Grundsätzen, sondern stelle eine Auflösungserscheinung 41.

Ebd. Bl. 2 2 .

42.

Heinrich Schlier, Die kirchliche Verantwortung des

Theologiestudenten.

Hier zit. nach Theologische Blätter 15 ( 1 9 3 6 ) , S p . l 2 6 f .

168

Zwischen

deutschchristl. Anspruch und

Bekenntniskritik

»liberaler' Zeiten dar. Das Einüben der theologischen Erkenntnis in verantwortlicher Lebensführung sei ebenso nötig wie Gemeindeverbundenheit: „Ein Theologiestudent, der in unseren Tagen sich vom Geschick der Gemeinde fernhält, der seine schlechten Lehrer darin nachahmt, daß auch er eine der ,neutralen' Positionen bezieht, die zwar leicht zu halten, aber schwer vor Gott zu rechtfertigen sind, weiß nichts davon, daß das Werk, mit dem er umgeht, eine lebendige Wirklichkeit ist, die den Menschen auch in seinem Schweigen verrät." Schließlich gehöre es zur kirchlichen Verantwortung, das Wort Gottes zu bewahren und zu vertreten. Dies sei eine Lage, die der Theologiestudent grundsätzlich mit jedem Christen teile und praktisch bald mit vielen anderen Christen teilen werde: „Denn die Zeit, w o die ,Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens' die Entchristlichung des Volkes, seiner Sitte, aber auch, wenn man so sagen darf, seines Instinktes vollenden wird, ist nicht mehr allzu fern." 4 3 Schlier wandte den Gedanken der Bekenntnis- und Bewährungspflicht auch auf das theologische Prüfungswesen an: 44 „Wie soll es möglich sein, einen Bischof ( . . . ) , den die im Kirchenregiment der Kirche Verantwortlichen ( . . . ) der falschen Lehre beschuldigt haben, pflichtgemäß im Auftrag der Kirche feststellen zu lassen, ob und wie weit ein Kandidat ( . . . ) Erkenntnis der Lehre der Kirche gewonnen hat, die im Wort und Geist gründet?" Es gehöre zur kirchlichen Gebundenheit des Theologiestudenten, daß er sich den Eingang in sein Amt nicht dadurch verschaffe, daß er das Wort zum Adiaphoron erklärt und sich für die Bezeugung des Wortes ein Moratorium verschaffe, die Zeugnispflicht sich für das spätere Amt aufspare, um sich bei der Prüfung den Zugang zum Amt nicht zu verscherzen: „Auch eine theologische Prüfung ist keine neutrale Angelegenheit in der Kirche." Kommentierende Bemerkungen der Herausgeber der Theologischen Blätter zu charakteristischen Auszügen dieser ebenfalls den Lesern vorgestellten zweiten Schrift Heinrich Schliers brachten im wesentlichen kritische Zustimmung zum Ausdruck. Der verantwortliche Schriftleiter Prof. Hermann Strathmann (Erlangen), der bald auch die Herausgabe der Theologischen Blätter allein übernehmen mußte, da der frühere Herausgeber Karl Ludwig Schmidt - nach seiner Entlassung in Bonn jetzt in Basel wirkend - auch als Mitherausgeber verlagspolitisch nicht mehr 43. 44.

Ebd. Sp. 126. Ebd. Sp. 127.

Die Fakultäten

im Urteil der

Bekenntnisfront

169

tragbar erschien 4 5 , Strathmann hat in der offensichtlich von ihm konzipierten „Stellungnahme der Herausgeber" die Möglichkeiten, sachgerecht an den Fakultäten zu studieren, positiver gezeichnet. Schliers Hinweis auf die zeitbedingte Form der biblischen Offenbarung zeige, daß er die gesamte Bibelkritik rezipiere, während das Wort-Gottes-Verständnis bei den ihm nahestehenden bekenntniskirchlichen Kreisen viel undifferenzierter angewandt werde. Doch hat Strathmann namens der Schriftleitung fragend eingewandt: „Muten nicht die Sätze über die Wahl der Lehrer dem Studenten ein Urteil, sogar ein Vorurteil zu, zu dem er, wenn er gewissenhaft ist, in der Regel sich kaum für berechtigt halten wird? Wird hier die Funktion des Verhältnisses von Lehrer und Schüler an der Universität ( . . . ) richtig verstanden? Der rechte Student will überzeugt und dadurch gefördert werden. Die Angst vor der ,Irrlehre' ist der schlechteste B e r a t e r . " 4 6 Auch die Frage der Neutralität nahm sich für Prof. Strathmann ganz anders aus. Christlich verwerflich sei nur die Neutralität vor der Offenbarung Gottes in Christus in neutestamentlich-reformatorischer Sicht: Müsse die Scheu, sich parteimäßig im gegenwärtigen Kirchenkampf zu binden, an diesem M a ß s t a b gemessen, immer verwerflich sein? Könne die Scheu vor solchen menschlichen Festlegungen nicht vielmehr auch Ausdruck der Gewissenhaftigkeit bedeuten? Außerdem: Wenn ein Kandidat sich einer Prüfungskommission stelle, der ein der Irrlehre beschuldigtes Mitglied angehöre, sei dies noch lange nicht als Verleugnung Christi zu verurteilen. K o m m e es doch vielmehr darauf an, ob dem Kandidaten gewisse Zumutungen gestellt würden oder nicht. Als richtig galt Schliers Forderung nach einem geordneten gemeinsamen Leben für Theologiestudenten. Die Tatsache, daß gegenwärtig insbesondere durch die Auflösung des studentischen Korporationswesens 45.

Strathmann, bereits von N r . 6 / 7 (Juli/August) 1 9 3 5 Mitherausgeber und verantwortlicher Redakteur der von Karl Ludwig Schmidt herausgegebenen Theologischen Blätter, zeichnete seit Februar 1 9 3 7 als alleiniger Herausgeber und verantwortlicher Redakteur, allerdings jetzt in Verbindung mit Günther Bornkamm (Bethel), Hans v. Campenhausen (Heidelberg), Gerhard von R a d (Jena), Helmut Thielicke (Erlangen). Der als Neutestamentier in Bonn entlassene frühere Herausgeber und verantwortliche Schriftleiter Karl Ludwig Schmidt ist im Impressum ab Dezember 1 9 3 4 als „Pfarrverweser in Lichtensteig, Kanton St. Gallen" ausgewiesen. Die Veränderung der Herausgeberschaft - Karl Ludwig Schmidt war seit 1 9 3 5 Professor in Basel - war Voraussetzung des weiteren Erscheinens. In Deutschland war er als ehemaliger Sozialdemokrat „persona ingrata".

46.

Theologische Blätter 15 ( 1 9 3 6 ) , Sp. 1 2 7 .

170

Zwischen deutsch ehr istl. Anspruch und Bekenntniskritik

auch christlichen Studentenverbindungen ein Ende gesetzt w a r und dadurch eine L ü c k e in den Gemeinschaftsformen studentischen Lebens entstand, erfordere für Theologiestudierende neue F o r m e n , „in denen sie als christliche T h e o l o g e n Gesinnungsgemeinschaft, H a l t und Förderung finden."

Es war hier wohl stärker an evangelische T h e o l o g e n k o n v i k t e

gedacht, die sich freilich nach Art und A t m o s p h ä r e von Gemeinschaftsformen katholischer Priesterseminare abheben müßten. Auf alle Fälle sei es unmöglich, die jungen Theologen an den Universitäten während ihrer entscheidungsvollen akademischen J a h r e einem heimatlosen Individualismus zu überlassen. 4 7 Für das Verhältnis Bekennende Kirche und Theologische Fakultäten und die bekenntniskirchliche Urteilssicht ist auch ein M e m o r a n d u m zur Lage der theologischen Fakultäten vom 2 6 . M a i 1 9 3 7 aufschlußreich. 4 8 Das M e m o r a n d u m war im Auftrage einer Kommission des Bruderrats der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union ebenfalls von Lie. Heinrich Schlier verfaßt. Diese zehnseitige Denkschrift wies mit zahlreichen Einzelbelegen darauf hin, daß die Umgestaltung der theologischen Fakultäten seit 1 9 3 3 „das Ziel verfolgt hat und noch weiter verfolgt, auch sie in den R a h m e n der neuen weltanschaulich gebundenen Universität einzufügen und sie dem Geist der neuen Universität unterzuo r d n e n " . Der direkte Weg - so etwa die Vergabe eines Lehrauftrages für Neues Testament und völkische T h e o l o g i e in J e n a - sei bisher zwar noch eine Einzelerscheinung geblieben. Es handelte sich um Dr. Walter G r u n d m a n n (Dresden), der - vom sächsischen Landeskirchenausschuß als O b e r k i r c h e n r a t in Dresden suspendiert - 1 9 3 6 in J e n a einen Lehrauftrag erhielt und - nach dem Weggang von Prof. Erich Fascher nach Halle - schließlich 1 9 3 8 das Ordinariat für neutestamentliche Wissenschaft übernahm. D a s Reichswissenschaftsministerium habe bisher den indirekten Weg beschritten: Förderung von T h e o l o g e n , die den Deutschen Christen angehörten oder ihnen nahestünden, um die theologischen Fakultäten „im Sinne und zu Gunsten der politischen Religion zu reformieren". Z u m „Personalstand" der theologischen Fakultäten wurden im M e morandum

Schliers folgende statistische Angaben gemacht, die dem

47.

Ebd.

48.

M e m o r a n d u m , 1 0 S., datiert: Wuppertal-Elberfeld, a m 2 6 . M a i 1 9 3 7 ; im Auftrag einer vom Bruderrat der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union zur Förderung des kirchlichen Unterrichts eingesetzten Kommission, unterzeichnet: i. A. Schlier (Landeskirchl. Archiv H a n n o v e r D 1 5 I G.).

Die Fakultäten

im Urteil der

Bekenntnisfront

171

Nachweis einer bekenntniskirchlich unzumutbaren Entwicklung der universitären Theologenausbildung erbringen sollten. 4 9 Nach vorsichtiger Berechnung würden im Frühjahr 1 9 3 7 etwa 5 5 Ordinarien zu den Deutschen Christen gehören, 3 7 zu den „sogenannten , N e u t r a l e n ' " , während nur maximal 2 6 als Glieder der Bekennenden Kirche zu betrachten seien. Bei den NichtOrdinarien gäbe es mindestens 19 D C , 33 „Neutrale" und höchstens 17 BK. An den preußischen Universitäten sei das Verhältnis für die Bekennende Kirche noch ungünstiger. Dazu komme, daß theologische Lehrer, die sich als entschiedene Glieder der Bekennenden Kirche verstünden, zumeist an Fakultäten versetzt wurden, an denen DC-Theologen oder Neutrale dominierten. An das Schicksal einiger preußischer Fakultäten wie Bonn, Breslau, Kiel und Königsberg wurde besonders erinnert. Dort habe die ministerielle Versetzungspolitik zu einer stärker deutschchristlich orientierten Ausrichtung des Lehrkörpers geführt. Außerdem würden die Fakultäten vorwiegend von deutschchristlich eingestellten Dekanen geleitet. Nach der Denkschrift Schliers gehörten von den damals ( 1 9 3 7 ) amtierenden theologischen Dekanen zwölf zur deutschchristlichen Bewegung, fünf zu den „Neutralen", während kein einziger Dekan Mitglied der Bekennenden Kirche sei. Noch stärker als vom gegenwärtigen Personalstand lasse sich der Trend der staatlichen Fakultätspolitik an den Personalveränderungen der letzten vier Jahre erkennen. Vorsichtig beurteilt ergab sich im Blick auf die Entwicklung seit 1 9 3 3 nach Schliers Denkschrift folgendes Bild: in ein Ordinariat oder planmäßiges Extraordinariat seien insgesamt 2 4 Theologen berufen worden, die sich zur Zeit ihrer Berufung zu den Deutschen Christen rechneten oder ihnen doch nahestanden; handschriftlich hinzugefügt war: Adolf Wendel (Altes Testament) in Breslau; ferner drei Theologen, die sich zur neutralen Gruppe zählten; hinzugefügt war noch: Heinz-Dietrich Wendland, der - seit 1 9 2 9 Privatdozent, 1 9 3 4 bis 1 9 3 6 Studentenpfarrer in Heidelberg - damals gerade zum ordentlichen Professor in Kiel berufen wurde, und außerdem Karl Elliger, 1 9 2 9 Privatdozent in Münster und 1 9 3 4 in Leipzig, 1 9 3 7 außerordentlicher Professor für Altes Testament in Tübingen. Unter den neuberufenen Professoren der letzten Jahre sei lediglich ein einziger Theologe Glied der Bekennenden Kirche. Lasse man alle „politischen Fälle" im engeren Sinne außer acht, so seien keine DC-Theologen, auch kein Neutraler, jedoch drei Bekenntnistheologen ihres Ordinariats enthoben worden. Hier war offensichtlich an Karl Barth, Kurt Dietrich Schmidt und O t t o Schmitz gedacht. Dazu 49.

Ebd. ( M e m o r a n d u m Schiicr), S. 1 f. (Personalstand)

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Zwischen deutschchristl. Anspruch und Bekenntniskritik

kämen noch seit dem 1. April 1937 Friedrich Delekat, seit 1929 Professor für Religionswissenschaft an der Technischen Hochschule Dresden, der 1937 ebenso wie die Professoren Helmuth Schreiner in Rostock und Friedrich Ulmer in Erlangen, beide praktische Theologen, zwangsemeritiert wurde. Das gleiche galt für Hans Emil Weber, ordentlicher Professor für Neues Testament und Systematische Theologie, der als Anhänger der Bekennenden Kirche bereits 1935 von Bonn nach Münster strafversetzt war. Auch er wurde 1937 in Münster zwangsemeritiert. Insgesamt seien also sieben Professoren, die zur Bekennenden Kirche gehörten, eliminiert worden. Kirchenpolitisch bezeichnend sei auch das proportionale Zahlenverhältnis derer, die sich habilitieren konnten, einen Lehrauftrag oder eine Dozentur erhielten: nämlich sechs namentlich nicht genannte DCTheologen, ferner Lie. Karl Friedrich Euler (Gießen), Dozent für alttestamentliche Wissenschaft, und Oberkirchenrat Dr. Johannes Heepe (Schwerin) als Lehrbeauftragter für praktische Theologie in Rostock; drei galten als zur kirchenpolitischen „Mitte" gehörend, also „Neutrale"; nur zwei seien BK-Mitglieder. Den Lehrauftrag niedergelegt oder die venia legendi entzogen bekommen hätten durchweg Angehörige der Bekennenden Kirche, nämlich insgesamt zehn Privatdozenten. Die Zuordnung zur DC-Richtung im M e m o r a n d u m Schliers m u ß etwas vage und schematisch erfolgt sein; die Betreffenden sind offenbar auch dann so eingestuft worden, wenn sie eine etwaige organisatorische Bindung an die Deutschen Christen inzwischen gelöst hatten. Bezeichnend aber war auf jeden Falle die bekenntniskirchliche Schlußfolgerung: es entspreche der staatlichen Tendenz, daß die theologischen Fakultäten mit DC-Theologen „angefüllt", gleichzeitig aber von BK-Theologen „entleert" würden. Bei den meisten dieser Berufungen könne indes nicht behauptet werden, „daß wissenschaftliche Tüchtigkeit der Berufenen oder gar ihre kirchliche Eignung den Ausschlag gegeben" hätten. Die Denkschrift Lie. Schliers verwies auch auf alle inzwischen ergangenen Verfügungen, die seit dem 13. Januar 1934 den Theologieprofesoren „eine irgendwie sichtbar werdende Stellungnahme in den entscheidenden Kämpfen der Kirche untersagten, ihnen also die Erfüllung ihrer Pflichten als theologische Lehrer der Kirche unterbanden". 5 0 Die beabsichtigte Verlegung des ersten theologischen Examens an die Fakultäten - dies vor allem für altpreußische Fakultäten ein Novum hatte nach der Denkschrift ebenso dem Ziel gedient, deutschchristlich 50.

Ebd. S. 3-4 (Abschnitt 2: Beschränkungen)

Die Fakultäten im Urteil der

Bekenntnisfront

173

eingestellte Theologen zu fördern. Das T h e m a Fakultätsexamen konnte allerdings nach Hitlers Kirchenwahlerlaß M i t t e Februar 1 9 3 7 vom evangelischen Fakultätentag nicht wieder ernsthaft aufgegriffen werden. 5 1 Als charakteristisch für alle ministeriellen Verordnungen galt die Ausschließlichkeit, mit der die Theologieprofessoren als Staatsbeamte betrachtet würden. Von ihrem kirchlichen Auftrag, der sie zwar nicht rechtlich, aber doch bekenntnismäßig binde, werde völlig abgesehen. Auf Beschränkungen des kirchlichen Auftrags der Professoren bei ihrer Beteiligung a m ersten kirchlichen E x a m e n wurde hingewiesen. Bestrebungen seit 1 9 3 5 , die Beteiligung der Professoren an theologischen Prüfungen der Bekennenden Kirche zu unterbinden, hätten auf der gleichen Linie gelegen. M i t Erlaß des Reichswissenschaftsministeriums vom 1 7 . Dezember 1 9 3 5 w a r den Professoren der Theologie untersagt worden, an Prüfungen teilzunehmen, für die die Bruderräte der Bekennenden Kirche verantwortlich zeichneten. Im F r ü h j a h r 1 9 3 6 wurde den Professoren verboten, an theologischen Prüfungen der Konsistorien und Landeskirchenämter mitzuwirken, wenn nicht alle Mitglieder der Fakultät als Prüfer herangezogen würden. D a m i t sollte der Ausschluß deutschchristlicher T h e o logen als Prüfer an kirchlichen E x a m i n a verhindert werden. Die Entscheidungen des Reichswissenschaftsministeriums würden die Deutschen Christen begünstigen. So habe eine Verfügung vom 1 8 . M a i 1 9 3 5 an die Theologische Fakultät in M a r b u r g das deutschchristliche Kommissarische Kirchenregiment in der Landeskirche Kurhessen-Waldeck im Blick auf den Vorsitz beim ersten theologischen E x a m e n als legal bezeichnet und nicht die stärker bekenntniskirchlich orientierte Einstweilige Leitung. In Verfügungen vom 18. M a i 1 9 3 5 und 4 . Juli 1 9 3 5 seien für B o n n und Breslau die damals stärker deutschchristlich besetzten Konsistorien in Prüfungssachen für zuständig erklärt. Die Denkschrift Lie. Schliers wies auch auf das ministerielle Verbot der Teilnahme und Förderung der von der Bekennenden Kirche eingerichteten theologischen Ersatzkurse hin. D a v o n sei Prof. Julius Schniewind betroffen, der - damals schon in Halle - am 2 . April 1 9 3 7 zeitweilig suspendiert wurde, weil er - der ostpreußischen Bekennenden

Kirche

von seiner Königsberger Lehrtätigkeit her verpflichtet - an einer B K Rüstzeit in Gumbinnen Ende Februar 1 9 3 7 teilgenommen hatte. Diese Inanspruchnahme der theologischen Lehrer als Beamte des weltanschaulich gebundenen Staates und die einschneidenden Beschränkungen ihres Auftrages ließen die Bedeutung der theologischen Fakultäten für die Be51.

Vgl. Kap. 11: Kontroversen um Fakultätsexamen und Studienreform.

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Zwischen

deutschchristl.

Anspruch

und

Bekenntniskritik

kennende Kirche immer geringer werden, betonte Schlier. All das gereiche der Bekennenden Kirche ebenso zum Schaden, wie es sich schon schädlich erwiesen habe, „daß im Kirchenkampf die theologischen Fakultäten als solche fast völlig ausfielen". Nur einzelne Theologen hätten der Kirche den Dienst getan, den sie in ihrem Existenzkampf von den theologischen Fakultäten hätte erwarten können. Die Frage sei nicht, ob es staatliche oder kirchliche theologische Fakultäten geben solle, sondern „ob es Fakultäten geben soll, deren Besetzung und Betreuung durch die Organe des konfessionsfeindlichen und weltanschaulich gebundenen Staates geschieht ( . . . ) oder ob es Fakultäten geben soll, die von der Kirche Auftrag und Bindung erfahren." Auch das fehlende Mitspracherecht der Kirche bei der Besetzung der Lehrstühle wurde bemängelt: „Die Kirche ist - bei der Berufung der verantwortlichen Lehrer und Erzieher ihres theologischen Nachwuchses! - praktisch ebenso ausgeschaltet wie bei der Berufung etwa eines Professors der anorganischen Chemie." Die Bekennende Kirche habe bei der Berufung der theologischen Lehrer ihrer zukünftigen Pfarrer nichts mehr zu sagen. Analoges gelte für die Habilitierung von Dozenten der Theologie. Die wenigen BK-Dozenten an den theologischen Fakultäten stünden „allermeist auf aussichtslosem Posten". Die Theologiestudenten würden nach Möglichkeit der Bekennenden Kirche entzogen. Die allgemeine Verfügung, daß alle Studenten die ersten drei Semester an einer Ostuniversität (Breslau, Königsberg) oder ihrer Heimatuniversität studieren sollten, würde bei der jetzigen Lage der theologischen Fakultäten die Auslieferung der Studierenden an bestimmte DC-Fakultäten in ihren Anfangssemestern begünstigen, wobei einerseits Königsberg und Breslau, andererseits Bonn und Kiel genannt wurden. Den Theologiestudenten sei damit gedroht wurden, sie würden relegiert, also vom Besuch aller deutschen Universitäten ausgeschlossen, wenn sie Kurse besuchten, die von der Bekennenden Kirche zum Ersatz wichtiger, sonst bei DC-Professoren zu hörender Vorlesungen eingerichtet seien. Nach Auffassung des Memorandums dienten alle diese Bestrebungen der Tendenz, der Bekennenden Kirche den theologischen Nachwuchs zu entfremden. Auf indirektem Wege solle das bisher nicht erreichte kirchenpolitische Ziel erreicht werden: die Kirche den Deutschen Christen auszuliefern und Lehre und Verkündigung dem Geist der DC-Bewegung zu unterwerfen. Die Denkschrift sah die Fakultätspolitik den Zielen der NSKulturpolitik und damit einer christentumsfremden Absicht ausgeliefert. Diese Befürchtungen war aktuell auch durch die Rede des Reichskirchenministers Kerrl am 13. Februar 1 9 3 7 veranlaßt, deren betont staatskirch-

Die Fakultäten

im Urteil der

Bekenntnisfront

17 5

liehen Ziele allerdings durch den Kirchenwahlerlaß Hitlers desavouiert wurden. Die Denkschrift verstand aber die Rede Kerrls so, als ziele sie darauf hin, „die Verkündigung der evangelischen Kirche der Lehre der Deutschen Christen anzugleichen und den Einfluß der Bekennenden Kirche zu vernichten". Ausführlich erörterte Schliers Memorandum vom Mai 1 9 3 7 notwendig erscheinende und unverzüglich einzuleitende Gegenmaßnahmen. Die Besorgnisse waren dadurch gegeben, daß - worauf ausdrücklich hingewiesen wurde - nicht nur die Kirchliche Hochschule mit ihren beiden Abteilungen in Berlin und Elberfeld Herbst 1 9 3 5 sofort nach Eröffnung von der Gestapo verboten worden war. Auch die reformierte Theologische Schule in Elberfeld, in der zunächst die Ausbildungsarbeit der Kirchlichen Hochschule (Abt. Elberfeld) stillschweigend weitergeführt wurde, hatte am 14. Dezember 1 9 3 6 ihre Arbeit offiziell einstellen müssen. An ihr war Lie. Schlier, der durch Entzug der Venia legendi seine Privatdozentur in Marburg verloren hatte, als Dozent tätig. Es bliebe gar „keine andere Möglichkeit, als die Errichtung bzw. den Ausbau theologischer Forschungs- und Ausbildungsstätten der Kirche". Diese müßten von der Gesamtheit der Bekennenden Kirche getragen werden. Die Bekennende Kirche müsse sich ihrer Gesamtverantwortung für den Bestand der reinen Lehre bewußt sein: „Sie darf die Kräfte guter Theologen, die nach dem Urteil des Staates und der Partei nicht mehr den Dienst als Forscher und Lehrer tun können, nicht brachliegen oder zersplittern lassen. Sie darf auch nicht auf eigenen theologischen Nachwuchs verzichten. Sie darf die theologische Forschung nicht den D C überlassen, um in absehbarer Zeit auf Grund von geistesgeschichtlichen Forschungen, die diese Theologen im besten Fall betreiben, notdürftigen Unterricht aus zweiter Hand zu geben ( . . . ) . Sie darf auch in einer Zeit, die an jeden Pfarrer mehr menschliche und geistliche Anforderungen stellt als bisher, die jungen Studenten nicht lediglich einer Erziehung überlassen, die die Studentenschaften und die kirchliche Indifferenz vieler theologischer Lehrer an ihnen ü b e n . " 5 2 Schlier sah in der überwiegend wissenschaftsbezogenen theologischen Haltung der Theologieprofessoren kein genügendes Gegengewicht gegen die weltanschauliche Erziehung und Schulung durch die vom NSStudentenbund dominierte „Deutschen Studentenschaft", die auch die Fachschaftsarbeit der Studierenden zu prägen versuchte. Alle diese Erfordernisse werde sich die Bekennende Kirche nur durch den systematischen 52.

M e m o r a n d u m Schlier, S. 9.

176

Zwischen deutschchristl. Anspruch und

Bekenntniskritik

Ausbau und Aufbau eigener theologischer Ausbildungsstätten erfüllen können. Näheres könne erst auf Grund bisheriger Erfahrungen besprochen werden, wenn die grundsätzliche Bereitschaft der Bekennenden Kirche für solche Einrichtungen ausgesprochen sei. Die Bekennende Kirche gebe mit solchen Maßnahmen die Universität nicht preis. Sie errichte nur ein Zeichen für die Universität. Mit Blick auf eine auch für die weltanschauliche Ausrichtung der Universitäten im Sinne eines nationalsozialistischen Wissenschaftsverständnisses bedrohlich erscheinende Entwicklung, der sich nach Meinung Schliers auch die theologischen Fakultäten nicht entziehen könnten, wisse sich die Kirche vor die „schmerzliche Alternative" gestellt: „entweder eine echte theologische Forschung und Ausbildung außerhalb der öffentlichen Bildungs- und Erziehungsstättten des Volkes oder eine mit der Religion der neuen Weltanschauung vermischte theologische Ausbildung und Forschung". Denn es sei der Kirche verboten, „um der Einheit der Kultur willen, das Licht des Evangeliums verdunkeln zu lassen". Das Argument, eine kirchlich-theologische Ausbildungsstätte könne die Theologenausbildung in Forschung und Lehre nicht in gleicher Weise durchführen wie innerhalb der Universitätstheologie, sei „von Vorurteil und Ängstlichkeit diktiert": „Daß aber ein kirchliches Institut die Freiheit der Wissenschaft" bedrohte, während eine in der neuen Weltanschauung fundierte Universität sie für die theologische Fakultät garantierte, werde niemand mehr im Ernste behaupten können. Er verriete sonst „weder Einsicht in das Wesen von Theologie und Kirche, noch Kenntnis der sich erst entfaltenden politischen Religion." 5 3 Protestschritte bei der Staatsbehörde seien wirkungslos; auch mit Ersatzkursen könne man sich nicht begnügen, zumal diese ohnehin ministeriellem Verbot unterlägen. Die Errichtung kirchlicher theologischer Unterrichtsstätten hätte wegen ihres innerkirchlichen Charakters jedoch gegenwärtig noch gewisse Realisierungsaussichten. Dieses hochschulpolitische Konzept Schliers, das seinen Auftrag von der altpreußischen Bekenntnissynode Mitte Dezember 1 9 3 6 in Breslau herleitete, wollte dabei die Universität nicht völlig preisgeben. Es verstand sich vielmehr als ein „Zeichen", eine letzte Mahnung, die theologische Lehre nicht dem „Mythus" preiszugeben. Da der allerdings nie realisierte Kirchenwahlerlaß Hitlers vom 15. Februar 1 9 3 7 die nach dem Rücktritt des Reichskirchenausschusses propagierten staatskirchlich anmutenden Kirchenpläne Kerrls faktisch gegenstandslos werden ließ, 53.

Ebd. S. 9 f.

Universitätstheologen

in der Bekennenden Kirche

177

hielt die Denkschrift die Situation für eine kirchenautonome Gestaltung des Ausbildungswesens im Februar 1 9 3 7 für günstig. Die Kontaktaufnahme des altpreußischen Bruderrates mit dem Rat der EvangelischLutherischen Kirche Deutschlands im Oktober 1 9 3 7 zeigt, daß eine generelle Lösung des Ausbildungsproblems auch zu diesem Zeitpunkt noch ernsthaft erörtert wurde, obwohl die kirchenpolitische Lage sich wieder verschlechtert hatte, wie zahlreiche Verhaftungen Anfang Juli 1937 unter anderem auch die Martin Niemöllers - zeigten. Der bayerische Landesbischof Hans Meiser, dem das Memorandum zugegangen war, hatte am 27. September 1 9 3 7 Lie. Schlier mitgeteilt, es berühre Fragen, die nicht nur eine einzelne Landeskirche, sondern die ganze Bekennende Kirche angingen. Ahnliche Fragen einer bekenntniskirchlichen Ausbildung seien auch schon im Lutherrat behandelt worden. In seiner letzten Sitzung habe der Lutherrat sein Sekretariat in Berlin beauftragt, „den ganzen Fragenkomplex ohne Verzug in Angriff zu nehmen" und sich deshalb mit Schlier in Verbindung zu setzen. 54 Es stellte sich indes bald heraus, daß sich keine Chancen für eine staatlich tolerierte eigenständige bekenntniskirchliche Pfarrerausbildung boten. Die Anforderung des Gutachtens durch das Sekretariat des Lutherrats am 15. Oktober 1 9 3 7 geschah zu einem Zeitpunkt, als der Erlaß des Reichsführers SS und Chefs der deutschen Polizei Heinrich Himmler vom 30. August 1 9 3 7 bereits vierzehn Tage in der Presse bekanntgegeben war. Der am 29. September 1937 veröffentlichte Erlaß verbot alle Ausbildungsaktivitäten der Bekennenden Kirche und kriminalisierte damit alle Pläne, die in dem von Lic. Schlier erstellten Memorandum des altpreußischen Bruderrats vom 26. Mai 1 9 3 7 als bekenntniskirchliche Gegenmaßnahmen gegen die staatliche Fakultätspolitik enthalten waren.

c) Universitätstheologen in der Bekennenden

Kirche

Unter den Universitätstheologen, die der Bekennenden Kirche zugehörten oder sich mit ihr verbunden wußten, nahm Prof. Hans von Soden (Mar54.

A L K H a n n o v e r , D 1 5 I G. Auf den zeitlichen Abstand zwischen der Abfassung des M e m o r a n d u m s Ende M a i 1 9 3 7 und der Mitte O k t o b e r 1 9 3 7 erfolgten Ubersendung an den Lutherrat wies Schlier ausdrücklich hin: seitdem habe sich, wie bekannt, die Situation der theologischen Ausbildung durch die O r g a n e der Bekennenden Kirche sehr geklärt und verschärft. Das jetzt übersandte E x e m p l a r des M e m o r a n d u m s erhielt den Zusatz: N u r gültig in Verbindung mit dem Begleitbrief.

178

Zwischen deutschchristl. Anspruch und Bekenntniskritik

bürg) eine exzeptionelle Rolle e i n . 5 5 Als liberaler T h e o l o g e aus der Schule H a r n a c k s - unabhängig von der dialektischen T h e o l o g i e Karl Barths fungierte er auch als Vertrauensmann der bekenntniskirchlichen H o c h schullehrer an den theologischen Fakultäten. In seiner kurhessischen Landeskirche 1 9 3 4 zum Vorsitzenden des Bruderrats der Bekennenden Kirche bestellt, war er als Mitglied des Reichsbruderrats der Bekennenden Kirche im N o v e m b e r 1 9 3 4 zunächst sogar als Vorsitzender des 1. Vorläufigen Leitung der D E K vorgesehen, ein A m t , das dann Landesbischof August M a r a h r e n s (Hannover) w a h r n a h m . Bei der Einführung der Kirchenausschüsse im Herbst 1 9 3 5 hat H a n s von Soden einen besonderen Vermittlungskurs gesteuert und durch geduldiges Mittragen der kurhessischen Lösung, bei dem ihm auch Enttäuschungen nicht erspart blieben, seine Landeskirche vor weiteren inneren Zerrüttungen bewahren helfen. Seine ausgleichenden Bemühungen bei den kurhessischen Befriedungsmaßnahmen verzichteten jedoch nie auf Kritik an dem damals eingesetzten kurhessischen Landeskirchenausschuß, der 1 9 3 7 übrigens als einziger im Unterschied zu den anderen Ausschüssen nicht abberufen wurde, sondern unter seinem Vorsitzenden Pfarrer Friedrich Happich,

Leiter der Krankenanstalten

in Treysa, bis 1 9 4 5

als

Kirchenleitung Kurhessens erhalten blieb. 5 6 Als Happich sich mit den drei Bischöfen der intakten Landeskirchen von der angesichts drohender Kriegsgefahr unmittelbar vor dem M ü n c h e n e r A b k o m m e n

Herbst

1 9 3 8 zustandegekommenen bekenntniskirchlichen Bußgebetsliturgie distanziert hatte, stieß er auf die Kritik von Sodens. Auch Happichs Unterschrift unter die kirchenpolitisch-weltanschaulichen

„ G r u n d s ä t z e " des

Reichskirchenministers Kerrl im F r ü h j a h r 1 9 3 9 k o n n t e er nicht gutheißen. 5 7 Im J a n u a r 1 9 4 0 mußte Prof. H a n s von Soden infolge eines schweren Herzleidens den Vorsitz im kurhessischen Landesbruderrat der Bekennenden Kirche niederlegen. Auch seine Lehrtätigkeit konnte er während des Krieges nur eingeschränkt fortführen. 5 8 N o c h 1 9 4 5 hat der kirchenrechtlich versierte Kirchenhistoriker und Neutestamentier eine Denkschrift entworfen, deren Grundsätze die neue

55.

Erich Dinkler/Erika Dinkler-von Schubert, Theologie.

56.

H a n s Slenczka, Die evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck in den J a h ren 1 9 3 3 - 1 9 4 5 . Göttingen 1 9 7 7 .

57.

Erich Dinkler/Erika Dinkler-von Schubert, Theologie, S. 2 7 8 - 2 9 2 Nr. 28).

58.

Ebd. S. 3 0 6 - 3 0 9 (Dok. N r . 3 0 ) .

(Dok.

Universitätstheologen

in der Bekennenden

Kirche

179

Kirchenverfassung Kurhessens übernahm. 5 9 Durch von Sodens plötzlichen Tod am 2 . Oktober 1 9 4 5 wurden Erwägungen hinfällig, ihm das Amt des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschlands zu übertragen, das dann dem württembergischen Landesbischof Wurm zufiel. 60 Den Gesichtspunkt solidarischen Eintretens für bedrängte Glieder der Bekennenden Kirche hat Hans von Soden über die Bereitschaft zur Mitwirkung an Veranstaltungen der Kirchenausschüsse gestellt. So hat er seine Zusage, an kirchlichen Vorträgen im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen 1 9 3 6 in Berlin mitzuwirken, wieder zurückgezogen, weil ihm angesichts der staatspolizeilich verfügten Ausweisung verschiedener Geistlicher aus der Kirchenprovinz Brandenburg diese kirchenbehördlich vorgesehene Vortragstätigkeit nur dazu beizutragen schien, vorhandene Konflikte zu verschleiern und den ausländischen Gästen normale kirchliche Zustände in Deutschland vorzutäuschen. 6 1 Auch innerhalb der Marburger Fakultät hat Hans von Soden seine kritische Haltung geltend gemacht: So hatte er, dem bekenntniskirchlicherseits in Marburg außer Rudolf Bultmann eigentlich nur noch Privatdozent Erich Dinkier zur Seite stand, Bedenken gegen ein Schreiben der übrigen Marburger Professoren geäußert, das in der Ausgabe der „Times" vom 11. Januar 1 9 3 6 als Leserbrief erschien. Das Schreiben war von den Professoren Emil Balla, Ernst Benz, Heinrich Frick, Adolf Jülicher, Rudolf Otto und Georg Wünsch unterzeichnet. Das Schreiben, das gegen einseitige Berichterstattung der Auslandspresse über den deutschen Kirchenkampf protestierte, ging auf eine Anregung von Benz zurück, der seinerseits kirchen- und fakultätspolitisch als Vertreter des Kollegen- und Schülerkreises um Erich Seeberg agierte. Die NS-Presse begrüßte diese außenpolitisch wirksame Propagandamaßnahme sofort und bemerkte nur, daß die Namen von Sodens und Bultmanns fehlten. Der damalige Dekan Prof. Balla stieß auf von Sodens Kritik, als er ihm Ende 1 9 3 5 vom Inhalt des Schreibens vertraulich Kenntnis gab: es verharmlose die kirchliche Lage in Deutschland. Gehe der Kampf der Kirche verloren, so helfe es den Fakultäten nichts, daß sie in ihm nicht „einseitig" gewesen seien. Die der englischen Presse vorgeworfene verkürzende Wiedergabe der Briefes der Marburger Professoren verkenne, daß die deutsche Presse nicht weniger einseitig verfahre. Unbe59.

Ebd. S. 3 3 (Einleitung).

60.

Ebd.

61.

Ebd. S. 1 9 2 - 2 0 5 .

180

Zwischen deutschchristl. Anspruch und Bekenntniskritik

weisbare Behauptung der Erklärung sei auch, d a ß es sich bei der Bekennenden Kirche um eine verschwindende Minderheit handele, die an einer positiven Neuordnung uninteressiert sei. 6 2 Auf seine engagierte Haltung als Universitätstheologe weist das Votum des bayerischen Landesbischofs H a n s Meiser hin, der H a n s von Soden zu seinem 6 0 . Geburtstag im J a h r e 1 9 4 1 als „unerschrockenen V o r k ä m p f e r " im K i r c h e n k a m p f charakterisierte: ihm verdankten es die theologischen Fakultäten in erster Linie, „ d a ß es Unrecht wäre, allgemein ihr Versagen im K i r c h e n k a m p f festzustellen".63 Allerdings hat H a n s von Soden die Situation und Möglichkeiten der Universitätstheologie im Dritten Reich - zwar mit kritischem Aug e n m a ß - insgemein viel positiver eingeschätzt als jüngere, von der Universität verdrängte T h e o l o g e n . Seine Auffassung von den Möglichkeiten der theologischen Fakultäten w a r viel positiver als jene bruderrätliche Radikalkritik, wie sie im bereits genannten M e m o r a n d u m Lie. Heinrich Schliers zum Ausdruck k a m . Im Frühjahr 1 9 3 4 stellte er fest, trotz „des schweren Versagens der Fakuläten in der Krise unserer Kirche ( . . . ) haben Professoren immer noch ein gewisses M a ß von öffentlichem Kredit und die entsprechende V e r a n t w o r t u n g " . 6 4 H a n s von Soden w a r aktiv bemüht, die Arbeit der Universitätstheologie mit dem Anliegen der Bekennenden Kirche sinnvoll zu koordinieren. Angesichts der kirchenpolitisch oft unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Besetzungsverhältnisse an den theologischen Fakultäten unternahm er schon Herbst 1 9 3 4 die nicht ganz einfache Aufgabe, eine Sammlung der Professoren und Dozenten einzuleiten, die „der Bekenntnissynode der D E K angehören oder zu ihr h a l t e n " . 6 5 Die Z a h l der Theologieprofessoren, die auf der Bekenntnissynode der D E K in B a r m e n Ende M a i 1 9 3 4 vertreten waren, hat sich in engen Grenzen gehalten. 6 6 Bekenntnissynodale in Barmen waren die Universitätstheologen Karl Barth (Bonn), R u d o l f H e r m a n n (Greifswald), Hermann Sasse (Erlangen), O t t o Schmitz (Münster) und H a n s von Soden ( M a r b u r g ) . Barth verlor 1 9 3 5 , Schmitz bereits 1 9 3 4 seine Professur; Her62. 63. 64.

65. 66.

Ebd. S. 1 8 2 - 1 8 6 (Hans von Soden an Emil Balla, 2 9 . Dezember 1935). Erich Dinkler/Erika Dinkler-von Schubert, Theologie, S. 3 3 5 . Ebd., S. 83 f.; vgl. S. 185 f.: „Die Fakultäten haben eine unerhörte Chance, die sich ihnen für die Führung von Kirche und Universität im Jahre 1 9 3 3 geboten hat, sträflich verkannt und versäumt." (Hans von Soden an Emil Balla, 2 9 . Dezember 1935). Ebd. S. 126. Vgl. Gerhard Niemöller, Barmen II, S. 1 1 - 1 5 ; S. 16-25. (Verzeichnis der Mitglieder der Synode).

Universitätstheologen

in der Bekennenden

Kirche

181

mann Sasse und Rudolf Hermann standen der Bekenntniskirche bald kritisch gegenüber. Hans von Soden hingegen wurde zwar auf der Reichsbekenntnissynode in Berlin-Dahlem Oktober 1934 in den Reichsbruderrat aufgenommen. Im altpreußischen Bruderrat war indes kein Universitätstheologe vertreten. Im Verfolg seiner Bemühungen hatte von Soden bereits für den am 15. Dezember 1934 in Halle (Saale) vorgesehenen Fakultätentag zu einem Treffen bekennntniskirchlich orientierter Kollegen aller reichsdeutschen Fakultäten eingeladen. Da das Reichswissenschaftsministerium den Fakultätentag kurzfristig untersagte, wurde der Termin des Treffens theologischer Hochschullehrer auf den 5. Januar 1935 verschoben. Zu dieser „Besprechung der Professoren der Theologie, welche den Bekenntnissynoden zugehören oder sich sonst zur Bekennenden Kirche" halten, kamen 29 Vertreter von 15 Fakultäten im Gemeindehaus Martin Niemöllers in Dahlem zusammen; die Fakultäten Gießen und Königsberg waren nicht vertreten. Hans von Soden hatte die Einladung zunächst „an je einen Kollegen in allen reichsdeutschen Fakultäten" gesandt. Die Empfänger waren gebeten, sie „an solche Kollegen ihrer Fakultät - auch Nichtordinarien - weiterzugeben, die nach ihrer Einstellung dafür in Betracht kommen". 6 7 Von den 29 Teilnehmern 6 8 des Treffens am 5. Januar 1935 in Berlin waren zwar nach Hans von Sodens Meinung nicht alle bekenntnissynodal orientiert, schienen ihm aber als Ansprechpartner oder Vertrauensleute der Fakultäten für Kontakte zu den Bruderräten der Bekennenden Kirche in erster Linie in Betracht zu kommen. 6 9 Von Berlin, dem Ort der Versammlung, erschienen acht Universitätstheologen: Walter Dreß, Hans Lietzmann, Wilhelm Lütgert, Julius Richter, Leonhard Rost, Carl Schmidt, Johannes Schneider, Ernst Sellin; von Greifswald waren Friedrich Baumgärtel, Johannes Fichtner, Rudolf Hermann, Joachim Jeremias, Erdmann Schott zugegen, von der Theologischen Fakultät Leipzig drei Vertreter: Albrecht Alt, Joachim Begrich, Karl Elliger. Von den übrigen Fakultäten waren vertreten: Ernst Wolf aus Bonn, der noch 1935 nach Halle versetzt wurde. Er arbeitete auch sonst eng mit der Bekennenden Kirche zusammen. Ferner namen teil: Ernst Lohmeyer (Breslau, 1936 nach Greifswald versetzt), Hermann Strathmann (Erlangen), Carl Stange 67. 68. 69.

Erich Dinkler/Erika Dinkler-von Schubert, Theologie, S. 127 f. Vgl. Liste in: Nachlaß von Soden 19/Präses Koch (Evangelische Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Zeitgeschichte, München). Erich Dinkler/Erika Dinkler-von Schubert, Theologie, S. 133.

182

Zwischen deutschchristl. Anspruch und Bekenntniskritik

(Göttingen), H i l k o W i a r d o Schomerus (Halle), Renatus Hupfeld (Heidelberg), Gerhard von R a d (Jena), Kurt Dietrich Schmidt (Kiel), Friedrich Brunstäd ( R o s t o c k ) , H e r m a n n Faber (Tübingen), R u d o l f Bultmann und H a n s von Soden (Marburg), J o h a n n e s H e r r m a n n (Münster). Ein Beschluß der Versammlung sah vor, d a ß die Professoren H a n s von Soden, R u d o l f H e r m a n n (Greifswald) und H e r m a n n

Strathmann

(Erlangen) als Ausschuß theologischer Hochschullehrer in der Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche zusammentreten sollten. 7 0 Aus der Versammlung wurde außerdem der allerdings nicht realisierte Wunsch laut, d a ß dem Bruderrat der Altpreußischen Union ein T h e o l o gieprofessor aus diesem Kirchengebiet angehören möchte. Dafür wurde ebenfalls R u d o l f H e r m a n n vorgeschlagen. D e m Ausschuß selbst war die Aufgabe zugedacht, mit der Leitung der Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche Fühlung zu nehmen, damit insbesondere eine Beratung bei theologischen Bildungs- und Prüfungsfragen gesichert und die Interessen der theologischen Fakultäten bereits vor Entscheidungen der Bekenntnissynoden w a h r g e n o m m e n werden könnten. Durch solche stärkere Einbindung von Universitätstheologen in bekenntnissynodale Entscheidungsprozesse versuchte Hans von Soden, das „in manchen Kreisen der Bekenntnissynode vorhandene M i ß t r a u e n gegen die Theologieprofessoren ( . . . ) zu überwinden und durch eine fruchtbare Arbeitsgemeinschaft zu e r s e t z e n " . 7 1 Es entsprach einer Bitte von Sodens, d a ß die Kollegen sich auch an der tags darauf im A d o l f - H a r n a c k - H a u s in Berlin-Dahlem stattfindenden Versammlung des „Erfurter Kreises" beteiligten, zu der ein Einladungsschreiben Prof. H e r m a n n Wolfgang Beyers (Greifswald) vorlag, zugleich unterschrieben von R u d o l f Bultmann und - wenn auch unter Bedenken - von Friedrich Baumgärtel (Greifswald). Letzterem w a r der Erfurter Kreis unter Beyers Leitung wegen dessen reichskirchlichen Engagements 1 9 3 3 / 3 4 etwas problematisch. Deshalb befürwortete er eine Erweiterung, die wenigstens Prof. Friedrich Brunstäd ( R o s t o c k ) mit einbeziehen sollte. 70.

71.

Ebd., Dok. 14 e, S. 1 3 2 - 1 3 4 (Hans von Soden an Karl Koch, 13. Januar 1935). Dem Hochschulausschuß der Bekenntnissynode der DEK gehörten außer Hans von Soden noch Prof. Friedrich Delekat (Technische Hochschule Dresden) und der in Münster zwangspensioniertc Prof. Otto Schmitz an. An der Augsburger BK-Synode Juni 1 9 3 5 habe es sich so gefügt, daß „kein Dozent einer theologischen Fakultät außer mir teilnahm", schrieb von Soden an die BK-Vertrauensleute an den theologischen Fakultäten am 29. Juni 1935. Ebd. Dok. 17 c, S. 1 5 2 - 1 6 3 ; Zit. 152. Ebd. S. 133.

Universitätstheologen

in der Bekennenden

Kirche

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Hans von Soden hielt es im Interesse der Universitätstheologie an den Fakultäten für geboten, „daß sich angesichts der ernsten Lage, in die die Fakultäten durch die Kirchenkrise versetzt sind, alle Professoren, die zur bisherigen Reichskirchenregierung in Opposition stehen, nach Möglichkeit über gemeinsame Richtlinien verständigen". 7 2 Dieser „Erfurter Kreis" unter Prof. Hermann Wolfgang Beyers Leitung hatte bereits am 3 0 . O k t o b e r 1 9 3 4 in Erfurt mit dem Ziel getagt, einen neuen Fakultätentag zu schaffen. Grund dafür war, daß der von Hans Schmidt (Halle) geleitete Fakultätentag durch die Mehrzahl der dort vertretenen Dekane der theologischen Fakultäten als deutschchristlich ausgerichtet galt. Charakteristisch für die Bemühungen um effektive Frontverbreiterung war indes die Bereitwilligkeit von Sodens, mit den BK-Vertrauensleuten an der vom „Erfurter Kreis" vorbereiteten Besprechung am 6. Januar teilzunehmen, obwohl es dort bei allem Verständnis auch starke Vorbehalte gegenüber der Bekennenden Kirche gab. 7 3 Die auf Initiative Prof. Hans von Sodens zu einer vertraulichen Besprechung am 18. und 19. M ä r z 1 9 3 5 in Halle versammelten bekenntniskirchlich orientierten theologischen Hochschullehrer waren darum bemüht, für die Aufhebung des Erlasses vom 2 8 . Februar 1 9 3 5 einzutreten, mit dem Reichswissenschaftsminister Rust die freie kirchenpolitische Betätigung der Fakultäten wie der einzelnen Theologieprofessoren beschränkte; insbesondere sprachen sich die Versammelten für das Recht der theologischen Fakultäten und einzelner Professoren aus, gemeinsame Erklärungen auch kirchenpolitischen Inhalts abzugeben. Das grundsätzlich in dem Gutachterrecht der theologischen Fakultäten enthaltene Recht zu solchen Erklärungen könne nicht preisgegeben werden. 7 4 Auf Vermittlung kirchlicher und universitärer Interessen war auch von Sodens Briefwechsel zur Frage der theologischen Fakultäten und 72.

Ebd., S. 1 2 7 f. (Hans von Soden an Kollegen, 9. Dezember 1 9 3 4 ) Zit.: S. 1 2 8 .

73.

Vgl. Ebd. Dok. 14, S. 1 2 6 - 1 3 4 .

74.

Ebd. S. 1 4 0 - 1 4 3 . Anwesend waren in Halle am 18. und 19. M ä r z 1 9 3 5 : Alfred Bertholet (Berlin), Hans Emil Weber (Bonn), Hilko Wiardo Schomerus und Kurt Galling (Halle), Julius Schniewind, Martin N o t h , Günther Bornkamm (Königsberg), Johannes Herrmann (Münster), Rudolf Bultmann und Hans von Soden (Marburg), Joachim Begrich, Ernst Sommerlath, Karl Elliger (Leipzig), Hermann Strathmann (Erlangen), O t t o Bauernfeind (Tübingen), Waldemar Macholz (Jena), Renatus Hupfeld (Heidelberg). Aus Göttingen, Kiel, Rostock und Gießen lagen Briefe von den Professoren Hermann Dörries, Kurt Dietrich Schmidt, Friedrich Brunstäd und Leopold Cordier vor (Ebd. S. 1 4 0 f.)

184

Zwischen deutschchristl. Anspruch und

Bekenntniskritik

der Errichtung kirchlicher Hochschulen zwischen J a n u a r und August 1 9 3 5 ausgerichtet. 7 5 Bereits a m 2 9 . J a n u a r 1 9 3 5 schrieb er den B K Vertrauensleuten an den Fakultäten, daß m a n sich an

theologischen

Abschlußprüfungen nicht beteiligen k ö n n e , die von deutschchristlichen Kirchenbehörden durchgeführt würden. Vielmehr müßten sich Professoren und Dozenten der Bekennenden Kirche für deren Prüfungen zur Verfügung stellen, auch wenn dies staatlicherseits unerwünscht sei. 7 6 In diesem Z u s a m m e n h a n g hat von Soden a m 1 6 . J u n i 1 9 3 5 bei Regierungsrat Arthur Gürich im Reichswissenschaftsministerium Verständnis für die in M a r b u r g geübte Prüfungspraxis zu finden versucht. 7 7 Als die Hochschulbeschlüsse der Bekenntnissynode zu Augsburg Anfang J u n i 1 9 3 5 , die staatlicherseits als B o y k o t t der Fakultäten angesehen wurden, Besorgnisse und Verstimmungen in Professorenkreisen auslösten, hat von Soden a m 2 1 . J u n i 1 9 3 5 in der Sitzung des Reichsbruderrats in Berlin einen Beschluß erwirkt, der besagte: der Reichsbruderrat lehne es ausdrücklich ab, „ a u f die Dozenten auf dem Gebiet ihrer eigensten beruflichen Verantwortung irgendwie einen Z w a n g oder Druck a u s z u ü b e n " . 7 8 Die Augsburger Hochschulbeschlüsse wollten keinesfalls den Studenten die eigene Entscheidung a b n e h m e n . Deshalb seien von Kirchenbehörden oder Bruderräten gleichsam autoritär zu erteilende Weisungen, die bestimmte Dozenten empfehlen oder vor ihnen warnen, nicht als zulässig angesehen worden. H a n s von Soden wies deshalb die vom Reichsbischof Ludwig M ü l l e r erhobenen Vorwürfe, die Bekennende Kirche boykottiere die theologischen Fakultäten, als unwahr und diffamierend zurück. Trotzdem erschien eine selbstkritische Erörterung der Augsburger Hochschulbeschlüsse innerhalb der Bekennenden Kirche notwendig. Im Schreiben v o m 2 9 . J u n i 1 9 3 5 an die Vertrauensleute der Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche an den theologischen Fakultäten schrieb von Soden dazu: 7 9 „Aus den Kreisen der Kollegen sind auch von solchen, die sich bereits von Anfang an zur BK gehalten haben, sehr nachdrückliche Beden75. 76. 77.

Ebd. Dok. Nr. 17, S. 1 4 4 - 1 7 8 . Ebd S. 1 4 6 f. Ebd. Dok. 1 7 a, S. 1 4 7 - 1 5 1 (Hans von Soden an Arthur Gürich, 16. Juni 1935).

78.

Ebd. Dok. 17 c, S. 1 5 2 - 1 6 3 ; (Hans von Soden an die Vertrauensleute der Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche an den theologischen Fakultäten, 2 9 . Juni 1 9 3 5 ) . Zit.: S. 1 5 3 . Ebd. S. 1 5 9 f.

79.

Universitätstheologen in der Bekennenden

Kirche

185

ken gegen die Augsburger Beschlüsse geltend gemacht worden. Sie geben der ernsten Befürchtung Ausdruck, daß die Leitung der B K in ihrem Vorgehen in den Prüfungsfragen um eines vorübergehenden Notstandes willen die gesamte Einrichtung der staatlichen theologischen Fakultäten an den nationalen Hochschulen gefährden könnte, teils indem sie die Autorität und den Kredit der Fakultäten erschüttere bzw. erschüttern lasse, teils indem sie einzelne, verhältnismäßig wenige Dozenten, die in akute Konflikte verwickelt werden, zum Opfer disziplinärer oder politischer M a ß n a h m e n werden lasse, dadurch den Bestand der Fakultäten zersetzen lasse und für die Kirche weniger willkommenen Neuberufungen den Weg öffne. Dadurch arbeite man den politischen Kreisen, die aus politischen oder weltanschaulichen Gründen ohnehin die theologischen Fakultäten an den Universitäten des Staates entfernen wollen, auf der einen Seite und den kirchlichen Kreisen, welche kirchlich gebundene theologische Ausbildungsanstalten anstreben, auf der anderen Seite in die H ä n d e . M a n bringe dadurch das für den Protestantismus lebensnotwendige Gut freier theologischer Forschung und einer nicht durch amtliche und wirtschaftliche Abhängigkeit belasteten und gebrochenen Auseinandersetzung zwischen der Fakultätstheologie und der Kirchenleitung in Gefahr, deren Spannungen in der N a t u r der Sache lägen und ständig neu ausgeglichen und fruchtbar gemacht werden müßten, aber nicht unterdrückt werden dürften. Diese Spannungen träten dann nur in anderen, der kirchlichen Leitung nicht zugänglichen R ä u m e n mit um so negativeren Wirkungen hervor. M a n gefährde auch den hohen Wert und den großen mittelbaren Einfluß, den theologische Fakuläten, die ja stets ihre Arbeit in der Verantwortung vor der Kirche treiben, an den staatlichen Universitäten ausüben, und durch sie die K i r c h e . " H a n s von Soden hielt diese Gedanken aus vornehmlich bekenntniskirchlichen Kollegenkreisen grundsätzlich für berechtigt, gab aber zu bedenken:80 „Wir dürfen m. E. nicht verkennen, d a ß die Fakultäten in ihrer Stellung gleichsam zwischen Staat und Kirche in der Entwicklung des Kirchenstreites ein K a m p f o b j e k t bzw. ein Kampfplatz geworden sind. Die neuere Besetzungpolitik verfolgt an den Fakultäten eine sehr deutliche kirchenpolitische Linie, die unmittelbar in der Kirche nicht so vorangetrieben werden k a n n . " Die Fakultäten seien dadurch zu „Außenposten der K i r c h e " geworden. Der innere kirchliche C h a r a k t e r der Fakultäten werde sehr ernsthaft in Frage gestellt. Stillhalten allein genüge nicht mehr, 80.

Ebd. S. 1 6 0 f.

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Zwischen deutschchristl. Anspruch und Bekenntniskritik

um Bewahrenswertes zu erhalten; tätige Entscheidung sei gefordert. Die deutschchristlichen Prüfungsämter galten als unzumutbar für die Bekennende Kirche und ihre Studenten. M i t w i r k u n g an diesen Prüfungen bedeute im Effekt, sich gegen die Bekennende Kirche verwenden zu lassen. Wenig erheblich sei, was sich durch die M i t w i r k u n g an Prüfungen deutschchristlicher Kirchenleitungen einmal erreichen oder verhindern lasse. Die Professoren dürften nicht darauf verzichten, an den Prüfungen der Bekennenden Kirche teilzunehmen. Der ministerielle Erlaß, der die Tätigkeit der Professoren in der Bekennenden Kirche und ihren Prüfungen zu verhindern versuche, schmälere die Aktionsfähigkeit der Bekenntnisfront. Richtig sei, „ d a ß die theologischen Universitätsfakultäten in der gegenwärtigen Krise ernsthaft gefährdet sind, sowohl von der politischen Seite her, wie auch von der kirchlichen." Untätiges Abwarten seitens der Fakultäten im K i r c h e n k a m p f führe zu nichts: 8 1 „In dieser Krise kann m. E. eine weitere Z u r ü c k h a l t u n g oder Neutralität, die den kirchlichen K a m p f im wesentlichen sich selbst überläßt, nur dahin führen, d a ß die Fakultäten zwischen ihren beiden Gegnern zerrieben werden und von beiden Seiten den Kredit verlieren, der sie zu einem wertvollen Verbündeten und einem achtbaren Gegner macht. Wollen sich die Fakultäten in ihrem grundsätzlichen protestantischen C h a r a k t e r erhalten, so müssen sie um diesen mit ganzem Einsatz kämpfen und müssen ihre Politisierung und Säkularisierung ebenso energisch abwehren wie ihre Klerikalisierung." Die natürliche Spannung, die auf der bedeutsamen Verschiedenheit von T h e o l o g i e und Kirche beruhe, habe in der durchaus nicht nur negativ zu beurteilenden geschichtlichen Entwicklung seit dem vorigen J a h r h u n dert auch die Verbindung zwischen theologischem Studium und pfarramtlichem Dienst stark gelockert; fernab theologischer Schuldzuweisungen hielt von Soden es daher für dringend geboten, die Verbindung von Theologie und Kirche wieder stärker zu klären und zu festigen. Die Aktivität des für die Fragen der theologischen Fakultäten nominierten Ausschusses bekenntniskirchlicher Professoren und Dozenten entsprach allerdings nicht den Erwartungen von Sodens. Es sei zu beanstanden, d a ß trotz wiederholter Bitte n o c h kein Professor oder D o z e n t einer theologischen Fakultät in den altpreußischen Bruderrat aufgenommen wurde. Für den Bruderrat der altpreußischen Union, auf deren Kirchengebiet 81.

Ebd. S. 161.

Universitätstheologen

in der Bekennenden

Kirche

187

sieben theologische Fakultäten bestanden, nämlich Königsberg, Greifswald, Berlin, Breslau, Halle, Münster und Bonn, sei dies kein unbilliger Wunsch. 8 2 Hans von Soden war auch der einzige Universitätstheologe, der an der Augsburger BK-Synode teilgenommen hatte. 8 3 In seiner Argumentation, die auf ausgewogene Korrelation zwischen wissenschaftlicher Theologie und kirchlicher Bindung bedacht war, hielt sich Hans von Soden mit Kritik an der Bekennenden Kirche nicht zurück. Die vom altpreußischen Bruderrat geforderte Unterzeichnung einer Erklärung für Professoren, die sich am Prüfungsamt der Bekennenden Kirche beteiligen wollten, lehnte er als formal und sachlich unzulässig a b . 8 4 In einem Schreiben an den westfälischen Bekenntnispräses Karl Koch (Bad Oeynhausen) verwies er dabei auf den Berliner Kirchenhistoriker Prof. Hans Lietzmann, der die Unterzeichnung eines bekenntniskirchlichen Reverses kategorisch abgelehnt hatte. Lietzmann sei sicher nicht der einzige, dem diese Methode mißfalle. Die Frage einer erneuten Bekenntnisverpflichtung von ohnehin der Bekenntnisfront zugehörigen Hochschullehrern bei der Prüfungsfrage sei so gravierend, daß eine einzige Landeskirche für sich keinesfalls allein vorgehen könne; dies sei jedoch durch die Reversforderung des altpreußischen Bruderrats geschehen, der ohne Kontakt mit dem Reichsbruderrat diese Verpflichtungserklärung von den Professoren gefordert habe. 8 5 Frustriert fragte daher Prof. von Soden: „Welchen Sinn hat es dann, daß mir ausdrücklich ein ständiges Referat über die Fakultäten im Reichsbruderrat übertragen worden ist, wenn ich bei einer so wichtigen Angelegenheit nicht gehört werde?" Es sei Vertrauenssache, daß er unterrichtet würde, wenn abweichende Praktiken durchgesetzt werden sollten. Offenbar liege die Ursache „in einem Mißtrauen gegen die Theologie der Professoren", das auch durch ihren Anschluß an die Bekenntnisfront nicht überwunden sei. Die „Beweisform" für bekenntniskirchliche Haltung durch eine Erklärung, „im Sinn und Geist der Kirche" das Prüfungsamt ausüben zu wollen, galt ihm als „ehrverletzend und ( . . . ) ein schwer verantwortliches Spiel mit der Einheit der B K " . 8 6 Äußerst kritisch wurde deshalb unter bekenntniskirchlich orientierten Hochschullehrern demgemäß auch der Beschluß des altpreußischen 82.

Ebd. S. 1 6 4 .

83. 84. 85. 86.

Vgl. ebd. S. 1 5 2 . Ebd. Dok. 17 d, S. 1 6 3 - 1 6 9 (Hans von Soden an Karl Koch, 14. Juli 1 9 3 5 ) . Kurt Meier, Barmen und Universitätstheologie, bes. S. 2 5 4 . Ebd. S. 1 6 4 ; 168.

188

Zwischen deutschchristl. Anspruch und

Bekenntniskritik

Bruderrats vom 1. August 1935 diskutiert, in Wuppertal-Elberfeld und in Berlin je eine Kirchliche Hochschule einzurichten, die trotz sofortigen Verbots durch die Gestapo ihren Lehrbetrieb am 1. November 1 9 3 5 aufnahmen, aber zunehmend in die Illegalität abgedrängt wurden.

9. Kirchliche Ausbildungsstätten. Konkurrenz oder Alternative?

a) Bekenntniskirchliche

Hochschulen

Die staatliche Fakultätspolitik hatte im Dritten Reich manche theologische Fakultäten personell so verändert, daß der Bekennenden Kirche Bedenken kamen, ihren Nachwuchs weiterhin ausschließlich an den Universitäten ausbilden zu lassen. Eine bekenntnisbetonte Ausbildung sollte wenigstens als Ergänzung des staatlich geforderten Trienniums dienen, also zusätzlich zu den obligatorischen sechs Universitätssemestern treten. Die Theologische Schule in Bethel bei Bielefeld, 1905 gegründet, um Vorbereitung und kirchlich-positive Ergänzung für das universitäre Theologiestudium zu bieten, wurde auch wegen der dort möglichen intensiven altsprachlichen Ausbildung verschiedentlich gern besucht. Sie konnte aber den bekenntniskirchlichen Anforderungen während des Dritten Reiches schon aus räumlichen Kapazitätsgründen nicht genügen. 1 Deshalb wurde bereits auf der Zweiten Reformierten Synode in Siegen Ende März 1935 der Beschluß gefaßt, eine „Kirchliche Hochschule für reformatorische Theologie" zu gründen. Es hieß in dem Beschluß: Die Ausübung des kirchlichen Lehrauftrags, „die bisher an den theologischen Fakultäten der staatlichen Hochschulen erfolgte, ist heute nahezu unmöglich gemacht. Wird aber die Lehre verfälscht oder läßt man sie verkümmern, so entartet die Verkündigung zur Menschenweisheit, und die Gemeinde verfällt dem geistlichen Tod." 2 Die Synode bestellte einen 1. 2.

Vgl. Kap 9 b: Die Theologische Schule in Bethel. Wilhelm Niemöller, Die Evangelische Kirche im Dritten Reich, S. 339 f.; Hartmut Aschermann/Wolfgang Schneider, Studium im Auftrag der Kirche; dort auch (S. 284-300) Protokollauszug aus: Freie Reformierte Synode in Siegen am 28. März 1935; vgl. auch Karl Immer (Hg.), Zweite Reformierte Synode in Siegen vom 26. bis 28. März 1935, Wuppertal-Elberfeld 1935; Gerhard Besier, Zur Geschichte der Kirchlichen Hochschulen, S. 268 f.: Nach Besier war die Gründung der Kirchlichen Hochschulen „mehr als nur eine Notmaßnahme, eine bloße Reaktion der Bekennenden Kirche auf die staatlichen Eingriffe in den Lehrkörper der theologischen Fakultäten", sondern Konsequenz aus den Bekenntnissynoden Barmen und Dahlem auf dem

190

Kirchliche

Ausbildungsstätten

Ausschuß, der geeignete Schritte zur Errichtung der geplanten Hochschule einleiten sollte. Federführend und stark engagiert war in diesem Ausschuß Pastor Karl Immer (Wuppertal-Barmen); auch Pastor Dr. Heinrich Graffmann, der Leiter der Theologischen Schule Elberfeld, die seit 1927 bestand, wie auch das altpreußische Ratsmitglied Lie. Wilhelm Niesei gehörten neben anderen dem Ausschuß an. Man hoffte ursprünglich, bereits wenige Wochen später die geplante Hochschule gründen zu können. An vorgesehene Dozenten wurden Briefe verschickt. So hatte man auch an Prof. Karl Barth gedacht, gegen den ein Disziplinarverfahren wegen Verweigerung des staatlichen Beamteneides lief und der damals von seinem Lehramt in Bonn suspendiert war, ehe er zwangspensioniert wurde und Deutschland verließ. Seine Anstellung als Dozent an der geplanten „Kirchlichen Hochschule für reformatorische Theologie" kam indes nicht zustande; er kehrte vielmehr Mitte 1935 in die Schweiz zurück, wo er an der Universität Basel eine Professur erhielt. Die Gründung der bekenntniskirchlichen Hochschule verzögerte sich auch deshalb, weil das Projekt erst noch mit einem vom „Rat der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union" berufenen Ausschuß von Lutheranern abgestimmt werden mußte, dem außer Georg Merz (damals Dozent an der Theologischen Schule in Bethel) u. a. auch Pastor Hans Asmussen (damals im Präsidium der Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche in Bad Oeynhausen) und Pfarrer Martin Niemöller (Berlin-Dahlem) angehörten. Georg Merz hatte Vorsitz und Mitgliedschaft in diesem Ausschuß zunächst abgelehnt, weil der 1935 geschaffene „Lutherische Rat" (Vorgänger des 1936 konstituierten „Rates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands", abgekürzt auch „Lutherrat" genannt) bereits am 20. März 1935 eine theologische Schule im Osten Preußens erwogen hatte, deren Grundcharakter an Bethel orientiert sein sollte. Das Projekt kam indes nicht zustande. Die verschiedenen Aktivitäten führten dazu, daß sich die Eröffnung der „Kirchlichen Felde kirchlicher Ausbildung. Danach handelte es sich im Ansatz um nichts weniger als um „eine Wissenschaftsrevolution im Fach Theologie". Das ungelöste Problem, wie die ekklesiologische Neubesinnung von „Barmen" und die Beschlüsse von „Dahlem" auf dem Felde kirchlicher Ausbildung vor allem wissenschaftstheoretisch durchgreifend umgesetzt werden sollten, wie auch theologisch-wissenschaftliche Niveaufragen ließen indes selbst voll akademisch ausgebildete Hochschullehrer der kirchlichen Lehrstätten am historisch-kritischen Methodenstandard festhalten. Als 1945 mit dem Dritten Reich der Zwang zur Alternative wegfiel, haben sich die Kirchlichen Hochschulen wieder dem klassischen Fakultätsmodell angenähert.

Bekenntniskirchliche

Hochschulen

191

Hochschule für reformatorische T h e o l o g i e " bis Anfang N o v e m b e r 1 9 3 5 verschob. D a s Anliegen bekenntnisorientierter Theologenausbildung hatte die Bekennende Kirche bereits a u f den Bekenntnissynoden von B a r m e n und D a h l e m im J a h r e 1 9 3 4 erörtert. Schon die a m Vorabend zur Reichsbekenntnissynode in Barmen Ende M a i 1 9 3 4 zusammengetretenen altpreußischen Synodalen hatten die kirchliche Verantwortung für die Pfarrerausbildung betont. 3 M a n sprach von der Betreuung des theologischen N a c h w u c h s e s in theologischen Schulen, meinte damit aber vermutlich nur die schon bestehenden kirchlichen Ausbildungsstätten in Bethel und Wuppertal-Elberfeld. N a c h der Dahlemer Bekenntnissynode der D E K M i t t e O k t o b e r 1 9 3 4 erließ der Reichsbruderrat Ausführungsanweisungen. Darin wurden den Landesbruderräten der Bekennenden Kirche die Aufgabe zugewiesen, zusammen mit den Mitgliedern der jeweiligen theologischen Fakultät, die sich zur Bekennenden Kirche hielten, die Verantwortung für eine geordnete Ausbildung der Kandidaten und Hilfsprediger zu übernehmen. 4 A m 3 . J a n u a r 1 9 3 5 tagte in Bad Oeynhausen der

Reichsbruder-

rat der Bekennenden Kirche. An der Sitzung nahmen auch Prof. Karl Barth und die BK-Pastoren H e r m a n n A. Hesse, Karl Immer und M a r t i n Niemöller teil, die wegen Meinungsverschiedenheiten über die neugebildete 1. Vorläufige Kirchenleitung unter Landesbischof M a r a h r e n s a m 2 3 . N o v e m b e r 1 9 3 4 aus dem Reichsbruderrat ausgetreten waren. 5 Die Frage des Beamteneides, die durch Barths Weigerung, ihn ohne Kautelen zu leisten, virulent wurde, blieb strittig. In diesem Z u s a m m e n h a n g brachte Pastor D . H e r m a n n A. Hesse den Gedanken einer „freien F a k u l t ä t " ein. Im Falle einer Dienstentlassung Barths sollte die Gründung einer kircheneigenen rheinisch-westfälischen Fakultät erstrebt werden. 6 Der Antrag wurde a u f dieser Sitzung allerdings k a u m diskutiert. Der bayerische O b e r k i r c h e n r a t T h o m a s Breit, lutherisches Mitglied der 1. Vorläufigen Kirchenleitung, bezeichnete die Gründung einer kircheneigenen Fakultät j e d o c h als „ i n d i s k u t a b e l " . Auch Barth selbst äußerte „große B e d e n k e n " . 3. 4. 5. 6.

Kirchliches Jahrbuch für die evangelische Kirche in Deutschland 1 9 3 3 - 1 9 4 4 , 2. Aufl., S. 74. Ebd. S. 83 f. (Verordnung zur Ausführung der Beschlüsse der Dahlemer Bekenntnissynode). Hartmut Aschermann/Wolfgang Schneider, Studium im Auftrag der Kirche, S. 3 4 - 3 7 . Hans Prolingheuer, Der Fall Karl Barth 1 9 3 4 - 1 9 3 5 , S. 1 1 2 - 1 1 4 (Kloppenburg-Protokoll).

192

Kirchliche Ausbildungsstätten

Er meinte, es sei sinnlos, Berufung gegen das Urteil des Disziplinargerichtshofes einzulegen, das sein Ausscheiden aus dem Hochschuldienst verfügte. Er betonte auch: wenn er heute „nichts sehr Bestimmtes" über eine verbindliche Anstellungsmöglichkeit höre, nehme er den Ruf an die Universität Basel an. Tags darauf - also am 4. Januar 1 9 3 5 - erreichten es Hermann A. Hesse und Karl Immer, daß der Verwaltungsrat der Theologischen Schule in Elberfeld vorschlug, Barth als Leiter der Theologischen Schule Elberfeld zu berufen. 7 M a n hoffte damals noch, daß das Oberverwaltungsgericht das Kölner Urteil gegen Barth in der Eidesfrage, das auf Dienstentlassung erkannte, aufheben würde. Geschehe das nicht, wollte man Barth als Direktor der Theologischen Schule in Elberfeld anstellen. Barth lehnte die Bemühungen des Verwaltungsrates der Theologischen Schule Elberfeld nicht sofort ab, ließ es aber offen, o b er als Direktor der Theologischen Schule im Falle seiner Entlassung aus dem Hochschuldienst zur Verfügung stünde. Doch haben schon Ende Januar 1 9 3 5 Barths Schweizer Freunde Eduard Thurneysen und Rudolf Pestalozzi in Barmen mit Vertretern des Reformierten Bundes verhandelt und sie zu überzeugen versucht, daß Barth nicht in Deutschland bleiben werde. 8 Schon damals dürfte Pastor Karl Immer - wie ein Schreiben vom 2 3 . Januar 1 9 3 5 zeigt - nicht mehr damit gerechnet haben, Barth für eine dauernde bekenntniskirchliche Lehrtätigkeit in Deutschland gewinnen zu können. Als das Moderamen des Reformierten Bundes für Deutschland, der Verwaltungsrat der Theologischen Schule Elberfeld und die Vertrauensmänner des Coetus reformierter Prediger Deutschlands in Anwesenheit Barths am 19. Februar 1 9 3 5 noch einmal die Frage einer freien nämlich reformierten - Fakultät erörterten, sagte Barth definitiv ab. Die Basis einer reformierten Schule war ihm zu schmal. Sein Platz könne nur an einer Volluniversität sein. Die Chronistik der Kirchlichen Hochschule spricht davon, daß mit diesem Tag Mitte Februar 1 9 3 5 „der Traum von einer ,Karl-Barth-Fakultät'" ausgeträumt war. Doch blieb das Thema „Freie Fakultät" weiter auf der Tagesordnung, wie ein Beschluß des altpreußischen Bruderrats vom 2 2 . Februar 1 9 3 5 zeigt. Es hieß dort: 9 „Da die Bestimmungen des Staatsvertrags nichts über einzelne Disziplinen besagen, wird der praktisch-theologische Kursus im Rheinland als Ersatz 7.

Karl Immer, Die Briefe des Coetus reformierter Prediger 1 9 3 3 - 1 9 3 7 , S. 6 5 .

8.

Hartmut Aschermann/ Wolfgang Schneider, Studium im Auftrag der Kirche, S. 36. Ebd. S. 3 7 .

9.

Bekenntniskirchliche

Hochschulen

193

für bestimmte Vorlesungen anerkannt." Offensichtlich suchte Karl Immer seinen Plan, eine bekenntniskirchliche Hochschule zu gründen, auch auf diesem Wege voranzutreiben. Ein Protokollvermerk, wonach allerdings Pastor Paul Humburg vor „freien Fakultäten" warnte, zeigt die konzeptionelle Unklarheit des bekenntniskirchlichen Vorgehens. Gefördert wurden diese auf bekenntniskirchliche Ausbildung zielenden Aktivitäten auch durch praktisch-theologische Freizeiten im Januar und März 1935, die als eine Art Rüstzeiten von der rheinischen Bekenntnissynode verantwortet wurden. Das Diakonissenhaus in Kaiserswerth wie auch das Missionshaus in Barmen stellten Räume für diese allerdings nur kurzfristigen Lehrgänge zur Verfügung. Am 9. Januar 1935 hatte in Kaiserswerth neben Lie. Hermann Schlingensiepen auch Karl Barth über die „Gemeindemäßigkeit der Predigt" gesprochen. In Barmen fand am Ende des Wintersemesters vom 18. Januar bis 2. März 1935 ein von der rheinischen Bekenntnissynode veranstalteter praktisch-theologischer Kurs statt. Die Teilnahme an diesen ErsatzLehrveranstaltungen wurde den Studenten bescheinigt. 10 Es handelte sich um ein homiletisches Seminar von Pfarrer Friedrich Graeber (Essen) und um ein Liturgik-Seminar von Pfarrer Hermann Lutz (Essen). Schlingensiepen, von seinem Lehrauftrag an der Bonner Theologischen Fakultät suspendiert, meinte ebenso wie der Rat der rheinischen Bekenntnissynode, durch entsprechende Ersatz-Lehrveranstaltungen den durch verschiedene Wegberufungen desolaten Zustand der Theologischen Fakultät in Bonn ausgleichen zu können. Insbesondere zielte man darauf ab, die praktisch-theologischen Lehrveranstaltungen von Prof. Emil Pfennigsdorf durch Zusatz-Veranstaltungen der Bekennenden Kirche außerhalb der Fakultät in den Semesterferien zu kompensieren bzw. zu korrigieren. Auch für das Sommersemster 1935 wurden zwei praktisch-theologische Kurse in Bonn eingerichtet, die wöchentlich stattfanden und den Bekenntnisstudenten die Möglichkeit verschafften, an der Fakultät Fehlendes zu ergänzen. Das Thema einer „Freien Fakultät" spielte dabei allerdings keine Rolle. Erst die 2. Reformierte Synode Ende März 1935 in Siegen hat dieses Thema wieder aufgegriffen und extensiv behandelt. 11 Karl Immer hatte in Wilhelm Niesei und wahrscheinlich auch in Martin Niemöller engagierte Mitstreiter für dieses Projekt gefunden. Die Tatsache, daß am 28. Februar 1935 durch den Reichswissenschaftsminister 10. 11.

Ebd. S. 39 f. Quellenbezogene Darstellung der Siegener Synode ebd., S. 4 5 - 5 4 (nach Karl Immer, Zweite Reformierte Synode in Siegen).

194

Kirchliche

Ausbildungsstätten

Rust den theologischen Fakultäten „jede öffentliche Stellungnahme im Kirchenstreit" verboten wurde und die Mitarbeit der Professoren und Dozenten in Synoden und Bruderräten behördlicher Genehmigung bedurfte, ließ eine kircheneigene institutionelle Theologenausbildung dringlich erscheinen. Auf der Siegener Synode trat Wilhelm Niesei in einem Referat für die Gründung einer „Kirchlichen Hochschule für reformatorische Theologie" ein und umriß ihre Rolle. Die wichtigsten Lehrstühle müßten doppelt, also mit je einem reformierten und einem lutherischen Theologen, besetzt werden. Niesei wehrte die Befürchtung ab, daß die geplante Hochschule zu einer „ganz harmlosen Winkelangelegenheit", zu einer bloßen „Bibelschule" werden könne. Der Beschlußvorschlag zur Gründung einer solchen kirchlichen Hochschule fand breite Zustimmung; allein Paul Humburg, Pfarrer in Barmen-Gemarke, Präses der rheinischen Bekenntnissynode und Mitglied der 1. Vorläufigen Kirchenleitung, meldete grundsätzliche Bedenken an, während die Synodalen Hermann A, Hesse, H. Klugkist Hesse und Karl Immer im Blick auf die mißliche Situation der staatlichen Theologenausbildung engagiert für die kirchliche Hochschulgründung eintraten. Karl Immer betonte, es sei nicht danach zu fragen, ob der Staat die geplante Hochschule verbiete oder nicht. Die Gründung zeige vielmehr die Notwendigkeit und das Recht kircheneigener Theologenausbildung. Es gehe auch um ein künftiges „entscheidendes Mitbestimmungsrecht der Kirche" bei der Besetzung der Theologieprofessuren an den Universitäten. Diese Synodaltagung Ende März 1935 in Siegen erbrachte den Beschluß einer baldigen Hochschulgründung der Bekennenden Kirche. Während der sich länger hinziehenden Vorbereitungen zur Gründung der „Kirchlichen Hchschule für reformatorische Theologie" wurden weitere Maßnahmen eingeleitet. Die Ende April in Barmen-Gemarke tagende 4. Rheinische Bekenntnissynode beschloß, ein Theologisches Amt einzurichten, das unter Leitung des Ratsmitglieds Pastor Lie. Dr. Joachim Beckmann (Düsseldorf) stand. 1 2 Angesichts der durch die Bekennenden Kirche angeprangerten „Zerstörung der Bonner Fakultät" sollten Vorlesungen, Übungen und Lehrgänge veranstaltet werden. Gleichzeitig wurde der Bruderrat beauftragt, beim Reichswissenschaftsminister auf „Herstellung einer bekenntnistreuen Fakultät" zu dringen. Der Kontakt des rheinischen mit dem westfälischen Bruderrat sollte aufgenommen werden, damit Karl Barth seine Arbeit in Bonn fortsetzen könne. Man 12.

Joachim Beckmann, Rheinische Bekenntnissynoden im Kirchenkampf, S. 198 ff.

Bekenntniskirchliehe

Hochschulen

195

dachte damals an eigene bekenntniskirchliche Lehrveranstaltungen neben und außerhalb der Bonner Fakultät, zu denen man Karl Barth heranzuziehen hoffte. Die Möglichkeit, daß Barth auch seine Vorlesungen an der Fakultät in Bonn fortsetzen könnte, mochte angesichts der noch ungeklärten Frage, ob Barth aus dem staatlichen Hochschuldienst entlassen werde, nicht außerhalb der Erwartungen liegen. Das legt jedenfalls der Synodalbeschluß nahe, der erträgliche Besetzungsverhältnisse an der Theologischen Fakultät in Bonn forderte. Karl Immer hoffte in seinem Schreiben an die Mitglieder und Freunde des Coetus reformierter Prediger noch am 2 1 . Juni 1 9 3 5 , Barth werde nach einer Unterredung mit Reichswissenschaftsminister Rust wieder in Bonn lesen können, da das Kölner Disziplinarurteil in letzter Instanz aufgehoben wurde, so daß „nur die zeitweilige Eidesverweigerung übrigblieb". 1 3 Eine eigene bekenntniskirchliche Hochschule hatten die rheinischen Beschlüsse im Unterschied zu der Freien reformierten Synode in Siegen, die einen M o n a t früher tagte, noch nicht im Blick. Neben dieser Siegener Synode Ende M ä r z 1 9 3 5 beschäftigte sich die 3. Reichsbekenntnissynode vom 4 . bis 6. Juni 1 9 3 5 in Augsburg ebenfalls mit Hochschulfragen. Sie konstituierte einen eigenen Hochschulausschuß und faßte einen Beschluß über „Vorbildung und Ausbildung der Pfarrer der Bekennenden Kirche". Lie. Hermann Schlingensiepens Bruder Pfarrer Johannes Schlingensiepen hat auf der Augsburger Bekenntnissynode einen Vortrag gehalten, dessen Intention es war, für die Kirchliche Hochschule die gesamtkirchliche Billigung der Bekennenden Kirche zu gewinnen. Immerhin enthielt der Synodalbeschluß Nr. 12 in Augsburg den Absatz III: 1 4 „Die Synode macht es den Kirchenleitungen zur Pflicht, überall da, wo die Not es erfordert, für Ersatz solcher Vorlesungen und Übungen Sorge zu tragen, deren Besuch den Studenten um des Gewissens willen nicht zugemutet werden k a n n . " Die Augsburger Beschlüsse, die auch ein „Wort an die Obrigkeit" enthielten, das die politische Loyalität dem Staat gegenüber bekenntniskirchlich betont artikulierte, haben Karl Barth im Nachhinein als Argument gedient, daß sein Weggang nach Basel richtig war. Die Haltung dieser Bekenntnissynode sei zu staatspositiv dem NS-Regime gegenüber gewesen, betonte er kritisch. Im übrigen hatte Pfarrer Friedrich Graeber es unterlassen, Barth von den Beschlüssen der rheinischen Bekenntnissyn13.

Karl Immer, Die Briefe des Coetus reformierter Prediger, S. 6 2 .

14.

Wilhelm Niemöller (Hg.): Die dritte Bekenntnissynode der Deutsche Evangelischen Kirche zu Augsburg, S. 8 2 .

196

Kirchliche

Ausbildungsstätten

ode, ihn als theologischen Lehrer zu gewinnen, hinreichend zu unterrichten, während der altpreußische Bruderrat mit seinen Hochschulplänen beschäftigt war. So hat Barth die schon seit Monaten laufende Berufung auf einen theologischen Lehrstuhl nach Basel angenommen. Am 2 2 . Juni erschien die Nachricht von Barths Zwangspensionierung in der Presse. Am 25. Juni 1 9 3 5 hat Barth „den unerwarteten Ruf nach Basel erhalten und angenommen". 1 5 Die gut dokumentierten, hier nicht näher zu erörternden bekenntniskirchlichen Verhandlungen mit Barth machen einen im ganzen wenig real itäts be wußten Eindruck. Die rheinische und westfälische Bekenntnissynode waren überfordert, wenn sie die Berufung Barths als eines ordentlichen Professors mit entsprechenden Gehalts- und Pensionsansprüchen in der damals brisanten Situation von sich aus durchsetzen sollten. Die Augsburger Reichsbekenntnissynode Anfang Juni 1 9 3 5 , zu der Barth auf Einspruch des bayerischen Landesbischofs Meiser, aus Sorge, die Synode zu gefährden, nicht eingeladen worden war, hatte sich mit der speziellen Frage einer Berufung Barths in ein theologisches Lehramt der Bekennenden Kirche nicht befaßt. Die Bruderräte der Bekennenden Kirche fanden an ihren jeweiligen Landes- oder Provinzialuniversitäten unterschiedliche Fakultätssituationen vor, die ihnen ein einheitliches Vorgehen erschwerten. 16 Die weitere Entwicklung des bekenntniskirchlichen Ausbildungswesens (Verbot der Kirchlichen Hochschule Anfang November 1935 sogleich nach ihrer Gründung) zeigt, wie wenig realistisch und sinnvoll es damals gewesen wäre, Karl Barth als Schweizer Staatsbürger auf den unsicheren Boden einer kirchenautonomen Einrichtung der Bekennenden Kirche treten zu lassen. Ein jederzeit mögliches Redeverbot oder gar seine Ausweisung durch die Gestapo hätte seinem Wirken mit einem Federstrich ein Ende bereiten können. Auch subjektiv verständliche Vorwürfe Barths gegen die Bekennende Kirche, sie habe ihm nicht rechtzeitig eine kirchliche Berufung als Hochschullehrer an einer „Freien Fakultät" erwirkt, überschätzten die Möglichkeiten, die der Bekennenden Kirche damals zur Verfügung standen. Die quellenmäßig überschaubare Entwicklung seit Anfang 1935 zeigt, daß ein Verbleiben Barths in Deutschland illusionär war. 1 7 Nur seine Restitution in Bonn, die der zunächst günstige 15. 16. 17.

Karl Immer, Die Briefe des Coetus reformierter Prediger, S. 6 9 - 7 5 (Schreiben Karl Barths an Hermann A. Hesse in Elberfeld vom 30. Juni 1935). Karl Immer, Die Briefe des Coetus reformierter Prediger, S. 6 2 - 7 8 . Vgl. Hans Prolingheuer, Der Fall Karl Barth, S. 3 3 3 f.; Hartmut Aschermann/Wolfgang Schneider (Hg.), Studium im Auftrag der Kirche, S. 5 9 - 6 3 .

Bekenntniskirchliche

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Abschluß seines Disziplinarverfahrens formal gesehen nahelegte, hätte ein weiteres Verbleiben in Deutschland ermöglicht. Barths Zwangspensionierung durch den Reichswissenschaftsminister Rust, mit der Barth schon des längeren gerechnet hatte, ließ eine universitäre Tätigkeit für ihn faktisch nur noch im Ausland zu. Es entsprach dem realistischen Blick Barths, d a ß er das Berufungsangebot aus Basel als M ö g l i c h k e i t für ein sicheres Refugium offenbar schon in den M o n a t e n betrachtete, als die bekenntniskirchlichen Gremien des Rheinlands wie auch Altpreußens n o c h mit Vorüberlegungen beschäftigt waren, wie sie ihn als theologischen Lehrer an einer freien kirchlichen Ausbildungsstätte unterbringen könnten. Der Weggang Karl Barths aus Deutschland M i t t e

1935

hat die

Bemühungen, eine „Kirchliche H o c h s c h u l e für reformatorische T h e o l o g i e " zu gründen, nicht aufhalten können. Karl Immers Engagement war es im wesentlichen zu verdanken, d a ß konkrete Vorschläge zu Standort und Dozenten entwickelt und ein Finanzierungsplan aufgestellt wurden. 1 8 Ein aktualisierender Plan Karl Immers, der die klassische Verteilung der Disziplinen verändern wollte, k a m zwar nicht zum Zuge; doch sonst entwickelte er detaillierte Vorstellungen über den Aufbau der Hochschule. In einer Besprechung im kleinen Kreis a m 2 2 . Juli 1 9 3 5 in Berlin, bei der M a r t i n Niemöller, Wilhelm Niesei und Karl Immer als Teilnehmer bezeugt sind, wurde die Sache verhandelt. D a s Ergebnis der Beratungen wurde a m 1. August 1 9 3 5 dem altpreußischen Bruderrat vorgetragen. Auch Prof. H a n s von Soden ( M a r b u r g ) als Vertrauensmann der bekenntniskirchlichen Hochschultheologen an den Fakultäten n a h m zeitweilig an der Sitzung des altpreußischen Bruderrates teil. E r plädierte stärker für ein gleichzeitiges Belegen von Vorlesungen an Universität und neuer Hochschule, während M a r t i n Niemöller für ergänzende Semester ausschließlich an der B K - H o c h s c h u l e eintrat. N a c h H a n s von Sodens M e i n u n g sollte eine zeitliche Konkurrenz des Studiums an Universität und Kirchlicher H o c h s c h u l e im Blick auf noch vorhandene

bekennt-

niskirchlich orientierte Lehrkräfte an den theologischen Fakultäten, die sich der neuen Kirchlichen H o c h s c h u l e zur Verfügung stellen könnten, vermieden werden. Praktiziert wurde allerdings nur eine Berufung von Dozenten für die Hochschule, vor allem solcher, die in ihrer Karriere bedrängt waren. Im Universitätsamt verbliebene T h e o l o g e n wirkten an der bekenntniskirchlichen H o c h s c h u l e nicht mit, o b w o h l dies im Ein18.

Hartmut Aschermann/Wolfgang Schneider (Hg.), Studium im Auftrag der Kirche, S. 7 0 - 7 6 .

198

Kirchliche

Ausbildungsstätten

zelfall zunächst nicht ausgeschlossen schien. Dienstrechtliche Bedenken sprachen dagegen. Das ministerielle Verbot hat die Mitwirkung von aktiven Universitätstheologen an bekenntniskirchlichen Einrichtungen als nicht praktikabel erscheinen lassen. Für die Abteilung Elberfeld der Kirchlichen Hochschule war von vornherein daran gedacht, sie in die schon bestehende Theologische Schule einzugliedern, die seit 1 9 2 7 der Vorbildung für das Theologiestudium besonders in altsprachlicher und bibelkundlicher Hinsicht diente. Daß der Dekan der Theologischen Fakultät in Bonn, Prof. Emil Pfennigsdorf, gegen diese Erweiterung der Theologischen Schule Elberfeld protestierte, zeigt, wie brisant damals die Lage im Blick auf die Theologenausbildung war. Der „Coetus reformierter Prediger", eine Mitte September 1933 in Elberfeld unter Initiative von Pastor Karl Immer gegründete bekenntniskirchliche Bruderschaft reformierter Pastoren aus allen Gegenden Deutschlands hatte versucht, durch Rundschreiben an einen Freundeskreis für die im Herbst 1 9 3 5 als Abteilung Β der Theologischen Schule angegliederte Kirchliche Hochschule weitere finanzielle Mittel zu gewinnen. 19 Die Kosten für die Kirchliche Hochschule mußten durch das Ausschreiben von Bekenntniskollekten und vom Freundeskreis der bestehenden Theologischen Schule Elberfeld, den es auszuweiten galt, aufgebracht werden. Dieser „Freundeskreis der Theologischen Schule" wandte sich in einem „Wort zur Ausbildung des Theologischen Nachwuchses" im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Eröffnung der „Hochschule für reformatorische Theologie" an solche, die bereits bisher für die Theologische Schule gespendet hatten. Im Januar 1936 schrieb Rechtsanwalt Dr. Karl Mensing und Lie. Heinrich Schlier namens des Dozentenkollegiums nochmals werbend an die zahlreichen Spender des Vorjahres und erbaten weitere finanzielle Unterstützung, da ein jährlicher Mehraufwand von 4 0 0 0 0 R M für das erweiterte Programm der Theologischen Schule erforderlich war. Das Wort des Freundeskreises enthielt auch einen Affront gegen die theologischen Fakultäten: eine bekenntnisverpflichtete Mitarbeit sei an ihnen nicht mehr gewährleistet. Nicht alle Pastoren waren allerdings mit diesem Kurs einverstanden. Das zeigte die Reaktion von Pastor Heinrich Weinsheimer von der reformierten Gemeinde Wuppertal-Elberfeld. Am 2 5 . Oktober 1935 schickte er die Unterlagen an den Dekan der Theologischen Fakultät Bonn, die 19.

Vgl. Karl Immer, Die Briefe des Coetus reformierter Prediger S. 76-78; Arbeit und Aufbau des Coetus: S. 4 7 - 5 0 .

zu

Bekenntniskirchliche

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die Konkurrenz der unmittelbar vor der Eröffnung stehenden Kirchlichen Hochschule in der Kirchenprovinz Rheinland umso mehr fürchten mußte, als ihr wissenschaftliches Ansehen durch die personelle Umgestaltung seit 1933 vor allem in bekenntniskirchlichen Kreisen gesunken war. Weinsheimer meinte, der Reichswissenschaftsminister könne „ein solches Konkurrenzunternehmen gegen die Universität überhaupt nicht dulden". Die Bekenntnisgemeinde habe durch Rechtsanwalt Dr. Karl Mensing das leerstehende Gebäude in der Kasinogartenstraße für 3 0 0 0 0 R M gekauft, um Räumlichkeiten für die Kirchliche Hochschule der Bekennenden Kirche zu schaffen. Von den zehn Pastoren der reformierten Gemeinde Elberfeld würden sechs den „Coetus der reformierten Prediger Deutschlands" nicht anerkennen. Sie hofften, „daß es gelingen werde, das Geschrei dieser anmaßenden und irregeleiteten Leute niedriger zu hängen". Das Wort des Coetus, das sich mit der Theologenausbildung beschäftigte, zeige, „daß Irrlehre jetzt auf Seiten der Bekenner heimisch geworden" sei. Dekan Emil Pfennigsdorf begründete die ablehnenden Haltung seiner Fakultät gegen den Plan der Kirchlichen Hochschule damit, daß eine Notwendigkeit dazu nicht bestehe, existierten doch an der Theologischen Fakultät in Bonn jetzt auch altsprachliche Abschlußseminare. Im übrigen werde der Besuch theologischer Fakultäten durch kirchliche Hochschulen gefährdet. Solche bekenntniskirchlichen Einrichtungen würden auch das Ansehen des Pfarrerstandes als eines „nicht mehr voll akademischen" in der öffentlichen Meinung herabsetzen. Am 1. Februar 1936 hat sich Pfennigsdorf dann „gegen die widerrechtliche Erweiterung der Theologischen Schule in Elberfeld" an das Reichswissenschaftsministerium mit dem Ersuchen gewandt, dagegen einzuschreiten. Der durch das Verbot der Kirchlichen Hochschule November 1935 sogleich nach deren Eröffnung bekundete Wille des Staates, diese bekenntniskirchlichen Ausbildungsaktivitäten nicht zu dulden, werde hier faktisch umgangen. Die Theologische Schule in Elberfeld sei selbst zu einer Theologischen Fakultät geworden, die in bewußtem Gegensatz zu den staatlichen theologischen Fakultäten stehe. Auch auf die Verdächtigung der Universitätstheologie im Rundschreiben des „Coetus reformierter Prediger" verwies die Eingabe. Außerdem werde der Bonner Fakultät erheblicher Abbruch getan; solle doch die Theologische Schule derzeit 6 0 Studierende umfassen. Auch die unerlaubte Geldsammlung für die Theologische Schule wurde erwähnt. Gegenüber dem Vorsitzenden des Provinzialkirchenausschusses im Rheinland, Sup. Dr. Wilhelm Ewald Schmidt in Oberhausen, sprach Pfennigsdorf die Erwartung aus, daß der Ausschuß „das Vorgehen der hinter dieser Hochschule stehenden Kreise nicht etwa deckt",

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sondern dafür Sorge trage, daß die Theologische Schule wieder zu ihrem ursprünglichen Ziel, lediglich Vorbereitung auf das Universitätsstudium zu ermöglichen, zurückgeführt werde. 20 Während die Abteilung Elberfeld der Kirchlichen Hochschule, die der Theologischen Schule Elberfeld als Abteilung Β angegliedert war, reformierten Grundcharakter besaß, legte sich für Berlin-Dahlem eine stärker lutherische Orientierung nahe. Dozenten des je anderen Bekenntnisses sollten für einzelne wichtige Fächer herangezogen werden. Verschiedentlich wurde Skepsis gegen den Namen „Hochschule" geäußert; so hatte der westfälischen Präses Karl Koch (Bad Oeynhausen), der damals noch Vorsitzender des altpreußischen Bruderrates war, Bedenken. Die Entscheidung fiel am 14. August 1935. Der altpreußische Bruderrat beschloß, eine „Kirchliche Hochschule für reformatorische Theologie" ins Leben zu rufen. Der altpreußische Rat der Bekennenden Kirche wurde beauftragt, „auf Vorschlag des lutherischen und reformierten Ausschusses die Dozenten zu berufen und die finanziellen und sachlichen Vorbereitungen im Westen für eine Stelle in Elberfeld, im Osten für eine Stelle in Berlin-Dahlem zu treffen." 2 1 Die beiden Ausschüsse, der reformierte und der lutherische, tagten am 19. bzw. 21. August und einigten sich auf die Dozenten, die berufen werden sollten. Am 28. August 1935 lag dem altpreußischen Bruderrat die komplette Berufungsliste vor. Die personellen Voraussetzungen für die Kirchliche Hochschule waren also bereits Ende August geschaffen. Auch über die Finanzierung des Unternehmens waren Beschlüsse gefaßt. Die Berufungsurkunden konnten am 2 1 . September 1935 ausgehändigt werden. Pastor Lie. Heinrich Schlier meinte, die neue Hochschule dürfe „ja nicht einfach ein Ersatz der Staatsfakultäten sein, sondern muß sich um ihrer Aufgabe willen in manchem von ihr unterscheiden, andererseits die guten Traditionen verbessernd weiterführen." 2 2 Für Berlin gab es folgende Berufungsvorschläge: Pastor Hans Asmussen für Praktische Theologie und Neues Testament; Lie. Wolfgang Trillhaas für Systematische Theologie, der allerdings die Berufung nicht annahm; an seine Stelle trat Pastor Heinrich Vogel, der 1 9 3 7 auch Leiter der Abteilung Berlin wurde. Missionsdirektor Siegfried Knak erhielt einen Ruf für Missionskunde, Franz Hildebrandt für neueste Kirchenge20. 21. 22.

UA Bonn 3 3 : Fakultätentag. Hartmut Aschermann/Wolfgang Schneider, Studium im Auftrag der Kirche, S. 75. Vgl. Günther van Norden, Die Kirchliche Hochschule in Wuppertal. Ebd. S. 80.

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schichte; Edo Osterloh wurde Repetent für Altes Testament. Für den reformierten Zweig in Berlin waren vorgesehen: Sup. Lie. Martin Albertz (Neues Testament), Lie. Wilhelm Niesei (Systematik), Pastor Joseph Chambon (Geschichte der reformierten Kirche). In Elberfeld sollte für den lutherischen Zweig Heinrich Schlier das Neue Testament vertreten und Stadtpfarrer Heinrich Fausel aus Heimsheim (Württ.) die systematische Theologie. Fausel sagte allerdings schon Mitte September ab, da er als Herausgeber eines Bandes der Calwer Lutherausgabe stark gebunden war. Er empfahl Pfarrer Paul Schempp in Iptingen (Württ.). Da sich Schempps Freistellung durch die württembergische Landeskirche verzögerte, verzichtete auch er auf die Dozentur in Elberfeld. Auch der Alttestamentler Wilhelm Vischer (damals Lugano), der früher in Bethel gelehrt hatte, aber wegen politischer Konflikte dort nach der Schweiz zurückgekehrt war, konnte ebenfalls nicht gewonnen werden. An seiner Stelle wurde der junge Inspektor des Elberfelder Predigerseminars, Lie. Hans Hellbardt, als alttestamentlicher Dozent berufen. Alfred de Quervain und Harmannus Obendiek einigten sich: de Quervain übernahm zunächst ehrenamtlich die reformierte systematische Dozentur in Elberfeld, Obendiek vertrat praktische Theologie. Der ortsansässige reformierte Pfarrer Hermann Klugkist Hesse übernahm die Kirchengeschichte. 23 Der Vorlesungsbeginn an der Kirchlichen Hochschule war für beide Abteilungen der 2. November 1935; das Semesterende wurde für den 2 2 . Februar 1936 angesetzt. Kurz vor der Eröffnung konnte noch das Statut beraten und verabschiedet werden. Die Kirchliche Hochschule, errichtet im Einverständnis auch mit Bruderräten anderer Landeskirchen, verstand sich als „eine Einrichtung der Bekenntnissynode der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union, in deren Rahmen sie ihre Arbeit selbständig tut". Erster Leiter der Gesamthochschule war der Leiter der Abteilung Berlin, Hans Asmussen. Eine personelle Verzahnung mit dem altpreußischen Bruderrat war vorgesehen. In Elberfeld schrieben sich zu Beginn 4 1 Studenten ein; 21 von ihnen kamen aus Bonn. Die meisten von ihnen waren Unterzeichner des Bonner Protestes gegen die Entlassung Barths. Gegen die Hochschulgründung der Bekennenden Kirche blieb allerdings Widerspruch auch seitens bekenntniskirchlicher Universitätstheologen nicht aus. Der Beschluß des altpreußischen Bruderrats vom 1. August 23.

Zu Hermann Klugkist Hesse vgl. jetzt Gottfried Abrath: Subjekt und Milieu im NS-Staat.

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1935, in Wuppertal-Elberfeld und in Berlin je eine Kirchliche Hochschule einzurichten, stieß auf Kritik. Bereits am 10. August 1 9 3 5 haben sich von der Theologischen Fakultät Greifswald Prof. Joachim Jeremias und seine Kollegen Kurt Deißner, Johannes Fichtner, Heinrich Greeven, Rudolf Hermann und Erdmann Schott bestürzt über diesen Beschluß geäußert. Sie baten Prof. von Soden als Vertrauensmann der bekenntniskirchlichen Hochschullehrer, „möglichst umgehend sämtliche der Bekennenden Kirche angehörenden Dozenten der Theologischen Fakultäten Deutschlands zu befragen, ob sie sich unserem scharfen Einspruch gegen den Beschluß anschließen, und das Resultat der Umfrage den zuständigen Stellen der Bekennenden Kirche zuzuleiten". 24 Ihren Protest artikulierte Prof. Jeremias: 2 5 „Wir Greifswalder der Bekenntniskirche angehörenden Kollegen sind durch die Nachricht vom Beschluß des Preußischen Bruderrates, zwei theologische Hochschulen einzurichten, aufs stärkste betroffen. Wir verstehen es nicht und sind empört darüber, daß der Preußische Bruderrat ständig Beschlüsse in Hochschulangelegenheiten faßt, ohne ausreichende vorhergehende Fühlungnahme mit den der Bekenntniskirche angehörenden Dozenten. Was den Beschluß selbst anlangt, so muß er sich nach unserer einhelligen Meinung schlechtweg zerstörend auswirken. Wir halten ihn für den Beginn des Verzichtes auf die Ausbildung der Pfarrer an den Universitäten und auf die Freiheit der theologischen Forschung und sehen in ihm einen Schritt auf dem Wege von der Volkskirche zur Freikirche, ohne daß die zwingende Notwendigkeit dazu gegeben wäre. Ganz abgesehen von den grundsätzlichen Bedenken aber und den Zweifeln, ob die Durchführung des Beschlusses auf die Dauer möglich sein wird, fürchten wir, daß der Beschluß gerade jetzt, wo die Auflösung mehrerer Theologischer Fakultäten erwogen wird, der Entwicklung in verhängnisvoller Weise vorgreift, indem er eine Handhabe für die Begründung der Auflösung gibt." Hintergrund dieser Befürchtungen waren bekanntgewordene ministerielle Erwägungen, die theologische Fakultät Kiel aufzulösen oder auch Ostseefakultäten zusammenzulegen. Ein in der Presse Aufsehen erregendes Interview, das der damalige Leiter der neuheidnisch-völkischen „Deutschen Glaubensbewegung", Prof. Wilhelm Hauer, gege-

24. 25.

Erich Dinkler/Erika Dinkler-von Schubert (Hg.), Theologie, S. 1 6 9 f. (Joachim Jeremis an Hans von Soden, 10. August 1935). Ebd. S. 169.

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ben hatte („Die theologischen Fakultäten müssen verschwinden") 2 6 , g a b zusätzlich aktuellen Anlaß zu den Befürchtungen der Greifswalder Theologen. Zunächst hat Prof. von Soden versucht, die Kritiker zu beschwichtigen: 2 7 Daß der altpreußische Bruderrat in Hochschulangelegenheiten „stärkere, umfassendere und rechtzeitige Fühlung mit Universitätslehrern der B K " nehmen müsse, sei gewiß unverzichtbar. Den N a m e n „Hochschule" hielt auch er für überzogen; es lägen übrigens letzte Beschlüsse noch nicht vor. Die geplanten Hochschulgründungen dürften nicht als Beginn des Verzichtes auf die Ausbildung der Pfarrer an der Universität verstanden werden, sondern würden das Fakultätsstudium, das doch starke Defizite aufweise, nur ergänzen. Außerdem seien die geplanten Ausbildungseinrichtungen auch als Signalwirkung an den Staat wichtig, seine Besetzungspolitik gegenüber den theologischen Fakultäten zu korrigieren. Im übrigen sei die Kirche verpflichtet, den zahlreichen jungen Kollegen ein berufliches Refugium zu bieten. Durch unangebracht zuwartende Zurückhaltung werde nichts erreicht; helfen könne hier nur auch politisch entschlossene Bereitschaft zu jedem denkbaren Angriff. Die Meinung, kirchliche Ausbildungsstätten bedeuteten Verzicht auf freie Forschung, sei angesichts der Beschränkungen, die den Fakultäten auferlegt werde, abwegig. Auch wenn staatliche Hochschulfakultäten eines der Attribute der Volkskirche seien, könne das nicht bedeuten, „ d a ß ihr M o n o p o l auf theologischen Unterricht unter allen Umständen respektiert werden muß, auch wenn sie zur Zerstörung der Volkskirche als Christlicher Kirche eingesetzt w e r d e n . " 2 8 Die Greifswalder Professoren waren durch diese Argumente nicht ganz zufriedengestellt und meinten, der gleiche Zweck könne auch auf dem Weg ergänzender Arbeitsgemeinschaften erreicht werden. Im Kreise jüngerer Kollegen an den Universitäten wurde befürchtet, die Gründung kirchlicher Hochschulen der Bekennenden Kirche könne zu vorzeitiger Preisgabe einer Position führen, zu einem unwiederbringlichen Verlust. Außerdem liege die Gründung ungewollt im Interesse der neuheidnischvölkischen „Deutschen Glaubensbewegung" und verwandter völkischer

26. 27. 28.

Junge Kirche 3 (1935), S. 712-714 (Wortlaut des Interviews von Hauer). Erich Dinkler/Erika Dinkler-von Schubert (Hg.), Theologie, S. 170-176 (Hans von Soden an Joachim Jeremias, 18. August 1935). Ebd. S. 175.

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Zirkel, die lautstark die Abschaffung der theologischen Fakultäten und ihre Uberführung in kirchliche Lehranstalten forderten. 29 Auch andere Theologen an den Universitäten fühlten sich brüskiert. Der Bonner Neutestamentier und Systematiker Prof. Hans Emil Weber, der vom Reichswissenschaftsminister Rust gerade nach Münster quasi strafversetzt worden war, fühlte sich damals von der Bekennenden Kirche faktisch im Stich gelassen: 30 „Die Bekennende Kirche gibt die Fakultäten preis, fällt uns in den Rücken!" Aber Gottes Wort gebiete nicht, die Staatsfakultäten preiszugeben, solange an ihnen noch Bekenntnistheologie getrieben werden könne. Auch Wolfgang Trillhaas, zunächst für die Berliner Abteilung der Kirchlichen Hochschule vorgesehen, distanzierte sich vom Ideal einer dahlemitisch bestimmten Bekenntniskirchlichkeit. Sie wirke sich im Verbot der theologischen Diskussion mit Andersdenkenden aus. Seine damals schwebende, schließlich vereitelte Berufung nach Halle, wo er als Privatdozent vorübergehend die praktische Theologie vertrat, mag dazu beigetragen haben, daß er auf den Ruf an eine bekenntniskirchliche Hochschule verzichtete. 31 Aus dem liberalen Lager hat Prof. Hermann Mulert (Kiel), der sich indes aus politischen Erwägungen noch 1935 veranlaßt sah, um seine Entpflichtung einzukommen, in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Die Christliche Welt" Anfang August 1935 kritisch Stellung zu den Augsburger Hochschulbeschlüssen der Bekennenden Kirche genommen. 32 Sie könnten als Boykott der Universitätstheologie mißverstanden werden. Deshalb begrüßte Mulert ein Dementi aus Kreisen der Bekennenden Kirche Altpreußens, in dem es hieß: die Freiheit des unbefangenen, kritischen Hörens an den Theologischen Fakultäten solle nicht angetastet werden. Als Liberaler an den freien Wettbewerb theologischer Meinungen gewöhnt, mißbilligte Mulert Ersatzlehrveranstaltungen der Bekennenden Kirche. Sie könnten Mißbrauch treiben mit der „Berufung auf das Gewissen" und unberechtigte Angst vor kritischer Theologie erzeugen. Bedenken gegen die „Kirchliche Hochschule für reformatorische Theologie" ergaben sich auch sonst. Der Dortmunder Pfarrer Martin 29. 30. 31. 32.

Ebd. Dok. 17 g, S. 176-178 (Joachim Jeremias an Hans von Soden, 23. August 1935). Zit. bei Kurt Meier, Der evangelische Kirchenkampf, Bd. 1, S. 239. Wolfgang Trillhaas, Aufgehobene Vergangenheit, S. 198. Hermann Mulert, Theologenvorbildung, Reichsbischof und Bekennende Kirche.

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Stallmann protestierte gegen die Kollektenbestimmungen der Bekennenden Kirche zugunsten der Kirchlichen Hochschule. Er wies auf „schwerste Bedenken" gegen die Hochschulgründung hin, „sowohl was die anmaßende Bezeichnung an sich, wie was die Bezeichnung einer theologischen Arbeit als ,reformatorisch' angeht". Es sei schmerzlich genug, daß dieses Unternehmen „durch finanzielle Mittel auf dem Umwege unserer Beiträge unterstützt" werde. 33 Ahnlich wie bei der lutherischen Kritik an der Barmer Theologischen Erklärung und am Dahlemer kirchlichen Notrecht befürchtete er hier eine unzulässige Verwischung lutherischer Lehrunterschiede. 34 Ahnlich hatte auch der bayerische Landesbischof Hans Meiser als Vorsitzender des bekenntniskirchlichen „Rates der EvangelischLutherischen Kirche Deutschlands" an Bischof Marahrens (Hannover) als Vorsitzenden der 1. Vorläufigen Kirchenleitung der DEK geschrieben. 3 5 Es handele sich um eine Hochschule, von der eine „ausgesprochene Unionstheologie" vertreten werden solle. Man befürchtete unliebsame Entwicklungen und beschwerte sich darüber, daß der Lutherrat nicht dazu gehört worden sei. Präses Koch versuchte den Konflikt dadurch zu entschärfen, daß er die Hochschule als „rein altpreußische Angelegenheit" bezeichnete. Auch der bayerische Oberkirchenrat Thomas Breit übte Kritik: der bekenntnismäßig-konfessionelle Charakter der Kirchlichen Hochschule trete nicht eindeutig hervor. Die Lehrgemeinschaft zwischen lutherischen und reformierten Dozenten setze Lehrgemeinschaft einer Kirche voraus, die es so nicht gebe. Offenbar habe man im Blick auf die Hochschulgründung die konfessionellen Lehrunterschiede bereits preisgegeben. Auch der anspruchsvolle Name „Hochschule" wurde aus Sorge vor einem Verbot mißbilligt. Nur mit Mühe war die Zustimmung der 1. Vorläufigen Kirchenleitung zu der vorläufigen Beurlaubung von Pfarrer Paul Schempp (Iptingen) von seinem Pfarr33.

Zit. bei Hartmut Aschermann/Wolfgang Schneider (Hg.), Studium im Auftrag der Kirche, S. 95; vgl. auch Martin Stallmann, Die kirchliche Entwicklung der letzten fünf Jahre. Bericht von P. Martin Stallmann, Westkilver, vor dem Predigerseminar in Dünne (17. März 1938), unveröfftl. Manuskript, 2 0 S. (Kopie).

34.

Kurt Meier, Barmen und die Universitätstheologie. In: Wolf-Dieter Hauschild, Georg Kretschmar, Carsten Nicolaisen (Hg.), Die lutherischen Kirchen und die Bekenntnissynode von Barmen, S. 2 5 1 - 2 7 0 ; vgl. auch die übrigen einschlägigen Beiträge des Bandes. Zum Folgenden Hartmut Aschermann/Wolfgang Schneider: Studium im Auftrag der Kirche, S. 9 5 - 9 7 .

35.

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amt zu erwirken, der indes auf die Übernahme einer Dozentur verzichtete. 36 Noch im Oktober 1 9 3 4 hatte man im Rheinland bekenntniskirchlicherseits gemeint, die Theologische Fakultät in Münster (Westf.) solle „,Bekenntnisfakultät' des kirchlichen Westens" werden. 37 Die Studenten seien deshalb von der Bekennenden Kirche auf die Theologische Fakultät Münster hinzuweisen. Ein solcher Verweis auf theologische Fakultäten mit noch stark bekenntnisgebundener Haltung konnte als Abschwächung der Notwendigkeit kirchlicher Ersatzgründungen verstanden werden. Besonders scharf wandte sich Prof. Ethelbert Stauffer, Neutestamentler an der Bonner Theologischen Fakultät, gegen die Hochschulinitiativen der Bekennenden Kirche. Sein Aufsatz „Theologisches Lehramt in Kirche und Reich - ein Wort zur geschichtlichen Stellung und Aufgabe der Theologischen Fakultäten" erschien als Broschüre in der Reihe „Bonner Reden und Aufsätze" und zeichnete sich durch eine scharfe Kritik an der Bekennenden Kirche aus. 3 8 Stauffer ging dabei zunächst - neutestamentlich und systematisch begründet - auf das notwendige „Vertrauensverhältnis" zwischen Kirche und NS-Staat ein; ebenso entwickelte er stark geschichtstheologisch akzentuiert - sein „theologisches Verständnis der deutschen Sendung". Er machte auch Vorschläge, um den theologischen Studiengang neu zu ordnen. Gegen Hochschulpläne der Bekenntnisfront machte er geltend: „Kirchenseminare in diesem Moment wären Kasematten der Opposition, zwangsläufig." Scharf polemisierte er ohne Namensnennung Barths, der kurz vorher nach seiner Zwangspensionierung Deutschland verlassen hatte, gegen dessen Theologie als „jene undeutsche Modetheologie". Die Ersatzkurse der Bekennenden Kirche liefen nach Stauffers Polemik auf „Bildung theologischer Privatschulen und ganzer Gegenfakultäten" hinaus: „Der Geist dieser Schulen soll und wird allermeist der Geist jenes gläubigen Nihilismus sein, dessen zersetzende Auswirkungen im letzten Jahr auch amtlich und öffentlich bekannt geworden sind." Es würden neue Schulgegensätze aufbrechen, die sich staatspolitisch schädlich auswirken könnten: „Daß solche Kirchenseminarien nicht mehr die Treuhänder der Nation sein können, daß sie nur Mißtrauen stiften können zwischen Staat und Kirche, bedarf keines Wortes". Lapidar hieß es: „Wer auf das Seminar hinarbeitet, ist auf dem Weg zur Sekte. ( . . . ) Wer die Volkskirche will, muß ( . . . ) die Hoch36. 37. 38.

Ebd. S. 9 7 - 1 0 2 . Ebd. S. 1 0 2 f. Bonner Reden und Aufsätze, H. 4. August 1 9 3 5 ; hier zit. nach Hartmut Aschermann/Wolfgang Schneider, Studium im Auftrag der Kirche, S. 91.

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schulfakultät wollen. Der Sieg des Seminars aber wäre der Untergang des evangelischen Pfarrhauses. ( . . . ) Weltfremde, engbrüstige und engstirnige Brüder ( . . . ) würden die kompakte M a j o r i t ä t haben in einem etwa kommenden Kirchenseminar und würden die anderen hinausdrängen, die das Herz noch auf dem rechten Fleck haben." Angesichts der auch von interner Kritik bestimmten Situation mußte es von allen, die an Planung und Aufbau dieser bekenntniskirchlichen Ersatzausbildungsstätten beteiligt waren, als schwerer Schlag empfunden werden, daß die Kirchliche Hochschule in Elberfeld und Berlin-Dahlem bei ihrer Eröffnung sogleich von der Gestapo verboten wurde. 3 9 In Elberfeld konnte die Eröffnung im kleineren Kreis nur insgeheim hinter den verschlossenen Türen der Friedhofskapelle stattfinden. Die Lehrveranstaltungen begannen in der Illegalität am 4. November 1 9 3 5 , einem Montag. Die Theologische Schule Elberfeld bot dabei der Kirchlichen Hochschule ein Refugium. Diese 1 9 2 7 gegründete, 1 9 2 8 eröffnete reformierte „Theologische Schule" mit ihren etwa 2 5 Studenten, die sich auf das Hochschulstudium vorbereiteten, bezeichnete sich künftig als Abteilung A, die neugegründete Kirchliche Hochschule als „Theologische Schule, Abteilung B " . Allerdings hat die Gestapo, inzwischen auf diese Verschleierung aufmerksam geworden, bald reagiert und verbot Mitte Dezember 1 9 3 6 auch die reformierte Theologische Schule selbst. Die Semesterarbeit der Kirchlichen Hochschule wurde daraufhin an wechselnden Orten in Gemeindehäusern und Kirchen illegal fortgesetzt, allerdings erheblich beeinträchtigt und umfangmäßig reduziert. D a ß der NSStaat nicht sofort eingriff, ergab sich auch aus der zuwartenden Haltung, die die „Befriedungsmaßnahmen" des Reichskirchenministers Kerrl seit Herbst 1 9 3 5 nahelegten. Eine Verschärfung des evangelischen Kirchenstreits galt damals als politisch unerwünscht. Auch die bevorstehende Olympiade im Sommer 1 9 3 6 in Berlin hat staatlicherseits eine gewisse Zurückhaltung richtig erscheinen lassen. Seit Anfang November 1 9 3 5 hatte die Kirchliche Hochschule in Elberfeld das Haus der aufgelösten Freimaurer-Loge in der Kasinogartenstraße 7 gemietet. Bevor die handwerkliche Instandsetzung abgeschlossen war, begann der Vorlesungsbetrieb der Kirchlichen Hochschule im Gebäude der Theologischen Schule Elberfeld, Alemannenstraße 4 2 . Dort waren auch die Studenten untergebracht. Das Sommersemester 1 9 3 6 begann in Elberfeld am 2 0 . April, in Berlin-Dahlem bereits Anfang April. Jetzt trat in Elberfeld auch der ehemalige Privatdozent Lie. Peter Brun39.

Zum Folgenden vgl. ebd. S. 1 1 5 ff.

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ner als Dogmatiker in die Arbeit ein; Alfred de Quervain wurde ebenfalls als Dozent hauptamtlich angestellt. Im Wintersemester 1936/37 griff die Gestapo zweimal ein: Am 14. Dezember 1 9 3 6 wurden beide Abteilungen der Theologischen Schule Elberfeld geschlossen. Damit war auch ihre „Abteilung B " , also die Kirchliche Hochschule, Abteilung Elberfeld, vollends in die Illegalität gedrängt. Die 4. altpreußische Bekenntnissynode am 16. Dezember 1 9 3 6 in Breslau beschloß indes, den Lehrbetrieb weiterzuführen. Das Wintersemester wurde im Missionshaus der Rheinischen Mission auf der Hardt weitergeführt und Ende Februar 1 9 3 7 ordnungsgemäß beendet. Unter der Firmierung „Wuppertaler kirchlicher Lehrgang" setzte man die Lehrtätigkeit fort: etwa 60 Studierende hatten sich eingefunden, 2 9 davon waren Neuimmatrikulierte. Bald nach Semesterbeginn legte es sich aus Sicherheitsgründen nahe, die Lehrveranstaltungen zu dezentralisieren. Man traf sich in Gemeindehäusern, auf die die Gestapo indes in aller Regel aufmerksam wurde, während in Kirchengebäuden und Sakristeien abgehaltene Kurse unbehelligt blieben. Die letzten zehn Tage des Sommersemesters 1 9 3 6 konnten auf Einladung der Theologischen Schule in Elberfeld absolviert werden; ihre Schließung Mitte Dezember 1936 ließ auch diese Möglichkeit gastweiser Unterkunft nicht mehr zu. Der Himmler-Erlaß vom Herbst 1937 beendigte die bekenntniskirchliche Ausbildung im bisher möglichen größeren Umfang, obwohl die Arbeit in eingeschränktem Rahmen grundsätzlich weiterging. Gleichsam „illegal im Untergrund" bildeten sich zwei Gruppen in Köln und Essen, weil hier weniger beobachtet als in Wuppertal. Nach Kriegsbeginn versickerte die unter schwersten Bedingungen aufrechterhaltene Ausbildungsarbeit der Bekennenden Kirche. Ob letzte Studenten 1942 noch unterwiesen worden sind, bleibt ungewiß. Einberufungen zum Arbeitsdienst und zur Wehrmacht trugen dazu bei, die Studentenarbeit der Bekennenden Kirche weithin zum Erliegen zu bringen. 40 Auch in Berlin-Dahlem war die Kirchliche Hochschule bei ihrer Eröffnung Anfang November 1 9 3 5 sofort verboten worden. 41 Der Eröff-

40.

Vgl. Darstellung und einschlägige Dokumente bei Hartmut Aschermann/ Wolfgang Schneider, Studium im Auftrag der Kirche.

41.

Zur Kirchlichen Hochschule Berlin vgl. Heinrich Vogel und Günther Harder, Aufgabe und Weg der Kirchlichen Hochschule Berlin 1 9 3 5 - 1 9 5 5 , Berlin 1 9 5 6 ; Heinrich Vogel, Wagnis und Bewährung. In: Zeichen der Zeit. Evang. Monatsschrift für Mitarbeiter der Kirche, Jg. 1 9 5 6 , Sp. 9 5 3 - 9 5 6 ; Kirchliche Hochschule Berlin 1 9 3 5 - 1 9 8 5 . Ein Porträt aus Anlaß der Gründung der

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nungsgottesdienst, der a m 2 . N o v e m b e r in der Christuskirche in D a h lem mit feierlicher Verpflichtung der Dozenten stattfinden sollte, wurde a m Vortage durch die Gestapo verboten. Pfarrer Lie. Niesei wurde auf dem Polizeipräsidium zur Sache vernommen; Pfarrer M a r t i n Niemöller wurde auferlegt, die Kirchentüren verschlossen zu halten. Die sich versammelnde Gemeinde wurde ähnlich wie in Elberfeld auch in D a h l e m auseinandergetrieben. Auch der Sonntagsgottesdienst durfte nicht zur Verpflichtung der Dozenten benutzt, die Gemeinde nicht vom Verbot unterrichtet werden. Die Vorlesungen der Kirchlichen Hochschule konnten in Berlin a m 4 . und 5. N o v e m b e r 1 9 3 5 vor einer „ansehnlichen Z a h l " von Studenten gehalten werden. Der Altfreundeverband der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung ( D C S V ) stellte in seinem H a u s hinter der Friedrich-Werderschen Kirche seinen Saal zur Verfügung. D o r t erschienen a m 6 . N o v e m b e r 1 9 3 5 Beamte der G e s t a p o . Sie erklärten dem Leiter des Kirchlichen Hochschule in Berlin, Pastor H a n s Asmussen: Die Hochschule sei verboten und aufgelöst. Die Arbeit wurde indes in verschiedenen L o k a l e n , so im Studentenkonvikt in der Charitestraße, auch in Pfarrhäusern und R ä u m e n , die von BK-Pfarrern zur Verfügung gestellt wurden, durchgeführt. T r o t z Gestapoverbotes wurde sie offensichtlich ähnlich wie in Elberfeld zunächst toleriert. Die Studentenzahl stieg auf 1 0 0 an. Unter ihnen befanden sich auch solche, die gleichzeitig an der Berliner Universität Theologie studierten. 1 9 3 7 k a m es zu Relegierungen von Theologiestudenten auf Grund des Erlasses des Reichswissenschaftsministers vom 1 7 . N o v e m e r 1 9 3 6 , der den Besuch von Ersatzkursen der Bekennenden Kirche unter Strafe stellte. 4 2 Vollends erschwert und gefährdet wurde die Arbeit nach dem H i m m l e r - E r l a ß vom 2 9 . August 1 9 3 7 , der Ende September 1 9 3 7 in der Presse bekanntgegeben wurde. Dozenten an der Kirchlichen Hochschule in Berlin waren damals: Pastor H a n s Asmussen (bis 1 9 3 7 zugleich Leiter), Sup. M a r t i n Albertz (Berlin-Spandau), Pastor J o s e p h C h a m b o n (Französisch-reformierte Gemeinde Berlin), Lie. Wilhelm Niesei und Pastor Heinrich Vogel (Dobbrik o w ) , der von 1 9 3 7 bis 1 9 4 1 die Kirchliche Hochschule im Verborgenen leitete, sowie Pastor J o h a n n e s W o l f f (Wittbrietzen bei Luckenwalde). Später kamen noch der 1 9 3 3 dienstentlassene Prof. Günther Dehn hinzu Kirchlichen Hochschule vor 5 0 Jahren, Berlin 1 9 8 5 ; Gerhard Besier, Die Gründung der Kirchlichen Hochschule Berlin 1 9 3 5 / 1 9 4 5 und ihre „ V ä t e r " , Berlin 1 9 8 7 ; vgl. K u r t Meier, Kirchenkampf, Bd. 2 , S. 4 1 5 - 4 1 8 . 42.

Vgl. H a r t m u t Ludwig, Theologiestudium in Berlin 1 9 3 7 : Die Relegierung von 2 9 Theologiestudenten von der Berliner Universität.

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wie auch die Pfarrer Lie. Dr. Günther Harder und Helmut Gollwitzer, ebenso Lie. Walter Dreß, dem März 1938 in Berlin die Lehrbefugnis als Privatdozent entzogen worden war. Der vernichtende Schlag folgte im Jahre 1941. In der Woche vom 6. bis 11. Mai 1941 wurden alle Dozenten, soweit sie greifbar waren, verhaftet und saßen bis Dezember 1941 in Untersuchungshaft. Der Prozeß endete am 22. Dezember 1941 mit der Urteilsverkündigung. Die meisten der verhängten Strafen galten durch die längere Untersuchungshaft als verbüßt; Prof. Dehn mußte aber noch ein halbes Jahr, Sup. Martin Albertz ein Jahr im Gefängnis zubringen. 43

b) Die Theologische Schule in Bethel Von den Restriktionsmaßnahmen gegen die Bekennende Kirche wurde schließlich auch die Theologische Schule in Bethel betroffen. Bereits im Herbst 1 9 3 7 fanden Verhandlungen mit staatlichen Stellen über ihr Daseinsrecht statt. Am 2 3 . März 1939 wurde die Theologische Schule durch die Gestapo aufgelöst. Die Staatspolizeistelle Bielefeld begründete den Auflösungsbeschluß so: für die Ausbildung der evangelischen Theologen seien die bestehenden staatlichen Einrichtungen völlig ausreichend; eine Ergänzung durch eine freie kirchliche Organisation werde von den zuständigen Stellen nicht gewünscht. 44

43.

44.

Zum Prüfungsprozeß: Wilhelm Niesei, Kirche unter dem Wort, S. 2 4 5 - 2 5 2 ; Kurzorientierung über das Urteil auch bei Wilhelm Niemöller, Evangelische Kirche im Dritten Reich, S. 2 4 7 f.; vgl. auch Kurt Meier, Kirchenkampf, Bd. 3, S. 6 4 2 . Gerhard Ruhbach (Hrsg.): Kirchliche Hochschule Bethel, S. 199. Der Band enthält Beiträge von Jelle van der Kooi, Theodor Schlatter, Heinrich Bödecker, Robert Frick, Alfred Adam, Gerhard Ruhbach. Vgl. zum Folgenden Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Anstalten ( = H A B A Bethel): Sign. S 1 5 6 (Satzungen 1 9 0 5 , 1 9 2 8 und 1 9 4 8 ) ; 1/C 1 2 7 ; 2 / 3 8 - 1 3 5 ; 2 / 4 1 - 3 9 ; 2 / 4 1 - 4 0 ; 2 / 4 1 - 4 1 ; 2 / 4 1 - 6 3 ; 2 / 4 1 - 6 4 . Im Jahresbericht 1 9 3 7 / 3 8 (2/41-40): Hinweis auf Verhandlungen über Weiterexistenz der Theologischen Schule; vgl. auch 2 / 4 1 - 6 8 : Schreiben Friedrich (Fritz) von Bodelschwinghs an Prof. Adolf Schlatter (Tübingen) vom 2 1 . Januar 1938 berichtet über Gefahren einer Schließung bereits Herbst 1937: „ . . . Die Theologische Schule hat uns große Sorge bereitet. Einmal war sie schon von der Polizei geschlossen, das war kurz vor Beginn des neuen Semesters."

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Sofortiger Einspruch und Verhandlungen, um die Fortführung des Lehrbetriebs doch noch zu erreichen, blieben ergebnislos. Der zuständige Referent im Kirchenministerium erklärte, er habe das Existenzrecht der Theologischen Schule schon seit langem verneint und die Auflösung auf Grund umfassender Berichte über die in Bethel ausgebildeten Theologen empfohlen. 4 5 Der für die Finanzierung wichtige „Freundeskreis der Theologischen Schule" wurde gleichzeitig aufgelöst. Nach den Satzungen übernahm die Zionskirche bzw. die Anstalt Bethel das Vermögen des „Vereins Theologische Schule" sowie des Freundeskreises. Die Theologische Schule in Bethel zählte zum Zeitpunkt ihres Verbotes im März 1939 etwa 130 Studenten. Der Hinweis darauf, die Theologische Schule habe auf Grund der Anstellung ihrer Dozenten als Geistliche der Inneren Mission ihre Grundlage in der Betheler Anstaltsparochie, die als Kirchgemeinde Körperschaft des öffentlichen Rechts sei, verfing angesichts der lediglich vereinsrechtlichen Struktur der Theologischen Schule nicht. Auch das Argument, daß ja vereinbarungsgemäß ein oder zwei Studiensemester in Bethel auf das Theologiestudium angerechnet würden, bot keinen Ansatz für eine durch Pastor Friedrich v. Bodelschwingh, den Leiter der Krankenanstalten Bethel, beim Reichskirchenminister Kerrl erbetene staatliche Revidierung des Auflösungsbeschlusses. 46 Offensichtlich war die Existenz der Theologischen Schule bereits durch den Himmler-Erlaß vom Herbst 1937 gefährdet, der bekenntniskirchliche Ersatzeinrichtungen auf dem Gebiet der Theologenausbildung verbot. Doch bedurfte es offensichtlich erst noch einer längeren Entscheidungsphase, um diese schon traditionsreiche Einrichtung theologischer Ausbildung zu schließen. 47 Die Theologische Schule in Bethel bei Bielefeld ging auf eine Initiative Friedrich von Bodelschwinghs des Alteren (gest. 1910) zurück, den Gründer und langjährigen Leiter der Betheler Krankenanstalten. Nach entsprechenden Versuchen bereits vor der Jahrhundertwende (zunächst 45.

Gerhard Ruhbach, Kirchliche Hochschule Bethel, S. 199 f.: Bericht von Georg Merz v o m 2 8 . März 1 9 3 9 über die Auflösung der Theologischen Schule. Verweis auf „Verhandlungen über Daseinsrecht der Theologischen Schule" bereits Herbst 1 9 3 7 . Vgl. auch HABA, Sign. 2/41-39: Kuratoriumssitzung am 11. April 1939.

46.

Gerhard Ruhbach, Kirchliche Hochschule Bethel, S. 196 f. (Friedrich von Bodelschwingh an Kerrl, 2 5 . März 1939). Georg Merz, Die Erfahrungen der theologischen Schule in Bethel in ihrer Bedeutung für die Neuordnung des theologischen Studiums, Skriptum, o. D. (1945), 10 S. ; (HABA Bethel, Sign. l / C - 1 2 7 ) .

47.

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Kirchliche

Ausbildungsstätten

war an Herford, Gütersloh und Münster als Standort der Theologischen Schule gedacht) hatte der Plan im Jahre 1 9 0 5 verwirklicht werden können. Die Theologische Schule wurde in Bethel bei Bielefeld auf dem Gelände der Bodelschwinghschen Anstalten eröffnet. Sie erhielt den Status eines eingetragenen Vereins. „Vater" Bodelschwingh hatte Bedenken gegen die historisch-kritische Theologie, die damals an den theologischen Fakultäten vor allem in den Bibelwissenschaften einflußreich war. Diese Situation ließ ihm die Gründung einer „freien kirchlichen Fakultät" notwendigerscheinen. Sein Plan, ein Vetorecht der Kirchenbehörden bei der Besetzung theologischer Lehrstühle an den Universitäten zu erwirken, war nicht durchgedrungen. Zunächst als „Praktische theologische Schule" firmiert, hatte man bei der Überarbeitung der Satzungen im Jahre 1 9 2 9 das Wort „praktisch" gestrichen, da es im Blick auf das Profil der Ausbildungsstätte mißverständlich wirkte und die Bedeutung der Theologischen Schule in den Augen der kirchlichen Öffentlichkeit zu mindern schien. Die Theologische Schule in Bethel wollte das Theologiestudium an den Universitäten nicht ersetzen, sondern - biblisch und altsprachlich fundiert - intensiv vorbereiten und ergänzen helfen. Außerhalb des staatlich vorgeschriebenen Trienniums, das für Theologen der Landeskirchen drei Studienjahre an Universitäten vorsah, wurden von den Landeskirchen ein bis zwei Studiensemester in Bethel auf das Theologiestudium angerechnet. Nach dem Tod ihres ersten Leiters Samuel Jäger im Jahre 1927 hatte Sup. i. R. Gottfried Simon, seit 1930 Theodor Schlatter, Sohn des Tübinger Neutestamentiers Adolf Schlatter, die Leitung der Theologischen Schule übernommen. Nachfolger wurde im Frühjahr 1933 Pastor D. Wilhelm Brandt (bis 1936); ihm folgte Pfarrer D. Georg Merz, seit 1 9 3 0 Dozent für praktische Theologie, Kirchen- und Konfessionskunde. Sein Stellvertreter war Pastor Lie. Robert Frick (Kirchengeschichte). Georg Merz, in der Weimarer Zeit Herausgeber der dialektisch-theologischen Zeitschrift „Zwischen den Zeiten", hatte 1931 als Dozent die Nachfolge von Pfarrer Theodor Küßner angetreten, der seit 1 9 2 7 Kirchengeschichte in Bethel lehrte und 1931 als Vorsteher des Diakonissenhauses nach Lotzen (Ostpr.) ging. Das Lehrangebot der Theologischen Schule in Bethel hatte sich in den Anfängen stark auf das gründliche Erlernen der alten Sprachen, vornehmlich auf Hebräisch und andere orientalische Sprachen, konzentriert; seit 1919 erstreckt es sich auch gleichgewichtig auf Griechisch und Latein, von jeher verbunden mit enzyklopädisch-systematisch vorgetragener Bibelkunde. Seit 1 9 2 7 war Kirchengeschichte selbständiges Fach gewor-

Die Theologische

Schule in Bethel

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den; auf Missionskunde wurde dabei großer Wert gelegt. Während der dreißiger Jahre paßte sich das Profil der Theologischen Schule stärker an die akademischen theologischen Diszplinen an; alttestamentliche Studien wurden intensiv betrieben. Die Theologische Schule war damals stark durch den Schweizer Pfarrer Lie. Wilhelm Vischer geprägt, der seit 1928 in Bethel lehrte. Seine konsequent christologische Auslegung des Alten Testaments verstärkte die positiv-bibeltheologischen Tendenzen der Theologischen Schule. Vischer sah sich indes bereits im Frühjahr 1933 dem Affront der NSDAP ausgesetzt, deren Organe es durchsetzten, daß er seine Dozentur aufgeben und Deutschland 1934 verlassen mußte. Obwohl er einer der beliebtesten Dozenten war, vermochte es das Kuratorium und die Leitung der Theologischen Schule in Bethel nicht, ihn wirksam in Schutz zu nehmen. Seine stark auf christozentrische Auslegung des Alten Testaments zielende Lehrweise hatte Anstoß in NS-Parteikreisen erregt und antisemitisch akzentuierten politischen Argwohn gegen ihn erregt. Die von vorgesetzten Dienststellen gesteuerte NS-Studentengruppe in Bethel startete scharfe Angriffe gegen Vischer. Diese Attacken gegen Vischer, die seinen Weggang aus Bethel erzwangen, hatten zu Beginn des Frühjahrssemesters 1933 ihren Anfang genommen. 4 8 Der Betheler Arzt Dr. med. Lohr, zugleich NS-Kreisleiter Bielefeld-Land, hat den Direktor der Theologischen Schule, D. Wilhelm Brandt, aufgefordert, Vischer zu suspendieren, da er sonst Schutzhaft beantragen müsse. Auch der NS-Studentengruppe befahl er, Vischer anzugreifen. Aus Kreisen der damals 218 Studenten in Bethel, von denen etwa zehn Prozent sich in der SA betätigten, wurde gegen Vischer protestiert. Die zuerst geforderte Freistellung von den Morgenandachten, die Vischer hielt, genügte ihnen nicht, wie die Schreiben ihres Obmanns Jürgen Braschke vom 16., 17. und 18. Mai 1933 zeigen, die zugleich ihre Einbindung in die Befehlsstruktur der SA und den damit verbundenen Loyalitätskonflikt zum Ausdruck bringen. Lie. Vischer wurde negative Beeinflussung der Studentenschaft durch seine Auslegung des Alten Testaments in Vorlesungen, Bibelstunden, Andachten und „Offenen Aben48.

Zum Folgenden: Protokoll der Studentenversammlung vom 18. Mai 1933 in Anwesenheit von Bodelschwinghs und der Dozenten der Theologischen Schule einschließlich Lie. Wilhelm Vischers (HABA Bethel, Sign. 2/41-66). Der Konflikt um Vischer in Bethel ist unter Sign. 2/41-66 dokumentiert. Vgl. zum weiteren Verlauf auch Sign. 2/41-40: Sitzung des Geschäftsführenden Ausschusses vom 16. oder 20.(?) Mai 1933, ausgefertigt am 2. August 1933.

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den" vorgeworfen. Die Rede war von „Verquickung des Evangeliums mit jüdisch-bolschewistischen Ideen, die uns von einem Hochschullehrer in der heutigen Zeit grundsätzlich untragbar erscheinen." Ein Aufruf der Studentengruppe vom 18. Mai warf Vischer antinazistische Äußerungen vor, so habe er gesagt, Hitler habe das Aussehen eines „Balkanesen". Mit dieser etwas unbedachten Bemerkung hatte Vischer lediglich die Fadenscheinigkeit rassenideologischer Argumente aufweisen und auf die Absurdität einer Rassereinheit des deutschen Volkes hinweisen wollen. Landrat Dr. Beckhaus hat auf Beschwerde der NSDAP hin die sofortige Beurlaubung Vischers gefordert. Bemühungen, Vischers Beurlaubung aufheben zu lassen, schlugen fehl. Alle Beschwichtigungsversuche nützten nichts; auch der Bruder Martin Niemöllers, der BK-Pfarrer Wilhelm Niemöller (Jakobuskirche Bielefeld), damals noch den Deutschen Christen zugehörig und selbst Parteimitglied, trat erfolglos für Vischer ein. In Bethel selbst gab es Bedenken, ein unbeirrtes Festhalten an Vischer als Dozenten könne die Theologische Schule belasten oder gar ihre Existenz gefährden. Noch am 30. Dezember 1933 war keine Entscheidung der Behörde ergangen. Verhandlungen, die Pastor Friedrich v. Bodelschwingh und Prof. Wilhelm Lütgert (Berlin), der dem Kuratorium der Theologischen Schule angehörte, mit Ministerialdirektor August Jäger am 11. April 1934 im preußischen Kultusministerium führten, ergaben, „daß mit Rücksicht auf die allgemeine Lage eine weitere Lehrtätigkeit von Lie. Vischer an der Theologischen Schule in Bethel nicht für wünschenswert gehalten wird". Lie. Wilhelm Vischer, der im Herbst 1933 - ohne Vorlesungen zu halten - noch an der Ausarbeitung des „Betheler Bekenntnisses" (Abschnitt „Die Kirche und die Juden") beteiligt war, verließ Frühjahr 1934 Bethel endgültig. Vischers Abschiedsgesuch ist vom 19. Mai 1934 datiert. Auf die alttestamentliche Dozentur wurde als Nachfolger Vischers 1934 Lie. Volkmar Herntrich berufen, dem die Lehrbefugnis an der Universität Kiel entzogen worden war. Für die politische Haltung der Betheler Anstalten und damit auch für die Theologische Schule war in den Jahren vor 1933 der Grundsatz strenger parteipolitischer Neutralität verbindlich gewesen. Der Leiter der Betheler Anstalten Pastor Friedrich von Bodelschwingh, Sohn des gleichnamigen Gründers von Bethel, hatte sich zwar selbst vor 1933 dem Christlich-Sozialen Volksdienst verbunden gewußt, ohne doch in ihm aktiv hervorzutreten. 1 9 3 2 hatte es noch Auseinandersetzungen mit dem Sprachlektor Flume gegeben, der über Gebühr als Redner bei NS-Veranstaltungen unterwegs war. Ein beträchtlicher Teil der Betheler

Die Theologische Schule in Bethel

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Theologiestudenten wußte sich in der politischen Atmosphäre des Jahres 1 9 3 3 indes vom Geist des „nationalen A u f b r u c h s " erfaßt. Die Leitung der Theologischen Schule hat versucht, diesem Umschwung des J a h r e s 1 9 3 3 auch organisatorisch R e c h n u n g zu tragen. Das Sitzungsprotokoll vom 1 8 . September 1 9 3 3 verweist auf einen zustimmenden Beschluß, auf Grund der veränderten politischen Lage die Studentenheime unter sinngemäßer Anwendung des Führergedankens nach dem Vorbild der Kameradschaftshäuser umzugestalten. Der Wehrsport sollte der Führung der SA unterstellt werden, der zahlreiche Studenten in Bethel angehörten. Bereits a m 2 . August 1 9 3 3 war der Anschluß der Betheler Theologiestudierenden an die jetzt gleichgeschaltete „Deutsche Studentenschaft" vollzogen worden. Der deutschchristliche Pfarrer Bruno Adler aus Weslarn wurde unter der Voraussetzung, daß er demnächst zum Provinzialbischof von Westfalen ernannt werde, ins Kuratorium der Theologischen Schule gewählt. Die Kooptierung Adlers, der tatsächlich zum westfälischen Provinzialbischof avancierte, blieb wegen des ausbrechenden Kirchenstreits allerdings wirkungslos. Für die damalige Situation war bedeutsam, d a ß im politischen Kontext nach 1 9 3 3 die T h e o l o g i s c h e Schule in Bethel ein Refugium für einige der Bekennenden Kirche nahestehende und darum in ihrer akademischen L a u f b a h n behinderte Privatdozenten bot. Was die M o d a l i t ä t e n der Berufungsverhandlungen betrifft, so ergab sich folgendes Bild: D e r zurückhaltend bekenntniskirchlich orientierte schlesische

Provinzialbi-

schof O t t o Z ä n k e r (Breslau) hatte Pfarrer Dr. Gerhard Gloege (Predigerseminar Naumburg/Queis) empfohlen, der wegen eines Konfliktes mit der altpreußischen Kirchenbehörde wenig Aussicht auf eine Universitätskarriere hatte. Prof. Julius Schniewind (Halle, früher Königsberg), ebenfalls bekenntniskirchlich engagiert, schlug auf Anfrage aus Bethel am 1 8 . August 1 9 3 6 für die neutestamentliche Dozentur der Theologischen Schule in Bethel vor: neben Lie. G ü n t h e r B o r n k a m m ( 1 9 3 7 nach Bethel berufen) auch Lie. Heinrich Schlier (seit 1 9 3 0 Privatdozent in M a r b u r g ; 1 9 3 5 an der illegalen Kirchlichen Hochschule Elberfeld), Pastor Lie. Gottfried Fitzer aus Schlesien wie auch Lie. H e r m a n n Schlingensiepen (Auslandsseminar Ilsenburg), Lie. Werner Förster (Münster) sowie auch Lie. T h e o dor Brandt (Reinoldikirche D o r t m u n d , früher Leipzig). Im Gutachten Schniewinds hieß es, es sei auch an Dr. theol. H a n s von C a m p e n h a u s e n , D r . Heinz-Dietrich Wendland und Lie. Karl Heinrich Rengstorf zu denken; doch sei von den letzteren drei zu hoffen, sie würden noch in das längst verdiente Ordinariat an einer Theologischen Fakultät einrücken k ö n n e n , also universitätstheologisch präsent bleiben. Für eine Berufung

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Ausbildungsstätten

Rengstorfs votierte auf Anfrage aus Bethel auch Prof. Adolf Schlatter in Tübingen. Anfang Januar 1935 war von Prof. Ernst Lohmeyer (Breslau) über Präses Karl Koch (Bad Oeynhausen) Lie. Werner Schmauch (Großweigelsdorf/Schles.) empfohlen worden. Wegen der damals vorrangigen Berufung eines Systematikers (1935 wurde Edmund Schlink nach Bethel berufen) hat man von einer Berufung eines Neutestamentier und damit Schmauchs abgesehen. Vertretungsweise hat Wilhelm Brandt, Direktor der Theologischen Schule, der auch Geschichte der Inneren Mission lehrte, noch weiteren neutestamentlichen Unterricht übernommen. Während der Privatdozent und Studentenpfarrer Lie. Otto Michel (Halle) und Pfarrer Lie. Ernst Käsemann in Gelsenkirchen, der indes theologisch als „wenig passend" für Bethel galt, nicht berücksichtigt wurden, traf die Wahl 1 9 3 7 Lie. Günther Bornkamm, mit dem schon 1935 Fühlung genommen worden war. In Bethel war man weniger geneigt, Scheinberufungen, die nur die Karriere des Betreffenden an der Universität stimulieren sollten, auszusprechen. Die Wiederbesetzung der nach dem Ausscheiden des Dozenten Lie. Theodor Schlatter Februar 1 9 3 4 vakanten neutestamentlichen Dozentur war zugunsten der alttestamentlichen Dozentur zurückstellt worden, auf die Herbst 1 9 3 4 Lie. Volkmar Herntrich aus Kiel berufen wurde. Lie. Günther Bornkamm folgte dem Ruf an die Theologische Schule in Bethel 1 9 3 7 als Dozent für Neues Testament. 4 9 Die Besetzungsverhandlungen brachten damals folgendes Resultat: In Nachfolge Wilhelm Vischers lehrte von Herbst 1934 bis 1939 in Bethel der Privatdozent Lie. Volkmar Herntrich, dem an der Universität Kiel die Lehrbefugnis entzogen worden war. Der Marburger Privatdozent Lie. Dr. Edmund Schlink wurde 1 9 3 5 zum Dozenten für systematische Theologie berufen. Auch Privatdozent Lie. Günther Bornkamm, der jüngere Bruder des zunächst in Gießen, seit 1935 in Leipzig lehrenden Kirchenhistorikers Prof. Heinrich Bornkamm, fand 1 9 3 7 eine Anstellung als Neutestamentler in Bethel. Günther Bornkamm war seit 1934 Privatdozent in Königsberg (Ostpr.), seit 1 9 3 6 in Heidelberg. Doch waren ihm damals wegen seiner bekenntniskirchlichen Einstellung Berufungschancen an einer Universität verbaut. Mit Lie. Hans-Joachim Iwand, langjährig Privatdozent an der Theologischen Fakultät Königsberg, von dort 1934 als Professor ans Her49.

Berufungsaktivitäten des Kuratoriums der Theologischen Schule in Bethel (HABA Bethel, Sign. 2 / 4 1 - 6 3 : Korrespondenz zu den berufenen Dozenten V. Herntrich, G. Bornkamm und E. Schlink).

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Die Theologische Schule in Bethel

derinstitut nach Riga abgeschoben, wurden seitens der Theologischen Schule in Bethel Berufungsverhandlungen geführt. Sie gelangten indes nicht zum Ziel. Neben kirchenpolitischen Bedenken schien vor allem die Tatsache hinderlich, d a ß Iwands Frau nach den Nürnberger Rassegesetzen nicht als „vollarisch" galt. Aktuelle Anfeindungen

„nichtarischer"

Studenten in Bethel durch die N S D A P hatten befürchten lassen, eine Berufung Iwands als Dozent k ö n n e neue Angriffe gegen die Theologische Schule heraufbeschwören. Iwand wurde daraufhin 1 9 3 5 D i r e k t o r des ostpreußischen Predigerseminars in Bloestau und übernahm 1 9 3 7 eine Pfarrstelle in D o r t m u n d . 5 0 Seit 1 9 3 4 wirkte auch O t t o Schmitz als D o zent für Neues Testament in Bethel. Er war als Professor in M ü n s t e r zwangsentpflichtet worden, ging aber bereits 1 9 3 8 als Direktor an die Predigerschule „ J o h a n n e u m " nach Wuppertal. Für den politischen Kurs der Theologischen Schule war während der N S - Z e i t die vorsichtig bekenntniskirchliche Haltung von Pastor Friedrich von Bodelschwingh ( 1 8 7 7 - 1 9 4 6 ) , Sohn des 1 9 1 0 verstorbenen gleichnamigen Gründers von Bethel, bestimmend. Als designierter Reichsbis c h o f war er auf politischen D r u c k hin Juni 1 9 3 3 von seiner Kandidatur zurückgetreten, zumal eine nachhaltige und geschlossene Unterstützung durch alle Kirchenführer fehlte. Bei aller Aufgeschlossenheit gegenüber der Barmer Theologischen Erklärung blieb er gegen die D a h l e m e r N o t rechtsbeschlüsse vom O k t o b e r 1 9 3 4 distanziert. Abgeneigt gegen die mit dem D a h l e m e r kirchlichen N o t r e c h t der Bekennenden Kirche vollzogene Abgrenzung im volkskirchlichen Bereich, steuerte v. Bodelschwingh auch im Interesse seiner Betheler Krankenanstalten einen

kirchenbewußten

Kurs, ohne sich einseitig an radikale Bekenntnisgruppierungen zu binden. Bodelschwinghs kirchenpolitisches Engagement vollzog sich auf der Ebene der von ihm O k t o b e r 1 9 3 4 zusammen mit Pastor Siegfried von Lüttichau (Kaiserswerth) und Pastor Siegfried K n a k (Berlin) begründeten „Arbeitsgemeinschaft der missionarischen und diakonischen Werke und V e r b ä n d e " . 5 1 Organisatorisch schloß sich diese Arbeitsgemeinschaft der Bekennenden Kirche nicht an, verfocht vielmehr im Interesse der 50. 51.

Vgl. zu Iwand, HABA Bethel, Sign. 2 / 4 1 - 6 3 . Vgl Robert Frick, Meine Bethel-Jahre 1 9 3 1 - 1 9 4 9 , in: G. Ruhbach, Kirchliche Hochschule Bethel, S. 100 f.: Pastor Friedrich von Bodelschwingh, „entschiedener Bekenner der Theologischen Erklärung von Barmen" (S. 100), war reserviert gegenüber dem Exklusivitätsanspruch des Dahlemer Bekenntnisnotrechts. Vgl. Jochen-Christoph Kaiser: Die Arbeitsgemeinschaft der diakonischen und missionarischen Werke und Verbände 1934/35, in: Jahrbuch für westfälische Kirchengeschichte 80 (1987), S. 1 9 7 - 2 0 5 .

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Ausbildungsstätten

Anstaltsdiakonie und anderer kirchlicher Verbände einen stärker volkskirchlichen Kurs. Der frühere Greifswalder Privatdozent Lie. Hans Wilhelm Schmidt, der seit 1 9 2 7 Systematische Theologie und Neues Testament in Bethel lehrte, erhielt 1934 einen Ruf an die Evangelisch-Theologische Fakultät in Münster und wurde von dort 1935 an die damals deutschchristlich umstrukturierte Theologische Fakultät in Bonn versetzt. Die für damalige Verhältnisse singuläre Berufung eines Dozenten der Theologischen Schule an eine Universität mag dadurch erleichtert worden sein, daß er dem Dritten Reich damals besonders aufgeschlossen gegenüberstand. Hans Wilhelm Schmidt war dem bekenntniskirchlichen Kurs nicht gefolgt. Erst nach seiner Wegberufung nach Münster im Herbst 1934 habe das Dozentenkollegium der Theologischen Schule „in dem gegenwärtigen Ringen um eine Neugestaltung der Kirche in engster Verbundenheit mit Bethel an der Seite der bekennenden Gemeinde" gestanden, hieß es in einem zeitgenössischen Bericht im Januar-Heft 1936 der Zeitschrift „BethE l ' V 2 verfaßt von Lie. Robert Frick. In der Selbstdarstellung der Theologischen Schule Bethel aus dem Jahre 1 9 8 0 schreibt Robert Frick dazu: 53 „Am beginnenden Kirchenkampf fand die Dozentenschaft fast geschlossen ihren Platz in der Bekennenden Kirche und im Pfarrernotbund. Nur unser Systematiker Hans Wilhelm Schmidt wurde von dem nationalsozialistischen Rausch erfaßt, und wir atmeten erleichtert auf, als er 1934 einer Berufung nach Münster folgte. Dafür bekamen wir in der Folgezeit Verstärkung durch Privatdozenten, die an den staatlichen Fakultäten als Glieder der Bekennenden Kirche keine Aussicht mehr hatten - zum Wintersemester 1934/35 kam Edmund Schlink, zum Sommersemester 1935 Volkmar Herntrich und 1 9 3 7 Günther Bornkamm. Sie halfen mit, anfänglichen Tendenzen zur Anpassung an das neue Regime zu wehren und so wurde die Theologische Schule neben Wuppertal und Berlin zur theologischen Lehr- und Ausbildungsstätte der Bekennenden Kirche." Diese Zuordnung der Theologischen Schule Bethel zu den Herbst 1935 bei ihrer Gründung sogleich in die Illegalität gedrängten bekenntniskirchlichen Ausbildungsstätten (Kirchliche Hochschule in Berlin und Wuppertal-Elberfeld) zeigt sich in der Berufung bekenntniskirchlich ori52. 53.

Vgl. Gerhard Ruhbach, Kirchliche Hochschule Bethel, S. 184. Robert Frick, Meine Bethel-Jahre 1 9 3 2 - 1 9 4 9 , in: Gerhard Ruhbach, Kirchliche Hochschule Bethel, S. 9 8 - 1 1 0 ; Zit.: S. 99. Schlinks Berufungstermin ist mit dem Herntrichs verwechselt!

Die Theologische Schule in Bethel

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entierter Dozenten. Sie prägten den Kurs in den folgenden Semestern der Theologischen Schule bis zu ihrer Schließung 1 9 3 9 mit. Seit dem Wintersemester 1 9 3 4 / 3 5 ging den Studenten des neuen Semesters regelmäßig ein Brief der Leitung der Theologischen Schule zu. Darin wurden sie auf die Stellung des Dozentenkollegiums zu den kirchenpolitischen Fragen hingewiesen. Von den Studenten wurde „die Bejahung der mit der Haltung der Theologischen Schule gegebenen Ordnung" erwartet. Neben Vorträgen aus der Bethel-Arbeit, die seit jeher die Vorlesungen ergänzten, wurden Ausspracheabende eingerichtet, die der Berichterstattung über die kirchliche Lage und darüber hinaus der grundsätzlichen Besinnung auf Fragen des Bekenntnisses und der gegenwärtigen Verkündigung dienten. Außer den Dozenten Georg Merz, Volkmar Herntrich und Edmund Schlink sprachen in der Reihe dieser Abende zu den Studenten u. a. auch Pastor Martin Stallmann (Dortmund) über „Wahre und falsche U n i o n " und Pastor Hans Asmussen (Altona) über die gegenwärtige Lage der Bekennenden Kirche. Die Tatsache, daß Edmund Schlink als Nachfolger Hans Wilhelm Schmidts in der systematischen Dozentur der Theologischen Schule aus der kirchenpolitisch zerstrittenen Landeskirche Nassau-Hessen, Herntrich aus der deutschchristlich geleiteten Hamburger Kirche kam, wobei sie auch weiterhin mit den Bekenntniskräften ihrer Landeskirchen Kontakt hielten, ließ die Probleme des evangelischen Kirchenkampfes in Bethel durchaus präsent bleiben. Nach dem zeitgenössischen Eigenbericht über die Arbeit der theologischen Schule Bethel von Lie. Robert Frick im Januarheft 1 9 3 6 der Zeitschrift „Beth-El" sollte die Belastung der kirchlichen Auseinandersetzungen im deutschen Protestantismus jener Jahre den Studenten in Bethel freilich nicht den Blick trüben und die Freudigkeit lähmen „für den Dienst in der völkischen Bewegung". So bemühten sich die Studenten darum, „ihr J a zum Nationalsozialismus in theologischer Wahrhaftigkeit sprechen zu k ö n n e n " . Die Führer der Betheler Studentenschaft stünden bewußt innerhalb des NS-Studentenbundes im Kampf für eine bewußt christliche, bekennntnismäßig gebundene Stellung gegen die antichristlichen Strömungen. Teilweise bereits durch Arbeitsund Wehrdienst hindurchgegangen, stünden sie in der völkischen Solidarität, wüßten jedoch auch um die verbreitete Kirchenfremdheit des deutschen Volkes. Insofern sähen sie sich als künftige Pastoren in eine Entscheidungs- und Kampfsituation hineingestellt. Seitdem Lie. Hans Wilhelm Schmidt, dessen abweichende kirchenpolitische Haltung man bedauerte, Herbst 1 9 3 4 einem Ruf als Professor für Systematik nach

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Ausbildungsstätten

Münster gefolgt sei, stehe das Dozentenkollegium „in Einmütigkeit bei der Bekennenden Kirche". 5 4 Im Zweiten Weltkrieg wußten sich die ehemaligen Dozenten der 1 9 3 9 aufgelösten Theologischen Schule der „Aktion Wurm", also dem „Kirchlichen Einigungswerk" verbunden. 55 Beim Jahresfest der Anstalt Bethel im Juni 1 9 4 4 kamen sie überein, die Erfahrungen ihrer Dozententätigkeit in Bethel den ihnen nahestehenden Vertretern von Kirchenbehörden und theologischen Fakultäten vorzulegen. Versuche eines weiteren Austausches scheiterten indes an zunehmenden Verkehrsschwierigkeiten der letzten Kriegszeit. Der Leiter der Theologischen Schule Bethel, Georg Merz, blieb nach Schließung der Schule im Jahre 1 9 3 9 vorerst noch als Geistlicher in Bethel, kehrte aber 1 9 4 2 als Dekan des Kirchenkreises Würzburg wieder in seine bayerische Landeskirche zurück. Er hat nach Kriegsende seine „Erfahrungen der theol. Schule in Bethel in ihrer Bedeutung für die Neuordnung des theologischen Studiums" vorgelegt. Darin wurde die Geschichte der Theologischen Schule von ihrem Planungsstudium um die Jahrhundertwende an bis zu ihrer Auflösung durch die Gestapo im Jahre 1 9 3 9 skizziert. Merz meinte: Wäre die Theologische Schule 1905 bereits als organischer Bestandteil der Gemeinde Bethel oder der westfälischen Landeskirche, also nicht lediglich als eingetragener Verein konstituiert worden, hätte dies ihre polizeiliche Auflösung erschwert oder ganz verhindern können. Die Erfahrung lehre auch, daß sich die Kirche unmittelbar für das theologische Studium verantwortlich fühlen müsse. Ahnlich wie die Kirche Predigerseminare unterhalte, sei es wichtig, auch Seminare für die Vorbildung ihrer Pfarrer zu errichten. Hervorgehoben wurde auch die in Bethel mögliche Lebensgemeinschaft der Studenten im Rahmen der Lebensform der Betheler Anstalten. Unter Samuel Jägers Leitung von 1905 bis 1 9 2 7 habe sich die Theologische Schule stärker als Bibelschule verstanden, wobei die Bibelkunde als systematisch-praktische Einführung in das Verständnis der biblischen Grundbegriffe aufgefaßt wurde. Allmählich machte sich die Theologische Schule in Bethel den ganzen Umfang der auf der Universität geübten Studien zu eigen. In allen theologischen Disziplinen wurden zusammenhängende Vorlesungen gehalten. Bald nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges begannen Verhandlungen mit der britischen Besatzungsbehörde, die der Wiedereröffnung der 54. 55.

Zit. nach Vgl. zum Bethel in Skriptum

Junge Kirche 4 (1936), S. 2 3 0 f. Folgenden Georg Merz, Erfahrungen der Theologischen Schule in ihrer Bedeutung für die Neuordnung des theologischen Studiums, (HABA Bethel, Sign. 1 O l 2 7 ) .

Die Theologische

Schule in Bethel

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Theologischen Schule in Bethel dienten. Zunächst wurde die Löschung im Vereinsregister rückgängig gemacht. Pastor Friedrich v. Bodelschwingh versuchte noch kurz vor seinem Tod - er starb am 4. Januar 1946 durch enge Fühlungnahme mit der neuen westfälischen Kirchenleitung zu erreichen, daß die Theologische Schule „ganz anders als früher in den kirchlichen Rahmen eingegliedert" würde. 56 Die Theologische Schule hat bereits im Oktober 1 9 4 5 ihren Lehrbetrieb wieder beginnen können. Seit dem 23. Juli 1 9 4 5 begannen in Bethel Arbeitsgemeinschaften für heimgekehrte Theologen mit begrenzter Teilnehmerzahl (ca. 12 bis 2 0 Teilnehmer). 5 7 Im Jahre 1 9 4 9 hat das Kuratorium die alten Vereinssatzungen aufgehoben und die Zionsgemeinde Bethel zum Träger der Theologischen Schule gemacht. Seit 1 9 4 5 wurden die Dozenten zu Professoren und Lehrstuhlinhabern, seit 1 9 6 7 trat hinter den Namen „Theologische Schule Bethel" der Klammerzusatz „Kirchliche Hochschule". Mit Inkrafttreten der neuen Satzung von 1 9 7 0 ist der Name „Kirchliche Hochschule Bethel" zur alleinigen Bezeichnung geworden; das Promotionsund Habilitationsrecht wurde ihr 1979 verliehen. Bezeichnend für die Nachkriegsentwicklung war auch, daß zwei weitere Kirchliche Hochschulen ins Leben traten: Neuendettelsau 1 9 4 7 und Hamburg 1949. Die Kirchliche Hochschule Hamburg ging vom Wintersemester 1954/55 an als Theologische Fakultät in die Universität Hamburg über. Neben der im Wintersemester 1945/46 wiedereröffneten Kirchlichen Hochschule Berlin und der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal-Barmen (zwei Gründungen der Bekennenden Kirche im Jahre 1935) und der 1945 wiedereröffneten Theologischen Schule in Bethel, die allmählich zur Kirchlichen Hochschule ausgebaut wurde, ist das Nachkriegsspektrum der kirchlichen Theologenausbildung also durch die Neugründungen von Neuendettelau (seit 1947) und Hamburg (19491954) bereichert worden, wobei die letztere 1954 - wie gesagt - den Status einer Universitätsfakultät erhielt. 58

56.

Gerhard Ruhbach, Kirchliche Hochschule Bethel, S. 2 0 0 - 2 0 9 ; vgl. auch Schreiben Friedrich von Bodelschwinghs an Georg Merz vom 2 7 . Juli 1 9 4 5 (HABA Bethel, Sign. l / C - 1 2 7 ) : „Bei den Engländern ist sie als kirchliche Hochschule' angemeldet und genehmigt. Schon jetzt ist klar, daß jede Zurückberufung alter Mitarbeiter und jede Neuberufung nur im Einvernehmen mit der Kirchenleitung erfolgen kann."

57.

HABA Bethel, Sign. l / C - 1 2 7 (Friedrich v. Bodelschwingh an Georg Merz, 13. Juli 1945). Vgl. Rainer Heering, Theologische Wissenschaft und „Drittes Reich".

58.

10. Fachschaftsarbeit und studentisches Korporationswesen

a) Die theologischen Fachschaften vor 1933 Ahnlich wie an anderen Fakultäten gab es auch für Studierende der evangelischen Theologie Zusammenschlüsse auf Fachschaftsbasis. Die auf föderale Zusammenführung des landeskirchlichen Protestantismus zielende Einigungsbewegung, die im Jahre 1922 zum „Deutschen Evangelischen Kirchenbund" führte, hatte auch Impulse eines engeren Zusammenschlusses unter den deutschen evangelischen Theologiestudierenden ausgelöst. Ein 1. Vertretertag theologischer Fachschaften 1920 in Gießen beschloß die später nur noch wenig veränderte Satzung und Geschäftsordnung der Organisation, die in den folgenden Jahren der Weimarer Republik als „Deutsche Evangelische Theologenschaft" ihre Vertretertage abhielt und die Arbeit der theologischen Fachschaften und Theologenschaften an den evangelisch-theologischen Fakultäten zu koordinieren versuchte.1 Der Vertiefung und Weiterführung der Fachschaftsbewegung hatte der 2. ordentliche Vertretertag am 1. und 2. August 1922 in Jena gedient. Außer Heidelberg und Kiel, die die Teilnahme abgelehnt hatten, waren alle Fachschaften der 17 evangelisch-theologischen Fakultäten Deutschlands vertreten, ebenso Vertreter der Wiener Theologenschaft, deren theologische Fakultät damals gerade in den Verband der Universität Wien aufgenommen wurde.2 Anfang der dreißiger Jahre bot sich ein Bild unterschiedlicher Organisationsstruktur: „Theologische Fachschaften" bei den außerpreußischen Universitäten, „(Freie Evangelische) Theologenschaften" an allen preußischen Fakultäten. Letzteres hing damit zusammen, daß in Preußen die Studentenschaften (Fachschaften) im Wintersemester 1927/28 die staatliche Anerkennung verloren hatten, vor allem weil die „Deutsche Stu1.

2.

W . Goebel, Bericht vom 1. Vertretertag in Gießen. In: Kartellzeitung 3 0 ( 1 9 2 0 ) , Okt.-Nr.; W . Pabst, Zur Theologenschaftsbewegung. In: Ebd. 31 ( 1 9 2 1 ) , Okt.-Nr.; Heinz Dungs, Ende oder Anfang? Ein Wort zur Krise der Studentenschaftsbewegung. In: Ebd. 31 ( 1 9 2 1 ) , Dez.-Nr. Otto Trapp, Vertretertag der Theologenschaften Deutschlands und Deutschösterreichs. In: Theologische Blätter 1 ( 1 9 2 2 ) , Sp. 2 0 2 - 2 0 6 .

Die theologischen

Fachschaften

vor

1933

223

dentenschaft" als übergreifender Verband den großdeutschen Gedanken vertrat und Koalitionen „mit der Studentenschaft Deutschösterreichs, Sudetendeutschlands und Danzigs" einging, was in Preußen im Blick auch auf die sensible deutsche Erfüllungspolitik gegenüber dem Versailler Friedensvertrag von 1 9 1 9 als politisch störend empfunden wurde. Spannungen zwischen der „Deutschen Studentenschaft" und der preußischen Ministerialbürokratie waren auch 1 9 3 0 noch nicht ausgeräumt. 3 Erst nach der Machtübernahme Hitlers wurde im Gesetz über die Bildung von Studentenschaften an den wissenschaftlichen Hochschulen vom 2 2 . April 1 9 3 3 ihre staatliche Anerkennung verfügt. 4 Ihre neue Verfassung enthielt dem Zuge der Zeit entsprechend das Führerprinzip. Während der Zeit der Weimarer Republik war es übrigens auch außerhalb Preußens gelegentlich zu Konflikten der stark nationalistisch orientierten „Deutschen Studentenschaft" mit Kultusverwaltungen republikanischer Länderregierungen gekommen. So hat der badische Kultusminister Remmele 1 9 3 1 die Deutsche Studentenschaft an der Universität Heidelberg wegen satzungswidriger Ausschaltung von Minderheiten aus allen Amtern und einseitig politischer Betätigung erst nach Vorlage einer neuen Satzung wieder zugelassen. Schon früher hatte es Auseinandersetzungen über das Staatsbürger- oder Volksbürgerprinzip in der Deutschen Studentenschaft gegeben. Ihre 1 9 2 5 durch den badischen Kultusminister Hellpach gebilligte Verfassung sah vor, daß auch Deutschösterreicher und Österreicher deutscher Sprache aufgenommen werden konnten. 5 Die „Deutsche Studentenschaft", 1 9 1 9 als Organisation der studentischen Selbstverwaltung gegründet, umfaßte die auf jährlichen AstaWahlen gewählten „Allgemeinen Studentenausschüsse" (Astas) aller deutschen und österreichischen Hochschulen. Der „Allgemeine Studentenausschuß" (Asta) der jeweiligen Universität stützte sich auf die vaterländisch-nationalen und anderweitig politisch ausgerichteten Studentenvereinigungen, auf studentische Korporationen und freie Hochschulverbände, die ihre gewählten Vertreter in den Asta entsandten. Die starke Rechtslastigkeit der „Deutschen Studentenschaft" während der Weimarer Zeit konnte auch von der propagierten parteipolitischen Abstinenz nicht verdeckt werden. Die Parole der „Uberparteilichkeit" diente dem 3.

Hans Merten, Die Deutsche Studentenschaft. In: Wingolfs-Blätter 5 9 ( 1 9 3 0 ) ,

4.

RGBl I ( 1 9 3 5 ) , S. 2 1 5 . Vgl. auch Preußische Studentenrechtsverordnung

5.

Eike Wolgast: Das Zwanzigste Jahrhundert, in: Semper Apertus, Bd. 3, S. 6 f.

Folge 4 , Sp. 1 3 6 - 1 4 1 . vom 12. April 1 9 3 3 (Kalischer, Unterricht, Nr. 1 4 0 , S. 2 2 1 - 2 2 4 ) .

224

Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

Zusammenhalt unterschiedlicher Richtungen in der Studentenschaft und war vielfach gleichzeitig durch innere Distanz zum Parteienstaat der Weimarer Republik bestimmt. Der betont großdeutsche Gedanke der „Deutschen Studentenschaft" wies in eine betont nationalistische Richtung. Was die fachschaftliche Organisationen der Studierenden an den theologischen Fakultäten betrifft, so trugen sie an den nichtpreußischen Universitäten zumeist den Namen „(Evangelisch-)Theologische Fachschaft", während sie in Preußen vorwiegend als „Evangelische Theologenschaft" bezeichnet wurden. Sie besaßen in der „Deutschen Evangelischen Theologenschaft" einen übergreifenden Fachverband, der sich als der freiwillige Zusammenschluß der „Freien Theologenschaften" und der „Theologischen Fachschaften" verstand, in den auch die Fachschaften der Theologischen Schule in Bethel bei Bielefeld und des Seminars der Herrnhuter Brüdergemeinde aufgenommen waren. 6 Die außerpreußischen Fachschaften hatten innerhalb der „Theologischen Fachgruppe" der „Deutschen Studentenschaft" eine Vertretung, während für die „(Freien) Theologenschaften" an den evangelischtheologischen Fakultäten der preußischen Universitäten bis zur Gründung des Gesamtverbandes „Deutsche Evangelische Theologenschaft" keine zusammenfassende Organisation bestand. Analoge studentische Fachzusammenschlüsse wie die „Deutsche Evangelische Theologenschaft" gab es auch für andere Fachrichtungen, so zum Beispiel die Deutschen Chemiker-, Gesamtmediziner- und Pharmazeutenschaften, die den Einzelfachschaften an den jeweiligen Fakultäten Rückhalt boten. Während die Juristen- und Philologenfachschaften durch die Auflösung der „Deutschen Studentenschaft" in Preußen seit 1928 damals offensichtlich nur wenig übergreifende Betätigungsmöglichkeiten besaßen, wurden die übrigen fünf Fachgebiete in ihrer Arbeit durch ihre Gesamtverbände unterstützt. Die „Deutsche Studentenschaft" versuchte auf die Gestaltung des Hochschulbetriebes Einfluß zu nehmen, so bei der Gestaltung der Prüfungsordnung, der Studienpläne und des allgemeinen Studienbetriebes, auch in Fragen der Studienangleichung zwischen den einzelnen reichsdeutschen und auslandsdeutschen Hochschulen. Ihr oblag auch die wirtschaftliche Selbsthilfe der Studierenden. 7

6. 7.

Theologische Blätter 9 (1930), Sp. 219. Wingolfs-Blätter 59 (1930), Sp. 136-141 (Hans Merten, Die Deutsche Studentenschaft); Theologische Blätter 9 (1930), Sp. 2 1 9 f. (Martin Lehmann, Aus der Arbeit der Deutschen Evangelischen Theologenschaft). Vgl. ebd. 8

225

Die theologischen Fachschaften vor 1933

Die letzten J a h r e der Weimarer Republik ließen Bemühungen der theologischen Fachschaften erkennen, sich wieder stärker zu k o n s o lidieren. An den preußischen Universitäten (Berlin, Königsberg, Breslau, Greifswald, Kiel, Halle, Göttingen, M a r b u r g , M ü n s t e r und Bonn) bemühten sie sich als „Evangelische T h e o l o g e n s c h a f t e n " nach 1 9 2 7 wieder um die ihnen damals versagte staatliche Anerkennung, die sie indes erst unter politisch völlig veränderten Verhältnissen F r ü h j a h r 1 9 3 3 erhielten. In Kiel bestand erst seit 1 9 3 1 eine „Freie Vereinigung von T h e o l o g e n " , in deren Mitgliederliste sich damals 6 4 Studierende eintrugen. In Bonn war 1 9 3 0 gerade eine „ T h e o l o g e n s c h a f t "

gegründet

oder reorganisiert worden. Ein Bild von den mannigfachen Aufgaben und Problemen studentischer Fachschaftsarbeit vermitteln die in den Theologischen Blättern (vor allem seit 1 9 3 0 ) regelmäßig veröffentlichten Semesterberichte. 8 Der 1 1 . ordentliche Vertretertag der „Deutschen Evangelischen T h e o l o g e n s c h a f t " vom 1 8 . bis 2 0 . O k t o b e r 1 9 3 0 in Schmalkalden konnte eine zufriedenstellende Bilanz ziehen: nachdem - auch auf Grund der Beschlüsse des 1 3 . Deutschen Studententages - eine „ T h e o l o g e n s c h a f t " in Kiel gebildet worden war, bestanden nunmehr wieder an allen deutschen Universitäten

Theologenschaften

beziehungsweise

theologische

Fach-

schaften: Einen ganz erstaunlichen Aufschwung hätten Königsberg und Breslau g e n o m m e n , im neuen Semester besonders noch M a r b u r g , hieß es. Die Arbeit der Theologischen Schule in Bethel, w o durchweg alle Studenten als Fachschaftsangehörige geführt wurden, war ebenfalls aktiv. Ein gewisser Rückschritt wurde damals nur für Berlin und J e n a konstatiert. In J e n a erschien die Arbeit damals durch ein Zerwürfnis mit dem Allgemeinen Studentenausschuß (Asta) vorübergehend nahezu lahmgelegt. ? Ebenso wie die einzelne theologische Fachschaft oder T h e o l o g e n schaft der jeweiligen Landes- oder Provinzialfakultät in Verbindung zur zuständigen Kirchenleitung zu bleiben versuchte, bemühte sich die übergreifende „Deutsche Evangelische T h e o l o g e n s c h a f t " um K o n t a k t e zu den Kirchenbehörden; mittelbare Beziehungen zu den Fakultäten bestanden über den „Deutschen Evangelischen F a k u l t ä t e n t a g " , dessen Präsident in

8.

9.

(1929), Sp. 3 1 8 - 3 2 1 (Bericht vom 10. Vertretertag der Deutschen Theologenschaft am 2 2 . / 2 3 . Oktober ( 1 9 2 9 ) in Halle). Die Theologischen Blätter, seit 1 9 2 2 im Auftrag des Eisenacher Kartells Akademisch-Theologischer Vereine, hg. von Karl Ludwig Schmidt, setzen mit Jg. 1 den Jg. 32 der Kartellzeitung fort. Dort Berichte von der Fachschaftsarbeit an den einzelnen evangelisch-theologischen Fakultäten. Theologische Blätter 10 (1931), Sp. 2 6 - 2 8 .

226

Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

Nachfolge Prof. Wilhelm Lütgerts seit 1 9 2 9 der Hallenser Alttestamentler Prof. Hans Schmidt war. 1 0 An den Vertretertagen der „Deutschen Evangelischen Theologenschaft" nahmen nicht nur die studentischen Vorsitzenden der Fachschaften der theologischen Fakultäten teil, sondern auch einzelne Vertreter des Lehrkörpers. Der damalige 1. Vorsitzende der „Deutschen Evangelischen Studentenschaft", cand. theol. Martin Lehmann (Berlin), betonte 1 9 3 0 in seinem Bericht: Die Professoren würden in der überwiegenden Mehrzahl „dem studentischen Selbstverwaltungsgedanken im engeren Sinne, d. h. dem Willen zur Mitwirkung an der Erziehung und Ausbildung der Studenten und der Mitgestaltung des Hochschulbetriebes günstig gegenüberstehen". 1 1 Es sei Aufgabe der Vorstände der einzelnen Fachschaften, sich diese Bereitwilligkeit des Lehrkörpers zur Zusammenarbeit zu erhalten. Auch zu den Kirchenleitungen wurde der Kontakt gesucht. Auf Veranstaltungen der einzelnen Fachschaften sprachen hin und wieder auch leitende Geistliche der Landeskirchen oder Provinzialkonsistorien. Spannungen zwischen theologischen Fachschaften und der stark politisierten „Deutsche Studentenschaft" blieben nicht aus. So übte etwa die Leitung der „Deutschen Evangelischen Theologenschaft" 1930 Kritik an einer zu starken Politisierung der „Deutschen Studentenschaft" und versuchte, sie „aus der politischen Schmutzlinie herauszuziehen und sachlicher Arbeit zuzuführen". 1 2 Auch innerhalb der Fachschaftsarbeit an den einzelnen theologischen Fakultäten wurde versucht, die Gefahr einer zu starker Politisierung der „Deutschen Studentenschaft" an den Universitäten abzuwehren. So wurde bei einer Tagung der Vorsitzenden der jeweiligen „Theologischen Fachgruppe" innerhalb der „Deutschen Studentenschaft" am 5. und 6. April 1 9 3 0 in Berlin das Dilemma zwischen politischem Tageskampf und Fachkompetenz zur Sprache gebracht. Auf mangelhafte spezifische Facharbeit in der „Deutschen Studentenschaft" wurde hingewiesen und Maßnahmen beschlossen, dies zu ändern. Die „Theologische Fachgruppe" wollte der „Deutschen Studentenschaft" als universitär übergreifendem Studentenverband indes vorläufig nicht den Rücken kehren, sondern „gesunde Opposition" in ihr treiben, um den Einfluß auf Studienreformpläne nicht zu verlieren, wie sie auf dem „Deutschen Studententag" 1 9 3 0 erneut beraten werden sollten. Angenommene Anträge der Fachgruppenvorsitzenden verlangten indes stärkere Fach10. 11. 12.

Gerhard Wallis, Hans Schmidt ( 1 8 7 7 - 1 9 5 3 ) . Zitat: Theologische Blätter 9 (1930), Sp. 2 1 9 f. Ebd. Sp. 2 2 0 .

Die theologischen

Fachschaften vor

1933

111

kompetenz innerhalb der „Deutschen Studentenschaft" der jeweiligen Universität. 13 Auch aus den Fachschaften der einzelnen theologischen Fakultäten selbst wurde Kritik an der „Deutschen Studentenschaft" laut. Demgemäß forderte der „Ring der anerkannten Arbeitsgemeinschaften und Fachschaften" 1931 in Berlin stärkere Anerkennung der fachschaftlichen Gliederung innerhalb der „Deutschen Studentenschaft". 1 4 Auch sonst übten die theologischen Fachschaften vielfach Kritik an der „Deutschen Studentenschaft", etwa Herbst 1931, als es zu Attacken gegen Prof. Günther Dehn in Halle kam, die zu Dehns Verdrängung von seinem praktisch-theologischen Lehrstuhl führten. So ließ die erste Fachschaftsversammlung der „Freien Evangelischen Theologenschaft" an der Universität Münster im Wintersemester 1931/32 über ihren ersten Vorsitzenden auf dem Wege über die „Deutsche Evangelische Theologenschaft" in Berlin Protest bei der „Deutschen Studentenschaft" einlegen. Ohne sich mit einzelnen Äußerungen Dehns zu identifizieren, müsse gesagt werden, daß er sich aus ernster theologischer Verantwortung zu den schwierigen Fragen von Krieg und Frieden geäußert habe. 1 5 Ebenfalls kritisch äußerte sich die Tübinger Fachschaft zum aggressiven Verhalten der „Deutschen Studentenschaft" im Halleschen Universitätskonflikt um Prof. Dehn. Auch an anderen theologischen Fakultäten wurde der Dehnkonflikt in der Fachschaft erörtert. Hatte man sich in Jena auf einer Versammlung vorwiegend unter theologischem Gesichtspunkt zu den Fragen des Pazifismus geäußert, die in Halle nationalistische Studentengruppen tumultuarisch gegen einen Hochschullehrer vorgehen ließ, so nahm die Theologische Fachschaft in Halle selbst zu dem rabiaten Vorgehen der dortigen „Deutschen Studentenschaft" ebenfalls kritisch Stellung. Inneruniversitäre Spannungen zwischen theologischen Fachschaften und „Deutscher Studentenschaft" am jeweiligen Hochschulort gehörten zum Universitätsalltag jener Jahre, aber auch Versuche, durch Verhandlungen und Kompromisse ausgleichend zu wirken. Das Spektrum theologischer Fachschaftsarbeit war von Anfang an breit: man schaltete sich in die Studienberatung ein, war bei der Stipendienvermittlung tätig; ein studentischer Bücherdienst, verschiedentlich auch (wie in Leipzig) Bücheramt genannt, vertrieb für Theologiestudenten preisreduzierte wissenschaftliche Literatur. Der Vortragsarbeit kam besondere Bedeutung zu. Auf Veranstaltungen der jeweiligen Fachschaft 13. 14. 15.

Ebd. Sp. 219 f. Ebd. 10 (1931), Sp. 359. Ebd. 11 (1932), Sp. 90 f.

228

Fachschaftsarbeit und studentisches Korporationswesen

bzw. Theologenschaft sprachen Professoren der eigenen wie auswärtiger Fakultäten über Themen ihres Fachgebietes. Auch andere Referenten wurden eingeladen. Immer wieder kamen auch Vertreter von Kirchenbehörden zu Wort. Ihre grundsätzlichen Ausführungen und kirchenaktuellen Informationen konnten das studentische Interesse besonders im Blick auf Vikariat, Pfarramt und volkskirchliche Perspektiven überhaupt vorausetzen. Aktuelle politische und kulturelle Probleme spielten bei der Vortragsarbeit der Fachschaften eine wichtige Rolle. Besichtigung und Exkursionen, auch Freizeiten, Rüstzeiten und andere studentische Aktivitäten wie Sport- und Kulturveranstaltungen, gesellige Abende gehörten zum Repertoire der örtlich durchaus unterschiedlich intensiv gestalteten Fachschaftsarbeit. Auch an der Veranstaltung von Morgen- oder Wochenschlußandachten und Gottesdiensten am Semesterbeginn und Semesterende beteiligte man sich vielfach aktiv. Die Gesamtvertetung der „Deutschen Evangelischen Theologenschaft" trat mit „Bitten" an die Kirchenleitungen heran, die folgende Punkte betrafen: „Studentenpfarrer, Erhöhung der Studiensemester, Zusammensetzung der Prüfungskommission, Fühlungnahme der Konsistorien mit den jeweiligen örtlichen Fachschaften und deren Unterstützung".16 Die einzelnen Fachschaftsberichte vermitteln ein relativ buntes Bild von der Fachschaftsarbeit an den theologischen Fakultäten. Auch Vorlesungsankündigungen und Fachschaftsberichte evangelisch-theologischer Fakultäten der deutschsprachigen Schweiz (Basel, Bern, Zürich) wurden abgedruckt.17 Die theologischen Fachschaften haben sich frühzeitig in die Diskussion um die Studienreform eingebracht. Bereits beim 2. Vertretertag evangelisch-theologischer Fach- und Studentenschaften im August 1922 hatte diese Frage eine Rolle gespielt, wie das intensiv debattierte Referat des Neutestamentiers Paul Feine (Halle) zum Thema „Der Stand der Studienreformfrage" zeigte. Die Studienreform blieb damals ein Dauerthema, das den „Deutschen Studententag" wie auch die Rektorenkonferenzen immer wieder beschäftigt hat und das auch nach 1933 unter den veränderten politischen Verhältnissen noch akut blieb, ohne wirklich gelöst zu werden. Im Herbst 1930 hat der Vorsitzende der „Deutschen Evangelischen Theologenschaft" cand. theol. Martin Lehmann (Berlin) die gesamtstudentische Gesprächslage unter dem Thema „Der

16. 17.

Ebd. 9 ( 1 9 3 0 ) , Sp. 2 1 9 f. Vgl. Theologische Blätter 10 ( 1 9 3 1 ) , Sp. 2 9 3 (Bern); Sp. 3 2 7 (Basel); 11 ( 1 9 3 2 ) , S. 2 4 9 f.(Basel, Bern); 12 ( 1 9 3 3 ) , Sp. 3 7 4 (Zürich).

Die theologischen

Fachschaften

vor

1933

229

gegenwärtige Stand der studentischen Arbeit zur Frage der Hochschulreform" umrissen. 18 In der Debatte um die theologische Studienreform präsentierten manche Fachschaften eigene Entwürfe. Eine Arbeitsgemeinschaft der Evangelisch-Theologischen Fachschaft in Marburg, von den Professoren Rudolf Bultmann und Hans-Wilhelm Hertzberg und Privatdozent Lie. Heinrich Schlier unterstützt, hatte „Thesen zur Reform des theologischen Studiums" aufgestellt, die Oktober 1 9 3 1 in den Theologischen Blättern veröffentlicht wurden. In diesen Marburger Thesen hieß es: 19 „Der sachgemäße Weg der Ausbildung des Pfarrers und Religionslehrers ist die Erarbeitung einer begründeten Anschauung von Wesen und Wahrheit der christlichen Wortverkündigung und des christlichen Glaubens". Als die in jeder Hinsicht sachgemäße Stätte der wissenschaftlichen Ausbildung wurde die Universität angesehen. Allerdings sollte die praktische Theologie, soweit sie nicht als grundsätzliche Lehre in die systematische Theologie gehöre, auf die kirchlichen Predigerseminare verlegt werden, in deren Rahmen nach Auffassung der Thesen auch Kirchenrecht, Kirchenkunde, Spezialgebiete der Kirchengeschichte, sozial- und wirtschaftsethische und andere für die Praxis bedeutsame Fragen gehörten. 20 Auf dem 12. ordentlichen Vertretertag der „Deutschen Evangelischen Theologenschaft" 1 9 3 2 in Schmalkalden, der von Vertretern aller Fachschaften mit Ausnahme Königsbergs besucht war, spielte wiederum die Studienreform eine zentrale Rolle. Vom Lehrkörper nahmen die Professoren Erich Fascher (Jena), Dedo Müller (Leipzig), Gottfried Quell (Rostock), Heinrich Frick und Rudolf Bultmann (Marburg) teil. Allerdings hielt insbesondere Bultmann, der beratend am Entstehen der Marburger Reformthesen beteiligt gewesen war, die grundsätzliche Diskussion über das Wesen des theologischen Studiums noch nicht für abgeschlossen. Man sah deshalb davon ab, Einzelreformen zu beschließen, wollte aber die kommentierten Marburger Thesen allen theologischen Fachschaften zur Stellungnahme vorlegen. In der Frage gegenseitiger Anerkennung der Examina und einheitlicher Regelung der Prüfungen in den alten Sprachen wollte die „Deutsche Evangelische Theologenschaft" bei den zuständigen Behörden vorstellig werden. Es wurde auch beschlossen, von der allgemeinen studentischen Vertreterorganisation, der „Deutschen Studentenschaft", stärkere Berücksichtigung der fachwissenschaftlichen Arbeit zu 18. 19. 20.

Ebd.9 (1930), Sp. 300-303. Ebd. 10 (1931), Sp. 297 f. Ebd.

230

Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

fordern. Intern beschäftigte sich dieser Vertretertag, bei dem Prof. Dehn selbst anwesend war, mit dem Halleschen Universitätskonflikt, freilich ohne daß hierzu eine Beschlußfassung erfolgte. Die Vorstandswahl der „Deutschen Evangelischen Theologenschaft" auf dem Vertretertag 1 9 3 2 ergab: 1. Vorsitzender cand. theol. Martin Lehmann (Berlin), 2. Vorsitzender (zugleich 2. Vorsitzender der Theologischen Fachgruppe der „Deutschen Studentenschaft") stud, theol. Karl Märker (Berlin) 3. Vorsitzender stud, theol. Claus (Gießen). 2 1 Fragen der Studienreform sind auch 1 9 3 2 an einzelnen Fachschaften weiterbehandelt worden. In dem Bericht der „Evangelischen Theologenschaft" Tübingen vom Sommersemester 1 9 3 2 hieß es: 2 2 „Durch das starke Anwachsen der Zahl evangelischer Theologen in Tübingen war uns die Bemühung um die Studienreform in besonderer Weise auferlegt. Ein Ausspracheabend mit den Dozenten und den Vertretern der theologisch interessierten Verbände sollte die theoretische und praktische Grundlegung der Arbeit auf lange Sicht sein. Die schon im vorigen Semester vorgeschlagene Beschneidung der Vorlesungen zugunsten von Diskussionsstunden, in denen Fragen, Anregungen, Bedenken und Beispiele vorgebracht werden können, wurde besonders unterstrichen." Für die „Evangelische Theologenschaft" Berlin wurde 1 9 3 2 ein bereits in Erprobung befindliches Projekt vorlesungsbegleitender Arbeitsgemeinschaften, die besonders in den exegetischen Fächern für die Studenten hilfreich waren, von stud, theol. Martin Fischer zur Diskussion gestellt, der seit 1 9 3 6 in der bekennntniskirchlichen Studentenarbeit als Reisesekretär und Leiter des Theologisches Amtes der bekenntniskirchlichen 2. Vorläufigen Kirchenleitung tätig wurde. 2 3 An der ostpreußischen Albertus-Universität in Königsberg trat die „Theologische Arbeitsgemeinschaft", wie sich die Fachschaft hier zunächst nannte, zusammen mit dem Lehrkörper für die Bildung von Studiengruppen (zur Unterstützung der Proseminare) ein, die den akademischen Unterricht beleben sollten. 2 4 Auf Anregung von Fachschaftsmitgliedern wurde 1 9 3 2 unter dem Vorsitz des Studentenpfarrers ein „Evangelischer Studenten-Ring" ins Leben gerufen, um Korporationen und studentische Vereinigungen an der evangelischen Arbeit zu beteili21.

Ebd. 11 ( 1 9 3 2 ) , Sp. 1 5 7 .

22. 23.

Ebd. 11 ( 1 9 3 2 ) , Sp 2 5 1 . Ebd. 11 ( 1 9 3 2 ) , Sp. 2 8 1 . Martin Fischer wirkte nach 1 9 4 5 als praktischer Theologe und Leiter der Kirchlichen Hochschule Berlin-Zehlendorf. Theologischen Blätter 1 0 ( 1 9 3 1 ) , S. 3 6 0 ; 1 9 3 2 , Sp 1 5 6 .

24.

Die theologischen

Fachschaften

vor 1933

231

gen und den Radius der Arbeit zu verbreitern. 25 Studienreformerische Überlegungen und Maßnahmen zur Optimierung des Studiums spielten auch bei den übrigen theologischen Fachschaften eine Rolle. Was die Beteiligung an der Fachschaftsarbeit betrifft, so galten in Tübingen laut Satzung der dortigen „Deutschen Studentenschaft" alle Studierenden der Evang.-Theol. Fakultät als Angehörige der Fachschaft, also ca. 8 5 0 ; doch wurden nur ca. 5 3 0 durch eine erforderliche Umlage (Beitrag) mitten im Wintersemester 1932/33 erreicht. 26 Ahnlich wurden Fachschaftmitglieder und Studierende an den Theologischen Schulen Bethel und Elberfeld als identisch angesehen. 27 In Gießen umfaßte die Theologische Fachschaft 2 5 5 Mitglieder, identisch mit der Zahl der 1 9 3 2 immatrikulierten Theologiestudenten. 28 Von Kiel wird berichtet, daß es damals nicht gelang, alle 1 3 7 eingeschriebenen Studenten für die Fachschaftsarbeit zu gewinnen. 29 In Heidelberg, w o alle in der Theologischen Fakultät inskribierten Studenten ohne besonderen Fachschaftsbeitrag Mitglieder der Fachschaft waren, zählte man im Sommersemester 1 9 3 1 ca. 2 5 0 Mitglieder, „bei Versammlungen oder anderen Veranstaltungen aber leider oft viel weniger infolge mangelhafter Beteiligung der Freistudentenschaft". Inanspruchnahme durch das traditionelle, äußerst vielgestaltige studentische Verbindungswesen (in allgemeinstudentischen Korporationen, akademisch-theologischen Studien- und Studentenvereinen u.a.) minderte auch sonst die studentische Beteiligung an der Fachschaftsarbeit.' 0 Die Mitgliederzabi der Fachschaften war außerdem abhängig von der wechselnden Studentenzahl der jeweiligen Fakultät. Eine Fluktuation der Mitgliederzahlen war charakteristisch. Auch andere Umstände, besonders finanzielle Gründe (Semesterbeitrag), wirkten hemmend. So wurde in der „Evangelisch-Theologischen Fachschaft" Bonn seit Herbst 1 9 3 1 die Fachschaftsarbeit durch die notwendig gewordene Selbstbesteuerung" von 5 0 Pf. stark beeinträchtigt. Von ca. 4 6 0 eingeschriebenen Mitgliedern der Fakultät hatten nur 1 6 0 Kommilitonen den freiwilligen Beitrag geleistet, wodurch sie erst die volle Mitgliedschaft der Fachschaft

25. 26. 27. 28. 29. 30.

Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.

12 12 11 11 12 10

(1933), (1932), (1932), (1932), (1933), (1931),

Sp. Sp. Sp. Sp. Sp. Sp.

121 f. 122. 250. 250; 12 (1933), Sp. 156. 156. 295.

232

Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

erwarben. 3 1 In Halle war die Zahl der eingeschriebenen Mitglieder der Theologenschaft 1932 „stark zurückgegangen". Der Mitgliederbestand, der im Wintersemester 1931/32 annähernd 2 0 0 betrug (eine andere Notiz lautet 180 eingeschriebene Mitglieder) 3 2 , reduzierte sich im Sommersemester auf 5 4 , obwohl die Zahl der Studierenden (etwa 500) sogar etwas gestiegen war. Hatte die Theologenschaft Halle im Wintersemester im Zusammenhang mit dem Dehn-Konflikt mehrmals öffentlich Stellung genommen, so trat man jetzt weniger hervor. 33 Im allgemeinen war die Vortragsarbeit der theologischen Fachschaften zu Anfang der dreißiger Jahre durch das Bemühen gekennzeichnet, auf aktuelle Zeitprobleme einzugehen. Dabei fanden Volkstumsgedanke und der sich rasch ausbreitende Nationalsozialismus gesteigerte Beachtung. 34

b) Fachschaften

und Studentengruppen

im Dritten

Reich

Nach der Machtübernahme Hitlers wurden die Fachschaften in ihrem alten selbständigen Bestand aufgelöst und der vom NS-Studentenbund zunehmend dominierten „Deutschen Studentenschaft" durch Eingliederung gleichgeschaltet. Das Reichsministerium des Innern erklärte am 18. Mai 1933 die „Deutsche Studentenschaft" zur alleinigen Gesamtvertretung aller an reichsdeutschen Hochschulen immatrikulierten Studenten und bestätigte deren neue Verfassung, die das Führerprinzip enthielt. 35 Die „Deutschen Studentenschaften" an den Universitäten und Hochschulen erhielten jetzt die Stellung eines verpflichtenden Zusammenschlusses aller durch gemeinsame Studieninteressen miteinander verbundenen Studenten und Studentinnen. Die früher „Vorsitzer" genannten Leiter der Fachschaften wurden nicht mehr wie bisher durch Stimmenmehrheit der Studentenvollversammlung der einzelnen Fakultäten gewählt, sondern vom Leiter des Hauptamtes I (Wissenschaft) der „Deutschen Studen31. 32. 33. 34.

Ebd. 11 (1932), Sp. 2 5 0 . Ebd. 11 (1932), Sp. 155. Ebd. 11 (1932), Sp. 2 8 2 ; 12 (1933), Sp. 92. Vgl. Fachschaftsberichte WS 1 9 3 1 / 3 2 : Theologische Blätter 11 (1932), Sp. 8 8 - 9 2 ; SS 1 9 3 2 : Sp. 2 4 9 - 2 5 2 ; 2 8 1 f.; WS 1 9 3 2 / 3 3 : 12 (1933), Sp. 120123; Sp. 3 1 3 f.

35.

Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen 7 5 (1933), H. 2 1 , Nr. 182 (S. 161): Anerkennung der Verfassung der Deutschen Studentenschaft. Vom 18. Mai 1933.

Fachschaften und Studentengruppen im Dritten Reich

233

tenschaft" an den Universitäten und Hochschulen ernannt und blieben diesem verantwortlich. 3 6 Die Einführung des „Führerprinzips" im Sommersemester 1933 wirkte sich auch in der organisatorischen Umstellung der Fachschaftsarbeit an den evangelisch- theologischen Fakultäten aus, ohne d a ß der Charakter bisheriger Arbeitsformen sich wesentlich geändert hätte. Vortragsarbeit, Versammlungstätigkeit, studientechnische Aufgaben, Exkursionen und Bücherdienst blieben auch jetzt noch gängige Arbeitszweige und spiegelten sich in der Gliederung der Fachschaftsberichte wider. Doch trat anstelle bisher üblicher langer Diskussionen bei Fachschaftsversammlungen stärker die Entgegennahme von Weisungen. Die Fachschaftsberichte 1933/34 lassen den Umschwung erkennen, der sich seit dem Frühjahr 1933 vollzog. Dabei ist es interessant, d a ß nicht nur innerhalb der staatlichen Theologenausbildung an den Universitäten den neuen Erfordernissen Rechnung getragen wurde. Bezeichnend für die Situation des Jahres 1933 w a r es, d a ß man selbst an der (1905 gegründeten) Theologischen Schule Bethel im Sommersemester 1933 nicht umhin konnte, dem Führerprinzip Konzessionen zu machen. Hier hieß es: „Der Einbruch der neuen Zeit konnte natürlich nicht an der Verfassung und Verwaltung der Studentenschaft vorübergehen. Zwei Forderungen traten deutlich auf: 1) Ernennung des Kapitels (statt Wahl wie früher); 2) Beschränkung der Zahl der Kapitelsmitglieder, um es möglichst arbeitsfähig zu gestalten." Deutlich merke m a n die neue Zeit, wenn m a n die beiden Studentenversammlungen vergleiche, hieß es im Semesterbericht. H a b e es a m Anfang des Semesters ein langes Hin und Her gegeben, so dauerte am Ende des Semesters das Verlesen des Protokolls länger als die ganze Versammlung. 3 7 An der evangelisch-theologischen Fakultät in Bonn verstand der von stud, theol. Wilhelm Nierhaus gezeichnete Bericht der Fachschaftsleitung über das Sommersemester 1933 diese N e u o r d u n g als „eine konsequente Folgerung aus dem Gedanken des nationalsozialistischen Ständestaates" 3 8 : Dieser sinnvollen Einordnung der Fachschaft in den Gesamtorganismus der „Deutschen Studentenschaft" sei vollste Anerkennung zu zollen. Gleichzeitig wurde jedoch die verantwortungsvolle missionarische Aufgabe deutsch-evangelischer Theologiestudenten innerhalb der gesamten Studentenschaft hervorgehoben: es gelte für die theologische 36. 37. 38.

Theologische Blätter 12 (1933), Sp. 282. Ebd. 12 (1933), Sp. 344 (Bericht Κ. A. Hirsch). Ebd. 12 (1933), Sp. 282.

234

Fachschaftsarbeit und studentisches

Korporationswesen

Fachschaft, Bindeglied zwischen der „Deutschen Studentenschaft" und der „Deutschen Evangelischen Kirche" zu sein. Die Fachschaft müsse sich einsetzen für regelmäßige Durchführung gemeinsamer Semesteranfangsund Schlußgottesdienste und Morgenandachten sowie für die Veranstaltung von Vortragsabenden, „an denen führende Persönlichkeiten des kirchlichen Lebens von der ungekürzten und kompromißlosen Basis des Evangeliums aus zur Studentenschaft sprechen". Die neue Geschäftsordnung der Fachschaft, nach den allgemein gültigen Richtlinien der „Deutschen Studentenschaft" ausgearbeitet, vom Führer der Bonner „Studentenschaft" genehmigt und in einer Studentenvollversammlung am 19. Juli 1933 im Wortlaut mitgeteilt, galt als „sichere Grundlage für eine weitere ungestörte evolutionistische Entwicklung unserer nach diesem stürmischen Revolutionssemester geleisteten Fachschaftsarbeit". 3 9 Der Drang, auf der neuen strukturellen Grundlage möglichst rasch zur Normalität studentischer Fachschaftsarbeit zurückzukehren, war unverkennbar. Die am 19. Juli 1933 in Kraft tretende Satzung der Bonner Fachschaft lautete in § 1: „Die Evangelisch-Theologische Fachschaft umfaßt alle evangelischen Theologiestudenten und -Studentinnen, die Mitglieder der Deutschen Studentenschaft (D.St.) sind." Die Satzung war nach dem Führerprinzip aufgebaut; Wahlen entfielen. Der Fachschaftsleiter wurde aus den Mitgliedern der Evangelisch-Theologischen Fachschaft auf Vorschlag seines Amtsvorgängers vom Leiter des „Amtes für Wissenschaft" und im Einverständnis mit dem Führer der „Deutschen Studentenschaft" ernannt. Dem Fachschaftsleiter stand ein von ihm ernannter Mitarbeiterstab zur Seite (Kasse, Büchervermittlung, Vortragswesen, Schriftwechsel). Ein Wechsel in der Fachschaftsleitung sollte in der Regel nicht unter zwei Semestern erfolgen. Der Hochschulführer der „Deutschen Studentenschaft" konnte den Fachschaftsleiter von sich aus abberufen. Fachschaftsarbeit, vom Leiter angesetzt, galt als Dienst, dessen Versäumnis wie auch Zuwiderhandlungen gegen die Anordnungen und unkameradschaftliches Verhalten nach dem Dienstgesetz geahndet werden konnten. Dabei kam fakultätspolitisch § 10 der Satzung besondere Bedeutung zu: Der Fachschaftsleiter war „berechtigt und verpflichtet, bei der Auslese der Studenten für die Hochschule und der Berufung von Hochschullehrern, bei der Entscheidung über Kolleggelderlaß und Einzelfürsorge, in der Studien- und Berufsberatung und in der Hochschulverwaltung (bei

39.

Ebd. 12 (1933), Sp. 2 8 2 .

Fachschaften

und Studentengruppen

im Dritten Reich

235

der Aufstellung des Stundenplanes und als Sprecher in Fakultäten und im Senat) mitzuwirken und mitzuentscheiden." 40 Die „kirchenpolitische Erregung" des Frühjahrs 1933 wie auch die organisatorische Umstellung der Fachschaften auf das „Führerprinzip" brachte aktuelle Aufgaben mit sich, die sich verschiedentlich auf das übliche Vortragswesen der Fachschaften ungünstig auswirkten; andererseits führte das studentische Informations- und Orientierungsbedürfnis zu verstärkter Behandlung aktueller kirchenpolitischer und weltanschauungsrelevanter Themen. In Bonn hatte infolge zahlreicher Absagen seitens eingeladener Redner lediglich am 14. Juni 1933 der Hamburger Publizist Dr. Wilhelm Stapel vor zahlreicher Zuhörerschaft über das Thema Kirche und Staat gesprochen. 41 Der Heidelberger Bericht, von cand. theol. Kurt Holderer erstellt, betonte, wegen der Umgestaltung der Fachschaftsarbeit hätten nur zwei Vorträge im Sommersemester stattgefunden. Es sprachen Prof. Heinrich Bornkamm (damals in Gießen) über „Das gläubige Dennoch der Deutschen Christen" und der 1933 der „Jungreformatorischen Bewegung" zugehörige Pastor Dr. Hanns Lilje über „Christus im deutschen Schicksal". Neben verschiedenen Exkursionen unter Leitung Heidelberger Theologieprofessoren beteiligte sich die Theologenschaft aus der Erkenntnis, daß Fachschaftsarbeit „im Volk wurzeln" müsse, an einer Aussprache der „Deutschen Studentenschaft" mit der NS-Betriebszellenorganisation (NSBO), ebenso an einer Freizeit mit dem evangelisch-kirchlichen Presse- und Sozialamt Karlsruhe in Herrenalb mit dem Thema: „Die geistige Situation der wissenschaftlichen Berufe". 4 2 Aus Begeisterung für den „nationalen Aufbruch" oder auch, um den neuen politischen Verhältnissen Rechnung zu tragen, kam es im Jahre 1933 zu Parteieintritten auch unter den Theologiestudenten. Gliederungen der NSDAP und angeschlossene Verbände, insbesondere die SA, teilweise auch das NS-Kraftfahrerkorps u.a., waren bevorzugte Organisationen. Selbst die gegen die Deutschen Christen gerichtete kirchliche Opposition, die sich seit Frühjahr 1933 über Jungreformatorische Bewegung, Kirchenwahlgruppe „Evangelium und Kirche" und den im Herbst 1933 gegründeten Pfarrernotbund im Jahre 1934 zur Bekennenden Kirche formierte, betonte zu Anfang des Dritten Reiches nachdrücklich ihre Führertreue. Ihr bekenntnishafter religiöser Widerspruch gegen die Kir40. 41. 42.

Ebd. 12 (1933), Sp. 3 1 3 . Ebd. 12 (1933), Sp. 2 8 2 . Ebd. 12 (1933), Sp. 3 1 3 f.

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chenpolitik der Deutschen Christen Schloß das politische Bekenntnis zum Dritten Reich nicht aus. Für Studenten bot sich vorübergehend im Frühjahr 1933 auch die Möglichkeit, sich dem „Studentenkampfbund Deutsche Christen" anzuschließen, der an manchen Universitäten bis zur Hälfte aller Theologiestudenten erfaßt haben soll. Er war auf der 1. Reichstagung der „Glaubensbewegung Deutsche Christen" Anfang April 1 9 3 3 in Berlin gegründet worden. Sein Leiter war Pfarrer Walter Hoff (Berlin). Auf der Reichstagung des „Studentenkampfbundes Deutsche Christen", die vom 7. bis 10. August 1933 an der Berliner Universität stattfand, die allerdings zugleich auch seine letzte war, sprachen die Professoren Hermann Wolfgang Beyer (Greifswald, später Leipzig), Emanuel Hirsch (Göttingen) und Cajus Fabricius (Berlin, später Breslau). Die Reformierte Kirchenzeitung berichtete über diese Tagung. 43 Aus den Ausführungen von Hermann Wolfgang Beyer wurde positiv hervorgehoben: christliche Verkündigung werde erst dann wieder ernstgenommen, wenn sie nicht eine Weltanschauung wie andere biete, sondern den ganzen Ernst Gottes in seiner absoluten Wahrheit verkünde. Emanuel Hirsch urteilte scharf über den Liberalismus, der das irdische Leben verabsolutiere und dabei den Ernst des Glaubens verfehle. An Karl Barth kritisierte er, seine Theologie sei eine Lehre der Furcht und reiße Gott und Mensch auseinander. Verständlicherweise bemängelte die Reformierte Kirchenzeitung allerdings an der Tagung, sie habe an reformierten Anschauungen allenthalben vorbeigesehen; hätten doch auch calvinistische Lebensauffassung und nationalsozialistische Weltanschauung Verbindungen und Gemeinsamkeiten durchaus nahegelegt. Dabei wurde auf calvinistische Tugenden, nämlich Gehorsam gegenüber einem Höheren, Absoluten, auf Aktivität, Disziplin und soziales Denken hingewiesen. Caius Fabricius sprach bei dieser Veranstaltung über Volksmission, die an die „nationale Erhebung" anknüpfen müsse. Dem SA-Mann müsse sein „unbewußtes Christentum" zum Bewußtsein gebracht werden. Hermann Wolfgang Beyer, selbst der SA zugehörig, hielt es für notwendig, „den kirchlichen Aufbau der Deutschen Christen mit einer wirklichen Theologie zu untermauern". Im Volk des Dritten Reiches solle die evangelistische Arbeit durch Pfarrer und vorgebildete Laien in Zivil oder Braunhemd unverzüglich und mit Nachdruck begonnen werden. Zu sol43.

ALK Hannover, S I E H 131: Auf der Warte 2 9 (1933), S. 4 4 1 . Vgl. Evangelium im Dritten Reich 2 (1933), S. 3 2 9 .

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chem volksmissionarischen Dienst sei der junge Akademiker in erster Linie berufen. Diese erste Reichstagung des Studentenkampfbundes DC war zugleich auch seine letzte; denn der Führer der „Deutschen Studentenschaft" Dr.-ing. Oskar Stäbel verbot bereits am 22. November 1933 den „Studentenkampfbund Deutsche Christen", weil er „eine der einheitlichen Linie der Studentenschaft zuwiderlaufende Sonderpolitik" betrieben habe. Damit war der Einfluß der Deutschen Christen unter der Studentenschaft stark beschnitten. 44 Hinzu kam, daß unmittelbar nach der skandalösen Kundgebung des Gaues Großberlin der Glaubensbewegung DC am 13. November 1933 im Berliner Sportpalast die Opposition gegen die Deutschen Christen in ihren eigenen Reihen anschwoll, wobei sich der Kampf vor allem gegen den DC-Reichsleiter Pfarrer Joachim Hossenfelder richtete, der damals zum brandenburgischen Provinzialbischof avanciert war. Hossenfelder, eine theologisch wenig bekümmerte Kämpfernatur, wurde als verantwortlicher DC-Reichsleiter für die theologischen Entgleisungen des Berliner DC-Gauobmanns Studienassessor Dr. Reinhold Krause, eines radikalen Deutschkirchlers in Berlin-Pankow, verantwortlich gemacht, besonders da er in der Frage der Durchsetzung des Arierparagraphen an Amtsträgern der Kirche zu Beginn der Kundgebung sich mißverständlich geäußert hatte. Hossenfelder unterlag als Verfasser der radikalen Richtlinien der Glaubensbewegung DC vom Juni 1 9 3 2 (bald als „Hossenfeldersche Richtlinien" bekannt) schon des längeren der bekenntnismäßigen Kritik kirchlicher Kreise. Daß im Zusammenhang mit dem „Sportpalastskandal" eine Reihe von Theologieprofessoren, die zumeist erst im Frühjahr 1933 im Blick auf die Reichskirchenreform DC-Mitglieder geworden waren, damals die Reihen der Glaubensbewegung DC fluchtartig wieder verließen, blieb an verschiedenen Fakultäten natürlich nicht ohne Auswirkungen auf die studentische Fachschaftsarbeit. Die Tübinger Theologieprofessoren Karl Fezer, Hans Rückert und Artur Weiser lösten bereits am 2 4 . November 1933 ihre Beziehungen zu den Deutschen Christen. Prof. Gerhard Kittel schloß sich ihrem Schritt nach telefonischer Rücksprache an. Die Tübinger Professoren erklärten die bekenntnismäßigen Motive ihres Austritts in einer Studentenversammlung ihrer Fakultät am 1. Dezember 1933. Mit Erklärungen, die Distanzierung oder Austritt aus der DC-Bewegung bekundeten, waren ebenfalls Prof. Friedrich Gogarten (damals Breslau) 44.

Kurt Meier, Die Deutschen Christen, S. 50.

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Fachschaftsarbeit und studentisches Korporationswesen

mit seinem schlesischen Pfarrerkreis, ebenso die Professoren Ernst Haenchen (Gießen), Friedrich Karl Schumann und Ernst Kohlmeyer (Halle), Heinrich Bornkamm (Gießen), Hermann-Wolfgang Beyer (damals Greifswald) hervorgetreten. 45 Beyer und Bornkamm gaben in der Folgezeit die Zeitschrift „Deutsche Theologie" heraus, die von 1934 bis 1943 erscheinen konnte und das Anliegen verfolgte, vorwiegend auch aktuelle kirchliche Probleme des Zusammenhangs von Deutschtum und Christentum, Staat und Kirche von theologischer Warte aus zu reflektieren. 46 Die kirchenpolitische Defensive, zu der sich die Reichskirchenregierung Ludwig Müllers nach der Sportpalastkundgebung veranlaßt sah, lahmte natürlich auch die reichskirchliche Arbeit unter den Studenten. Hatten die Deutschen Christen doch gerade erst begonnen, durch Vorträge und Aussprachen an den Universitäten für ihre Ideen zu werben. Später an den theologischen Fakultäten neu gebildete DCStudentengruppen blieben in der Minderheit. Als Restbestände dieser Arbeit an den Universitäten noch vorhandene oder neu gebildete Kreise, auch solche, die sich der nationalkirchlichen Thüringer „Kirchenbewegung Deutsche Christen" anschlossen, waren der Gesamtstudentenschaft gegenüber nicht selten weitgehend isoliert. Außerdem waren die beiden Hauptrichtungen der Deutschen Christen - Reichsbewegung DC und Kirchenbewegung DC - zunehmend zerstritten. Zunächst hatten die Deutschen Christen Einfluß auf die Fachschaftsarbeit zu nehmen versucht. In Heidelberg47 war beispielsweise der Leiter der theologischen Fachgruppe sogar laut Satzung zugleich Mitglied der „Hochschulkampfgruppe Deutscher Christen", wodurch sich eine enge Zusammenarbeit ergab. Im Juni 1933 fanden Ausspracheabende mit Exponenten der badischen Deutschen Christen (Pfr. Sauerhöfer und Stadtvikar Heinrich Schmidt) statt. Im Juli beschäftigte sich ein studentischer Vortrag mit Zielen und theologischer Grundlage der Glaubensbewegung Deutsche Christen. Eine Kundgebung, auf der Prof. Hans Michael Müller (damals noch Jena, später Königsberg) und von der Reichsleitung der Glaubensbewegung Deutsche Christen Pfarrer Dr. Friedrich Wieneke, DC-Reichsreferent für Theologie und Hochschule, sprachen, war für sämtliche Theologen offiziell angesetzt. Das parteiamtliche Verbot des „Studentenkampfbundes Deutsche Christen" an allen Univer45. 46. 47.

Theologische Blätter 12 (1933), Sp. 377. Deutsche Theologie 1-10(1934-1943). Theologische Blätter 12 (1933), Sp. 313 f.

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sitäten und Hochschulen im November 1 9 3 3 ließ diese Zusammenarbeit jedoch eine Episode bleiben. 4 8 Das Verbot ergab sich aus Befürchtungen der N S D A P , es könne zu störender Konkurrenz mit „Deutscher Studentenschaft" und NS-Studentenbund auf dem Gebiet des Hochschulwesens kommen. Hinzu kam die Sorge, daß der protestantische Kirchenstreit sich auf den Universitätsbereich übertragen werde. Bereits vor 1 9 3 3 waren auch zahlreiche Studierende der evangelischen Theologie in die Formationen der SA eingetreten. Der Eintritt in die SA verstärkte sich verständlicherweise im Frühjahr 1 9 3 3 erheblich. Direkte studentische Parteizugehörigkeit zur NSDAP blieb unter Theologen seltener. Dabei kam es auch in Kreisen, denen eine stärkere Besinnung auf die reformatorische Theologie naheliegen mochte, keineswegs von vornherein zu einer Aversion gegen den Nationalsozialismus. So haben die meisten der Jungtheologen im Lutherheim Königsberg, dem Wohnheim für Theologiestudenten, das damals von Privatdozent Lie. Hans-Joachim Iwand als Konviktsinspektor geleitet wurde, schon vor 1 9 3 3 der SA angehört. 4 9 Eine Statistik des SA-Sturmbannes III/110 in Heidelberg ermöglicht Aufschlüsse über den generellen Stand der studentischer Zugehörigkeit zu NS-Formationen, die mit Einschränkungen für das ganze Reich als typisch angesehen werden können. Ein Eintritt von Studenten in größerem Ausmaß war im Sommersemester 1 9 3 3 zu verzeichnen: damals wurden in Heidelberg etwa 6 5 Prozent von SA, SS, NSD-Lehrerbund erfaßt. Der Prozentsatz im ganzen blieb in den nächsten Semestern unverändert. Wesentliche Verschiebungen fanden jedoch innerhalb der Formationszugehörigkeit statt. Im Wintersemester 1 9 3 3 / 3 4 gehörten in Heidelberg vier Fünftel der organisierten Studenten der SA an (55 % der gesamten Studentenschaft). Seither verringerte sich diese Zahl zugunsten einer Verteilung auf die verschiedenen NS-Gliederungen. 5 0 Das Urteil darüber, o b der Einsatz von Theologiestudierenden in den Gliederungen und angeschlossenen Verbänden der NS-Partei ausreichend

48. 49. 50.

Ebd. 12 ( 1 9 3 3 ) , Sp. 3 7 7 . Hugo Linck, Kirchenkampf in Ostpreußen, S. 2 0 ; Kurt Meier, Kirchenkampf, Bd. 1, S. 2 8 6 f. Wingolfs-Blätter 6 6 ( 1 9 3 7 ) , Folge 5/6, Sp. 1 6 3 f.: Über die politisch in einer Gliederung der NSDAP organisierten Studierenden an der Universität Heidelberg ( 6 6 , 9 1 % ) wurden Frühjahr 1 9 3 7 folgende Angaben gemacht: SA 2 9 , 8 6 % ; SS 9 , 0 4 % ; NS-Kraftfahrerkorps 6 , 5 1 % ; Deutscher LehrervereinReichslehrerbund 7,8 % ; Hitlerjugend 1 2 , 5 5 % ; Politische Leiter 1,71 % .

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Korporationswesen

sei, konnte allerdings unterschiedlich ausfallen. Eine noch stärkere studentische Beteiligung vor allem in der SA, der übrigens auch jüngere Mitglieder des Lehrkörpers angehörten, oder auch in der als Parteielite geltenden SS wünschte sich der Marburger Fachschaftsleiter stud, theol. Fritz Weibezahn. Er veröffentlichte in der „Westdeutschen Akademischen Rundschau" (4. Julifolge 1933) einen Aufruf „Der Theologiestudent in der S.A.": 5 1 „Als Fachschaftsleiter der Evangelisch-theologischen Fachschaft an der Philipps-Universität Marburg halte ich es für meine Pflicht, alle Theologiestudenten eindringlich darauf hinzuweisen, daß mir der Dienst eines jeden Theologen in der SA. heute als Notwendigkeit erscheint. Zwar ist am 10. ds. Mts. eine Sperre für beide Organisationen erfolgt. Die Forderung, in diese Organisationen einzutreten, sobald Gelegenheit sich dazu bietet, bleibt nach wie vor bestehen. Ich spreche kein Geheimnis aus, wenn ich feststelle, daß die Haltung eines sehr großen Teiles der Marburger Theologiestudierenden zu der nationalsozialistischen Bewegung in den vergangenen Semestern ablehnend oder gleichgültig gewesen ist. Jetzt, wo die innere Notwendigkeit und die Größe der nationalsozialistischen Bewegung und ihres Führers vor aller Augen liegt, ist die Pflicht umso größer, eine Schuld wiedergutzumachen, die durch eine gewisse Unaufgeschlossenheit und Lebensfremdheit entstanden ist. Es ist kein Zweifel mehr, daß in der nationalsozialistischen Bewegung, in Sonderheit in der SA. und der SS., die entscheidende Erziehungsarbeit am deutschen Menschen vollbracht wird und zwar in erster Linie an dem deutschen Menschen, der in Zukunft das Reich verantwortlich trägt. Wissen wir uns als Theologen aber noch in besonderer Weise vom Christentum aus und von der Kirche her dem deutschen Menschen verpflichtet, so bleibt keine andere Möglichkeit als in die SA. hineinzugehen und um Reich, Volk und neuen deutschen Menschen mitzuringen. Ein Draußenstehenbleiben ist nicht nur nicht zweckmäßig, sondern auch mit unserm Gewissen nicht mehr zu vereinbaren. Es muß einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden, daß . . . für unseren Beruf als Diener der Kirche ein Zusammensein und Sprechen mit dem einfachen deutschen Volksgenossen, sei er Bauer oder Arbeiter, mindestens ebenso wertvoll ist wie ein akademisches Gespräch. Ein solches Zusammenleben mit dem Volksganzen wird uns vor einer Intellektualisierung bewahren, die auch unser Studium als Theologiestudierende bedroht hat. Das deutsche Volk wird wieder zum Evangelium und zu unserer evangelischen Kirche kom51.

Theologische Blätter 12 ( 1 9 3 3 ) , Sp. 2 8 2 f.

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men, wenn der Theologe selbst zuvor sich voll und ganz in das Volk mit all seinen Kämpfen hineinbegeben hat. Der Student der Theologie hat dem Schicksal unseres Volkes gegenüber und den Aufgaben, die die Staatsführung an die Jugend unseres Volkes stellt, ausnahmslos in jeder Beziehung die gleiche Verpflichtung. Höchstens müßte man mit Recht fordern, daß er mit besonderem Ernst sich diesen Aufgaben gegenüber mit seinem Gewissen gebunden weiß." Trotz dieses Aufrufes, der einen Nachholebedarf an politischen und wehrsportliche Aktivitäten der Marburger Theologiestudenten in SA oder auch SS konstatierte, war die studentische Beteiligung innerhalb der SA auch an den theologischen Fakultäten durchaus erheblich. Durch akute Politisierung und Gleichschaltung des Universitätsbereiches im Jahre 1 9 3 3 kam es mancherorts zu starken Belastungen der Studenten, unter denen auch die Fachschaftsarbeit zu kurz kam. Über zu starke zeitliche Beanspruchung durch den SA-Dienst klagte ein Bericht der theologischen Fachschaft der Universität Gießen im Wintersemester 1 9 3 3 / 3 4 . Der Fachschaftsvorsitzende stud, theol. Wilhelm Auer schrieb dazu: 5 2 „Die Arbeit litt äußerst stark unter der starken Belastung der Studierenden durch S.A.-Dienst. Eine geregelte Arbeit war daher unmöglich, da es mehr denn je an geeigneten Terminen fehlte. Trotzdem rief ich zwei Arbeitsgemeinschaften ins Leben, die wir aber leider aus obengenannten Gründen nur bis Weihnachten durchführen konnten." Es handelte sich um Arbeitsgemeinschaften über „Unsere Kirche und der neue Staat", in der „die zur Zeit brennendsten Fragen von Staat und Kirche" besprochen wurden, sowie über Alfred Rosenbergs Buch „Der Mythus des 2 0 . Jahrhunderts". Ein psychotherapeutischer Vortrag „Lebenskonflikte der Studenten" fand indes statt; ferner sprach Professor Friedrich Gogarten (damals Breslau) über das aktuelle Thema „Gottesgesetz und Volksgesetz", bei dem nicht nur die politische Funktion des Gesetzesbegriffs betont, sondern auch dem Volksgesetz ansatzweise eine der Sünde überführende Bedeutung zukam. Im übrigen galt die Zeitfrage dafür als entscheidend, wie sich die weitere Fachschaftsarbeit in Gießen gestalten werde. 5 3 Die Semesterberichte der theologischen Fachschaften im Studienjahr 1 9 3 3 / 3 4 erwähnen diese übermäßige zeitliche Beanspruchung durch SADienst. Natürlich beanspruchte auch das fakultätsübergreifende studentische Korporationswesen die Freizeit der Studenten. Bei Theologen war 52.

Ebd. 13 ( 1 9 3 4 ) , Sp. 9 2 .

53.

Ebd.

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Fachschaftsarbeit und studentisches Korporationswesen

im Unterschied zu waffentragenden Studentenverbindungen traditionsgemäß besonders der Wingolf als „nichtschlagende" Studentenverbindung bevorzugt. Der politische Umschwung des Jahres 1933 hat die theologischen Fakultäten an den Universitäten wie auch kirchliche Ausbildungsstätten in ähnlicher Weise erfaßt. Das zeigen die Fachschaftsberichte der Theologischen Schule in Bethel. Schon der Bericht von stud, theol. Κ. A. Hirsch über das Sommersemester 1933 in Bethel verwies auf studentische Aktivitäten:54 Feier des 1. Mai als „Tag der deutschen Arbeit", Beteiligung am „Tag der Jugend" in der Senne mit „Schlußprüfungen der Ordnungsübungen im Wehrsport". Kommilitonen, die weder in der SA noch im „Stahlhelm", der Frontkämpferorganisation der nationalen Rechten, waren, hatten damals die Wahl zwischen Turnen und Wehrsport. An „Arbeitsgemeinschaften" gab es die „SA.", die Studentenkampfgruppe „Deutsche Christen", die „Stag", (=Studentische Arbeitsgemeinschaft), einen V.D.A.-Kreis (=Verein für das Deutschtum im Ausland) und einen „Staatspolitischen Arbeitskreis" neben literarischem Arbeitskreis und Musikgruppe. Diesen „radikalen Umbruch" im Leben der Theologischen Schule Bethel, wie er 1933 stattfand, hat stud, theol. Hermann-Heinrich Ulrich geschildert. Sein Fachschaftsbericht am Ende des Wintersemesters 1933/34, abgedruckt im Aprilheft 1934 der Theologischen Blätter 55 , wies auf die ungemein wichtige „Änderung des Betheler Stiles" durch die Eingliederung der Studenten der Theologischen Schule in die „Deutsche Studentenschaft" hin: „Damit ist nicht nur der Anschluß an die allgemeine Neuorientierung des deutschen Hochschullebens im nationalsozialistischen Staat gewonnen, sondern darüber hinaus hat die Betheler Theologische Schule gewissermaßen stellvertretend für alle anderen deutschen Hochschulen als erste den neuen Studententypus zu formen vermocht und in ihrem ganzen Leben das Ideal einer Hochschule im Dritten Reich wirklich erreicht." Dieses Ideal einer Hochschule wurde im „Politischwerden und Wehrhaftwerden in der harten Schule der Kameradschaft" erblickt. Damit sei „der Typ des rücksichtslos egozentrischen Studenten ein für alle Mal als Norm des deutschen Studenten erledigt, nun erhalten auch die alltäglichsten Dinge ihren Sinn erst in Bezug auf die Gemeinschaft". Der Tagesrhythmus werde von daher bestimmt: Nicht nur das Frühstück, zu dem kurz nach 7 Uhr die ganze Studentenschaft 54. 55.

Theologische Blätter 13 ( 1 9 3 4 ) , Sp. 3 4 4 . Ebd. 13 ( 1 9 3 4 ) , Sp. 1 2 2 f. (Bericht stud, theol. Heinrich-Hermann Ulrich).

Fachschaften und Studentengruppen

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angetreten vor dem Remter stehe, sondern „auch die übrigen Mahlzeiten sind in diese genaue und ungemein strenge Zucht einbegriffen". In Bethel habe die Erziehung in Kameradschaftshaus und in der SA entscheidende Bedeutung für den politischen und wehrhaften Studenten. In den drei Kameradschaftshäusern sei allerdings nur reichlich ein Drittel der ganzen Studentenschaft untergebracht. Die Kameradschaftshäuser, deren strenge Tageseinteilung dem einzelnen gerade in der Gemeinschaft doch auch Freiheit zu ernster wissenschaftlicher Arbeit gäben, seien in ihrer zentralen Stellung im Leben der Studentenschaft vorbildlich geworden für den ganzen Kreis West der „Deutschen Studentenschaft", wie es deren Kreisführer im Kreis West, SA-Sturmführer Albert Derichsweiler, im Januar 1934 beim Besuch eines Kameradschaftsabends in Bethel lobend hervorgehoben habe. Außerdem: „Fast alle Studenten ( 9 5 % ) sind ( . . . ) in der SA zusammengeschlossen und erleben hier in ganz besonderer Weise, den Blick abzuwenden vom Gedankenkreis des Ich, zum Wollen und Hoffen eines ganzen Volkes." Aber auch die andere Seite der SA, der Wehrsport, werde in Bethel ganz ernst genommen. Man räume ihm einen ganzen Tag, nämlich den Sonnabend, ein. Die aus 192 Studenten (davon 13 Studentinnen) bestehende „kleine Fachschaft" der Theologischen Schule Bethel sei in ihrer Arbeit politisch voll anerkannt, hieß es im Fachschaftsbericht. Auch die Intensität der wehrsportlichen Schulung sei in der SA-Führung niemals in Frage gestellt worden: „Uber die Anfangsgründe militärischer Zucht haben wir es in diesem Semester bis zu größeren Geländeübungen gebracht." Gemeinschaftsabende mit der Bielefelder SA in Bethel und „Deutsche Abende" in Bielefeld und Umgebung wurden veranstaltet. Auch auf das Handballspiel gegen die Mannschaft der Universität Münster wurde hingewiesen. Innerkirchliche Zusammenarbeit der Betheler Laienspielgruppe mit Bielefelder Kirchgemeinden, so der Jakobusgemeinde, wo Pfarrer Wilhelm Niemöller, der Bruder Martin Niemöllers, amtierte, hatte zur Adventszeit nicht gefehlt. Der Betheler Studentenschaftsführer (im Wintersemester Kamerad stud, theol. Weigelt) und die Leiter der ihm unterstellten Haupt- und Nebenämter wohnten in einem Kameradschaftshaus, „so daß sich die Führung in einziger Weise einheitlich, fest und geschlossen gestaltet". Die hohe Beanspruchung des einzelnen durch die Gemeinschaft habe in Bethel „in Fachschaft und SA-Dienst" indes keineswegs dazu geführt, daß die wissenschaftliche Arbeit gerade im Wintersemester 1933/34 als untergeordnet betrachtet wurde. Vielmehr müsse - bedingt durch die Lage in Volk und Kirche - ein Grundzug theologischer Besinnung auch

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Korporationswesen

in der Fachschaftsarbeit festgestellt werden. Trotz der (politisch bedingten) Beurlaubung des alttestamentlichen Dozenten Pastor Lie. Wilhelm Vischer, der in Bethel nicht zu halten war, vielmehr bald darauf in die Schweiz zurückkehren mußte, und durch den Weggang von Pastor Lie. Theodor Schlatter, der Neues Testament gelehrt hatte, sei die exegetischbibelwissenschaftliche Arbeit „zwar stark beeinträchtigt, aber nicht entscheidend gestört" gewesen, hieß es, den Konflikt um Vischer etwas herunterspielend. Neues Interesse habe die Kirchengeschichte unter Pastor Lie. Robert Frick gefunden. Ein Kolleg von Pastor D. Georg Merz über „Volk, Kirche und Staat von 1 7 8 9 bis zur Gegenwart" hatte nicht nur einführenden Charakter, sondern versuchte die gegenwärtige Lage verständlich zu machen. Außerdem war eine Vortragsreihe vom Leiter der Betheler Aufbauschule Dr. Müller über „germanische Vorgeschichte" angeboten und von den Studenten „redlich besucht" worden. Die leidenschaftliche Anteilnahme der Studentenschaft am Weg der Kirche habe sich darin gezeigt, daß sich alle kirchenpolitischen Gruppen der Gegenwart in der Betheler Studentenschaft spiegelten. Doch habe der Leiter der Theologischen Schule Pastor D. Wilhelm Brandt das Wollen der einzelnen Gruppen verständnisvoll auf das Wesentliche konzentrieren können. Ein Vortrag von D. Wilhelm Zoellner, westfälischer Generalsuperintendent a. D., habe wegweisend gewirkt und den Blick dafür geschärft, was es heiße: „Deutscher Student im Dritten Reich zu sein und zugleich stehen in der Gemeinde Jesu Christi." 5 6 Die in Bethel beobachtbare Anpassung an die Organisationsstruktur der an den Universitäten und Hochschulen tätigen, 1 9 3 3 gleichgeschalteten „Deutschen Studentenschaft" diente auch dazu, die Autonomie der Theologischen Schule Bethels sicherzustellen und so ein Eingreifen von außen möglichst abzuwehren oder wenigstens abzuschwächen. Diese teilangepaßte Resistenzform war im Dritten Reich auch für die Leitung der Betheler Anstalten unter Pastor Friedrich v. Bodelschwingh charakteristisch und hat sich - wie generell für die Betheler Krankenanstalten - zunächst auch für die Theologische Schule bewährt. Trotzdem wurde die Theologische Schule in Bethel im Jahre 1 9 3 9 staatlicherseits geschlossen. Auch die Evangelisch-Theologische Fachschaft der Universität Münster (Westf.) verwies auf organisatorische Belastungen ihrer Arbeit im Sommersemester 1933, weil die Fachschaften der „Deutschen Studentenschaft" unterstellt wurden und die Zugehörigkeit zur Fachschaft den 56.

Theologische Blätter 13 (1934), Sp. 122 f.

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Studierenden nicht mehr freigestellt, sondern obligatorisch war. Mitte des Semesters mußte zudem der theologische Fachschaftsleiter, dem die Studentenschaftsführung der Universität das Vertrauen entzogen hatte, ausgewechselt werden. Die Fachschaftsarbeit hatte sich sonst auf Vortragsabende beschränken müssen. Generalsuperintendent Wilhelm Weirich sprach über das Verhältnis von Kirche und Staat, Prof. Helmuth Kittel (damals noch Pädagogische Hochschule Potsdam) über die Glaubensbewegung Deutsche Christen. Im Fachschaftsbericht hieß es zu H. Kittels Ausführungen: „Der Vortrag war kein Werbevortrag, sondern sollte mit dazu beitragen, über die wissenschaftlichen Voraussetzungen und theologischen Grundlagen der augenblicklich in der evangelischen Kirche im Brennpunkt stehenden Fragen Klarheit zu verschaffen". Gesamtstudentisch verpflichtend waren Morgenfeiern und sportliche Betätigung. Geschlossen nahmen alle Fachschaften der Universität an einem Vortrag des Gauleiters der NSDAP von Westfalen Josef Wagner über die Aufgaben der Universität im Dritten Reich teil. Am Schluß des Semesters wurde ein Gemeinschaftsabend veranstaltet, zu dem die evangelischen Gemeinden Münsters eingeladen hatten, „um auch so die Volksgemeinschaft zu pflegen". 57 Im Marburger Fachschaftsbericht des Sommersemesters 1933 schrieb stud, theol. Theophil Flügge zwar nicht ausdrücklich von der Beteiligung am SA-Dienst 58 , die der Fachschaftsleiter Weibezahn als unzulänglich bezeichnet hatte. Doch zeigte sich auch hier das Bedürfnis, sich mit der „nationalen Erhebung" auseinanderzusetzen. Nach dem Bericht hatte sich die Marburger Theologenschaft „in den beiden vergangenen Semestern um die theologische Klärung der gegenwärtig uns sonderlich berührenden Frage nach dem Verhältnis des Evangeliums zu den natürlichen Ordnungen des Lebens" bemüht: Hatte man sich im Wintersemester 1932/33 noch in „recht abstrakter Weise" das Verhältnis von Staat und Volk in protestantischer und katholischer Theologie darlegen lassen (von Prof. Friedrich Gogarten aus Breslau und Prof. Joh. Peter Steffes aus Münster), so versuchte man im Sommersemester 1933 „der veränderten Zeitlage entsprechend, die konkreten Fragen so wie sie der Kirche gestellt waren, zu klären": Pfarrer Karl Bernhard Ritter (Marburg), Vertreter der „Berneuchener Bewegung", der damals exponiert in der „Jungreformatorischen Bewegung" mitwirkte, gab einen Uberblick, an den sich eine

57. 58.

Bericht in: Theologische Blätter 12 (1933), Sp. 3 4 4 f. Ebd. 12 (1933), Sp. 3 1 4 .

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lebhafte Diskussion anschloß, bei der auch die deutschchristliche Richtung zu Worte kam. Auch Prof. Emanuel Hirsch (Göttingen), der die reichskirchliche Kirchenpolitik der Deutschen Christen theologisch favorisierte, sprach im Sommersemester 1933 auf Einladung der Marburger Studentenschaft theologisch-systematisch und aktuell über die Frage des „Reichsbistums". Bei aller leidenschaftlichen Erregung, die dies Thema auslöste, seien in ernster theologischer Debatte in geschlossenen Theologenversammlungen die aktuellen Kirchenfragen unter Leitung des Marburger Systematikers Prof. Heinrich Frick von den Bekenntnisschriften und Luther her erörtert worden, so daß die Einheit der Fachschaft schließlich doch habe gewahrt werden können. Am Ende des Semesters hat der eigene Kirchenhistoriker und Neutestamentier Prof. Hans von Soden, der später als Vertrauensmann der bekenntniskirchlich orientierten Dozenten fungierte, über die neue Kirchenverfassung der DEK informiert. Bei der Aufstellung des Arbeitsplanes der Evangelisch-theologischen Fachschaft Tübingen für das Sommersemester 1933 ging der damalige Leiter stud, theol. Walter Göbell „von dem Grundsatz aus, daß in der theol. Fachschaft bei der Auswahl der Vorträge die Konsequenzen der neuen Weltanschauung zum Ausdruck kommen" müßten: „Dementsprechend trugen die Vorträge das Gepräge der nationalsozialistischen Weltanschauung. Sie führten uns aus dem fachwissenschaftlichen Gebiet heraus an die Fragen von Volk, Staat und Kirche." Die überfüllten Vorträge wurden von Studierenden aller Fakultäten besucht: es sprachen Prof. Bernhard Bavink (Bielefeld) vom Keplerbund über „Eugenik und Weltanschauung", der Publizist Dr. Wilhelm Stapel (Hamburg) über „Gottes Reich und Drittes Reich", Prof. Gerhard Kittel (Tübingen) über „Die Judenfrage". Weiter hieß es im Tübinger Fachschaftsbericht: „Um die Bewegung der Deutschen Christen in die Reihen der Theologiestudenten zu tragen, wurde die hiesige Ortsgruppe der Deutschen Christen gegründet. Die allwöchentlichen Schulungsabende dienten einer gründlichen Einführung in Wesen und Ziel der Bewegung." Göbell betonte das Vertrauensverhältnis der Fachschaft zur Tübinger Fakultät. Ihr theologischer Lehrkörper stehe „seit langem den Strömungen in Volk und Kirche in besonderem Maße aufgeschlossen gegenüber": Das gehe schon daraus hervor, „daß die Fakultät einstimmig Pg. Prof. D. Fezer zu den Berliner kirchlichen Verhandlungen delegiert hat, der dann wieder zum Vertrauensmann aller Ev.-theol. Fakultäten gewählt wurde." Trotz der großen Zahl der Tübinger Theologenschaft - alle 952 damals immatrikulierten Tübin-

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im Dritten Reich

247

ger Studenten wurden als Fachschaftsangehörige gezählt - sei die innere Verbindung und der lebendige Austausch mit den Professoren sehr rege. Das ermögliche „erfolgreiche theologische und nationalsozialistische Arbeit". 5 9 Für Erlangen stellte der Fachschaftsbericht die politische Aufgeschlossenheit der Universität betont heraus: 60 „Seit einer Reihe von Semestern schon hatte die Theologische Fachschaft Erlangens eine ganz besondere Aufgabe innerhalb der ersten nationalsozialistischen Hochschule Deutschlands. Vorbildlich war immer das Vortragsprogramm und die Arbeit im Rahmen der Schulungsarbeit der Studentenschaft. Diese Stellung zu halten und aufzubauen, gerade nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus auch an der Hochschule, war mein Bestreben im Berichtssemester", betonte cand. theol. Karl Meyer von der Leitung der Evangelischen Fachschaft in Erlangen, später (seit 1935) Stadtvikar in Augsburg, St. Ulrich. Die Einführung des neuen Studentenrechts zu Beginn des Sommersemesters 1933, wie auch die neuen kirchlichen Bewegungen der „Deutschen Christen" und der auf Erlanger Boden gewachsenen „Lutherischen Arbeitsgemeinschaft" hätten den Einsatz der Fachschaft in ganz besonderer Weise gefordert. Das Schulungsprogramm hatte indes ebenfalls etwas hinter der organisatorischen Umstellung zurücktreten müssen. Offenbar hatten doppelte Richtlinien der Arbeit, nämlich des Amtes für Wissenschaft der „Deutscher Studentenschaft" und des Fachamtes der „Erlanger Studentenschaft", Reibungen mit der theologischen Fachschaft hervorgerufen, die sich nur dadurch beseitigen ließen, daß der Leiter des theologischen Fachamtes und des Amtes für Wissenschaft der Erlanger Deutschen Studentenschaft selbst zum Leiter der Fachschaft eingesetzt wurde. Diese Personalunion sollte konfliktentschärfend wirken. Der Erlanger Fachschaftsbericht hob dabei folgende organisatorische Aspekte hervor, die 1933 Bedeutung gewannen: Pflichtmäßige Erfassung aller Studierenden der Theologie; enge Zusammenarbeit zwischen Fakultät und Fachschaft, Kontakt zu Kreisen der Pfarrerschaft und der Kirchenleitung in Bayern; die wissenschaftliche Arbeiten der Fachschaft (Schulungsvorträge usw.) sollten sich organisch in den Gesamtplan des Vortragsamtes der „Deutschen Studentenschaft" eingliedern. Dabei galt: „Die Vorträge durften nicht nur für einige wenige von Interesse sein, sondern mußten der großen Gemeinschaft von Nutzen und auf nationalsozialistischer Grundlage und Forderung aufgebaut sein." 59.

60.

Ebd. 12 (1933), Sp. 373 f.

Ebd. 12 (1933), Sp. 377.

248

Fachschaftsarbeit und studentisches

Korporationswesen

Dabei war es der Erlanger Fachschaftsleitung 1933 um engen Kontakt zum Landesbischof Hans Meiser zu tun; der Fachschaftsleiter cand. theol. Karl Meyer hatte dem Bischof bei seiner Amtseinführung unbedingte Gefolgschaft gelobt; habe doch die Fachschaft neben der Fakultät an der einzigen protestantischen Universität Bayerns eine besondere Aufgabe zu erfüllen. Zu Semesteranfang sprach in Erlangen Pfarrer Fritz Kessel (Berlin-Spandau), damals Reichspropagandaleiter der Glaubensbewegung DC, danach bis zu seiner Entmachtung Herbst 1935 ostpreußischer Provinzialbischof. Sein Thema war „Die werdende Reichskirche nach Ausgangspunkt, Formung und Zielsetzung". Das Vortragsprogramm der Fachschaft beschränkte sich im übrigen auf zwei Referate über Eugenik. Neben einem Mediziner sprach Prof. Paul Althaus (Erlangen) über das Thema „Unwertes Leben im Lichte christlichen Glaubens". Der Fachschaftsleiter appellierte im übrigen, in der Fachschaft spontan mitzuwirken; sei es doch eines Akademikers nicht würdig, wenn er lediglich durch unerbittlichen Zwang in die Fachschaft der „politischen Hochschule" eingegliedert und zur Mitarbeit herangezogen werden müßte. Der „Strebertyp" oder auch der „Privatstudierende" müßten begreifen, daß Wissenschaft zwar nur in fachlichen Spezialgebieten betrieben werden könne, aber darüber das letzte große Ziel „Gott Volk - Rasse" nicht vergessen werden dürfe. Trügen doch Hochschule, Fakultät wie Fachschaft gleichermaßen Veranwortung bei der „Heranbildung der kommenden geistlichen Führer". Die Fachschaftsarbeit des Herbstsemesters möge geschehen „zu Nutz und Frommen der Kirche und zum Heile unseres Volkes und Vaterlandes". In Leipzig, wo die Führung der theologischen Fachschaft im Sommersemester 1933 nach kirchenpolitischen Gesichtspunkten zusammengesetzt war, ernannte man im Wintersemester 1933/34 eine weniger kirchenpolitisch orientierte Fachschaftsleitung. Das mochte sich aus dem zunehmend gespannten Verhältnis zur deutschchristlich orientierten Kirchenleitung in Dresden nahelegen oder ergeben. War doch auch das Gutachten der Fakultät zu den 28 Thesen von Dr. Walter Grundmann, die die Landessynode (sog. „Braune Synode") im Dezember 1933 angenommen hatte, sehr kritisch ausgefallen. Der von den Theologiestudenten Kaiser und Matthes verfaßte Bericht der Fachschaftsleitung verwies auf die dringend gewordene Notwendigkeit einer theologischen Auseinandersetzung mit der völkischen „Deutschen Glaubensbewegung" und einer Klärung der Frage nach der Bedeutung der christlichen Religion im nationalsozialistischen Staat. Man hatte eigens dazu den Führer der neuheidnischvölkisch orientierten „Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Glaubensbe-

Fachschaften

und Studentengruppen

im Dritten

Reich

249

wegung", den Tübinger Religionswissenschaftler und früheren Ostasienmissionar Prof. Wilhelm Jakob Hauer, über „Die Deutsche Glaubensbewegung" sprechen lassen; die Gegenposition der Fakultät vertrat der praktische Theologe Prof. Dedo Müller (Leipzig) in einem Vortrag. Dozent Lie. Heinrich Gottfried Renkewitz (Herrnhut) sprach über „Christliche Religion und Staat". Auch Landesbischof Friedrich Coch war zu einem Vortrag über das Thema „Die Theologie in der Deutschen Evangelischen Kirche" eingeladen. 61 Stärker auf kirchlich-theologisches Eigenleben orientiert war die Theologische Fachschaft des Seminars der Herrnhuter Brüdergemeinde. Schon im Sommersemester 1931 hatte man darauf hingewiesen, daß die Herrnhuter Theologenschaft „anderer Art als alle Theologenschaften Deutschlands" sei: 62 „Wir sind in Herrnhut beinahe ganz von der Welt abgeschlossen. Probleme, die draußen mit ihrer ganzen Wirklichkeit und Wucht anstürmen (Bolschewisierung, Entkirchlichung, Katholizismus) dringen nur selten so akut zu uns." Die Fachschaft, die mit der ohnehin ganz kleinen Studentenschaft Herrnhuts gewöhnlich identisch sei, bemühe sich darum, mit den Fragestellungen der Gegenwart bekanntzumachen, wozu Ausspracheabende bei den Dozenten dienten. Im Wintersemester 1931/32 referierte Kommilitone S. Schröter aus Breslau über die Gottlosenbewegung; eine mehrtägige Freizeit in der Diakonissenanstalt der Brüdergemeinde in Niesky hatte diakonischen Fragen gegolten. 63 Im Sommersemester 1933 wurden die landeskirchlichen Predigerseminare der schlesischen Provinzialkirche in Naumburg/Queis (damals unter Direktor Pfarrer Johannes Scheller) und der sächsischen Landeskirche in Lückendorf O./L. (unter Direktor Lie. Martin Doerne, dem späteren praktischen Theologen in Leipzig) auf Exkursionen besucht. Das Wintersemester 1933/34 hatte in Herrnhut im Anschluß an die 4. Sächsische Musikwoche begonnen, die von Kommilitonen nach Herrnhut vermittelt worden war. Anläßlich der dort tagenden „Konferenz Christlicher Akademiker" sprach u. a. Oberkirchenrat Dr. Walter Grundmann (Dresden) über „Der Christ im totalen Staat", was den Kontakt zur sächsischen Landeskirche unterstrich. Eine Vortragssreihe über „Zinzendorfs Theologie" hielt Archivdirektor Wilhelm Bettermann (Herrnhut). Auf 61. 62. 63.

Ebd. 13 (1934), Sp. 92 f. Ebd. 10 (1931), Sp. 2 9 5 . Im Wintersemester 1 9 3 2 / 3 3 gab es in Herrnhut 15 Studierende, darunter zwei Studentinnen. Theologische Blätter 11 (1932), Sp. 156 (Bericht stud, theol. S. Volandt).

250

Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

aktuelle zeitgenössische theologische Problemstellungen zielten vier Vortragsabende von Dozent Lie. Werner Keßler über „Gott und Volk" im Alten Testament, der spätere Direktor Dozent Ernst Wilhelm Weber über Neues Testament und Volkstum; Dozent Lie. theol. Heinrich Gottfried Renkewitz über die „Bekehrung der Germanen zum Christentum" und der damalige Direktor des Seminars D. Theodor Steinmann über das Thema „Die antichristlichen Bestrebungen für eine artgemäße deutsche Religion", auch dies ebenso in evangelischer Theologie und Kirche damals übliche apologetische Themen. Zur kirchlichen Lage sprach vor der Studentenschaft als Vertreter der Deutschen Christen Pfarrer Walter Birnbaum, später Oberkirchenrat in Berlin und dann praktischer Theologe in Göttingen. Eine studentische Arbeitsgemeinschaft handelte von „Vererbungslehre und Rassenkunde". Eine weitere von Lie. Keßler angekündigte Arbeitsgemeinschaft über die Judenfrage mußte ausfallen, da die Studenten in Herrnhut durch die Einstudierung eines Lutherspieles und durch Examensarbeiten in Anspruch genommen waren. 64 Die sozialdiakonisch wie bildungsmäßig aufgeschlossene, frömmigkeitszentrierte, im ganzen aber politisch zurückhaltende Art der Herrhuter spiegelte sich in der Fachschaftsberichterstattung 1933/34 durchaus wider. In der reformierten Theologischen Schule Elberfeld war ebenfalls die Fachschaft mit der Studentenschaft identisch. Das Studium in Elberfeld hatte damals propädeutischen Charakter und diente der evangelischreformierten Vorbereitung auf das Theologiestudium an den Theologischen Fakultäten. 1932, als die Studentenzahl auf 76 angestiegen war, erfolgte aus lernmethodischen Gründen eine Aufteilung in fünf Gruppen. Vorträge seitens der Studentenschaft entfielen, aber es wurden von der Schulleitung aus - wie schon früher - vorwiegend theologische und konfessionskundliche Vorträge obligatorisch gemacht, so zum Beispiel der Vortrag von Lie. Wilhelm Niesei über den „Heidelberger Katechismus und die Erwählungslehre". Zum Thema Unterscheidungslehren der Konfessionen sprachen Generalsuperintendent a. D. Wilhelm Zoellner, Rabbiner Leo Baeck, der Jesuitenpater Erich Przywara und vom reformierten Standpunkt aus Lie. Alfred de Quervain. 65 Auch im Wintersemester 1932/33 war in Elberfeld der Besuch von Vorträgen, so in der Kantgesellschaft, obligatorisch. Theologiestudenten verschiedener Korporationen gaben ihren Kommilitonen, die noch 64. 65.

Theologische Blätter 13 (1934), Sp. 1 2 3 f. (Bericht stud, theol. Friedrich Ziegel). Ebd. 11 (1932), Sp. 2 5 0 .

Fachschaften und Studentengruppen

im Dritten Reich

251

nicht auf der Universität gewesen waren, einen Einblick ins studentische Korporationsleben.

E r w ä h n t wurde, d a ß zum ersten M a l

im

Herbst 1 9 3 2 eine Langemarck-Feier zum Gedenken an die verlustreiche Erstürmung des flandrischen Ortes a m 1 1 . N o v e m b e r 1 9 1 4 durch studentische Kriegsfreiwillige stattgefunden h a t t e . 6 6 Im J a h r e

1933/34

versuchte man so durch existenzsichernd umsichtig wahrgenommenes Anpassungsverhalten evangelisch-reformiert geprägtes kirchliches Autonomiebewußtsein umzusetzen. Herbst 1 9 3 5 gewährte die Theologische Schule der verbotenen bekenntniskirchlichen „Hochschule für reformatorische T h e o l o g i e " Unterschlupf und Tarnung in ihren G e b ä u d e n , wurde aber im Dezember 1 9 3 6 selbst aufgelöst, so d a ß jene ihre Arbeit nur noch eingeschränkt und entsprechend getarnt weiterführen konnte. Auch kirchenpolitische Gruppierungen (Deutsche Christen und Bekennende Kirche) versuchten Einfluß auf die Studentenschaft der theologischen Fakultäten zu gewinnen. N a c h der Auflösung des Studentenkampfbundes

„Deutsche

Christen"

Herbst

1933

durch den

NS-

Studentenbundsführer versuchten die Deutschen Christen, ihre Studentenarbeit an den Universitäten 1 9 3 4 / 3 5 durch einen „Reichskirchlichen S t u d e n t e n b u n d " unter dem damals in der Reichskirchenregierung Ludwig Müllers tätigen „ R e i c h s v i k a r " Pastor Fritz Engelke anzukurbeln. Verantwortet und organisatorisch getragen von der

Reichsbewegung

Deutsche Christen unter ihrem damaligen Reichsleiter, dem Kieler Konsistorialrat Dr. Christian Kinder, waren diese auf Pfarrer, T h e o l o g e n und Studenten, aber natürlich auch auf Laien gerichteten reichskirchlichen Bemühungen zeitweilig von Spannungen zwischen Engelke und Dr. Kinder beeinträchtigt. Diese Initiativen, die noch vorhandene DC-Studentengruppen zu aktivieren versuchten, gingen H a n d in H a n d mit der Veranstaltung reichskirchlicher Pfarrer- und Dozententagungen. M i t der „reichskirchlichen P a r o l e " wollte man auch Kreise erreichen, die sich nicht im engeren Sinne deutschchristlich verstanden. Faktisch hatten a b e r solche „reichsk i r c h l i c h e n " Veranstaltungen keinen größeren Erfolg an den Fakultäten, „soweit sich nicht implicite die D C - O r g a n i s a t i o n e n dafür e i n s e t z t e n " . 6 7 So hatte der damalige Berliner D C - G a u o b m a n n Pfarrer Friedrich Tausch im Juli 1 9 3 5 Kundgebungen in Berliner Kirchen organisiert, an denen auch eine von ihm ins Leben gerufene „Arbeitsgemeinschaft junger T h e o 66. 67.

Ebd. 12 ( 1 9 3 2 ) , Sp. 1 2 1 . UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 2 8 6 (Cajus Fabricius an Hans Schmidt 2 9 . Juni 1935).

252

Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

logen" teilnahm. Die vornehmlich aus Berliner Theologiestudenten bestehende Gruppe, die sich mit den Aktivitäten der Deutschgläubigen auseinandersetzte, befand sich in der Berliner Fakultät - so hieß es „mit großen Schwierigkeiten im Einzelkampf". 6 8 Eine Arbeitsgemeinschaft deutschchristlicher Studenten des ganzen Reiches unter Leitung von Dr. Kinder war zu Beginn des Wintersemesters 1935/36 ins Auge gefaßt. 6 9 Eine „reichskirchliche Hochschultagung" hatte im Juni 1935 in Leipzig stattgefunden. An ihr beteiligten sich DC-Studentengruppen von Leipzig und Halle. Der „Reichskirchliche Studentenbund", der neben Kontakten zu anderen Universitäten vor allem in Berlin, Halle und Leipzig zeitweilig eine gewisse Resonanz besaß, hat einige Lager, als Rüstzeiten für Theologiestudenten gedacht, durchgeführt. Prof. Cajus Fabricius (damals noch Berlin), der Ende Juni 1 9 3 5 seinen Kollegen Hans Schmidt in Halle auf eine bevorstehende reichskirchliche Dozententagung in Berlin hinwies, meinte allerdings, weitere organisatorische Festlegungen seien unnötig, „da die deutsch-christlich organisierten Dozenten bereits vertrauensvoll mit den DC-Studentengruppen im Reich zusammenarbeiten" und letztere auf dieser Basis noch fester zusammengefaßt würden. 70 Die Dozententagung der Deutschen Christen im Berliner Landwehrkasino am 2. Juli 1935, auf der neben dem - in seinem Amt schon erheblich verunsicherten - Reichsbischof Ludwig Müller die Professoren Martin Redeker (Kiel) und Robert Winkler (Breslau) sprachen, beschäftigte sich ebenfalls mit Fragen der Studienreform und mit dem Verhältnis von Kirche und Theologie. Die Teilnahme von Theologiestudenten an der wissenschaftlichen Tagung der Reichsbewegung DC, die am 21.-23. Oktober 1935 in Wittenberg stattfand, wurde von der Reichsstudentengruppe organisiert. Eine Anordnung der Reichsleitung der Deutschen Christen wies darauf hin, das sämtliche DC-Studenten ausnahmslos der Reichsstudentengruppe angehören sollten. Die Meldung ihrer Adresse an die Reichsleitung der Reichsbewegung DC wurde erwartet. Angesichts des organisatorischen Desintegrationsprozesses der Reichsbewegung DC während der Zeit der Kirchenausschüsse 1935 bis 1 9 3 7 blieben diese Bemühungen um Zusammenfassung von DC-Studentengruppen in den einzelnen Gauen jedoch schwierig. Erhebliche Splittergruppen der 68. 69. 70.

Positives Christentum 1 (1935), Nr. 3 (28. Juli 35) Positives Christentum 1 (1935), Nr. 1 (7. Juli 1935). UA Halle, Rep. 27, Nr. 2 8 6 (Cajus Fabricius an Hans Schmidt, 29. Juni 1935).

Fachschaften

und Studentengruppen

im Dritten

Reich

253

Reichsbewegung schlossen sich der nationalkirchlich orientierten Kirchenbewegung DC (sog. Thüringer DC) an, die ihrerseits an verschiedenen Universitäten Theologiestudenten zu gewinnen und zu organisieren versuchte. Auch publizistisch widmete man den Fragen des Theologiestudiums ebenfalls Aufmerksamkeit. So befaßte sich der damalige Oberkirchenrat Otto Langmann, der später in den auswärtigen Dienst ging, als Beauftragter der Reichsbewegung DC für Theologie und Hochschule publizistisch mit einer „Neuordnung des Theologiestudiums als Voraussetzung für den Aufbau einer volksmissionarischen Kirche". 7 1 Durch Gemeinschaftserziehung solle eine „scheuklappenfreie Volksverbundenheit" der Theologen erreicht werden. Nachdem die anfangs beobachtbare Favorisierung der evangelischen Kirche in nationalsozialistischen Kreisen infolge des Kirchenstreites nahezu vollständig aufgehört habe und die „Gunst der Stunde" des Jahres 1933 jetzt nicht mehr die volksmissionarische Arbeit fördere, müsse der besonderen beruflichen Vorbildung der künftigen Pfarrer im Blick auf die überaus ernste Lage der Deutschen Evangelischen Kirche um so größere Aufmerksamkeit zugewandt werden. Die doppelten Unterstellungsverhältnisse der theologischen Hochschullehrer als Staatsbeamte unter dem Kultusministerium und der Pfarrer als Beamten einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gestalte Koordinierungsaufgaben der evangelischen Pfarrerausbildung schwierig. Doch fügten sich die meisten Universitätstheologen in den kirchlichen Rahmen ein, so daß eine kirchlich notwendige Erneuerung des Theologiestudiums im Einvernehmen mit der staatlichen Wissenschaftsverwaltung und der Dozentenschaft nicht aussichtslos sei. Als im Herbst 1935 die Reichskirchenregierung Ludwig Müllers auf Grund kirchenministerieller Initiative durch den Reichskirchenausschuß Wilhelm Zoellners abgelöst wurde und bald auch verschiedene weitere deutschchristliche Kirchenführer ausgeschaltet waren, hat auch diese „reichskirchliche" Studentenarbeit an Boden verloren, obwohl die Bemühungen um theologische Themen, auch solche der Pfarrerausbildung, gerade während der Zeit der Kirchenausschüsse durch besondere Aktivitäten des Theologischen Amtes der Reichsbewegung DC unter Pfarrer Dr. Friedrich Grünagel und danach besonders durch Pfarrer Dr. Werner Petersmann, den schlesischen DC-Gauobmann, spürbar zunahmen. Unter dem Zeichen der von Kirchenminister Kerrl eingesetzten 71.

Positives Christentum 1 ( 1 9 3 5 ) , N r . 1 0 (8. September 1 9 3 5 ) : Die Heranbildung der Theologen zu einem kirchlichen Stand.

254

Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

Kirchenausschüsse waren neue Initiativen gefragt, die Studentenarbeit an den theologischen Fakultäten im reichskirchlichen Sinne zu beeinflussen. Diesem Bemühen der DC-Organisationen entsprachen auch Planungen und Aktivitäten an den theologischen Fakultäten selbst. Studentischerseits wurde hier im Zusammenhang mit der Fachschaftsarbeit wie bisher über aktuelle und praxisbezogene Gestaltung des Theologiestudiums nachgedacht. Der Student sollte schon während des Studiums stärker auf die Erfordernisse des geistlichen Amtes hin motiviert werden. Ein Bericht aus Halle zeigt dabei die beratende und kooperative Unterstützung der fachschaftlichen Arbeit durch den Lehrkörper. Prof. Friedrich Karl Schumann (Halle) sah zu Beginn des Wintersemesters 1934/35 den theologischen Unterricht der theologischen Fakultäten vor eine neue Lage gestellt. 7 2 M i t Theologiestudenten, von denen manche über längere Erfahrungen in SA und Lagerdienst verfügten, unter ihnen der Leiter der theologischen Fachschaft, wurde unter Beteiligung des Dekans über neue Formen der Studiengestaltung, insbesondere über ein Zwischenpraktikum nach dem vierten Semester diskutiert. Der Theologiestudent, der im Arbeitsdienstlager oft als Theologe angesprochen wurde, ohne bereits im Vollsinn Rede und Antwort stehen zu können, habe Anspruch darauf, im Studium sofort klar und entschieden vor Sach- und Existenzfragen seines künftigen Berufs gestellt zu werden. Die ersten Semester dürften nicht nur wie bisher vorwiegend mit historisch-philologischen Fragen ausgefüllt sein, sondern müßten wichtige Einführungsvorlesungen enthalten. Dazu gehörten eine aktuelle konfessionelle Propädeutik über Wesen der evangelischen und katholischen Kirche; auch Themen wie „germanische Religion" und „Christianisierung der G e r m a n e n " müßten besonders behandelt werden, weil der junge Theologe häufig darauf angesprochen werde. Es ging um orientierende Motivierung für den Pfarrerberuf und apologetische Fragestellungen in aktuellen Problembereichen. Nach dem 4 . Semester sollte ein praktisches Arbeitshalbjahr eingeschoben werden. Das sei für die Lebensverbundenheit des künftigen Pfarrers unerläßlich. Das Studium werde dadurch existenzverbundener, antriebsreicher. Eine aktive Beteiligung an der Wortverkündigung (Predigt, Kindergottesdienst, Kasualien) war dabei allerdings nicht vorgesehen; sie könne beim Theologiestudenten nur das Gefühl der Fertigkeit erzeugen und damit alles zerstören. Die Studenten sollten vielmehr bei Pfarrern von Landgemeinden hospitieren, um 72.

Deutsche Theologie 1 ( 1 9 3 4 ) , S. 1 4 2 - 1 4 7 (Friedrich Karl Schumann, Neugestaltung des Theologiestudiums).

Fachschaften und Studentengruppen

im Dritten Reich

255

die Atmosphäre des Pfarramtes und die Lebensprobleme volkskirchlicher Existenz kennenzulernen. Auf dem Lande sollten die Theologiestudenten K o n t a k t zum Bauerntum suchen; auch das spätere Vikariat sollte in Dorfgemeinden abgeleistet werden. Auf dieses Praktikum folgten - nach dem Halleschen E n t w u r f - drei Semester Studium bis zum ersten theologischen E x a m e n und der Ubergang in die erste Abteilung des Predigerseminars, danach eine ein- bis anderthalbjährige Vikarszeit. Für Kandidaten, die keiner Pfarrersfamilie entstammten, sei dabei die Hausgemeinschaft im evangelischen Pfarrhaus unverzichtbar. N a c h der Vikarszeit war noch ein einsemestriger theologischer Studienkurs vorgesehen, in F o r m eines Studiensemesters gestaltet und an das Predigerseminar angegliedert, aber von der Universität mitgetragen. Auf diese Weise sollte die Verbindung der theologischen Fakultät mit dem geistlichen Amt und seinen Erfordernissen verbessert werden. Für bibelwissenschaftlich besonders Begabte war eine anschließende Sonderausbildung vorgesehen, w o r a u f die Vergabe von kirchlichen Stipendien Rücksicht nehmen sollte. Dabei war nicht in erster Linie an den a k a demischen N a c h w u c h s gedacht, dessen Förderung vielmehr besondere M a ß n a h m e n erfordere. Diese Planungen wurden so zwar nicht verwirklicht, zeigten aber die Bemühung, Brücken vom akademischen Studium zur volkskirchlichen Praxis schon während des Studiums zu schlagen. In der ohnehin unterschiedlich ausgerichteten Fachschaftsarbeit der theologischen Fakultäten, die in der Regel den kirchenpolitischen Kräfteverhältnissen der einzelnen Fakultäten folgte oder auch vom jeweiligen D e k a n abhängig oder beeinflußt war, gab es vereinzelt auch radikale Auswüchse. Das zeigte ein gedruckter Aufruf „An die ev. T h e o l o g e n ! " 7 3 vom 7. M a i 1 9 3 4 , für den die Fachschaft der evangelisch-theologischen Fakultät in Breslau verantwortlich zu zeichnen schien, der indes stärker den Alleingang eines radikalen einzelnen Studenten oder einer kleinen Gruppe darstellte. In dem Flugblatt hieß es: Im N o v e m b e r 1 9 3 3 habe der Luthergedenktag „die katastrophale Lage der ganzen evangelischen Christenheit" offenbart. D a s Flugblatt bemängelte an der Universitätstheologie, d a ß sie zu wenig den Aktualitätsbedürfnissen der Gegenwart entspreche. Die „ L e b e n s f e r n e " der Theologieprofessoren wurde gebrandmarkt. Was gegenwärtig auf der Universität geboten werde, sei eine

„wirkungslose

Scheinwissenschaft". Die systematische T h e o l o g i e gehe „gänzlich falsche 73.

An die ev. Theologen! Theol. Fachschaft Breslau (Aufruf, gedruckt. In: N L Siegfried, UB Marburg, Ms. Nr. 8 7 0 ) .

256

Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

Wege". Von der Dogmatik her seien alle anderen Disziplinen der Theologie „falsch abgezweckt". Das Neue Testament werde „entweder als paulinische Sündengnadenlehre oder als ein Konglomerat palästinensischer Religionsanschauungen traktiert". Von Jesus höre man nur, daß man nichts Sicheres von ihm wisse und daß es auf sein Leben, auf die biographischen Daten im einzelnen nicht ankomme. Die Kirchengeschichte sei „zu einer bloßen Chronologie von Tatsachen und Gedanken herabgesunken", deren Gegenwartswert fragwürdig bleibe. Man wolle vielmehr Glaubens- und Frömmigkeitsgeschichte des deutschen Volkes hören. Während die Disziplinen Systematik, Neues Testament und Kirchengeschichte bestehenbleiben sollten, könnten Altes Testament und Praktische Theologie entfallen. Das Alte Testament solle von Semitologen der philosophischen Fakultät gelesen, die Praktische Theologie am Predigerseminar gelehrt werden. Diese Kampfansage an die herrschende Theologie und ihre Vertreter wurde begleitet von einem Aufruf zur „Reform der theologischen Erziehung und des Pfarrerstandes". Dieser gedruckte Aufruf mit der Firmierung „Theologische Fachschaft Breslau" war zwar keineswegs ein charakteristisches Zeugnis für die allgemeine Beurteilung des universitären Theologiestudiums auf Seiten der Studentenschaft, machte aber im Frühjahr 1934 erhebliches Aufsehen. Der Aufruf war offenbar „an in- und ausländische evang.theologische Fakultäten, ja sogar an Kollegen philosophischer und katholischer theologischer Fakultäten und an sämtliche evangelische Geistlichen Breslaus" verschickt worden, wie die Breslauer evang.- theol. Fakultät in einem zur Aufklärung dieses peinlichen Sachverhalts an alle evangelischen Fakultäten Deutschlands versandten Schreiben berichtet. Es handele sich um das Vorgehen des Studenten der evangelischen Theologie Georg Walter, der ohne Wissen und Willen des Fachschaftsvorsitzenden dieses Pamphlet in Umlauf bringen ließ. Die Mitglieder der theologischen Fachschaft seien nicht befragt oder in Kenntnis gesetzt worden: „Fast alle lehnen dieses Pamphlet rundweg ab." Das von den Professoren Gogarten, Jirku, Leube, Lohmeyer, Steinbeck, Steuernagel, Hoennicke, Schaeder unterzeichnete Schreiben der Breslauer Fakultät bat darum, auch die jeweiligen Fachschaften in Kenntnis zu setzen. Es handele sich „nicht um einen um Kirche und Theologie besorgten Idealismus, sondern um einen der leider häufig aufgetretenen Versuche, an der Breslauer Universität Unruhe zu stiften". 74 Der Stu74.

UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 85 (Schreiben der Breslauer Fakultät, datiert „im Juni 1 9 3 4 " ) .

fachschaften

und Studentengruppen

im Dritten Reich

257

dent Walter mußte im Z u s a m m e n h a n g eines Disziplinarverfahrens, das die Fakultät gegen ihn anstrengte, Breslau verlassen. Bei ihm, der „vor einigen W o c h e n an der Spitze einiger Studenten eine Vorlesung von Prof. Schian durch Lärmen gesprengt und dabei äußerst beleidigend zu diesem Kollegen g e s p r o c h e n " habe, handele sich um einen studentischen Sympathisanten des in der Breslauer Evangelisch-Theologischen Fakultät stark isolierten und mit dem Kollegium zerstrittenen Prof. Karl Bornhausen. In der von Walter herausgegebenen studentischen Zeitschrift „Auf der W a c h t . Blätter für deutsches C h r i s t e n t u m " hat Bornhausen in einer Stellungnahme für die im Fachschaftsaufruf vertretene neue Auffassung von Theologie Verständnis zu wecken versucht. Die Fachschaft hat übrigens im Z u s a m m e n h a n g mit der Barmer Bekenntnissynode eine Eingabe an das Reichswissenschaftsministerium gerichtet, in der die Professoren M a r t i n Schian, Ernst Lohmeyer und sein Assistent Gottfried Fitzer als politisch untragbar bezeichnet wurden und auch Prof. Gogarten als unzuverlässig galt. Tendenz und Einzelheiten des Schreibens ließen Sympathie für Bornhausen erkennen. 7 5 Karl Bornhausen, der nach mehrjährigen internen Auseinandersetzungen im Professorenkollegium der Evangelisch-Theologischen Fakultät Breslau Herbst 1 9 3 4 an die Universität Frankfurt a m M a i n überwechselte, um dort einen Lehrstuhl für Philosophie zu übernehmen, galt als Vertreter eines „kirchenfreien deutschen C h r i s t e n t u m s " . 7 6 In einer 1 9 3 5 gefertigten „Denkschrift über Theologie, Staat und K i r c h e " 7 7 hat er den staatlichen C h a r a k t e r der theologischen Fakultäten prononziert betont. Es sei darum wichtig, „ d a ß der theol. Lehrkörper von allen kirchlichen Elementen frei erhalten w e r d e " . Es habe sich als unheilvoll erwiesen, d a ß die Professoren zugleich Konsistorialräte w a r e n , d a ß Generalsuperintendenten Lehraufträge an den Fakultäten erhielten. Vor allem müßten alle Lehraufträge nichthabilitierter Pfarrer zürückgezogen werden: „Lehraufträge an Pfarrer, die heute als Bekenntnisfrontier führend sind, sind wissenschaftlich nichtig und für den Staat unheilvoll."

75.

Dietrich Meyer, Z u r Geschichte der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Breslau, S. 1 6 1 - 1 6 5 . Abdruck des Breslauer Fachschaftsaufrufs: S. 1 6 7 - 1 7 0 ; vgl. Wiedergabe publizistischer Attacken von Georg Walter gegen Prof. Gogarten: Junge Kirche 3 ( 1 9 3 5 ) , S. 1 0 9 0 f.

76.

Junge Kirche 2 ( 1 9 3 4 ) , S. 7 7 4 .

77.

Denkschrift über Theologie, Staat und Kirche von D. Karl

Bornhausen,

Univ.-Prof. in Frankfurt a. Main, 1 9 3 5 ( 1 5 Seiten Schreib.-Masch.-MS. engzeilig, hektographiert, Deutsche Bücherei Leipzig).

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Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

In Bornhausens Denkschrift fanden sich Reformvorschläge zusammengefaßt, die er in den Jahren 1921 bis 1928 im „Allgemeinen Breslauer Hochschultaschenbuch" in der Rubrik „Einführung in das Studium der ev. Theologie" publiziert hatte (Hebräisch nur fakultativ, Verlegung der antiken Sprachen, nämlich Latein und Griechisch, vor das Studium, Verweisung der praktischen Theologie an die kirchlichen Predigerseminare u.a.). Das Studium sollte stärker historisch-kulturwissenschaftlich orientiert sein, wobei das „Neue Testament als Mitte" von historischer Theologie und systematischer Theologie eingerahmt erschien. Z u r „Historischen Theologie" rechnete Bornhausen „Antike Religions- und Kulturgeschichte" (darin enthalten: Altes Testament), „Christliche Kirchenund Theologiegeschichte", „Deutsche Glaubens- und Frömmigkeitsgeschichte"; die „Systematische Theologie" war aufgeschlüsselt in Religionsgeschichte, Philosophie, Religionspsychologie, Angewandte Dogmatik, Ethik. 78 Das genannte studentische Breslauer Fachschaftspapier, das an auswärtige Fakultäten verschickt wurde, 7 9 zeigte sich davon beeinflußt, wie Bornhausen die Universitätstheologie politisch einschätzte; hieß es doch in seiner Denkschrift: 8 0 „Aus der Erfahrung seit 1933 ist festzuhalten, daß die ev.-theol. Fakultäten als ganze den Geist des Nationalsozialismus nicht erfaßt haben und mehr oder weniger abseits von dem Lebensstrom des deutschen Volkes, auch in evangelischer Lebensart, stehen. Einzelne wenige Professoren haben den religiösen und christlichen Sinn des nationalsozialistischen Staates erfaßt. N u r auf diese wenigen kann sich die Reichskirche stützen, auf die ganzen Fakultäten vorläufig nicht." Bornhausen forderte auch, die jungen Theologen sollten statt ins Predigerkolleg alten Stils, w o sie „schwer gehemmt und gestört werden", ein halbes Jahr „in eine nationalsozialistische Führerschule für ev. Theologen" eintreten: „Dort wäre auch die Stelle, sie mit Volks- und Rassengeschichte, der Vererbungslehre ( . . . ) bekanntzumachen". Das Berufsbild vom evangelischen Pfarrer war in Bornhausens Denkschrift so formuliert: 8 1 „Der Leiter einer Gemeinde ist nicht länger PfarrHerr, er ist der Diener des Glaubensgeistes der Gemeinde. Diese Gemeinde ist aber nur ein Einzelfall des großen Gemeinwillens, der die 78. 79. 80. 81.

Bornhausen, Denkschrift, S. 5. Ein Exemplar fand sich im Nachlaß des Marburger Theologen Prof. Theodor Siegfried (UB Marburg). Denkschrift über Theologie, Staat und Kirche von D. Karl Bornhausen, S. 6. Ebd. S. 9.

Fachschaften

und Studentengruppen

im Dritten

Reich

259

gesamte deutsche christliche Volkheit erfüllt und das wird er niemals in einem Predigerseminar erfahren, sondern nur in einer natsoz. Führerschule wie sie Reichskanzler A. Hitler in vorbildlicher Weise für alle führenden Stände ins Leben gerufen hat. Darum muß auch beim Theologenstand die von Staat und Volksleben getrennte Erziehung aufgegeben werden. Der Pfarrer ist Volksmann." Der von ähnlicher Sichtweise aus konzipierte Breslauer Fachschaftsaufruf vom M a i 1 9 3 4 war in seiner gereizten studentischen Totalkritik an der herkömmlichen Universitätstheologie freilich nicht geeignet, im Bereich der theologischen Fakultäten auf Resonanz zu stoßen. Doch finden sich Einzelvorschläge, so die Abschaffung des obligatorischen Hebräischunterrichts für Theologen, auch anderwärts. So hat die Theologische Fachschaft in Jena später ein Telegramm an das Reichswissenschaftsministerium gesandt, Hebräisch nur noch fakultativ anzubieten, freilich ohne innerhalb der Fakultät damit durchzudringen. 8 2 Schon Ende 1 9 3 7 war die Ablegung des Hebraicums an höheren Lehranstalten nach Erlaß vom 15. Dezember 1 9 3 7 in Frage gestellt. Im Ausnahmefall sollte der schulische Hebräischunterricht bis Ende 1 9 3 8 fortgeführt werden können; von einer Prüfung sei aber abzusehen. Dagegen erhob noch Anfang 1 9 3 8 das Reichswissenschaftsministerium keinen Einwand, daß die Hebräischprüfung an der Universität im Rahmen des wissenschaftlichen Prüfungsamtes nach wie vor gehalten werde. 8 3 Wenn auch der damalige Dekan Prof. Eisenhuth (Jena) auf dem Fakultätentag dementsprechend für einen mehr fakultativen Charakter des Hebräischen plädierte, 8 4 sind die Alttestamentler, allen voran Hans Schmidt, energisch den seit Ende 1 9 3 7 wahrnehmbaren Tendenzen zur Abschaffung des obligatorischen Hebräischunterrichts für evangelische Theologen entgegengetreten. Auch Vertreter anderer Fachbereiche verfaßten Stellungnahmen, die den Vorsitzenden des Fakultätentages bei seinen Bemühungen um das Hebräische unterstützten. So hielt der Kirchenhistoriker Karl Heussi (Jena) das Hebräische für die wissenschaftliche Urteilsbildung, besonders zum Verständnis des Neuen Testamentes, für unverzichtbar. 8 5

82.

U A Halle, Rep. 2 7 , N r . 3 0 2 , Bd. l ( H a n s Schmidt an Karl Heussi, 14. De-

83.

U A Halle, Rep. 2 7 , Nr. 3 0 2 , Bd. 1.

84.

Vgl. Kap. 11: Kontroversen um Fakultätsexamen und Studienreform.

85.

U A Halle, Rep. 2 7 , N r . 3 0 2 (Karl Heussi an H a n s Schmidt vom 1 5 . Dezem-

zember 1 9 3 8 ; Heussi an H a n s Schmidt, 1 5 . Dezember 1 9 3 8 ) .

ber 1 9 3 8 ) .

260

Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

Ähnlich wie die deutschchristlichen Bewegungen reichskirchliche oder nationalkirchliche Studentengruppen zu bilden oder zu reorganisieren versuchten, haben auch verschiedene zur Bekennenden Kirche gehörende Professoren und Dozenten in den Jahren 1934 und 1935 Studentengruppen für die Bekennende Kirche gesammelt. Freizeiten und Arbeitsgemeinschaften wurden organisiert, aber weithin noch ohne engere Verbindung untereinander. Erst zu Beginn des Sommersemesters 1936 kam es über die vorhandenen organisatorischen Anfänge hinaus zur Aufnahme einer planmäßigen Arbeit der Bekennenden Kirche an fast allen Fakultäten. Im Bericht eines Provinzialbruderrates über die Verhältnisse in der altpreußischen Unionskirche hieß es dazu: „Die Bekenntnisgemeinschaft kommt regelmäßig jeden Samstag Abend zusammen und bildet innerhalb der Fakultät ständig Mahnung und Aufforderung zur Entscheidung. Wir veranstalten nach Schluß des Semesters in allen preußischen Provinzen Studentenlager, in denen das, was in den Vorlesungen der Universität weithin fehlt, nämlich die Besinnung auf das echte Anliegen der Kirche, den Studenten nahegebracht werden soll." 8 6 Auch die Arbeit der theologischen Konvikte, verschiedentlich von Vikaren und Hilfspredigern der Bekennenden Kirche als Inspektoren geleitet, boten einen Resonanzboden für die bekenntniskirchliche Studentenarbeit. Doch blieben auch hier kirchenpolitische Konflikte nicht aus. So hatte im Januar 1 9 3 7 der Inspektor des Tholuck-Konviktes in Halle, cand. theol. Reinhard Ring, der auch Leiter des Theologiestudentenamtes der Bekennenden Kirche in der Kirchenprovinz Sachsen war, an die Theologiestudenten in Halle ein Rundschreiben gerichtet. Darin forderte er sie zur Beachtung der Beschlüsse der altpreußischen Bekenntnissynode vom Dezember 1936 in Breslau auf, soweit diese die theologische Ausbildung betrafen. Da die Beschlüsse sich auch gegen den Erlaß des Reichswissenschaftsministers vom 17. November 1936 richteten, wurde Ring von seinem Inspektorenamt am Tholuck-Konvikt entlassen. Die Suspendierung Rings war auf den Widerstand der Professoren Friedrich Karl Schumann und Gerhard Heinzelmann gestoßen, die daraufhin als Kuratoriumsmitglieder ausschieden, ohne Nachfolger zu benennen. Das Kuratorium wählte Pfarrer Curt Duda (Halle) zum Vorsitzenden und ergänzte sich durch Zuwahl von zwei Mitgliedern, 86.

Zitiert in Bericht von stud, theol. Herbert Werkmeister in Halle, am 18. Oktober 1 9 3 7 an das Reichskirchenministerium gesandt (BA Koblenz, Abt. Potsdam, Best. 5 1 . 0 1 , Nr. 2 3 1 0 3 , Bl. 4 1 - 5 1 ; Zit.: 42).

Fachschaften und Studentengruppen

261

im Dritten Reich

unter ihnen Prof. Julius Schniewind, der der Bekennenden Kirche angehörte, gegen den damals jedoch wegen seiner bekenntniskirchlichen Aktivitäten ein Disziplinarverfahren lief. N a c h Auseinandersetzungen mit der Universitätsleitung k a m es zu einem Konflikt. A m 4 . J u n i 1 9 3 7 wurde mit Berufung auf einen Ministerialerlaß vom 2 . April 1 9 3 7 Wohnverb o t an Studenten ausgesprochen; einzelne Studenten wurden im September 1 9 3 7 sogar disziplinarisch belangt. Daraufhin k a m es -

mini-

steriell angeordnet - zur Neubesetzung des Kuratoriums des T h o l u c k Konvikts und des Schlesischen Konvikts: M i t t e O k t o b e r 1 9 3 7 erging eine Verfügung des preußischen Staatsministeriums, die das Kuratorium absetzte und an seine Stelle den D e k a n der Theologischen

Fakultät

als ministeriell zu bestätigenden Ephorus gesetzt wissen wollte. D e k a n Prof. Hans Schmidt, der als Präsident des Evangelischen Fakultätentages Verbindung zum Reichswissenschaftsministerium hatte, konnte damals eine die Existenz der Konvikte sichernde K o m p r o m i ß l ö s u n g erreichen.87 Der größte Teil der Bekenntnisstudenten blieb selbstverständlich an den Universitäten. D o c h erhielten diejenigen Fakultäten den Vorzug, deren Besetzung bekenntnismäßig als akzeptierbar galt. Die regionale H e r kunft der Theologiestudierenden wirkte vielfach bei der Wahl des Studienortes mit. Der Leiter der theologischen Fachschaft in Halle, stud, theol. Herbert Werkmeister, rechnete in seinem Bericht vom 1 8 . O k t o ber 1 9 3 7 an das Reichskirchenministerium die Theologischen Fakultäten in Tübingen, Erlangen, Halle, R o s t o c k , M a r b u r g und Leipzig zu den von Bekenntnisstudenten bevorzugten F a k u l t ä t e n . 8 8 Für die Ersatzveranstaltungen der Bekennenden Kirche a u f Grund von Beschluß 1 2 , 3 der Augsburger Bekenntnissynode wurden T h e o logiestudentenämter eingerichtet. 8 9 Sie waren für die Organisation und Durchführung von theologischen Ersatzvorlesungen und -Seminaren und für arbeitsgemeinschaftliche Z u s a m m e n k ü n f t e wie theologische Kurse und Freizeiten ebenso verantwortlich wie für entsprechende Arbeit in Studentenkonvikten und Studentenwohnheimen. Führende Bruderratsmitglieder und T h e o l o g e n der Bekennenden Kirche hielten Vorträge über 87. 88. 89.

ALK Hannover, S 1 E I I 132: Das Ende der evangelischen Studentenkonvikte in Halle (Herbst 1937), 4 S. BA Koblenz, Abt. Potsdam, Best. 5 1 . 0 1 , Nr. 2 3 1 0 3 , Bl. 4 3 (Bericht Herbert Werkmeisters). Jörg Thierfelder, Ersatzveranstaltungen der Bekennenden Kirche. In: Theologische Fakultäten im Dritten Reich, S. 2 9 1 - 3 0 1 .

262

Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

strittige Fragen. Mit der Leitung des vom Rat der Bekennenden Kirche der altpreußischen Union ins Leben gerufenenen zentralen Theologiestudentenamtes wurde Pfarrer Johannes Hoffmann betraut, dessen Nachfolger 1937 Helmut Gollwitzer wurde. Auch für einzelne altpreußische Kirchenprovinzen gab es Theologiestudentenämter am Hochschulort, so das rheinische Theologiestudentenamt, das von Vikar Hans Walter Wolff, seit April 1937 von Wolfgang Scherffig geleitet wurde. Dem rheinischen Theologiestudentenamt kam im Blick auf die seit 1933/34 - bekenntniskirchlich gesehen - defizitären Fakultätsverhältnisse in Bonn besondere Bedeutung zu. Der westfälische Bruderrat hatte, dem Beispiel der anderen altpreußischen Provinzen folgend, ebenfalls ein Theologiestudentenamt eingerichtet. Der Jungtheologe Fritz Depke in Gelsenkirchen wurde beauftragt, diese Arbeit an der Universität Münster zu beginnen. 90 Das westfälische Theologiestudentenamt stand in Verbindung mit dem von Pfarrer Lie. Gottfried van Randenborgh (Iserlohn) geleiteten westfälischen Ausbildungsamt der Bekennenden Kirche. 91 In Königsberg war ein ostpreußisches Theologiestudentenamt unter Leitung von Pastor Ernst Müller (Haberberger St. Trinitatis-Kirche) eingerichtet. Wo außerhalb der altpreußischen Landeskirche Theologiestudentenämter geschaffen wurden, so in Baden, wo Vikar Karl Schumacher 1936 mit der Leitung betraut war, stießen die Ersatzveranstaltungen der Bekennenden Kirche ebenfalls mitunter auf Bedenken. Der Heidelberger praktische Theologe Prof. Renatus Hupfeld, selbst Leiter der örtlichen Bekenntnisgemeinschaft, meinte: die theologische Arbeitsgemeinschaft sei unnötig, die Pfarrer Hermann Diem von der radikal bekenntniskirchlichen „Theologischen Sozietät" Württembergs für die Theologische Fakultät Heidelberg organisierte. Sie störe nur den fakultätspolitischen Integrationsprozeß: „Wir haben hier jetzt eine Fakultät, die beinahe ganz Bekenntnisfakultät ist." Außerdem trage die Heidelberger Fachschaft der Studierenden keinen DC-Charakter. Die für ausgesprochene DC-Fakultäten gedachten bekenntniskirchlichen Aktivitäten der theologischen Kurse seien in Heidelberg überflüssig; sie überall durchzuführen zu wollen, stellte für Hupfeld „Doktrinarismus in Reinkultur" dar: „Ein völlig unnöti-

90.

Westfälische

BK-Flugschrift

(BA

Koblenz,

Abt.

Potsdam,

Best.

51.01,

N r . 2 3 8 0 6 , Bl. 1 0 0 - 1 0 2 ) . 91.

Näheres über die Theologiestudentenämter bei Wolfgang Scherffig, Junge Theologen im „Dritten R e i c h " .

Fachschaften

und Studentengruppen

im Dritten

Reich

263

ger Spaltpilz wird unserer Gemeinschaft aufgezwungen, der durch die Verhältnisse in keiner Weise motiviert i s t . " 9 2 Für die Betreuung der Bekenntnisstudenten an den verschiedenen evangelisch-theologischen Fakultäten war auch die Reise- und Vortragstätigkeit von Vikar Martin Fischer wichtig, der damals als Sekretär der traditionsreichen Deutschen Christlichen Studentenvereinigung die verschiedenen DCSV-Gruppen im Reich betreute und zugleich Leiter des Studentenamtes der bekenntniskirchlichen Vorläufigen Leitung der D E K war. Durch Reiseberichte über die Verhältnisse an den verschiedenen Universitäten kam es zu informativen Querverbindungen der BKStudentengruppen. 9 3 In Pommern wurde Pastor Albrecht Schönherr, der sich nach Studium und Vikariat Herbst 1 9 3 4 der Bekennenden Kirche unterstellt hatte und 1 9 3 5 / 3 6 ein J a h r lang dem von Dietrich Bonhoeffer geleiteten Predigerseminar der Bekennenden Kirche Altpreußens in Zingst und Finkenwalde angehörte, 1 9 3 7 mit der Leitung des Theologiestudentenamtes in Greifswald betraut. 9 4 Schönherr, als Hilfsprediger zur Unterstützung des einzigen BK-Pfarrers in Greifswald Edmund Koch entsandt, hat einen bekenntniskirchlichen Kreis von Theologiestudenten gesammelt und durch Bildung eines Konviktes studentische Lebensgemeinschaft zu praktizieren versucht. Die Veranstaltungen des pommerschen Theologiestudentenamtes, zu denen Schönherr den seit 1 9 3 3 suspendierten und zwangspensionierten Generalsuperintendenten Otto Dibelius (Berlin), Pfarrer Martin Niemöller (Berlin-Dahlem), häufiger auch Pastor Lie. Dietrich Bonhoeffer und den Reisesekretär der D C S V Martin Fischer, als Vortragende heranholte, wurden allerdings vom Lehrkörper der Theologischen Fakultät Greifswald äußerst distanziert betrachtet. Selbst ursprünglich bekenntnissynodal engagierte Mitglieder der Fakultät wie die Professoren Rudolf Hermann und Kurt Deißner, die sich Herbst 1 9 3 5 stärker dem Vermittlungskurs des von Superintendent Karl von Scheven geleiteten pommerschen Provinzialkirchenausschusses verpflichtet wußten, haben auch nach Rücktritt der Kirchenausschüsse 1 9 3 7 Kritik an der bekenntniskirchlichen Einmischung in Fragen der theologischen Fakultäten geübt. Lediglich bei Prof. Ernst Lohmeyer, dem aus Breslau nach Greifswald versetzten Neutestamentier, fand Schönherr Verständnis, ebenso bei 92.

Jörg Thierfelder, Ersatzveranstaltungen, S. 2 9 6 - 3 0 1 ; Zitate S. 2 9 8 .

93.

Ebd. S. 2 9 3 .

94.

Z u m Folgenden Albrecht Schönherr, „ . . . aber die Zeit war nicht verloren." Erinnerungen eines Altbischofs, Berlin 1 9 9 3 , S. 1 0 2 - 1 1 4 .

264

Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

dem Privatdozenten für Altes Testament Lie. Johannes Fichtner, dessen 1938 verbotene DCSV-Gruppe der Bekennenden Kirche nahestand, ohne ihr anzugehören. Die übrigen Greifswalder Theologieprofessoren hatten starke Vorbehalte gegen die Hochschulpolitik der Bekennenden Kirche. Die Aktivitäten des Theologiestudentenamtes schien ihnen in Greifswald das Vertrauensverhältnis zwischen dem Lehrkörper der theologischen Fakultät und der Studentenschaft zu stören. Da die Frage nach der Verbindlichkeit der Barmer Theologischen Erklärung strittig blieb und die bekenntniskirchlichen Hochschulbeschlüsse im Gefolge der Augsburger BK-Synode Anfang Juni 1 9 3 5 vom Lehrkörper der Theologischen Fakultät in Greifswald als störende Konkurrenz empfunden wurden, war das Vertrauensverhältnis zwischen BK-Studentengruppe und Professorenschaft natürlich belastet. Nachfolger Albrecht Schönherrs im Theologiestudentenamt der Bekennenden Kirche in Greifswald wurde 1938 Gerhard Krause, der als Schüler Rudolf Hermanns selbst Greifswalder Student gewesen war. Er hat die gemäßigte Richtung (den „Weg B " ) innerhalb der Bekennenden Kirche Pommerns vertreten. 95 Andererseits hat eine scharfe Rede des pommerschen Gaustudentenführers Kreul zu Beginn des Wintersemesters 1936/37, der Ertrag der Semesterarbeit an der Universität müsse für jeden die Entscheidung bringen, ob er Christ oder Nationalsozialist sei, Aversionen der Greifswalder Theologiestudenten gegen den NS-Studentenbund ausgelöst. Mit Ausnahme einiger offenbar extremer nationalkirchlicher Thüringer DC legten die Studenten und natürlich auch die Dozentenschaft der Theologischen Fakultät, nach einigem Zögern auch Prof. Wilhelm Koepp, der für das deutschchristliche Anliegen noch am ehesten aufgeschlossen war, gegen Kreuls Rede Protest ein, was gegen Mitglieder der Theologischen Fakultät, soweit sie in der Partei waren, zur Einleitung von Parteigerichtsverfahren Anlaß gab. Bekanntgewordene Anwürfe gegen das Christentum, wie sie auf der Ordensburg der SS in Krössinsee geäußert wurden, und wirksame Kirchenaustrittspropaganda in Swinemünde hatten gruppen- und richtungsübergreifend integrativ und solidarisierend gewirkt. Die Theologiestudentenämter der Bekennenden Kirche, denen die Betreuung der BK-Studenten oblag, empfahlen im übrigen, die theologischen Kurse im September 1 9 3 6 in Bethel und Berlin zu besuchen, um Ausbildungslücken zu schließen, die auf die Situation der Theologischen Fakultäten zurückgeführt wurden. Die Wichtigkeit dieser Kurse wurde 95.

Vgl. Gerhard Krause, Bruderschaft und Kirche 1 9 3 4 - 1 9 3 6 in Pommern.

Fachschaften und Studentengruppen

im Dritten Reich

265

nachdrücklich unterstrichen, „nachdem es beinahe keine einzige Fakultät mehr gibt, w o es möglich ist, eine kirchlich vollwertige Ausbildung zu erhalten". Schon am 1. April 1936 hatte der altpreußische Bruderrat in einem Beschluß die Erwartung ausgesprochen, „daß die Theologiestudenten von den Ausbildungsmöglichkeiten der Bekennenden Kirche Gebrauch machen und daß die Ausbildungsämter bei der Zulassung zum Examen prüfen, wie weit dieser Erwartung entsprochen ist". 9 6 Als im November 1936 durch das Reichswissenschaftsministerium die Ersatzvorlesungen der Bekennenden Kirche verboten wurden, hat die vierte altpreußische Bekenntnissynode vom 16. bis 18. Dezember 1936 in Breslau prononziert dazu Stellung genommen. Es hieß im Synodalbeschluß: 97 „Mit alledem nimmt der Staat die wissenschaftlich-theologische Ausbildung der zukünftigen Träger des geistlichen Amtes als sein alleiniges Recht in Anspruch. ( . . . ) Die Synode sieht darin einen Eingriff in die Aufgabe der Kirche, eine Verletzung der ihr vom Staat zugesicherten Selbständigkeit, eine Antastung ihres Bekenntnisses, ( . . . ) einen Angriff auf die künftige Predigt der Kirche. ( . . . ) Die Synode nimmt die Wahrnehmung der kirchlich-theologischen Ausbildung durch die bisherigen M a ß n a h m e n und Einrichtungen des Bruderrats auf ihre Verantwortung. Sie beauftragt den Bruderrat, für den Aufbau wissenschaftlichtheologischer Ausbildungsstätten und für eine verantwortliche Beratung der Studenten hinsichtlich ihres kirchlich-theologischen Studiums an den Fakultäten und kirchlichen Ausbildungsstätten Sorge zu tragen." Der Zusammenhang von theologischer Ausbildung und kirchlichem Amt wurde betont herausgestellt. Der Bruderrat erklärte im Blick auf diesen Synodalbeschluß ebenfalls, daß Angriffe auf das Lehramt auch das Predigtamt gefährden. Das Ziel, vor Prüfungskommissionen der Bekennenden Kirche ohne Mitwirkung der Fakultäten und Kirchenbehörden das erste theologische Examen ablegen zu können, Schloß allerdings den Verzicht ein, in ein ordentliches Pfarramt zu gelangen. Doch boten manche Kirchenleitungen schon bald auch pragmatische Möglichkeiten der Legalisierung bekenntniskirchlicher Examina an. Indes blieb die auf diese Weise mögliche Übernahme in ein Pfarramt einer „zerstörten" Landeskirche unter den radikalen Gruppierungen der Bekenntnisfront umstritten. Wie theologisch zentral und intensiv bekenntniskirchliche Ersatzveranstaltungen konzipiert waren, zeigt der Betheler Kurs vom 19. bis 30. 96. 97.

Nach Bericht Werkmeisters (BA Koblenz, Abt. Potsdam, Best. Nr. 2 3 1 0 3 , Bl. 43). Wilhelm Niemöller, Evangelische Kirche im Dritten Reich, S. 337.

51.01,

266

Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

September 1936 unter dem Gesamtthema „Christologie". Vorlesungen dazu wurden gehalten von den Dozenten Wilhelm Brandt (Neues Testament), Edmund Schlink (Dogmatik), Robert Frick (Dogmengeschichte), Georg Merz (Homiletik und Katechetik). Volkmar Herntrich behandelte das Thema „Das Christuszeugnis des Alten Testamentes". Im Kurs der Kirchlichen Hochschule in Berlin-Dahlem las Hans Asmussen über die Bedeutung der Gottesdienstordnung für die Exegese; Pastor Edo Osterloh sprach über „Gottes Gerechtigkeit im Alten Testament"; auch Prof. Ernst Wolf aus Halle war als Referent geladen, außerdem der bald darauf (1937) zwangsemeritierte Religionswissenschaftler an der Technischen Hochschule Dresden, Prof. Friedrich Delekat, und die Betheler Dozenten Volkmar Herntrich und Wilhelm Vischer, letzterer damals schon wieder in der Schweiz tätig. Für weitere Vorträge waren vorgesehen: Pastor Wilhelm Jannasch, Prof. Günther Dehn, der infolge des gegen ihn inszenierten Universitätskonflikts in Halle 1931/32 sein Lehramt hatte aufgeben müssen; auch Lie. Friedrich Smend (Berlin), Fachmann für Bachforschung, und Dr. Reinold von Thadden, Präses der Pommerschen Bekenntnissynode und führend in der Christlichen Studentenbewegung, wurden erwartet. Studenten, die bereits sechs Semester an den Fakultäten studiert, also das notwendige Triennium hinter sich gebracht hatten, sollten im kommenden Semester an den Theologischen Schulen in Berlin-Dahlem, Elberfeld oder an der Theologischen Schule in Bethel studieren. Die übrigen sollten wissen, „daß an den staatlichen Fakultäten ein noch nicht aussichtsloser Kampf gekämpft werden muß". Zwar hieß es: Man dürfe sich nicht scheuen, auch an die Fakultäten zu gehen, deren Einheit im Lehrkörper zerrissen sei. Doch fehlten bei den für Münster bekenntniskirchlich empfohlenen Vorlesungen und Seminaren bezeichnenderweise die Lehrveranstaltungen der Professoren Wilhelm Stählin und Johannes Herrmann. Beide hatten sich - wie schon im Wintersemester 1935/36 auch im Sommersemester 1936 wieder bereit erklärt, in einer Prüfungskommission des Konsistoriums in Münster mitzuprüfen, in der auch Deutsche Christen saßen. Stählin und Herrmann wurden daraufhin auf bruderrätliche Weisung von Bekenntnisstudenten boykottiert. Den Studenten drohten disziplinarische Strafen. 98 Dadurch daß die Bekennenden Kirche ihre Theologiestudenten besonders an den altpreußischen Fakultäten planmäßig betreute, ergaben 98.

Wilhelm Stählin, Via Vitae, Kassel 1 9 6 8 , S. 3 0 3 - 3 1 0 : Der Konflikt mit den Studenten.

Fachschaften

und Studentengruppen

im Dritten

Reich

267

sich verschiedentlich Konflikte mit Universitätsbehörden. Das mußte im Interesse der Sache hingenommen werden. Auch der H i m m l e r - E r l a ß " vom 2 9 . August 1 9 3 7 , der die Ausbildungs- und Prüfungseinrichtungen der Bekennenden Kirche auflöste und sämtliche bekenntniskirchlichen theologischen Kurse und Freizeiten verbot, hat die Arbeit maßlos erschwert und risikoreich werden lassen, aber zunächst nicht ihre völlige Einstellung erzwingen können. In der kirchenpolitisch gespannten Situation des Jahres 1 9 3 7 , die durch scharfes Vorgehen gegen die Bekennende Kirche gekennzeichnet war, griff man im Reichskirchenministerium Initiativen auf und förderte sie, die auf der Basis der theologischen Fachschaften an den Universitäten die studentische Arbeit auf einer mittleren Linie neu organisieren und aktivieren wollten. Hier ist an eine Arbeitskonzeption der Fachschaft der Theologischen Fakultät Halle zu denken, die auch eine Einschätzung der kirchenpolitischen Lage enthielt. Fachschaftsleiter stud, theol. Herbert Werkmeister schrieb Mitte April 1 9 3 7 dem Dekan Prof. Hans Schmidt: 1 0 0 seit mehreren Semestern habe unter den Theologiestudenten (und wenn nichts dagegen unternommen werde, werde es auch so bleiben) „in immer stärkeren M a ß e die radikale Bekennende Kirche an Boden gewonnen"; daneben wirke noch die D C S V (die traditionelle „Deutsche Christliche Studentenvereinigung"), „jedoch ebenfalls rein bekentnispolitischer A r t " . Eine andere kirchenpolitische oder neutrale Arbeit gäbe es in Halle „sonst kaum, auch nicht an anderen Universitäten", da die Thüringer D C wenig Anhang unter den Studenten besäßen. In Halle sei es in den vergangenen Semestern nur der Fachschaft möglich gewesen, „einen gewissen Kreis von Studenten vor dem Verzweiflungsweg 99.

Der Erlaß des Reichsführers SS und Chefs der deutschen Polizei Heinrich Himmler vom 2 9 . August 1 9 3 7 , der erst Ende September 1 9 3 7 in der Presse bekanntgegeben wurde, sah in der Ausbildungs- und Prüfungspraxis der Bekennenden Kirchen eine bewußte staatsabträgliche Zuwiderhandlung gegen die 5. Durchführungsverordnung des Gesetzes zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 2. Dezember 1 9 3 5 . Im Einvernehmen mit dem Reichswissenschafts- wie dem Reichskirchenminister wurden auf Grund von § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 2 8 . Februar 1 9 3 3 „die von den Organen der sogen. Bekennenden Kirche errichteten Ersatzhochschulen, Arbeitsgemeinschaften und die Lehr-, Studenten- und Prüfungsämter aufgelöst und sämtliche von ihnen veranstalteten theologischen Kurse und Freizeiten verboten."

1 0 0 . UA Halle Rep. 2 7 , Nr. 3 0 2 (Herbert Werkmeister an Hans Schmidt, 12. April 1 9 3 7 ) .

268

Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

zur B.K. zu bewahren". Zudem gingen aktive Kameraden bei Studienwechsel für die Arbeit der Fachschaft verloren. Die hallische Fachschaft hatte deshalb Kontakt mit theologischen Fachschaften in einigen anderen Universitätststädten aufgenommen: „Im Laufe des Semesters werden mehr oder weniger starke Gruppen aller Voraussicht nach stehen in Kiel, Rostock, Münster, Berlin, Gießen, Tübingen und Bonn", berichtete Werkmeister seinem Dekan. Verheißungsvoll sei, wenn die Martin-Luther-Universität wieder zum „Kernstück einer volkskirchlichen Arbeit unter der jungen Theologenwelt werden" und ein „Zustrom von Theologiestudenten unserer Haltung" die Universität stärken könne. Um dem Absinken der Studentenziffer zu wehren, seien Werbeaktionen in den höheren Klassen der Gymnasien und Oberschulen nötig, die die Abiturienten zum Theologiestudium motivieren sollten. Die Notwendigkeit solcher Initiativen volkskirchlicher Arbeit, ergebe sich aus der sonst bedenklichen Perspektive für Kirche und Universitätstheologie: „Das Verschwinden der theol. Fakultäten und das Absterben unserer evgl. Kirche werden sich ganz folgerichtig entwickeln, ohne daß auch nur der geringste gewaltsame Eingriff sich dabei notwendig macht." 1 0 1 Auf Ersuchen des Dekans gab Werkmeister Mitte Juli 1937 einen Bericht über die Fachschaftsarbeit, wie sie sich im Laufe der letzten Semester in Halle gestaltet habe. Neben der unveränderten wissenschaftlichen Arbeit wurde auf aktuelle Themen verwiesen, auch auf regelmäßige Semesterrüstzeiten. Die Arbeit der Fachschaft sei ohne kirchenpolitische Ausrichtung. Doch müsse gesagt werden, „daß die ausschlaggebenden Kreise der Bekennenden Kirche sich von uns fernhalten, da sie grundsätzlich Arbeit, die von der Β. K. nicht getan wird, ablehnen. Doch lassen wir uns von dieser Gruppe nicht in unserer Arbeit beeinflussen." 102 Um die Unkosten einer Freizeit von ca. 25 Studenten im Harz zu bestreiten, hatte sich Prof. Hans Schmidt als Dekan für eine Beihilfe des Kirchenministeriums stark gemacht: 1 0 3 Je lebhafter und erfolgreicher die Bekennende Kirche den ihr angehörenden Professoren und Dozenten „Hörerscharen" zuführe, um so wichtiger sei es, auch die übrigen Studenten sich ihrer Gemeinschaft bewußt werden zu lassen und ihnen Verbindung mit Hochschullehrern zu verschaffen. Es war dabei daran gedacht, neben Kollegen aus der Theologischen Fakultät Halle die Pro101. Ebd. 1 0 2 . Ebd. (Herbert Werkmeister an Hans Schmidt, 14. Juli 1 9 3 7 ) . 1 0 3 . Ebd. (Hans Schmidt an Reichskirchenministerium, 5. Januar 1 9 3 8 ) .

Fachschaften und Studentengruppen im Dritten Reich

269

fessoren Georg Fiedler (Kiel) und Theodor Odenwald (Heidelberg) als Vortragende zu gewinnen. Staatssekretär Muhs im Reichskirchenministerium hat sich damals bereit erklärt, die „wissenschaftlichen und nationalpolitischen Ziele" der Fachschaftsarbeit finanziell durch eine Beihilfe zu unterstützen. Diese von der Theologischen Fachschaft an der Universität Halle ausgehenden Versuche einer Kontaktaufnahme mit den übrigen theologischen Fakultäten, 1 9 3 7 von stud, theol. Herbert Werkmeister in Szene gesetzt, hatten ganz unterschiedliche Ergebnisse, die im ganzen wohl kaum als zureichend, eher als defizitär angesehen werden mußten. Der im Oktober 1937 dem Reichskirchenministerium übersandte Bericht zeigte folgendes Bild: 104 In Halle, Münster und Königsberg, Breslau, Bonn und Göttingen war durch Verhandlungen und Aussprachen Anfang 1937 eine Übereinstimmung erzielt worden, die Fachschaftsarbeit wieder zu beleben. Zur Theologischen Fakultät in Greifswald gab es Verbindung in der geplanten Weise über ihren Dekan Prof. Wilhelm Koepp. In Heidelberg galt die theologische Fachschaft als „gemäßigt bekenntnispolitisch" infolge des Einflusses des Theologenheims wie auch der badischen Landeskirchenleitung unter Bischof Julius Kühlewein. Doch wurde unter Mitwirkung von Prof. Theodor Odenwald in Heidelberg ein Zusammenschluß ähnlich gesinnter Theologiestudenten zustandegebracht. In Erlangen erhielt Werkmeister bei seinen Sondierungen indes eine Abfuhr des Dekans Prof. Werner Eiert, der jede auswärtige kirchenpolitische Einflußnahme auf die Studenten ablehnte, weil sie die Einheit der Fakultät störe. In Marburg wurde die Wirksamkeit der BK-Studenten auf Grund der Protektion einiger in der Bekennenden Kirche engagierter Professoren (Hans von Soden, Rudolf Bultmann) als „außerordentlich groß" bezeichnet. Doch stand Werkmeister mit Prof. Ernst Benz in Verbindung, der eine Gruppe seiner Hörer für die Pläne gewonnen hatte, die studentische Fachschaftsarbeit zu aktivieren. In Gießen und Berlin wurde für das kommende Semester erwartet, daß die Fachschaftsarbeit sich planmäßig gestalten könne. Für Tübingen, Rostock und Erlangen waren offenbar wenn überhaupt - nur kleinere Gruppen von Studenten zu nennen, auf die Werkmeister entsprechende Hoffnungen setzte. Die Resonanz war hier aber offensichtlich gering. Sämtliche „Theologen, die ganz Christen und ganz Nationalsozialisten sein wollen" (eine Formel, wie sie ähnlich auch von der Reichsbe1 0 4 . BA Koblenz, Abt. Potsdam, Best. 5 1 . 0 1 , Nr. 2 3 1 0 3 , Bl. 4 1 - 5 1 Werkmeisters).

(Bericht

270

Fachschaftsarbeit und studentisches

Korporationswesen

wegung DC unter Studienrat Wilhelm Rehm gebraucht wurde) waren nach Werkmeisters Planungen in diese Arbeit einzubeziehen. Sämtliche noch vorhandenen DC-Gruppen, Vertreter der kirchlichen „Mitte" und auch gemäßigte Bekenntnisgruppen sollten für diesen kirchenpolitisch neutralen, staatspositiven Einheitskurs gewonnen werden. Die Deutschchristliche Studentenvereinigung ( = D C S V ) , die als traditioneller Studentenverband mit pietistischem Einschlag dazu beigetragen hatte, daß die Bekenntnisfront an den Universitäten eine gewisse Breitenwirkung erlangte, sollte in ihrem Einfluß unterbunden werden. Der Bericht ging sicher etwas übertreibend davon aus, daß gegenwärtig (1937) etwa 6 0 Prozent Theologiestudenten zur Bekennenden Kirche hinneigten. Doch könne die Fachschaftsarbeit zwei Drittel aller der Theologiestudenten gewinnen, die jetzt erstmalig nach abgeleisteter Arbeits- und Wehrdienstpflicht immatrikuliert würden. Solange der Dienst der Theologen in SS oder SA noch nicht wieder möglich sei, müsse ihnen Gelegenheit geboten werden, im NS-Studentenbund oder auch der NS-Volkswohlfahrt ihre Würdigkeit unter Beweis stellen. Man wollte sich auch am Berufswettkampf mit fachspezifisch-aktuellen Themen beteiligen. Eine umfangreiche Liste von Themen zeigte, in welcher Richtung hier gearbeitet werden sollte. Die Spannbreite der Themen reichte vom „Heliand als deutschem Glaubensdenkmal" bis zu den „Aufgaben der Pfarrämter bei der Ahnenforschung". Zu bearbeiten waren auch Themenkreise wie „Die soziale Bedeutung von Kirche und Innerer Mission", „Die Volksdeutschen Aktivitäten von Gustav-Adolf-Verein und Evangelischem Bund" u.a. Nahe Verbindung zum Pfarramt schon während der Studienzeit durch praktische Ferienarbeit bei bewährten Seelsorgern oder Einsatz beim Pfarrer des Heimatortes, auch Arbeitsgemeinschaften in Verbindung mit kirchlichen Vereinen sollten der praktischen Bewährung und einer stärker berufsbezogenen Studienweise dienen. Man hoffte so, nach dem Himmler-Erlaß Herbst 1 9 3 7 , der die bekenntniskirchliche Sonderausbildung faktisch für illegal erklärte, den Einfluß der Bruderräte auf die Theologenschaft zurückzudrängen und durch engen Kontakt zur volkskirchlichen Praxis die Fachschaftsarbeit attraktiv zu machen. Gleichzeitig sollten die Studierenden der Theologie durch Beteiligung am Berufswettkampf in ihren Rechten aufgewertet und mit den übrigen Studierenden an der Universität gleichgestellt werden. Diese Pläne waren hoffnungsvoller konzipiert, als sie sich wirklich durchsetzen ließen. Dem Reichskirchenministerium, dessen Pressereferent Karl Troebs sich damit beschäftigte, mochten die Gedanken der

Fachschaften

und Studentengruppen

im Dritten

Reich

271

Denkschrift Werkmeisters konzeptionell bemerkenswert sein, dienten sie doch auf der studentischen Ebene einer ähnlichen volkskirchlichen Integrationstendenz, wie sie der kirchenpolitischen „Befriedungsarbeit" vorschwebte. In der Bekennenden Kirche galten diese Bemühungen jedoch als zu kompromißhaft und stießen auf Ablehnung. Anderwärts ist versucht worden, etwa in Göttingen und Königsberg, über die Fachschaft den Einfluß der Bekennenden Kirche an der Theologischen Fakultät verbreitern zu helfen. Die Ergebnisse der Königsberger Fachschaftsarbeit hat damals Ulrich Sporleder veröffentlicht. 1 0 5 Er sah die kirchliche Aufgabe der theologischen Fachschaft in engem Konnex mit der Provinzialkirche. Die N o t der Kirche sei „weithin ihre Armut an echter, lebendiger Theologie, die aus der Schrift kommt, und die N o t unseres Studiums war immer die hoffnungslose, unnatürliche Distanz von der Kirche und ihrer konkreten Verkündigung". Hier wurden die von der Fachschaft veranstalteten Wissenschaftslager mit Pfarrern der ostpreußischen Kirchenprovinz durchgeführt. Gebe es doch kein Studium im bloß akademischen Raum, sondern nur noch im Auftrag der Kirche. Enge Verzahnung der wissenschaftlichen Arbeit mit praktisch-kirchlicher Betätigung im Semester und als Ferieneinsatz wurde erstrebt. An der inneren theologischen Ausrichtung der Königsberger Fachschaftsarbeit hatte Prof. Julius Schniewind großen Anteil, der indes wegen seiner bekenntniskirchlichen Aktivitäten Frühjahr 1935 nach Kiel zwangsversetzt wurde und seit 1936 in Halle lehrte, wo er wegen Beteiligung an einer wissenschaftlichen Tagung der Bekennenden Kirche Ostpreußens 1937 in ein Disziplinarverfahren verwickelt wurde. In ähnlicher Weise wie die BK-Studenten in Königsberg versuchte 1935 die Theologiestudentengruppe der Bekennenden Kirche in Göttingen, ihre Arbeitsformen auf die Fachschaftsarbeit zu übertragen. Sie stand deshalb in Verhandlungen mit der Göttinger Führung der „Deutschen Studentenschaft". Ein ausführliches M e m o r a n d u m von stud, theol. Edmund Bode zeigt, daß die dortigen Bekenntnisstudenten ihre Zugehörigkeit zur SA nutzten, um Einfluß auf die Fachschaftsarbeit zu erlangen. 1 0 6 „Solange wir von uns aus an dem Glauben einer lutherischen Volkskirche festhalten, müssen wir diesen Auftrag innerhalb der Ordnungen unseres Staates und Volkes tun und nicht jenseits von ihnen." So 105. Ulrich Sporleder, Schriftenreihe „Bekennende Kirche", Heft 25, München 1935. 106. Edmund Bode, Die Kirche und die heutige Universität. Student und Kirche heute, 14 S. o. Datum (ALK Hannover, S 1 Η II 136).

Ill

Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

stehe „die Front unseres Bekennens . . . nicht gegen die NS-Bewegung", auch nicht gegen den NS-Studentenbund, das Kameradschaftshaus, den Arbeits- und Landdienst, sondern gegen die kirchenpolitischen Gegner in der Kirche selbst. Die Arbeit der Bekenntnisstudenten könne für die Universität erst dann fruchtbar werden, wenn sie im Rahmen der studentischen Fachschaftsarbeit getan werde. Die gegenwärtige deutschchristliche Fachschaftsarbeit in Göttingen beschränke sich indes nur auf „theologische Debattiergespräche". Die Situation in Göttingen im Sommersemester 1937 wurde von stud, theol. Erwin Wilkens in seinem Bericht über die Arbeit der „Göttinger Studenten in der Bekennenden Kirche" 107 kritisch beleuchtet. Hier hieß es: Die Zahl der Theologiestudenten in Göttingen sei weiter zurückgegangen und betrage etwa noch 110. Trotz des erwarteten Wechsels in der Fachschaftsleitung sei diese „aber weiterhin ganz in den Händen der Thüringer DC". Wilkens gab das Stärkeverhältnis zwischen Bekennender Kirche, „Bund der Mitte" und Deutsche Christen mit 2 : 2 : 1 an. Demnach hat die Zahl der Bekenntnisstudenten und der volkskirchlichen Mittelgruppe je 40 bis 50 betragen, die Anzahl der DC-Studenten wenn überhaupt - wohl nicht mehr als 20. Die Bekenntnisstudenten nahmen nach Aussprache mit dem Fachschaftsleiter an den Veranstaltungen der Fachschaft teil. Die Auseinandersetzung im Fachschaftslager sei rein theologisch gewesen. Doch habe die starke Teilnahme von BKStudenten bewirkt, „daß der gehässige Geist wesentlich zurückgedrängt wurde". Ein ehrliches „Sichernstnehmen" galt als Voraussetzung für einen erträglichen „modus vivendi". Nur so sei es den BK-Studenten möglich, „den irrenden Brüdern weiterhin die Wahrheit zu bringen". Dieser Auftrag dürfe nicht vom äußeren Erfolg abhängig gemacht werden. Die Fachschaft bleibe abgesehen von den wenigen Deutschen Christen „de facto . . . in 2 große Gruppen aufgespalten". Ein gemeinsamer Arbeitsausschuß müsse die Fachschaftsfragen und den Arbeitsplan am Semesteranfang besprechen, um weiterhin vertrauensvolles Zusammenarbeiten zu ermöglichen. Die allgemeine Studentenarbeit in Göttingen wurde vom Studentenpfarramt unter Pastor Adolf Wischmann (seit 1936) getragen, wie überhaupt die Studentengemeinde auch in Zusammenarbeit mit der DCSV, 107. Erwin Wilkens berichtet über die Arbeit im Sommersemester 1937 (ALK Hannover, S 1 Η II 136). Nach Theologische Blätter 16 (1937), Sp. 173, betrug die amtliche Besucherzahl im WS 1936/37: 143; im SS 1937: 112 Studierende in Göttingen.

Fachschaften

und Studentengruppen

im Dritten

Reich

273

deren Mitglieder zumeist Bekenntnisstudenten waren, in Göttingen immer mehr Bedeutung gewann. Zahlreiche Vortragsveranstaltungen auch mit auswärtigen Referenten waren für die regen Aktivitäten kennzeichnend. Zusammenarbeit mit der örtlichen Bekenntnisgemeinde (Rechtsanwalt Dr. Ernesti) mit den Göttinger BK-Studenten war eng. Fast vierzehntägig fanden große Bekenntnisgottesdienste statt. Seit Mitte Februar 1 9 3 7 war die Göttinger BK-Studentengruppe mehrere Monate beim Wahldienst für die dann nicht abgehaltene Kirchenwahl tätig und versuchte aufklärend zu wirken. Die Göttinger Theologiestudenten, die der Bekennenden Kirche angehörten, hielten bewußt an ihrer SA-Zugehörigkeit fest. Als zehn Theologiestudenten sich über den antichristlichen Kurs in der SA-Gruppe beschwerten, wurden die meisten von ihnen aufgefordert, ihr Austrittsgesuch einzureichen. Alle Theologen, die der SA angehörten, wurden einzeln vernommen. Der Standartenführer legte ihnen mit Hinweis auf den Erlaß von Heß und des SA-Stabschefs Viktor Lutze, der das Ausscheiden von Theologen aus der SA vorsah, nahe, um ihre Entlassung aus der SA einzukommen. Bis Juni 1937 waren bereits sieben Göttinger Theologen aus der SA entlassen. Erwin Wilkens erinnert sich, man sei nicht freiwillig ausgetreten, sondern habe sich ausschließen lassen, um den Nachweis zu erbringen, daß in der NSDAP und ihren Gliederungen ein intoleranter antikirchlicher Trend sich breitmache. 1 0 8 Nach dem Bericht von Erwin Wilkens erschöpfte sich die Arbeit der Bekenntnisgemeinschaft an der Theologischen Fakultät Göttingen zwar nicht in der Fachschaftsarbeit; diese sollte auch nicht im Namen der Bekenntnisfront gestaltet, aber im Sinne der Bekennenden Kirche getan werden. Neben der Arbeit in der Fachschaft suchten die Göttinger BKStudenten eine Kerngemeinde an der Universität zu sammeln. Im übrigen beteiligten sie sich an der örtlichen Göttinger Bekenntnisgemeinschaft unter Rechtsanwalt Dr. Ernesti. Zusammengefaßt ergibt sich folgendes Bild: Der Einfluß der Deutschen Christen auf die Fachschaftsarbeit an den theologischen Fakultäten war seit 1934 stark zurückgegangen. Seit 1 9 3 5 versuchten BK-Studenten verschiedentlich, die Fachschaftsarbeit stärker zu beeinflussen. Die Übernahme der Augsburger Hochschulbeschlüsse der Bekennenden Kirche vom Juni 1 9 3 5 und entsprechender Festlegungen der altpreußischen BKSynode Dezember 1 9 3 6 in Breslau führte allerdings verschiedentlich zum Studienboykott bestimmter Hochschullehrer, jedenfalls dort, wo man 108. Information von Erwin Wilkens an den Verfasser.

274

Fachschaftsarbeit und studentisches

Korporationswesen

den bekenntnissynodalen Anweisungen konsequent folgte oder sie gar noch überbot. Disziplinarverfahren wegen Verletzung der Studien- und Prüfungsdisziplin blieben nicht aus. Andererseits boten die Ära der Kirchenausschüsse 1935 bis 1 9 3 7 und entsprechende kirchenpolitische Aktionen, wie sie danach bis 1 9 3 9 unter Reichskirchenminister Kerrl in Szene gesetzt wurden, Anlaß dazu, über eine mehr gruppenübergreifende Fachschaftsarbeit nachzudenken, wie es das oben geschilderte Projekt der Fachschaftsarbeit von stud, theol. Werkmeister (Halle) zeigte. Zu einer wirklich einheitlichen Ausrichtung der Fachschaftsarbeit an den theologischen Fakultäten ist es jedoch nie gekommen. Die unterschiedlichen Verhältnisse an den einzelnen Fakultäten erschwerten oder verhinderten ein einheitliches Vorgehen. Die Arbeit der theologischen Fachschaften waren je nach den Verhältnissen des Hochschulortes von unterschiedlichen Kräften getragen. Als sich seit 1 9 3 7 der oft schon vorher spürbare unterschwellige Distanzierungskurs des NS-Systems gegenüber Theologie und Kirche geltend machte, sahen sich auch die theologischen Fachschaften in die Auseinandersetzungen der theologischen Fakultäten mit der NSDAP hineingezogen, für deren Führungsgremien der Trend zunehmender weltanschaulicher Distanzierung von Kirche und Christentum bestimmend blieb. Die restriktive Haltung der NSDAP gegenüber Kirche und Christentum, die Pfarrern und Theologen den Austritt aus der SA nahelegte, weil sie zu den für die NSDAP nicht in Betracht kommenden Gruppierungen (Nichtarier, Freimaurer usw.) gehörten, wie auch die zunehmend aversive, bisweilen feindselige Haltung der Führung der „Deutschen Studentenschaft" und des NS-Studentenbundes hatte Auswirkungen auch auf die theologische Fachschaftsarbeit, die ja im Rahmen der „Deutschen Studentenschaft" zu leisten war. Die parteiamtlich verfügte Ausgrenzung der Theologen besonders in den Jahren 1 9 3 8 / 3 9 aus der Reihe der förderungswürdigen Studenten und entsprechende Benachteiligungen haben damals stark ernüchternd gewirkt. So haben denn unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg auch die Fachschaftsleitungen in Verbindung mit den Dekanen oder im Kontakt mit anderen fakultätspolitisch potenten Vertretern des Lehrkörpers oftmals entsprechend mitgewirkt, Einschränkungen und Benachteiligungen von Theologiestudenten abzuwehren, wie sie sich aus dem gewandelten Verhältnis führender NS-Kreise gegenüber Theologie und Kirche ergaben. Parteiamtliche Angriffe auf die Universitätstheologie und Infragestellung ihrer künftigen Existenz trugen dazu bei, daß sich Fachschaften und Lehrkörper der theologischen Fakultäten stärker solidarisierten.

Gleichschaltung

und Ende der

Studentenverbindungen

275

Die Ausgrenzungstendenzen der weltanschaulichen Distanzierungskräfte im NS-System gegenüber den Theologen verstärkten so notgedrungen auch die Resistenzbereitschaft der theologischen Fachschaften gegenüber der „Deutschen Studentenschaft" und dem NS-Studentenbund, Organisationen, die zwangsläufig an der Umsetzung dieser restriktiv wirkenden Maßnahmen an den Universitäten beteiligt waren. Konflikte der theologischen Fachschaften mit der Studentenführung in der vom NS-Studentenbund dominierten „Deutschen Studentenschaft", waren nichts Seltenes. Proteste gegen die als diffamierend empfundenen Ausgrenzungen der Theologiestudenten wurden gelegentlich mit Ausschluß der Verantwortlichen in den theologischen Fachschaften bestraft. Als in Leipzig stud, theol. Gerhard Knabe im Namen von 80 Theologiestudenten der theologischen Fachschaft gegen die entehrende Maßnahme eines Ausschlusses von Theologen aus der Erntehilfe am 2 0 . Juni 1939 protestierte, ordnete Gaustudentenführer Dipl.-Ing. Starke (Dresden) seine Abberufung als Fachschaftsleiter an. 1 0 9

c) Gleichschaltung und Ende der

Studentenverbindungen

Das Jahr 1933 hatte mit dem nationalsozialistischen Studentenrecht nicht nur für die theologischen Fachschaften, sondern auch für das weitverzweigte traditionsreiche studentische Verbindungswesen an den Universitäten eine neue hochschulpolitische Situation gebracht. Wie alle anderen Fachschaften waren 1933 auch die Theologenschaften und theologischen Fachschaften der reichsweit universitären „Deutschen Studentenschaft" unterstellt worden. Um die Studierenden in ihrer Gesamtheit erfassen zu können, war die Zugehörigkeit zur jeweiligen Fachschaft der betreffenden Fakultät nicht mehr wie bisher freigestellt, sondern wurde obligatorisch. Die Studierenden wurden in der „Deutschen Studentenschaft" erfaßt, die ihrerseits vom NS-Deutschen Studentenbund an den Universitäten und Hochschulen kontrolliert wurde, der seit Ende Juli 1934 dem Stellvertreter des Führers Rudolf Heß direkt unterstellt wurde. Die „Deutsche Studentenschaft" richtete Lager und Kameradschaftshäuser ein, verschiedentlich durch Übernahme von Korporationshäusern bis1 0 9 . Denkschrift der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig über ihren K a m p f gegen die nationalsozialistische Regierung in Sachsen. Schreibmaschinen-MS; Verfasser: Heinrich B o r n k a m m . o . D. ( 1 9 4 6 ) 1 0 Seiten und 5 Seiten Anlagen (Kopie im Besitz des Verf.).

276

Fachschaftsarbeit und studentisches

Korporationswesen

heriger Studentenverbindungen. Das zunehmend gleichgeschaltete traditionsreiche studentische Korporations- und Verbindungswesen existierte zwar noch ein paar Jahre fort. Es wurde aber von der studentischen Organisation der NS-Partei auf Universitätsebene, dem NS-Studentenbund, wie auch durch die SA und deren Studentenstürme, in seinem Einfluß beschnitten. Die Wirkmöglichkeiten der Studentenverbindungen wurden sukzessiv eingeschränkt. Das Ende des studentischen Korporationswesens war nur noch eine Frage der Zeit: Ende 1935 bis Frühjahr 1936 lösten sich die meisten Studentenverbindungen auf. Auch die besonders von Theologiestudenten bevorzugten Wingolf-Vereine kamen an den Universitäten im Wintersemester 1935/36 zum Erliegen. 110 Verschiedene Altherrenverbände studentischer Korporationen wurden noch bis 1938 toleriert. Die Führung der „Deutsche Studentenschaft", die durch Reichsgesetz vom 2 2 . April 1933 und landesgesetzliche Bestimmungen als Studentenvertretung anerkannt war, hatte im September 1933 Dr. ing. Oskar Stäbel, damals zugleich NS-Studentenbundsführer, übernommen. Stäbel hatte selbst einer schlagenden Studentenverbindung angehört und war als Führer im „Allgemeinen Deutschen Waffenring" in Karlsruhe mit Fragen des Korporationswesens vertraut, bevor er seine parteiamtlichen hochschulpolitischen Aufgaben übernahm. Stäbel wurde vom Reichsjugendführer Baidur v. Schirach, ehedem selbst (seit 1928) Reichsleiter des NS-Studentenbundes, 1933 auch zum Führer der „Reichsschaft der Studierenden" berufen, die neben den Universitäten und Hochschulen auch für die Fachschulen zuständig war, an denen entsprechende Studentenbundsgruppen forciert aufgebaut werden sollten. Diese „Reichsschaft" übernahm 1934 Andreas Weickert als Vertreter der Deutschen Studentenschaft. Um eine konkurrenzfreie Monopolstellung der „Deutschen Studentenschaft" als Studentenvertretung durchzusetzen, hatte Stäbel den erst im April 1933 gegründeten Studentenkampfbund „Deutsche Christen" unter Pfarrer Walter Hoff bereits am 2 2 . November 1933 wieder auflösen lassen, weil er eine störende Konkurrenz für die „Deutsche Studentenschaft" an den Universitäten darstellte. 111 Entsprechend der jetzt vorherrschenden Linie der NSDAP, ihre Gliederungen von konfessionellen 110. Wingolfs-Nachrichten 67 (1938), Beilage zur Folge 8/9 (genaue Chronologie der Wingolfvereine an den einzelnen Universitäten und Hochschulen von Archivar Otto Imgart). 111. Gauger, Chronik, Bd. 1, S. 114.

Gleichschaltung

und Ende der

Studentenverbindungen

III

Spannungen freizuhalten, galt das konfessionelle Prinzip für die „Deutsche Studentenschaft" und erst recht für den NS-Studentenbund als untragbar. 112 In einer Verfügung vom 2 0 . Januar 1 9 3 4 gab SA-Standardenführer Dr. Stäbel als Reichsführer des NS-Studentenbundes und der Deutschen Studentenschaft auf Grund der ihm vom Reichsinnenminister Frick übertragenen Vollmachten die Gleichschaltung der studentischen Verbände bekannt: „Sämtliche studentischen Verbände sind mit sofortiger Wirkung mir unterstellt. Die Leiter der Verbände werden von mir bestätigt und abberufen." 1 1 3 Am 7. Februar 1 9 3 4 wurde die Verfassung der Deutschen Studentenschaft erlassen. Danach galt die Deutsche Studentenschaft als der Zusammenschluß der deutschen Studentenschaften an den Hochschulen des geschlossenen deutschen Sprachgebietes. Deutsche Studenten, die nicht Reichsdeutsche waren, bildeten eine besondere Gruppe in der Deutschen Studentenschaft. 114 In Nachfolge Stäbeis wurde 1 9 3 4 Dr.jur. Albert Derichsweiler NS-Studentenbundsführer. Die „Reichsfachschaftsleitung" der „Deutschen Studentenschaft" hatte 1934 Andreas Weickert übernommen. Allerdings mußte die Deutsche Studentenschaft als Gesamtvertretung der Studierenden mit Wirkung vom 14. November 1 9 3 4 die politische Erziehungsaufgabe „ausschließlich und allein verantwortlich" dem NS-Studentenbund überlassen, dessen Leitung nach Derichsweiler dann Reichsstudentenführer Dr. Gustav Adolf Scheel übernommen hat. 1 1 5 Im Vollzug der Gleichschaltung ist auch das traditionsreiche studentische Korporationswesen an den Universitäten sukzessiv seiner Autonomie beraubt und schließlich aufgelöst worden. Zur Erleichterung dieser Eingliederung wurden einzelne seiner Führer anfangs noch formal kooptiert, soweit man sie für politisch zuverlässig hielt. Der „Allgemeine Deutschen Waffenring" als Verband schlagender Korporationen wurde beispielsweise dadurch gleichgeschaltet, daß man seinen Ehrenrat zugleich als Ehrenrat der „Deutschen Studentenschaft" einsetzte. Außerdem wurde der Verbandsführer des Waffenrings Pg. Langhoff zum 112. Kalischer, Universität, Nr. 1 4 0 (S. 2 2 1 - 2 2 4 ) : Preußische Studentenrechtsverordnung vom 12. April 1 9 3 3 , § 2: „Die Studentenschaft steht über den Parteien und Konfessionen. Parteipolitische und konfessionelle Bestrebungen sind ausgeschlossen." 113. Kalischer, Universität, Nr. 148 (S.232f.). 114. Ebd. Nr. 149 (S. 2 3 3 - 2 3 6 ) . 115. Ebd. Nr. 151 (S. 2 3 8 ) .

278

Fachschaftsarbeit und studentisches

Korporationswesen

Stellvertreter des Führers der „Deutschen Studentenschaft" D r . Stäbel bestimmt. Ortliche Führer der „Deutschen Studentenschaft" sollten gleichzeitig Waffenringführer sein. D a b e i galten die „Prinzipien der N S D A P " als bindend. So wurden bei dem Waffenstudententag a m 2 4 . April 1 9 3 4 , auf dem die Gleichschaltung des „Allgemeinen Deutschen Waffenrings" mit der „Deutschen Studentenschaft" erfolgte, auch die Arierbestimmungen eingeschärft. Als illoyal gegen die „Deutsche Studentenschaft" oder den „ W a f f e n r i n g " galt, wenn sich einzelne Studentenverbindungen oder auch nur einzelne Angehörige von K o r p o r a t i o n e n „wegen jüdisch Versippter" direkt an das Reichsinnenministerium, die Dienststelle „Stellvertreter des F ü h r e r s " oder sonstige höhere Stellen wandten, um Ausnahmeregelungen zu erwirken. Einzelne Studentenverbindungen hatten sich zunächst gegen eine allzu rigide Durchsetzung der Arierbestimmungen zu wehren versucht. D a s jetzt eingeführte Führerprinzip ließ K o r p o r a t i o n e n , die den Anweisungen des Verbandsführers nicht n a c h k a m e n , ihrer R e c h t e verlustig gehen. Der deutschnational orientierte Stahlhelm-Studentenring wurde schon Juli 1 9 3 3 dem NS-Studentenbund unterstellt, als Ergebnis des seit Juli 1 9 3 3 gesetzlich erzwungenen Parteimomopols der N S D A P als einziger Partei in Nazideutschland. Die Studentenverbindungen konnten sich dem politischen

Gleich-

schaltungsdruck, dem das studentische Korporationswesens ausgesetzt war, je länger desto weniger entziehen.

Der Reichsführer des

NS-

Studentenbundes Derichsweiler hatte zwar bei einer Kundgebung

in

M ü n c h e n a m 7. N o v e m b e r 1 9 3 4 mit R ü c k s i c h t auf entsprechende Richtlinien aus dem Reichswissenschaftsministerium

betont, eine Z w a n g s -

auflösung der Studentenverbindungen sei nicht beabsichtigt. D o c h war für ihn die Unterstellung der „ b r a u c h b a r e n und lebenskräftigen

Kor-

p o r a t i o n e n " unter die politische Oberaufsicht des NS-Studentenbundes unverzichtbar: 1 1 6 „Ich fordere daher heute die deutschen K o r p o r a t i o n e n auf, sich dem N S D . - Studentenbund, als dem Beauftragten der Partei für die politische Erziehung zu unterstellen und unsere politische und erziehungsmäßige Mission in diesem R a h m e n durchzuführen." Dabei k o m m e eine Anerkennung aller K o r p o r a t i o n e n niemals in Frage; denn es sei „ein Ding der Unmöglichkeit, mit fast 2 0 0 K o r p o r a t i o n e n , die heute noch bestehen, diese Arbeit durchzuführen. Ich lehne es ab, die studentischen Verbände aufzulösen oder ein Verbot auszusprechen. Vielmehr m u ß man hier der Entwicklung freien R a u m lassen und jetzt die Verbände und die K o r 1 1 6 . Wingolfs-Blätter 6 3 ( 1 9 3 4 ) , Folge 1 2 , Sp. 3 8 2 f.

Gleichschaltung und Ende der

Studentenverbindungen

279

porationen vor ihre eigene Existenzfrage, die Frage der Eingliederung in die Bewegung, stellen." Andererseits lehnte Derichsweiler den entgegengesetzten Weg ab, die Mitgliedschaft der Studenten in den K o r p o r a t i o n e n obligatorisch zu machen: denn was nicht selbst durch Uberzeugung M e n schen für sich gewinne, habe im Dritten Reich keine Daseinsberechtigung mehr. M a n würde so nur Gebilde künstlich a m Leben halten, die einer vergangenen Epoche angehörten, hieß es. Ein charakteristisches Beispiel für den Gleichschaltungsprozeß, den die studentischen K o r p o r a t i o n e n seit 1 9 3 3 unterworfen waren, bietet die Studentenverbindung „ W i n g o l f " . Der Wingolfsbund w a r eine besonders auch an den theologischen Fakultäten einflußreiche traditionsreiche Studentenverbindung, die sich christlich-nationalen Grundsätzen verpflichtet wußte und zu den „nichtschlagenden" K o r p o r a t i o n e n gehörte, deren Abweisung des Duells sie von den Waffenstudenten unterschied. Zahlreiche namhafte T h e o l o g e n haben dem Wingolf angehört oder blieben ihm in den Philistervereinen als Altherren verbunden. Der Wingolfsbund ging auf die Wingolfsvereine zurück, die an verschiedenen deutschen Universitäten bereits seit M i t t e des 1 9 . J a h r h u n derts existierten. Z u frühen Wingolf-Gründungen an deutschen Universitäten gehörten u.a. Bonn ( 1 8 4 1 ) , Berlin ( 1 8 4 3 ) , Halle ( 1 8 4 4 ) , Erlangen ( 1 8 5 0 ) , Heidelberg ( 1 8 5 1 ) , Leipzig ( 1 8 5 4 ) , Göttingen ( 1 8 6 7 ) , Breslau ( 1 8 7 1 ) ; an der Universität J e n a wurde der Wingolf erst 1 9 2 1 gegründet. Parallel dazu g a b es an den Universitäten zahlreiche andere Korporationen und Studentenvereine mit eigener Publizistik, Versammlungslokalen oder auch Verbindungshäusern. 1 1 7 Die dem Totalitätsanspruch der N S D A P auch im Universitäts- und Hochschulbereich widerstreitende Vielfalt studentischer Organisationen hielt dem Gleichschaltungsdruck, wie er sich gegenüber allen politisch relevanten Institutionen vollzog, nicht stand. Wie andere K o r p o r a t i o n e n hatte sich auch der Wingolfsbund durch den politischen Umschwung des Frühjahrs 1 9 3 3 vor die Frage gestellt gesehen, wie eigenes Leben trotz des forcierten Trends zur Gleichschaltung bewahrt werden könne. M a n versuchte auch in der studentischen „ A k t i v i t a s " des Wingolf wie auch in seinen Altherrenverbänden auf die neuen Verhältnisse einzugehen, etwa durch die Ü b e r n a h m e des Führerprinzips. Auf dem Wingolfstag in Eisenach a m 6 . M a i 1 9 3 3 stellte man den langjährigen Kassen- und Schriftwart Dr. R o b e r t Rodenhauser aus Wolfratshausen bei M ü n c h e n , Kriegsversehrter des Ersten Weltkriegs, als 1 1 7 . Vgl. Wingolfs-Nachrichten 6 7 ( 1 9 3 8 ) , Beilage zu Folge 8 / 9 .

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Fachschaftsarbeit und studentisches

Korporationswesen

Führer des Wingolf heraus. Rodenhauser sprach auf dem Generalkonvent des Wingolfsbundes am Pfingstmontag 1933 von der „großen Wende", die jüngst Volk und Staat zusammengebracht habe und nun den restlosen Einsatz des völkischen Menschen für den völkischen Staat in soldatischer Disziplin erfordere. Dem müßten die studentischen Verbände entsprechen; zugleich aber sollten sie es verstehen, „das eigene Leben der Korporation trotz grundsätzlicher Gleichschaltung zu wahren", weil jeder Organismus nur aus den Kräften leben könne, aus denen er geboren sei. Die Wingolfs-Blätter betonten, man habe sich umorganisiert und „unter die staatsbildende Idee des Führertums" gestellt. Das neue, nationalsozialistisch ausgerichtete Studentenrecht forderte neben dem Führerprinzip auch deutsche Abstammung für Mitglieder der „Deutschen Studentenschaft". Für die um ihre Existenz besorgten Korporationen war bald nicht mehr die Unabwendbarkeit, das Arierprinzip zu übernehmen, strittig, sondern höchstens noch bestimmte Modalitäten seiner Übernahme. Vereinzelt zeigte sich indes in der Verbandspresse noch eine gewisse Resistenz gegenüber radikalistischen Ansinnen, nicht als vollarisch geltende Mitglieder von Altherrenverbänden auszuschließen, die sich etwa als Frontkämpfer bewährt hatten. Man pochte in solchen Fällen auf die „Frontkämpferklausel", wie sie im Berufsbeamtengesetz vom 7. April 1933 enthalten war, um in Einzelfällen Ausnahmeregelungen zu erwirken. Der Wingolf erklärte seine Bereitwilligkeit, sich in den damals noch freiwilligen Arbeitsdienst einzuordnen. Er war zur Pflege des Wehrsports, zum Bruch mit jeglichem Liberalismus bereit. Seine Führung meinte mit diesen Zugeständnissen, den politischen Erwartungen im NS-System zu genügen. Als historischer Träger des christlichen Korporationsgedankens habe sich der Wingolfsbund indes von einem übertriebenen Führerprinzip fernzuhalten. Da sich der Wingolf als christlicher Studentenverband als „christlich national", dabei von „echt akademischer Art" verstand, hatte er 1933 seine gegenwärtige Aufgabe darin gesehen, eine „Synthese zwischen dem Gehorsam zum Führer und der Freiheit eines Christenmenschen" zu finden. Bei den Verhandlungen zeigte es sich, daß vor allem in der Arbeitsgemeinschaft der Philistervereine erhebliche Bedenken vor dem nationalsozialistischen Führerprinzips bestanden: So hat denn auch der 1933 sich auflösende Philisterrat des Wingolf die allgemeinen Richtlinien der Neuorganisation zwar gebilligt, aber vor einer Ubersteigerung des Führergedankens gewarnt. Wenn im übrigen der christliche

Gleichschaltung

und Ende der

Studentenverbindungen

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Glaube als Grundlage verloren gehe, habe der Wingolf sein Lebensrecht verloren. 118 Die unumgänglich erscheinenden Konzessionen, nämlich Übernahme des Führerprinzips und steter Hinweis auf die wichtige Aufgabe studentischer Gemeinschaftserziehung nach den völkischen Idealen und Grundsätzen der neuen Zeit, konnten indes die Autonomie des studentischen Verbindungswesen nicht bleibend sichern. Der Trend institutioneller Gleichschaltung des NS-Systems wirkte sich auch darin aus, daß die Korporationen die „Prinzipien der NSDAP" als bindend anerkennen mußten. Und dabei hatte der Führer der „Deutschen Studentenschaft" Stäbel noch am 10. Mai 1 9 3 4 zum Ausdruck gebracht, er denke nicht daran, die Korporationsgemeinschaften von sich aus aufzulösen. Doch war der Erwartungsdruck, diesen Schritt seitens der Korporationen selbst zu tun, schon jetzt spürbar genug und erschien unausweichlich. Zunächst freilich hat auch der Wingolf durch Konzessionen den politischen Erfordernissen der Gleichschaltungsphase zu genügen versucht. Er hoffte so, Tradition und Existenz sichern zu können. Wie andere konservativ eingestellten Studentenverbindungen setzte der Wingolf zunächst Hoffnungen auf die unter dem Staatssekretär der Reichskanzlei Dr. Hans-Heinrich Lammers stehende „Gemeinschaft Studentischer Verbände" (GSV) und suchte Anfang Februar 1935 mit ihr Fühlung zu nehmen, zumal Lammers damals erklärte, die Frage nach der Existenzberechtigung der studentischen Verbände sei von höchster Stelle bejaht worden. 1 1 9 Diese „Gemeinschaft Studentischer Verbände" war auf dem Waffenstudententag am 12. Januar 1935 gegründet worden, nachdem im November 1934 mehrere stärker völkisch orientierte Verbände, nämlich die „Deutschen Burschenschaften", der „Verband der Turnerschaften", die „Deutsche Sängerschaft", die „Deutsche Wehrschaft" und der „Naumburger Thing" ihren Austritt aus dem „Allgemeinen Deutschen Waffenring" erklärt und sich zu einem „Völkischen Waffenring" zusammengeschlossen hatten, der sich allerdings schon am 11. April 1935 wieder auflöste. 120 Der Austritt dieser völkisch radikaleren Verbindungen aus dem Waffenring war damit begründet, daß dessen Bestimmungen in der Arier- und Freimaurerfrage ungenügend seien. Vielmehr gelte es, in der 118. Wingolfs-Blätter 6 2 (1933) Folge 7, Sp. 2 5 7 - 2 6 3 (Wilhelm Lütkemann, Wingolfstagung in Eisenach 1933). 119. Wingolfs-Blätter 6 4 (1935), Folge 4, Sp. 1 1 6 - 1 1 9 . 120. Ebd. 6 4 (1935), Folge 5, Sp. 138 f.

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Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

Zusammensetzung des Mitgliederbestandes kompromißlos auf die Linie der NSDAP einzugehen. 121 Eine Vereinbarung vom 12. März 1935 zwischen dem als Beauftragten der Parteikanzlei fungierenden Reichsärzteführer Dr. Gerhard Wagner, NS-Studentenbundsführer Albert Derichsweiler und Staatssekretär Hans-Heinrich Lammers als Führer der „Gemeinschaft Studentischer Verbände" sollte die der NSDAP politisch unerwünschten Auseinandersetzungen im Korporationsstudententum überwinden helfen. Dem Waffenring, dem Ende März 1935 noch ca. 170 0 0 0 Mitglieder aus 16 Korporationen angehörten, wurden lediglich die innerkorporativen waffenstudentischen Belange überlassen, während die NSDAP in Gestalt des NS-Studentenbundes alle hochschulpolitischen und politischen Angelegenheiten für sich beanspruchte. 122 Diese „Gemeinschaft Studentischer Verbände" unter Lammers blieb jedoch eine Episode. Schon im Frühherbst 1935 war ihr Ende gekommen. An internen Auseinandersetzungen hatte es nicht gefehlt. So schloß Lammers am 2 3 . August 1 9 3 5 den Bundesführer der „Deutschen Burschenschaften" Rechtsanwalt Dr. Hans Glauning aus, weil er gegen die von Hitler gebilligten Richtlinien für das Korporationsstudententum vom 15. Juli 1 9 3 5 im Augustheft der Burschenschaftsblätter verstoßen und das Freiwilligskeitsprinzip bei der restlosen Durchsetzung der Arierfrage in den Korporationen nicht anerkannt habe. Doch bereits am 6. Sept 1 9 3 5 sah sich Lammers selbst veranlaßt, vom Vorsitz der „Gemeinschaft Studentischer Verbände" zurückzutreten: das Ziel, ein geeintes deutsches Korporationsstudententum zu schaffen, habe sich als undurchführbar erwiesen. Zwei Tage später löste er die Organisation auf, die zunächst als ein konservativ orientiertes Gleichschaltungsmodell gegolten hatte, das eine gewisse Autonomie der Studentenverbindungen zu gewährleisten schien. 123 Schon am 15. Juli 1 9 3 5 war die von Hitler gebilligte Entscheidung getroffen worden, die den Verbänden die Einrichtung einer eigenen weltanschaulichen und politischen Schulung nicht gestattete. Doch sollte es geeigneten Verbandsführern nicht verwehrt sein, in ihren Korporationen im NS-Sinne zu wirken. Sollten bislang die Studentenverbindungen in die planmäßige nationalsozialistische Schulungsarbeit eingegliedert und ihnen ein bestimmter Platz in ihr 121. Ebd. 6 4 (1935), Folge 4, Sp. 1 1 6 - 1 1 8 . 122. Ebd. 6 4 (1935), Folge 4, Sp. 118. 123. Ebd. 6 4 (1935), Folge 9/10, Sp. 2 6 7 - 2 7 1 : Das Ende der Gemeinschaft studentischer Verbände. Hier: Sp. 2 6 8 .

Gleichschaltung und Ende der Studentenverbindungen

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zugewiesen werden, so wurden sie nunmehr durch forcierte Entpolitisierung zu Vereinen entwertet, deren Aufgabe auf eine bloß allgemeine „Gemeinschaftserziehung" beschränkt blieb. Der Reichsamtsleiter des NS-Studentenbundes Albert Derichsweiler stellte zu diesem Zeitpunkt die Studentenschaft vor die Alternative: NS-Studentenbund oder Korporation. Mitte September 1935 kündigte er auf dem Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg an: neu zur Hochschule kommende Studenten müßten sich künftig entscheiden, ob sie dem NS-Studentenbund oder einer Korporation angehören wollten. Doppelmitgliedschaft, obwohl bisher gefördert, sollte aufhören. Die Parteipresse attackierte das studentische Verbindungswesen. Das Korpsstudententum sei Relikt eines überwundenen Liberalismus. Im Interview Derichsweilers im „Völkischen Beobachter" vom 21. September 1935 hieß es dazu: 1 2 4 „Die Korporations- und Verbandsfrage ist entschieden und während diese Überbleibsel der Vergangenheit aussterben, baut sich schon eine neue politische Mannschaft auf, und an Stelle von Trinkliedern, die bis in frühe Morgenstunden hinein in den Straßen der Universitätsstädte hallten, wird der Marschtritt einer neuen studentischen Jugend zu hören sein, die nach den Worten des Führers zäh wie Leder, flink wie ein Windhund und hart wie Kruppstahl sein wird." Im studentischen Verbindungswesen, soweit es sich trotz aller notwendigen und zunächst oft auch stürmisch vollzogenen Einordnung in die vorgegebenen Strukturen des Dritten Reiches noch eine gewisse Eigenständigkeit hatte bewahren können, löste diese restriktive Entwicklung große Enttäuschung aus. Der Wingolfsführer Dr. Rodenhauser schrieb dazu: die Wingolfer hätten immer, gerade aus der Verpflichtung ihres christlichen Prinzips heraus, sich in lebendiger Verantwortung gegenüber Volk und Staat gewußt und freiwillig Aufgaben auf sich genommen, um diese Einordnung in Dienst und Hingabe zu erfüllen: 1 2 5 „Es schaudert uns davor, jetzt durch den Entzug einer unmittelbaren Aufgabe gegenüber Bewegung und Staat ( . . . ) in die Sackgasse erbärmlichen Spießertums gedrängt zu werden. Wir wissen, daß uns die Lebendigkeit unseres christlichen Wollens davor bewahren wird." Trotz allem wolle man nicht aufhören, „in treuer und steter opferbereiter Gefolgschaft zu Führer, Volk und Staat zu stehen" und damit „dem Dritten Reich und der Bewegung" einen Dienst zu tun, auch wenn dem Kor124. Völkischer Beobachter 48 (1935), Nr. 264 (21. September 1935), S. 5. Vgl. Wingolfs-Blätter 64 (1935), Folge 9/10, Sp. 273. 125. Wingolfs-Blätter 64 (1935), Folge 9/10, Sp. 273.

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Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

porationswesen nunmehr leider jede positive Bedeutung abgesprochen werde. Nach einer Verfügung vom 1. November 1 9 3 5 nahm der NSStudentenbund nur noch Studierende im ersten Semester als Anwärter auf. Sie mußten sich entscheiden, ob sie dem NS-Studentenbund als Gliederung der NSDAP oder einer Korporation angehören wollten. Außerdem konnten Studenten des 1. bis 4. Semesters in solchen Korporationen, die bereits als Kameradschaften dem Studentenbund eingegliedert waren, Mitglieder im NS-Studentenbund sein, für den übrigens ab 1. Dezember 1935 eine vorübergehende Mitgliedersperre eintrat. 1 2 6 Auf seinem Bundestag am 22.123. Februar 1 9 3 6 in Marburg sah sich der Wingolf-Bund genötigt, seine Auflösung zu beschließen. Wie schwer dieser „schmerzliche Einschnitt" in der Wingolfsgeschichte verwunden wurde, kam mehrfach auch in Ansprachen und Abschiedsworten zum Ausdruck. Der Erlanger Neutestamentier Prof. Hermann Strathmann sprach im Anschluß an den Philisterkonvent vom 23. März 1 9 3 6 davon: seit Monaten habe man sich an den Gedanken gewöhnen müssen, daß die Geschichte „unseres Wingolf" und der Studentenverbindungen überhaupt abgelaufen sei. Obwohl der Angriff eigentlich anderen Korporationen gegolten habe, treffe er doch auch „unsern Wingolf". Es gelte, nicht zu klagen, sondern in der neuen Wirklichkeit, auch wenn sie uns Wertvolles nehme, mit alter Liebe und Treue unserem Volk zu dienen und dabei an den Idealen und Uberzeugungen festzuhalten. 127 Auch andere Studentenverbindungen sahen sich zum Aufgeben veranlaßt. So hatte beispielsweise der „Verband der Deutschen Burschenschaften" bereits im Herbst 1935 die Eingliederung in den NSStudentenbund „freiwillig" beschlossen: als „großdeutsche Bewegung" an den deutschen Hochschulen habe sie ihren Sonderzweck erfüllt, weil die NS-Bewegung ihr Anliegen übernommen habe. Der „Verband der Deutschen Burschenschaften" hatte damit offenbar seine korporative Existenzform zu sichern versucht, die schon auf dem Burschenschaftstag in Leipzig vom 6. Oktober nicht mehr voll akzeptiert wurde. Dieses Leipziger Abkommen vom 6. Oktober 1935, das einem Verhandlungsergebnis vom Vortag in Plauen entsprach und zum Wartburgfest in Eisenach am 18. Oktober 1935 nochmals gebilligt worden war, hatte vorgesehen, die Burschenschaften als Kameradschaften in den NSStudentenbund zu übernehmen. Doch stellte sich in den ersten Monaten 126. Ebd. 6 4 ( 1 9 3 5 ) , Folge 12, Sp. 3 4 0 . 127. Ebd. 6 5 ( 1 9 3 6 ) , Folge 2, Sp. 7 1 - 7 7 .

Gleichschaltung und Ende der Studentenverbindungen

285

des Jahres 1936 heraus, daß der NS-Studentenbund eine korporative Übernahme der Deutschen Burschenschaften ablehnte, obwohl die Anregung vom NS-Studentenbund selbst ausgegangen war und Reichsärzteführer Dr. Wagner als Beauftragter von Heß damals bestätigt hatte, Hitler sei mit der korporativen Übernahme des Verbandes der Deutschen Burschenschaften in den NS-Studentenbund einverstanden. Doch im Frühjahr 1936 paßte diese Zusage offensichtlich nicht mehr ins parteiamtliche Gleichschaltungskonzept, das jetzt eindeutig auf Auflösung der aktiven Studentenverbindungen zielte. So berief Bundesführer Dr. Hans Glauning einen außerordentlichen Burschenschaftstag zu Pfingsten 1936 nach Eisenach ein, auf dem der Beschluß über die endgültige Liquidation des Verbandes der „Deutschen Burschenschaften" gefaßt wurde. Dabei konnte Glauning wenigstens darauf verweisen, daß die Freundschaftsbünde der „Altkameradschaften", wie die Altherrenverbände hier hießen, vorerst erhalten blieben: Weder Bewegung noch Staat hätten ein Interesse daran, daß sich diese Freundschaftsbünde ehemaliger Mitglieder der Deutschen Burschenschaften gegenwärtig auflösten, wenn ihnen auch jedweder Einfluß auf die Gestaltung des Hochschullebens untersagt sei. Gestaltungskompetenz für Hochschulfragen stünde ausschließlich dem NS-Studentenbund zu. Im übrigen sollten die Altkameradschaften ihren traditionellen Einzelnamen übernehmen wie zum Beispiel „Verein alter Arminen", „ N o r m a n n e n " usw. Die tolerierte Weiterexistenz einflußloser, die eigene Verbandsentwicklung lediglich anteilnehmend verfolgender Altkameradschaften entsprach auch parteiinternen Überlegungen, wie sie Reichsärzteführer Dr. Wagner zum Ausdruck gebracht hatte: es würde sich sonst, weil ja persönliche Bindungen ohnehin bestehen blieben, nach einer Auflösung der Altherrenverbände ein unorganisches Durcheinander von Stammtischen entwickeln, das für „reaktionäre Kräfte" Möglichkeiten böte, im akademischen Bereich Verwirrung zu stiften. Offenbar schien durch Beibehaltung der traditionellen Namen und Struktur der Altkameradschaften die Kontrolle ehemaliger Burschenschaftler besser gewährleistet. 128 Reichsstudentenführer Derichsweiler wies Ende Februar 1936 darauf hin, in Erlangen hätten sich bereits 14 von 21 Korporationen aufgelöst. Den übrigen werde er zwar „keine Knüppel zwischen die Beine werfen"; es folgte die verächtlich-distanzierende Bemerkung: „Aber diese 128. Wingolfs-Nachrichten 3 (65) (1936); Folge 5, Sp. 106-108; Folge 6, Sp. 135137.

286

Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

Korporationen und Vereinigungen haben mit uns nicht das Geringste zu tun." 1 2 9 Das organisatorisch wie ideologisch gezielte Konzept, das mit dem Druck auf das Lebensrecht der Korporationen Hand in Hand ging, hatte Derichsweiler dabei in Erlangen deutlich zum Ausdruck gebracht: Die Einteilung des NS-Studentenbundes der ersten fünf Semester in Kameradschaften (unter Kameradschaftsführern) sollten die einheitliche ideologische Ausrichtung für die gesamte studentische Erziehung sichern. Politische Schulungslager und der Landdienst würden organisiert, wozu jeder Student während der Ferien einmal heranzuziehen sei. Durch die Fachschaftsarbeit sollte der Student in Verbindung auch mit dem NS-Dozentenbund und anderen Parteiorganisationen so geschult werden, daß er beurteilen könne, ob das ihm im Kolleg und Seminar Vorgetragene nationalsozialistischem Geiste entspreche. Das „Wort an die deutschen Studenten", das Derichsweiler zu Beginn des Sommersemesters Anfang April 1936 erließ, zeigte den Kurs des NS-Studentenbundes eindeutig genug: „Mögen alle diejenigen, die das Gestern eines studentischen Lebens nicht vergessen können, sich klar sein: das Rad der Geschichte kann man nicht zurückdrehen; wer es dennoch wagt, sich entgegen allen Gesetzen des geschichtlichen Werdens und Vergehens gegen die Entwicklung zu stemmen, wird niemals bestehen." Hitler habe das Traumbild einer starken deutschen Nation vieler vergangener Studentengenerationen zur Wirklichkeit werden lassen. Die studentische Jugend werde sich dieser Vergangenheit würdig erweisen, wenn sie, dem Gebot der Stunde gehorchend, Hand anlege am Neubau eines nationalsozialistischen Studententums und nicht etwa versuche, „was im Deutschland des Gestern und Vorgestern gut und recht war, in das Deutschland der Einheit und Stärke zu verpflanzen." Der NSStudentenbund arbeite daran, die Grundlage eines neuen studentischen Lebens zu schaffen, das aus den Wurzeln der nationalsozialistischen Weltanschauung in studentischer Kameradschaft entstehe. Derichsweiler appellierte an die studentische Jugend, selbst ihr Haus zu bauen: „eine einige, deutsche studentische Jugend" falle nicht als Geschenk vom Himmel, werde auch nicht durch Gesetz oder Verordnung erreicht oder gar durch einen Altherrenverband gewährleistet. Die Studenten des ersten bis dritten Semesters sollten in Kameradschaften des NS-Studentenbundes eintreten und durch ihre Mitarbeit den Willen zum Neuaufbau und zu studentischer Selbstverwaltung dokumentieren: 130 129. Theologische Blätter 15 (1936), Sp. 121 f. 130. Wingolfs-Nachrichten 3 (65) (1936), Folge 5, Sp. 97.

Gleichschaltung

und Ende der

Studentenverbindungen

287

„Durch Dienst in den Gliederungen der nationalsozialistischen Bewegung, durch weltanschauliche, politische Schulung, durch Kampfsport und Leibesübungen, durch kulturpolitische und gesellschaftliche Erziehung wollen wir uns zu jungen Kämpfern erziehen, die gewillt sind, in jeder Stunde ihres Lebens als Nationalsozialisten zu denken und als Nationalsozialisten zu handeln." Übrigens hatten sich nach einem Abkommen zwischen SA und NSStudentenbund vom 15. April 1936, dem drei Tage später ein entsprechender Befehl des Reichsstudentenbundsführers folgte, alle Anwärter und Mitglieder des NS-Studentenbundes bis zum 1. Mai 1936 zur Dienstleistung bei einer Gliederung der NSDAP (SA, SS, NSKK, HJ, BdM, NS-Frauenschaft) anzumelden. Mit Beginn des Wintersemesters 1936/37 sollte die Freiwilligkeit der Dienstleistung beim NS-Studentenbund aufhören. Vielmehr müsse dann jeder Student einer Kameradschaft des Studentenbundes und zugleich einer Gliederung der Partei angehören. Das solle verhindern, daß die Studenten in die Dünkelhaftigkeit des alten Akademikertums sich zurückzögen. Die vorgesehene obligatorische Beteiligung in einer Kameradschaft des NS-Studentenbundes galt nicht als Aufnahme in diesen, die ab 1. Mai 1936 nur durch Berufung zu erfolgen habe. Allerdings mußten Studenten, die Parteigenossen waren, nach Anordnung des NS-Reichsorganisationsleiters Dr. Robert Ley Mitglieder des NS-Studentenbundes sein. 131 Sie genossen also das „Vorrecht", gleichsam „geborene Mitglieder" im Studentenbund zu sein. Bewährte Nationalsozialisten aus den Gliederungen der Partei sollten dann zeitweilige Führungspositionen in den Kameradschaften des NS-Studentenbundes wahrnehmen, die je 30 Studenten auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu SA, SS, NS-Kraftfahrerkorps oder als Angehörige der Hitlerjugend zusammenfassen sollten. Außerdem waren Stamm-Mannschaften des Studentenbundes aufzustellen, in die zumeist bewährte Studenten einzuweisen waren, die ihre Einsatzbereitschaft bereits in einer Gliederung der NSDAP unter Beweis gestellt hätten. Am 14. Mai 1936 hat dann Rudolf Heß als Stellvertreter des Führers „im Interesse einer einheitlichen Ausrichtung des Deutschen Studententums" allen noch auf deutschen Hochschulen studierenden Mitgliedern der NSDAP und ihren Gliederungen die Mitgliedschaft bei einer noch bestehenden studentischen Verbindung verboten. 1 3 2 Das Zentral131. Ebd. Sp. 9 7 - 1 0 1 ; hier: S. 9 9 (25. Mai 1936). 132. Theologische Blätter 15 (1936), Sp. 177.

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Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

organ des NS-Studentenbundes, „Die Bewegung", bemerkte dazu mit Genugtuung: Diese Verfügung sei als endgültige Liquidation des Korporationswesens anzusehen. Denn was davon gegenwärtig noch existiere, habe mit einer anständigen Studentenverbindung nichts mehr zu tun und diene nur der „Reaktion von rechts" und der ebenfalls verpönten „konfessionellen Richtung", womit vornehmlich auch auf katholische Studentenverbindungen angespielt sein mochte, wie sie im „Cartellverband katholischer deutschen Studentenverbindungen" organisiert gewesen waren. Zum Führer des „Cartellverbandes der kath. Studentenverbindungen" waren 1933 im Einvernehmen mit dem damaligen NSStudentenbundsführer Dr. Oskar Stäbel, der Sommer 1933 Führer der „Deutschen Studentenschaft" wurde, Rechtsanwalt E. Forschbach, Mitglied des preußischen Landtags, zum Leiter der Altherrenschaft Dr. Jumpertz, zum Stabsleiter cand. jur. Albert Derichsweiler ernannt worden. Da der Cartellverband sich auch auf Osterreich erstreckte, hatten die neuen Führer als eine ihrer ersten Amtshandlungen den österreichischen Bundeskanzler Dollfuß und die übrigen Mitglieder der österreichischen Bundesregierung wegen deren „reichsfeindlichen Haltung" aus dem Cartellverband ausgeschlossen, worauf sich der österreichische Verband, dem viele christlich-soziale Politiker angehörten, verselbständigt hatte. 1 3 3 Im Verlaufe dieser Gleichschaltungsaktionen durften nicht nur Parteigenossen, deren Zahl unter den Studierenden begrenzt war, sondern auch Mitglieder des NS-Studentenbundes, Angehörige der SA, der HJ, des NS-Kraftfahrerkorps oder einer sonstigen Parteigliederung faktisch einer studentischen Korporation nicht mehr angehören. Das Verbot der Mitgliedschaft in Studentenverbindungen für Angehörige einer Parteigliederung der NSDAP wirkte lähmend auf die Korporationsarbeit unter den Studierenden. Gehörten doch nach einer Statistik des SA-Sturmbanns III/HO in Heidelberg - die mit gewissen Einschränkungen für alle anderen Universitäten als typisch galt - etwa zwei Drittel aller Studierenden einer NS-Formation an. In Heidelberg waren es 1 9 3 7 ca. 67 Prozent, davon 2 9 Prozent in der SA. 1 3 4 Von ehemals rund 2 5 Verbandszeitschriften studentischer Korporationen waren außer den Wingolfs-Nachrichten nur noch die Burschenschaftsblätter, die Akademischen Blätter des Verbandes Deutscher Studenten (VDST), die Landsmannschafter Zeitung und der Turnerschaf133. Wingolfs-Nachrichten 3 (65) (1936), Folge 5, Sp 100; Wingolfs-Blätter 6 2 ( 1 9 3 3 ) , Folge 7, Sp. 2 9 4 (15. Juli 1 9 3 3 ) . 134. Wingolfs-Nachrichten 4 (66) (1937), Folge 5/6, Sp. 163 f.

Gleichschaltung und Ende der

Studentenverbindungen

289

ter des V C (Verbandskartell) a m Leben. Künftig sollten nur noch zwei allgemeine akademische Verbandszeitschriften erscheinen, die eindeutig nationalsozialistisch ausgerichtet waren: „Die B e w e g u n g " als „Zentralorgan des N S - S t u d e n t e n b u n d e s " und der „ A l t h e r r e n b u n d " als amtliches Organ des NS-Altherrenbundes der deutschen Studenten, das seit Juli 1 9 3 8 erschien. Auch die Wingolfs-Blätter, die nach der Auflösung des studentischen Wingolfsbundes F r ü h j a h r 1 9 3 6 lediglich als „WingolfsN a c h r i c h t e n " des „Verbandes Alter W i n g o l f e r " herausgegeben wurden, stellten September 1 9 3 8 ihr Erscheinen ein, als der 1 9 3 6 noch belassene Wingolf-Altherrenverband sich jetzt auflösen mußte. Die Vertreter des „Verbandes Alter W i n g o l f e r " , Konsistorialrat Dr. Wilhelm L ü t k e m a n n und Dr. R o b e r t R o d e n h a u s e r , wollten die Z w a n g s auflösung umgehen. Der Weg der Uberführung der Mitglieder in den NSAltherrenbund, den die waffenstudentischen Altherrenverbände gingen, k a m jedoch wegen der fast hundertjährigen Tradition der Verwerfung des Duells im Wingolf nicht in Betracht. Deshalb löste sich im August 1 9 3 8 der „Verband Alter W i n g o l f e r " selbst auf. Verhandlungen am 1 2 . August 1 9 3 8 mit dem Reichsgeschäftsführer des NS-Altherrenbundes

Bühner,

der zugleich als Beauftragter des in Nachfolge Derichsweilers berufenen Reichsstudentenführers Dr. Gustav Adolf Scheel fungierte, hatten gezeigt, daß das Weiterbestehen von Studenten- und Altherrenverbänden außerhalb des NS-Studentenbundes und des NS-Altherrenbundes

po-

litisch nicht mehr als tragbar galt. Die Notwendigkeit der Auflösung des „Verbandes Alter W i n g o l f e r " wurde mit einer Verordnung über die Zwangsauflösung katholischer Verbände begründet, die „von höchster Stelle" ergangen sei. Den Vollzug satzungsmäßig umständlicher Vereinsauflösung erleichterte man durch einfaches Löschen im Vereinsregister. Für die Liquidation noch bestehender Verbände, auch der örtlichen Philisterverbände und ihrer Vermögenswerte (Kameradschaftshäuser etc.) war Generalstaatsanwalt Wagner (Stuttgart) als Beauftragter des Reichsstudentenbundsführers Gustav Adolf Scheel zuständig. 1 3 5 Die 1 9 3 6 aufgelösten Studentenverbindungen haben ihre Korporationshäuser einer neuen Bestimmung zuzuführen versucht. Sofern der N S Studentenbund nicht selbst Korporationshäuser übernahm, bemühte m a n sich anderwärts um Nutzung. So hat die Altherrenschaft der „Uttenrut h i a " in Erlangen das Korporationshaus dem Bayerischen Landesverein für Innere Mission für die Errichtung eines theologischen Studienhauses zur Verfügung gestellt, das etwa 2 0 Studenten Unterkunft, W o h n 1 3 5 . Wingolfs-Nachrichten 6 7 ( 1 9 3 8 ) , Sp. 2 0 1 - 2 0 7 .

290

Fachschaftsarbeit

und studentisches

Korporationswesen

und Lebensgemeinschaft bot. Zur Einweihung am 14. Juni 1936 war das Kollegium der Theologischen Fakultät fast vollständig erschienen. Die Eröffnungsrede hielt Kreisdekan Oberkirchenrat Julius Schieder aus Nürnberg. Die Leitung des Studienhauses lag zunächst in Händen von Lie. Dr. Helmut Thielicke. 1 3 6 In Greifswald konnte Albrecht Schönherr als Leiter des dortigen Theologiestudentenamtes der Bekennenden Kirche ein Verbindungshaus als Studentenkonvikt der Bekennenden Kirche mieten: im Wintersemester 1936/37 zunächst das Haus der Burschenschaft „Borussia"; 1 9 3 7 das Haus der „Gothia". Im Jahre 1938 kam es nochmals zu einem Umzug des Konviktes in das Haus der christlichen Verbindung „Wingolf" in Greifswald, ehe im Sommer 1 9 3 9 mit dem Konvikt der Bekennenden Kirche endgültig Schluß war. 1 3 7

1 3 6 . Theologische Blätter 15 ( 1 9 3 6 ) , Nr. 7, Sp. 1 7 7 . 1 3 7 . Albrecht Schönherr, „ . . . a b e r die Zeit war nicht verloren". Erinnerungen eines Altbischofs, Berlin 1 9 9 3 , S. 1 0 7 .

11. Kontroversen um Fakultätsexamen und Studienreform

Die Hochschulbeschlüsse der Augsburger Bekenntnissynode Anfang Juni 1 9 3 5 lösten innerhalb der evangelisch-theologischen Fakultäten Deutschlands Nachdenken über die effektive Abwehr befürchteter bekenntniskirchlicher Boykottmaßnahmen aus. Insbesondere der Beschluß 1 2 (Vorbildung und Prüfung der Pfarrer der Bekennenden Kirche) erschien bedenklich. Darin wurde von den Theologiestudierenden erwartet, die Wahl ihrer akademischen Lehrer nach bekenntnskirchlichen Gesichtspunkten zu treffen. Auch sollten sie sich nur den von der Bekennenden Kirche anerkannten Prüfungsbehörden stellen. Für den Ersatz solcher Vorlesungen und Übungen an den theologischen Fakultäten sollte Sorge getragen werden, „deren Besuch den Studenten um des Gewissens willen nicht zugemutet werden" könne. 1 Die Bestrebungen des Reichswissenschaftsministerium, die erste theologische Prüfung an allen theologischen Fakultäten als ausgesprochenes Fakultätsexamen zu gestalten, resultierten besonders aus dem Wunsch einiger altpreußischer Fakultäten. Sie fühlten sich dadurch brüskiert, daß kirchlicherseits nicht alle Professoren bei der ersten theologischen Prüfung berücksichtigt wurden. Auch der 1 9 3 5 neu ernannte Reichskirchenminister Kerrl, auf den Erfolg seiner kirchlichen „Befriedungsmaßnahmen" durch die Kirchenausschüsse in der Deutschen Evangelischen Kirche bedacht, schaltete sich in die Diskussion über das Fakultätsexamen ein. Am 5. Oktober 1 9 3 5 wurde der Vorsitzende des Fakultätentages Prof. Hans Schmidt (Halle) zu einer Besprechung über die theologischen Prüfungen nach Berlin gebeten, an der auch Ministerialdirektor Theodor Vahlen mit seinen Referenten vom Reichswissenschaftsministerium teilnahm. Vahlen beauftragte Schmidt, das Amt des Präsidenten des evangelischen Fakultätentages weiterzuführen. Auf Wunsch Kerrls reichte Hans Schmidt am 14. Oktober 1 9 3 5 einen Schriftsatz ein, der dann noch durch zum Teil gegensätzliche Meinungen verschiedener theologischer Fakultäten ergänzt und modifiziert wurde. 2 1.

Wilhelm Niemöller, Die dritte Bekenntnissynode, S. 81 f. (Beschluß 12).

2.

H a n s Schmidt an Kerrl, 1 4 . O k t o b e r 1 9 3 5 (UA Heidelberg Η 1 / 0 5 5 ) .

292

Kontroversen um Fakultätsexamen

und Studienreform

Der Zweck der ersten theologischen Prüfung sei es, die Ergebnisse des theologischen Studiums bei den Absolventen festzustellen. Die Prüfung gehöre daher in die Zuständigkeit der Fakultäten und bilde den Abschluß ihrer Erziehungsaufgabe. Da das Theologiestudium der Vorbereitung auf den Dienst als Pfarrer in den evangelischen Landeskirchen diene, habe die Kirche ein berechtigtes Interesse an dieser Prüfung. Im Bereich des landeskirchlichen Protestantismus liege entsprechend bestehender Verträge und Gesetze eine „nahezu unübersehbare Verschiedenheit" in der Art der Beteiligung von Fakultät und Kirche am ersten Examen vor. Nach dem Kirchengesetz vom 5. Mai 1 9 2 7 setzte sich in den altpreußischen Provinzen die Prüfungskommission aus den ordentlichen Professoren der Fakultät zusammen, soweit diese eine Erklärung abgegeben hatten, im Sinn und Geist der evangelischen Kirche zu prüfen, und daraufhin zu Mitgliedern der Prüfungskommission ernannt worden waren. Die Prüfung vollzog sich hier nominell unter dem Vorsitz der Kirchenbehörde. Anderwärts war die erste theologische Prüfung ganz der Fakultät übertragen, so in Jena, Gießen, Leipzig. In Leipzig hatte die sächsische Landeskirche Anfang 1938 wegen der kirchlichen Auseinandersetzungen auf den Vorsitz beim Fakultätsexamen ganz verzichtet, war doch der deutschchristliche Landesbischof Coch schon seit Herbst 1 9 3 5 in seinen geistlichen Leitungsrechten durch den von Kerrl eingesetzten Landeskirchenausschuß stark eingeschränkt. Und nach dem gewaltsam erzwungenen Rücktritt des sächsischen Landeskirchenausschusses im August 1 9 3 7 legte sich ein Prüfungsvorsitz durch das stark vom Reichsstatthalter Mutschmann abhängige Kirchenregiment des Präsidenten Klotsche erst recht nicht nahe 3 . In den altpreußischen Fakultäten Halle und Königsberg, aber auch in der württembergischen Landesfakultät Tübingen wurde das erste Examen unter der Leitung eines kirchlich bestellten Vorsitzenden tatsächlich von der Fakultät durchgeführt. Anderswo waren ein oder einige Professoren an der kirchlichen Prüfung beteiligt. In der bayerischen Landesfakultät Erlangen war das erste Examen ebenfalls ganz Angelegenheit der Kirche 4 .

3.

Vgl. Dorothea Röthig, Chronik des Kirchenkampfes in Sachsen, Hekt. 2 6 6 S., Dresden 1 9 6 0 , S. 1 7 5 . Verweis auf Schreiben Klotsches an Prof. Johannes Leipoldt vom 5. Januar 1 9 3 8 betr. Übertragung des Vorsitzes bei der Prüfungskommission der 1. theologischen Prüfung in Leipzig anstelle eines Mitgliedes des Landeskirchenausschusses. Akte Landeskirchenamt „I. theol. Prüfung" 6 1 0 2 0 , Bd.1/2.

4.

Vgl. RGG, 2. Aufl. Tübingen 1 9 2 7 , Bd. 2, Sp. 5 0 0 - 5 0 3 .

Kontroversen um Fakultätsexamen und Studienreform

293

Diese in ihrer Vielfalt eher verwirrenden Examensregelungen

für

T h e o l o g e n resultierten aus unterschiedlichen landeskirchlichen

Tradi-

tionen. Selbst in den altpreußischen Kirchenprovinzen war die Verfahrensweise beim ersten theologischen E x a m e n nicht ganz einheitlich. So konnte es im K i r c h e n k a m p f des Dritten Reiches deshalb nicht ausbleiben, d a ß es gerade bei den theologischen Prüfungen, bei denen ein Z u s a m menwirken von Fakultät und Landeskirche erforderlich w a r , zu Schwierigkeiten und Konflikten k a m . Der Staat fühlte sich herausgefordert, als in einzelnen altpreußischen Provinzen (besonders in Schlesien und im Rheinland) die Beteiligung bestimmter Professoren kirchlicherseits abgelehnt worden war. Die kirchenpolitischen Spannungen zwischen Fakultät und Provinzialkirchenausschuß waren in Breslau und Bonn besonders g r o ß , auch in M ü n s t e r k a m es zu Problemen. 5 Außerdem hatten bestimmte kirchliche Kreise (vor allem Gremien der Bekennenden Kirche) und von ihnen beeinflußte Theologiestudenten sich geweigert, bei den Prüfungen den Vorsitz eines bestimmten Bischofs oder seines Beauftragten anzuerkennen. Deutschchristliche Gesinnung oder kirchenpolitische Bindung der jeweiligen Prüfer lösten seit 1 9 3 5 entsprechend bruderrätlicher Weisung Proteste bekenntniskirchlicher Studenten aus. Andererseits sahen sich Professoren, die der deutschchristlichen Bewegung angehörten oder nahestanden, nicht selten durch die Bekennende Kirche boykottiert. So k a m es, d a ß die theologischen E x a m i n a nicht im Einklang mit den entsprechenden gesetzlichen oder kirchenvertraglichen Regelungen durchgeführt wurden. Die Einrichtung verschiedener Prüfungen (kirchlicher und Fakultätsprüfungen), so in Halle und M a r burg, führte zu Unsicherheiten über deren Rechtsfolgen. So schien das Argument plausibel, mit dem Prof. H a n s

Schmidt

in seinem Schreiben vom 1 4 . O k t o b e r 1 9 3 5 für die Fakultätsprüfung plädierte: 6 „die allgemeine und einheitliche Einführung der Fakultätsprüfung unter Vorsitz des Dekans an allen evangelisch-theologischen

Fa-

kultäten des R e i c h e s " könne die Schwierigkeiten beheben. D a s Fakultätse x a m e n würde die Boykottierung mancher Professoren beseitigen helfen und die Einrichtung von Gegenvorlesungen der Bekenntnisfront unwirksam machen. Die erste theologische Prüfung vor der Fakultät sollte „im ganzen Gebiet der deutschen evangelischen Reichskirche Voraussetzung und Bedingung der Zulassung der Kandidaten zum weiteren kirchlichen Vorbereitungsdienst und der Erteilung der Wahlfähigkeit des 5.

Wilhelm Neuser, Teilnahme, S. 3 1 7 - 3 4 5 .

6.

U A Heidelberg Η 1 / 0 5 5 .

294

Kontroversen um Fakultätsexamen und

Studienreform

Pfarrers" sein. Die besondere Eignung zum Pfarramt festzustellen, k ö n n e Sache der Kirche bleiben, die dabei aber die Fakultätsprüfung als erstes theologisches E x a m e n anzuerkennen habe. An der zweiten (kirchlichen) Prüfung nehme der D e k a n der Theologischen Fakultät der Landes- oder Provinzialuniversität mit gleichem R e c h t und in gleicher Weise teil, wie der Vertreter der Kirche an der ersten theologischen Prüfung, also a m Fakultätsexamen. Auch sollte es weiterhin möglich sein, Professoren zur Teilnahme an der Ausbildung des kirchlichen Vorbereitungsdienstes „je nach ihrer Beteiligung a m kirchlichen L e b e n " und zur zweiten theologischen Prüfung heranzuziehen. Dazu sei freilich die ministerielle Genehmigung einzuholen. A m 1 6 . Dezember 1 9 3 5 ergänzte H a n s Schmidt als Präsident des evangelischen Fakultätentages seinen schriftlichen Bericht durch inzwischen eingegangene Voten verschiedener theologischer Fakultäten. Es lagen Voten von Berlin, B o n n , Breslau, Erlangen, Gießen, Göttingen, Greifswald, Halle, J e n a , Kiel, Königsberg und M ü n s t e r vor; die Antworten der Fakultäten M a r b u r g , R o s t o c k und Breslau standen noch aus. Weitgehende Einmütigkeit bestand in der Auffassung, die E x a m i n a einheitlich zu regeln. Der damalige Berliner D e k a n Prof. J o h a n n e s Witte verzichtete a u f eine Stellungnahme. Die thüringische Landesfakultät J e n a stimmte den Vorschlägen des Vorsitzenden des Fakultätentages zu, wollte aber die Öffentlichkeit der Prüfung mit Rücksicht a u f die Kandidaten vermieden wissen. Wesentlich anders votierten Erlangen und Greifswald, während B o n n einen Vermittlungsvorschlag machte, den H a n s Schmidt für erwägenswert hielt. Die Bedenken von Erlangen und Greifswald gegen die Neuregelung betrafen die Frage des kirchlichen Vorsitzes beim ersten theologischen E x a m e n : Die Greifswalder Fakultät forderte ihn, weil das erste E x a m e n „grundsätzlich eine Kirchenangelegenheit b l e i b e n " müsse. Kirchlicher Vorsitz mit voller Stimmberechtigung sei Mindestforderung, schrieb der Greifswalder D e k a n Prof. Friedrich Baumgärtel. Auch die Erlanger Fakultät unter dem D e k a n a t von Prof. Werner Eiert hielt es für falsch, „die Fakultäten gewissermaßen als das F o r u m einer Wissenschaft an und für sich zum Einsatz zu b r i n g e n " und „die Prüfung der wissenschaftlichen Ausbildung von der Feststellung der besonderen Eignung für das Pfarramt zu t r e n n e n " . M i t dem Argument, dies entspreche „zum mindesten nicht der von unserer gegenwärtigen Staatsauffassung getragenen Auffassung der Wissenschaft" suchte Eiert die Erlanger Praxis zu verteidigen: „ N a c h d e m in der Jurisprudenz ganz entscheidend mit

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diesem Grundsatz gebrochen ist, würde es uns als reaktionär erscheinen, ihn in der T h e o l o g i e zu p r o p a g i e r e n " . Die Fakultäten in Königsberg, Bonn, Greifswald meinten, eine Bindung der Prüfung an eine Landes- und Provinzialkirchenbehörde und an die jeweilige Landesfakultät sei insofern wichtig, als sie „die Staatsverbundenheit der künftigen Pfarrer mit ihren G e m e i n d e n " gewährleiste. Der Vorsitzende des Fakultätentags H a n s Schmidt beharrte demgegenüber auf dem Standpunkt, das erste E x a m e n habe den Z w e c k , die Studienergebnisse festzustellen, und sei nur Bestandteil der Erziehungsaufgabe der Fakultäten. Sein eigener Vorschlag der „Trennung des wissenschaftlichen Studiums und der pfarramtlichen E i g n u n g " böte sehr wohl die M ö g l i c h k e i t , „den kirchlichen C h a r a k t e r des Studienabschlusses auch bei der Einführung der Fakultätsprüfung voll zur Geltung zu b r i n g e n " . Schmidt versuchte, Elerts Einwände, die seinem eigenen Standpunkt am meisten widersprachen und deshalb abschriftlich dem Ministerium zugeleitet wurden, zu entkräften: Der kirchliche Vorsitz sei entgegen den Einwänden verschiedener Fakultäten nicht erforderlich, um die Arbeitsverbundenheit zwischen Vertretern der Kirche und den Professoren der Fakultät aufrechtzuerhalten. Es genüge dafür völlig das weite M a ß der Beteiligung, das den Kirchenvertretern nach seinem Vorschlag (auch ohne kirchlichen Vorsitz) zustehe. Als Vorsitzender des Fakultätentages hatte H a n s Schmidt in seinem Schriftsatz an das Reichswissenschaftsministerium den Offentlichkeitscharakter des Fakultätsexamens gefordert. D e m Vertreter der Kirchenleitung w a r das R e c h t eingeräumt, vor dem E x a m e n Einsicht in die Prüfungsakten zu nehmen; auch an der Prüfung selbst wie an den Beratungen über das Prüfungsergebnis sollte er mit dem R e c h t der Meinungsäußerung teilnehmen können. Für die praktisch-theologischen Fächer könne sogar eine von der Kirchenbehörde ernannte Persönlichkeit als Prüfer mit vollem Stimmrecht teilnehmen. Pflicht der Fakultät bei der ersten theologischen Prüfung sei es auch, R ü c k s i c h t auf den besonderen Bekenntnisstand eines Kirchengebietes zu nehmen. W ä h r e n d nun einige Fakultäten die Beteiligung kirchlicher Prüfer über das Fach Praktische Theologie hinaus auch auf andere Fächer ausdehnen wollten (so Greifswald), plädierte Gießen dafür, die Beteiligung der Kirchenleitung beim ersten E x a m e n ganz zu beseitigen. Die Bonner Theologieprofessoren votierten hingegen für die Beibehaltung des kirchlichen Vorsitzes, forderten aber, d a ß sämtliche ordentlichen Professoren gleichmäßig zu den Prüfungen im ersten E x a m e n herangezogen würden. Auch sollte die Auswahl der Prüfer nicht vom Vertreter der Kirchenleitung, sondern vom D e k a n der Fakultät vollzogen werden.

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und Studienreform

Am 17. November 1936 kam es zu einer schon länger geplanten Unterredung des Vorsitzenden des Fakultätentags mit dem Vorsitzenden des altpreußischen Landeskirchenausschusses, Generalsuperintendent a. D. Johannes Eger, unter Beteiligung von Oberkonsistorialrat Oskar Söhngen und Ministerialrat Erich Ruppel. Prof. Friedrich Karl Schumann (Halle), den Hans Schmidt gern bei dieser Unterredung dabei gehabt hätte, war verhindert. Auf die Beschwerde Schmidts, daß in Bonn und Breslau nicht sämtliche Professoren in das Prüfungsamt berufen worden seien, wurde von Seiten des Landeskirchenausschusses erwidert: in Breslau habe der schlesische Provinzialkirchenausschuß nach Überwindung des Widerspruchs von Bischof Zänker die Professoren Johannes Steinbeck, Hans Leube und Robert Winkler in die Prüfungskommission berufen. Sie hätten aber wegen der ministeriellen Verordnung wieder ausscheiden müssen, die vorsah, daß die Beteiligung eines Professors am ersten theologischen Examen nur dann möglich sei, wenn grundsätzlich alle anderen Fakultätskollegen zur Prüfung zugelassen seien. Da in Bonn ähnliche Probleme erwartet wurden, habe der rheinische Provinzialkirchenausschuß von vornherein darauf verzichtet, einen Professor ins Prüfungsamt zu berufen. Es handele sich indes nur noch um einen Ubergangszustand bis September 1937. Bis dahin war die Tätigkeit der von Kerrl eingesetzten Kirchenausschüsse befristet. Dann werde die Verordnung des altpreußischen Landeskirchenausschusses über das Prüfungswesen vom Dezember 1935, auf der die Zusammensetzung der Prüfungsämter beruhe, ohnehin außer Kraft treten. Der Vorsitzenden des Fakultätentages betonte bei dieser Besprechung in Berlin, der Reichswissenschaftsminister Rust werde das Fakultätsexamen an den preußischen theologischen Fakultäten durch eine Verfügung einführen, falls nicht alle Professoren in die kirchlichen Prüfungsämter berufen würden. Eger stimmte in der Debatte dem Argument zwar nachdrücklich zu, „daß die Erhaltung der evang.-theol. Fakultäten innerhalb der staatlichen Universitäten für diese auf das höchste zu wünschen" sei, so daß in der Prüfungsfrage eine Einigung erstrebenswert wäre. Doch die Forderung, durchweg allen Professoren das Prüfungsrecht zuzuerkennen, vermochte er angesichts des Kirchenkonfliktes nicht als realistisch anzusehen. Lebhafte Einwände machte Oberkonsistorialrat Söhngen: bei einer Besprechung des altpreußischen Landeskirchenausschusses mit Vertretern der neupreußischen Provinzen (Schleswig-Holstein, Hannover, Kurhessen u.a.) habe Ubereinstimmung darüber bestanden, daß die Einführung des Fakultätsexamens den „casus belli" bedeute, also zum Konflikt führen müsse. Widerstand gegen das Fakultätsexamen zeichnete

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sich also auch über den Bereich der altpreußischen Unionskirche hinaus schon hier ab. Die Besprechung ließ gleichwohl eine gewisse Bereitschaft des altpreußischen Landeskirchenausschusses, insbesondere seines Vorsitzenden Eger, erkennen, in Richtung einer Fakultätsprüfung an allen preußischen Fakultäten unter Wahrung der kirchlichen Interessen mitzuwirken. Die Situation zwischen theologischen Fakultäten und Bekennender Kirche war gespannt, seitdem die Hochschulbeschlüsse der Augsburger Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche Anfang Juni 1935 indirekt einen Vorlesungsboykott in bestimmten theologischen Fakultäten guthießen. Der sich anbahnende Konflikt war in ein weiteres Stadium getreten, als durch die altpreußische Bekennende Kirche Anfang November 1 9 3 5 die Kirchlichen Hochschulen in Berlin und Elberfeld gegründet wurden, deren Unterrichtsaktivitäten trotz sofortigen Gestapoverbotes unterschwellig weitergingen. Mag sein, daß eine planmäßige Arbeit der Bekennenden Kirche an fast allen Universitäten erst mit Beginn des Sommmersemesters 1936 aufgenommen werden konnte. 7 Die Probleme, die für ein einheitliches Fakultätsexamen sprachen, bahnten sich indes bereits 1935 an. Die Frustration, die angesichts dieser bekentniskirchlichen Konkurrenz an verschiedenen Fakultäten herrschte, machte die ministerielle Aufsichtsbehörde mobil. So hatte der Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Münster (Westf.), Prof. Friedrich Wilhelm Schmidt, bereits Anfang Juni und dann wieder am 21. September 1936 dem Reichswissenschaftsminister Rust mitgeteilt, „wie systematisch zunächst in unserer Fakultät und dann im Reich von Seiten der Bruderräte in Ausführung ihrer Augsburger Beschlüsse der Kampf gegen die ihnen unbequemen staatlichen theologischen Fakultäten aufgenommen worden" sei 8 . Am 5. Oktober 1936 schrieb Friedrich Wilhelm Schmidt (Münster) auch an den Reichskirchenminister Kerrl, daß „von der Bekenntnisfront alle Theologiestudenten, gleich welcher Richtung, gesammelt und zum Boykott gegen die Dozenten aufgefordert" würden, „die nicht hundertprozentig den Bruderräten hörig" seien. Bekenntniskirchliche Ersatzvor7.

8.

BA, Abt. Potsdam, Best. 5 1 . 0 1 , Nr. 2 3 1 0 3 , Bl. 4 1 - 5 1 ; Zit.: Bl. 4 2 . Schreiben vom 18. Oktober 1 9 3 7 : Lage und Aufgabe der evangelischen Theologiestudenten an den deutschen Hochschulen (unterzeichnet von stud, theol. Herbert Werkmeister, Leiter der theol. Fachschaft der Martin-Luther-Universität in Halle/Saale). BA Koblenz, Abt, Potsdam, Best. 5 1 . 0 1 , Nr. 2 3 8 0 6 , Bl. 1 0 3 f.

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und Studienreform

lesungen und entsprechende Kurse würden eingerichtet. Ihr Besuch gelte für die Zulassung zu den immer stärker propagierten Prüfungen der Bekennenden Kirche als Voraussetzung: „Es handelt sich nicht nur in der Kirche, sondern auch gegenüber den Fakultäten und damit gegenüber der Universitätserziehung um eine Machtprobe großen Stils, bei der es um Sein oder Nichtsein der staatlichen Fakultäten geht." 9 Das Reichswissenschaftsministerium habe ihm weitgehende Abhilfe zugesichert, betonte Dekan F. W. Schmidt (Münster). Es könne „nur eine ganz grundsätzliche Lösung des Kirchenkonfliktes dieser unheilvollen Lage begegnen". Der Staat dürfe nicht mit Einzelmaßnahmen auf die Schachzüge der Bekennenden Kirche reagieren, sondern müsse als legitime Ordnungsmacht die Initiative ergreifen, „wie es nicht nur dem Totalitätsanspruch unseres Staates, sondern auch dem lutherischen Bekenntnis gemäß" sei. Er schlug vor, die erste theologische Prüfung an die Staatsfakultäten zu verlegen und ein sofortiges Verbot der Bruderräte auszusprechen, das mit der Maßgabe gekoppelt sei, „sich mit ihren Anhängern in einer Freikirche zu sammeln". Darüberhinaus sollten alle Kirchenausschüsse mit „einwandfreien Nationalsozialisten" neubesetzt werden. Diese Anregung eines generellen Verbotes der Bekennenden Kirche, die kein Einzelfall war, erwies sich indes als völlig unrealistisch. Kerrls Kirchenausschußpolitik stagnierte damals schon weitgehend und kam bald zum Erliegen, wie der Rücktritt des Reichskirchenausschusses im Februar 1 9 3 7 zeigen sollte. Als undurchführbar hatte sich bereits die Verordnung vom 5. Dezember 1935 erwiesen, die in den Landeskirchen, deren Kirchenleitungen durch die Treuhändergremien der Kirchenausschüsse abgelöst waren, die Arbeit der Bekennenden Kirche für gegenstandslos erklärte. Außerdem konnten seit Mitte 1 9 3 6 keine Landeskirchenausschüsse mehr gebildet worden. Nicht nur die Bekennende Kirche widerstrebte der Kirchenpolitik Kerrls, auch die Deutschen Christen fügten sich nur widerwillig oder benutzten ihre politischen Verbindungen, um ihre kirchenpolitische Entmachtung abzuwehren, was vor allem den Nationalkirchlern in Thüringen, Mecklenburg, Anhalt und Lübeck auch gelang. Da auch führende Parteikreise die „Befriedungspolitik" Kerrls mit Argwohn betrachteten, erwiesen sich solche fakultätspolitische Ansinnen an das Reichskirchenministerium als illusorisch. Die Forderung nach einem generell durchgeführten Fakultätsexamen, um den theologischen Fakultäten Entlastung vor bekenntniskirchlichem 9.

Ebd.

Kontroversen um Fakultätsexamen und Studienreform

299

B o y k o t t zu verschaffen, war angesichts der Pluralität der Verhältnisse und Meinungen an den theologischen Fakultäten ein - wie sich herausstellte aussichtsloses Unterfangen. A m 2 2 . J a n u a r 1 9 3 7 wurde den D e k a n e n der theologischen

Fa-

kultäten mitgeteilt 1 0 , d a ß Prof. Eugen M a t t i a t , der für die theologischen Fakultäten damals zuständige Referent im Reichswissenschaftsministerium, im Februar eine Besprechung der theologischen D e k a n e über die Prüfungsfrage in Berlin abhalten wolle. H a n s Schmidt war als Vorsitzender des Fakultätentages bereits im September 1 9 3 6 von ihm beauftragt worden, bei dem Ministerialdirigenten H e r m a n n von Detten im Reichskirchenministerium und dem Vorsitzenden des Landeskirchenausschusses J o h a n n e s Eger die Beseitigung der Schwierigkeiten anzuregen, die sich aus der Fernhaltung der Professoren vom kirchlichen Prüfungsamt e r g ä b e n 1 1 . Gleichzeitig sollte H a n s Schmidt seine Vorstellungen entwickeln und als Vorschlag einreichen, wie er sich die Einrichtung des

Fakultäts-

e x a m e n s bei gleichzeitiger Berücksichtigung kirchlicher Belange vorstelle, falls eine einseitig ministeriell verfügte Einführung des Fakultätse x a m e n s an allen deutschen evangelisch-theologischen Fakultäten erforderlich werde. Der Vorsitzende des Fakultätentages erarbeitete daraufhin einen Verordnungsentwurf und ließ ihn in seinen wesentlichen Teilen den Dekanen schon vor der Beratung in Berlin zustellen. Dieser „Vorschlag betreffend eine Verordnung über den Abschluß des Studiums bei den evang.-theol. Fakultäten in P r e u ß e n " sah eine einheitliche akademische Abschlußprüfung unter Vorsitz des Dekans vor. In Göttingen und Kiel sei darauf zu achten, d a ß das Studium an diesen Fakultäten in erster Linie auf den Dienst in der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers (Göttingen) und Schleswig-Holsteins (Kiel) vorzubereiten habe. Für die Fakultätsprüfung reformierter Kandidaten in Göttingen ergehe eine besondere Anordnung. N u r erfolgreicher Abschluß des Fakultätsexamens ermögliche die Aufnahme in den kirchlichen Vorbereitungsdienst und die Wahl zum Pfarrer einer Landeskirche. Verstöße gegen diese Bestimmung hätten staatlicherseits die Z u r ü c k h a l t u n g

finan-

zieller Beihilfen für die betreffende Landeskirche zur Folge. Es bleibe im übrigen der betreffenden Landeskirche vorbehalten, o b sie die kirchliche Eignung des Kandidaten ihrerseits durch ein Kolloquium oder ein 10.

H a n s Schmidt an die theol. Dekane, 2 2 . J a n u a r 1 9 3 7 (UA Heidelberg Η 1/055).

11.

H a n s Schmidt an den Vorsitzenden des altpreußischen schusses, 2 5 . September 1 9 3 6 (UA Heidelberg Η 1/055).

Landeskirchenaus-

300

Kontroversen um Fakultätsexamen

und Studienreform

„Tentamen" (Prüfung) feststellen wolle. Professoren dürften bei diesem kirchlichen Tentamen nur dann mitwirken, wenn die Fakultätsprüfung stattgefunden habe. Der Student dürfe sich nach dem Fakultätsexamen als „Kandidat der Theologie" bezeichnen, nicht aber schon als „candidatus pro licentia concionandi" oder als „Kandidat des Predigtamtes" (cand. rev. min.). Bei der Diskussion um das Fakultätsexamen blieben Spannungen unter den Mitgliedern des Fakultätentages nicht aus. Hans Schmidt wurde verdächtigt, er selbst habe das Ministerium ermuntert, die Fakultätsprüfung einzuführen 12 . In einem Schreiben vom 2 9 . Januar 1 9 3 7 bestritt er seinem Kollegen Baumgärtel (Greifswald) gegenüber jedoch ein Handeln aus persönlicher Initiative: er rekonstruierte dabei nochmals den Verhandlungsverlauf, nachdem er von Kerrl aufgefordert wurde, die am 5. Oktober 1 9 3 6 mündlich vorgetragenen Ansichten zum Fakultätsexamen schriftlich einzureichen. Dabei sei es ihm als Vorsitzenden des Fakultätentages um gemeinsame und gleichzeitige Einführung des Fakultätsexamens durch Staat und Kirche gegangen. Das Protokoll über die Sitzung der Dekane der evangelisch-theologischen Fakultäten im Reichswissenschaftsministerium am 12. Februar 1937 gibt ein anschauliches Bild von den unterschiedlichen Ansichten über die Frage einer möglichen Verlegung der ersten theologischen Prüfung an die Fakultäten 1 3 . Mattiat verwies auf die „Organisation von Boykottmaßnahmen gegen einzelne Professoren und ganze Fakultäten und über den Ausschluß vieler Dozenten aus den theologischen Prüfungskommissionen". Zu einer kirchenbehördlichen Mitwirkung an einer einvernehmlichen Neugestaltung des ersten theologischen Examens sei es nicht gekommen, vielmehr hätten inzwischen kirchliche Maßnahmen die Lage noch verschärft. So habe das Ministerium von sich aus handeln müssen. Die jetzt zu beratende Verlegung des ersten theologischen Examens an die Fakultäten sei unvermeidlich. Verhandlungen im Jahre 1936 unter Mitwirkung des Vorsitzenden des Fakultätentages hätten leider nicht zum Ziel geführt. Es zeigte sich bei der Diskussion, daß es in der Kirchenprovinz Pommern gelungen war, das theologische Prüfungswesen einheitlich zu ord12.

H a n s Schmidt an Friedrich Baumgärtel, 2 9 . J a n u a r 1 9 3 7 (UA Heidelberg Η 1/055).

13.

Zum

Folgenden

vgl. Sitzungsprotokoll

über Sitzung der Dekane

beim

Reichswissenschaftsministerium a m 1 2 . Februar 1 9 3 7 (UA Heidelberg Η 1/055).

Kontroversen

um Fakultätsexamen

und

Studienreform

301

nen: alle Greifswalder Professoren seien in der vom Provinzialkirchenausschuß in Stettin eingerichteten Prüfungskommission vertreten. Eine Verlegung des ersten Examens an die Fakultät könne nur die geordneten Zustände des Prüfungswesens in der pommerschen Provinzialkirche gefährden, gab Dekan Prof. Wilhelm Koepp (Greifswald) zu bedenken. Der Göttinger Dekan Prof. Emanuel Hirsch wies demgegenüber darauf hin, daß an den meisten Fakultäten, die bisher von Boykottmaßnahmen verschont blieben, die erste theologische Prüfung bereits als Fakultätsexamen durchgeführt werde. Die theologischen Fakultäten, an denen das jetzt erstrebte Fakultätsexamen alter Brauch sei, hätten „in besonderem Maße Einfluß auf die Theologen und Pfarrer der Kirche" gewonnen. Prof. Hermann Wolfgang Beyer (Leipzig, früher Greifswald) bejahte ebenfalls grundsätzlich den Gedanken der Fakultätsprüfung, forderte aber, daß der - damals in Leipzig noch übliche - Vorsitz der Kirche in der Prüfungskommission erhalten bleibe. Nur so erhalte die Fakultätsprüfung kirchliche Anerkennung 14 . Ein Examen, an dem die Kirchenleitung nicht beteiligt sei, verliere an Bedeutung und werde gleichsam zu einem „theologischen Physikum". Es sei im übrigen gefährlich, den bisherigen Zustand des theologischen Prüfungswesens anzutasten. Demgegenüber teilte Prof. Ernst Haenchen (Gießen) mit, daß die zuständige Landesregierung von Hessen-Darmstadt die Gießener Fakultät mit der Durchführung der Prüfungen beauftragt habe; die Prüfungskommission der Bekennenden Kirche sei dadurch bedeutungslos geworden. Nachdrücklich brachte Dekan Prof. Werner Eiert (Erlangen) seinen Widerspruch gegen das Fakultätsexamen zum Ausdruck und verteidigte damit die in Erlangen übliche Praxis: Die Erlanger Fakultät habe größere erzieherische Erfolge zu verzeichnen, „obwohl kein Erlanger Professor rechtlich an den kirchlichen Prüfungen beteiligt" sei. Die geplante Neuordnung des theologischen Prüfungswesens erwecke geradezu „Erinnerungen an das Kulturexamen der Zeit um 1 8 7 3 " , bringe den unter Boykottmaßnahmen leidenden Fakultäten wenig Hilfe und beraube die Fakultäten des ihnen bisher entgegengebrachten kirchlichen Vertrauens.

14.

Dabei mochten die positiven Erfahrungen mit dem seit Herbst 1 9 3 5 tätigen sächsischen Landeskirchenausschuß mitsprechen, dessen Befriedungsarbeit indes im August 1 9 3 7 ein jähes Ende fand. Der landeskirchliche Vorsitz beim Fakultätsexamen konnte indes seit Anfang 1 9 3 8 von einem Mitglied der Fakultät selbst wahrgenommen werden (Prof. Johannes Leipoldt).

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und. Studienreform

Ministerialreferent Mattiat versuchte, den Gang der Diskussion bei der Beratung der Fakultätsvertreter dadurch zu beeinflussen, daß er darauf hinwies: beide beteiligten Reichsministerien hätten sich bereits entschlossen, das Fakultätsexamen generell im ganzen Reichsgebiet einzuführen. Das Reichskirchenministerium werde von jedem Bewerber um ein kirchliches Amt den Nachweis über das bestandende Fakultätsexamen verlangen. Ein entsprechender Entwurf wurde verlesen. Auch der Vorsitzende des Fakultätentages, Prof. Hans Schmidt (Halle), meinte, die Frage des Prüfungsvorsitzes sei endgültig zugunsten der Fakultäten entschieden. Es werde der Kirche aber ermöglicht, vom Verlauf der Prüfungen beobachtend Kenntnis zu nehmen. Umstritten und ungeklärt sei nur noch, ob und in welchem Umfang kirchliche Vertreter außerdem noch an der Prüfertätigkeit selbst beteiligt werden könnten. Trotzdem erhob Prof. Friedrich Brunstäd (Rostock) grundsätzliche Bedenken: die Übertragung der Prüfungen an die Fakultäten beraube die Kirche eines wesentlichen Teils ihrer kirchenregimentlichen Funktionen. Die Fakultätsprüfung verkenne den Charakter der Theologie als Funktion der Kirche. Werde das theologische Examen als kirchenregimentliche Handlung verstanden, dann sei der kirchliche Vorsitz erforderlich; solle die erste theologische Prüfung indes als rein wissenschaftliches Examen gelten, dann sei die Beteiligung der Kirche überhaupt nicht erforderlich. Doch ergab sich nach Auffassung staatlicher Stellen - so Ministerialreferent Mattiat - die sachliche Berechtigung theologischer Abschlußprüfungen an den Fakultäten daraus, daß die Durchführung des theologischen Unterrichts den staatlichen theologischen Fakultäten anvertraut wurde. Brunstäd hatte in der Diskussion die theologische Fakultät als ein „unmögliches Zwischending" (zwischen Staat und Kirche) bezeichnet. Er meinte, die Sorge vor Aufhebung der theologischen Fakultäten als staatliche Institutionen dürfe den Blick für das sachlich und theologisch Notwendige nicht trüben. Die Übernahme der Fakultäten in die Regie der Kirche galt ihm als eine Lösung, die gegebenenfalls allen Beteiligten wie auch den sachlichen Anforderungen gerecht werde. Prof. Emanuel Hirsch erhob daraufhin den Vorwurf, Brunstäd operiere durch seine „messerscharfe Logik die Fakultäten zu Tode". Hirsch trat demgegenüber für ein Fakultätsexamen ein, das durch Verhandlungen über die Modalitäten auch kirchlich akzeptiert werden könne. Nach längerer kontrovers geführter Diskussion, bei der Prof. Herbert Preisker (Breslau) die ministeriell vorgeschlagene Neuregelung der Prüfungsfrage als „die jetzt einzig mögliche und notwendige Lösung"

Kontroversen um Fakultätsexamen und Studienreform

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begrüßte, während andere, so besonders Eiert, gravierende Bedenken äußerten, wurde eine von Hirsch vorgeschlagene Erklärung angenommen: „Die Konferenz der evangelisch-theologischen D e k a n e des Reiches hat davon Kenntnis g e n o m m e n , d a ß durch eine Verordnung von staatlicher Stelle die Fakultätsprüfung eingeführt werden soll. Sie hält unter Voraussetzung dieser Tatsache den vom Ministerialreferenten vorgelegten Ausführungserlaß für einen gangbaren W e g . " Die jähe Wendung in der Kirchenpolitik, die sich durch den Rücktritt des Reichskirchenausschusses am 1 3 . Februar 1 9 3 7 und den allerdings niemals durchgeführten Kirchenwahlerlaß Hitlers vom 1 5 . Februar 1 9 3 7 abzeichnete, führte dazu, d a ß das Projekt des Fakultätsexamens ministeriell fallengelassen wurde. H a n s Schmidt teilte den D e k a n e n a m 2 5 . F e b r u a r 1 9 3 7 mit, „ d a ß der in Aussicht gestellte Erlaß über die erste theologische Prüfung wegen der Verfügung des Führers in der Kirchenfrage zurückgestellt w o r d e n " sei 1 5 . O b w o h l durch den Kirchenwahlerlaß Hitlers vom 1 5 . Februar hinfällig, hatte die durchgängige Einführung des Fakultätsexamens zu den staatskirchlichen Programmpunkten gehört, die Reichskirchenminister Kerrl noch am 1 3 . Februar 1 9 3 7 bekanntgegeben hatte, die indes durch Hitlers Entscheidung desavouiert wurden. Auch in der Folgezeit votierten verschiedene Universitätslehrer gegen die Einführung des Fakultätsexamens; so etwa in einem von Professor M a r t i n Dibelius verfaßten Schreiben, das auch von H a n s von C a m penhausen, Heinrich Greeven, Renatus Hupfeld, O t t o F r o m m e l , Gustav Hölscher und H e l m u t Thielicke in Heidelberg mitunterzeichnet w a r : 1 6 D a n a c h ergab sich das kirchliche Prüfungs- und Kontrollrecht, wie von M a r t i n Dibelius bereits auf dem Fakultätentag unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg vertreten, aus dem damaligen Aufhören des landesfürstlichen Summepiskopates. Übrigens: O h n e kirchliche Bindung ende das ganze Theologiestudium kirchlich gesehen in der Luft. Die Kirche als „Umschlagplatz zwischen Studium und P r a x i s " müsse bei der Prüfung kontrollierend anwesend sein dürfen. D a s sei in weiten KoIIegenkreisen seit vielen J a h r e n anerkannt. Ein Rundbrief von Sodens an die Vertrauensleute der Bekennenden Kirche an den theologischen Fakultäten vom 7 . April 1 9 3 7 , der auf eine Z u s a m m e n k u n f t von bekenntniskirchlichen Professoren und Dozenten am 2 6 . und 2 7 . Februar 1 9 3 7 in Halle (Saale) Bezug n a h m , zeigte ebenfalls die kritisch-ablehnende Haltung ge15. 16.

UA Heidelberg Η 1/055 (Fakultätentag). BA Koblenz, Abt. Potsdam, Best. 5 1 . 0 1 , Nr. 2 3 1 0 4 ; auch UA Heidelberg Η 1/055 (Fakultätentag).

304

Kontroversen um Fakultätsexamen und Studienreform

genüber einer generellen Einführung des Fakultätsexamens, wie es in der Besprechung der theologischen Dekane im Reichswissenschaftsministerium am 12. Februar 1937 zur Diskussion gestanden hatte 1 7 . Diese Versammlung der bekenntniskirchlichen Professoren und Dozenten in Halle Ende Februar 1937 hielt nach wie vor am Zusammenwirken von Fakultäten und Kirchenleitungen beim ersten theologischen Examen fest und betonte nachdrücklich, daß wissenschaftliche und kirchliche Prüfung nicht voneinander gelöst werden dürften. M a n beauftragte H a n s von Soden, Gesichtspunkte bereitzustellen, wie sie seitens bekenntniskirchlich orientierter Professoren und Dozenten in Schreiben an das Reichswissenschaftsministerium verwendet werden könnten, um ein exklusives Fakultätsexamen abzulehnen. D a ß ein generelles Fakultätsexamen für das Theologiestudium hier auch weiterhin mit Argwohn betrachtet wurde, lag daran, daß man nicht wußte, ob nach der durch Führererlaß vom 15. Februar 1937 anberaumten, aber nie durchgeführten erneuten Kirchenwahl auch dieses fakultätspolitische Teilziel nicht doch wieder neu zur Diskussion stehen würde. Durch Krankheit zunächst verhindert, übermittelte von Soden Anfang April 1937 in dem genannten Rundbrief an die Vertrauensleute der BK in den Fakultäten die ihm notwendig erscheinende Begründung für einen Bekenntnisprotest gegen das Fakultätsexamen 1 8 . D a ß die vorgesehene Einführung des Fakultätsexamens gelegentlich auch Komplikationen für die Deutschen Christen brachte, zeigte ein Schreiben von Pfarrer Walter Fiebig (Münster) an Mattiat im Reichserziehungsministerium vom 20. April 1937, er möge auf den Dekan der Fakultät in Münster, Friedrich Wilhelm Schmidt, einwirken, daß dieser nicht an die Stelle der bisher in konsistorialer Verantwortung liegenden ersten theologischen Prüfung ein Fakultätsexamen treten lasse. Fiebig wußte, daß dies seine kirchenpolitische Stellung in Westfalen noch weiter schwächen würde. Ihm war neben dem bekenntniskirchlich orientierten Präses Karl Koch auf Grund eines im Frühjahr 1936 vereinbarten „Simultaneums" die Betreuung der westfälischen DC-Geistlichen anvertraut. Die ohnehin angefochtene Leitungsposition Fiebigs wollte er nicht durch Wegfall des kirchlichen Prüfungsrechts beim ersten Examen beeinträchtigen lassen. In diesem besonderen Fall hätte eine etwaige generelle Einführung des Fakultätsexamens dem kirchenpolitischen Interesse eines deutschchristlichen Exponenten widersprochen. Ein Schreiben des 17. 18.

Ebd. S. 206-212. Ebd. S. 152-163.

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Kirchenministeriums an das Reichswissenschaftsministerium vom 8. Juni 1 9 3 7 wies nochmals erläuternd a u f die veränderte kirchenpolitische Situation hin, die mit dem Kirchenwahlerlaß Hitlers gegeben w a r . Auch Reichskirchenminister Kerrl habe deshalb von einer solch weitgehenden Neuregelung wie der generellen Einführung des Fakultätsexamens absehen müssen. Dabei hatte auch Kerrl das Fakultätsexamen grundsätzlich für die beste Lösung auch im Blick auf die komplizierten kirchenpolitischen Verhältnisse im westfälischen Konsistorium in M ü n s t e r angesehen19. Die Komplikationen in der Prüfungsfrage sind auch in der Folgezeit nicht ausgeräumt worden. D a s Prüfungsproblem konnte bei Lage der Dinge keine allseitig befriedigende Regelung erfahren. So hat sich beispielsweise das Reichskirchenministerium mit einem Schreiben vom 1 0 . August 1 9 3 8 an die Kirchenregierung Hannovers gewandt und die Teilnahme aller Professoren der Göttinger Fakultät an der ersten theologischen Prüfung angemahnt. N a c h dem Kirchengsetz vom 3 1 . O k t o b e r 1 9 2 8 habe an jeder ersten theologischen Prüfung ein Theologieprofessor aus Göttingen teilzunehmen. Dieser Zustand sei seit Frühjahr 1 9 3 7 verletzt. D e k a n Hirsch ließ daraufhin a m 1 6 . August 1 9 3 8 am Schwarzen Brett der Fakultät eine Warnung an die Theologiestudenten ergehen, an der seitens des hannoverschen Landeskirchenamtes ohne Beteiligung der Göttinger Fakultät abgehaltenen ersten theologischen Prüfung teilz u n e h m e n . 2 0 Sie verstoße gegen die Verordnung des Kirchenministeriums vom 3 1 . M a i 1 9 3 8 und sei daher für die Prüflinge im Blick auf das Pfarramt wertlos. Hirsch erklärte sich zur A b n a h m e der Göttinger Fakultätsprüfung bereit, die in der altpreußischen Landeskirche anerkannt werde, und versprach, sich darum zu bemühen, d a ß das Göttinger Fakultätsexamen auch in der hannoverschen Landeskirche anerkannt werde. Es k a m in diesem Z u s a m m e n h a n g zu Auseinandersetzungen mit der hannoverschen Landeskirchenleitung unter Landesbischof M a r a h rens. Die Spannungen wurden dadurch verstärkt, d a ß der Vorsitzende der hannoverschen Finanzabteilung Dr. Cölle im Weigerungsfall mit dem Entzug von Staatsmitteln für den kirchlichlichen Haushalt der Landeskirche drohte. Kirchlicherseits wies man allerdings in einem hannoverschen Gutachten auf die gefährlichen Folgen hin, die sich daraus ergäben, wenn 19.

BA Koblenz, Abt. Potsdam, Best. 5 1 . 0 1 , Nr. 2 3 1 0 4 . Münster 1 9 3 7 / 3 8 ) .

(Theol.

Fakultät

20.

Vgl. Abdruck bei Eberhard Klügel, Die lutherische Landeskirche Hannovers, Bd. 2 : Dokumente, Dokument Nr. 55, S. 147.

306

Kontroversen um Fakultätsexamen

und Studienreform

man darauf eingehe, alle Göttinger Professoren an der ersten theologischen Prüfung zu beteiligen. Die Nachteile, die sich aus einer formellen Nichteinhaltung des Ausbildungsgesetzes von 1928 ergäben, seien hinzunehmen. Die Landeskirche müsse sich vorbehalten, die Aufnahme eines Professors in den Prüfungsausschuß zu verneinen, gegen den sie bekenntnismäßige Bedenken erhebe 2 1 . Im Frühjahr 1938 war der evangelische Fakultätentag mit Fragen einer Studienreform beschäftigt. Am 2 5 . April 1938 versammelten sich die Vertreter sämtlicher 18 deutschen evangelisch-theologischen Fakultäten unter Einschluß Wiens (vertreten durch Dekan Prof. Gustav Entz) im Generalkonzilsaal der Martin-Luther-Universität Halle (Saale). Einziger Tagungsordnungspunkt waren „Vorschläge zu einer Reform des Studiums der evangelischen Theologie" 2 2 . Zunächst erstattete Prof. Hans Schmidt als Vorsitzender des Fakultätentages einen Bericht über seine Tätigkeit der letzten Jahre. In der Aussprache darüber kam zum Ausdruck, „daß sämtliche Dekane (hierin der Zustimmung ihrer sämtlichen Fakultätsmitglieder gewiß) die Erhaltung der evangelisch-theologischen Fakultäten als vollberechtigter und vollverpflichteter Teile der staatlichen Universitäten des Deutschen Reiches als unbedingt nötig ansehen." Die Arbeit der theologischen Fakultäten in Lehre und Forschung liege im Interesse der Universitäten wie auch der evangelischen Kirche, die aller Klerikalisierung feind - einen volksverbundenen, weltoffenen und hochgebildeten Pfarrerstand brauche. Die Fortexistenz der theologischen Fakultäten liege ebenso „im Interesse des gesamten deutschen Volkes, das die in den Pfarrhäusern gegebene Ausbreitung akademischer Bildung und christlicher Lebensanschauung sowie die auf der Universität erworbene, in Krieg und Frieden bewährte Staatsgesinnung der evangelischen Pfarrer nicht ohne Schaden entbehren könne". Die Ehrenpromotionsfrage wurde wieder besprochen; ebenso die Frage der Vereinheitlichung der theologischen Grade und die Verwandlung des Lie. theol. in den Dr. theol., beides Fragen, die während des Dritten Reiches nicht mehr abschließend behandelt wurden. Zum Hauptgegenstand der Tagung, der Reform des Theologiestudiums, lagen eine Reihe wichtiger Vorarbeiten vor: Neben kürzeren Denk21. 22.

ALK Hannover S 1 Η II 1 3 3 a (Denkschrift: Die Zukunft der kirchlichen Prüfungen). Zum Folgenden vgl. UA Bonn 3 3 (Fakultätentag); UA Göttingen Theol. Fak. Nr. 1 4 6 (Berichterstattung über die Verhandlungen des Fakultätentags der evang.-theol. Fakultäten in Halle am 2 5 . April 1 9 3 8 ) .

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und Studienreform

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Schriften der Professoren Anton Jirku (Bonn), Wilhelm Koepp (Greifswald), Friedrich Wilhelm Schmidt (Münster) auch ein ausführliches Memorandum der Tübinger evangelisch-theologischen Fakultät, das auf dem Fakultätentag von Prof. Artur Weiser vertreten wurde. Der Kreis um den Berliner Kirchenhistoriker Prof. Erich Seeberg hatte die Niederschrift einer vom EOK-Präsidenten Dr. Friedrich Werner in Berlin einberufenen Verhandlung vom 4. Februar 1938 vorgelegt, die unter Leitung von Prof. Peter Meinhold (Kiel), einem Schüler und engen Vertrauten Erich Seebergs, gestanden hatte. Uber eine „Denkschrift zu den Fragen der Studienreform und Fakultätsreform der theologischen Fakultäten", die von den der „Nationalkirchlichen Bewegung Deutsche Christen" nahestehenden Professoren, besonders der theologischen Fakultät Jena, erstellt wurde, erstattete Prof. Heinz-Erich Eisenhuth Bericht. Eine Denkschrift von Prof. Cajus Fabricius (Breslau) traf verspätet ein und konnte bei der Debatte in Halle nicht berücksichtigt werden. Man war sich darüber im klaren, daß diese Tagung nur vorbereitenden Charakter haben konnte. Die Tübinger Denkschrift Weisers brachte den konservativen, mehr der Tradition zugewandten Zug der Verhandlungen zum Ausdruck, während die Jenaer Denkschrift Eisenhuths auf stärkere Umgestaltung des Theologiestudiums im Blick auf die Zeitverhältnisse bedacht war. Prof. Eisenhuth, Systematiker und seit Sommersemester 1938 Dekan der Theologischen Fakultät Jena, wollte die „Grundeinsichten des nationalsozialistischen Wissenschaftsverständnisses" zur Geltung bringen. Es hieß darin: „Die theologische Wissenschaft hat ihren Platz an der deutschen Hochschule als Religionswissenschaft, da das religiöse Leben ein entscheidender Faktor innerhalb der Geschichte und des Lebens unseres deutschen Volkes und der Völker überhaupt ist." Er lehnte die Entfernung der theologischen Wissenschaft von den deutschen Hochschulen kategorisch ab, da sie zur Folge hätte, „daß ein wesentlicher Zweig wissenschaftlichen Arbeitens, auf den der Historiker wie der Philosoph, der Jurist wie der Rassenforscher stößt, unkontrollierbar in die Hände freier kirchlicher Institute fallen und in konfessioneller Gebundenheit zu einer okkulten ,Wissenschaft' werden würde." Die deutsche Theologie würde ihre Weltgeltung verlieren. Im Mittelpunkt der theologischen Arbeit stehe „Wesen und Erscheinungsform deutscher Frömmigkeit". Die herkömmlichen theologischen Disziplinen wurden neu akzentuiert. Neutestamentliche Wissenschaft wurde als „Kunde des Evangeliums und der Anfänge des Christentums" im Zusammenhang mit der damaligen religiösen und völkischen Umwelt gekennzeichnet. Allgemeine Religionsgeschichte wurde gefordert, volkstumsbestimmt spezifiziert: indogerma-

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Kontroversen um Fakultätsexamen

und Studienreform

nische und Religionen des fernen Ostens sowie des vorderen Orients. Bemerkenswert war, daß der bisherige alttestamentliche Lehrstuhl in einen „Lehrstuhl der Religionsgeschichte des vorderen Orients" umgewandelt werden sollte. Die Einzelauslegung alttestamentlicher Bücher fiel weg zugunsten umfassender religionsgeschichtlicher Vorlesungen. Kirchenhistorisch sollte eine „Geschichte des deutschen Glaubens und allgemeine Kirchenkunde" geboten werden. Die Systematische Theologie sei als „Glaubenslehre" zu lesen und habe die „Aufgabe einer grundsätzlichen Besinnung auf die wirksamen Kräfte des Evangeliums für das fromme deutsche Leben innerhalb der völkischen Schöpfungsordnung". Als Praktische Theologie war kirchliche Gegenwartskunde und Gemeindeführung, also eine Art völkisch akzentuierte Pastoraltheologie vorgesehen. Eine nationalpolitische Vertrautheit mit den politischen und weltanschaulichen Grundlagen des Nationalsozialismus sei von dem Theologiestudenten zu fordern. Die nationalkirchliche Orientierung dieses Vorschlags zur Studienreform war offensichtlich. Es gelte, als Ziel der Reform „aus der Enge konfessioneller Gebundenheit herauszuführen und zu einer weiten und tiefen deutschen Frömmigkeit den Weg frei zu machen". Der Göttinger Dekan Prof. Hirsch versuchte, das im Jahre 1 9 3 7 steckengebliebene und insofern ungelöste Projekt der einheitlichen Fakultätsprüfung als Voraussetzung der Studienreform erneut zur Geltung zu bringen. Ein solches Fakultätsexamen, an dem alle Professoren einer Gebietsuniversität potentiell beteiligt seien, würde den Interessen der Kirche wie der Studierenden, vor allem aber „der Eigenschaft der theologischen Fakultäten als Fakultäten der Staatsuniversitäten" am meisten entsprechen. In der Diskussionsrunde wurde es begrüßt, wenn die evangelische Kirche, die in den Fakultäten ein unentbehrliches Organ wissenschaftlicher Erörterung besitze, von sich aus den Fakultäten das Vertrauen entgegenbringe, die allgemeine Fakultätsprüfung zu fordern. Die Art der kirchlichen Beteiligung am Fakultätsexamen sei dann vergleichsweise von geringerer Bedeutung: die Anwesenheit eines kirchlichen Vertreters bei der Prüfung und seine Meinungsäußerung bei der Urteilsbildung über die Kandidaten wurden dabei als die geringste, der Prüfungsvorsitz als die weitestgehende Art der kirchlichen Beteiligung am Examen angesehen. M a n verwies auf den Entwurf einer Ordnung der Fakultätsprüfung, der auf dem vorigen Fakultätentag Februar 1 9 3 7 in Berlin beraten wurde und nunmehr in den Akten des Reichswissenschaftsministeriums ruhe. Der Berliner Dekan Prof. Arnold Stolzenburg hob im Blick auf die Studienreform hervor, daß die „Betonung der Leistungsfähigkeit und

Kontroversen

um Fakultätsexamen

und Studienreform

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der Charakterwerte", wie sie dem NS-Staat eigen seien, von vornherein den Gedanken an eine Verminderung der Prüfungsanforderungen bei einer Studienreform ausschlössen. Eine mengenmäßige Reduktion des Prüfungsstoffes sei indes im Interesse gesteigerter Intensität zu fordern. Nach jeweils einleitenden Referaten wurde über verschiedene fachspezifische Fragen gesprochen. Für die Notwendigkeit der Erlernung der hebräischen Sprache plädierte Prof. Eiert, Dekan der Theologischen Fakultät Erlangen, energisch. Da ministeriell jetzt Latein an allen höheren Schulen eingeführt werde, sei der Einwand gegenstandslos, die Forderung der Kenntnis des Hebräischen belaste das Theologiestudium zu sehr, weil daneben noch Griechisch und Latein - also insgesamt drei Sprachen gelernt werden müßten. Insbesondere zeigte der Fakultätentagsvorsitzende Prof. Hans Schmidt (Halle) anhand von Beispielen, daß eine Kenntnis des hebräischen Urtextes nicht durch die griechische Übersetzung der Septuaginta zu ersetzen sei. Er verwies auch auf eine Stellungnahme von 4 0 Superintendenten der Kirchenprovinz Sachsen, die sich Ende M ä r z 1 9 3 8 beim Magdeburger Konsistorium energisch für die Beibehaltung des Hebräischen ausgesprochen hatten, weil sonst „das Studium der Theologie ( . . . ) auf das Niveau der Sektenprediger herabgedrückt" werde. Auch in der Tübinger Denkschrift, die Dekan Prof. Artur Weiser vertrat, wurde die Abschaffung des obligatorischen Hebraicums begründet abgelehnt. Hebräisch gehöre ebenso wie auch die Praktische Theologie zu dem „im vollen Sinne wissenschaftlichen Charakter der Pfarrerausbildung". Demgegenüber wollten Prof. Eisenhuth (Jena) und die Denkschrift der von Prof. Erich Seeberg (Berlin) protegierten Gruppe um Prof. Peter Meinhold (Kiel) die Kenntnis des Hebräischen zwar für Universitätstheologen aufrecht erhalten, für die Pfarrerausbildung aber wahlfrei lassen. So forderte das Jenenser Memorandum lediglich Kenntnis des Griechischen und des Lateinischen, ließ jedoch das Hebräische fakultativ. Für das Alte Testament genüge die Kenntnis des Griechischen, weil das Alte Testament in der Zeit des Neuen Testamentes und der Alten Kirche in seiner griechischen Gestalt gelesen und zitiert wurde. Prof. Heinrich Frick (Marburg) wies indes darauf hin, daß die bei amerikanischen Theologen vielfach fehlende Hebräischkenntnis als schwerer Mangel empfunden werde. Stolzenburg (Berlin) und besonders der Alttestamentier Johannes Hempel (früher Göttingen, seit 1 9 3 7 in Berlin), von dem eine schriftliche Äußerung vorlag, betonten, „daß der Student durch den Unterschied im Sprachgebrauch zugleich auf den Wesensunterschied seines eigenen arischen und des semitischen Wesens

310

Kontroversen um Fakultätsexamen

und

Studienreform

aufmerksam" werde; dieser lebendige Eindruck werde von jeder Übersetzung verwischt. Man ersehe daraus, „wie tief rassische Unterschiede in das gesamte geistige und damit religiöse Gefüge hineinreichen". Der Hallenser Alttestamentler Prof. Otto Eißfeldt hatte in einer gutachtlichen Äußerung zum Ausdruck gebracht, die Bedeutung des in der Ursprache verstandenen Alten Testamentes stelle „ein Zeugnis von der Geschichte der über alle Grenzen von Volkstum und Rassen erhabenen und der ganzen Menschheit geltenden Gottesoffenbarung" dar, die in Jesus Christus ausmünde. Prof. Heinrich Frick, Dekan der Marburger Fakultät, referierte über die Frage der Lehrstühle für allgemeine Religionsgeschichte, die unabdingbar die Kenntnis der Ursprachen voraussetze. Innerhalb der theologischen Fakultät gehöre die Religionswissenschaft des vorderen Orients mit der alttestamentlichen Wissenschaft zusammen wie die hellenistischrömische Religionskunde mit dem Neuen Testament; ebenso müsse die Religionskunde der Germanen als Kontext der Anfänge der deutschen Kirchengeschichte gesehen werden. Beschäftigung mit den großen gegenwärtigen Religionen gehöre zum systematischen Rüstzeug eines modernen Theologen. Im übrigen profitiere auch das Theologiestudium von der religionswissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft zwischen den verschiedenen Fakultäten einer Universität. Das Referat, das Prof. Hermann Wolfgang Beyer, damals Dekan der Leipziger Theologischen Fakultät, hielt, konnte als Ergänzung des frömmigkeitsgeschichtlich orientierten Gutachtens von Prof. Peter Meinhold (Kiel) verstanden werden. Es brachte aber Bedenken gegen eine rein frömmigkeitsgeschichtliche Konzeption der Kirchengeschichte zum Ausdruck und hob hervor: die Art der Behandlung der Kirchengeschichte lasse sich nicht vorschreiben, wirke sich doch die Forschungsspezifik des akademischen Lehrers dabei schwerpunktsetzend aus. Auf dogmengeschichtliche Sachverhalte könne man ebensowenig verzichten wie auf eine konfessionsorientierte Darstellung der Kirchengeschichte. Zur Frage der systematischen Theologie referierte Prof. Emanuel Hirsch (Göttingen). Ihre Aufgabe liege in der „Erziehung zum selbständigen Verstehen der christlichen Wahrheit in freier geistiger Reflexion". Dabei müsse auch die Frage des Verhältnisses von Weltanschauung und Glaube gründlich dogmatisch und ethisch bedacht werden. Das von der alttestamentlichen und neutestamentlichen Wissenschaft erarbeitete Verständnis der Bibel gelte es so einzuordnen, daß es lebendiger gegenwärtiger Erfassung des Evangeliums diene. Vor dilettantischen Ubersichten über die außerbiblische Religionsgeschichte habe man sich zu

Kontroversen um Fakultätsexamen und

Studienreform

311

hüten. Hirsch sprach von einem „umbrechenden Verstehen" der biblischen Begriffs- und Gedankenwelt. Denn das Evangelium von Jesus Christus sei „eines für alle Z e i t e n " , das menschliche Evangelium hingegen sei „verschieden unter verschiedenen Völkern und Z e i t e n " . Ferner sei nötig, „ d a ß die Ausstoßung Jesu durch die Kirche des alttestamentlichjüdischen Glaubens als Zeichen des tiefen Umbruchs und Gegensatzes zwischen alt- und neutestamentlichem Glauben verstanden w e r d e " . Die Erneuerung und Verwandlung der Systematischen Theologie könne freilich nicht Gegenstand einer Studienreform sein. Hirsch meinte, es sei liberalistisch, wenn man meine, „eine R e f o r m , die die Person und ihre Haltung angeht, durch statutarische Bestimmungen zuwege bringen zu k ö n n e n " . Da Hirsch aber den Prüfungsstoff, an dem die systematischtheologische Einübung des Denkens, Verstehens und Dolmetschens der christlichen Wahrheit erfolgen sollte, abgesehen von der neutestamentlichen Grundlage in der reformatorischen und altprotestantischen T h e o logie, andererseits im Erbe deutscher Philosophie von Leibniz bis Hegel, vorgegeben sah, sei eine Anknüpfung daran auch dann nicht sinnlos, wenn eine Änderung der Prüfungsordnung sich nicht durchsetzen werde. D a s von Prof. Gustav Entz (Wien) eröffnete Gespräch über die Praktische Theologie, für deren Verbleib im Theologiestudium

allgemein

plädiert wurde, sah diese Disziplin als die „wissenschaftliche Besinnung a u f die Gegenwartsfragen der K i r c h e " . Die übliche Anhäufung von historischem Stoff und die unfruchtbare Begriffszergliederung sei wertlos. Indes sei die Unentbehrlichkeit der Praktischen Theologie im R a h m e n der Universitätstheologie angesichts der „Lebensverbundenheit aller gegenwärtigen deutschen Wissenschaft unmittelbar g e g e b e n " . Prof. Erich Engelbrecht (Königsberg), der den Dienst der Praktischen Theologie einen „indirekten" nannte, - sie sei das „Gewissen der K i r c h e " - , warnte vor liturgischen Bewegungen, die zum Einfallstor magisch-heidnischen Denkens werden könnten. Er forderte religiöse Volkskunde und kirchliche Gegenwartskunde und hielt homiletisch-katechetische Seminare für unentbehrlich. Prof. Erich Vogelsang (Gießen) regte an, die schwierige Frage nach Bedeutung und Behandlung des Alten Testaments auf einem allgemeinen T h e o l o g e n t a g zu behandeln. D o c h war zu diesem Zeitpunkt an einen Theologentag nicht mehr zu denken. Der zuletzt 1 9 3 2 für Erlangen geplante T h e o l o g e n t a g war verschoben und Herbst 1 9 3 3 nicht mehr zustande g e k o m m e n . W ä h r e n d des Dritten Reiches fand kein T h e o l o g e n t a g mehr statt. Und aus dem Evangelisch-theologischen Fakultätentag als

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Kontroversen um Fakultätsexamen

und

Studienreform

Vertreterkonferenz der theologischen Fakultäten war inzwischen mehr oder weniger eine Konferenz der Dekane geworden. Wenn man die Spannweite der Vorschläge zwischen dem Jenaer Gutachten Eisenhuths und der Tübinger Denkschrift beachtet, versteht man, daß eine einheitliche Linie nicht gefunden werden konnte. Die Tübinger Denkschrift, wie sie der Alttestamentler Artur Weiser vorstellte, drängte auf eine sachbezogene Fragestellung der Studienreform. Die Kirche müsse Pfarrer erhalten, die ihrem Amt gewachsen seien; die deutsche Wissenschaft müsse in dem ihr anbefohlenen theologischen Bereich ihre Geltung im deutschen Volk und in der Welt behalten. Allein diese beiden Motive hätten Bedeutung für eine Studienreform. Wissenschaftsfremde Nebenaspekte dürfe es nicht geben. Jede Studienreform, die Änderungen befürworte, weil sie Angriffen auf die Theologie entgegentreten und den Verbleib der theologischen Fakultäten an den Universitäten nicht gefährden wolle, müsse als falsche Taktik abgelehnt werden. Es habe noch nie als ehrenvoll gegolten, Unsachliches zu tun, um Schlimmeres zu verhüten, eine Selbstverstümmelung vorzunehmen, um beim anderen Wohlgefallen zu erregen und ihn von eventuellen Tötungsabsichten abzubringen. Unter dieser Voraussetzung trat Prof. Weiser für volle Wissenschaftlichkeit, gegen jede zeitliche und sachliche Verkürzung des Theologiestudiums ein. Insbesondere plädierte er - gegen Eisenhuth - für Beibehaltung der exegetischen Vorlesungen in den Bibelwissenschaften. Auch das Alte Testament müsse extensiv dargeboten werden. Die Abschaffung des Hebräischen komme nicht in Frage. Die Entfernung der Praktischen Theologie aus dem Studienplan und ihre Verlagerung an die kirchlichen Predigerseminare sei entschieden abzulehnen. Dem Versuch sei zu widerstehen, die Prüfungsfrage zu einem Instrument im kirchen- und fakultätspolitischen Machtkampf zu machen. Als unerläßlich galten drei Punkte in der Prüfungsfrage: Fakultätsexamen an allen theologischen Fakultäten; Freiheit des Studenten in der Wahl der Fakultät, vor der er die Prüfung ablegen wolle; der einzelnen Landeskirche müsse es schließlich unbenommen bleiben, zu den Fakultätsprüfungen Vertreter zu entsenden und mit den von einer Fakultät geprüften Kandidaten vor der Anstellung ein Kolloquium durchzuführen. Eine entsprechende Angleichung der Prüfungsordnungen sei erstrebenswert. Indes ist die hier gewünschte Vereinheitlichung der ersten theologischen Prüfung in der Folgezeit unterblieben. Die Einführung eines einheitlichens Fakultätsexamens gelang nicht. Der Zweite Weltkrieg setzte weiteren Aktivitäten in puncto Studien- und Prüfungsreform ein Ende.

12. Fakultätspolitische Ambitionen des Seeberg-Kreises

Der Berliner Kirchenhistoriker Prof. Erich Seeberg war schon in der Anfangsphase des Kirchenkampfes bereit gewesen, die Universitätstheologie engagiert ins Spiel zu bringen. Er wurde dabei von einer Reihe seiner akademischen Schüler, insbesondere durch Ernst Benz und Peter Meinhold, tatkräftig unterstützt. Beide unterstützten ihn in fakultäts- und kirchenpolitischen Fragen, besonders auch durch Zuarbeit bei seiner Beraterfunktion für das Reichswissenschaftsministerium. Schon am 15. Januar 1 9 3 4 erging unter Erich Seebergs Dekanat ein Vorschlag der Theologischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, in der er seine Bereitschaft erklärte, bei einer Aussprache der Führer der Deutschen Christen und der bekenntniskirchlichen Richtung über die vorhandenen Gegensätze als „ehrlicher M a k l e r " zu fungieren. Es gelte, den Zerfall des Protestantismus zu vermeiden und durch Gesprächsbereitschaft zu einem Ausgleich zu kommen. Dabei sollten kirchenpolitische Gegensätze auf ihren dogmatischen und theologischen Gehalt geprüft werden. Die künftige Kirchenpolitik müsse unter Bereinigung verschiedener Personalfragen dem Gesichtspunkt strikter Neutralität verpflichtet sein. 1 Wie sehr Erich Seeberg damals von verschiedener Seite als eine kirchenpolitische Schlüssel- und Vermittlungsfigur angesehen wurde, zeigt ein Telegramm, das Pastor Lie. Dietrich Bonhoeffer aus seinem damaligen deutschen Auslandspfarramt in London zusammen mit dem durch die deutsche Nicht-Ariergesetzgebung gefährdeten Theologen Franz Hildebrandt am 1. Dezember 1 9 3 3 an Seeberg richtete. Sie erbaten sein Eintreten für Pfarrer Gerhard J a c o b i (Berlin) als Mitglied des Geistlichen Ministeriums der Reichskirchenregierung, da nur dieser als Vertrauensmann für eine Beruhigung und Klärung der kirchlichen Lage bürge. Es handelte sich um die später dementierte Heranziehung Jacobis zu dem reichskirchlichen Schlichtungsausschuß. 2 1. 2.

Bundesarchiv Koblenz, Belege aus Nachlaß Erich Seebergs N L 2 4 8 ) ; hier: N L 2 4 8 / 9 7 , Bl. 196. BA Koblenz, N L 2 4 8 / 9 4 , Bl. 3 3 . Vgl. Junge Kirche 1 ( 1 9 3 3 ) , S. 4 0 0 ; 2 ( 1 9 3 4 ) , S. 2 4 f. Der Pfarrernotbund hat die Beteiligung an dem Schlichtungsausschuß abgelehnt.

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Fakultätspolitische

Ambitionen

des

Seeberg-Kreises

Seebergs kirchenpolitisches Engagement war reichskirchlich orientiert. In realistisch abwägender Haltung ging er ungern Risiken unnötiger Exponierung ein. Dem verantwortlichen DC-Reichsleiter Bischof Hossenfelder gegenüber hatte er nach dem Sportpalastskandal der Glaubensbewegung Deutsche Christen Mitte November 1933 schlichtweg erklärt, man müsse erst prüfen, ob die kirchenpolitische Entwicklung eine Umorientierung seiner DC-Bewegung überhaupt noch erlaube. Auch das Verhältnis einer „Theologischen Kammer" der Deutschen Christen zur kirchlichen Führung müßte erst prinzipiell geklärt sein, ehe er seine endgültige Position dazu formulieren wolle. Bei dem Versuch, in einer Versammlung am 13. Dezember 1933 im Habsburger Hof in Berlin die auf Grund des Skandals in der Sportpalastkundgebung vom 13. November 1933 kirchlich stark diskreditierte Glaubensbewegung DC grundsätzlich umzugestalten, war Seeberg als Dekan der Berliner Theologischen Fakultät zwar eingeladen, nahm aber nicht teil. Bereits Anfang Dezember 1933 hatte er durch sein Sekretariat der Kreuzzeitung mitteilen lassen: entgegen der Notiz dieses Blattes gehöre er der Glaubensbewegung DC nicht zu 3 . Als Hossenfelder Ende Dezember 1933 von allen seinen kirchlichen Amtern wie vom DC-Reichsleiteramt zurücktreten mußte, sah sich Seeberg in seiner Zurückhaltung bestätigt. In dem Gespräch, das drei Tage vor dem Empfang führender kirchlicher Vertreter durch Hitler am 25. Januar 1 9 3 4 in der Reichskanzlei stattfand, übte Seeberg Kritik am kultusministeriellen „Maulkorb-Erlaß" für Theologieprofessoren vom 14. Januar 1 9 3 4 , der einer entsprechend restriktiven Verordnung des Reichsbischofs von Anfang Januar folgte. Die zweistündige Unterredung mit Jäger, an der außer Seeberg auch noch die Theologieprofessoren Hans v. Soden, Julius Schniewind und Ernst Kohlmeyer teilnahmen, blieb erfolglos. Uber den Kirchenstreit dürfe zwar in Vorlesungen in objektiver Weise berichtet werden, hatte Jäger eingeräumt; eine Beteiligung der Professoren an öffentlichen Kundgebungen sei jedoch weiterhin verboten. 4 Als der Beauftragte des Fakultätentages für die Reichskirchenreform, Prof. Karl Fezer (Tübingen), Anfang 1934 eine kirchenpolitische Einigung auf „mittlerer Linie" erstrebte, dies aber nicht zu glücken schien,

3. 4.

BA Koblenz, NL 2 4 8 / 9 4 , Bl. 34. Humboldt-Universität, Archiv Theol. Fak. Nr. 91 (Erich Seeberg an die Engere Fakultät, 1. Februar 1934). Hier auch Beschwerde Ernst Sellins an Ministerialdirektor August Jäger wegen des Maulkorberlasses, 2 3 . April 1 9 3 4 .

Fakultätspolitische Ambitionen des Seeberg-Kreises

315

weil die staatliche Seite, für die Ministerialdirektor August J ä g e r im preußischen Kultusministerium als tonangebend galt, fest entschlossen sei, Disziplin und Ordnung in der Kirche zu erzwingen, meinte Seeberg, es sei ein Fehler gewesen, d a ß der Fakultätentag Prof. Karl Fezer als seinen Beauftragten für die Reichskirchenpolitik nominiert habe. Fezer gelte als belastet; es wäre besser gewesen, man hätte Pfarrernotbund und süddeutsche Bischöfe, „in denen ja besondere R e a k t i o n ä r e und Reichsfeinde e r b l i c k t " würden, direkt miteinander verhandeln lassen 5 . Seeberg erwartete v o m Kanzlerempfang a m 2 5 . J a n u a r 1 9 3 4 zwar, d a ß Hitler „eine D i k t a t u r von M ü l l e r oder auch F e z e r " einsetzen werde. Tatsächlich lief der Empfang, bei dem die Kirchenvertreter mit einem abgehörten Telefongespräch M a r t i n Niemöllers und belastendem Material über den Pfarrernotbund konfrontiert wurden, auf eine zeitweilige Festigung der Position des Reichsbischofs Ludwig Müller hinaus. Seeberg versuchte damals, über Geheimrat D . von Berg (Markein über Bartenstein/Ostpr.) an den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg h e r a n z u k o m m e n , dessen Gesundheitszustand im F r ü h j a h r 1 9 3 4 allerdings ein wirksames Eingreifen in der Kirchenfrage nicht mehr zuließ 6 . Stark richtungspolitisch orientiert, verfolgte Seeberg Berufungs- und Forschungsinteressen seines Schüler- und Kollegenkreises und war im übrigen

nachdrücklich

bestrebt, die Existenz der theologischen

Fa-

kultäten an den Universitäten zu sichern. In der weltanschaulichen Auseinandersetzung sollte die Universitätstheologie als Waffe gegen eine Kulturpolitik dienen, die den Einfluß von Christentum und Kirche im Dritten Reich drastisch vermindern und ausschalten wollte. Die durch interne Spannungen an der Berliner Theologischen Fakultät zunehmend belastete Fakultätspolitik Erich Seebergs, wurde im Kollegenkreis durchaus k o n t r ä r beurteilt. Der Kirchenhistoriker H a n s Lietzmann, sein unmittelbarer Fachkollege, sprach von politischem O p portunismus. In einem Schreiben an Emanuel Hirsch, das auch den kirchenpolitischen Gegensatz und persönlichen Bruch mit Hirsch deutlich werden läßt, bezeichnete es Lietzmann gleichwohl als „grotesk, wenn der bis zum Fanatismus innerliche und ehrliche Hirsch sich mit dem politischen Opportunisten E. Seeberg zusammensetzt, um mit klug gesetzten Worten den vorbildlichen Christen Reichsbischof Müller zu schützen und

5. 6.

BA Koblenz, N L 2 4 8 / 9 4 , Bl. 5 2 f. Ebd.

316

Fakultätspolitische

Ambitionen

des

Seeberg-Kreises

die kirchlichen Gegner als politisch gefährlich zu denunzieren, und zwar so, daß man sie nicht darauf festnageln kann." 7 Als Seeberg später die Entwicklung der Fakultätenfrage in ein neues Stadium gelangt sah - zahlreiche Universitäten waren bei Kriegsbeginn vorübergehend geschlossen, und Pläne, wie man die Zahl der theologischen Fakultäten eventuell reduzieren könne, wurden parteiamtlich und ministeriell seit 1938 ventiliert meinte er Ende September 1939: er könne sich zu neuen entscheidenden Initiativen in der Fakultätenfrage schwer aufraffen, „weil ich auf der einen Seite weiß, daß man den Nazis nicht trauen darf, und auf der anderen Seite sehe, daß ein heute von uns unternommener Schritt in dieser Richtung uns die Freundschaft der Kirche kosten würde". 8 Es mochte sich dabei um ähnliche Überlegungen handeln, wie Seeberg sie schon Ende 1 9 3 7 angestellt hatte: ob man nicht die Gefährdung der Universitätstheologie durch die Umwandlung der theologischen Fakultäten in religionswissenschaftliche Fakultäten abwenden könne, weil diese möglicherweise die Chance parteiamtlich zugebilligter Existenzberechtigung erlangen könnten. 9 Seeberg sah auch nach Kriegsbeginn in der Universitätstheologie die „letzte Form volkskirchlicher Möglichkeit" 1 0 . Doch meinte er im Herbst 1 9 4 0 einmal, am besten man unterstelle die Fakultäten dem Reichskirchenministerium, „weil hier ein gewisses Interesse für unsere Dinge besteht", während das Reichswissenschaftsministerium in dieser Hinsicht faktisch nichts tue. 1 1 Erich Seeberg, 1933 zum Dekan der Theologischen Fakultät Berlin gewählt, hatte dieses Leitungsamt Frühjahr 1 9 3 5 wegen starker Spannungen im Lehrkörper nicht behalten können. Den Fakultätskonflikt durch personelle Eingriffe zu lösen, etwa durch Versetzung Lietzmanns und Pensionierung älterer Kollegen, war abgelehnt worden, weil das als Eingriff des Ministeriums in den Kirchenstreit mißdeutet werden könnte. 1 2 Anfang April 1935 schrieb Seeberg an Benz: 13 „Ich bin als Dekan ab7.

Kurt Aland (Hg.), Glanz und Niedergang, Nr. 8 9 4 , S. 7 9 6 f. (Hans Lietzmann an Emanuel Hirsch, 5. Januar 1 9 3 5 ) .

8.

BA Koblenz, N L 2 4 8 / 3 0 , Bl. 9 5 (Erich Seeberg am 2 9 . September 1 9 3 9 an Martin Redeker). BA Koblenz, N L 2 4 8 / 3 b, Bl. 1 7 3 f. (Erich Seeberg an Ernst Benz, 11. November 1937).

9. 10. 11. 12.

BA Koblenz, N L 2 4 8 / 3 0 , Bl. 1 0 2 . Ebd. Bl. 1 2 0 . Vgl. ebd. Bl. 7 8 f. (Johannes Witte an Staatsrat Görlitzer, 2 4 . November 1934).

13.

BA Koblenz, N L 2 4 8 / 3 a, Bl. 1 4 5 .

Fakultätspolitische

Ambitionen

des Seeberg-Kreises

317

gesetzt. Wir haben einen Rektor, der Tierarzt ist und der sich von Stolzenburg hat beraten lassen, infolgedessen ist Witte Dekan und Stolzenburg Prodekan." Nach kurzfristigem Interregnum des Missionswissenschaftlers Prof. Johannes Witte, der wegen früherer Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge trotz oder gerade wegen seiner Parteimitgliedschaft Schwierigkeiten bekam und 1 9 3 9 vorzeitig emeritiert wurde, übernahm 1936 Prof. Arnold Stolzenburg bis zur Einberufung 1 9 4 2 das Dekanat. Erich Seeberg und der 1935 von Göttingen nach Berlin berufene Systematiker und Religionspsychologe Georg Wobbermin blieben jetzt von Fakultätsentscheidungen weitgehend ausgeschlossen. Klagen über drastisch geminderten Einfluß und Isolierung in der Fakultät brachte Seeberg nunmehr immer wieder auch beim Reichswissenschaftsministerium vor. 1 4 Anfang April 1 9 3 5 hatte er sich auch an Vizepräsident Dr. jur. Christian Kinder (Kiel) gewandt, der seit Ende 1933 als Nachfolger des abgelösten deutschchristlichen Bischofs von Brandenburg und DC-Reichsleiters Joachim Hossenfelder die „Bewegung Deutsche Christen" (später Reichsbewegung DC) als Reichsleiter wieder zu konsolidieren versuchte: Dr. Kinder sollte sich dafür einsetzen, daß Seeberg das Dekanat weiterführen könne. Der vom Rektor der Universität Berlin zum neuen Dekan der Theologischen Fakultät bestellte Prof. Witte habe dazu nicht das nötige Format. Es sei auch gut, wenn ein Berliner Theologe Präsident des Evangelischen Fakultäten- und Theologentages würde. Stark auf persönlichen Einfluß und wissenschaftliche Geltung bedacht, mochte Seeberg sich damals zeitweilig für dieses Amt prädestiniert halten, hat aber dem seit 1 9 2 9 in Nachfolge Lütgerts als Präsidenten des Fakultätentages tätigen Alttestamentler Prof. Hans Schmidt in Halle (Saale) dieses Amt nicht wirklich streitig machen wollen und auch künftig mit ihm in Fakultätsfragen hin und wieder kooperiert. Fakultätspolitisch charakterisierte Seeberg Anfang April 1935 seine eigenen kirchenpolitischen Aktivitäten Dr. Kinder gegenüber so: „Wenn die Fakultäten nicht vollkommen zur Bekenntnisfront übergelaufen sind, liegt das letzten Endes an mir, jedenfalls mehr an mir als an Hirsch, der in dieser Hinsicht ja auch entscheidende Verdienste hat." 1 5

14.

BA Koblenz, N L 2 4 8 / 8 6 (Streitigkeiten innerhalb der Fakultät), Bl. 1-5; zu den Beschwerden über Stolzenburg und Witte vgl. auch Auszug aus Memorandum Erich Seebergs vom 5. Dezember 1 9 3 8 an das Reichswissenschaftsministerium, ebd. S. 9; Schreiben an Rektor Hoppe, ebd. 10 f.

15.

BA Koblenz, NL 2 4 8 / 1 1 9 , Bl. 120 f.

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Fakultätspolitische

Ambitionen

des

Seeberg-Kreises

Berufungspolitisch setzte sich Erich Seeberg meist erfolgreich für akademische Berufungschancen seines Schülerkreises ein, während er „alle Schüler Lietzmanns so wie die Holls mit Pech und Schwefel verfolgt" schrieb der Leipziger Kirchenhistoriker Hermann Wolfgang Beyer 1 9 3 7 mit entsprechender Drastik dem Heidelberger Dekan Odenwald 1 6 und mochte dabei auch an seinen Kollegen Heinrich Bornkamm denken, der aus der Hollschule kam und mit dem Erich Seeberg in eine scharfe Auseinandersetzung auf dem Felde der Eckhartforschung geriet. 17 Auf die Anfrage aus Heidelberg wegen Neubesetzung der kirchengeschichtlichen Professur empfahl Beyer den Berliner Privatdozenten Hans Georg Opitz, einen Lietzmannschüler, obgleich er sich freue, daß Odenwald neben anderen auch an Beyers früheren Greifswalder Schüler Hans Eger gedacht habe. Denn es dürfe „ja nicht so werden, wie es jetzt durch Erich Seeberg zum früher in unserer Wissenschaft nicht geübten Brauch wird, daß der Lehrer alle Kraft darauf richtet, möglichst nur seine eigenen Schüler in Professuren zu bringen". Zu dem Königsberger Privatdozenten Günter Moldaenke, über den Odenwald wie auch über die Marburger Privatdozenten Erich Dinkier und Hans v. Campenhausen ebenfalls ein Urteil erbat, wollte Beyer sich erst nach Lektüre seines Buches äußern: 1 8 „Er hat ja aber ohnehin an seinem Lehrer Seeberg einen Fürsprecher, der sich mit solchem Nachdruck für seine Schüler einsetzt, daß es ziemlich gewiß ist, daß Sie Moldaenke bekommen, sobald Sie ihn nennen."

16.

Schreiben Hermann Wolfgang Beyers vom 12. Juni 1 9 3 7 an Dekan Odenwald zu Vorschlägen für Neubesetzung der kirchengeschichtlichen Professur in Heidelberg (UA Heidelberg, PA Theodor Odenwald). Günter Moldaenke, Privatdozent in Königsberg, erhielt 1 9 3 7 die a.o. Professur in Heidelberg; der Lietzmannschüler Hans Georg Opitz (gefallen 9. Juli 1941) wurde 1 9 3 9 a. o. Prof., 1 9 4 0 o. Prof. in Wien. Vgl. Kurt Aland (Hg.), Glanz und Niedergang, Nr. 1029, S. 9 0 6 (Hans Lietzmann an Karl Beth am 13. November 1937): „Die Herren Meinhold und Moldaenke sind Schüler von Professor Seeberg ( . . . ) und sind durch Empfehlung ihres Meisters in schnellem Aufstieg begriffen." Allerdings erhielt Moldaenke 1 9 3 7 lediglich eine a. o. Professur in Heidelberg; eine Berufung zum Ordinarius scheiterte 1 9 4 0 an der restriktiven Besetzungspolitik.

17.

Ausführlich bei Erich Dinkler/Erika Dinkier-von Schubert, Theologie, Dokument 2 4 , S. 2 1 3 - 2 5 0 : Die Kontroverse in der Zeitschrift für Kirchengeschichte; vgl. auch Kurt Aland (Hg.), Glanz und Niedergang, S. 1 2 0 - 1 2 5 ; Dok. Nr. 1 0 0 4 - 1 0 0 7 u. ö. Hermann Wolfgang Beyer an Theodor Odenwald, 12. Juni 1 9 3 7 (UA Heidelberg, PA Odenwald).

18.

Fakultätspolitische Ambitionen des Seeberg-Kreises

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Besonders intensiv beriet sich Erich Seeberg mit Peter Meinhold (1936 Prof. in Kiel) und Ernst Benz (seit 1935 Prof. in Marburg), die seiner Förderung viel verdankten. Das übergreifende fakultätspolitische Engagement des Seeberg-Kreises zeigte sich auch darin, wie Seeberg auf die Besetzungspolitik beratend und steuernd einzuwirken versuchte. Besonders von Benz und Meinhold erbat sich Seeberg öfters Auskünfte und Entwürfe auch für seine gutachtlichen Außerungenen zu Berufungsfragen. 1 9 So übersandte Meinhold, der damals zur Lehrstuhlvertretung in Heidelberg w a r , beispielsweise am 30. N o v e m b e r 1935 wissenschaftliche und richtungspolitische Beurteilungen über Julius W a g e n m a n n und Adolf Köberle; a m 22. Dezember 1935 auch über H a n s von Campenhausen. 2 0 Der Gutachtenentwurf zu Wagenmann umriß die kirchen- und fakultätspolitische Konstellation: D a ß der nassau-hessische DC-Landesbischof Lie. Dr. Ernst-Ludwig Dietrich seine Berufung wünsche, scheine in der Lage der Gießener Theologischen Fakultät zu liegen und dem Wunsch Dietrichs, auf diese einzuwirken. Oberwasser ätten dort erneut die Professoren Leopold Cordier und Ernst Haenchen und in ihrem Gefolge der „schwer bewegliche" Alttestamentler Prof. Wilhelm Rudolph. Demgegenüber sei Prof. Georg Bertram fakultätspolitisch „völlig einflußlos". Deshalb könne Wagenmann für Gießen eine gewisse fakultätspolitische Unterstützung Bertrams wie auch der Bemühungen Dietrichs bedeuten, „seinem Feind Cordier einen neuen M a n n entgegengestellt" zu sehen. Wagenmann, 1925 als Schüler H a n s von Schuberts habilitiert, habe als Privatdozent in Heidelberg „keinen Protektor", da es mit den Professoren Robert Jelke und Walther Köhler „nicht ohne eigene Schuld" Spannungen gegeben habe und Theodor Odenwald „zu träge" sei, um berufungspolitisch etwas für ihn zu tun: „Wenn es in Heidelberg schon spießig ist, so m u ß es in Gießen in jeder Hinsicht muffig sein. Da ist selbst Wag e n m a n n eine Auffrischung", urteilte Meinhold mit ironischem Akzent. Doch scheue sich Wagenmann, derzeit Dozent in Gießen, unter Übergehen von Fakultät und Rektor nach Berlin zum Hochschulreferenten M a t t i a t zu fahren, um berufungspolitische „Quertreibereien B o r n k a m m s gegen ihn zu unterdrücken". Die Gießener verlangten jetzt wieder, Wagenmann los zu werden. Heidelberg berufe ihn nicht, vielleicht weil er sich nicht einfüge. Wagenmann, Jg. 1901, habe sich „kirchenpolitisch im ganzen indifferent verhalten"; „politisch zuverlässig", aber nicht Pg. und 19. 20.

BA Koblenz, N L 248 (Briefwechsel mit Ernst Benz und Peter Meinhold). BA Koblenz, NL 2 4 8 / 2 2 (Schriftwechsel mit Peter Meinhold, Bd. 1: 19321936, Bl. 48-53).

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in keiner politischen Organisation; zu seinen Arbeiten hieß es: „solide, aber nicht gerade bahnbrechend". 2 1 Auch als die Rückberufung von Adolf Köberle, früher Direktor des Ev.-Luth. Missionsseminars in Leipzig, seit 1 9 3 0 a.o. Professor in Basel, nach Deutschland anstand, erhielt Seeberg die gewünschte Beurteilung: Als Schüler Karl Heims und im Blick auf sein viel gelesenes größeres Werk über „Rechtfertigung und Heiligung", 2 2 auch als Kenner Luthers fachtheologisch kurz charakterisiert, wurde Köberle im Blick auf seine Veröffentlichungen Nähe zur Bekennenden Kirche attestiert. Uber seine kirchenpolitische Einstellung müsse indes Hochschulreferent Mattiat selber Erkundigungen einziehen. Köberle, der bei seiner Schrift „Das Evangelium im Weltanschaungskampf der Gegenwart" 2 3 Schwierigkeiten mit der Zensur hatte, habe sich bei der überarbeiteten 2. Auflage „lobend über die sozialpolitischen Maßnahmen des 3. Reiches ausgesprochen; aber wer täte das nicht." Eine innere Bejahung des nationalsozialistischen Staates wurde vermißt. Köberle tadele den Staat, sofern er heidnischen Tendenzen Vorschub leiste: Das sei an und für sich berechtigt, würde dahinter nicht die Angst vor dem nationalsozialistischen Staat sich verbergen. Daß der Staat, wenn er wirklich Staat sein wolle, immer bestrebt sei, Menschen nach seinem Bild zu formen, werde verkannt. Angesichts der staatlichen Verhältnisse in Deutschland liege darin die Schwierigkeit seiner Berufung nach Deutschland: „Köberle kann nur dazu beitragen, die geistigen Auseinandersetzungen der Gegenwart wie Künneth unfruchtbar zu verschärfen, weil er das positive Anliegen und die neue Fragestellung nicht erkennt." Seine Berufung galt aber als möglich, wenn es gelinge, im Gegenzug einen staatsloyalen Deutschen an seiner Stelle nach Basel berufen zu lassen. 24 Adolf Köberle ist schließlich Frühjahr 1 9 3 9 als Nachfolger seines Lehrers Karl Heim als Professor für systematische Theologie nach Tübingen berufen worden. 2 5 Die Beurteilung Hans von Campenhausens skizzierte seinen wissenschaftlichen Werdegang als Privatdozent in Marburg 1928, Göttingen 1930, seine Lehrstuhlvertretung 1 9 3 5 in Gießen, bedingt durch Born21.

Julius Wagenmann (gefallen 1 9 4 4 ) wurde 1 9 3 7 a.o. Professor in Kiel, 1 9 4 0 in Rostock. Die Gießener Kirchengeschichtsprofessur erhielt 1 9 3 7 Dozent Erich Vogelsang aus Königsberg (gefallen 1944).

22. 23. 24. 25.

Erschienen Leipzig 1 9 2 9 ; 3. Aufl. 1 9 3 0 . Furche-Verlag Berlin 1 9 3 5 ; 2. überarb. Aufl. 1 9 3 6 . BA Koblenz, NL 2 4 8 / 2 2 , Bl. 53 f. Junge Kirche 7 (1939), S. 2 9 5 .

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kamms Berufung nach Leipzig. Wie Hans von Campenhausen im Wintersemester 1 9 3 5 / 3 6 zur Vertretung nach Kiel gekommen sei, war Meinhold nicht ganz durchsichtig. Campenhausens wissenschaftliche Leistungen wurden aufgezeigt, so insbesondere sein 1 9 2 9 erschienenes Buch über „Ambrosius von Mailand als Kirchenpolitiker". Starke archäologische Interessen ließen seine Verwendung auf einem archäologischen Lehrstuhl erwägenswert erscheinen. Seine „Bindungen an die Bekenntniskirche und seine von daher kommenden politischen Ressentiments" galten als „ b e k a n n t " . 2 6 Campenhausens Berufung nach Heidelberg kam 1 9 3 7 nicht mehr zustande. Vielmehr wurde der Seebergschüler Günter Moldaenke (damals Privatdozent in Königsberg) mit der Lehrstuhlvertretung in Heidelberg beauftragt und später zum Dozenten neuer Ordnung ernannt, also ins Beamtenverhältnis übernommen, während der kirchengeschichtliche Lehrstuhl im Dritten Reich nicht wieder besetzt wurde. 2 7 Hans von Campenhausen konnte erst nach 1 9 4 5 in die neugebildete Fakultät berufen werden, die in einem Akt der „Selbstreinigung" durch NS-Parteimitgliedschaft oder sonst politisch belastete Hochschullehrer aus ihrem früheren Bestand nicht wieder in ihre Amter zurückholte. 2 8 Im Blick auf die Zukunft der theologischen Fakultäten wußte auch Prof. Emanuel Hirsch (Göttingen) den durch Kontakte zum Reichswissenschaftsministerium in Berlin möglichen Einfluß Erich Seebergs zu schätzen: 2 9 er möge seine Schlüsselstellung in Berlin nutzen, um die theologischen Fakultäten in ihrem staatlichen Charakter zu erhalten, hatte er ihm am 9. Dezember 1 9 3 4 geschrieben. Hirsch wies dabei auf verschiedene Konzeptionen der NS-Kirchenpolitik hin: eine mehr oder weniger radikale Trennung der Kirche, wie sie der Führung der NSDAP vorschwebe, eine „Lösung Frick" und schließlich eine „staatskirchliche Lösung R u s t " . Hirsch sprach sich für die begrenzte Trennung von Kirche und Staat aus, wie er sie hinter Plänen des Reichsinnenministeriums vermutete. Die „staatskirchliche L ö s u n g " , die das preußische Kultusministerium - offenbar noch unter dem Einfluß von Ministerialdirektor August Jäger - zu begünstigen schien, der 1 9 3 4 als „Rechtswalter der Deutschen Evangelischen Kirche" eine massive Gleichschaltungspolitik betrieb, allerdings Herbst 1 9 3 4 aus seinen Ämtern ausschied, dürfte bei Hitler 26. 27. 28. 29.

BA Koblenz, N L 2 4 8 / 2 2 , S. 5 4 . Vgl. Adolf Martin Ritter, Heidelberger Kirchenhistoriker, S. 1 6 9 - 1 8 0 , bes. 1 7 7 ; Leonore Siegele-Wenschkewitz, „Bollwerk gegen Basel", S. 5 3 2 . Leonore Siegele-Wenschkewitz, „Bollwerk gegen Basel", S. 5 3 9 f. BA Koblenz, N L 2 4 8 / 9 7 Bl. 5 f.

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kaum mehr Realisierungschancen haben, obwohl vielleicht Göring dahinter stehe. Solche Vermutungen und Überlegungen im Blick auf den kirchenpolitischen Kurs des NS-Staates und seine möglichen hochschulpolitischen Auswirkungen auf die theologischen Fakultäten waren damals verbreitet und beschäftigten auch den Seeberg-Kreis. Tatsächlich hatte Hitler Ende Oktober 1 9 3 4 das Eingliederungswerk der Landeskirchen in die Reichskirche auch infolge ökumenischer Proteste als außenpolitisch störend fallengelassen. Doch gingen um die Jahreswende 1 9 3 4 / 3 5 neben Drohungen, Staat und Kirche radikal zu trennen, Gerüchte um, Göring trete für die Wiederbelebung des staatlichen Summepiskopats ein. Hirsch empfahl angesichts dieser undurchsichtigen und ungeklärten kirchenpolitischen Situation 1 9 3 4 / 3 5 eine abwartende Haltung der theologischen Fakultäten. Der Staat dürfe in keine Zwangslage gebracht werden. M a n müsse im Rahmen dessen handeln, was staatlich entschieden sei. Im übrigen solle man fakultätspolitisch durchaus aktiv werden, so etwa durch entsprechende Steuerung der Berufungspolitik. Die Kollegen an den theologischen Fakultäten sollten, sofern sie nicht bei der bekenntniskirchlichen Opposition stünden, Mann für Mann zur Neutralität herübergezogen werden. Hirsch, der zwar keine grundsätzlichen Bedenken gegen Prof. Hans Schmidt, den Vorsitzenden des Evangelischen Fakultätentages, hatte, wollte in erster Linie für die Übertragung des Vorsitzes an Erich Seeberg beim Kultusministerium einwirken und sich erst in zweiter Linie für einen Verbleib von Hans Schmidt im Vorsitz des Fakultätentages verwenden. Im übrigen: Wer dem Ausland gegenüber als Führer der deutschen theologischen Fakultäten herausgestellt werde, müsse eine große wissenschaftliche Produktion aufweisen können. 3 0 Die Dominanz der Fakultätenfrage auch bei notwendigen kirchenpolitischen Aktivitäten zeigte sich auch hier: Hirsch vertrat den Standpunkt, es komme darauf an, „daß man unabhängig von der Kirchenfrage die Fakultäten als Staatsinstitute sicherstellt". Dem Kultusminister Rust müsse klargemacht werden, „daß er die im preußischen Kirchenvertrag vorgesehene Befragung der Kirche bei der Berufung der Professoren nicht mehr vornehme ( . . . ) . Auf diese Weise sind wir den Einfluß der Bekenntniskirche auf die Professoren los, und retten eine unabhängige theologische Wissenschaft." 3 1 . Die Neutralität der Fakultäten und ihr „In-Reserve-Bleiben" bis „zum wirklichen Neuaufbau nach dem Kirchenstreit" sei auch sein ur30.

BA Koblenz, N L 2 4 8 / 9 7 Bl. 3.

31.

BA Koblenz, N L 2 4 8 / 9 7 Bl. 9.

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sprüngliches Ziel gewesen, meinte Seeberg gegenüber Hirsch a m

13.

Dezember 1 9 3 4 . Er halte es für unwahrscheinlich, d a ß Reichswissenschaftsminister Rust der bekenntniskirchlich orientierten 1. Vorläufigen Kirchenleitung der Deutschen Evangelischen Kirche, die a m 2 2 . N o v e m ber 1 9 3 4 unter Landesbischof M a r a h r e n s konstitutiert worden war, das Plazet erteilen werde. D o c h werde ministeriellerseits die Staatsgefährlichkeit der Bekenntnissynode auch bestritten. Andererseits würde sicher Reichsbischof Müller keine weitere kultusministerielle Stützung erfahren. Im übrigen wollte Seeberg in den nächsten Tagen „mit einem M a n n von H e ß " aus der Reichsparteileitung zusammen sein und hoffte vielleicht Entscheidendes zu erfahren: „Ich bin auch Ihrer Ansicht, d a ß wir uns jetzt aus der Kirchenpolitik heraushalten müssen, es sei denn, d a ß wir direkt herausgefordert w e r d e n " , pflichtete er Hirsch bei. 3 2 Seebergs enger K o n t a k t zu dem a m 1. M a i 1 9 3 4 gegründeten und mit dem preußische Kultusministerium verbundenen

Reichswissenschafts-

ministerium w a r für die fakultätspolitischen Ambitionen des SeebergKreises auch künftig durchaus belangvoll. So trug Seebergs Unterredung mit dem Reichswissenschaftsminister Rust am 7. Dezember 1 9 3 4 dazu bei, den Herbst 1 9 3 4 vorgesehenen Fakultätentag ministeriell verhindern zu lassen 3 3 . Hirsch, der gleiche Ziele verfolgte, hatte dem Vorsitzenden des Fakultätentages H a n s Schmidt a m 1 2 . N o v e m b e r 1 9 3 4 brieflich den R a t gegeben: Einrichtungen, die man durch die gegenwärtige schwierige Lage hindurchretten wolle, müsse man „auf Eis l e g e n " . 3 4 Hirsch hatte an Seeberg geschrieben, H a n s Schmidt sei ein „bewußter S e l b s t m ö r d e r " , wenn er den Fakultätentag lieber in die H ä n d e der Bekenntnisfront gleiten lassen, als noch länger das O d i u m ertragen wolle, ihn gegen den Willen der großen Mehrheit der Fakultätskollegen zu führen. 3 5

Auch

der Dekan der Theologischen Fakultät in M ü n s t e r , Prof. Friedrich Wilhelm Schmidt, ließ seinen Kollegen Erich Seeberg in einem Schreiben vom 16. N o v e m b e r 1 9 3 4 wissen, zunächst müßten die „reichskirchl i c h " eingestellten Kollegen zu einem „schlagkräftigen C o r p s " versammelt werden. Und Seeberg seinerseits teilte den damals als Dekane fungierenden stärker deutschchristlich orientierten Kollegen Friedrich Wilhelm Schmidt (Münster), R o b e r t J e l k e (Heidelberg), Helmut Lother (Breslau) und Emil Pfennigsdorf (Bonn) a m 2 6 . N o v e m b e r 1 9 3 4 mit: es sei nicht 32. 33. 34. 35.

BA BA BA BA

Koblenz, Koblenz, Koblenz, Koblenz,

NL NL NL NL

248/97, 248/97 248/97, 248/97,

Bl. 4. Bl. 4 8 . Bl. 1 f. Bl. 9.

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möglich, „den alten, aus der alten demokratischen Zeit stammenden Fakultätentag zu besuchen". M a n wirke sonst den eigenen fakultätspolitischen Zielen entgegen. Auch Lother selbst hielt es für besser, wenn der Fakultätentag vom Minister einfach untersagt werde, bis diese Institution als Dekanstag auf eine neue Grundlage gestellt sei. Ahnlich hatte Pfennigsdorf an Hans Schmidt geschrieben: auf einem regelrechten Fakultätentag würde er nicht erscheinen, da dort Beschlüsse möglich seien, die er als Dekan nicht mit vertreten könne 3 6 . Der für Mitte Dezember 1 9 3 4 vorgesehene Fakultätentag wurde kurz zuvor vom Minister verboten. Gleichzeitig legte das Reichswissenschaftsministerium neue Satzungen vor, die dem Fakultätentag stärker den Charakter einer Dekanskonferenz gaben 3 7 . Als es im Winter 1 9 3 4 / 3 5 zu einer als theologiepolitisch wirksam gedachten Aktion des Kreises um Erich Seeberg kam, legte er am 13. Dezember 1 9 3 4 auch dem ihm bekannten General der Infanterie v. Ciaer in Berlin (Landshuter Str. 30) den Entwurf der Erklärung vor. Herr v. Ciaer hielt lediglich die Denkschrift gegenüber der Bekennenden Kirche für etwas zu kritisch akzentuiert, da auch sie doch staatspolitisch loyal sein wolle und nur den religiösen Totalitätsanspruch der Deutschen Christen ablehne. Zur Neuordnung der evangelischen Kirche und Uberwindung der gegenwärtigen Spannungen, die zur Krise der Reichskirchenregierung und der Stellung des Reichsbischofs Müller führten, sei allerdings ein Machtwort Hitlers unverzichtbar: Der Führer müsse vor die Frage gestellt werden, „ob er an der christlichen Unterbauung des Staates" festhalten wolle, was ja im staatsmännischen Interesse liege und der Konsolidierung der Dritten Reiches nur dienlich sein könne. Eine radikale Trennung von Kirche und Staat hingegen, auf die manche Politiker damals drohend hinwiesen, werde zum Ruin der evangelischen Kirche zugunsten der katholischen Kirche führen, deren Stärkung nicht im staatliches Interesse liege. 38 Für die Unübersichtlichkeit der kirchenpolitischen Situation, in der Seeberg seine Aktion startete, war seine Antwort an General v. Ciaer charakteristisch: in der Partei gebe es keine einheitliche Meinung in der Kirchenfrage. Falls Hitler und Goebbels für eine radikale Trennung von Kirche und Staat optierten, würde dies dann wohl auch den Verlust des staatlichen Charakters der theologischen Fakultäten bedeuten. Das an36. 37. 38.

BA Koblenz, N L 2 4 8 / 9 7 Bl. 4 0 - 4 7 . BA Koblenz, N L 2 4 8 / 9 7 , Bl. 4 8 . BA Koblenz, N L 2 4 8 / 9 7 , Bl. 8 6 - 8 8 .

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dere E x t r e m liege im Reichswissenschaftsministerium. Minister Rust, der noch eine Staatskirche im alten nationalsozialistischen Sinn wolle, suche nach einem „ D i k t a t o r " , der die Kirche zu einigen imstande sei. Dabei könne natürlich auch Reichsbischof Ludwig Müller fallen. N a c h Seeberg k a m es darauf an, den rechten Flügel der Bekenntniskirche abzusprengen, die große M a s s e der Unentschlossenen auf beiden Fronten zu einigen und so den Kirchenstreit aus dem praktischen ins theologische Gebiet hinüberzuspielen. Auf dieser Linie m o c h t e wohl auch der Vortrag über den „theologischen und historischen Sinn des Kirchenstreites" liegen, den Seeberg a m 2 1 . J a n u a r 1 9 3 5 auf einem Presseempfang des Reichsbischofs M ü l l e r in Berlin hielt. 3 9 Ein dritter Weg - meinte Seeberg zu v. Ciaer - würde von Frick im Reichsinnenministerium erwogen: T r e n n u n g , aber so wie 1 9 1 8 - 1 9 3 2 . Der Staat würde dann der Kirche Geld in F o r m von Staatsleistungen gewähren, aber die „jura circa s a c r a " , also die kirchlichen Hoheitsrechte des Staates, strenger ausüben als in der Weimarer Zeit. Die theologischen Fakultäten würden unter eindeutiger Betonung ihres staatlichen Charakters erhalten bleiben. Freilich müßten sie ebenso gereinigt werden, wie es die ganze Bekenntniskirche auf ihre politische Gesinnung hin zu überprüfen gelte. Dieser Fricksche Weg würde wohl den Sieg behalten. Seeberg meinte: der Reichsbischof müsse dann zurücktreten, die Deutschen Christen müßten sich ein anderes P r o g r a m m geben. Für ihn selbst gelte jetzt das „Ceterum c e n s e o " : mehr zu schweigen als zu handeln und nur darauf zu achten, d a ß die theologischen Fakultäten als Staatsanstalten erhalten blieben. Die im Herbst 1 9 3 4 von Erich Seeberg entworfene Erklärung, letztlich auf Beibehaltung enger Verbindung von Kirche und Staat und ungestörte Weiterexistenz der theologischen Fakultäten ausgerichtet, hat in theologischen und kirchlichen Kreisen erhebliches Aufsehen erregt. Sie trug seine und die Unterschrift eines Dutzends seiner Kollegen und Schüler. Die Erklärung hatten außer ihm noch unterzeichnet: Ernst Benz (Marburg), Karl Fritz Euler (Gießen), Erhard Peschke (Breslau), Peter M e i n h o l d (Kiel), R o b e r t Winkler (Breslau), R o b e r t Jelke (Heidelberg), Fritz Fischer (noch T h e o l . Fakultät Berlin), M a r t i n Redeker (noch M ü n s t e r , später Kiel), Walter Birnbaum (Berlin, später Göttingen), Heinz Erich Eisenhuth (damals Leipzig, später J e n a ) , Julius W a g e n m a n n , Hartmut Schmökel (Breslau). Auch Seebergs Vater, der Systematiker und Senior der Berliner Fakultät Prof. Reinhold Seeberg, seit 1 9 2 7 emeritiert, 39.

Junge Kirche 3 ( 1 9 3 5 ) , S. 1 8 3 .

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war namentlich aufgeführt. Mitunterzeichner war auch Emanuel Hirsch (Göttingen). In der Erklärung hieß es: 40 „Wir deutschen evangelischen TheologieProfessoren bitten den Führer und Reichskanzler die von Martin Luther geschaffene Verbindung der deutschen evangelischen Kirche mit dem Staat zu wahren. Im Sinne des deutschen Aufbruchs bekennen wir uns zu der schicksalhaften Zusammengehörigkeit des deutschen evangelischen Kirchentums mit der nationalsozialistischen Bewegung." Das Bekenntnis zur Reichskirche, als sachgemäße Form evangelischen Engagements im Dritten Reich verstanden, wurde hervorgehoben, indem man sich überzeugt gab, „daß nur eine solche Kirchenregierung fruchtbar arbeiten und das Kirchenvolk einigen kann, der der Führer und Reichskanzler sein Vertrauen schenkt und mit der die Reichsstellen zusammenzuarbeiten bereit sind". So resümierte man: „Die evangelische Kirche kann außerdem nur in enger Verbindung mit dem Führer ihm die Kräfte zur Verfügung stellen, die er im Kampf gegen die dem Dritten Reich widerstrebenden Mächte braucht. Wenn die evangelische Kirche in vom Staat gesonderte Sekten und Gemeinschaften zerfiele, würden diese leicht der Gefahr unterliegen, Sammelpunkt für eine dem Dritten Reich abträgliche Gesinnung zu werden und der politischen O r d n u n g das religiöse Gewissen zu entfremden." 4 1 Die staatlichen theologischen Fakultäten galten in dieser vom Kreis um Erich Seeberg inititierten Aktion als „sichere Bürgschaft für eine lebendige Verbindung von kirchlichem, wissenschaftlichem und staatlichem Leben". 4 2 Reichsbischof Müller, der die auch ihm mit entsprechendem Begleitschreiben zugegangene Erklärung in seinem „Wort an die Gemeinden und Pfarrer" vom 8. November 1934 aufgriff und auszugsweise zitierte, benutzte sie angesichts der seinen Rücktritt fordenden bekenntniskirchlichen Proteste, an denen sich leider auch „eine große Zahl von Professoren der Theologie" beteiligt hätten, als Gegenargumentation. Angesichts der die Reichskirchenregierung bedrängenden Kampagne sei er um so dankbarer, „daß eine kleine Schar von Professoren der Theologie" mit ihrem Schreiben an den Führer den Blick von Personen

40. 41. 42.

Evangelium im Dritten Reich 3 (1934), S. 561; Wiedergabe auch bei: Kurt Dietrich Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 2, Nr. 74 (S. 170). Vgl. BA Koblenz, N L 248/97, Bl. 77 (Text der Erklärung), vgl. Bl. 103. 116 f. (Konzept der „Bitte an den Führer" und näherer Hergang). BA Koblenz, NL 2 4 8 / 9 7 , Bl. 77.

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weg auf die entscheidende N o t und Aufgabe der gegenwärtigen Stunde gerichtet habe. 4 3 An diese letztlich die Reichskirchenregierung unterstützenden „Bitte an den Führer" erinnerte Hirsch später in einem Brief an Erich Seeberg, in dem er ihn bat, dem Reichswissenschaftsministerium klarzumachen, daß die Befragung der Kirchenbehörde bei Berufungen von theologischen Hochschullehrern abgeschafft werden müßte. Es gäbe jetzt nur noch eine Alternative: „entweder kirchliche Seminarprofessoren oder aber von jeder kirchlichen Einflußnahme unabhängige Universitätslehrer". Ein solcher Schreckschuß an die Kirche würde zeigen, daß der Staat die Trennung von Staat und Kirche ernstnehme. Seeberg müsse handeln; denn bei einem Sieg der bekenntniskirchlichen Vorläufigen Kirchenleitung unter Bischof Marahrens oder Präses Koch höre Seeberg auf, Dekan zu sein: „Uns 14, die wir damals die Bitte an den Führer unterschrieben haben, wird kein Pardon gegeben. M a n kann uns nicht absetzen, aber man wird uns kirchlich diffamieren." 4 4 Eine letzte Beratung zur Verabschiedung der als „Bitte an den Führer" stilisierten Erklärung war am 3. November 1934 in Seebergs Wohnung angesetzt gewesen. Die Erklärung wurde mit Begleitschreiben, das zugleich um einen Empfang von Prof. Reinhold Seeberg als dem Senior der Berliner Fakultät ersuchte, der Reichskanzlei eingereicht. Doch Staatssekretär Hans-Heinrich Lammers antwortete am 18. November 1934, Hitler habe sich entschlossen, vorerst in Angelegenheiten der evangelischen Kirche Vorträge aus beteiligten Kreisen nicht entgegenzunehmen. Deshalb sei auch ein Empfang Reinhold Seebergs nicht möglich. 45 Die Erklärung des Theologenkreises um Erich Seeberg war übrigens auch an die Reichsminister Frick und Rust gesandt worden, ebenso an Reichsbischof Ludwig Müller, der gleichzeitig gebeten wurde, sich weiterhin für die Einigung der Deutschen Evangelischen Kirche einzusetzen. Fakultäts-und richtungspolitisch konnte Seeberg durch seine Beratungskontakte, die er - begünstigt durch die räumliche Nähe zum Reichswissenschaftsministerium in Berlin - engagiert wahrnahm, seinen Vorstellungen einen gewissen Nachdruck verschaffen. Kirchenrat Eugen Mattiat, ehemals hannoverscher DC-Pfarrer aus Kerstlingerode, der als Refe43.

44. 45.

Gesetzblatt der DEK, Nr. 66, S. 2 1 1 - 2 1 3 (9. November 1934): „Wort des Reichsbischofs an die Gemeinden und Pfarrer" vom 8. November 1934. Darin wird aus der Erklärung theologischer Hochschullehrer zitiert. BA Koblenz, NL 248/97, Bl. 9 f. BA Koblenz, NL 248/97, Bl. 95.

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rent für die theologischen Fakultäten im Reichswissenschaftsministerium zuständig war und 1 9 3 5 durch Berufung auf eine praktisch-theologische Professur in Berlin den Professorentitel erhielt, hat verschiedentlich auch die Unterstützung Seebergs in Fragen der Fakultätspolitik gesucht. So hatte er Seeberg am 12. Dezember 1 9 3 4 darum gebeten, den Text eines Erlasses zu entwerfen, der die strikte Zurückhaltung der Theologieprofessoren im Kirchenstreit zum Ziel hatte. Es handelt sich um den Erlaß des Reichswissenschaftsministers vom 2 8 . Februar 1 9 3 5 , der den theologischen Hochschullehrern kirchenpolitische Äußerungen im Kirchenstreit untersagte. 4 6 Was Seeberg Anfang 1 9 3 4 - wie sein Gespräch mit Jäger zeigt - als lästig und hinderlich für ein kirchenpolitisches Engagement der Universitätstheologie empfand, hat er jetzt angesichts der veränderten Situation akzeptiert. Seebergs Maxime, die Fakultäten nicht über Gebühr in den aussichtslosen Kirchenstreit verwickeln zu lassen, machte sich auch hier geltend. Mitte Juni 1 9 3 5 erhielt Erich Seeberg von Ernst Benz, der inzwischen in Marburg mit der Vertretung des kirchengeschichtlichen Lehrstuhls beauftragt und im gleichen Jahr zum Professor ernannt wurde, die Hochschulbeschlüsse der Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche zugesandt, die am 4 . bis 6. Juni 1 9 3 5 in Augsburg getagt hatte. M a n müsse sich fragen, ob „die Dummheit oder Frechheit größer" sei: es werde nicht nur mit dem Boykott der Professoren, die keine Bekenner seien, sondern auch mit der Einrichtung von kirchlichen Ersatzvorlesungen gedroht, schrieb Benz. 4 7 Gegebenenfalls verlören die staatlichen theologischen Fakultäten ihre bisherige Bedeutung für die Kirche. Das bedeute nichts anderes, „als den Kirchenkampf bis zu einer prinzipiellen und radikalen Spaltung und bis in den Bezirk der Universitäten hineinzutragen". Derselbe Staat, dessen Institutionen man aufspalte, werde inständig gebeten, keine Kluft zwischen Kirche und Volksgemeinschaft aufreißen zu lassen. Dabei würde diese Kluft ex cathedra von keiner anderen Seite aufgerissen als von den Bekennern selbst. Benz meinte, nachdem der Staat sich für das „praktische Christentum", ein äquivalenter Ausdruck für das „positive Christentum" des NS-Parteiprogramms, erklärt habe, sei es doch erste Pflicht für die Kirche, in ihrer spezifischen Art möglichst mitzuarbeiten. M a n dürfe nicht „pseudodogmatischer Angelegenheiten wegen" die Kirche von der Arbeit an der gesamten Öffentlichkeit ausschließen und noch dazu den Staat beschuldigen, er sei es, 46. 47.

Wortlaut bei Gauger, Chronik, Bd. 2, S. 4 6 2 . 4 6 4 . BA Koblenz, N L 2 4 8 / 9 2 , Bl. 2 0 1 - 2 0 3 . (Begleitschreiben Emst Benz, S. 2 0 2 . )

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der die Kluft aufreiße, eine Haltung, wie Benz sie an der Bekenntnisfront mit kritisch-aversivem Unbehagen wahrnahm. Benz beklagte es damals auch, daß seine Marburger Kollegen Rudolf Bultmann und Hans von Soden durch ihr bekenntniskirchliches Engagement dazu beitrügen, daß die theologischen Fakultäten überhaupt als lästiges Element der Unruhe an den Universitäten empfunden würden: sie wollten wohl im Jahre 2 0 0 0 in einer Geschichte des 2 0 . Jahrhunderts in einer Anmerkung erwähnt werden, hieß es spöttisch. Benz teilte auch mit: 4 8 In Marburg schlage der Streit um das theologische Examen Wellen, weil die Professoren Bultmann und von Soden sich gegen den vorgeschlagenen Kompromiß wehrten, an die Stelle des Vorsitzes von Bischof Lie. Dr. Dietrich den Dekan der Theologischen Fakultät treten zu lassen und die Prüfung als Fakultätsexamen abzuhalten. Doch - so der Rektor der Universität, der sich ministeriellen Rat in Berlin holen wollte - Bultmann und Soden seien im Ausland als Gelehrte zu bekannt, um gegen sie vorzugehen. Die Entfernung beider von der Universität könnte den völligen Ruin der deutsch-englischen Verhandlungen heraufbeschwören. Hier war an das deutsch-britische Flottenabkommen gedacht, das am 18. Juni 1935 abgeschlossen wurde und das auch sonst gewisse staatliche Zugeständnisse in der Kirchenfrage nahelegte. Die drastische Beurteilung, die Benz der Augsburger Bekenntnissynode zuteil werden ließ, entsprach einer in der damaligen Situation befürchteten Boykottwirkung auf die theologischen Fakultäten. Auch sonst sahen sich die Hochschulbeschlüsse der BK-Synode Kritik ausgesetzt. Ahnlich wie die Königsberger Theologen Dekan Hans Koch, Erich Vogelsang und Carl Schneider vermißte auch Prof. Hans Michael Müller in Anbetracht der bekannten fundamentalen theologischen Gegensätze innerhalb der die Augsburger Synode tragenden theologisch-kirchlichakademischen Kreise eine „theologisch verbindliche Eindeutigkeit". 4 9 Doch waren Zweck und Notwendigkeit der Augsburger Hochschulbeschlüsse durch den westfälischen Präses Karl Koch (Bad Oeynhausen), der sie gedruckt an die Hochschullehrer übersandte, konzilianter gedeutet. Ebenso trat Hans v. Soden für eine maßvolle Interpretation der Augsburger Hochschulbeschlüsse ein. 5 0 Eingriffe in die tradierte akademische Lehrfreiheit lägen der Bekenntnissynode fern; sie sei vielmehr der Meinung, daß der Kampf der Bekennenden Kirche um echte Frei48. 49. 50.

Ebd. Hans Michael Müller an Johannes Witte, BA Koblenz, N L 2 4 8 / 9 2 , Bl. 2 0 4 . Vgl. Erich Dinkler/Erika Dinkler-von Schubert, Theologie, S. 153 f.

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des

Seeberg-Kreises

heit und Reinheit der Verkündigung notwendig auch der akademischen Lehr- und Lernfreiheit zugutekomme, wie sie in der Heiligen Schrift bekundet und begrenzt werde. Die Bekennende Kirche wisse sich eins mit allen Mitgliedern der theologischen Fakultäten, die entschlossen seien, im gegenwärtigen Ringen der Kirche das pflichtmäßige Recht einer reinen theologisch begründeten Entscheidung unverkürzt zu wahren. Die Bekenntnissynode stehe dabei in voller Loyalität zur NS-Staatsmacht, wie auch ihr Obrigkeitswort 51 zeige. Ein Schreiben, das Peter Meinhold, damals noch Privatdozent, später Professor in Kiel, am 4. Oktober 1935 an Seeberg richtete, der im Urlaub weilte, zeigt den engen Kontakt des Seeberg-Kreises auch zum Reichskirchenministerium 52 . Der dortige Referent Arthur v. Bochmann ließ Meinhold wissen, der Stellvertreter des Führers habe eben angeordnet, ihm alle Personalentscheidungen der Ministerien zur Begutachtung vorzulegen. Es handelte sich um die Verfügung, durch die die Reichsparteileitung der NSDAP (Stellvertreter des Führers) alle Personalentscheidungen zur zentralen parteiamtlichen Kontrolle an sich zog. 53 Für das Reichskirchenministerium bedeute diese Maßnahme eine Bindung an München; das Reichswissenschaftsministerium sehe sich an die Münchener Hochschulabteilung des „Braunen Hauses" gewiesen. Bochmann, der früher selbst Hochschulfragen im „Braunen Haus" in München bearbeitet hatte, war der Meinung, die jetzigen beiden Referenten im Stab des Stellvertreter des Führers verfügten nicht über zureichende Personalkenntnis und seien auf Informationen Dritter angewiesen. Meinhold empfahl daher, Erich Seeberg möge schnell nach München reisen, um dort entsprechende Aufklärung zu schaffen und gleichzeitig Einfluß auf fakultätspolitische Fragen zu gewinnen. Dabei könnten gleichzeitig die schädlichen Gerüchte über Seeberg zerstreut werden, die sich aus den zerstrittenen Berliner Fakultätsverhältnissen ergaben. Auch Forschungspläne der Notgemeinschaft der Wissenschaft könnten dort unterstützt werden. Studienrat Wilhelm Rehm, der neue Reichsleiter der Deutschen Christen, sei kürzlich in München gewesen; man habe ihm seitens der NS-Reichsparteileitung zugesichert, daß bei der bevorstehenden Lösung der Kirchenfrage auch die Deutschen Christen ein Wort mitspre-

51. 52. 53.

Wilhelm Niemöller, Dritte Bekenntnissynode, S. 59. BA Koblenz, NL 248/92, Bl. 166-172 (Zitate). Erlaß vom 24. September 1935 über Beteiligung des Stellvertreter des Führers bei der Ernennung von Beamten. In: RGBl I (1935), S. 1203.

Fakultätspolitische Ambitionen des Seeberg-Kreises

331

chen würden. Eine nicht ganz wirkungsvolle Denkschrift für den Führer liege dort vor. Peter M e i n h o l d hatte allerdings übertriebene H o f f n u n g , wenn er a m 1 1 . O k t o b e r 1 9 3 5 erneut schrieb, Seebergs Entscheidung, K o n t a k t mit der Hochschulabteilung des „Braunen H a u s e s " in M ü n c h e n aufzunehmen, werde „auch für das künftige Gesicht der theol. Fakultäten und vielleicht auch für die gesamtkirchliche Lage von Bedeutung s e i n " . Bochmann hatte ihm übrigens auch über die geplante Kirchenausschußpolitik erzählt: für die Reichskirche und verschiedene Landeskirchen sei ein Direktorium vorgesehen.

Es handelte sich dabei

um die

Einsetzung

von Kirchenausschüssen durch den Reichskirchenminister Kerrl, die als Treuhändergremien für eine Ubergangszeit von zwei J a h r e n vorgesehen waren. Für den Reichskirchenausschuß sei Pastor Friedrich von Bodelschwingh in Aussicht g e n o m m e n , der aber nicht mehr in Frage k o m m e , da er zur Zeit schwer erkrankt sei. Vorsitzender des Reichskirchenausschusses wurde vielmehr der frühere westfälische Generalsuperintendent Wilhelm Zoellner. M a n denke auch an Landesbischof Ludwig Diehl (Speyer), der aber bei der Reichsparteileitung in M ü n c h e n , o b w o h l Parteigenosse, als nicht geeignet für diesen Posten gelte. Diehl wurde nur Mitglied im Reichskirchenausschuß. 5 4 M e i n h o l d hatte bei diesem Gespräch auch erfahren, der anglikanische Bischof Bell von Chichester sei bei Kerrl gewesen und habe Zusagen für Pastor Friedrich v. Bodelschwingh erhalten. Demgegenüber seien die „Häupter der R e i c h s k i r c h e " , Ludwig Müller und andere, praktisch „ t o t " . Ihre Vorsprachen bei Staatsstellen wären nur noch Höflichkeitsbesuche, berichtete M e i n h o l d und empfahl, Seeberg solle sich aus den Kontroversen in der Berliner Theologischen Fakultät heraushalten; auch a m Streit zwischen Prof. J o h a n n e s Witte mit dem Edda-Ubersetzer und Herausgeber der „Nordischen S t i m m e n " Prof. Bernhard K u m m e r , der indes selbst durch das „ A h n e n e r b e " 5 5 Himmlers angefeindet sei, möge Seeberg sich nicht beteiligen. Es sei fakultätspolitisch effektiver, wenn Seeberg vielmehr „die B o m b e in M ü n c h e n platzen" lasse. W i r k s a m e Kontakte Seebergs zur Reichsparteileitung der N S D A P in M ü n c h e n könnten manches bewirken: die jetzt anlaufende personalpolitisch stärkere Einflußnahme des „Braunen H a u s e s " auf die Ministerialbürokratie würde 54.

Z u Landesbischof Diehls Verhältnis zur Heidelberger Theologischen

Fa-

kultät vgl. H a n s L. Reichrath, Ludwig Diehl, S. 1 3 2 - 1 3 4 . 55.

Näheres zu dieser ideologischen Forschungseinrichtung des Reichsführers SS Heinrich H i m m l e r bei Michael H . Kater, Ahnenerbe.

332

Fakultätspolitische

Ambitionen

des

Seeberg-Kreises

möglicherweise die Chancen für den Seeberg-Kreis verbessern, sofern entsprechender Kontakt zur Hochschulabteilung der NSDAP in München gesichert sei. Prof. Martin Redeker, dem auch sonst das kirchenpolitische Kalkül für fakultätspolitische Überlegungen wichtig war, teilte Anfang Oktober 1935 mit, Seebergs Name werde bei dem geplanten Reichskirchendirektorium genannt; es käme deshalb darauf an, sich rasch von Kerrl empfangen zu lassen. Dem Kirchenministerium gegenüber müsse man „zäh wie Peitschenleder" sein. Nachdrückliches Insistieren sei hier angezeigt. 56 Im engsten Umkreis um Erich Seeberg hat man sich im Herbst 1935 vom Auftakt zur Kirchenausschußpolitik Kerrls Chancen für das Mitwirken von Universitätstheologen versprochen. Abgesehen davon, daß Seeberg auf der theologischen Tagung der Reichsbewegung Deutsche Christen vom 2 1 . bis 23. Oktober 1 9 3 5 in Wittenberg neben Prof. Theodor Odenwald (Heidelberg) und Dozent Lie. Dr. Erich Eisenhuth (Leipzig, später Jena) sowie verschiedenen kirchlichen Exponenten als Redner vorgesehen war, versuchte Erich Seeberg jetzt fakultätspolitisch erneut hervorzutreten. An eben diesem 2 3 . Oktober 1 9 3 5 verstarb Erich Seebergs Vater Reinhold Seeberg, der seit 1 9 2 7 emeritierte langjährige Systematiker der Berliner Fakultät, in seinem Urlaubsdomizil Ahrenshoop. Parallel zu den Bemühungen des von Kerrl eingesetzten Reichskirchenausschusses hat sich Erich Seeberg mit seinem Schülerkreis und anderen fakultätspolitisch nahestehenden Kollegen mit einem „Wort deutscher Theologen" zur Uberwindung der festgefahrenen kirchenpolitischen Fronten Geltung zu schaffen versucht. Ahnlich wie Herbst 1934 griff er wieder durch ein öffentliches Wort, vornehmlich von Universitätstheologen unterstützt, in die kirchenpolitische Debatte ein, diesmal indes nicht, um des Reichsbischofs Partei zu ergreifen, sondern um für die Kirchenpolitik Kerrls zu plädieren. Zu diesem Zweck hatte er schon des längeren Kontakt zu Emanuel Hirsch in Göttingen aufgenommen und ihm am 17. September 1 9 3 5 geschrieben: er meine zwar, „daß die kirchliche Entwicklung nur autoritär in eine befriedigende Bahn gezwungen werden" könne. Übereinstimmend mit Hirsch hielt er es dann aber doch für richtig, „daß man gegebenenfalls versucht, durch eigene Aktionen eine Grundlage zu schaffen, auf der die autoritären Aktionen fruchtbar werden können".

56.

BA Koblenz, NL 2 4 8 / 9 2 (Martin Redeker an Erich Seeberg, 3. Oktober 1935).

Fakultätspolitische

Ambitionen des Seeberg-Kreises

333

Eine „neue Mittelpartei" zu bilden, beabsichtigte Erich Seeberg nicht, hatte er doch schon bisher alle Versuche, ihn von dieser Seite her zu gewinnen, abgewiesen. Doch schien ihm nun eine „Zusammenkunft von Männern aller Art, vielleicht zuerst in kleinem Kreis, zur Besprechung der Lage wünschenswert". Er dachte dabei nicht nur an Theologen, sondern an Juristen und Studienräte, zumal er ohnehin „auf die Kollegen nicht viel Hoffnungen" setze. Er wollte stärker Laienmitglieder der Mittelgruppen heranziehen. Zuerst sollte über das Problem Reichskirche und Landeskirchen im Blick auf Luthertum, Union und Reformiertentum, dann über den Fortbestand der Bewegung Deutsche Christen und des Pfarrernotbundes gesprochen werden. Dabei schwebte ihm das illusorische Ziel vor, diese beiden konträren Gruppierungen in einer Reichskirche zu verbinden. Berlin brauche nicht unbedingt der Mittelpunkt zu sein, von dem diese Aktion ausginge. Die Bonner Theologische Fakultät, an die Seeberg zunächst dachte, hat sich indes an der geplanten Aktion, die sich jedoch nur auf einen theologischen Aufruf beschränkte, nicht beteiligt. Bei diesem „Wort deutscher Theologen" war der Kreis um Erich Seeberg federführend. So wurden Anfang Dezember 1935 den theologischen Fakultäten Deutschlands Thesen 5 7 vorgelegt, die über den unmittelbar durch die Kirchenausschußpolitik bedingten Anlaß hinaus ausgesprochen theologiepolitisch ausgerichtet waren. Außer Erich Seeberg und Ernst Benz (Marburg) hatten noch Prof. Georg Wobbermin (Berlin), Landesbischof Lie. Dr. Ernst Ludwig Dietrich (Darmstadt), Prof. Robert Winkler (Breslau) und Lie. Konrad Weiß (Berlin), dieser ebenfalls zum Schülerkreis Seebergs gehörig, unterzeichnet. Gegenüber irreführenden Behauptungen, „es gäbe in der evangelischen Kirche lediglich Vertreter der dialektischen oder einer ihr verwandten Theologie", wußte man sich einer modern-positiven Tradition verpflichtet. Dabei wurde auf das theologische Vermächtnis des kürzlich verstorbenen Seniors der Berliner Fakultät, Prof. Reinhold Seeberg, ausdrücklich Bezug genommen. Dieses „Wort deutscher Theologen" wandte sich gegen eine Theologie, „die eine trostlose Zerreißung von Zeit und Ewigkeit verkündet und damit jede aktive christliche Frömmigkeit und Ethik verhindert". Jede innere Katholisierung des Protestantismus, die in der Dominanz einer einzelnen theologischen Richtung sich auswirke, wurde abgelehnt, ebenso jede Calvinisierung des Luthertums, mit deutlichem Affront gegen Unfehlbarkeitsansprüche von Bekenntnissynoden, deren reformiert-barthianische Einflüsse man auch sonst beargwöhnte. 57.

Vgl. zum Folgenden UA Tübingen 1 6 2 / X I V , 6 .

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Fakultätspolitische

Ambitionen

des

Seeberg-Kreises

Die Erklärung distanzierte sich von jeder endgültig normativen Betrachtung der Bekenntnisschriften, ebenfalls von etwa geplanten Lehrzuchtverfahren. Diese von Erich Seeberg inaugurierten Thesen grenzten sich von einer Auffassung des Christentums als einseitiger Buchreligion ab. Sie forderten vielmehr die Betonung des schöpferischen pneumatischen Elements. In Anlehnung an Schleiermacher hieß es: die R e f o r m a t i o n gehe weiter. Sie verlange von uns aktualisierend „nicht Lutherrenaissance, sondern L u t h e r - R e v o l u t i o n " . Bekennen sei „kein ängstliches Festhalten von unverständlich veralteten Formulierungen, sondern lebendiges Zeugnis der Ergriffenheit durch die göttliche Wirklichkeit der G e g e n w a r t " . Die theologische Erziehungsaufgabe fordere die Uberwindung der „dogmatischen Verkalkung und Vergreisung der theologischen J u g e n d " . Der Protestantismus brauche theologisch geschulte Pfarrer und keine Handlanger. Hochschulpolitisch ging es um „die Erhaltung der theologischen Fakultäten als Organe der staatlichen Universitäten"; notwendig sei „eine theologische Wissenschaft, welche die christliche Religion als das fruchtbarste Element im deutschen Geistesleben wie bisher zur Ehre Deutschlands pflegt, formt und weiterbildet". M a n trat „für die gefährliche Freiheit des G l a u b e n s " ein und lehnte „patentierte Schul- und Sektentheolog i e " ab. Die theologische Jugend wurde „zum K a m p f gegen Narkotisierung und Ertötung des einfachen Wahrhaftigkeitssinnes durch theologische S c h l a g w o r t e " aufgerufen. Gegenseitige Verketzerung von evangelischen T h e o l o g e n - hier war auf Irrlehrevorwürfe durch die Bekenntnissynoden gezielt - sei zurückzuweisen. Welche R e s o n a n z diese Thesen an den einzelnen Fakultäten fanden, läßt sich nicht genau bestimmen. N a c h M a r b u r g brachte Ernst Benz die Thesen schon im N o v e m b e r 1 9 3 5 mit. Prof. R u d o l f O t t o verwandte sich bei verschiedenen seiner Kollegen, so bei Prof. T h e o d o r Siegfried dafür. Er sehe in ihnen eine eigenständige C h a n c e für den theologischen Liberalismus, der bisher bei den Deutschen Christen wie auch bei der Bekenntnisfront Anschluß gesucht h a b e . 5 8 Bei vollem Verständnis für einen solchen Vorstoß zugunsten der Universitätstheologie lehnte es jedoch die Bonner Theologische Fakultät unter ihrem D e k a n Prof. Emil Pfennigsdorf a b , die Thesen zu unterzeichnen. Der B o n n e r D e k a n teilte Seeberg am 3 . Dezember 1 9 3 4 mit, in längerer Sitzung habe tags zuvor die Fakultät „wegen der gerade einsetzenden Befriedungsaktion" des Reichsministers Kerrl von der Unterzeichnung 58.

UB Marburg, Nachlaß Theodor Siegfried, MS 870.

Fakultätspolitische Ambitionen des Seeberg-Kreises

335

der Thesen abgesehen. Solche Sätze bedürften langer und eingehender Vorbereitung, um nicht der G e f a h r ausgesetzt zu sein, „Gegenstand einer spöttischen oder zersetzenden K r t i t i k " zu werden und damit mehr Schaden als Nutzen anzurichten. Möglicherweise werde die Fakultät in ihrer besonderen Lage von sich aus eine Kundgebung erlassen. Tatsächlich hat die Bonner Fakultät a m 1. J a n u a r 1 9 3 6 zur „Uberwindung der das Leben der Kirche bedrohenden Gegensätze" eine eigene E r k l ä r u n g 5 9 veröffentlicht, die in ihren vier Punkten stärker dem Aufruf nachempfunden war, den der Reichskirchenausschuß erlassen hatte. 6 0 Die Kundgebung der Bonner Fakultät nahm gleichzeitig auf Artikel 1 der Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche von 1 9 3 3 Bezug. Der A b w e h r der völkisch-deutschgläubigen Bewegung und antichristlicher Tendenzen im NS-System galt der Hinweis: „nicht auf dem Wege der M y s t i k und der heroischen Hoffnungslosigkeit, sondern allein durch eine tiefe Bindung an G o t t als den Herrn des Lebens und der G e s c h i c h t e " werde Erneuerung des deutschen Volkes möglich. Eine „Vergötzung der natürlichen L e b e n s m ä c h t e " wurde abgewiesen. Fakultätspolitisch gezielt war der Passus in den Bonner Thesen: „Wir fordern die Erhaltung unserer staatlichen theologischen Fakultäten, weil sie allein die G e w ä h r einer in die Tiefe und Weite gehenden Auseinandersetzung zwischen Christentum und Geistesleben b i e t e n . " Indirekt wurde die Bekennende Kirche von dem Verdikt betroffen, „durch eine päpstlich sich gebärdende T h e o l o g i e oder durch kirchliches K o m m a n d o den persönlichen K a m p f um den Glauben zu erleichtern oder ersetzen zu w o l l e n " . Vielmehr gelte es, einzutreten für eine „ Z u s a m m e n f a s s u n g in evangelisch-brüderlichem Geist zur Erhaltung und zum Wiederaufbau unserer reformatorischen V o l k s k i r c h e " . Die Erklärung war von den B o n ner Theologieprofessoren A n t o n J i r k u , Ernst Kohlmeyer, Emil Pfennigsdorf, H a n s Wilhelm Schmidt, J o h a n n Wilhelm Schmidt-Japing und Ethelbert Stauffer unterzeichnet. Bei dieser Erklärung Anfang J a n u a r

1936

ging es auch darum, durch Anpassung an den Kurs des Reichskirchenausschusses das durch ministerielle Eingriffe ramponierte Ansehen der B o n n e r Fakultät wieder zu verbessern. Demgegenüber waren die fakultätspolitisch auf Existenzsicherung der theologischen Fakultäten zielenden „ T h e s e n " des Seeberg-Kreises zugleich richtungspolitisch orientiert. Die Animosität gegen Dialektische T h e o l o g i e und Lutherrenaissance als immerhin beachtete, neuere theolo59.

A L K H a n n o v e r S 1 Ε II 1 3 1 .

60.

Kurt Dietrich Schmidt, D o k u m e n t e des Kirchenkampfes II, 1, S. 2 1 .

336

Fakultätspolitische

Ambitionen des Seeberg-Kreises

gische Strömungen und Forschungsrichtungen bestimmte das Profil dieser Thesen, setzte ihnen aber auch Grenzen, was die Wirkung auf die theologischen Fakultäten betraf. Nachdem die einlaufenden Zustimmungserklärungen, über deren Ausmaß nichts Näheres bekannt ist, einen gewissen Abschluß erreicht hatten, wurden die Thesen am 17. Dezember 1 9 3 5 dem Reichswissenschaftsministerium eingereicht und auch an Reichskirchenminister Kerrl übersandt. An beide Ministerien gingen Begleitscheiben, die das Anliegen verdeutlichen sollten. Die Unterzeichner hätten ein klärendes Wort zur heutigen theologischen Lage sagen und auf die Verfälschung der eigentlichen religiösen Situation hinweisen wollen, „wie sie durch die dialektische Theologie und die durch sie bestimmte sektenhafte Haltung eines Teils der kirchlichen Gruppen geschaffen worden ist". Gleichzeitig seien Grundsätze zur Uberwindung der Verfälschung der Lage ausgesprochen worden. Es handele sich nicht um Erneuerung einer alten kirchenpolitischen Front, sondern um Besinnung auf die gegenwärtige theologische Aufgabe, durch die alle die gesammelt werden sollten, die „jeder Gefährdung einer fruchtbaren Verbindung von Kirche und Volkstum durch eine neue theologische Grundhaltung entgegentreten wollen, für die sie auch als Minorität ganz einzustehen bereit sind". Die Abdrucke der Thesen in einem Teil der Tagespresse wie auch der kirchlichen Presse, die teilweise allerdings auch kritisch reagierte oder schwieg - besagten, daß „eine bedeutende Zahl von theologischen Professoren und Dozenten sowie Männer der Kirche, die sich für die Erziehung des theologischen Nachwuchses verantwortlich fühlten", zugestimmt hätten. Aus zwei nicht namentlich genannten Kirchengebieten gingen - so hieß es - noch laufend Zustimmungen ein. Ein Abschnitt auf dem Thesenpapier, der zur namentlichen Unterzeichnung der Thesen diente, wies unter dem 16. März 1 9 3 6 darauf hin, daß noch weitere Zustimmungserklärungen erwartet wurden. Als Leitgedanke und Anliegen dieses „Wortes deutscher Theologen" galt: 61 „Klarheit inner- und außerhalb der deutschen Grenzen darüber zu schaffen, daß klare, bewußte und tiefgründige Frömmigkeit und Theologie gerade nicht auf dem Boden radikaler Ablehnung eines positiven Verhältnisses zwischen nationalsozialistischem Staat und christlicher Kirche erwächst, sondern daß das Bild der religiösen und theologischen Lage Deutschlands auch durch die große Zahl derer bestimmt wird, die

61.

UA Tübingen 162/XIV, 6.

Fakultätspolitische Ambitionen des Seeberg-Kreises

337

im Sinne dieser Thesen zuversichtlich im Dritten Reich stehend in der christlichen Kirche an die Arbeit g e h e n . " Auch die Deutschen Christen der verschiedenen Richtungen versuchten während der Kirchenausschußzeit von 1 9 3 5 bis 1 9 3 7 , ihre Verbindungsmänner an den Fakultäten bei der Stange zu halten. So lud der als Professor für praktische T h e o l o g i e an der Göttinger Fakultät ernannte ehemalige deutschchristliche O b e r k i r c h e n r a t D r . Walter B i r n b a u m , der aus der Arbeit der Inneren M i s s i o n kam, für den 2 . bis 5 . Juli

1936

zu einer Dozententagung nach Potsdam ein. Eine vorhergehende Tagung Anfang M a i 1 9 3 6 hatte das Reichskirchenministerium durch einen erheblichen Beitrag zur Decken der Kosten unterstützt. Für die Tagung im Juli hatten Erich Seeberg und Georg W o b b e r m i n ihre Teilnahme zugesagt, offenbar als Referenten. Vorgesehen waren Erörterungen über die Stellung der theologischen Fakultäten in Staat und Kirche. Auch über historischsystematisches Denken in der T h e o l o g i e sollte gesprochen werden. Als Teilnehmer waren auch Assistenten w i l l k o m m e n , da man Verbindung mit dem theologischen N a c h w u c h s halten wollte. Zugehörigkeit zu den Deutschen Christen war für die Teilnahme an der Veranstaltung nicht erforderlich. D a s mochte durch die geringe Z a h l der DC-Mitglieder unter der T h e o l o g e n s c h a f t an den Fakultäten bedingt sein 6 2 . Im Dezember 1 9 3 6 klagte Erich Seeberg in einer Denkschrift 6 3 an den Stellvertreter des Führers, NS-Reichsleiter R u d o l f H e ß im „Braunen H a u s " in M ü n c h e n , über die Agitation, die die N S D A P gegen die Kirche treibe. Beispiele wurden als bekannt vorausgesetzt. Das führe in der Z e i t des Vierjahr-Plans statt zu einer Sammlung zur Zerspaltung der Kräfte. Es ergäben sich Gewissenskonflikte, die auch bewährte Parteigenossen innerlich zu zerreißen drohten. Dränge m a n die Kirchen in die Enge, entstehe die Gefahr, das sie Sammelbecken der Opposition würden. Auch auf den Kirchenaustritt prominenter Parteigenossen wurde hingewiesen, gleichzeitig die Gefahr des heimlichen Kircheneintritts von M a r xisten und Kommunisten an die W a n d gemalt. Es gelte, die Kirche zu reformieren, den Arierparagraphen durchzuführen und im übrigen alle Richtungen in der Kirche zu tolerieren. Seeberg resümierte sein Anliegen mit folgenden W o r t e n : „Aber das Christentum, das die moralische Lehre Jesu verkündet und das in Christus das Urbild verehrt, darf von deutschem Wesen und deutscher Kultur nicht losgerissen werden, wenn m a n nicht eine Religionskrise von unübersehbaren Konsequenzen her62. 63.

BA Koblenz, N L 2 4 8 / 9 2 , Bl. 9 7 ff. BA Koblenz, N L 2 4 8 / 9 4 , Bl. 4.

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Fakultätspolitische

Ambitionen

des

Seeberg-Kreises

aufbeschwören will. Man denke nur an die Bedeutung des deutschen Christentums für die Erhaltung des Deutschtums im Ausland." Im Zusammenhang mit den ökumenischen Weltkonferenzen in Oxford und Edinburgh Sommer 1 9 3 7 versuchte der Seeberg-Kreis, den Problemen zu begegnen, die durch die Kritik auf der Oxforder Weltkonferenz der „Bewegung für praktisches Christentum" an den deutschen kirchlichen Verhältnissen entstanden waren 6 4 . Eine Delegation der Deutschen Evangelischen Kirche hatte nicht fahren dürfen, natürlich auch niemand von der bekenntniskirchlichen Richtung. Allerdings war Prof. Ernst Benz zunächst in die Vorbereitung zur Auswahl einer Delegation mit einbezogen, hatte allerdings dann doch - ähnlich wie Erich Seeberg auch - für die Entscheidung plädiert, daß keine offizielle Delegation der Landeskirchen teilnehmen solle, weil die Beteiligung jüngerer Kräfte unliebsame Gegensätze provozieren könne. 6 5 Die drei freikirchlichen Vertreter, die fahren durften, hatten durch eine vom methodistischen Bischof F. H. Otto Melle vorgetragene Erklärung in Abrede gestellt, daß die Christusverkündigung in Deutschland gefährdet sei. 66 Offenbar genügte aber außenpolitisch gesehen das Auftreten der Freikirchler im prodeutschen Sinne nicht, hatte doch die Resolution der Konferenz trotzdem die deutschen kirchlichen Verhältnisse stark kritisiert. Bei einer Unterredung Prof. Peter Meinholds mit Staatssekretär Hermann Muhs am 9. August 1937 im Reichskirchenministerium wurde daher die Abfassung einer Erklärung zur Oxforder Konferenz erwogen. Sie wurde aber dann doch zurückgestellt, weil man erst die Edinburgh er Konferenz der Bewegung für „Glaube und Kirchenverfassung" („Faith and Order"), die sich zeitlich an Oxford anschloß, abwarten wollte. Vor allem der Pressereferent Karl Troebs im Reichskirchenministerium meinte, bisherige Äußerungen dieser Art hätten leider den Eindruck bestellter Arbeit gemacht und die Verständigungsmöglichkeiten außerordentlich erschwert. Meinhold versprach dem Pressereferenten aber, einen Aufsatz zum Problem Trennung von Kirche und Staat zu schreiben und auf die Gefahr hinzuweisen, die eine solche für den Staat bringe. Das mochte der Konzeption des Reichskirchenministeriums in der kirchenpolitisch gespannten und unklaren Monaten nach Verwerfung der staatskirchlichen Verordnungsentwürfe Kerrls durch Hitler und 64. 65. 66.

BA Koblenz, N L 2 4 8 / 9 2 , Bl. 5 2 - 5 4 . BA Koblenz, NL 2 4 8 / 3 b, Bl. 118; 140; 1 4 4 ; 149. Näheres bei Karl Zehrer, Evangelische Freikirchen und das „Dritte Reich", S. 4 3 - 5 2 .

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nach dem niemals realisierten Kirchenwahlerlaß Hitlers im Februar 1 9 3 7 durchaus entsprechen. Eine Unterredung mit Staatssekretär Muhs, der vorwiegend politisch urteile, aber den Nutzen theologischer Arbeit nicht wirklich verstehe, kam nach Meinholds Empfinden nicht zu dem gewünschten Ziel. Der Gedanke, die verschiedenen nicht bekenntniskirchlich eingestellten Gruppen in Deutschland gegen die politischen Auswirkungen der Weltkirchenkonferenz zusammenzuführen, sei Muhs überhaupt nicht gekommen. Doch gehe es Muhs jetzt darum, Theologen in die ökumenische Auseinandersetzung einzuschalten. Der Plan, eine Versammlung volkskirchlich eingestellter Kreise des Auslandes nach Deutschland einzuladen, werde gerade auch von Reichskirchenminister Kerrl lebhaft begrüßt; auch Hitler habe man seitens des Kirchenministeriums dafür zu interessieren versucht. Meinhold hatte bei der Besprechung im Blick auf eine erwogene Erklärung zur ökumenischen Lage den Gedanken eingebracht, es müsse dem Ausland gegenüber gezeigt werden, daß nicht nur die Bekenntnisfront oder die dialektische Theologie mit ihrer Einstellung gegen den Staat, sondern auch andere theologische Kreise mit staatspolitisch positiverem Engagement in der deutschen kirchlich-theologischen Szenerie von Bedeutung seien. Am 23. August 1 9 3 7 schrieb auch Erich Seeberg selbst von seinem Urlaubsort Arenshoop aus an den Kirchenminister: die Weltkirchenkonferenz habe auf die Konstituierung einer Art „Völkerbund im Kirchlichen" gezielt; das war auf den Ökumenischen Rat gemünzt, für den Vorbereitungen getroffen wurden, der indes erst nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Weltkirchenkonferenz in Amsterdam im Jahre 1948 endgültig konstituiert werden konnte. In der Weltkirchenkonferenz trete besonders George Bell, der anglikanische Bischof von Chichester, politisch führend hervor. Er werde dabei durch Erling Eidem, den lutherischen Erzbischof von Uppsala, unterstützt, während der führende englische Okumeniker Joseph Oldham, der im Weltmissionsrat und seit 1934 auch in der Bewegung für Praktisches Christentum („Life and Work") eine aktive Rolle spielte, stärker die Laienmitarbeit betone. Erich Seeberg schlug in diesem Zusammenhang vor: man müsse im deutschen Protestantismus anstelle der alten „Ökumenen" neue erprobte Theologen zu Trägern ökumenischer Arbeit machen. Allerdings sollte man bei der Heranziehung des unter Bischof Theodor Heckel stehenden Kirchlichen Außenamtes der Deutschen Evangelischen Kirche, das bei seinen Operationen bisher weniger glücklich oder geschickt gewesen sei und hinter dem nichts stehe, zurückhaltend sein. Ein „protestantisches

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Fakultätspolitische

Ambitionen

des

Seeberg-Kreises

R o m " würde in „ungeahnter Weise in die deutsche Kultur- und Innenpolitik hineinreden". Seeberg räumte ein, er habe zwar selbst gegen eine deutsche Delegation nach Oxford votiert, wo vom 12. bis 26. Juli 1 9 3 7 die „Weltkonferenz für praktisches Christentum" stattfand, zu der offizielle Vertreter der Deutschen Evangelischen Kirche aus kirchenpolitischen Gründen nicht ausreisen durften, sondern neben mehreren auslandsdeutschen Pfarrern nur drei freikirchliche Vertreter teilnahmen. Erich Seeberg meinte dazu: Das Nichterscheinen der Delegation der Deutschen Evangelischen Kirche habe tatsächlich verwirrend gewirkt. Aber es sei fraglich, ob sich die deutsche Theologie in der Zukunft ganz aus der Ökumenischen Bewegung heraushalten dürfe. Teilnehmer der Oxforder Konferenz hätten ihm versichert, daß eine deutsche Delegation mit solchen Theologen neuer Prägung, wenn sie statt der „altmodischen Reaktionäre" in Oxford erschienen wäre, bei den veralteten Fragestellungen schon diesmal die ganze Konferenz hätte „in die Luft sprengen" können. Man solle einzelne Theologen mit der Gestaltung der ökumenischen Beziehungen betrauen und ministeriell zur Beratung heranziehen. Vielleicht sei man im Reichskirchenministerium nicht ganz überzeugt vom Nutzen der Theologie, aber es gäbe Situationen, „wo Theologie Politik macht und politischer als die Politik wirkt" 6 7 . Auch mit Landgerichtsrat August Jäger versuchte Erich Seeberg den Kontakt aufrechtzuerhalten. Jäger wirkte nach seiner Ablösung als „Rechtswalter der Deutschen Evangelischen Kirche" und nach seiner Tätigkeit im preußischen Kultusministerium Ende Oktober 1934 als Kammergerichtspräsident in Berlin; während des Krieges hat er als Regierungspräsident im Reichsgau Wartheland unter dem berüchtigten Reichsstatthalter Arthur Greiser in Posen auch dessen restriktive Kirchenpolitik mitgetragen. Am 2 5 . Februar 1937 dankte Seeberg ihm für die Zusendung des Buches „Kirche im Volk" 6 8 , in dem Jäger seine Kirchenpolitik der Jahre 1933/34 rechtstheoretisch-völkisch zu rechtfertigen versuchte. Seeberg würdigte verschiedene Aspekte dieses funktionalistisch konzipierten Einordnungsmodells des Kirche-Staat-Verhältnisses, wie Jäger es hier entwickelt hatte. Doch bleibe es unverständlich, wieso Grundsätze aus dem Privatrecht so stark wirken konnten, daß sie die von Jäger 67.

BA Koblenz, NL 2 4 8 / 9 2 , Bl. 9 1 - 9 3 .

68.

August Jäger: Kirche im Volk. Ein Beitrag zur Geschichte der nationalsozialistischen Rechtsentwicklung. Berlin 1 9 3 6 . Vgl. auch Hans Buchheim, Glaubenskrise im Dritten Reich. Drei Kapitel nationalsozialistischer Religionspolitik, Stuttgart 1953, S. 1 0 6 - 1 1 2 ; 1 1 6 - 1 1 8 .

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341

vertretene kirchenrechtliche Sicht im J a h r e 1 9 3 4 nicht wirksam werden ließen. M a n verstehe die Entwicklung in der Deutschen Evangelischen Kirche nur, wenn man den „außenpolitischen D r u c k " in Betracht ziehe, der in der Tat wesentlich zum Z u s a m m e n b r u c h des Eingliederungswerkes der Landeskirchen in die Reichskirche Herbst 1 9 3 4 beitrug. Seeberg brachte auch hier seinen inkarnationstheologischen Ansatz zur Sprache: er glaube, in der Idee der „ M e n s c h w e r d u n g " einen theologischen Gedanken zu haben, an den die geschichtliche Konstruktion der Kirche als auch die sich daraus ergebenden Rechtsgrundsätze angeschlossen werden könnten. Spätere Korrespondenz Erich Seebergs mit J ä g e r zeigte das Bemühen, ihm die eigene Konzeption zu verdeutlichen, w a r u m man als Christ auch ohne die Bindung an die Bekenntnisse etwas von Christus aussagen könne. Zugleich diente die Korrespondenz auch dem Anliegen, J ä g e r s Vermittlung zu erbitten, so bei der beabsichtigten Unterbringung von Pfarrer Harry van Beuningen (Beerfeld bei Fürstenwalde), der Seeberg als praktischer T h e o l o g e für Kiel geeignet erscheine. Er verkörpere die „seltene Verbindung von Nationalsozialismus und theologischer Bild u n g " und verstehe es, mit Parteistellen umzugehen. Er sei Superintendenturverwalter gewesen, ehe ihn der Reichskirchenausschuß ablöste. Gleichermaßen versuchte Erich Seeberg, seinen Vetter Axel Seeberg, der bei der Umorganisation der „ H o c h s c h u l e für Politik" seine Stellung verloren hatte, in einer Verwaltung oder Kulturorganisation der „neubesiedelten O s t g e b i e t e " unterzubringen. W ä h r e n d J ä g e r für van Beuningen keine Zusagen machte, wollte er sich für Seebergs Vetter verwenden. Als J ä g e r schon Regierungspräsident in Posen war, bat ihn Erich Seeberg F r ü h j a h r 1 9 4 2 um einen Passierschein für einen Vortrag in Litzmannstadt (Lodz). 6 9 Auch

auf dem Gebiet

der Begutachtung

theologischer

Literatur

machte Seeberg seinen Einfluß geltend. E r wurde häufig als Gutachter der Parteiamtlichen Prüfstelle zum Schutz des NS-Schrifttums (Berlin W 3 5 , M a t t h ä i k i r c h p l a t z 7) bei der Reichsleitung der N S D A P herangezogen. D a b e i konnte er auf die Bewertung des theologischen Schrifttums und seine kulturpolitische Einordnung steuernd einwirken. Ende M a i 1 9 3 7 begutachtete er das von Emanuel Hirsch herausgegebene theologiegeschichtliche Lesebuch „Die U m f o r m u n g des christlichen Denkens in der N e u z e i t " mit Bezugnahme auf die Vorrede, nachdem er schon vorher auf eine entsprechende Anfrage der Prüfstelle mitgeteilt hatte, es handele 69.

BA Koblenz, N L 2 4 8 / 9 2 . Bl. 1 1 4 - 1 1 9 .

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Fakultätspolitische Ambitionen des

Seeberg-Kreises

sich um Auszüge aus Schriften neuerer Theologen, die zeigen sollten, wie der objektivistische Standpunkt der älteren Theologie in der Neuzeit überwunden werde. Im Blick auf seine bisherige Tätigkeit als Lektor der Prüfstelle bat Erich Seeberg darum, dieses Buch ausnahmsweise einmal behalten zu dürfen 7 0 . Auch gegenüber dem Reichsamtleiter Prof. Dr. Walter Schultze vom NS-Dozentenbund in München erstattete er auf Anfrage ein Gutachten über Lie. Winfried Zeller, der bei Prof. Ernst Benz an der EckhartAusgabe mitarbeiten wollte und dafür ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft benötigte 71 . Beleuchtend für die theologiepolitisch ausgerichtete Tendenz seiner Bewertung ist Seebergs Schreiben an die NS-Prüfungskommission, ζ. H. von Herrn Patutschik, vom 9. Juli 1937. Auf Grund einer Verabredung erstattete er ein Gutachten über die von Prof. Hermann Strathmann (Erlangen) herausgegebenen „Theologischen Blätter", die vom Januar bis Juli 1 9 3 7 nicht erscheinen konnten 7 2 . Der frühere Schriftleiter Prof. Karl Ludwig Schmidt, der 1933 in Bonn als Professor entlassen worden war und - nach der Schweiz emigriert - 1935 eine Professur in Basel übernommen hatte, sei inzwischen aus der Redaktion ausgeschieden. Daß die Zeitung solange im Dritten Reich erscheinen durfte, konnte Seeberg „nur als Skandal" bezeichnen. Heute würden die Theologischen Blätter von Prof. Hermann Strathmann in Erlangen herausgegeben; er sei „ein alter Reaktionär, der leidenschaftlich für die Bekennende Kirche eintritt". Die Mitglieder des Redaktionsbeirates nahm Seeberg ebenfalls kritisch unter die Lupe: Günther Bornkamm in Bethel, früher Dozent in Königsberg; er wirke „im Sinne der radikalen Bekenner" als Schüler Bultmanns, der ja zu den „Säulen der Bekenntniskirche" gehöre. Hans von Campenhausen, dessen Professur am Einspruch des Stellvertreters des Führers gescheitert sei, verstehe sich als „Anhänger der dialektischen Theologie". Beiratsmitglied der „Theologischen Blätter" sei auch Helmut Thielicke in Heidelberg, „ein Erzoberbekenner, der ebenfalls mit der ganzen Barthschen Theologie belastet" sei. Trillhaas in Erlangen wurde ebenfalls zu den „strengen Bekennern" gerechnet, seine Ernennung zum Professor in Halle sei „aus theologischen und politischen Gründen" nicht zustandegekommen. Relativ am mildesten sei Prof. Gerhard v. Rad in Jena zu beurteilen, der allerdings auch Freizeiten bei den Bekennern und ähnliche Ver70. 71. 72.

BA Koblenz, NL 248/23, Bl. 1-3. BA Koblenz, NL 248/23, Bl. 4. BA Koblenz, NL 248/23, Bl. 2-6.

Fakultätspolitische Ambitionen des Seeberg-Kreises

343

anstaltungen abhalte. Kein einziger der Herausgeber sei Nationalsozialist und keiner von ihnen trete für den Nationalsozialismus ein: „ich vermag nicht einzusehen, w a r u m man in einer Zeit der Papierknappheit eine Zeitschrift fortbestehen läßt, deren wissenschaftlicher Wert kein großer ist und deren politische Bedeutung nur negativ beurteilt werden k a n n . " Die Aufsätze der „Theologischen B l ä t t e r " , a u f die Seeberg aufzählend hinwies, dienten „der Verbreitung Barthscher G e d a n k e n " und seien samt und sonders „ a u f eine Verstärkung der Isolierung der T h e o l o g i e eingestellt". In N r . 5 / 7 werde eine Eckhart-Deutung geboten, „in der gegen die Anspruchnahme Eckharts für die deutsche Frömmigkeit im Stil der J u n g e n Kirche' borniert und bösartig Stellung g e n o m m e n " werde. Die Rosenbergsche Eckhart-Deutung werde „jüdischer Aufklärungsphilosophie in die Schuhe g e s c h o b e n " . Am 1 8 . August 1 9 3 7 erklärte Seeberg seine Bereitschaft, auch die „Zeitschrift für neutestamentliche Wissens c h a f t " zu begutachten. Er halte sie selbst, so d a ß die Zusendung von Exemplaren nicht nötig sei. Es handle sich um eine „im ganzen harmlose wissenschaftliche Z e i t s c h r i f t " , die er künftig ebenfalls als Nationalsozialist prüfen wolle. Auch über die „Theologische

Literaturzeitung"

wurde von Seeberg vierteljährlich Bericht erstattet. Z u seinem K u m m e r erschienen die „Theologischen B l ä t t e r " wieder „in alter F r i s c h e " , diesmal freilich in ihrer Haltung „vorsichtiger als v o r h e r " 7 3 . W ä h r e n d die NS-Schrifttumsprüfstelle Seeberg politisch-fachwissenschaftlich für Gutachtertätigkeit in Anspruch n a h m , reagierte das „Amt R o s e n b e r g " Ende O k t o b e r 1 9 3 7 ablehnend, was die Beteiligung Seebergs und seiner Schüler a m „ H a n d b u c h der R o m f r a g e " b e t r a P 4 . Das H a n d b u c h wurde „unter M i t w i r k u n g einer Arbeitsgemeinschaft von Forschern und Politikern" von Alfred Rosenberg herausgegeben. M a t t h e s Ziegler, für Religion und Theologie zuständiger Mitarbeiter im „ A m t R o s e n b e r g " , teilte a m 2 0 . O k t o b e r 1 9 3 7 mit, die von Seebergs Freunden und akademischen Schülern eingereichten Beiträge zum H a n d b u c h - es handelte sich vorwiegend um alt- und neutestamentliche Artikel - seien zu stoffbezogen und verzichteten auf tiefere weltanschauliche Durchdringung. Auf ihre M i t a r b e i t am H a n d b u c h müsse daher verzichtet werden. Eine Anfrage Meinholds beim Amt Rosenberg änderte an dieser Entscheidung o f f e n b a r nichts. D a s zweibändige H a n d b u c h erschien 1 9 4 0 im Hoheneiche-Verlag M ü n c h e n . Diese K o o p e r a t i o n mit Mitarbeitern des 73.

BA Koblenz, N L 2 4 8 / 2 3 , Bl. 1 - 6 . Die Theologischen Blätter konnten bis Jg. 2 2 ( 1 9 4 2 ) , N r . 5 (Mai 1 9 4 2 ) , erscheinen.

74.

BA Koblenz, N L 2 4 8 / 2 3 , Bl. 8 f.

344

Fakultätspolitische

Ambitionen

des

Seeberg-Kreises

Amtes Rosenberg blieb also unrealisiert. Eine engere Kontaktaufnahme mit dem Amt Rosenberg, die Seeberg im Interesse einer Förderung seiner Eckhart-Forschungen schon 1936 vorschwebte, gelang im Blick auf das „Handbuch zur Romfrage" nicht, obwohl zunächst Arbeitskontakte sich angebahnt hatten, die zur Vorlage von Manuskripten geführt hatten. Auch andere Kontakte, etwa zum SS-Obergruppenführer Werner Lorenz, versuchte Seeberg fakultätspolitisch zu nutzen. Den kirchen- und fakultätspolitischen EinfluiSwillen des SD überschätzte Seeberg dabei nicht. Trotzdem setzte er sich mit ihm öfters in Verbindung, um fakultätspolitisch „etwas Dampf hinter die Dinge" zu machen, 7 5 z.B. als das Reichswissenschaftsministerium gegen Erich Seebergs Sohn Lie. Bengt Seeberg, Assistent an der theologischen Fakultät in Kiel, Anfang 1938 ein Disziplinarverfahren einleiten ließ, weil er gegenüber einem Mitarbeiter des SD, Pfarrer Harry van Beuningen in Beerfelde, Kreis Lebus/Oder, der auch eine Parteifunktion hatte, Kritik an der schlappen ministeriellen Fakultätspolitik geübt hatte. Das Reichswissenschaftsministerium, das mit dieser Kritik anderweitig konfrontiert worden war, beschuldigte Bengt Seeberg, er habe dem Hochschulreferenten Mattiat, der ohnehin damals seine ministerielle Referentenstelle verließ, Verletzung der Pflichten eines nationalsozialistischen Beamten vorgeworfen. 76 Erich Seeberg brachte die Angelegenheit beim SD zur Sprache. Aus seinem Schreiben wie aus dem Disziplinarprotokoll ergibt sich, daß Mattiat nur unzureichend auf Bengt Seebergs und Reffkes Beschwerden als Fachschaftsleiter in den Jahren 1936/37 reagiert hatte. Klagen über zu schleppende Entfernung von Lie. Walter Dreß und Lie. Walter Künneth spielten dabei eine Rolle. Lediglich Bonhoeffer sei zunächst rasch die Lehrbefugnis entzogen worden. Auch über den FreimaurerSkandal um Prof. Witte und seine negative Auswirkung in der Fakultät war dem Ministerium Mitteilung gemacht worden, ohne daß etwas Wirksames zur Bereinigung der Fakultätsverhältnisse in Berlin geschehen sei. Der Hinweis auf die Relegierung von 2 9 Theologiestudenten sollte die Kritik als politisch berechtigt erscheinen lassen. Nachdem das Reichswissenschaftsministerium diese „Strafaktion" gegen Bengt Seeberg und Lie. Reffke, deren Namen durch ein Verfahren der Gestapo im Ministerium bekannt wurden, „wegen Verleumdung und Zusammenarbeit 75. 76.

BA Koblenz N L 2 4 8 / 6 9 , Bl. 118 (Erich Seeberg an Peter Meinhold, 7. November 1938). BA Koblenz, N L 2 4 8 / 8 6 , Bl. 93. Disziplinarverfahren (Protokollabschrift vom 31. Januar 1938).

Fakultätspolitische Ambitionen des Seeberg-Kreises

345

mit dem S . D . " eingeleitet hatte, wandte sich Erich Seeberg a m 2 0 . Juli 1 9 3 8 nach R ü c k s p r a c h e mit Obergruppenführer W . Lorenz an den SSO b e r s t u r m b a n n f ü h r e r Dr. Six vom Sicherheitsdienst in Berlin-Dahlem und forderte eine Nachprüfung des Beschwerdematerials über die Fakultätspolitik, wobei er die Professoren Stolzenburg und Witte als seine Widersacher in der Berliner Fakultät gehörig angriff. Lie. Reffke und sein Sohn Lie. Bengt Seeberg hätten als Fachschaftsleiter in den vergangenen J a h r e n für ihre fakultätspolitischen Beschwerden weder beim R e k tor noch beim Ministerium G e h ö r gefunden. Es gelte die Stichhaltigkeit ihrer Kritik sachlich zu überprüfen, die Anlaß zum Disziplinarverfahren gab, wobei Lie. Reffke vom R e k t o r sogar Hausverbot erteilt worden war. Bezeichnend Erich Seebergs Schlußsatz: „Bei den anscheinend noch nicht völlig klar abgegrenzten Kompetenzen des S. D . ist es vielleicht nicht überflüssig, wenn ich bitte, meinen N a m e n aus der etwa entstehenden Untersuchung und Debatte herauszuhalten, damit nicht auch ich als Sündenbock in die Wüste geschickt w e r d e . " 7 7 Enttäuscht reagierte Erich Seeberg, als er erfuhr, d a ß in der Kieler Fakultät auf Grund von Spannungen - für Redeker und M e i n h o l d unerwünschterweise - der aus Breslau berufene junge Alttestamentler H a r t mut Schmökel D e k a n wurde: „ D a s wäre charakteristisch für die Nutzlosigkeit des S D " . 7 8 Auch bei späteren Querelen hat Seeberg den Kont a k t zu Lorenz gesucht, ohne große Hoffnungen zu haben, nachhaltig unterstützt werden zu k ö n n e n 7 9 . D e m auch sonst stark auf kirchenpolitische Aktionen und Einfluß bedachten Redeker gegenüber hat Seeberg das O k t o b e r p r o g r a m m Kerrls 1 9 3 8 als verfehlte Neuauflage der Kirchenausschüsse bezeichnet, das bald wieder im Kreuzfeuer der Thüringer Deutschen Christen und der „strammen B e k e n n e r "

zusammenbrechen

werde, und auf Desinteresse und mangelnden Durchsetzungswillen dieser Dienststelle verwiesen: „ D a ß der S D auch in Ihrem Falle versagt hat, liegt an der blödsinnigen Art der Befolgung der Parole: Kirchenpolitik interessiert nicht. Im Grund hat sich auch an Ihrem Fall gezeigt, d a ß der S D schwächer ist als eine kleine Parteistelle, nämlich der D o z e n t e n b u n d . " Es sei für Redekers Geltung besser, was er wissenschaftlich arbeite, als was er kirchen- oder gar fakultätspolitisch tue: „Ich bin nicht der M e i n u n g ,

77.

BA Koblenz, N L 2 4 8 / 8 6 , Bl. 5 4 ; 6 4 - 6 6 .

78.

BA Koblenz, N1 2 4 8 / 6 9 , S. 1 1 9 (Erich Seeberg an Peter Meinhold, 2 5 . Oktober 1 9 3 8 ) . Ebd. S. 5 4 (Erich Seeberg an W. Lorenz vom 16. Juni 1939).

79.

346

Fakultätspolitische Ambitionen des Seeberg-Kreises

daß es auf die sichtbare Wirkung eines Professors ankommt, sondern auf das wissenschaftliche Arbeiten." 8 0 Kirchenpolitisch gab es immer wieder mancherlei Arbeitskontakte zwischen deutschchristlich orientierten Kollegen, die fakultätspolitisch nützlich erscheinen mochten. Am 18. Dezember 1 9 3 7 verwies ein Rundschreiben des „Bundes deutscher Hochschullehrer im Bund für deutsches Christentum" darauf, daß auf der letzten Reichstagung der Dozenten Versammlung beschlossen wurde, untereinander in Verbindung zu bleiben. Dieser Bund deutscher Hochschullehrer faßte diejenigen Hochschullehrer zusammen, die „im Geiste einer inneren Zusammenschau von Christentum und deutscher Volksordnung, wie sie im Nationalsozialismus gegeben ist, verpflichtet dem Dritten R e i c h " , ihre Arbeit betrieben. Die Leitung war Prof. Wobbermin (Berlin) übertragen; zum Geschäftsführer war Prof. Walter Grundmann (Jena) bestellt worden. Wobbermin forderte dazu auf, möglichst viele Mitglieder sollten den Herbst 1 9 3 7 ergangenen Erlaß des Reichsführer SS, der die Ersatzveranstaltungen der Bekennenden Kirche untersagte, durch ihre Unterschrift begrüßen. Die wegen des Führererlasses vom 15. Februar 1 9 3 7 im Blick auf Kirchenwahl und Generalsynode aufs Eis gelegten Bemühungen um das Fakultätsexamen gelte es, jetzt wieder aufzunehmen. Die Vertrauensmänner des Bundes an den Fakultäten sollten die Entscheidung der Kollegen zum Himmler-Erlaß Herbst 1 9 3 7 herbeiführen. O b die Erklärung weitergeleitet werden könne, bleibe „durchaus vorbehalten". Dem Erlaß öffentlich zuzustimmen war indes eine heikle Angelegenheit. Die Auswirkung des Himmler-Erlasses hätte dabei durchaus im Interesse der Fakultäten gelegen, da er den Boykott der Universitätstheologie durch die Bekennende Kirche entgegenwirkte, allerdings durch massive Unterdrückung ihrer Ausbildungs- und Prüfungseinrichtungen. Ein offenes Unterstützen des Himmler-Erlasses durch deutschchristliche Universitätstheologen hätte diese faktisch noch mehr isoliert und die Spannungen verschärft, die ohnehin zwischen Fakultäten und Bekennender Kirche bestanden. Auch bei den Plänen von Dr. Friedrich Werner, dem Präsidenten der Kirchenkanzlei der DEK, war Erich Seeberg Anfang 1 9 3 8 beratend beteiligt 8 1 . Er hielt es für wichtig, Personen in die entsprechende Kommission zu berufen, die bei Konflikten mit der Partei vermitteln könnten. Die „Geistliche Leitung", die damals im Gespräch war, sollte man lieber „theologischen Beirat" nennen, meinte Seeberg. Es genüge auch, wenn 80.

BA Koblenz, N L 2 4 8 / 3 0 , Bl. 86.

81.

BA Koblenz, N L 2 4 8 / 9 7 , Bl. 6 7 .

Fakultätspolitische Ambitionen des Seeberg-Kreises

347

die bisherigen Mitglieder T h e o d o r Ellwein, O s k a r Bruhns, Walter Grundmann und Erich Seeberg zusammenblieben. Auch der evangelische Fakultätentag und zwar sein Vorsitzender Prof. H a n s Schmidt (Halle) könne als „eine mehr neutrale Instanz" zur Einleitung des kirchlichen Friedensvorschlages herangezogen werden, da er am besten geeignet sei, mit der Bekennenden Kirche zu verhandeln. Ihm sollten als Helfer die Professoren R u d o l f H e r m a n n (Greifswald) und Helmuth Schreiner ( R o s t o c k ) zur Seite gestellt werden. Wichtig sei die Studienreform an den theologischen Fakultäten, aber auch die gezielte Pflege der Beziehungen zu den ausländischen Kirchen. Seebergs im Auftrag des Auswärtigen Amtes durchgeführte Balkanreise, die eine schon fortgeschrittene Beeinflussung dieser Länder im probritischen Sinn gezeigt habe, solle durch Reisen von kirchlichen Sachkennern nach Skandinavien und England ergänzt werden, wobei Seeberg an seine akademischen Schüler dachte. Am 8. J a n u a r 1 9 3 8 wußte er Ernst Benz zu berichten, man scheine im Reichswissenschaftsministerium fest entschlossen, die Universitäten in ihrem jetzigen Aufbau zu erhalten und viele seit 1 9 3 3 eingeführte Neuerungen wieder abzuschaffen. Ministerialdirektor O t t o W a c k e r , damals Amtsleiter im Reichswissenschaftsministerium, habe auf der R e k torenkonferenz zugesagt, keine willkürlichen Versetzungen mehr vorzunehmen. Er wünsche ferner Berufungen nach wissenschaftlichem Leistungsprinzip unter Berücksichtigung der Fakultätswünsche; keine Pensionierungen mehr, sondern Emeritierung mit 6 5 J a h r e n . Ebenso sollten Habilitationen von der Fakultät vorgenommen werden, aus der der Habilitand hervorgehe. D e r N S - L e h r e r b u n d sollte bei der Beurteilung ausgeschaltet bleiben. Benz meinte, d a ß entgegen der stärker auf Ausgrenzung der Universitätstheologie hinauslaufenden Linie W a c k e r s diese hochschulpolitischen Ausführungen verstärkte Beratungskontakte nahelegen müßten: das Reichwissenschaftsministerium müsse jetzt eigentlich Sachverständige heranziehen. Dagegen sei es noch verfrüht, mit R e f o r m plänen im Blick auf die theologischen Fakultäten hervorzurücken: 8 2 „ D i e theologischen Fakultäten sind heute der einzige O r t , w o heute noch eine Fühlungnahme ( . . . ) zwischen Kirche und Staat stattfindet, und die einzige Plattform, von der aus noch gemeinsame Anliegen behandelt werden können. J e d e R e f o r m der theologischen Fakultäten wird zu einer Entfremdung zwischen Kirche und Fakultät führen und dem Staat diese letzte Basis einer Fühlung mit der Kirche und einer Einwirkung auf die Kirche entziehen, denn die Kirchen sind heute weniger geneigt denn 82.

BA Koblenz, N L 2 4 8 / 3 c, Bl. 2.

348

Fakultätspolitische

Ambitionen

des

Seeberg-Kreises

je ( . . . ) , vom Staat eine Umwandlung der theologischen Fakultäten ohne Widerspruch entgegenzunehmen." In diesem Zusammenhang kam es am 4. Februar 1938 nach vorheriger Fühlungnahme mit dem Evangelischen Oberkirchenrat im Landwehrkasino Berlin-Charlottenberg (Jebensstraße) zu einer Besprechung mehr privaten Charakters „einzelner durch gemeisames Wollen verbundener Kollegen", zu der Meinhold auch den Fakultätentagsvorsitzenden Prof. Hans Schmidt um seine Teilnahme bat: Eingeladen waren gleichzeitig Erich Seeberg, Georg Wobbermin, Walther Glawe, Rudolf Hermann, Walter Grundmann, Theodor Odenwald, Wilhelm Koepp, Ernst Benz, Hans Wilhelm Schmidt, Herbert Preisker, Robert Winkler, Erhard Peschke. Es gehe um eine „Verständigung über die für die Zukunft der theologischen Fakultäten und des Religionsunterrichtes entscheidenden Fragen, deren Dringlichkeit immer schärfer hervortritt". Die Notwendigkeit, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, werde heute auch von weniger berufenen Kreisen propagiert. Daher sei es unabweisbare Pflicht, daß gerade die theologischen Fakultäten untereinander in ihrer Eigenschaft als staatliche Fakultäten gestaltend auf die weitere Entwicklung einwirkten und die Einflußnahme weniger sachkundiger Kreise korrigierten. 83 Prof. Benz schrieb am 3. April 1938 erneut an Seeberg: an eine Loslösung der theologischen Fakutäten aus dem Universitätsverband glaube er noch nicht. Er halte die Anfrage des Reichswissenschaftsministeriums für einen Versuch, sich in der Religionspolitik, in der niemand die Verantwortung übernehmen wolle, allerhöchste Deckung zu verschaffen. Benz hatte schon im Januar 1938 Schritte für nötig gehalten, daß Fragen des Religionsunterrichts, der theologischen Fakultäten, der Ausbildung der Religionslehrer nicht irgendwo verfolgt würden, ohne daß die Abteilung Wissenschaft im Reichswissenschaftsministerium davon erführe, was die Abteilung Erziehung vorhabe. Zu diesen Fragen müßten Fachberater aus dem Kreise des vom Präsidenten der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei Dr. Werner geschaffenen Gremiums herangezogen werden, in dem auch Prof. Erich Seeberg verantwortlich gehört werde 8 4 . Nachdem die Aufnahmesperre der NSDAP ab 1. Mai 1937 zeitweilig aufgehoben war, hatte - ähnlich wie Emanuel Hirsch - auch Prof.

83. 84.

Peter Meinhold an Hans Schmidt, 2 6 . Januar 1 9 3 8 (UA Halle Rep. 2 7 , Nr. 3 0 2 ) . BA Koblenz, NL 2 4 8 / 3 c, Bl. 2 0 f.

Fakultätspolitische

Ambitionen

des

Seeberg-Kreises

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Ernst Benz mit Erfolg seine Aufnahme in die NSDAP beantragt. 85 Wie verschiedene andere Professoren mochte er die Tatsache, noch nicht Pg. zu sein, als einflußschmälernd und diskriminierend empfinden. Daß die NSDAP bald darauf Geistliche, die Mitglieder der NSDAP waren, nicht mehr in ihren Reihen haben wollte und ihnen ein „ehrenvolles Ausscheiden" nahelegte, und außerdem Theologen als Parteianwärter in der Regel nicht mehr aufnahm, hatte Anfang Januar 1938 den Fakultätentagsvorsitzenden Hans Schmidt veranlaßt, auch Reichskirchenminister Kerrl um Befürwortung seiner Eingabe an Heß zu bitten: 8 6 „Ich fürchte, daß nicht allein unsere Theologischen Fakultäten, sondern daß Staat und Volk schweren Nachteil erfahren, wenn der Ausschluß aus der Parteianwärterschaft allen evangelischen Theologen gegenüber ohne Unterschied und auch den Professoren und Studenten der Theologie gegenüber ausgesprochen und durchgeführt wird. Ich würde es als eine Verletzung der Pflichten, die ich als Parteigenosse und mit meinem dem Führer geleisteten Eid übernommen habe, empfinden, wenn ich nicht alles täte, um die Gefahr einer Zerreißung unseres Volks und einer Klerikalisierung der evangelischen Geistlichkeit abzuwenden." Arbeitsmöglichkeiten und die Überlegung, den Berufsstand der Theologen nicht ausgegrenzt zu sehen, waren auch jetzt noch für manche Universitätstheologen Grund genug, sich um Aufnahme in die Partei zu bemühen. Erich Seeberg selbst beurteilte die Frage der Weiterexistenz der theologischen Fakultäten im Universitätsverband je nach Gemütsstimmung und den oft widersprüchlichen Informationen in diesen Jahren unterschiedlich. Schon im Dezember 1 9 3 7 beschäftigte ihn die Frage, „ob man nicht die theol. Fakultäten von dem sinkenden Schiff der Kirche losbinden" muß. 8 7 Mitunter meinte er, mit der staatlichen Existenz der Fakultäten gehe es doch zu Ende. Er tröstete sich dann mit der Aussicht, unter Umständen in die philosophische Fakultät überwechseln zu können, um sich dort verstärkt seinen Forschungen zur deutschen Frömmigkeitsgeschichte zu widmen. Am 2, Februar 1 9 3 9 war Erich Seeberg enttäuscht über die kirchlichen Passagen in der Hitlerrede: Hitler habe am 30. Januar, dem sechsten Jahrestag der Machtübernahme, über die Kirche wie ein Mann gesprochen, für den das Problem nicht mehr darin liege, daß dasselbe Volk den Staatsverband und die Kirche ausmache, sondern der Nationalsozialismus und Christentum als einander fremde Welten emp85. 86. 87.

BA Koblenz, N L 248/3 c, Bl. 20. UA Halle, Rep. 27, Nr. 3 0 2 (Hans Schmidt an Kerrl, 19. Januar 1938). BA Koblenz, N L 248/3 b, Bl. 190.

350

Fakultätspolitische Ambitionen des

Seeberg-Kreises

finde. Liege auch vieles einzelne noch im Dunkeln, so glaube er doch, daß die Entwicklung im ganzen auf eine Trennung von Kirche und Staat und auf eine „Seitenexistenz des Christentums" hinauslaufe. 88 Auch am 2 9 . Juni 1 9 3 9 schrieb Erich Seeberg, die Situation der Fakultäten bedrücke ihn; vermutlich werde der Absprung in die philosophische Fakultät erforderlich 89 . Am 2 6 . Oktober 1 9 3 9 hatte er im Blick darauf, daß Obergruppenführer Lorenz die Kirchendinge sofort alle von sich abgeschoben habe, resignativ geäußert: 90 „Die Zukunft der Kirche wird wohl so oder so die der Sekte sein. Die theologischen Fakultäten werden verschwinden. Wenn wir den Krieg gewinnen, werden wir wenigstens emeritiert werden". Noch am 30. Oktober 1 9 4 2 glaubte Seeberg, „daß sich die Universitäten und auch unsere Fakultät und Disziplin nur unter der Parole Forschung retten" könnten und daß die Zukunft den Forschungsinstituten gehöre. Man müsse nur aufpassen, daß nicht die in der Heimat gebliebenen, also nicht zum Kriegsdienst eingezogenen Kollegen die Forschungsaufgaben übernähmen und den anderen dadurch die Stellen versperrten 91 . Auch mit kirchenkundlich orientierten Denkschriften zur Lage hat der Kreis um Erich Seeberg staatliche Stellen unterstützt. Ernst Benz hat im Oktober 1938 über die Beziehungen des deutschen Protestantismus zur Ostkirche geschrieben und diesen Schriftsatz über Seeberg dem Ministerialdirektor Twardowsky im Auswärtigen Amt überreichen lassen. Im Frühjahr 1 9 3 9 verfaßte Benz ein Memorandum zur religiösen und kirchlichen Lage in Böhmen und Mähren, das auf die dortigen religionspolitischen Verhältnisse zu sprechen kam 9 2 . Erich Seeberg selbst war im Sommer 1 9 3 9 mit der Erstellung von vier Denkschriften beauftragt: über die Geisteswissenschaften und ihren Nachwuchs, die Einrichtung religionswissenschaftlicher Lehrstühle an den philosophischen Fakultäten für Minister Johannes Popitz und zwei andere Denkschriften für das Kirchenministerium 93 . Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte Erich Seeberg verschiedentlich erwogen, aus Berlin wegzugehen, weil ihm dort die Fakultätsverhältnisse unerträglich waren, besonders seitdem er im Frühjahr 1935 als Dekan 88. 89. 90. 91. 92. 93.

BA BA BA BA BA BA

Koblenz, Koblenz, Koblenz, Koblenz, Koblenz, Koblenz,

NL NL NL NL NL NL

248/3 248/3 248/3 248/3 248/3 248/3

c, c, c, d, c, c,

Bl. Bl. Bl. Bl. Bl. Bl.

109. 177. 157. 37. 72. 177.

Fakultätspolitische Ambitionen des Seeberg-Kreises

351

abgelöst worden w a r . Vor allem nach B o n n sollte er k o m m e n , wofür der dort etwas isolierte Prof. Ernst Kohlmeyer (früher Halle) lebhaft eintrat. Seeberg zog es aber schließlich doch vor, in Berlin zu bleiben. Ein Fachrichtungswechsel zur Systematischen T h e o l o g i e mochte zwar im Interesse größerer normativer W i r k s a m k e i t locken: Emanuel Hirsch, der in Göttingen ebenfalls von der Kirchengeschichte zur Systematischen T h e o logie übergegangen w a r , weil er als D e k a n keinen kompetenten Systematiker für Göttingen als Nachfolger W o b b e r m i n s gewinnen konnte, hatte ihm das bereits 1 9 3 5 nahegelegt. D o c h ließen Seebergs Gesundheitszustand, seine wechselnde, zeitweilig stark resignative Gemütsverfassung ihn im eigenen Fach wie auch an der Berliner Fakultät bleiben. Überlegungen, 1 9 3 8 an die Evangelisch-theologische Fakultät nach Wien zu gehen, wurden nicht weiter verfolgt; Empfehlungen, wer von den deutschen Kollegen nach Wien gehen könne, hat er indes hin und wieder gegeben. W ä h r e n d des Krieges - so 1 9 4 3 - hatte Erich Seeberg mit kreislaufbedingten Lähmungserscheinungen zu kämpfen. Der Kriegstod seines Sohnes Bengt Seeberg im J a h r e 1 9 4 4 , der als M a r i n e p f a r r e r im Einsatz war, wie die zeitweilige Ungewißheit um den zweiten Sohn Ando, von dem allerdings im J a n u a r 1 9 4 5 wieder ein Lebenszeichen aus Graudenz vorlag und der später aus dem Krieg heimkehrte, bedrückten ihn. 9 4 Erich Seeberg starb am 2 6 . Februar 1 9 4 5 im Alter von 5 6 J a h r e n .

94.

Vgl. BA Koblenz, N L 2 4 8 / 1 3 , Bl. 3 6 f., 6 6 , 7 5 f. u. ö.; N L 2 4 8 / 8 6 , S. 2 0 4 .

13. Zur Berufungs- und Besetzungspolitik. Mit Fallstudien zu Bonn, Kiel, Berlin und Breslau.

Die Lehrkörper der evangelisch-theologischen Fakultäten haben sich während der zwölf Jahre des Dritten Reiches nicht nur durch Todesfälle, 1 altersbedingte Emeritierungen oder personalpolitische Eingriffe auf Grund des Berufsbeamtengesetzes vom 7. April 1933 in ihrer Zusammensetzung verändert. Die Besetzungsverhältnisse an den einzelnen Fakultäten unterlagen vielmehr auch den Steuerungsmechanismen der ministeriellen Hochschulpolitik. Insbesondere das bis Ende 1 9 3 7 befristete neue Hochschullehrergesetz über Entpflichtung und Versetzung vom 2 1 . Januar 1935 war für die ministerielle Steuerung der Hochschulpolitik bedeutsam. 2 In ihm wurde das Entpflichtungsalter der beamteten Hochschullehrer auf 65 Jahre festgelegt, falls nicht überwiegende Hochschulinteressen die Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt nahelegten. Paragraph 3 bestimmte: „Die beamteten Hochschullehrer des Deutschen Reiches können auf einen ihrem Fachgebiet entsprechenden Lehrstuhl einer anderen Hochschule versetzt werden, wenn es das Reichsinteresse im Hinblick auf den Neubau des deutschen Hochschulwesens erfordert." Das war ein besonders wirksamer gesetzestechnischer Hebel, der die Voraussetzung für seitdem erhebliche personelle Veränderungen im Lehrkörper verschiedener theologischer Fakultäten bot. Eine Handhabe für personalpolitische Eingriffe in die Fakultäten war auch durch den Paragraphen 4 gegeben: „Fällt der Anlaß des Neuaufbaues eines Lehrstuhls fort oder wird er einem anderen Fachgebiet zuge1.

Nach H . Mulert, Fakultäten seit 1 9 3 3 , hier: Sp. 8 2 8 , seit 1 9 3 3 (bis 1 9 3 6 ) folgende Todesfälle bereits emeritierter Universitätstheologen: Theodor Zahn ( 1 9 3 3 ) und E. F. Karl Müller ( 1 9 3 5 ) in Erlangen, Reinhold Seeberg ( 1 9 3 5 ) in Berlin, Ferdinand Kattenbusch ( 1 9 3 5 ) in Halle, Otto Baumgarten ( 1 9 3 4 ) in Kiel, Karl Budde ( 1 9 3 5 ) in Marburg, Erich Schaeder ( 1 9 3 6 ) in Breslau.

2.

RGBl I , Nr. 4 , S. 2 3 f.: „Gesetz über die Entpflichtung und Versetzung von Hochschullehrern aus Anlaß des Neuaufbaus des deutschen Hochschulwesens" vom 2 1 . Jan. 1 9 3 5 (Abdruck auch in: Theol Blätter 14 ( 1 9 3 5 ) , Sp.101 f.): „§ 1. Die beamteten Hochschullehrer des Deutschen Reiches werden zum Schluß des Semesters, in dem sie ihr 6 5 . Lebensjahr vollenden, kraft Gesetzes von ihren amtlichen Pflichten entbunden".

Zur Berufungs-

und

Besetzungspolitik

353

schlagen, so kann der bisherige Inhaber von seinen amtlichen Verpflichtungen entbunden werden." Nach Paragraph 2 hatte es die Hochschulbehörde gleichwohl in der Hand, die Entpflichtung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. 3 Durch dieses Gesetz besaß das Reichswissenschaftsministerium seit Anfang 1935 ein berufungspolitisch wirksames Instrument, um den personellen Bestand der einzelnen Fakultäten steuernd zu verändern. Abgesehen von einzelnen Todesfällen noch aktiver Hochschullehrer 4 , veränderte sich der Personalbestand durch das Ausscheiden von Professoren aus dem aktiven Dienst. Dies konnte sich in verschiedenen Formen vollziehen: Entpflichtung unter Weitergewährung des Gehalts (bei Erreichung der Altersgrenze oder Krankheit), Versetzung in den Ruhestand, Entlassung aus dem Staatsdienst. Wenn bekannte entpflichtete Hochschullehrer noch Lehrveranstaltungen anbieten konnten, die das Lehrangebot der betreffenden Fakultät bereicherten, konnte dies für Fakultätsprofil und Anziehungskraft durchaus relevant sein. Nachdem die Entpflichtung der Professoren durch das Gesetz vom 21. Januar 1935 auf das Ende des Semesters festgesetzt war, in dem der Hochschullehrer das 6 5 . Lebensjahr vollendete, war die Verlängerung des Entpflichtungstermins über die Altersgrenze hinaus im Zusammenhang mit den zuständigen Unterrichtsverwaltungen der Länder entscheidend vom hochschul- und fakultätspolitischen Kalkül des Reichswissenschaftsministeriums abhängig. Verschiedentlich erhielten entpflichtete Professoren den Auftrag, ihre Lehrtätigkeit bis zur Ernennung des Nachfolgers fortzusetzen. So wurde beispielsweise die Altersgrenze, die bis 1934 bei 68, seitdem bei 65 Jahren lag, für Prof. Emil Pfennigsdorf (Jg. 1868) wegen seiner „Verdienste um den Neuaufbau der Bonner Fakultät" um ein Jahr hinausgeschoben. 5 Auch als Emeritus war er noch kommissarischer Dekan; 1937 übernahm Hans Wilhelm Schmidt bis zu seiner Berufung nach Wien 1939 das Dekanat, seit Kriegsbeginn kurzfristig der 1 9 3 6 nach Bonn berufene Breslauer Kirchengeschichtler Hans Lother, dem 1 9 4 0 3.

„§ 2: Fordern überwiegende Hochschulinteressen die weitere Ausübung des Lehramtes durch einen bestimmten Hochschullehrer, so kann die zuständige oberste Landesbehörde mit Zustimmung des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung die Entpflichtung auf einen späteren Zeitpunkt verschieben."

4.

So etwa der unmittelbar vor seinem Tod von Kiel nach Halle berufene Neu-

5.

Junge Kirche 4 ( 1 9 3 6 ) , S. 2 9 1 .

testamentler Prof. Hans Windisch ( 1 8 8 1 - 1 9 3 5 ) .

354

Zur Berufungs-

und

Besetzungspolitik

Ernst Kohlmeyer und 1 9 4 2 bis 1 9 4 5 Anton Jirku als Dekane folgten. Pfennigsdorfs praktisch-theologischer Lehrstuhl wurde seit Herbst 1936 vom Potsdamer Wehrmachtspfarrer und Berliner Privatdozenten Lie. Dr. Werner Schütz vertreten, der am 1. August 1 9 3 7 als Nachfolger Pfennigsdorfs berufen wurde. 6 Auffällig war die Tendenz, öfters als früher Lehrstühle zunächst nur auftragsmäßig zu besetzen, wobei der Auftrag mitunter erst bei Semesterbeginn erteilt wurde: ein Umstand, der sich bei Vakanzen in wichtigen Fächern auf die Hörerzahl der betreffenden Fakultät ungünstig auswirken konnte, wenn beim Universitätswechsel der Studierenden noch nicht feststand, wer die Vertretung der Disziplin im kommenden Semester wahrnahm. So erhielt nach dem Weggang Karl Barths der Breslauer Systematiker Friedrich Gogarten im Sommersemester 1 9 3 5 den Auftrag zu einer Vertretung in Bonn, ehe er nach Göttingen berufen wurde. 7 Umgekehrt hat Prof. Schmidt-Japing (Bonn) Gogartens Lehrstuhl in Breslau vertreten, während Gogarten vertretungsweise in Bonn las. Solche flexible Vertretungspraxis entsprach dem Kalkül ministeriell gesteuerter Fakultätspolitik. Dieses Konzept laufend kurzfristiger Vertretungen wie auch die ministeriell autoritär gehandhabte Versetzungspolitik brachte eine stärkere zentral gesteuerte Mobilität in die Hochschullandschaft, zumal auch Habilitation und Lehrbefugnis von Privatdozenten im Dritten Reich im Unterschied zu der in der Weimarer Republik üblichen Praxis stärker staatlicher Regelung unterstanden. Restriktiv wirkte sich diese ministeriell gehandhabte Fakultätspolitik besonders darin aus, daß einer beachtlichen Zahl von Privatdozenten die Lehrbefugnis entzogen wurde. 8 Die neue Reichshabilitationsordnung vom 13. Dezember 1934 trennte die Habilitation, deren Zulassung ohne Rücksicht auf den Bedarf an Lehrkräften erfolgte, von der Lehrbefugnis, die den Zugang zur Dozentur ermöglichte. Sie mußte beim Reichswissenschaftsminister eigens beantragt und konnte versagt bzw. entzogen werden. Auch bereits früher Habilitierten konnte die Lehrbefugnis ohne weiteres entzogen werden. Der Zugang zur Dozentur war ohnedies nur nach beamtenrechtlichen Gesichtspunkten möglich, so daß politisch mißliebige oder rassisch stig-

6. 7. 8.

Junge Kirche 4 (1936), S. 1 1 0 9 ; 5 (1937), S. 9 6 0 . Junge Kirche 3 (1935), S. 3 4 0 ; 5 7 9 ; 1 0 4 0 . Vgl. Kap. 4 . „Politische Säuberungen". Auswirkungen des Berufsbeamtengesetzes.

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Besetzungspolitik

355

matisierte Privatdozenten in ihrer wissenschaftlichen Karriere gefährdet waren. 9 Der Entzug der Lehrbefugnis hatte auch kirchenpolitische Implikationen. Die meisten dieser Privatdozenten, die der Lehrbefugnis verlustig gingen, wußten sich der Bekennenden Kirche verpflichtet oder galten als bekenntniskirchlich orientiert. Der Zusammenhang der ministeriellen Hochschulpolitik gegenüber den evangelisch-theologischen Fakultäten mit der nationalsozialistischen Kirchenpolitik wurde auch hier sichtbar. Da die theologischen Fakultäten als staatliche Einrichtungen des Universitätswesens der konfessionellen Ausbildung von Pfarrern dienten, hatte die kirchenpolitische Entwicklung jener Jahre auch ihre Auswirkung auf die Berufungspolitik und wirkte sich auch bei Versetzungen von Professoren an andere Fakultäten aus. Eine deutschchristliche kirchenpolitische Orientierung war zunächst bei Berufungen durchaus förderlich; daneben spielte natürlich auch SA- oder NSDAP-Zugehörigkeit eine Rolle: wichtig war eine günstige politische Beurteilung durch NS-Dienststellen, so auch durch den NS-Dozentenbundsführer der Universität. Ein Zusammenhang mit der Kirchenpolitik wurde auch darin sichtbar, daß später bei Berufungsvorgängen oft das Argument ins Spiel gebracht wurde, der zu Berufende habe sich vom kirchenpolitischen Streit ferngehalten. Besonders während der Zeit der Kirchenausschüsse von 1 9 3 5 bis 1 9 3 7 , wo die Kirchenpolitik im staatlichen Interesse auf Ausgleich und Beilegung des politisch unerwünschten „Kirchenstreits" zielte, galt die Unterstützung des „Befriedungswerks" des Reichskirchenministers Kerrl bisweilen als Empfehlung. Vor der Berufung stehende Theologen konnten sich in der Regel von Kontakten zum Reichskirchenministerium nützliche Unterstützung erhoffen. Unabhängig von der konkreten kirchenpolitischen Konstellation im einzelnen waren die theologischen Fakultäten vom allgemeinen religionspolitischen Trend des NS-Systems abhängig. Als die auf Gleichschaltung des evangelischen Kirchentums ausgerichteten religionspolitischen Integrationsversuche des NS-Systems durch einen zunächst unterschwelligen Drosselungs- und Ausschaltungstrend abgelöst wurden, wirkte sich das auch fakultätspolitisch aus. So blieben hochschulpolitische Einflußmöglichkeiten der theologischen Fakultäten wichtig. Wesentlich war die fakultätspolitische Durchsetzungsfähigkeit der jeweiligen Dekane, die verschiedentlich über mehrere J a h r e im Amt blieben. Beratungskontakte, die einzelne Hochschullehrer zur Ministe9.

Reichshabilitationsordnung vom 1 3 . Dezember 1 9 3 4 (UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 79).

356

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rialbürokratie besaßen, erwiesen sich nicht selten als relevant für berufungspolitische Entscheidungen. Von Belang war auch das Verhältnis zwischen theologischer Fakultät und jeweiligem Rektor der Universität, ebenso die Beziehung, in der die Fakultätsleitung zum Volksbildungsressort ihrer Landes stand, da in den außerpreußischen Ländern auch nach Gründung des Reichs- und Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung am 1. Mai 1934 die Mitwirkungskompetenz der außerpreußischen Landesregierungen und ihrer Kultusressorts erhalten blieb, so daß auch das Verhältnis der Fakultät zum Reichsstatthalter berufungspolitisch wichtig werden konnte. Die mit Universitätsfragen befaßten Volksbildungsabteilungen der Länderregierungen und bei den nichtpreußischen theologischen Fakultäten der Reichsstatthalter waren anfangs für die Berufungspolitik zuständig. Doch hat das im Frühjahr 1934 neugegründete Reichswissenschaftsministerium die Personalentscheidungen (Berufungsfragen und Besetzungsfragen) bald an sich gezogen. Durch Runderlaß vom 23. Februar 1935 an die Länder wurde die Vereinigung der gesamten Hochschul-Personalpolitik in einer Hand, nämlich im Reichswissenschaftsministerium, als vollzogen bekanntgegeben. Die Hochschulsachbearbeiter der außerpreußischen Länder blieben allerdings in den Dienstweg eingeschaltet; ihnen wurden Entscheidungsrechte für Habilitationen und Promotionen, für Anstellung und Entlassung von Assistenten, für die Erledigung von Urlaubsgesuchen der Professoren usw. belassen. Der Reichswissenschaftsminister war jedoch „allein zuständig für die erstmalige Berufung eines Hochschullehrers in das Beamtenverhältnis und die Einreichung des Ernennungsvorschlags an den Führer und Reichskanzler für die außerpreußischen Länder", eine Regelung, die auf dem Reichsstatthaltergesetz vom 30. Januar 1935 mit Ausführungsverordnung vom 1. Februar 1935 beruhte. Auch die Ernennung zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor, die Erteilung oder Entziehung von Dozenturen und Lehraufträgen, die Anstellung und Entlassung von Lektoren wurden ausschließlich im Reichswissenschaftsministerium bearbeitet. 10 Was die Modalitäten der Besetzungspolitik betrifft, so entging es bereits zeitgenössisch kompetenten Beobachtern der hochschulpolitischen Szenerie nicht, daß „zwischen Versetzung an eine andere Fakultät und Berufung ( . . . ) heute ein im einzelnen Fall nicht unwichtiger Unterschied" bestand: „Von Berufung pflegt man zu sprechen, wenn sie in der früher üblichen Weise auf Vorschlag der Fakultät und mit Zustimmung des Vor10.

Theodor Vahlen, Wissenschaft, S. 7.

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geschlagenen erfolgte; versetzt werden kann man auch gegen seinen und der Fakultät Wunsch." 1 1 Die seit 1933 verstärkt übliche auftragsweise vorläufige Besetzung von Lehrstühlen diente der Aufrechterhaltung des Lehrbetriebs bei Vakanzen in wichtigen Fächern, zumal die definitive Neubesetzung beim Vorliegen oft gegensätzlicher fakultätspolitischer Wünsche und Interessen längere Zeit beanspruchte. Hatte an den preußischen Universitäten (außer Berlin) der Unterschied zwischen außerordentlichen und ordentlichen Professuren großenteils aufgehört, so verstärkte sich jetzt wieder die Tendenz, jüngere Wissenschaftler oft wieder zu beamteten außerordentlichen Professoren zu ernennen, offensichtlich auch aus stellenpolitischen Gründen. Dabei kam es gelegentlich auch zum Übergang vom nichtbeamteten zum beamteten außerordentlichen Professor, auf Antrag der Fakultät. Konnte doch die Wirksamkeit von Privatdozenten, nichtbeamteten außerordentlichen Professoren und Honorarprofessoren durchaus die Anziehungskraft der einzelnen Fakultät erhöhen. Von der Regel, daß Privatdozenten nach sechs Dienstjahren zum nichtbeamteten Professor ernannt werden, wurde übrigens von den Fakultäten gelegentlich argumentativ Gebrauch gemacht. 1 2 Die theologischen Fakultäten ließen ihre personalpolitischen Interessen gegenüber dem Reichswissenschaftsministerium auch durch den Präsidenten des Evangelisch-theologischen Fakultätentags vertreten, besonders dann, wenn sie sich davon eine zusätzliche Unterstützung versprachen. Der Alttestamentler Prof. D. Hans Schmidt (Halle), von 1929 bis 1945 als Präsident des Evangelisch-Theologischen Fakultätentages tätig, hat sich immer wieder für vertretbar und durchsetzbar erscheinende besetzungspolitische Wünsche der theologischen Fakultäten beim Reichswissenschaftsministerium eingesetzt. Naturgemäß wurde er auch umgekehrt für die Umsetzung ministerieller Anliegen in Anspruch genommen. 1 3 Doch ist auch das Gewicht von Beratungskontakten einzelner Hochschulprofessoren nicht nur zum Reichswissenschaftsministerium, sondern auch zu anderen mit Universitätsfragen befaßten Stellen des NS-Systems gerade in der Berufungspolitik nicht zu übersehen, wie

11. 12. 13.

Hermann Mulert, Theologische Fakultäten seit 1933. Sp. 829. Ebd. S. 828 f. Die Akten des Vorsitzenden des Ev. Fakultätentages Prof. D. Hans Schmidt (UA Halle) belegen diese amtlichen Kontakte zur Durchsetzung von Fakultätsinteressen der Universitätstheologie auch in der Berufungspolitik. Zur Person vgl. Gerhard Wallis, Hans Schmidt (1877-1953).

358

Zur Berufungs- und Besetzungspolitik

die fakultätspolitischen Ambitionen Prof. Erich Seebergs und anderer in Besetzungsfragen zeigen. Hierbei kamen verschiedentlich rivalitätsgeladene richtungspolitische K ä m p f e zum Austrag. 1 4 Solche Beratungskontakte dienten der Durchsetzung fachspezifisch akzentuierter Berufungs- und Forschungsinteressen, wurden aber auch im Interesse der G e s a m t f a k u l t ä t w a h r g e n o m m e n . Schließlich zielten sie immer stärker darauf, den Bestand der theologischen Fakultäten aufrechtzuerhalten und dabei dem parteiamtlichen Trend zunehmend restriktiver Praxis gegenüber der Universitätstheologie in geeigneter Weise entgegenzuwirken. So finden sich neben dem interessenorientierten Z u sammenwirken einzelner Fakultäten und ihrer D e k a n e , von Professoren und Dozentengruppen auch berufungs- und besetzungspolitisch stark konkurrenzhafte Tendenzen. Gleichzeitig m a c h t sich zunehmend ein richtungspolitisch übergreifendes generelles Interesse an institutioneller und personeller Bestandssicherung der Fakultäten insgemein geltend. Z u diesem facettenreichen G e s a m t k o m p l e x gehört auch die Frage des wissenschaftlichen N a c h w u c h s e s als Berufungspotential der theologischen Fakultäten. Für die im Dritten Reich einsetzende zentrale Steuerung der Berufungspolitik w a r bereits ein Beschluß des preußischen Kultusministers v o m 1 8 . O k t o b e r 1 9 3 3 charakteristisch. 1 5 Darin wurden die Universitätssatzungen in der Weise geändert, d a ß künftig die Erteilung einer Lehrbefugnis ministerieller Z u s t i m m u n g bedurfte. D a die Privatdozenten den N a c h w u c h s im akademischen Lehramt darstellten und eine Berufung zum Professor in aller Regel mit der Berufung in den Beamtenstand verbunden sei, sollten nur noch solche Bewerber zur Habilitation zugelassen werden, die die fachlichen und politisch-weltanschaulichen Voraussetzungen hätten, später Beamte werden zu können. D a nach den beamtengesetzlichen Verfügungen des J a h r e s 1 9 3 3 Nichtarier und mit Nichtariern verheiratete Personen nicht mehr Beamte werden konnten, so erlosch die Lehrbefugnis auch, falls sich ein Privatdozent

„nichta-

risch" verheiratete. 1 6 Der arische Ahnennachweis gehörte künftig zu den obligatorischen Voraussetzungen des Staatsdienstes und wurde zu den 14. 15. 16.

Vgl. Kap. 12. Fakultätspolitische Ambitionen des Seeberg-Kreises. Zentralblatt für die gesamte Unterrichts-Verwaltung in Preußen 75 (1933), Nr. 3 4 0 , S. 2 7 7 f. Ebd. S. 2 7 7 : unter Hinweis auf § 6 des Reichsgesetzes zur Änderung der Vorschriften auf dem Gebiet des allgemeinen Beamten-, Besoldungs- und des Versorgungsrechts vom 30. Juni 1 9 3 3 (RGBl I, S. 433), wonach als preußischer Staatsbeamter nicht berufen werden kann, wer nichtarischer Abstammung oder mit einer Person nichtarischer Abstammung verheiratet

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35 9

Personalakten genommen. Die neuen Personalbogen, die die Hochschullehrer auszufüllen hatten, enthielten die Rubrik des arischen Abstammungsnachweises. Hochschulorganisatorisch wurden Assistenten, Dozenten und Nichtordinarien seit Herbst 1 9 3 3 in der „Dozentenschaft der Universität" pflichtmäßig zusammengefaßt. Ein Erlaß des preußischen Kultusministers Rust, für den der 1 9 3 4 auch als „Rechtswalter der Deutschen Evangelischen Kirche" fungierende Ministerialdirektor August Jäger im preußischen Kultusministerium zeichnete, hatte bereits am 1 1 . Oktober 1 9 3 3 auf diese für alle preußischen Universitäten eingerichtete Standesorganisation der nichtbeamteten Hochschullehrer hingewiesen, die die bisherigen Interessen- und Gruppenvertretungen ablöste. Auch ordentliche Professoren konnten sich der „Dozentenschaft der Hochschule" anschließen. In der Folgezeit wurde die „Deutsche Dozentenschaft" vielfach vom NS-Dozentenbundführer reglementiert oder auch von ihm selbst in Personalunion geleitet. Als „einzige staatliche Organisation des akademischen Nachwuchses" war die „Dozentenschaft" durch den Dozentenschaftsführer in Senat und Fakultätsräten vertreten, während die „Deutsche Studentenschaft" sich besonders der SA-Wehrsportarbeit verpflichtet wußte, aber auch auf die Gestaltung der Wissenschaftsorganisation Einfluß zu nehmen versuchte. Auch der wissenschaftliche Nachwuchs sah sich damals zwangsläufig Indoktrinierungsversuchen und Restriktionen ausgesetzt. Bewerber für die Habilitation mußten neben dem wissenschaftlichen Nachweis durch Habilitationsschrift, Kolloquium und Lehrprobe die politischen Hürden des Wehrsportlagers und der Dozentenakademie nehmen. 1 7 Durch die Reichshabilitationsordnung vom 13. Dezember 1 9 3 4 wurden reichseinheitliche Bestimmungen erlassen. Jetzt galt die Habilitation als eigenständiger akademischer Grad (Dr. habil.), der nicht mehr identisch ist, stellte Rust bereits damals einen Erlaß in Aussicht, der entsprechenden Personen Habilitation und Lehrbefugnis versagte. 17.

UA Göttingen, Theol. Fak., N r . 1 4 6 . Schon am 18. Oktober 1 9 3 3 hatte der preußische Kultusministers Rust verfügt, die Einleitung eines Habilitationsverfahrens setze den Nachweis der Teilnahme an einen Geländesportlager und an einem Kursus der noch zu errichtenden Dozentenakademie voraus. Alle nach dem 3 0 . Januar 1 9 3 3 habilitierten Privatdozenten sollten damals das Geländesportlager bis zum 1. April 1 9 3 4 nachholen. Den übrigen Dozenten wurde im Interesse ihrer späteren Berufung die Teilnahme in den nächsten Semestern dringend empfohlen. Die ersten dieser Lager sollten Anfang Januar 1 9 3 4 beginnen.

360

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war mit der Erlangung der Lehrbefugnis an einer Fakultät, sondern nur als eine Voraussetzung für die Bewerbung um die Lehrberechtigung gewertet wurde. Die Habilitation als Voraussetzung für Lehrbefugnis und Berufung ins akademische Lehramt war jetzt neben der fachlichen Leistung auch von wehrsportlichen, politischen und weltanschaulichen Voraussetzungen abhängig. So kam es für angehende Habilitanden darauf an, Wehrsportlager und Dozentenakademie erfolgreich zu absolvieren. Berichte der Leiter dieser Lager und Lehrgänge ließen sich über weltanschauliche und charakterliche Voraussetzungen des künftigen Privatdozenten aus. Wer in dem als Voraussetzung für die Habilitation erforderlichen obligatorischen Wehrsportlager nicht positiv beurteilt wurde oder beim entsprechendem Lehrgang der Dozentenakademie den politischen Anforderungen nicht zu genügen schien, mußte mit Schwierigkeiten bei seinem weiteren akademischen Fortkommen rechnen. Versuche von Nachwuchswissenschaftlern, auf den Lehrgängen der Dozentenakademie über die Fragen des Verhältnisse von Theologie und „nationalsozialistischem Wissenschaftsbegriff" oder andere zeittypisch aktuelle fachtheologische Zuordnungsprobleme zu sprechen, ergaben sich von daher. 18 Komplizierend trat hinzu, daß den mehr SA-sportlich ausgerichteten Lagerleitern im Wehrsportlager, aber natürlich auch den theologisch nicht orientierten Lehrgangsleitern der Dozentenakademie nicht nur die spezielle Fachkompetenz, sondern mitunter auch die Orientierung darüber fehlte, ob und wie die - meistens nur ein oder zwei - Theologen im Kreise der übrigen (etwa 30 bis 40) Privatdozenturanwärter anderer Fachrichtungen weltanschaulich 18.

Nicht als Vortrag auf der Dozentenkademie, sondern als klärendes Positionspapier für den Dozentenführer der Universität Heidelberg dürften die „Gedanken über Sinn und Aufgabe der Theologischen Fakultät innerhalb der nationalsozialistischen Hochschule", masch. MS, 8 S., undatiert (1938/39?), zu verstehen sein, die von Lie. Dr. Helmut Thielicke als Dozent in Heidelberg möglicherweise im Zusammenhang mit seiner allerdings fehlgeschlagenen Berufung konzipiert wurden (UA Heidelberg H-I-349, PA Thielicke). Die „angebliche Konkurrenzbeziehung von Christentum und Nationalsozialismus als zweier Weltanschaungen" beruhe auf einem falschem Christentumsverständnis: „Das Christentum in seinem reformatorischen Verständnis enthält kein politisches Programm, sondern ist ein Ruf zur Entscheidung an die Menschen der nach politischen Programmen organisierten Welt." Analog wird die mögliche, wenngleich spannungsreiche Einordnung der theologischen Fakultät in die Universität im Dritten Reich theologisch und politisch aspektreich aufgewiesen.

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Besetzungspolitik

361

eingestuft oder wie sie sonst politisch-weltanschaulich beurteilt werden könnten. So dürfte es vielfach bei der „charakterlichen" Beurteilung des Habilitationsbewerbers, seines „kameradschaftlichen" Verhaltens im Lager geblieben sein, ergänzt durch mehr oder weniger banal wirkende Bemerkungen über die politisch-ideologische Einstellung des Habilitationsbewerbers zum NS-Staat oder zur „nationalsozialistischen Weltanschauung". Das alles war natürlich abhängig von dem geistigen Horizont und der menschlich unterschiedlichen Einstellung des für die Beurteilungen zuständigen Leiters der Dozentenakademie auch gegenüber Kirche und Theologie. In der Regel konnte nur der mehr oder weniger unbeanstandet den Lehrgang passieren, der sich den Verhältnissen entsprechend darzustellen vermochte und nicht weiter negativ auffiel. 1 9 Zur argumentativen Durchsetzung von Interessen der Habilitanden (Gewährung des Privatdozentenstipendiums, Erteilung von honorierten Lehraufträgen, Anträgen auf Ernennung u.a.) haben Dekane, wo sie es für erforderlich hielten, neben der fachlichen Einschätzung auf die erfolgreiche Absolvierung der Dozentenlager durch den betreffenden Privatdozenten betont hingewiesen. Zur Charakterisierung der politischen Atmosphäre von Gelände- und Wehrsportlager und besonders der Kurse der Dozentenakademie, deren Indoktrinierungsdruck einzelne theologische Teilnehmer interessant und anschaulich schildern, sei aus dem Nachkriegsbericht eines Nichttheologen zitiert: 2 0 „Am schwersten war es für den eigentlichen wissenschaftlichen Nachwuchs, ohne Vergewaltigung des Gewissens und Zerbrechens der Persönlichkeit zum akademischen Lehramt zu gelangen. Wurde die Habilitationsschrift angenommen, so scheiterten viele jüngere Wissenschaftler an den sogenannten Dozentenlagern, welche ursprünglich mit dem Ziele politischer Überwachung eingerichtet wurden, sich aber im Laufe der Zeit in völlig anderem Sinne entwickelten. In vierwöchigen Kursen wurden monatlich etwa 5 0 Bewerber um die Dozentur aus allen Fakultäten durch das Reichskultusministerium zusammengerufen. Die Kurse fanden

19.

Zur mißlichen Situation und Atmosphäre von Wehrsportlager und Dozentenakademie als Voraussetzungen für Habilitation und Neuberufung im Dritten Reich vgl. W . Trillhaas, Aufgehobene Vergangenheit, S. 1 6 2 - 1 6 9 .

20.

Vgl. den Artikel von Prof. J. Werner: Zur Lage der Geisteswissenschaften in Hitler-Deutschland, in: Schweizerische Hochschulzeitung 19 ( 1 9 4 5 / 4 6 ) , 2. Heft, S. 7 1 - 8 1 ; hier S. 7 6 f. zur Situation des Dozentenlagers (Dozentenakademie).

362

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bis 1938 in einem kleinen Landschloß in Thüringen statt und wurden jeweils von einem Hochschulprofessor geleitet, von dessen politischer Einstellung die Beurteilung der einzelnen Teilnehmer weitgehend abhing. War die Leitung vernünftig, so hatten die jungen angehenden Dozenten von diesem Zusammensein großen Gewinn, denn jeder war verpflichtet, aus seinem Fachgebiet einen für alle verständlichen Vortrag zu halten, an den sich Diskussionen anschlossen, die auf vielen Spaziergängen noch vertieft wurden. Manch junger Theologe hat hier wacker seinen Mann gestanden. ( . . . ) Wer unauffällig und mit Glück die Klippe dieses Lagers umschiffte, konnte mit einer Dozentur rechnen und war fernerhin vor politischer Überwachung frei, konnte sogar den Eintritt in den Dozentenbund der Partei vermeiden." Im Gefolge der seit 1 9 3 7 sich stärker abzeichnenden weltanschaulichen Distanzierungstendenz der NSDAP von Christentum und Kirche, die auch die SA-und Parteizugehörigkeit von Theologen parteioffiziell in Frage stellte, ist schließlich noch vor Kriegsbeginn darauf verzichtet worden, Theologen für die Dozentenlager heranzuziehen, obschon die Beteiligung daran als Voraussetzung für Habilitation und Hochschulkarriere galt. Dieses Dilemma ergab sich daraus: Nach dem Runderlaß des Reichswissenschaftsministeriums vom 24. Juni 1938 war zwar der Besuch eines dreiwöchigen Lehrgangs des Reichsbeamtenlagers in Bad Tölz (anstelle des geschlossenen Dozentenlagers in Tännich/Thür.) Voraussetzung für jede Berufung zum Hochschullehrer. 21 Andererseits wurde unter dem 2 1 . Januar 1 9 3 9 verfügt, daß nach den Richtlinien des Stellvertreters des Führers Theologen beider Konfessionen zu Reichsbeamtenlagern nicht mehr einzuberufen seien. Die theologischen Fakultäten sahen in der Ausgrenzung des wissenschaftlichen Nachwuchses vom Reichsbeamtenlager eine „verhängnisvolle Schwierigkeit" für die Berufung von jungen Theologen in ein akademisches Lehramt. Befürchtungen kamen auf, die politische Ausgrenzung des theologischen Nachwuchses werde langfristig zu einer Aus21.

Der Runderlaß des Reichswissenschaftsministeriums vom 2 4 . Juni 1 9 3 8 besagte, dem Stellvertreter des Führers werde für alle höheren Beamten als Grundlage seiner Zustimmung entsprechend dem Führererlaß über Ernennung von Beamten vom 10. Juli 1 9 3 7 und als Grundlage der dafür notwendigen Beurteilung die Teilnahme an einem dreiwöchigen Beamtenlager in Bad Tölz dienen. Das Lager in Tännich (Thür.) sei geschlossen (UA Göttingen, Theol. Fak, Nr. 147, Bl.1-3).

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Besetzungspolitik

363

trocknung der theologischen Fakultäten führen. Als Dekan der Göttinger Fakultät hat Prof. Emanuel Hirsch am 3. Februar 1 9 3 9 den Reichswissenschaftsminister Rust gebeten, diese Richtlinien zu ändern, deren „vom Ministerium nicht beabsichtigtige Folge ( . . . ) die Zerstörung der evangelisch-theologischen Fakultäten" sein werde. 2 2 Die zeitgenössische Korrespondenz zwischen Fakultäten und Ministerialbürokratie wie auch mit NS-Parteistellen war voll von diesen Problemen. 2 3 Für die besetzungspolitischen Verhältnisse an den 1 7 evangelischtheologischen Fakultäten ist kennzeichnend, daß die kultusministeriellen Eingriffe in den Personalbestand zunächst durch das Berufsbeamtengesetz vom 7. April 1 9 3 3 und seine Ausdehnung auf die Universitäten und Hochschulen durch die Durchführungsverordnung vom 6 . M a i 1 9 3 3 ins Werk gesetzt wurden. Dieses Gesetz, das die Voraussetzung einer im nationalsozialistischen Sinne erfolgten „politischen Säuberung" der Hochschullandschaft bedeutete, führte bereits - wie im Kapitel über die „Auswirkungen des Berufsbeamtengesetzes" näher ausgeführt - zu Aufsehen erregenden Entlassungen und Zwangspensionierung einer Reihe bekannter Theologen an Universitäten und pädagogischen Hochschulen. Dabei wurden zumeist solche betroffen, denen aktive parteipolitische Betätigung innerhalb republikanischen Parteien, insbesondere der Sozialdemokratie, nachzuweisen war. Im Gefolge der weiteren Entwicklung sah sich auch der wissenschaftliche Nachwuchs an den theologischen Fakultäten verschiedentlich zum Verzicht auf eine akademischen Karriere genötigt, vor allem, wenn er sich stärker an bruderrätliche Kreise der Bekennenden Kirche orientiert hatte und nicht mit der Fürsprache etablierter und zugleich durchsetzungsfähiger Universitätstheologen, etwa seiner akademischen Lehrer, rechnen konnte. Die ministeriell zentral gesteuerte Berufungspolitik hat die Fakultätslandschaft der dreißiger Jahre in ihren Veränderungen charakteristisch geprägt. Für die ersten Jahre des Dritten Reiches ergibt ein vergleichender Überblick (1. September 1 9 3 6 ) über die Veränderungen an den evangelisch-theologischen Fakultäten seit 1 9 3 3 folgendes Bild: Tübingen, Erlangen, Rostock konnten ihren Bestand unverändert erhalten, während von den preußischen Fakultäten Bonn und Kiel völlig umgestaltet und bis 1 9 3 7 ganz neu besetzt waren. Zwischen den drei bis 1 9 3 6 unveränderten Fakultäten Tübingen, Erlangen, Rostock und den völlig umgestalteten 22.

UA Göttingen, Theol. Fak., N r . 1 4 6 .

23.

Vgl. Kap.

14.

sitätstheologie.

Vom Weltanschauungs-

und Existenzkampf

der Univer-

364

Zur Berufungs- und Besetzungspolitik

Fakultäten B o n n und Kiel steht das M a ß personalpolitischer Veränderungen der übrigen. Z u den preußischen Fakultäten, die bis 1 9 3 6 eine vergleichsweise stärkere personelle Umgestaltung erfuhren, gehörten Göttingen, M ü n s t e r , Königsberg, Berlin, Breslau, die sich in mehr als der Hälfte ihres Bestandes veränderten. Weniger durchgreifend verändert waren bis dahin Heidelberg, J e n a , Leipzig, Gießen, Halle, M a r b u r g ,

Greifswald,

die mehr als die Hälfte ihres Bestandes behielten. 2 4 D o c h k a m es in J e n a durch die Berufung von Walter G r u n d m a n n und Erich Eisenhuth schon kurz darauf zu einer Verschiebung der Besetzungsverhältnisse. Es zeigt sich: Die bis 1 9 3 6 unverändert gebliebenen Fakultäten waren nichtpreußische, die ganz neu besetzten waren preußische Fakultäten. Ebenso befanden sich unter den weniger veränderten alle anderen nichtpreußischen, während die stärker veränderten preußische Fakultäten waren. Abgesehen davon, d a ß die Z a h l der Todesfälle und der altersgemäßen Entpflichtungen bei den preußischen Fakultäten größer war, hat offensichtlich eine Rolle gespielt, daß die bisherigen Besetzungsverhältnisse an preußischen Fakultäten größeren Anlaß zu personalpolitischen R e s t r i k t i o n s m a ß n a h m e n boten als anderwärts. Als weniger belangvoll für diesen unterschiedlichen Sachverhalt galt die Tatsache, d a ß 1 9 3 3 / 3 4 die außerpreußischen Unterrichtsverwaltungen noch ihre Selbständigkeit hatten, während seit M a i 1 9 3 4 das mit dem preußischen Kultusministerium vereinigte Reichs- und preußische Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung bestand, das während des Dritten Reiches dem bereits 1 9 3 3 zum preußischen Kultusminister berufenen N a t i o n a l sozialisten Bernhard R u s t unterstand. D e m Reichswissenschaftsministerium als Reichsbehörde waren nunmehr auch die übrigen Kultus- und Unterrichtsverwaltungen der gleichgeschalteten Landesregierungen unter dem jeweiligen Reichsstatthalter zugeordnet. Zeitgenössischer B e o b a c h tung stellten sich 1 9 3 6 die Dinge vielmehr so dar, daß die Kultusbehörde offenbar bei den preußischen Fakultäten mehr Anlaß gefunden habe, umbildend einzugreifen: 2 5 „In der T a t sind religiöse Sozialisten, gegen die sich der N a t i o n a l sozialismus entschieden wandte, nur in Preußen Theologieprofessoren gewesen: Barth, D e h n , Piper, K . L. Schmidt; Tillich, der in Frankfurt Philosophie lehrte, ist hinzuzurechnen. Auch die Kirchenkämpfe haben hineingespielt, von denen Bayern und W ü r t t e m b e r g nur kurze Zeit stärker berührt wurden; Schmitz und K . D. Schmidt, die in den Ruhestand ver24.

H . Mulert, Fakultäten seit 1 9 3 3 , Sp. 8 2 8 - 8 3 2 : hier: 8 3 1 f.

25.

Ebd.

Fallstudien

zu Bonn,

Kiel, Berlin und

Breslau

365

setzt wurden, waren als Führer der Bekennenden Kirche hervorgetreten. Maßregeln wie gegen die Genannten sind im Verlaufe des letzten Jahres nicht mehr erfolgt. Die kirchlichen Kämpfe sind in einem großen Teil Deutschlands heute weniger heftig." Die zusammenfassende Behandlung der berufungspolitischen Einzelvorgänge an den einzelnen evangelisch-theologischen Fakultäten im Dritten Reich, der Umschichtungen im Lehrkörper und der unterschiedlich wechselnden personellen Zusammensetzung der einzelnen Fakultäten kann nicht Aufgabe vorliegender Arbeit sein. Ihre Darstellung würde den Umfang eines Studienbuches beträchtlich überschreiten. Im weiteren Forschungsverlauf wird sich auf der Grundlage vorhandener und noch zu leistender fakultätsgeschichtlicher Untersuchungen auch das berufungsund besetzungspolitische Thema zu einem integrativen Gesamtbild verdichten. Hier soll lediglich exemplarisch auf besetzungspolitische Auswirkungen an vier preußischen Fakultäten (Bonn, Kiel, Berlin und Breslau) hingewiesen werden, deren Lehrkörper binnen weniger Jahre nahezu vollständig oder doch - wie im Falle von Berlin und Breslau - weitgehend umgestaltet wurden.

Bonn In der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn veränderte sich der Lehrkörper, der 1 9 3 3 sieben ordentliche Professoren und einen Honorarprofessor aufwies, im Laufe von drei Jahren so nachhaltig, daß eine völlig neue, tendenziell deutschchristlich geprägte Fakultät entstand, auch wenn die organisatorische Verbindung mit der in ihrem Einfluß stark zurückgegangenen DC-Bewegung unter Dr. Kinder und Rehm seit 1 9 3 4 / 3 5 faktisch keine Rolle mehr spielte. Als im Januar 1 9 3 6 die bekenntniskirchliche Zeitschrift „Junge Kirche" darauf hinwies, nach dem Ausscheiden aller der Bekennenden Kirche angehörenden Professoren sei die Bonner Evangelisch-Theologische Fakultät zu einer rein deutschchristlichen Fakultät geworden, versuchte Dekan Pfennigsdorf zwar, dies dadurch zu dementieren, daß die Mehrzahl des Lehrkörpers, nämlich vier Professoren, der DC-Bewegung mitgliedsmäßig nicht zugehörten. 2 6 Indes war unübersehbar, daß die noch 1 9 3 3 erheblich von der dialektischen

26.

Junge Kirche 4 ( 1 9 3 6 ) , S. 7 9 ; S. 2 3 8 .

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und

Besetzungspolitik

Theologie dominierte Fakultät bereits nach zwei Jahren völlig umgestaltet war. Emil Pfennigsdorf, vor dem Ersten Weltkrieg langjährig anhaltischer Oberpfarrer, seit 1913 Ordinarius für praktische Theologie und Apologetik in Bonn, war 1933 zum Dekan gewählt worden. Unter seinem Dekanat veränderte sich der Lehrkörper nahezu völlig. Als erster wurde der Neutestamentier Karl Ludwig Schmidt vom Berufsbeamtengesetz betroffen. Früher Professor in Gießen und Jena, seit 1929 in Bonn, wurde er wegen Zugehörigkeit zur SPD zunächst beurlaubt und noch im September 1933 aus dem Staatsdienst entlassen. 27 Ahnlich erging es dem sozialdemokratisch betont aktiven Prof. Fritz Lieb, der sich bereits Sommer 1933 studentischem Boykott ausgesetzt sah. Karl Barth, früher in Göttingen und Münster, seit 1930 in Bonn, war - obwohl Sozialdemokrat - als Schweizer zunächst im Dienst belassen worden. Doch bot unter anderem die Forderung eines einschränkenden Zusatzes zum Beamteneid den Anlaß zum Disziplinverfahren gegen Barth. Im Juni 1935 hat ihn Reichswissenschaftsminister Rust zwangspensioniert. 2 8 Alle drei verließen Deutschland und wurden an der Universität Basel tätig. Friedrich Horst, dem langjährigen Privatdozenten und Stiftsinspektor, seit 1930 außerplanmäßiger Professor für Altes Testament, wurde 1935 die Lehrbefugnis entzogen; er wurde entlassen. Auch Lie. Hermann Schlingensiepen aus Elberfeld, Privatdozent für Praktische Theologie, verlor die Venia legendi; er wurde danach vorübergehend Seminardirektor beim Auslandsseminar der Deutschen Evangelischen Kirche in Ilsenburg (Harz) und später Pfarrer in Siegen. 29 Der vakante neutestamentliche Lehrstuhl Karl Ludwig Schmidts wurde seit dem Wintersemester 1934/35 mit Ethelbert Stauffer besetzt, der vorher mehrere Jahre als Privatdozent in Halle tätig war. Durch das am 21. Januar 1935 in Kraft getretene Hochschullehrergesetz, daß dem Reichswissenschaftsministerium die Versetzung von Hochschullehrern ermöglichte, wurden weitere Professoren von Bonn abgezogen. Dekan Pfennigsdorf blieb 1935 als einziger Ordinarius vom Bestand übrig, den die Fakultät Anfang 1933 gehabt hatte. Nach Uber27. 28. 29.

K. L. Schmidt war nach seiner Entlassung in Bonn Pfarrverweser in Lichtensteig b. St. Gallen, ab 1935 (bis 1953) Professor in Basel. Vgl. E. Busch, Karl Barths Lebenslauf, S. 268-275; Hans Prolingheuer, Der Fall Karl Barth, passim. Η. Schlingensiepen wurde 1945 als o. Prof. für praktische Theologie in Bonn restituiert; 1952 Ephorus der Kirchlichen Hochschule Wuppertal.

Fallstudien

zu Bonn,

Kiel, Berlin und

Breslau

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schreitung der Altersgrenze (Jahrgang 1 8 6 8 ) wurde die Verlängerung seines Lehrauftrags 1 9 3 6 mit „Verdiensten um den Neuaufbau seiner Fakultät" begründet. 3 0 Solche Verlängerungen waren nach dem neuen Emeritierungsgesetz möglich, wenn zwingende Hochschulinteressen, hier der völlige Umbau des Lehrkörpers, dies erforderten. Tatsächlich waren in Bonn die Auswirkungen der ministeriellen Versetzungspolitik besonders eklatant. Prof. Ernst Wolf, früher Privatdozent in Rostock und Tübingen, seit 1 9 3 1 Ordinarius für Historische Theologie in Bonn, theologisch von Barth geprägt, betont bekenntniskirchlich ausgerichtet, wurde 1 9 3 5 nach Halle zwangsversetzt, wo er Kirchengeschichte und Christliche Archäologie lehrte. Sein Lehrstuhl ging der Bonner Fakultät später verloren. Prof. Hans Emil Weber, Ordinarius für Neues Testament und Systematische Theologie in Bonn seit 1 9 1 3 , wie auch Professor Wilhelm Goeters, Ordinarius für reformierte Kirchengeschichte seit 1 9 1 9 , wurden in gleicher Eigenschaft nach Münster versetzt. Hans Emil Weber konnte nach der Zwangs Versetzung seine Tätigkeit in Münster nur noch kurze Zeit ausüben; zunächst auf seinen neutestamentlichen Lehrauftrag beschränkt, wurde er 1 9 3 7 zwangsemeritiert. Auch innerhalb der alttestamentlichen Diszplin drehte sich das Versetzungskarussell. Prof. Gustav Hölscher, Ordinarius seit 1 9 2 9 in Bonn, wurde 1 9 3 5 nach Heidelberg versetzt. An seine Stelle trat in Bonn der Breslauer Alttestamentler Prof. Anton Jirku, ehedem in Breslau Dekan. Hölscher nahm seinen Lehrstuhl in Bonn noch im Sommersemester 1 9 3 5 wahr, da Jirku als sein Nachfolger in Greifswald vertreten mußte und erst zum Wintersemester nach Bonn kam. Nachfolger Ernst Wolfs in Bonn wurde Prof. Ernst Kohlmeyer, seit 1 9 2 9 Kirchenhistoriker in Halle, früher in Kiel und Breslau. Als Nachfolger des nach Münster versetzten Hans Emil Weber wurde Hans-Wilhelm Schmidt nach Bonn geholt, der erst 1 9 3 4 vom Dozenten an der Theologischen Schule in Bethel zum Professor in Münster berufen worden war. 3 1 Die gespannte Atmosphäre an der Bonner evangelisch-theologischen Fakultät, die sich aus den kirchenpolitischen Kämpfen der Jahre 1 9 3 3 / 3 4 ergab, wurden an Pfennigsdorfs Eintragung vom 19. Dezember 1 9 3 4 im Protokollbuch der Fakultät deutlich. Beschlüsse der Dahlemer 30.

Junge Kirche 3 ( 1 9 3 5 ) , S. 3 8 4 .

31.

Vgl. Bericht Stauffers als Dekan vom 1 8 . Juni 1 9 4 5 an die Rechtskommission der Universität (AEFB Best. Ni).

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Zur Berufungs-

und

Besetzungspolitik

BK-Synode vom 19./20. November 1934 ließen studentische Boykottmaßnahmen befürchten. Barth habe die weitere Beteiligung an den Universitätsgottesdiensten mit Hinweis auf die Dahlemer Bekenntnissynode abgelehnt. Unter den Studierenden der Theologie kam es zu einer Boykottbewegung, die sich namentlich gegen Dekan Pfennigsdorf und auch gegen Lie. Stauffer richtete, der als Privatdozent für Neues Testament in Halle den neutestamentlichen Lehrstuhl in Bonn vertrat, ehe er Herbst 1934 als Nachfolger des dienstentlassenen Karl Ludwig Schmidt berufen wurde. Im gleichen Zusammenhang wurde im Herbst 1 9 3 4 versucht, „einen Riß in die unter der Leitung von Privatdozent Dr. SchmidtJaping stehenden Morgendandachten zu tragen". Schmidt-Japing war mit der Weiterführung der bereits begonnenen Vorlesung Barths im Sommersemester 1934 betraut und sah sich starken Anwürfen studentischer Barth-Anhänger ausgesetzt. Hatten auch sonst manche Hochschullehrer solche Boykottsorgen, so waren sie doch in Bonn damals besonders ausgeprägt. Selbst die Korrespondenz Pfennigsdorfs, die er 1936 mit seinem vorgesehenen Nachfolger auf dem praktisch-theologischen Lehrstuhl, dem Potsdamer Armeeoberpfarrer und Berliner Privatdozenten Lie. Werner Schütz, vor dessen Berufung darüber führte, zeigt das eindrücklich. Pfennigsdorf versuchte sich zu vergewissern, daß Schütz etwaigen Boykottbestrebungen bekenntniskirchlicher Studenten gegenüber anderen Kollegen in Bonn keinen Vorschub leisten werde. Schütz hat das im Interesse seiner anstehenden Berufung nach Bonn auch versprochen und sich dabei nachdrücklich zum staatlichen Universitätsstudium von Theologen bekannt und betont, er lehne die Gründung von theologischen Ausbildungsstätten ohne staatliche Genehmigung ab. Auf besorgte Anfragen Pfennigsdorfs erläuterte Schütz, warum er bei einer Fakultätssitzung in Berlin davon abgeraten hatte, in eine dort geplante Stellungnahme gegen bekenntniskirchliche Ausbildungsstätten auch konkrete Anregungen an die Staatsbehörde (polizeiliche Schließung, Verhaftung der Veranstalter usw.) aufzunehmen. Eine gemeinsame Stellungnahme der Berliner Fakultät sei u. a. an dem Protest Professor Deißmanns gescheitert, der sich von der Anregung konkreter polizeilichen Maßnahmen gegen bekenntniskirchliche Ausbildungsstätten distanzierte. 32 Die Haltung von Schütz war Pfennigsdorf offensichtlich so hinterbracht worden, daß die Begünstigung studentischer

32.

Pers.-Akte Schütz, Sehr. Schütz am 1. Januar 1 9 3 6 auf Anfrage Pfennigsdorfs vom 20. Dezember 1935.

Fallstudien zu Bonn, Kiel, Berlin und Breslau

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Boykottierungstendenzen bei seiner Berufung nach Bonn nicht ausgeschlossen schien. 3 3 Überhaupt war bei der B o n n e r Berufungspolitik der Plan einer h o m o genen, tendenziell deutschchristlich orientierten F a k u l t ä t vorherrschend, die den bekennntniskirchlichen Einfluß des rheinischen Provinzialbruderrats auf die Studentenschaft Paroli bilden könne. Das zeigte sich auch bei der Versetzung Prof. H a n s Emil Webers nach Münster, die fakultätsseitig beim Reichswissenschaftsministerium angeregt worden war. N a c h schriftlicher Verständigung mit den Professoren Pfennigsdorf, Kohlmeyer und Stauffer schrieb Prof. J i r k u als stellvertretender D e k a n a m 1 5 . Juli 1 9 3 5 an den Reichswissenschaftsminister: D a ß H a n s Emil Weber (Bonn) durch Prof. Hans-Wilhelm Schmidt in M ü n s t e r (oder auch durch Prof. Friedrich-Wilhelm Schmidt, der aber damals in M ü n s t e r blieb) ersetzt werde, könne die B o n n e r Fakultät nur freudig begrüßen, „allein schon deshalb, weil die Fakultät die Entfernung der Herren Weber und Horst aus nationalpolitischen Gründen einfach für notwendig e r a c h t e t . "

Es

wurde auch der W u n s c h vorgetragen, Barths Lehrstuhl durch Erich Seeberg zu besetzen, der jedoch den R u f nach Bonn nicht a n n a h m , o b w o h l er damals immer wieder einmal mit dem Gedanken spielte, wegen der Auseinandersetzungen in Berlin an eine andere Fakultät zu wechseln, übrigens auch, gegebenenfalls von der Kirchengeschichte auf einen Lehrstuhl für systematische T h e o l o g i e überzugehen. Bezeichnend waren die Schlußbemerkungen des Schreibens J i r k u s : 3 4 „ W i r können hier in B o n n nur Professoren brauchen, die ein inneres Verhältnis zum Nationalsozialismus haben, um mit dem Erbe Karl Barths und seines Kreises restlos aufräumen zu können. Die von außen in die B o n n e r Studentenschaft hineingetragene Bewegung gegen die nationalsozialistischen Professoren hat schließlich auch nicht vor der Person des Führers und der Partei haltgemacht, wofür ich Beweise anführen kann. N u r eine homogene Fakultät wird in der Lage sein, dem in der sogenannten Bekenntnisfront vereinigten K o n g l o m e r a t von R e a k t i o n , Liberalismus und rheinischem Separatismus erfolgreich entgegenwirken zu k ö n n e n . "

33.

34.

Daß W. Schütz diesen fakultätspolitischen Kurs im Zusammenhang mit seiner Berufung 1 9 3 6 akzeptierte, vereitelte u. a. seine 1 9 5 2 angestrebte Restitution in Bonn (AEFB, Pers.-Akte Werner Schütz; Dekan Ernst Bizer an Kultusministerium Nordrhein-Westfalen Düsseldorf, Sehr, vom 26. Mai 1952). Zitiert im Bericht des Dekans Ernst Bizer vom 5. Mai 1 9 5 0 (AEF Bonn, in: Pers.-Akte Schmidt-Japing).

370

Zur Berufungs-

und

Besetzungspolitik

Ein weiteres Beispiel für die Modalitäten damaliger Bonner Besetzungspolitik bot die Berufung des systematischen Theologen Prof. Johann-Wilhelm Schmidt-Japing. 35 Am 4. Mai 1935 hatte der Bonner Kurator auf ministerielle Weisung die Fakultät dazu aufgefordert, für die Nachfolge Karl Barths Ersatzvorschläge einzureichen und sich dabei auch über den nichtbeamteten außerordentlichen Professor SchmidtJaping zu äußern." 3 6 Es wurden dabei von der Fakultät Georg Wehrung (Tübingen), Erich Seeberg (Berlin), J . W. Schmidt-Japing (Bonn), Robert Winkler (Breslau), Walter Ruttenbeck (Bonn), Rudolf Hermann (Greifswald) und Adolf Köberle genannt. Dekan Pfennigsdorf hob aus diesen Namen Erich Seeberg (Berlin) und Georg Wehrung (Tübingen), pari passu, in zweiter Linie Robert Winkler (Breslau) und Schmidt-Japing hervor; bei letzteren mit der Einschränkung, daß in seinem Falle eine Berufung in eine andere Fakultät günstiger wäre; Pfennigsdorf sprach sich empfehlend auch für Prof. Walter Ruttenbeck aus, der - langjährig Privatdozent - 1 9 3 0 ao. Professor geworden war. Er wurde erst 1 9 3 9 als außerplanmäßiger Professor ins Beamtenverhältnis übernommen und hat als Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät während des Zweiten Weltkrieges zusammen mit Prof. Hans Barion, dem Dekan der Katholisch-theologischen Fakultät in Bonn, das theologische Fernstudium organisiert. 37 Fakultätspolitisch interessant ist auch die Begründung der Voten, die nach der Fakultätssitzung formuliert wurden: Jirku, Kohlmeyer und Stauffer nannten Erich Seeberg uni loco: Von einer Nennung Wehrungs hätten sie nach reichlicher Überlegung Abstand genommen: „So sehr er als Mensch und Gelehrter andere überragt, erscheinen uns die kirchenpolitischen Folgen einer Berufung Wehrungs gerade auf diesen Lehrstuhl in der augenblicklichen Situation als nicht übersehbar." Um ihrer Pflicht zur Loyalität zu genügen, wiesen sie noch auf drei jüngere Kollegen hin, „deren wissenschaftliche und persönliche Eignung neben ihrer erprobten Einstellung zum Dritten Reich anerkannt werden soll: Prof. Ruttenbeck, Bonn, Prof. Schmidt-Japing, Bonn, Prof. R. Winkler, Breslau. Die „schweren Anforderungen, die gerade der zu besetzende Lehrstuhl

35. 36. 37.

Nach Protokollauszügen in E. Bizers Bericht über W. Schmidt-Japing vom 5. Mai 1 9 5 0 (AEFB, Pers.-Akte Schmidt-Japing). AEF Bonn, Berufungsakte, Systematische Theologie; Protokollbucheintrag der Fakultät vom 2 5 . Mai 1935. H. Faulenbach, Theologisches Fernstudium.

Fallstudien zu Bonn, Kiel, Berlin und

Breslau

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stellt, veranlaßten sie aber, sich auf die Nennung Erich Seebergs zu beschränken". Das Einzelvotum Rettenbecks vom 2 9 . M a i 1 9 3 5 favorisierte allerdings Wehrung. Schmidt-Japing besitze hingegen „eine solche Anpassungsfähigkeit an andere theologische Meinungen, daß sich seine eigene theologische Anschauung selbst in verhältnismäßig kurzem Zeitraum so gewandelt hat, daß es nicht leicht ist, die gerade Linie aufzuzeigen." Hinweise auf einige Aufsätze Schmidt-Japings von 1 9 3 0 bis 1 9 3 3 sollten dessen theologische Wandlungen von Prof. Erik Peterson, der 1 9 3 0 zur katholischen Kirche übergetreten war, zu Barth zu belegen. Schmidt-Japings Engagiertsein im dialektisch-theologischen Diskurs war seit seiner Arbeit über „Die christologischen Anschaungen der dialektischen Theologie" ( 1 9 2 6 ) nicht zu übersehen. Seit 1 9 3 0 Barth in Bonn lehrte, hatte sich Schmidt-Japing stärker der Barthschen Position genähert, so daß sein neuerlich distanziertes Verhalten gegenüber Barth offenbar ebenso karrierebedingt verstanden und kritisch beurteilt wurde. In seinem abschließenden Votum vom 3 1 . M a i 1 9 3 5 kam auch Pfennigsdorf als Dekan von der Nennung Wehrungs ab, auf den er zunächst empfehlend hingewiesen hatte: sei es doch „nicht sicher vorauszusehen", ob er nicht von der Opposition für ihre Zwecke benützt werden würde. Winkler und Schmidt-Japing kämen nur in Betracht, wenn Erich Seeberg die Berufung ablehne oder seine Berufung unmöglich erscheine. Nach Würdigung der Verdienste Schmidt-Japings heißt es bei Dekan Pfennigsdorf abschließend: „Trotzdem sind die Professoren Stauffer, Jirku und Kohlmeyer, denen sich in diesem Punkte auch der Dekan anschließt, der Meinung, daß es für Schmidt-Japing und auch für die Fakultät günstiger wäre, wenn er an einer anderen Fakultät aufrücken k ö n n e . " Der Vorwurf, daß er sich durch seine entschiedene Abkehr von Barth den Zugang zu einer Professur erworben habe, würde seine hiesige Tätigkeit stark belasten. Die Fakultät halte es gerade in dem gegenwärtigen Augenblick für notwendig, daß mit der Nachfolge Barths nicht eine durch hiesige Zerwürfnisse berührte und abgestempelte Persönlichkeit betraut werde. Bei aller Anerkennung der Fähigkeiten und Verdienste Schmidt-Japings glaube sie daher, dem Ministerium nahelegen zu sollen, Schmidt-Japing bei einer anderen Fakultät in eine systematische (oder praktische) Professur einrücken zu lassen. Abschließend hieß es: „Schmidt-Japings Fähigkeiten und Verdienste lassen seine Unterbringung in einer ordentlichen Professur als sehr erwünscht erscheinen. Seine Berufung nach hier würde jedoch für ihn selbst und die gegenwärtige Lage nicht ratsam sein."

372

Zur Berufungs-

und

Besetzungspolitik

Das Ergebnis dieser berufungspolitischen Aktivitäten faßte Dekan Pfennigsdorf so zusammen 38 : Anstelle von Barth wurde Prof. Hans Wilhelm Schmidt (Münster) zum Wintersemester 1935/36 nach Bonn berufen, der - zuvor Dozent in Bethel - erst Professor in Münster geworden war. Anstelle von Hans Emil Weber, der nach Münster versetzt wurde, wurde ebenfalls zum Wintersemester 1935/36 Privatdozent Professor Dr. Schmidt-Japing, der den nach Göttingen berufenen Gogarten in Breslau vertrat, nach Bonn auf den Lehrstuhl von Hans-Emil Weber zurückberufen und vertrat in Bonn nun systematische und praktische Theologie. Prof. Johann Wilhelm Schmidt-Japing, langjähriger Privatdozent der Philosophie und Theologie, seit 1929 als nichtbeamteter a.o. Professor an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Bonn tätig, war seit 1 9 2 0 als Leiter des evangelischen Studentendienstes und als Studentenpfarrer engagiert hervorgetreten. Der völlige Umbau der Theologischen Fakultät Bonn fand schließlich mit der Berufung Prof. Hans Lothers aus Breslau im Wintersemester 1936/37 und der Nachfolgeregelung für Pfennigsdorf, der nach seiner Emeritierung die Dekansgeschäfte noch für ein Jahr weitergeführt hatte, seinen Abschluß. Werner Schütz, Reichswehrpfarrer, seit 1931 Privatdozent für Praktische Theologie in Berlin, wurde am 1. August 1 9 3 7 Nachfolger auf Pfennigsdorfs Lehrstuhl, zuvor war er bereits kurzzeitig mit der Vertretung beauftragt. Am Neujahrstag 1 9 3 6 rief die schon weitgehend umgestaltete Bonner Fakultät aus fakultätsstrategischen Gründen zur Uberwindung des Kirchenstreites auf und forderte in diesem Zusammenhang die „Erhaltung unserer staatlichen theologischen Fakultäten". Der betont staatsaffirmative Aufruf ordnete sich in die Befriedungspolitik des Reichskirchenausschusses nahtlos ein, wie die verbale Anlehnung an die Erklärung des Reichskirchenausschusses vom Oktober 1 9 3 5 zeigte. So hieß es in der Bonner Erklärung auch: „Auf Grund dieses Evangeliums setzen wir uns entschieden ein für die nationalsozialistische Volkwerdung auf der Grundlage von Blut und Boden, deutscher Eigenart und Geschichte." 3 9 Die Zugehörigkeit zur NSDAP führte dazu, daß bei Kriegsende von fünf noch im Amt befindlichen Professoren - Kohlmeyer hatte 1944 inzwischen die Altersgrenze erreicht - vier ihre Professur verloren. Nur Ethelbert Stauffer wurde 1945 als o. Prof. für Neues Testament mit zusätzlichem Lehrauftrag für altchristliche Kirchen- und Zeitgeschichte 38. 39.

Protokollbuch der Fak. (undat. Eintrag), nach Bericht Bizer. Junge Kirche 4 (1936), S. 79.

Fallstudien

zu Bonn,

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Breslau

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in die neue Fakultät übernommen, trat allerdings wegen fakultätsinterner Auseinandersetzungen 1 9 4 6 vorfristig als Dekan zurück. 4 0 1 9 4 8 ging er als Neutestamentier nach Erlangen. Die retrospektive Nachkriegsbeurteilung der Bonner Berufungsvorgänge im Dritten Reich wirft im Falle von Werner Schütz noch ein bezeichnendes Licht. Schütz, während der Kriegsjahre als Wehrmachtsdekan tätig, 1 9 4 5 wegen Mitgliedschaft in der N S D A P von seinem Lehrstuhl suspendiert, ging in den kirchlichen Dienst als Pfarrer über. Die im Sinne der Bekennenden Kirche besetzte Nachkriegsfakultät lehnte am 2 0 . M a i 1 9 5 2 die Wiedereingliederung von Prof. Werner Schütz trotz günstigen Entnazifizierungsbescheides kategorisch ab. Der praktisch-theologische Lehrstuhl, durch Emeritierung des 1 9 3 3 in Halle dienstentlassenen Günther Dehn freigeworden, sei bereits wieder besetzt; ein klagbarer Anspruch auf den 1 9 4 5 neu eingerichteten Lehrstuhl von Prof. Hermann Schlingensiepen bestehe nicht. Gegen eine Neuberufung von Schütz sprächen triftige Gründe: es habe sich 1 9 3 7 um ein „Musterbeispiel für ein Berufungsverfahren nach nationalsozialistischen Grundsätzen" gehandelt, bei dem „die wissenschaftliche Qualifikation ( . . . ) keine sichtbare Rolle gespielt" habe, „wohl aber die politische Zuverlässigkeit und kirchenpolitische Gesichtspunkte". Außer Dissertation und Habilitation lägen auch inzwischen keine wesentlichen Publikationen vor. Das Schreiben zerpflückt im übrigen die Entlastungsgründe, die Schütz bereits am 2 6 . Oktober 1 9 4 6 gegenüber der Militärregierung geltend gemacht hatte, wirft ihm neben theologisch akkomodativen Akzenten seiner Antrittsvorlesung „Christentum und völkischer Wehrwille" ( 1 9 3 7 ) vor allem vor, daß er im Zusammenhang mit seiner Berufung die Fakultätspolitik der damaligen Bonner Fakultät gebilligt, „kollegiale Zusammenarbeit" versichert und damit offensichtlich gutgeheißen habe, daß „ M ä n n e r wie Karl Barth und Hans Emil Weber entfernt wurden, weil sie den staatlichen Behörden nicht tragbar erschienen." 4 1 Werner Schütz erhielt schließlich 1 9 5 9 in Münster wieder einen Lehrstuhl für praktische Theologie.

40.

Rektor H. Konen an E. Stauffer vom 12. Juni 1 9 4 6 (AEFB, Pers.-Akte Stauffer). Rektor bedauert Stauffers Rücktritt als Dekan und zeigt Verständnis, daß damit dem Fakultätsfrieden gedient werden solle. Neuwahl erst: 18. Oktober 1 9 4 6 . Bis dahin solle ein älterer Kollege, etwa Prof. Günther Dehn, interimistisch das Dekanat leiten.

41.

Vgl. Schreiben von Dekan E. Bizer an das Kultusministerium des Landes Nordrhein-Westfalen vom 2 6 . Mai 1 9 5 2 (7 S.).

374

Zur Berufungs-

und

Besetzungspolitik

Kiel Als besonders eklatantes Beispiel für eine 1 9 3 5 / 3 6 durch Neubesetzung radikal veränderte Fakultät kann Kiel gelten. Die dortige Theologische Fakultät zählte zu Beginn der dreißiger Jahre zu den mittelgroßen Fakultäten Deutschlands. Sie war ausgestattet mit 7 ordentlichen Professuren. Das Alte Testament wurde von Wilhelm Caspari vertreten; Neutestamentler war Hans Windisch. Kurt Dietrich Schmidt und der liberale Karl Aner lehrten Kirchengeschichte, beide seit 1 9 2 9 in Kiel. Aner starb indes bereits Anfang Juni 1 9 3 3 im Alter von 5 4 Jahren. Systematiker waren Hermann Mandel und Hermann Mulert, praktischer Theologe Walter Bülck. Zunächst hatte sich die Kieler Fakultät mehrheitlich in einem Gutachten zum Arierparagraphen in der Kirche kritisch geäußert und ebenso gegen das neue deutschchristliche Pfarrbesetzungsrecht Stellung bezogen. 4 2 Auch die Rücktrittsforderungen an den deutschchristlichen Reichsbischof Ludwig Müller wurden 1 9 3 4 noch von einem Teil des Lehrkörpers unterzeichnet, darunter die Professoren Caspari, Mulert und Kurt Dietrich Schmidt. 4 3 N a c h dem Sommersemester 1 9 3 5 begann dann eine Reihe von Eingriffen, die zunächst zu einem nahezu völligen personellen Abbau der Kieler Theologischen Fakultät führten. Wegen seines bekenntniskirchlichen Engagements wurde Prof. Kurt Dietrich Schmidt, der bis Frühjahr 1 9 3 3 auch politisch aktiv im Christlich-Sozialen Volksdienst hervorgetreten war, zwangspensioniert. 4 4 Zwei Privatdozenten wurde im gleichen J a h r die Lehrbefugnis entzogen: Volkmar Herntrich, ebenfalls stark im Kirchenkampf engagiert, fand bis 1 9 3 9 ein Refugium als Dozent für Altes Testament an der Theologische Schule in Bethel; Hans Engelland, Privatdozent für Systematische Theologie, der als Schüler von Karl Heim aus Tübingen kam, waren antinazistische Äußerungen zur Last gelegt worden.

42.

K. D. Schmidt (Hg.), Bekenntnisse, Bd. 1, S. 1 9 1 - 1 9 5 .

43.

Junge Kirche 2 ( 1 9 3 4 ) , S. 9 6 0 (Beteiligung an telegrafischer Rücktrittsforderung von 1 3 9 theologischen Hochschullehrern an den Reichsbischof am 6. November 1 9 3 4 ) . Die Antwort theologischer Hochschullehrer ( 1 2 2 Unterschriften) auf die Entgegnung des Reichsbischofs trug in Kiel nur noch drei Unterschriften (Allg. Ev.-Luth. Kirchenzeitung 6 7 ( 1 9 3 4 ) , Sp. 1 1 4 3 f.).

44.

Junge Kirche 3 ( 1 9 3 5 ) , S. 8 2 8 auf Grund von § 6 des Berufsbeamtengesetzes (Zur Vereinfachung der Verwaltung).

Fallstudien

zu Bonn,

Kiel, Berlin und

Breslau

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Als für Engelland und Werner Schultz, der Religionsphilosophie lehrte, Juli 1 9 3 4 von Dekan Biilck zusammen mit dem Engeren Rat der Fakultät unter Zustimmung des Fachvertreters Mulert die Erweiterung der Lehrbefugnis auf das gesamte Gebiet der systematischen Theologie beantragt werden sollte, erhob Hermann Mandel scharfen Widerspruch. Mandel, wegen seiner liberalen, völkisch akzentuierten Theologie dem Landeskirchenamt in Kiel und neupositiven Kreisen der Landeskirche schon seit Jahren suspekt, warf Engelland vor, seine von Heim beeinflußte theologische Grundanschauung sei nicht nur „ein Schlag ins Gesicht der nationalsozialistischen Weltanschauung und alles gesunden Denkens, sondern zugleich damit geeignet, allen gesunden Lebenswillen und Lebensglauben unseres Volkes ( . . . ) zu brechen". Obwohl Engelland in einem ausführlichen Schreiben versicherte, er habe in Vorlesungen und Gesprächen mit Studenten „bewußt und ausdrücklich einen christlichen Nationalsozialismus vertreten", „über dessen volles Recht nach Hitlers Werk 'Mein K a m p f ' kein Zweifel möglich" sei, wurde Engelland entlas45

sen. Hermann Mulert, in Nachfolge Martin Rades Herausgeber der „Christlichen Welt" und bekannt durch seine konfessionskundlichen Arbeiten, sah sich aus schwerwiegenden politischen Gründen veranlaßt, 1 9 3 5 seine Entpflichtung zu beantragen, um drohender Entlassung zuvorzukommen. 4 6 Der Alttestamentler Wilhelm Caspari, 1 9 3 6 zunächst beurlaubt, wurde zum Wintersemester 1 9 3 6 / 3 7 vorzeitig entpflichtet. 4 7 Der bekenntniskirchlich engagierte Neutestamentier Julius Schniewind, der 1 9 3 5 anstelle seines nach Halle berufenen Fachgenossen Hans Windisch von Königsberg nach Kiel zwangsversetzt worden war, blieb indes nur ein J a h r in Kiel und erhielt 1 9 3 6 eine Professur in Halle, 4 8 wo Windischs plötzlicher Tod 1 9 3 5 zu einer Vakanz geführt hatte. 4 9 Herbst 1 9 3 5 wurde der praktische Theologe Walter Bülck zur Vertretung nach Greifswald geschickt; im J a h r darauf übernahm er dort als Nachfolger von Eduard v. d. Goltz den praktisch-theologischen Lehrstuhl. 5 0 Der Kir45.

Jendris Alwast, Geschichte der Theologischen Fakultät, S. 1 9 5 .

46.

Vgl. Junge Kirche 4 ( 1 9 3 5 ) , S. 1 0 9 1 . Z u den näheren Umständen vgl. Kap.

47.

Junge Kirche 4 ( 1 9 3 6 ) , S. 4 0 ; 3 4 4 .

48.

Junge Kirche 3 ( 1 9 3 5 ) , S. 3 4 0 ; 4 ( 1 9 3 6 ) , S. 3 9 6 .

49.

Junge Kirche 3 ( 1 9 3 5 ) , S. 3 4 0 , 3 8 4 , 1 0 9 1 . Hans Windisch, erst vor kurzem

4 . „Politische Säuberungen". Auswirkungen des Berufsbeamtengesetzes.

nach Halle berufen, erlag am 8. November 1 9 3 5 im Alter von 5 4 Jahren einem Herzschlag. 50.

Junge Kirche 3 ( 1 9 3 5 ) , S. 1 1 4 0 ; 4 ( 1 9 3 6 ) , S. 7 7 7 .

376

Z,ur Berufungs-

und

Besetzungspolitik

chenhistoriker Walter Elliger, seit 1 9 3 0 Privatdozent in Halle, hatte 1934 in Nachfolge Aners die Kirchengeschichtsprofessur in Kiel erhalten, war nach Bülcks Versetzung nach Greifswald im Wintersemester 1935/36 Dekan. Er las 1 9 3 5 vertretungsweise in Greifswald und übernahm dort im Frühjahr 1936 den kirchengeschichtlichen Lehrstuhl. 51 Der wegen seiner liberalen, völkisch akzentuierten Lehrweise schon des längeren kirchlich unter Beschüß stehende Religionswissenschaftler und Systematiker Hermann Mandel, der von liberalen Kollegen der Fakultät wie Karl Aner und Hermann Mulert im Interesse der Lehrfreiheit der Fakultät vor kirchlicher Bevormundung vor 1933 verschiedentlich verteidigt worden war, konnte zwar die Fürsprache der Gauinspektion der NSDAP gewinnen, die ihn als einzigen Nationalsozialisten in der Fakultät pries und sein Verbleiben zu unterstützen versuchte: Mandel sei „bis jetzt hier in der Provinz, vielleicht sogar in ganz Deutschland der einzige Theologie-Professor, welcher bereits seine ganze Tätigkeit auf rassischer Grundlage" aufbaue und damit dem nationalsozialistischen Kulturwillen nachkomme, wie ihn Kultusminister Rust auf der Kieler Tagung des NS-Lehrerbundes zum Ausdruck gebracht habe: Wenn sich die Kirchen nicht den Begriffen Rasse und Volkstum öffneten, seien sie dem Untergang geweiht. Als Mandel seinem Kollegen Bülck vorwarf, er stelle dem Totalitätsanspruch des Nationalsozialismus den des Christentums entgegen, und sich herablassend über Lehrtätigkeit und Charakter des Alttestamentlers Caspari äußerte, weil letzterer Mandels Konzeption einer „Wirklichkeitsreligion" kritisch rezensiert und auch kritisch auf seine Verbindung zum „Bund für deutsche Kirche" hingewiesen hatte, beantragten beide wegen diffamierender und herabsetzender Behauptungen Mandels Ende Mai 1935 bei Kultusminister Rust die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Mandel. Im Interesse der Konfliktbereinigung wurde Mandel gegen seinen Willen 1935 in die philosophische Fakultät versetzt, zumal die Theologische Fakultät in Kiel vor einem personalpolitisch völligen Neuaufbau stand. Er hat dort einen Lehrauftrag für rassenkundliche Geistesgeschichte übernommen. 5 2 Vom Bestand der Fakultät von 1933 waren im Jahre 1 9 3 6 neben dem missionswissenschaftlichen Lehrauftrag, den Missionsdirektor Dr. Walter Freytag versah, nur noch die Dozenten Pastor D. Theodor Voß (Hymnologie) und Pastor i. R. 51. 52.

Junge Kirche 4 (1936), S. 3 4 5 , 869. Junge Kirche 3 (1935), S. 8 2 7 . 1 0 9 2 ; 4 (1936), S. 4 1 ; 6 5 1 . Zu Mandel vgl. Jendris Alwast, Die Theologische Fakultät, S. 1 8 4 - 1 8 8 .

377

Fallstudien zu Bonn, Kiel, Berlin und Breslau

Lie. theol. Werner Schultz (für Religionsphilosophie) tätig. Durch diese drastische Wegberufungs- und Versetzungspraxis war der Bestand des Lehrkörpers in Kiel faktisch aufgelöst; keines der Ordinariate w a r besetzt; die Kieler Fakultät mußte als akut bestandsgefährdet gelten. Vermutungen, die Fakultät stehe vor der Auflösung oder werde umfunktioniert, galten als wahrscheinlich. So teilte der Hochschulreferent M a t tiat dem Vorsitzenden des Fakultätentags H a n s Schmidt in Halle Ende J u n i 1 9 3 5 mit, Reichswissenschaftsminister Rust habe sich entschlossen, die Kieler Theologische Fakultät aufzuheben, so daß der erwogene Austausch von alttestamentlichen Professoren zwischen Halle und Kiel nicht mehr in Betracht k o m m e . H a n s Schmidt verwies in seiner A n t w o r t vom 3 . Juli 1 9 3 5 auf innen- und außenpolitisch schädliche Folgen einer etwaigen Aufhebung Kiels. Hätten doch selbst die Weimarer Reichsverfassung in Art. 1 3 7 und der durch die sozialdemokratische Preußische Regierung Braun-Severing 1 9 3 1 abgeschlossene preußische Kirchenvertrag Bestandsgarantien für die Kieler Theologische Fakultät gegeben. Es werde zu abträglicher Meinungsbildung in der Öffentlichkeit führen, wenn unter dem Weimarer System „die Wichtigkeit der Erhaltung

sämtlicher

evangelisch-theologischer Fakultäten erkannt und anerkannt w o r d e n " sei und demgegenüber bei dem „dem Christentum positiv gegenüberstehenden nationalsozialistischen S t a a t " nicht zumindest das Gleiche gewährleistet sei: „Die Aufhebung jeder staatlichen theologischen Bildungsstätte im ganzen Gebiet eines Stammes wird, so befürchte ich, den oppositionellen Kreisen erneuten Anlaß zur Verfestigung ihrer Staatsverdrossenheit geben und wird im Ausland nachteilig bemerkt w e r d e n . " K ö n n e nicht wenigstens die Aufhebung der Theologischen Fakultät Kiel bis zu einer anstehenden Reichsreform (Einteilung nach Reichsgauen) aufgeschoben werden, w o dann auch nichttheologische Fakultäten betroffen würden: „Vielleicht wäre es dann möglich, in H a m b u r g , w o eine theologische Fakultät oft und ausdrücklich vermißt worden ist, eine solche einzurichten, die dann vielleicht Kiel und R o s t o c k zugleich ersetzen k ö n n t e " . 5 3 Dieser dilatorische Hinweis sollte eine akute Bedrohung der Kieler Fakultät abwehren helfen. M ö g l i c h e interne politische Erwägungen, die theologische Fakultät in eine deutschgläubige Lehrstätte umzufunktionieren, blieben bedeutungslos. Auch spätere Pläne einer Verlegung der theologischen Fakultät Kiel beziehungsweise ihre Verbindung mit einer anderen, etwa R o s t o c k oder Greifwald, wurden nicht realisiert. 5 4 53.

U A Halle Rep. 2 7 , N r . 2 8 6 ( H a n s Schmidt an M a t t i a t , 3 . Juli 1 9 3 5 ) .

54.

J o h a n n Bielfeldt, Kirchenkampf, S. 2 0 7 - 2 1 0 .

378

ΖΜΓ Berufungs-

und

Besetzungspolitik

Es kam vielmehr seit 1936 zu einem Neuaufbau der Fakultät. Der ehemals deutschchristliche Landespropst Georg Fiedler aus Celle, der 1935 mit einer Professur versorgt werden mußte, übernahm nach Bülcks Weggang - eigentlich ohne angemessene akademische Voraussetzungen - den praktisch-theologischen Lehrstuhl. Er war dem Ministerium zunächst als amtierender Dekan zur Überwachung des Neuaufbaus der Fakultät verpflichtet. Die Lehrstuhlvertretung für Neues Testament in Kiel hatte der Tübinger Privatdozent Karl Heinrich Rengstorf im März 1936 übernommen. Rengstorf reichte am 6. Mai 1936 dem Reichswissenschaftsminister ein „ M e m o r a n d u m zur Neugestaltung der Theologischen Fakultät in Kiel" ein. 55 Das M e m o r a n d u m ging davon aus: mit Ausnahme des Lehrstuhls für praktische Theologie, den Landvspropst Georg Fiedler, 1936 zugleich zum kommissarischen Dekan eingesetzt, Herbst 1935 übernommen hatte, sei über die Besetzung der übrigen Professuren in Kiel noch nicht definitiv entschieden. Damit seien alle Möglichkeiten für einen einheitlichen Aufbau der Fakultät noch offen. Die Kieler Fakultät habe „unter den deutschen theologischen Fakultäten ihr Bedeutung fast völlig eingebüßt"; die Frequenz des Sommersemesters 1936 liege unter 60 Vollimmatrikulierten. Auch innerhalb der Kieler Universität selbst werde die Fakultät als Fremdkörper empfunden; sie habe auch „ihre Bedeutung für die Landeskirchen verloren, denen sie durch Ausbildung ihrer künftigen Pastoren in erster Linie zu dienen bestimmt ist: Schleswig-Holstein, Hamburg, Lübeck, z.T. auch Bremen". An ihr studierten derzeit überwiegend nur höhere Semester, die sich hier auf die Abschlußprüfung für den Dienst in diesen Landeskirchen vorbereiten: „In Kiel wird also auch von den Angehörigen der Kirchen, für die Kiel Landesuniversität ist, weniger gehört und studiert, als zum Examen gearbeitet". Als Gründe für diese Sachlage nannte das Memorandum: starke Abwendung von Christentum und Kirche in Schleswig-Holstein, mißliche Besetzung der Fakultät und kirchenpolitische Streitigkeiten, in deren Gefolge nicht weniger als drei ihrer Mitglieder ihre Lehrtätigkeit hätten aufgeben müssen. Die nur kommissarische Vertretung sämtlicher Lehrstühle 55.

„Memorandum zur Neugestaltung der Theologischen Fakultät Kiel, erstellt von PD Lie. Rengstorf, z. Zt. mit der Wahrnehmung einer o. Professur für Neues Testament in Kiel beauftragt. Kiel am 6. Mai 1936" (masch. 14 S. Landeskirchl. Archiv Hannover, D 15 I G). Erwähnt wird hier „die Forderung nach Abschaffung der theol. Fakultät Kiel" (S. 3).

Fallstudien zu Bonn, Kiel, Berlin und Breslau

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wirke sich gegenwärtig a u f die Studentenzahl ungünstig aus. Dieses M a n k o , das sogar die „Forderung der Abschaffung der Theologischen F a k u l t ä t " a u f k o m m e n ließ, sei nicht durch formales R e c h t auf Weiterbestehen (infolge des preußischen Staatsvertrages), sondern allein durch Arbeitsleistung zu beheben. Ein erfolgreicher Neuaufbau der Fakultät setzte nach Rengstorf eine leistungsstarke Neubesetzung der Professuren voraus: „Jeder N e u a u f b a u der Fakultät müsse mit einem F i a s k o enden, wenn er nicht mit einer Neuorientierung der Fakultätsarbeit verbunden ist und sich auf deren Grundlage vollzieht". Notwendig sei Einordnung in den Gesamtarbeitsbereich der Universität. D a s künftige Profil der Fakultät müsse dem C h a r a k t e r einer T h e o logenausbildungsstätte im R a u m des niedersächsischen Luthertums entsprechen. Die Grenzlandlage Kiels stelle der Theologischen Fakultät die Aufgabe „der Pflege der Beziehungen zu den nordischen lutherischen Volkskirchen im Ostseegebiet, speziell in Skandinavien und in F i n n l a n d " . Die Kieler Theologische Fakultät sei durch ihre Lage als „ B r ü c k e n k o p f des deutschen wie des kontinentalen L u t h e r t u m s " hierzu wie geschaffen. Eine derartige Ausrichtung der Arbeit würde der Fakultät die Stellung im Gesamtorganismus der Grenzuniversität Kiel wiedergeben, die sie verloren habe. M i t Verweis auf die Tatsache, d a ß die lutherischen Volkskirchen Skandinaviens „in zunehmendem M a ß e eine kirchliche Abwendung von Deutschland und eine entsprechende Annäherung an die englische S t a a t s k i r c h e " vollzogen hätten, wurde die außenpolitische Karte, die auch sonst kirchen- und fakultätspolitisch ein wirkungskräftiges Argument zu sein schien, bewußt ausgespielt. Außerdem wurde die kulturpolitische Nützlichkeit einer Neukonzipierung des Profils der Kieler Theologischen Fakultät betont. Die Denkschrift Rengstorfs schlug als dringliche M a ß n a h m e n vor: Besetzung des systematischen Lehrstuhls mit einem als Sachkenner wissenschaftlich wie praktisch ausgewiesenen, im lutherischen Kirchentum bekannten M a n n . Gründung eines dem Osteuropa-Institut in Königsberg entsprechenden Instituts an der Kieler Fakultät zum Studium des nordischen Luthertums und des Weltprotestantismus; Schaffung eines W o h n heimes auch für ausländische Studierenden aus den skandinavischen lutherischen Kirchen. Die Dringlichkeit wurde durch den Verweis auf die beiden 1 9 3 7 bevorstehenden großen Konferenzen des Weltprotestantismus in O x f o r d und Edinburgh unterstrichen. Das neu zu gründende Institut zum Studium des nordischen Luthertums und des Weltprotestantismus mit Forschungs- und Lehraufgaben sollte mit den ökumenischen O r ganisationen und Studiengruppen der skandinavischen Kirchen, mit dem

380

Zur Berufungs-

und

Besetzungspolitik

Osteuropainstitut in Königsberg, dem Kirchlichen Außenamt in Berlin und mit dem Lutherischen Weltkonvent unter Landesbischof Marahrens, mit den ökumenischen Zentralen in Genf wie mit der Lutherakademie in Sondershausen zusammenarbeiten. Im Unterschied zu den Ferienkursen der Lutherakademie würde dem Kieler Institut die ständige akademischtheologische Arbeit im Gesamtrahmen einer deutschen Universität zufallen. Rengstorf erklärte sich auch bereit, weitere Organisations- und Finanzierungskonzeptionen vorzulegen. Die außenpolitisch gezielte Argumentation der Vorschläge sollten dem Projekt die staatliche Anerkennung sichern. Durch den institutionalisierten Ausbau von Wissenschaftskontakten - hier vorrangig zum lutherischen Kirchentum des skandinavischen Auslandes - sollte die bestandssichernde Neuprofilierung der Theologischen Fakultät Kiel ins Auge gefaßt werden, für die sich Rengstorf sicher auch eigene Berufungschancen in Kiel versprach. Er wurde jedoch vom Ministerium nicht berufen, was dazu führte, daß er auch die Lehrbefugnis Anfang Dezember 1 9 3 6 verlor. Am 2 9 . September 1 9 3 6 hatte auch der bekenntniskirchliche „Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands" den Reichskirchenausschuß als das damals zuständige Treuhänderorgan der Deutschen Evangelischen Kirche aufgefordert, bei den zuständigen ministeriellen Stellen dahin zu wirken, daß in Kiel „die Verhältnisse der stiftungsmäßig lutherischen Fakultät so in Ordnung gebracht werden, daß die Fakultät als eine lutherische wieder angesprochen werden kann und von dem Besuch der Vorlesungen nicht mehr abgeraten werden muß". 5 6 Grund zu diesem Monitum bestand auch insofern, als ein geregelter Stundenplan in dieser Ubergangsphase nicht vorhanden war: Viele Vorlesungen würden unter NN angezeigt, weil nicht rechtzeitig feststand, ob und wer die Vorlesung übernehmen werde. Als Wohnorte der Hochschullehrer, die die Lehrstuhlvertretungen wahrnahmen, würden vorwiegend Universitätsstädte aus dem ganzen Reich angegeben. Der geschäftsführende Dekan Prof. Georg Fiedler bestritt zwar die Richtigkeit der Angaben des Lutherrates: seien doch inzwischen neue Professoren berufen. Die schleswig-holsteinische Kirchenbehörde habe mit Zustimmung des Landeskirchenausschusses, „der zu drei Fünfteln aus Männern der B K " bestehe, alle zur Ernennung kommenden Dozenten in Kiel durch ihre Placeterteilung bestätigt, weil gegen ihre theologische Stellung nichts einzuwenden sei: Die neue Fakultät bestehe aus einem Mitglied der BK 56.

Johann Bielfeld, Kirchenkampf, S. 2 0 9 .

Fallstudien zu Bonn, Kiel, Berlin und Breslau

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(Heinz-Dietrich Wendland), vier Dozenten seien ohne kirchenpolitische Bindung (Martin Redeker, Hartmut Schmökel, Peter Meinhold, Werner Schultz). Dekan Fiedler bezeichnete sich selbst als gemäßigten Deutschen Christen. 57 Im Blick auf die Neubesetzung aller ihrer Ordinarien beraubten Lehrstühle der theologischen Fakultät in Kiel sind damals verschiedene berufungspolitische Aktivitäten wirksam gewesen, nicht zuletzt des Kreises um Erich Seeberg (Berlin), der Kontakt zum Reichswissenschaftsministerium unterhielt und seinen Schüler- und Kollegenkreis nachhaltig unterstützte. Die freien Professuren wurden mit Martin Redeker (Systematische Theologie), Peter Meinhold (Kirchengeschichte), Hartmut Schmökel (Altes Testament), Heinz-Dietrich Wendland (Neues Testament) besetzt. 58 Martin Redeker, 1930 Dozent an der Hochschule für Lehrerbildung in Cottbus, 1 9 3 2 Privatdozent für Systematische Theologie, 1934 Professor für Praktische Theologie in Münster, wurde in Kiel als Nachfolger Mulerts 1936 Ordinarius für Systematische Theologie. Den kirchenhistorischen Lehrstuhl Kurt Dietrich Schmidts hatte im Oktober 1935 vertretungsweise Hans von Campenhausen übernommen, vorher Privatdozent in Göttingen. Doch wurde er bereits nach einem Semester abgelöst. Professor für Kirchen- und Dogmengeschichte wurde Peter Meinhold. Zum Schüler-und Freundeskreis von Erich Seeberg ähnlich wie Ernst Benz (Marburg) und andere gehörend, war Meinhold zusammen mit Redeker in fakultätspolitischen Angelegenheiten sehr engagiert: sie haben in engem Zusammenwirken mit Erich Seeberg (Berlin) durch ministerielle Kontakte steuernd auch auf die Neubesetzung der Kieler Fakultät einwirken können und die Krisensituation 1935/36 der nahezu aufgelösten Kieler Fakultät personalpolitisch und damit bestandssichernd zu nutzen gewußt. Den alttestamentlichen Lehrstuhl in Kiel hat Hartmut Schmökel übernommen, der als junger Alttestamentier 1936 von Breslau nach Kiel ging. Nach Fiedlers Tod 1938 war Schmökel bis 1 9 4 0 Dekan. Fiedlers Lehrstuhl für Praktische Theologie wurde durch Dozent Pastor Theodor Voß (Kiel) versehen, Redeker übernahm die praktisch-theologische Hauptvorlesung 1938/39. Eine Neubesetzung des praktisch-theologischen Lehrstuhls war schon seit 1938 nicht mehr vorgesehen. 1 9 4 0 las Andreas Duhm aus Heidelberg. Gegen ihn versuchten Redeker und Meinhold, 57. 58.

Ebd. Vgl. auch Jendris Alwast, Die Theologische Fakultät, S. 1 9 9 - 2 0 5 .

382

Zur Berufungs-

und

Besetzungspolitik

den Pastor Harry von Beuningen, der einen höheren Rang in der SA hatte, an die Fakultät zu holen, was indes trotz eines Gutachtens von Erich Seeberg nicht gelang. Der Lehrstuhl für Praktische Theologie kam 1941 an das Institut für Meereskunde. 59 Heinz-Dietrich Wendland, seit 1925 Privatdozent in Heidelberg, hatte in Kiel seit Frühjahr 1936 den Lehrstuhl für Neues Testament und Sozialethik zu vertreten. Rengstorf und Wendland waren weder Parteigenossen noch Deutsche Christen und unterhielten Kontakte zum Bruderrat der Bekennenden Kirche Schleswig-Holsteins. Bekenntniskirchlicherseits war ihr Verbleiben an der Kieler Fakultät erwünscht. Rengstorf hat durch seine im Einvernehmen mit dem Lutherrat verfaßte Denkschrift die anstehenden Berufungsinteressen des Seeberg-Kreises gestört. Seine Berufung in Kiel scheiterte; er verlor dadurch auch die Venia legendi. Die Berufung Wendlands sollte - wie er es selbst empfand - die Funktion eines „BK-Feigenblatts" für die nun als deutschchristlich ausgerichtet geltende Fakultät erfüllen. Zu seiner eigenen Überraschung wurde Wendland im September 1937 zum ordentlichen Professor für Neues Testament ernannt, nachdem er Schmökel gegenüber auf Anfrage eine loyale kollegiale Haltung versprochen hatte. Versuche, Wendland im Jahre 1939 als einzigen BK-Professor auszuschalten, gelangen nicht. Beigezogene Gutachten Jenenser DC-Professoren hatten Wendland wegen seiner „judäozentrischen Theologie" als untragbar an einer nationalsozialistischen Hochschule bezeichnet. Doch ist das Disziplinarverfahren, das im Zusammenhang mit einem Plagiatvorwurf gegen eine von Wendland begutachtete Dissertation eingeleitet wurde, durch die Kriegssituation mehr oder weniger versandet. 60 Wendland war während des Krieges als Marinepfarrer eingezogen und bis Ende 1949 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Bezeichnend für die Kieler Fakultät während des Krieges war, daß seit dem letzten Trimester 1941 die Geschäfte des theologischen Dekanats vom Dekan der philosophischen bzw. juristischen Fakultät mit wahrgenommen wurden.

59.

Ebd. S. 2 0 5 .

60.

Näheres bei Heinz-Dietrich Wendland, Wege und Umwege, S. 1 5 9 - 1 6 4 . Erst 1 9 4 3 wurde ein „scharfer Verweis" erteilt, „ein völlig unerwarteter und milder Ausgang des Verfahrens" (S. 155). Die Akten des Evang. Fakultätentages (UA Halle) bieten weitere Details der Vorgänge.

Fallstudien zu Bonn, Kiel, Berlin und Breslau

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Berlin Die Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, im J a h r e 1 9 3 3 mit einem Bestand von 1 0 ordentlichen Professoren, einem beamteten a.o. Professor und zwei Honorarprofessoren ausgestattet, genoß als Fakultät der Reichshauptstadt großes Ansehen. 6 1 Professoren gingen eigentlich nur dann von Berlin weg, wenn Aussicht bestand, eine höhere R a n g o r d n u n g zu erreichen. Durch die räumliche N ä h e zum preußischen Kultusministerium (seit M a i 1 9 3 4 : Reichs- und Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung) waren K o n t a k t e zur Ministerialbürokratie erleichtert. D a während der ersten J a h r e des Dritten Reiches mehrere Professoren unmittelbar vor der Emeritierung standen, ergaben sich personelle Veränderungen von selbst. D e k a n wurde im J a h r e 1 9 3 3 Erich Seeberg, Sohn des 1 9 2 7 emeritierten Systematikers Reinhold Seeberg, damals Senior der Berliner Fakultät (gest. 1 9 3 5 ) . 6 2 Erich Seeberg - vorher Kirchenhistoriker in Breslau - war 1 9 2 7 auf den Lehrstuhl Karl Holls in Berlin berufen worden und vertrat neben H a n s Lietzmann (gest. 1 9 4 2 ) die Kirchengeschichte; daneben wirkte anfangs der K o p t o l o g e Carl Schmidt, der als Beamter der Akademie der Wissenschaften stark forschungsorientiert war und im Lehrbetrieb keine wesentliche Rolle spielte; er wurde 1 9 3 8 emeritiert. Die Fakultätsverhältnisse in Berlin waren oft gespannt; Differenzen und Kontroversen haben sich in Berlin in jenen J a h r e n besetzungspolitisch als besonders schwierig erwiesen. Ein einheitliches Hervortreten der F a k u l t ä t im K i r c h e n k a m p f war trotz mancher verbindender Fakultätsinteressen keineswegs gewährleistet. Das zeigte sich bereits bei den Auseinandersetzungen um das G u t a c h t e n , das Reinhold Seeberg als Senior der Fakultät zu den 2 8 deutschchristlichen Thesen von O b e r k i r c h e n r a t D r . Walter G r u n d m a n n (Dresden) a u f kirchlichen Wunsch erstattet hatte. Im Unterschied zur kritischen Beurteilung durch die Leipziger Fakultät wurden die 2 8 Thesen G r u n d m a n n s in dem Berliner Gutachten Reinhold Seebergs positiv gewürdigt, da in ihnen volksmissionarisch angemessen

61.

Walter Elliger, 1 5 0 J a h r e Theologische Fakultät Berlin, S. 1 1 6 - 1 3 0 .

62.

Vgl. Erich Stange (Hg.), Die Religionswissenschaft in Selbstdarstellungen, Bd. 1, Leipzig 1 9 2 5 , 1 7 3 - 2 0 6 ; Heinrich L a m m e r s , Reinhold Seeberg Bibliographie, Stuttgart-Berlin 1 9 3 9 ; Günter Brakelmann, Protestantische Kriegstheologie im ersten Weltkrieg. Reinhold Seeberg als Theologe des deutschen Imperialismus. Bielefeld 1 9 7 4 .

384

Zur Berufungs- und

Besetzungspolitik

zum Ausdruck komme, was der Bedarf der nationalsozialistischen Bewegung erfordere. 63 Drei der Opponenten gegen das Gutachten Seebergs erreichten im Frühjahr 1 9 3 5 die Altersgrenze: Adolf Deißmann (gest. 1937), Wilhelm Lütgert (gest. 1938) und Ernst Sellin (gest. 1946). Der durch die Emeritierung Deißmanns freigewordene neutestamentliche Lehrstuhl wurde mit Johannes Behm (Göttingen) besetzt. Für die Systematische Theologie wurde in Nachfolge Wilhelm Lütgerts, der als Professor in Halle bis 1 9 2 9 auch Präsident des Fakultätentags gewesen war, der betont religionspsychologisch arbeitende Theologe Georg Wobbermin aus Göttingen herangeholt, der den Deutschen Christen angehörte und in Auseinandersetzung mit Bultmann die Einführung des Arierparagraphen in der Kirche für gerechtfertigt hielt. Unter Hinausschiebung der Altersgrenze um drei Jahre wurde Wobbermins Berufung auch mit der Wiederbelebung des Schleiermacherstudiums in Berlin begründet, faktisch eine Notlösung, die sich aus dem kontroversen Kräftespiel im Fakultätsrat ergeben hatte. Wobbermins Lehrstuhl übernahm 1939 der Münsteraner Systematiker Prof. Friedrich Wilhelm Schmidt. Auch Prof. Arnold Stolzenburg, Konsistorialrat im Evangelischen Oberkirchenrat, langjährig Privatdozent in Berlin und seit 1 9 2 7 a.o. Professor, gehörte den Deutschen Christen an. Er wurde während Erich Seebergs Dekanat November 1933 zum ordentlichen Professor für Systematische Theologie und Geschichte der Theologie auf den Lehrstuhl des emeritierten Systematikers Arthur Titius berufen. Stolzenburg, in seiner Lehre auch auf Behandlung zeitnaher Themenfelder bedacht (so der religiösen Volkskunde), geriet ins Spannungsfeld scharfer Auseinandersetzungen mit Erich Seeberg. Insbesondere von Stolzenburgs Dekanatsführung (seit 1936) hat sich Seeberg maßlos beeinträchtigt gefühlt. Als nach der Emeritierung Ernst Sellins 1 9 3 5 die Fortsetzung seiner Lehrtätigkeit untersagt und die Wiederbesetzung seines Lehrstuhls der Fakultät verweigert wurde, bedeutete die Berufung des Alttestamentlers und Semitologen Prof. Johannes Hempel von Göttingen auf den Lehrstuhl des ebenfalls entpflichteten, aber noch bis Anfang 1939 weiterlesenden Alttestamentlers Alfred Bertholet im Jahre 1 9 3 7 eine Stärkung der deutschchristlich-reichskirchlich orientierten Fraktion in der Berliner Fakultät, auch wenn die organisatorische Bindung an die Reichsbewegung der Deutschen Christen infolge ihres enormen Einflußverlustes seit der Ära der Kirchenausschüsse 1935 bis 1 9 3 7 kaum noch fakultätspolitische Bedeutung besaß. 63.

Kurt Dietrich Schmidt, Bekenntnisse, Bd. 2 , N r . 1 0 , S. 3 1 - 3 5 .

Fallstudien

zu Bonn, Kiel, Berlin und

Breslau

385

Auch Prof. Johannes Witte war Deutscher Christ gewesen. Langjährig Direktor des Allgemeinen Evangelisch-Protestantischen Missionsvereins und Privatdozent, war Witte 1931 Ordinarius für Missionswissenschaft an der Berliner Fakultät geworden. Ihm war das Gutachten Reinhold Seebergs über die deutschchristlichen 28 Thesen, das er im übrigen verteidigte, als einzigem in der Kollegenschaft nicht positiv genug gewesen. Um seine Behauptung zu rechtfertigen, es handele sich um ein von der Gesamtfakultät mitverantwortetes Gutachten, hatte Witte die teilweise zustimmenden Einzelvoten der Fakultätsmitglieder veröffentlicht, was als Indiskretion empfunden wurde. Im Gefolge dieses Fakultätskonflikts wurde dem Dekan Erich Seeberg Herbst 1934 parteiamtlicherseits Führungsschwäche vorgeworfen. Der stellvertretende Gauleiter der NSDAP von Großberlin, Staatsrat Görlitzer, ließ das Reichswissenschaftsministerium wissen, „daß die Theologische Fakultät unter Führung der Professoren Sellin und Lütgert, sowie unter Mithilfe des Professors Lietzmann, einen stetig zunehmenden persönlichen Widerstand gegen die Parteigenossen Prof. Dr. Witte und Prof. Dr. Stolzenburg betätigt". Der Dekan Erich Seeberg unternehme faktisch nichts, um die als „Reaktionäre" bezeichneten „nichtnationalsozialistischen Professoren" zur Räson zu bringen. 64 Witte, nach dem ministeriell nahegelegten Rücktritt Erich Seebergs als Dekan im Frühjahr 1935 mit den Dekanatsgeschäften betraut, bekam indes bald wegen früherer Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge politische Schwierigkeiten, die zum Ausschluß aus der NSDAP und Ende 1935 zur Ubergabe des Dekanats an Stolzenburg führten, der der Fakultät seitdem bis 1942 vorstand. Witte selbst wurden 1937 publizistische Aktivitäten gegen die neuheidnische Deutsche Glaubensbewegung zum Verhängnis. Da seine Freimaurerzugehörigkeit wieder an die Öffentlichkeit gezogen wurde, sah er sich genötigt, 1938 — noch einige Jahre vor Erreichung der Altersgrenze - um seine Entpflichtung nachzusuchen und wurde 1939 in den Ruhestand versetzt. 65 Der seit 1921 als Extraordinarius in Berlin lehrende, 1933 den Deutschen Christen verbundene Professor Cajus Fabricius wurde 1935 auf den Lehrstuhl für Systematik und allgemeine Religionsgeschichte nach Breslau berufen. Dafür kam 1936 der zwischenzeitlich in Dorpat lehrende Werner Gruehn wieder nach Berlin; als Schüler Karl Girgensohns 64.

Reichswissenschaftsministerium an Erich Seeberg, 1. N o v e m b e r 1934; vgl. auch Seeberg an Reichwissenschaftsministerium, 22. N o v e m b e r 1934 (UA Humboldt-Univ. Berlin, Theol. Fak. Dekanat, Nr. 91).

65.

U A Humboldt-Univ. Berlin, PA W 2 4 0 .

386

Zwr Berufungs-

und

Besetzungspolitik

galt er als anerkannter Vertreter der empirischen Religionspsychologie. Bei der Neubesetzung gerade der systematischen Lehrstühle „spielte die vermeintliche oder tatsächliche kirchenpolitische Einstellung eine recht vordergründige Rolle", die sich als „nicht zuträglich für die wissenschaftliche Bedeutung" erwies. 66 Infolge der Ausschaltung des bekenntniskirchlich orientierten Nachwuchses durch Verlust der Lehrbefugnis - betroffen waren 1 9 3 6 Dietrich Bonhoeffer, 1937/38 Walter Dreß und Walter Künneth - ging der Einfluß der Bekennenden Kirche im Berliner Lehrkörper weitgehend verloren. Lediglich Konrad Weiß, anfänglich von Lietzmann angeregt, aber unter Erich Seebergs Einfluß kirchengeschichtlich mit der Scholastik und Mystik befaßt und an der Meister-Eckhart-Ausgabe beteiligt, erhielt 1 9 3 9 eine Dozentur neuer Ordnung für Neues Testament und Kirchengeschichte, die er indes nur bis Kriegsbeginn versehen konnte. Fritz Fischer, auch ein Schüler Erich Seebergs, hatte sich 1 9 3 5 für Kirchengeschichte und politische Geschichte habilitiert, erhielt ebenfalls 1 9 3 9 eine Dozentur neuer Ordnung, wechselte indes Juni 1940 als Historiker in die philosophische Fakultät über. Nach dem Tod Lietzmanns (1942) wurde sein Lehrstuhl - wie allgemein - während der Kriegszeit nicht wieder besetzt. 67 Doch erhielt Kurt Aland 1 9 4 2 als Assistent des kirchengeschichtlichen Seminars die Genehmigung zur Übernahme von Lehrveranstaltungen. Der Lehrstuhl des Alttestamentlers Alfred Bertholet, emeritiert 1939, wurde eingezogen. Da Erich Seeberg, kirchenpolitisch ohnehin von Anfang an stärker reichskirchlich orientiert als der deutschchristlichen Bewegung verbunden, bei seinen fakultätspolitischen Bestrebungen mit realistischem Blick kaum noch auf die DC-Karte setzte, schien es, daß der 1 9 3 9 nach Berlin berufene Systematiker Friedrich Wilhelm Schmidt, der als Dekan der Theologischen Fakultät in Münster als Boykott empfundene hochschulpolitische Ambitionen der Bekennenden Kirche mit Nachdruck bekämpft hatte, außer Stolzenburg und Hempel bald noch als der einzige galt, den man mit Bestimmtheit zu den Deutschen Christen rechnen konnte. 6 8 Friedrich Wilhelm Schmidt versah das Dekanat in den letzten Kriegsjahren, verstarb indes bereits im März 1945. 66. 67. 68.

Walter Elliger, Die Theologische Fakultät Berlin, S. 1 2 7 . Vgl. den wissenschafts- und fakultätsgeschichtlich aspektreichen LietzmannBriefwechsel: Kurt Aland, Glanz und Niedergang. Vgl. Arnold Stolzenburg an Friedrich Wilhelm Schmidt, 19. Mai 1941 (UA Humboldt-Universität, Nr. 1 7 6 ) : „Da Du der Einzige bist, den man außer Hempel mit Bestimmtheit zu den Deutschen Christen rechnen d a r f , ( . . . ) " .

Fallstudien

zu Bonn,

Kiel, Berlin und

Breslau

387

Breslau Auch in Breslau ist während des Dritten Reiches die EvangelischTheologische Fakultät vorrangig durch Versetzung und Neuberufung durchgreifend umgestaltet worden. 6 9 NS-Studentenbund und evangelisch-theologische Fachschaft haben 1 9 3 3 und 1 9 3 4 personelle Veränderungen gefordert. Schon im Frühjahr 1 9 3 3 wurde in der Vorlesung des liberalen Generalssuperintendenten Martin Schian, der als Honorarprofessor praktisch-theologische Vorlesungen hielt, studentischer Proteste laut. Eine Flugschrift aus Kreisen der evangelisch-theologischen Fachschaft, zu Beginn des Sommersemesters 1 9 3 4 an in- und ausländische theologische und nichttheologische Fakultäten versandt, wandte sich gegen den öden, leeren Wissenschaftsbetrieb der Professoren und war so radikal konzipiert, daß sich die Breslauer Theologieprofessoren öffentlich gegen sie wenden mußten. 7 0 Ende M a i 1 9 3 4 , als die Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche in Barmen tagte, richtete die evangelischtheologische Fachschaft eine Eingabe an Ministerialdirektor August Jäger im preußischen Kultusministerium. Unter der Uberschrift „Die Notlage der Evangelischen theologischen Fakultät an der Universität Breslau" 7 1 wurde die fakultätspolitische Lage als untragbar geschildert. Als Gegner des Nationalsozialismus galt nach wie vor Prof. Schian, dessen weiteres Wirken an der Fakultät trotz Verlustes seines kirchenleitenden Amtes den Fachschaftsvertretern offensichtlich ein Dorn im Auge war, der allerdings auch in den nächsten Jahren noch als Honorarprofessor wirkte. Als untragbar wurden auch der Neutestamentier Ernst Lohmeyer und sein im Pfarrernotbund tätiger Assistent Privatdozent Lie. Gottfried Fitzer bezeichnet. Beide hätten schon vor 1 9 3 3 zusammen mit Prof. Gogarten die NS-Bewegung scharf bekämpft. Lohmeyer sei judenfreundlich eingestellt, weil er während der Krawalle gegen den nichtarischen Pro69.

Dietrich Meyer, Z u r Geschichte der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Breslau ( 1 8 1 1 - 1 9 4 5 ) , S. 1 5 8 - 1 6 5 ; Gerhard Ehrenforth, Die schlesische Kirche im Kirchenkampf 1 9 3 2 - 1 9 4 5 , Göttingen 1 9 6 8 , S. 2 0 0 - 2 0 7 ; Kurt Meier, Kirchenkampf, Bd. 3, S. 3 0 5 f. Vgl. Walter Schwarz, Die ev.-theol. Fakultät der Universität Breslau und das Konsistorium, in: Jahrbuch der Schles. Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, Bd. 1, Würzburg 1955.

70.

Näheres Kap. 10. Fachschaftsarbeit und studentisches Korporationswesen.

71.

E Z A Berlin, Bestand 1 C 1 ( 1 5 7 ) ; nach: Dietrich Meyer, Z u r Geschichte der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Breslau ( 1 8 1 1 - 1 9 4 5 ) , S. 1 6 2 .

388

Zur Berufungs- und

Besetzungspolitik

fessor Cohn 1932 die „deutschbewußten" NS-Studenten bekämpft und auch dem Fachgruppenführer verboten habe, in NS-Uniform das Seminar zu betreten. Ein gegen den Pfarrernotbund gerichteter Artikel des Völkischen Beobachters sei von Lohmeyer vom Fachschaftsbrett entfernt worden. Gogarten selbst galt als der „schwierigste Fall", weil er vorsichtiger als die anderen agiere. Vom sozialdemokratischen Kultusminister Grimme 1931 „als Gegenpol gegen den alten Frontkämpfer Bornhausen nach Breslau berufen" habe Gogarten die Deutschen Christen in Schlesien zuerst bekämpft, sich ihnen Mitte 1933 mit seiner Pfarrergruppe genähert, sie aber bei der Sportpalastkrise im Herbst wieder verlassen. Außerdem schlössen sich Gogartens Schüler zumeist dem Notbund an. Die anderen Professoren wurden als loyal geschildert, doch werde die Lage des Nationalsozialismus an der Fakultät belastet „durch langjährige persönliche Feindschaft zwischen Professor Bornhausen und dem Dekan Professor Jirku", beide Nationalsozialisten, so daß es an der Breslauer Fakultät völlig unmöglich sei, eine „NS-Professoren-Front" zustande zu bringen. 72 Das Reichswissenschaftsministerium hat besetzungspolitisch bald entsprechend reagiert, indem es 1935 Gogarten nach Göttingen, Lohmeyer nach Greifswald, Jirku nach Bonn versetzte; Bornhausen wurde an die philosophische Fakultät in Frankfurt/Main versetzt; den Privatdozenten Lie. Fitzer wurde die Lehrbefugnis entzogen; das gleiche Geschick ereilte den Privatdozenten Pfarrer Lie. Dr. Hans Haack, der als Freund der Religiösen Sozialisten galt, auf deren Versammlung er 1 9 3 2 einen Vortrag über „Christenkreuz und Hakenkreuz" gehalten und sich dabei kritisch über Hitler geäußert hatte. Diese personellen Veränderungen vollzogen sich während der Amtszeit Hans Lothers, der anstelle des 1935 nach Bonn versetzten Dekans Prof. Jirku bis zu seinem eigenen Weggang nach Bonn im Wintersemester 1936/37 Dekan war. Der durch Emeritierung des Alttestamentlers Carl Steuernagel frei gewordene Lehrstuhl für Altes Testament wurde mit Hans Duhm, vorher in Göttingen, besetzt, der den Deutschen Christen zuneigte, während die Professur des Alttestamentlers Anton Jirku, den man in Bonn wegen der Versetzung Gustav Hölschers nach Heidelberg benötigte, zunächst von dem deutschchristlich orientierten Marburger Privatdozenten Adolf Wendel vertreten wurde, der im Herbst 1 9 3 6 als Dozent nach Breslau kam und 1937 zum Professor ernannt wurde.

72.

Ebd. S. 162 f.

Fallstudien zu Bonn, Kiel, Berlin und Breslau

389

Der Neutestamentier Ernst Lohmeyer, schon seit 1 9 2 0 als Professor für Neues Testament in Breslau tätig, wurde vorwiegend wegen seiner bekenntniskirchlichen Einstellung 1 9 3 6 nach Greifswald versetzt, w o er - vom Kriegsdienst unterbrochen - bis 1 9 4 5 lehrte. Herbst 1 9 4 5 zum R e k t o r in Greifswald gewählt, aber unmittelbar vor der von ihm selbst mit vorbereiteten Wiedereröffnung der Universität am 1 5 . Februar 1 9 4 6 verhaftet, k a m Lohmeyer M i t t e September 1 9 4 6 auf nie ganz geklärte Weise in sowjetischem G e w a h r s a m ums Leben. Als Verhaftungsgrund galten Repressionsmaßnahmen seiner militärischen Einheit in den besetzten Ostgebieten während des Zweiten Weltkrieges. 7 3 W ä h r e n d Gustav H o e n n i c k e , Lohmeyers neutestamentlicher Fachgenosse in Breslau, nach Erreichung der Altersgrenze 1 9 3 6 entpflichtet wurde, aber keinen ständigen Nachfolger erhielt, wurde Lohmeyer in Breslau 1 9 3 6 durch Herbert Preisker als Professor für Neues Testament und Religionsgeschichte ersetzt. Ursprünglich Breslauer Pfarrer und Privatdozent, seit 1 9 2 9 bis 1 9 3 5 Professor für Religionspädagogik an verschiedenen Lehrerbildungsanstalten, zuletzt in Hirschberg (Schlesien), kurzfristig außerordentlicher Professor in Göttingen, war Preisker seiner kirchenpolitischen Einstellung nach damals deutschchristlich orientiert und wurde anstelle Lothers zunächst kommissarisch, seit 1 9 3 8 endgültig zum D e k a n bestellt. Prof. Preisker verblieb auch während des Zweiten Weltkriegs D e k a n der Fakultät bis 1 9 4 5 und ging nach seiner Aussiedlung aus Schlesien als Neutestamentier nach J e n a ; er starb Ende 1 9 5 2 unmittelbar nach seiner Berufung an die Theologische Fakultät in Halle. Karl Bornhausen, ein alter M a r b u r g e r , seit 1 9 2 0 Professor für Systematische Theologie und Religionsphilosophie in Breslau, war ein gründlicher Kenner der französischen Geistesgeschichte wie der amerikanischen Theologie, dabei theologisch ausgesprochen liberal eingestellt. Er wurde - auch a u f eigenes Betreiben - 1 9 3 5 an die Philosophische Fakultät der Universität F r a n k f u r t / M . versetzt und ist bereits 1 9 3 7 im Alter von 5 7 J a h r e n entpflichtet worden. Durch Kriegsverwundung im Ersten Weltkrieg und lange Gefangenschaft in Frankreich gesundheitlich stark angeschlagen, extrem erregbar, war Bornhausen laufend in scharfe theologische und persönlichen Kontroversen verwickelt. Sein wiederholtes Ansinnen an das Ministerium, ihm bei den Querelen in der Breslauer Fakultät Unterstützung zu geben, insbesondere bei seinen Auseinandersetzungen mit D e k a n J i r k u 1 9 3 3 / 3 4 , wurde im R a h m e n der personalpolitischen Revirements an der Breslauer Fakultät gelöst. Bornhausen, der 73.

K u r t Meier, Kirchenkampf, Bd. 3, S. 2 9 5 .

390

Zwr Berufungs-

und

Besetzungspolitik

zu den „Freunden der Christlichen Welt" um Martin Rade gehört hatte, neigte aus einem extrem ausgeprägten vaterländisch-nationalen Empfinden schon bald dem Nationalsozialismus zu. Schon 1 9 3 2 hatte er aktiv bei den Deutschen Christen in Breslau gewirkt und auch in der Kreissynode ein D C - M a n d a t errungen. Bei der öffentlichen Bücherverbrennung Anfang M a i 1 9 3 3 , die durch den NS-Studentenbund veranlaßt war, hatte er die „Feuerrede" gehalten. Radikale studentische Fachschaftsvertreter stellten sich hinter ihn. Bezeichnend für seinen schwierigen Charakter und seine nationalistische Haltung war, daß Bornhausen eben deswegen 1 9 3 1 für die Nachfolge Martin Rades als Herausgeber der „Christlichen W e l t " , um die er sich bemühte, beim Leopold Klotz Verlag nicht in Betracht gekommen war. 7 4 Bornhausens Nachfolger in Breslau wurde Prof. Robert Winkler, seit 1 9 2 6 a.o. Professor in Heidelberg. Als Wobberminschüler war er durch religionsphilosophisch orientierte Publikationen schon in den zwanziger Jahren hervorgetreten. Winkler, dem man zwar „Irrlehre" nicht nachweisen konnte, der aber alles andere als ein Freund der Bekennenden Kirche war, vertrat eine mehr reichskirchliche Position, wie auch seine Beteiligung am „Wort deutscher T h e o l o g e n " gegen die Bekenntnisfront zeigte. 7 5 Friedrich Gogarten, früher Thüringer Pfarrer und Privatdozent in J e n a , eigenständiger und von Barth abrückender Vertreter der dialektischen Theologie, war seit 1 9 3 1 als Ordinarius für systematische Theologie in Breslau tätig, folgte aber 1 9 3 5 einem R u f nach Göttingen. M i t seinem stark theologisch orientierten Pfarrerkreis hatte er sich Ende 1 9 3 3 nach kurzem Kontakt von der Glaubensbewegung D C distanziert, zumal auch deren theologische Unzulänglichkeit ihm als profilierten theologischen Denker zu schaffen machte. Einer der bekanntesten evangelischen Theologen, dessen eigengeprägte dialektisch-theologische Streitkultur schon in den zwanziger Jahren Aufsehen erregte, blieb Gogarten in Göttingen stärker lehr- und publikationsorientiert, während er sich kirchen- und fakultätspolitisch zurückhielt. An Gogartens Stelle in Breslau wurde Cajus Fabricius (Berlin) berufen, Herausgeber des „Corpus Confessionum", stark engagiert im nationalsozialistischen und deutschchristlichem Sinne, freilich auch über die kirchenfeindliche NS-Religionspolitik zunehmend empört. Er bombar74. 75.

Vgl. Johannes Rathje, Welt des freien Protestantismus, S. 4 1 1 . Die Herausgeberschaft übernahm Hermann Mulert (Kiel). Vgl. Kap. 12. Die fakultätspolitischen Ambitionen des Seeberg-Kreises.

Fallstudien

zu Bonn, Kiel, Berlin und

Breslau

391

dierte Reichsbehörden und NS-Parteistellen mit kritischen Eingaben. Wegen seiner „Vertraulichen Denkschrift" mit dem Titel „Innere Rüstung", die sich gegen die parteiamliche Ausgrenzung von Kirche, Christentum und Theologie und kirchenfeindliche Strömungen innerhalb der NSDAP wandte, wurde er am 9. November 1939 verhaftet, bis 13. Januar 1940 in Schutzhaft gehalten und auf Weisung der Reichsparteileitung der NSDAP am 20. März 1940 aus der Partei ausgestoßen. 7 6 Der praktischtheologische Lehrstuhl in Breslau blieb während des Krieges unbesetzt, nachdem sein langjähriger Stelleninhaber Johannes Steinbeck, zugleich Mitglied des schlesischen Konsistoriums, als Professor 1939 emeritiert war. Neben dem schon seit Ende der zwanziger Jahre in Breslau tätigen Kirchenhistoriker Prof. Hans Leube, früher Privatdozent in Leipzig, erhielt Erhard Peschke, Inspektor am Studentenkonvikt (Sedlnitzkysches Johanneum) und seit 1936 Dozent für Kirchengeschichte Osteuropas, 1937 eine außerordentliche Professur für Kirchengeschichte. Auch hier spielten besetzungspolitisch wirksame gutachtliche Beratungskontakte Erich Seebergs eine Rolle. Entgegen Bedenken Lietzmanns, der um die Berufung seines Schülers Hans Georg Opitz bemüht blieb und auch sonst Seebergs einseitige Förderungspraxis kritisierte 77 , wurde hier auf die besonderen fachlichen Voraussetzungen Peschkes für die Kirchengeschichte Osteuropas hingewiesen, insbesondere auf seine sonst seltenen, fundierten speziellen slawischen Sprachkenntnisse. 78

76.

77. 78.

D o c u m e n t Center, Schreiben M . Bormanns an die NS-Gauleiter vom 26. Oktober 1939; Näheres in: Kap. 14. Vom Weltanschauungs- und Existenzkampf der Universitätstheologie. Kurt Aland (Hg.), Glanz und Niedergang, Nr. 9 6 4 , 9 7 7 , 1 1 3 2 . Vgl. BA Koblenz, N L 2 4 8 / 3 b, Bl. 94, 96 f. (Gutachtenentwurf Ernst Benz für Erich Seeberg; Hinweis auf Peschkes Forschungen über die „Böhmischen Brüder").

14. Vom Weltanschauungs- und Existenzkampf der Universitätstheologie

et) Im Störfeuer deutsch gläubiger Polemik Der Universitätstheologie erschien der Vorstoß der Deutschgläubigen viel bedrohlicher als bekenntniskirchliche Kritik, die sich vorwiegend gegen eine einseitige Berufungspolitik richtete, aber trotz überschätzter Boykottgefahr das Existenzrecht der theologischen Fakultäten nicht wirklich in Frage stellte. 1 Die staatliche Hochschulpolitik zog zwar vorerst keine administrativen Konsequenzen aus den Forderungen deutschgläubiger Propaganda und ihrer neuheidnisch-antikirchlichen Polemik, die auch die institutionelle Existenz der Universitätstheologie in Frage stellte. Ernstzunehmen waren trotzdem Befürchtungen, die deutschgläubige Polemik könnte das Verhältnis des NS-Staates zu den theologischen Fakultäten beeinträchtigen oder doch einen Trend begünstigen, der die Universitätstheologie schädige oder gar ihre Existenz gefährde. Trotz relativ geringfügiger Mitgliederzahlen war der Einfluß deutschgläubig-neuheidnischer Gruppierungen innerhalb der nationalsozialistischen Weltanschauungsfront nicht zu bagatellisieren. 2 Blieb es doch für Zeitgenossen unsicher, wieweit die kirchen- und theologiefeindlichen Tendenzen des deutschgläubigen Spektrums auch parteioffiziellen Ideologiebestrebungen entsprachen oder von ihnen aufgegriffen werden könnten. Die Kritik an den Deutschgläubigen gerade auch in der deutschchristlichen Presse war bezeichnend genug. Artikel und Berichte über Tagungen deutschchristlicher Universitätstheologen, so besonders in dem seit Juli 1 9 3 5 erscheinenden Führerblatt der Reichsbewegung Deutsche Christen „Positives Christentum" zeigen, wie verhängnisvoll die antikirchliche Weltanschauungskonkurrenz der Deutschgläubigen empfunden wurde. Aus Sorge, daß der Trend einer „Entkonfessionalisierung des 1. 2.

Vgl. zum Kräftefeld Armin Möhler, Konservative Revolution. Hannsludwig Geiger, Die neueste Entwicklung der Deutschen Glaubensbewegung. In: Junge Kirche 4 ( 1 9 3 6 ) , S. 9 4 0 - 9 4 2 ; hier: S. 9 4 2 . Vgl. auch Junge Kirche 4 ( 1 9 3 6 ) , S. 1 0 0 6 f.: Überblick über zwölf deutschgläubige Presseorgane mit Auflagenhöhe von 1 9 3 4 bis 1 9 3 6 .

Im Störfeuer deutschgläubiger

Polemik

393

öffentlichen L e b e n s " zum gesellschaftlichen Bedeutungsverlust des Christentums führen k ö n n e , wurde den Deutschgläubigen die Legitimation bestritten, für sich Rechte ähnlicher Art zu fordern, wie sie dem Christentum zustünden. „Entkonfessionalisierung des öffentlichen L e b e n s " dürfe nicht zur Privatisierung des Christentums führen. Die Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts bedeute die Grenze der Entkonfessionalisierung. Wer wie die Deutschgläubigen den religiösen Individualismus als tragendes Prinzip der eigenen Haltung proklamiere, könne im Staats- und Volksleben keine Stellung beanspruchen, die seiner eigenen Überzeugung widerspreche 3 . Die im J a h r e 1 9 3 3 erhobene Forderung der deutschchristlichen Bewegung, jeder evangelische Nationalsozialist müsse Deutscher Christ sein, hatte starke Konkurrenzgefühle und Aggressionen der Deutschgläubigen aller Richtungen gegenüber der von den Deutschen Christen dominierten evangelischen Kirche ausgelöst. Diese religionspolitische Konkurrenzund Rivalitätssituation verschärfte die gegenseitige Polemik

zwischen

Deutschgläubigen und Kirche. Der Vorsitzende der Ende Juli 1 9 3 3 in Eisenach zur Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Glaubensbewegung zusammengefaßten

deutsch-

gläubig-völkischen Gruppen, der T ü b i n g e r Religionsgeschichtler und Indologe Prof. J a k o b Wilhelm H a u e r 4 , der selbst aus christlicher Tradition k a m , hatte im Interesse seiner deutschgläubigen Konzeption Punkt 2 4 des Programms der N S D A P zu neutralisieren versucht: das Bekenntnis zum „positiven C h r i s t e n t u m " dürfe „nicht g e p r e ß t " werden; es sei nur der Versuch gewesen, die Partei gegen eine „glaubenslose H a l t u n g " abzugrenzen. D e r Ursinn dieses Programmwortes stehe in Wahrheit einem „deutschen G l a u b e n " näher als einer kirchlichen Haltung, die sich an ein unantastbares Bekenntnis binde 5 . Den Deutschen Christen wie der Kirche insgesamt wurde von den deutschgläubigen Gruppierungen eine wichtige politische Legitimation streitig gemacht: die scheinbar parteioffiziell anerkannte Offentlichkeitsgeltung des Christentums, die zugleich als eine Voraussetzung für staatlich gewährleistete Theologenausbildung an den Universitäten galt. Insofern w a r in der Bestreitung des Offentlichkeitsanspruches von Kirche 3.

Entkonfessionalisierung und Gewissensfreiheit. In: Positives Christentum 1

4.

M a r i a n n e Dierks, J a k o b Wilhelm H a u e r , 1 8 8 1 - 1 9 6 2 . Leben, W e r k , Wir-

5.

Junge Kirche 1 ( 1 9 3 3 ) , S. 8 8 .

( 1 9 3 5 ) , N r . 2 5 . Vgl. auch 1 ( 1 9 3 5 ) , N r . 1; N r . 1 0 . kung. M i t einer Personalbibliographie. Heidelberg 1 9 8 6 .

394

Weltanschauungs- und Existenzkampf

der

Universitätstheologie

und Christentum bereits eine potentielle Gefährdung der staatlichen theologischen Fakultäten zu sehen. Das Bemühen deutschgläubig-völkischer Kreise, staatskirchenrechtlich anerkannt zu werden, zeigte sich damals allerorten. Schon im Frühjahr 1933 hatte Hauer selbst einen „Offenen Brief" an den Deutschen Evangelischen Kirchenausschuß und an die Reichsleitung der Glaubensbewegung Deutsche Christen gerichtet. Danach sollte die bevorstehende Reichskirchenreform so umfunktioniert werden, daß auch die Deutschgläubigen Platz und Heimatrecht in der Reichskirche fänden: Jede andere Form würde die Kirche „in den engen Rahmen einer Sektenkirche bannen". Der Versuch, „eine solche Sektenkirche dem nichtkatholischen Teil des deutschen Volkes aufzudrängen, hätte Unheil zur Folge" 6 . Notfalls müsse eine „Religiöse Arbeitsgemeinschaft Deutscher Nation" genügen, die die evangelische und katholische Kirche in Deutschland wie auch die Deutschgläubigen als Gemeinschaft umfasse. Die Deutschgläubigen hatten sich davon ihre Aufwertung und öffentliche Kompetenzen für das Bildungs- und Medienwesen erhofft. Dieser Versuch der Deutschgläubigen, in eine umfassende evangelische Reichskirchenkonstruktion eingebaut zu werden, war angesichts der konfessionspolitischen Situation damals allerdings völlig illusorisch gewesen und kam nicht zum Zuge. Nicht nur die Deutschen Christen, sondern erst recht der Deutsche Evangelische Kirchenausschuß als Vertretungsorgan des 1 9 2 2 geschaffenen Deutschen Evangelischen Kirchenbundes hatten im Jahre 1933 allen Grund, diese zusätzliche Belastung der Reichskirchenreform abzulehnen. Außerdem verbot die weithin aggressive Polemik deutschgläubiger Kreise gegen Kirche und Christentum jede Annäherung an sie. Mit dem Vorschlag, in den Rahmen der Reichskirche auch deutschgläubige Richtungen einzubeziehen, wären allerdings auch manche radikale völkisch-neuheidnische Gruppen nicht einverstanden gewesen, die den Einfluß von Kirche und Christentum in der Öffentlichkeit radikal bekämpften. Das Ehepaar Ludendorff, aber auch Artur Dinters „Deutsche Volkskirche" hielten sich ohnehin von dem Zusammenschluß dieser deutschgläubigen Arbeitsgemeinschaft fern. 7 Besonders aversiv verhielt sich dabei die auflagenstarke Publizistik des „Hauses Ludendorff" gegenüber Christentum, Kirchen und Theologie. Mathilde Ludendorff geb. Spieß, versuchte, ihre gehässi6. 7.

Ebd. S. 1 1 6 . Zur Ludendorffbewegung vgl. Armin Möhler, Konservative Revolution, 2 . Aufl., S. 3 8 8 - 3 9 6 ; zu Dinter: ebd. S. 3 7 8 f.

Im Störfeuer

deutschgläubiger

Polemik

395

gen Angriffe und Verunglimpfungen der christlichen Tradition mit einer Flut von pseudowissenschaftlichem Schrifttum zu fundieren: sie fand dabei auch in bestimmten Kreisen der völkisch gesonnenen Lehrerschaft Resonanz. Begünstigt wurde der Einfluß der LudendorffBewegung durch das Ansehen, das Erich Ludendorff als Generalquartiermeister des kaiserlichen Heeres auf Grund seines Sieges bei Tannenberg Herbst 1 9 1 4 gegen die russischen Verbände in nationalistischen Kreisen genoß. Obwohl der 1 9 2 5 gegründete „Tannenbergbund" und das stärker weltanschaulich-religiös orientierte „Deutschvolk" (seit 1 9 3 0 ) wegen polemischer Vorwürfe gegen Hitlers angeblich provatikanische Kirchenpolitik 1 9 3 3 verboten wurde, konnte Ludendorff zusammen mit seiner publizistisch agilen Frau Mathilde bis zu seinem Tode 1 9 3 7 eine durch eigene Verlagsbuchhandlungen unterstützte wirksame Propaganda entfalten. Die pseudowissenschaftlich-aggressive Publizistik gegen die christliche Tradition forderte Kirche und Theologie zu apologetischen Aktivitäten heraus. Im M ä r z 1 9 3 7 , ein dreiviertel Jahr vor seinem Tod, war Ludendorff von Hitler empfangen worden. Dadurch gewann die Ludendorff-Bewegung wieder eine gewisse Legitimation und mehr Spielraum für Versammlungs- und Werbetätigkeit. Mitglieder des im Juni 1 9 3 7 gegründeten „Bundes für deutsche Gotterkenntnis" konnten sich so ins Personenstandsregister eintragen lassen. 8 Um die Zersplitterung der Deutschgläubigen zu überwinden und ihren Einfluß zu verstärken, waren eine Reihe völkisch-deutschgläubiger Gruppen und Einzelpersonen Ende Juli 1 9 3 3 in Eisenach zusammengetreten und hatten die „Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Glaubensbewegung" gegründet. Zu ihrem Vorsitzenden wurde Prof. Hauer gewählt, dem ein Führerrat mit beratender Funktion zur Seite trat. Die erst am 17. September 1 9 3 3 im „Reichswart", dem Blatt Reventlows, veröffentlichte „Eisenacher Entschließung" der „Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Glaubensbewegung" wandte sich in „ernster Gewissensnot" an Hitler und erbat für einen „Deutschen Glauben, der seine Richtkräfte aus dem religiösen Erbgut des deutschen Volkes entnimmt", die „öffentlich-rechtliche Anerkennung unserer deutschen Glaubensgerechtsame, das ist die freie Ausübung dieses deutschen Glaubens und die selbständige Glaubensunterweisung und Erziehung unserer Kinder in germanisch-deutschem Vorbilde" 9 .

8. 9.

Ebd. S. 3 8 8 - 3 9 6 . Junge Kirche 1 ( 1 9 3 3 ) , S. 1 5 0 ; vgl. Reichswart 14 ( 1 9 3 3 ) , Nr. 37.

396

Weltanscbauungs- und Existenzkampf der Universitätstheologie

Die „Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Glaubensbewegung" erreichte damals indes nur, daß der „Stellvertreters des Führers" Rudolf Heß den parteiamtlichen Toleranzerlaß vom 13. Oktober 1933 bekanntgab. Eine darüber hinausgehende Anerkennung blieb ihr versagt. Dieser Erlaß stellte es Parteimitgliedern frei, einer oder auch keiner Konfession oder Glaubensrichtung anzugehören. Damit war parteiamtlich der volksmissionarische Totalitätsanspruch der deutschchristlichen Bewegung, jeder evangelische Deutsche müsse praktisch der evangelischen Kirche zugehören, ein Ende gesetzt. Von der „Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Glaubensbewegung", spalteten sich manche Gruppen wieder ab; Hauer legte 1935 die Leitung nieder. Unter dem Namen „Deutsche Glaubensbewegung", später als „Kampfring Deutscher Glaube", agierten die Deutschgläubigen als radikalisierte, christentumsgegnerische Gruppierung. Sie erfüllten gegen Christentum und Kirche eine Funktion, die sich besonders unter kirchlich entfremdeten und darum ideologisch anfälligen Bevölkerungskreisen zersetzend auswirken sollte. Manche Vertreter des deutschgläubigen Spektrums kamen auch in der NS-Presse zu Wort, oft ohne daß immer ganz durchsichtig war, welcher Gruppe oder Richtung im Lager der Deutschgläubigen sie jeweils angehörten. Der Weltanschauungskampf der Deutschgläubigen im Dritten Reich gewann durch diese organisatorische Vielschichtigkeit einen höchst diffusen Charakter. Dabei war der Ubergang zur offiziösen Parteipresse gleitend und ihr Einfluß in den Parteiformationen wurde zunehmend stärker, ohne daß die NSDAP sie offiziell anerkannt hätte. Z w a r wurden die Deutschgläubigen auch staatspolizeilichen Beschränkungen unterworfen, wenn die von ihnen ausgelösten Konflikte mit den Kirchen politisch unerwünschte Unruhe entstehen ließen. Doch erlahmten ihre Aktivitäten hierdurch keineswegs. Das mehrmonatige Agitationsverbot, das den Deutschgläubigen in der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit den Saarwahlen Anfang 1935 auferlegt war, um den Wahlerfolg einer Rückgliederung des Saargebietes an Deutschland nicht zu gefährden, ebenso wie die Einschränkungen, die sie aus Gründen außenpolitischer Optik im Vorfeld zur Olympiade in Berlin August 1936 trafen, haben die deutschgläubige Presse und die Versammlungstätigkeit der verschiedensten deutschgläubigen Richtungen nur wenig daran gehindert, ihre aversive Propaganda gegen Kirche und Christentum fortzusetzen. Bezeichnend genug, d a ß selbst der im ganzen moderate Hauer vor Pressevertretern des NS-Studentenbundes am 17. Juli 1935 in Kiel erklärt

Im Störfeuer deutschgläubiger

Polemik

397

hatte: „deutscher G l a u b e " sei nichts anderes als „Tiefendeutung des N a tionalsozialismus". Z u m Problem der Universitätstheologie im Dritten Reich erhob er die lapidare Forderung: die theologischen

Fakultäten

müßten verschwinden. Sie widersprächen dem Prinzip der Wissenschaftlichkeit. Staatlich beaufsichtigte Seminarien sollten für das Theologiestudium eingerichtet werden. Auch Studentenpfarrer an deutschen Universitäten seien ein Unding. Christlicher und deutscher Wesensgehalt vertrügen sich nicht m i t e i n a n d e r 1 0 . Im W o c h e n b l a t t „ D u r c h b r u c h " , einem offiziellen O r g a n der „Deutschen G l a u b e n s b e w e g u n g " , verstand man deutsche Gottgläubigkeit als „Erfüllung der nationalsozialistischen W e l t a n s c h a u u n g " 1 1 . A m 2 8 . J a nuar 1 9 3 7 hieß es: „ D a s Ende der Kirchen im Reich ist nur n o c h eine Frage der Z e i t g e w o r d e n . " 1 2 Bernhard Wiedenhoeft, der damalige Leiter der „Deutschen G l a u b e n s b e w e g u n g " meinte, die Deutschgläubigen könnten jedwede Organisationsform erst dann ohne Gefahr aufgeben, wenn der maßgebende Teil des deutschen Volkes sich zur „deutschen G l ä u b i g k e i t " bekenne und das Christentum zur unmaßgeblichen Sekte geworden s e i 1 3 . Die Zeitschrift „Nordland. Kampfblatt für gläubiges D e u t s c h t u m " sprach unter der Überschrift „Positives H e i d e n t u m " davon, das Christentum sei „das einzig dastehende M u s t e r der Verneinung alles Gesunden, Lebensechten, der Inbegriff der N e g a t i o n " 1 4 . In Versammlungen wurde die Parole ausgegeben: „Die Deutsche Glaubensbewegung ist die Kampforganisation zur Entkirchlichung Deutschlands; darum treten wir aus der Kirche a u s . " 1 5 Diese kontinuierliche und massive Polemik, die bisweilen F o r m e n a n n a h m , die unter den Gotteslästerungsparagraphen fielen, stand in keinem Verhältnis zu dem dürftigen Gehalt des abstrusen deutschgläubigen Ideologiekonglomerats, das klarer Durchsichtigkeit entbehrte. Auch die deutschgläubige Gestaltung von Lebensfeiern hat trotz zunehmender kirchlicher Entfremdung in offiziellen Parteikreisen nur wenig R e s o n a n z gefunden, o b w o h l verschiedene Elemente in die eigene Lebensfeierpraxis der Partei ü b e r n o m m e n wurden. 10. 11.

Die Christliche Welt 4 9 ( 1 9 3 5 ) , Sp. 7 7 4 . Ebd. 51 ( 1 9 3 7 ) , Sp. 9 0 2 ; Durchbruch, Folge 3 7 ( 1 9 3 7 ) .

12. 13. 14. 15.

Die Christliche Welt Ebd. 51 ( 1 9 3 7 ) , Sp. Ebd. 51 ( 1 9 3 7 ) , Sp. Ebd. 5 2 ( 1 9 3 8 ) , Sp.

51 ( 1 9 3 7 ) , Sp. 2 3 8 . 315. 405. 334.

398

Weltanschauungs- und Existenzkampf

der

Universitätstheologie

Das sehr disparate Gedankengut der Deutschgläubigen war weitgehend gekennzeichnet durch pseudomystisch-pantheistische Verschwommenheit. Daß der Einfluß der Deutschgläubigen auf Schule und Jugendunterweisung auf Schranken stieß, hatte vorrangig organisationspolitische Gründe: ihre Bestrebungen wurden von der NS-Reichsjugendführung nicht selten als Konkurrenz zur Hitlerjugend empfunden. Auch der noch obligatorische schulische Religionsunterricht, den der NSLehrerbund allerdings 1938 durch eine überraschende Aktion zu liquidieren versuchte, setzte hier zunächst Grenzen. Außerdem hat beispielsweise das SS-Organ „Das Schwarze Korps" gelegentlich die verschrobenen Ansichten der deutschgläubigen Gruppen drastisch kritisiert, natürlich ohne daß dies irgendwie eine Option für das Christentum oder einen Verzicht auf weltanschauliche Polemik gegen Kirche und Theologie bedeutet hätte: 1 6 „Was wir brauchen, ist nicht ein vages Schwärmen für irgendwelche geheimbündlerische und sektiererische Pseudoreligiosität, sondern ein offenes und ehrliches Bekenntnis zu den religiösen und vor allem sittlichen Anschauungen unserer Vorfahren. Es war einer der verhängnisvollsten Irrtümer all der kleinen Bünde, die die Religion unserer Rasse erneuern wollten, daß sie dort anzuknüpfen versuchten, wo die gewaltsame Christianisierung seinerzeit die lebendige Weiterentwicklung unterband. Es ist unmöglich, ein Jahrtausend menschlicher und völkischer Entwicklung auszulöschen und als nicht existierend zu behandeln. ( . . . ) Weder das vorchristliche religiöse Brauchtum noch die ihm zugrunde liegenden Vorstellungen sind ohne weiteres für uns verwendbar. ( . . . ) Unsere Aufgabe ist lediglich, daß ein deutscher Mensch, der allen orientalischen Lehren abgesagt hat und sich bemüht, durch eigene Erkenntnis das sittliche Ahnenerbe unserer Rasse zu erschließen, bei diesem Streben nicht gehindert wird." Diese Kritik des SS-Blattes an den deutschgläubigen Gruppen schloß die Absage an orientalische Lehren und damit eine antichristliche und antikirchliche Stoßrichtung ein; die Kritik an den Deutschgläubigen resultierte auch hier vorrangig aus Gründen organisationsbestimmter Weltanschauungsrivalität. Auch die Zeitschrift „Der deutsche Student" 1 7 beschäftigte sich im Mai 1936 kritisch mit den völkischen Gruppen in der „Deutschen Glaubensbewegung". Diese hielten „die gärende Kraft eines neuen religiösen 16.

Das Schwarze Korps 2 ( 1 9 3 6 ) , 17. Folge (Ausgabe vom 2 3 . April 1 9 3 6 ) .

17.

Der deutsche Student, Mai-Heft 1 9 3 6 .

Im Störfeuer deutsch gläubiger Polemik

3 99

Gefühls gerade für gut genug ( . . . ) , um eine Organisation mehr aufzuz i e h e n " . Der Verfasser zog einen klaren Trennungsstrich zwischen dem Nationalsozialismus und der „hastigen Suche eines kleinen Teiles unseres Volkes nach neuen K u l t m ö g l i c h k e i t e n " , die „mit dem Nationalsozialismus nichts zu t u n " hätten. Es bestehe ein krasses Mißverhältnis zwischen Anspruch und Möglichkeiten der Deutschgläubigen. Die christliche J u gend müsse den schwierigen Versuch unternehmen, „ihr Christentum in seiner konfessionellen F o r m mit dem neuen Rhythmus der jungen N a tion in Einklang zu b r i n g e n " . Hier war die Distanzierung von der „Deutschen G l a u b e n s b e w e g u n g " und ähnlichen völkischen Gruppen deutlich, zugleich aber das Interesse, die christliche Jugend als solche direkt in die weltanschaulichen Erziehung und Schulung der Parteiorganisationen einzubeziehen. Solche Kritik seitens der N S D A P brachte die deutschgläubigen Kreise natürlich nicht zum Verstummen. Sie reagierten vielmehr oft gereizt, erst recht, wenn sie ihre religiös-ideologische Position durch offizielle Parteikreise nicht bestätigt oder gar in Frage gestellt fanden, und mischten sich in kultur- und religionspolitische Fragen immer wieder ein. Besonders im Erziehungs- und Bildungsbereich wollten sie christlichen Einfluß ausgeschaltet sehen und gingen hier mit dem Trend einer aversiven weltanschaulichen Distanzierung von Kirche und Christentum parallel, wie er sich innerhalb der N S D A P selbst abzeichnete. So verwies „Der B l i t z " , das aggressive „ K a m p f b l a t t der Deutschen A k t i o n " (Untertitel), darauf: wer die Gemeinschaftsschule fordere und verlange, d a ß christlicher Religionsunterricht in der Schule nicht mehr erteilt werden dürfe, müsse sich auch dafür einsetzen, „ d a ß diese Lehre auch aus den Hörsälen unserer Fakultäten verschwindet". M a n erkannte hier sehr wohl die Bedeutung staatlicher Theologenausbildung für das Ansehen und die Stabilität des Volkskirchentums und forderte deshalb, die akademische Ausbildung für Geistliche abzuschaffen: „ H e b t m a n die theologischen Fakultäten an unseren Universitäten auf, ist der christliche Priester nicht mehr A k a d e m i k e r , geht es mit seinem N i m b u s und seinem Einfluß, den er jetzt noch als gelehrte Persönlichkeit in den breiten Völksmassen genießt, schnell bergab, wodurch das Christentum selbst auch recht schnell an Boden v e r l i e r t . " 1 8 Auch deutschgläubige Journalisten in anderen Zweigen der Publizistik, so in der Lehrerzeitung „ D e r Schlesische Erzieher" vom 7. September 1 9 3 5 , forderten vom antisemitischen Standpunkt, das Alte Testament 18.

Junge Kirche 4 ( 1 9 3 6 ) , S. 1 7 7 .

400

Weltanschauungs- und Existenzkampf

der

Universitätstheologie

aus Schulunterweisung und Religionsunterricht auszuschließen. Sie verbanden damit auch die Forderung, die Theologie von den Universitäten zu verbannen und ihre finanzielle Förderung zu unterbinden: 19 „In acht Volksschuljahren hört das deutsche Kind hebräische Geschichte und Weltanschauung in rund 1 0 0 0 Stunden, deutsche Geschichte in kaum 2 0 0 Stunden. Eine Bildungsarmee von rund 2 5 0 0 0 0 bis 3 0 0 0 0 0 Personen ist damit beschäftigt, die deutschen Kinder im Geiste des Mose zu erziehen, und das in dem guten Glauben, es handle sich um ,Religion' und deren unersetzliche geschichtliche Grundlagen. Demselben Zwecke dienen die Lyzeen und theologischen Fakultäten, die aus den Steuergroschen des verarmten deutschen Volkes erhalten werden. ( . . . ) Ist es noch zu rechtfertigen, aus öffentlichen Geldern theologische Fakultäten und Lyzeen zu unterhalten?" Die Parole des deutschen Volkes und vorab der deutschen Schule müsse darum heißen: „Fort mit Mose und seinem System!" Die Existenz der Universitätstheologie war nicht nur eine wissenschaftspolitische Frage, sondern sie war zugleich von der Entwicklung der nationalsozialistischen Kirchen- und Religionspolitik abhängig. Deshalb mußte die massive Kirchenkritik völkischer Kreise, die die institutionelle Existenz der theologischen Fakultäten in Frage stellten, ernstgenommen werden. Wurde doch auch in der offiziellen Parteipresse sonst immer wieder sehr scharfe Polemik gegen Kirche und Christentum gerichtet und faktisch auch das Lebensrecht der Universitätstheologie bestritten. Der spätestens seit 1 9 3 7 verstärkt wahrnehmbare weltanschauliche Distanzierungstrend von Christentum und Kirche, wie er sich parteioffiziell in ausgrenzenden Anordnungen und Maßnahmen der NS-Partei gegenüber der Pfarrerschaft vollzog, traf auch die Universitätstheologie empfindlich. Lag es argumentativ doch durchaus auf der Linie der „Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens", was die völkischen Gruppen in Versammlungen und Pressepropaganda forderten: „Ist Theologie eine Wissenschaft?" fragte der „Blitz", das „Kampfblatt der Deutschen Aktion" und antwortete: 2 0 „Eine zweitausendjährige Disziplin, die ihr fossiles Gedankengut unter allen Umständen inmitten der in unaufhaltsamem Aufstieg begriffenen Menschheit immer noch als unantastbares Heiligtum bewahren ( . . . ) will, muß sich mit einem Winkel im Museum begnügen, hat aber kein

19. 20.

Der Schlesische Erzieher, Nr. 1 9 , 1 9 3 5 ; nach: Junge Kirche 4 ( 1 9 3 6 ) , S. 1 2 1 . Junge Kirche 4 ( 1 9 3 6 ) , S. 1 0 6 7 .

Im Störfeuer

deutschgläubiger

Polemik

401

Recht, einen Lehrstuhl an der Universität zu beanspruchen. Wissenschaft ist lebendiger Organismus, Theologie ist tote Versteinerung." Ahnlich hatte es im deutschgläubigen „Durchbruch" im Herbst 1 9 3 6 geheißen: 2 1 „Hinweg aus unseren deutschen Universitäten mit den jetzigen theologischen Fakultäten. Die christliche Theologie ist erstens überhaupt keine Wissenschaft, sondern sie steht zu allen Wissenschaften in krassestem Widerspruch, zweitens aber beschäftigt sie sich lediglich nur mit jüdischem Gedankengut, und das muß in deutschen Landen endlich voll und ganz und für immer überwunden werden." Außer mit der diffusen deutschgläubigen Propaganda hatte sich Theologie und Kirche auch mit Alfred Rosenbergs Buch „Der Mythus des 2 0 . Jahrhunderts" auseinanderzusetzen. 2 2 Die Kontroverse um Rosenberg zeigte, wie Theologen verschiedener Richtungen auch außerhalb der Fakultäten kritisch Stellung nahmen. Die öffentliche Diskussion mit Rosenberg wurde zunächst dadurch etwas erleichtert, daß der „ M y t h u s " bei seinem Erscheinen im Jahre 1 9 3 0 aus parteitaktischen Gründen als Privatmeinung des Verfassers bezeichnet worden war. Seitdem Rosenberg im Januar 1 9 3 4 zum Beauftragten für die weltanschauliche Erziehung und Schulung der NSDAP und ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände bestellt worden war, gewann seine Schriftstellerei jedoch mehr und mehr parteioffiziösen Charakter. Seitens der katholischen Kirche wurde der „ M y t h u s " schon Anfang Februar 1 9 3 4 auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt. Die Auseinandersetzung mit Rosenberg war kirchlichen Autoren damals noch möglich, wurde aber zunehmend erschwert. Die weltanschauliche Beauftragung Rosenbergs zeigte, daß die ideologische Auseinandersetzung mit Kirche und Theologie sich nicht auf die diffusen neuheidnisch-völkischen Gruppen beschränkte, sondern auch von parteiamtlich verantwortlichen Kräften innerhalb der NSDAP betrieben wurde, die sich zunehmend auch öffentlich gegenüber christlichen Auffassungen distanziert verhielten und sich auch polemisch äußerten. Wie auch immer der Stellenwert der Deutschen Glaubensbewegung und verwandter völkischer Kreise wie Ludendorff-Bewegung und an21.

Durchbruch 3 ( 1 9 3 6 ) , Folge 4 3 ; Blitz, Folge 4 4 , 1 9 3 6 (nach: Junge Kirche

22.

Z u r Auseinandersetzung mit Alfred Rosenberg vgl. O t t o Diehn, Bibliogra-

4 ( 1 9 3 6 ) , S. 1 0 6 7 ) ; ähnlich: Durchbruch 3 ( 1 9 3 6 ) , Folge 2 6 . phie, N r . 7 2 8 - 7 4 7 ; Raimund Baumgärtner, Weltanschauungskampf; Harald Iber, Christlicher Glaube und rassischer Mythus (Lit.).

402

Weltanschauungs- und Existenzkampf der Universitätstheologie

dere eingeschätzt werden mochte, ihre Polemik war nicht ungefährlich, verstärkte sie doch die Forderung, die theologischen Fakultäten müßten von den Universitäten verschwinden. Die Forderung nach Verbannung der Theologie aus der Universität, eines der erklärten Ziele deutschgläubig-neuheidnischer Propaganda, diente zumindest der „Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens" und begünstigte zunehmend den Trend, kirchlichen Einfluß einzuschränken. Die Universitätstheologie hielt es deshalb für geboten, diese Angriffe nicht einfach hinzunehmen. Verschiedene Theologen meldeten sich zu Wort und traten öffentlich für die Berechtigung universitärer Pfarrerausbildung ein. Sie erörterten das Verhältnis von Kirche und Nationalsozialismus positiv und versuchten, der gegen die universitäre Theologenausbildung gerichteten deutschgläubigen Polemik den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dabei mußte sich die Universitätstheologie gleichzeitig der bekenntniskirchlichen Kritik stellen und auch ihr gegenüber für das Verbleiben der evangelischen Theologie „im Rahmen des auf den Universitäten organisierten allgemeinen Wissenschaftsbetriebes" eintreten. Es war nachzuweisen, daß Wissenschaftlichkeit und Kirchlichkeit der Theologie nebeneinander bestehen und „daß Theologie im Rahmen einer allgemeinen Wissenschaftsorganisation getrieben werden und dabei doch ihren theologisch-kirchlichen Charakter behalten k a n n " . 2 3 Fakultätsvertreter wandten sich dabei auch gegen Tendenzen innerhalb der Bekennenden Kirche, die darauf abzielten, daß die Kirche ihre Theologenausbildung selbst in die Hand nehmen müsse. Im DC-Blatt „Positives Christentum" wurde die Kritik der Bekennenden Kirche an der universitären Pfarrerausbildung mit dem deutschgläubig-neuheidnischen Affront gegen die theologischen Fakultäten verglichen: In den letzten zwei Jahren seien „gegenchristliche Kreise und kirchliche Reaktion im trauten Verein als Verbündete im Kampf gegen die Volkskirche" und damit gegen die theologischen Fakultäten wirksam geworden. Die bekenntniskirchliche Broschüre von Heinrich Schlier „Unter dem W o r t " , die forderte, die Kirche müsse die Theologenausbildung in eigene Hand nehmen, und ein gegen die Existenz der theologischen Fakultäten als Staatsanstalten gerichteter Artikel der deutschgläubigen Zeitschrift „Blitz" würden faktisch die gleiche Stoßrichtung zeigen. 24

23. 24.

Robert Winkler, Theologie und Kirche, S. 4 9 Positives Christentum 2 ( 1 9 3 6 ) , Nr. 7 vom 2 3 . Februar 1 9 3 6 .

Parteioffizielle

b) Parteioffizielle

Diskriminierung

403

Diskriminierung

Die zunächst stärker von der deutschgläubigen Polemik

ausgehenden

Attacken gegen die Universitätstheologie ordneten sich allmählich in den nationalsozialistischen T r e n d einer Distanzierung von Kirche und Christentum ein. H a t t e schon die maßlose, oft genug giftige Polemik deutschgläubiger Kreise eine äußerst gespannte Atmosphäre erzeugt, so mußte es besonders irritierend auf die Universitätstheologie wirken, daß auch innerhalb der NS-Partei, in ihren Gliederungen und angeschlossenen Verbänden im Blick auf Kirche und Christentum eine aversiv-distanzierte A t m o s p h ä r e spürbar wurde. Die systemoffizielle Ausgrenzung hatte im Blick auf die SS-Zugehörigkeit von T h e o l o g e n bereits seit 1 9 3 4 / 3 5 begonnen. Ein Ausschlußbefehl vom 1 5 . O k t o b e r 1 9 3 4 , Ziffer 8, betreffend Angehörige der SS, die Geistliche waren, wurde „bei dem immer noch herrschenden Streit innerhalb der K i r c h e " Ende M ä r z 1 9 3 5 auf Theologiestudenten erweitert. 2 5

Es

sollte verhindert werden, konfessionelle Auseinandersetzungen in die SS hineinzutragen, hieß es. In kirchlichen Kreisen wurde die „für evangelische Pfarrer und evangelische Theologiestudenten wichtige Verfügung" schon bald als Pressemeldung b e k a n n t 2 6 . Der Vorsitzende des Fakultätentages Prof. H a n s Schmidt

(Halle)

wurde gebeten, sich dafür einzusetzen, d a ß wenigstens die Ausweitung des SS-Befehls auf die Theologiestudenten aufgehoben werde. So schrieb ihm Prof. J o h a n n e s Witte, D e k a n der Theologischen Fakultät Berlin, am 2 7 . M a i 1 9 3 5 : „Unsere hiesigen Studenten fühlen sich durch den Befehl, aus der S.S. auszuscheiden, dem sie schon haben n a c h k o m m e n müssen, gekränkt; denn in unserer Fakultät ist es nicht so, daß der Kirchenstreit das Kameradschaftsverhältnis so störte, d a ß eine gemeinsame Zugehörigkeit zur S.S. dadurch irgendwie beeinträchtigt w ü r d e . " 2 7 Die Lage an anderen theologischen Fakultäten sei sicher ähnlich. Prof. H a n s Schmidt hat sich daraufhin in einem Schreiben vom 7 . August 1 9 3 5 an den Reichsführer SS Heinrich Himmler tatsächlich mit die25.

Verfügung des Reichsführers SS über Geistliche als SS-Angehörige vom 15. Oktober 1934: SS-Befehlsblatt 2 (1934), Nr. 10; Ausdehnung auf Theologiestudenten: 3 (1935), Nr. 3 vom 25. März 1935. In: Nicolaisen, Dokumente, Bd. 2, Dok. 64/34, S. 179.

26.

Zeitungsausschnitt. Bezugnahme auf Mitteldeutsche Heimatkorrespondenz vom 21. Juni 1935, in: Präses der BK.-Syn. Nr. 4 6 , 1. August 1 9 3 5 (LKA Hannover S 1 Ε II 132). UA Halle, Rep. 27, Nr. 2 8 6 .

27.

404

Weltanschauungs- und Existenzkampf

der

Universitätstheologie

sem Ausschlußbefehl auseineinandergesetzt, nachdem sein Ersuchen um Vorsprache bei Himmler am 2 1 . Juni 1935 abschlägig beschieden worden war. 2 8 Mit Hinweis auf die „Wehrfreudigkeit" der evangelischen Theologen versuchte Schmidt, verständlich zu machen, es sei entehrend für die jungen Theologen, „wenn ihnen die Eignung zum Dienst in der Elitetruppe des nationalsozialistischen Staates, der SS., aberkannt" werde. Schon Ende des 19. Jahrhunderts hätten die Theologen gegen die Befreiung vom Wehrdienst, die ihnen in Parität mit den katholischen Theologiestudenten gewährt werden sollte, erfolgreich Einspruch erhoben. Ein solcher Ausschluß ziehe ihr vaterländisches Verantwortungsbewußtsein in Zweifel, war damals als Argument vorgebracht worden. All diese Argumente, die den Ausschlußbefehl als unbegründet erweisen sollten, vermochten nicht, ihn rückgängig zu machen. Himmler hatte am 19. August 1935 Hans Schmidt geantwortet, es sei jedem einzelnen evangelischen Pfarrer und Theologiestudenten, der sich an Himmler wegen seines Ausschlusses gewandt hätte, geschrieben worden, daß es sich um ein „ehrenvolles Ausscheiden" handele. Himmler stellte auch ein Verbot in Aussicht, daß SS-Angehörige als Redner, Ortsgruppenleiter der „Deutschen Glaubensbewegung" oder ähnlicher weltanschaulichbekenntnismäßiger völkischer Organisationen tätig seien. Ein persönlicher Austausch mit Prof. Hans Schmidt in Berlin sei Himmler durchaus erwünscht, ohne daß dadurch sich etwas am Ausschlußbefehl ändern werde. Das Schreiben Himmlers enthielt keine Angabe von Gründen für das Ausscheiden von Theologen aus der SS. Im SS-Befehl selbst hatte es geheißen, es liege „im Interesse des Friedens zwischen Kirche und Staat". 2 9 Aber auch sonst gab es Signale, die aufmerken ließen. Bezeichnend war ein Vorgang an der Universität Greifswald. Beim Antrittsappell zu Beginn des Wintersemesters am 5. November 1936 sprach der pommersche NS-Gaustudentenführer Kreul vor dem NS-Studentenbund in Greifswald. 30 Die Versammlung war durch Anwesenheit von Vertretern der Stadt und der Wehrmacht als hochoffiziell anzusehen. Am Schluß seiner Rede kam Kreul auf die Kirche zu sprechen. Er stellte dabei 28.

Hans Schmidt an Heinrich Himmler, 7. August 1 9 3 5 (UA Heidelberg Η 1 / 0 5 5 ; UA Jena, Best. J, Nr. 2 9 2 ; Theol. Fak. Den Fakultätentag betr. 1 9 2 7 1944).

29. 30.

Ebd. Folgendes nach Wiedergabe in: 69. Rundschreiben der Bekenntnissynode im Rheinland, 2. Dezember 1 9 3 6 (LKA Hannover S 1 Η 2 131).

Parteioffizielle

Diskriminierung

405

Christentum und Nationalsozialismus als zwei sich ausschließende Totalitätsansprüche alternativ gegenüber. Der Erfolg der Semesterarbeit des NS-Studentenbundes müsse darin bestehen, „daß sich jeder Student entscheide, ob Nationalsozialist oder Christ". Mit unverhohlener Ironie lehnte er Christus als ungermanisch und daher für Deutsche untragbar ab. Prof. Wilhelm Koepp, damals Dekan, der als einziger vom Kollegium der Theologischen Fakultät Greifswald anwesend war, hielt es zwar nicht für angebracht, während der Versammlung gegen diese Ausführungen zu protestieren. Sofort nach der Rede wurde jedoch der den Deutschen Christen nahestehende theologische Fachgruppenleiter Last aufgefordert, eine Fachgruppenversammlung einzuberufen, die sich mit diesem Vorkommnis befassen sollte. Sie kam erst am 2 0 . November 1936 zustande. Der Protestbrief des theologischen Fachschaftsleiters hatte indes nur zur Folge, daß Kreul über den Hochschulgruppenführer des NSStudentenbundes in Greifswald bekanntgeben ließ, es werde ein Parteigerichtsverfahren gegen Last, den Verfasser des Protestschreibens, wie gegen alle Parteigenossen der theologischen Fachschaftsgruppe eingeleitet. Betroffen davon seien auch diejenigen Theologiestudenten, die - ohne Pgs. zu sein - lediglich dem NS-Studentenbund angehörten, da sie durch Billigung dieses Protestes gegen die Parteidisziplin verstoßen hätten. Bei dem Verfahren sollte auch geklärt werden, ob es in Glaubensangelegenheiten einen bindenden Führerentscheid gebe, dem nicht widersprochen werden dürfe. Die theologische Fachgruppe des NSStudentenbundes wurde aufgelöst. Ahnliches wurde im Blick auf die Fachgruppe der „Deutschen Studentenschaft" an der Greifswalder Theologischen Fakultät befürchtet. In der Annahme, daß der Rektor Prof. Dr. med. Reschke stärker die Linie des Gaustudentenführers vertrete, suchten die Greifswalder Studenten beim theologischen Lehrkörper Schutz; dabei rechneten sie vor allem auf Unterstützung des Lehrbeauftragten Lie. Johannes Fichtner, der auch stellvertretender Standortpfarrer war, wie auch auf die Professoren Ernst Lohmeyer und Friedrich Baumgärtel. Auch auf den Standortkommandanten konnten sie sich stützen. Seit 1 9 3 7 gab es zunehmend Probleme mit der Studienförderung von Theologen. In verschiedenen Universitätsstädten wurden bereits damals Theologenstudenten „sehr gegen ihren Wunsch aufgefordert", ihren Austritt aus der SA zu beantragen. Damit war ihnen die Möglichkeit entzogen, ihre Förderungswürdigkeit unter Beweis zu stellen 31 . Vom Erlaß 31.

UA Göttingen, Theol. Fak. Nr. 140/2.

406

Weltanschauungs- und Existenzkampf der

Universitätstheologie

der SA-Führung, Theologen sollten ihre Zugehörigkeit zur SA beenden, waren zahlreiche Theologiestudenten, die der SA angehörten, betroffen. Ein Bescheid der Obersten SA-Führung vom 2 7 . Juli 1 9 3 7 in München, unterzeichnet vom Chef des Gerichts- und Rechtsamtes der SA, Obergruppenführer Bockenhenne, ließ im Juli 1 9 3 7 den stud, theol. Vg. ( = Volksgenossen) Gottfried Prüfer in Hirschberg (Riesengeb.) auf seine Anfrage wissen, daß nur solche SA-Männer in der SA verbleiben dürften, die bereits Parteigenossen seien oder begründete Aussicht hätten, „später einmal Pg. zu werden". Die Lockerung der Aufnahmesperre der NSDAP seit Mai 1 9 3 7 biete zwar jetzt einem erheblichen Teil der Nichtparteigenossen innerhalb der SA die Möglichkeit, in die NSDAP einzutreten. Der Stellvertreter des Führers habe jedoch bestimmt, „daß zur Vermeidung des Hereintragens kirchenpolitischer Gegensätze in die Bewegung keine Aufnahme von Angehörigen des geistlichen Standes gleich welcher Konfession - erfolgt". Doch sei die Verfügung auch bereits auf Theologiestudenten anzuwenden, die der SA angehörten. Die übrigens durchaus ehrenvolle - Entlassung aus der SA, die keineswegs eine persönliche Diffamierung bedeute, sei deshalb unabdingbar 3 2 . Nachteile für Theologiestudenten, die aus der SA entlassen wurden, versuchte man seitens der theologischen Fakultäten verschiedentlich durch örtliche Regelungen zu vermeiden. In Göttingen behalf sich der für die Theologen zuständige Förderungsausschuß einstweilen damit, daß er aus der SA ausgeschiedene Theologen ähnlich wie Studenten nichttheologischer Fakultäten behandelte, die der SA noch angehörten. Prof. Hirsch als Dekan schrieb dazu am 3. Dezember 1937, man sorge unter der Hand dafür, daß diese Theologiestudenten in andere Organisationen gingen. Er riet von einer Aktion im Großen ab und meinte, ein Jahr später wäre eine Klärung vielleicht günstiger als gegenwärtig. Das entsprach Hirschs Tendenz, manche Dinge dilatorisch zu behandeln, um fakultätspolitisch unnötige Risiken zu vermeiden und günstigere Gelegenheit abzuwarten 3 3 . Unübersichtlich war die Situation, weil die Zurückweisung der Theologen keineswegs in allen Universitätsstädten, ja mitunter in der gleichen Universitätsstadt nur in einzelnen SA-Stürmen erfolgte und auch - wie in Bonn - bei der Erntehilfe 1 9 3 9 dann doch noch diese restriktive Anordnung zurückgenommen würde.

32. 33.

Oberste SA-Führung an G. Prüfer (Abdruck: Gruppe Schlesien), 2 7 . Juli. 1 9 3 7 (UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 3 0 2 ) . UA Göttingen Theol. Fak., Nr. 146.

Parteioffizielle

407

Diskriminierung

Auch der Vorsitzende des Evangelisch-Theologischen Fakultätentages, Prof. Hans Schmidt (Halle), wurde mit der Sache befaßt. Er versuchte am 19. J a n u a r 1 9 3 8 , vom Reichswissenschaftsministerium eine Anordnung zu erwirken, die es ermöglichen sollte, die ohne ihr Zutun aus der SA ausgeschiedenen Theologiestudenten als förderungswürdig zu bezeichnen. Entsprechend einem Hinweis aus dem Reichskirchenministerium hatte er gleichzeitig eine Eingabe an den Stellvertreter des Führers Rudolf Heß gerichtet, die sich mit den befürchteten Folgen einer Nichtberücksichtigung von „Personen des geistlichen Standes" bei Parteianwärtern befaßte 3 4 . Stützte sich doch der SA-Ausschluß argumentativ darauf, daß Theologen zu den Kategorien gerechnet wurden, für die eine Aufnahme in die N S D A P parteiamtlich nicht mehr in Frage kam. Hieß es doch in Punkt 11 der „Richtlinien für die Parteiaufnahme von Volksgenossen": 3 5 „Ausgeschlossen: Juden, Arier mit jüdischen Ehefrauen, Mischlinge, ehemalige Freimaurer, ehemalige Angehörige logenähnlicher Vereinigungen, wegen ehrenrühriger Handlungen Vorbestrafte, nicht ehrenvoll aus der Wehrmacht oder dem Arbeitsdienst Ausgeschiedene, Erbkranke, alle konfessionell gebundenen Volksgenossen, Geistliche, ehemalige Angehörige der Theosophischen und Anthroposophischen Gesellschaften und der französischen Fremdenlegion, Professoren (Dozenten), Theologiestudenten an den Theol. Fakultäten der Universitäten, an philosophisch-theologischen Hochschulen und ähnlichen Anstalten für Geistliche". Mannigfache örtliche Einzelbemühungen der Fakultäten zeigen die oft komplizierte Argumentations- und Verhandlungsweise, um nachteilig erscheinender Ausgrenzung von Theologen aus NS-Organisationen zu begegnen. So wandte sich Prof. Hans Schmidt am 14. M a i 1 9 3 8 an den zuständigen SA-Standartenführer (Standarte 3 6 , Halle/S., B a r b a r a s t r . i l ) . Als Dekan der Theologischen Fakultät Halle unterstütze er die Bitte von stud, theol. Karl Lensch um Wiederaufnahme in die SA. Die örtliche SA-Führung habe dies für möglich erklärt, falls seine Verhandlungen als 34.

Hans Schmidt an Rudolf Heß, 2 1 . Januar

1938

(UA Halle, Rep.

27,

N r . 3 0 2 ) ; auch UA Bonn 3 3 , Ev. Fakultätentag. 35.

In Schreiben Hans Schmidts an Gustav Entz (Wien) vom 2 . M ä r z

1940

(UA Halle, Rep. 2 7 , N r . 2 8 0 ) . Entz hatte wegen früherer Zugehörigkeit zur Freimaurerloge Schwierigkeiten mit seiner Parteiaufnahme, die schließlich abgelehnt wurde. Der Wortlaut des Ausschlußparagraphen der für die H o heitsträger der NSDAP zur genauen Beachtung dienenden Richtlinien war Hans Schmidt „vor einigen W o c h e n " aus Breslau mitgeteilt worden.

408

Weltanschauungs- und Existenzkampf

der

Universitätstheologie

Fakultätentagsvorsitzender, auf die Lensch sich berief, positiv verliefen. Lensch sei aus der SA entlassen worden, „weil er Student der Theologie ist und weil der Erlaß des Stellvertreters des Führers, der Personen geistlichen Standes von der diesmaligen Aufnahme in die Partei ausschließt, damals so ausgelegt wurde, daß dadurch auch Studenten und Dozenten der Theologie an den staatlichen Universitäten die Möglichkeit, in die Partei einzutreten und damit ( . . . ) auch der SA anzugehören, genommen sei". Die „Parteifähigkeit der Dozenten und Professoren der Theologie" sei inzwischen jedoch durch Eingaben Schmidts und von anderer Seite durch Parteiaufnahmen von verschiedenen Universitätstheologen anerkannt worden. Aus der Mitteilung des Stabsführers der Obersten SAFührung an die Studentenschaft in Berlin gehe hervor, daß die gleiche Auffassung gegenwärtig offensichtlich auch im Blick auf Theologiestudenten bestehe. Das parteiamtliche Argument, Zugehörigkeit von Theologen könne innerhalb der SA störenden konfessionellen Zwist auslösen, treffe auf Lensch nicht zu: er habe sich niemals kirchenpolitisch betätigt und gehöre keiner kirchenpolitischen Partei oder Gruppe an; er sei „ein Mann von tadellosem Charakter, von großer Begeisterung für den Führer und den nationalsozialistischen Staat und von steter und vollkommener Einsatzbereitschaft". Es wäre höchst bedauerlich, wenn der Wunsch des Studierenden, „weiter in der SA zu dienen, ihm nicht gewährt würde" 3 6 . Weil politische Beteiligung an der Arbeit studentenspezifischer Organisationen neben sozialer Bedürftigkeit auch die Voraussetzung für Gebührenerlaß, Stipendien, Kinderbeihilfe für Studierende aus kinderreichen Familien u.a. war, gab es hier oft Schwierigkeiten. Nach mancherlei Vorstößen wurde dem Vorsitzenden des Fakultätentages erst im Oktober 1 9 3 9 durch Ministerialdirektor Dr. Julius Stahn im Reichskirchenministerium bekannt, daß Reichsfinanzminister Graf Lutz Schwerin von Krosigk am 12. September 1 9 3 9 verfügt habe, daß Studierenden der Theologie in Abänderung des Erlasses vom 28. September 1938 nunmehr „Ausbildungsbeihilfen" gewährt werden könnten, „wenn nicht Tatsachen darauf schließen lassen, daß die Studierenden nicht gewillt sind, in Treue dem Deutschen Volk und Reich zu dienen". Die Finanzämter sollten die bisher abgelehnten Anträge erneut prüfen. 37

36. 37.

Hans Schmidt an SA-Standarte 3 4 in Halle, 14. Mai 1 9 3 8 (UA Halle, Rep. 2 7 , N r . 3 0 2 ) . Julius Stahn an Hans Schmidt, 9. Oktober 1 9 3 9 (UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 2 7 8 ) .

Parteioffizielle

Diskriminierung

409

D a ß es trotz der inzwischen eingetretenen Kriegssituation bei dieser politischen „Bewährungsklausel" verblieb, wurde als diskrimierende Sonderbehandlung der Theologen empfunden. Namens des Evangelischen Fakultätentages hat Hans Schmidt (Halle) deshalb im September 1 9 3 9 einen erneuten Versuch gestartet, um die Ausgrenzung der Theologen aus dem NS-Studentenbund jetzt aufheben zu lassen. Wie zahlreiche Korrespondenzen zeigen, entsprach Schmidt mit seinen Vorstößen, Benachteiligungen der Theologiestudierenden abzuwehren, einem in den theologischen Fakultäten verbreiteten Wunsch. Er hat mit verschiedenen Dekanen über diese Fragen öfters korrespondiert und gelegentlich auch persönlich verhandelt. In Hans Schmidts Schreiben an den NSReichsstudentenführer Dr. Gustav Adolf Scheel vom 2 6 . September 1 9 3 9 hieß es: 3 8 „Die Studenten aller Fakultäten, nicht zuletzt die der evang. theol. Fakultät, haben sich, wie sie im Erntedienst zusammengestanden haben, nahezu vollständig zum Eintritt in das Heer gemeldet. Ein großer Teil steht unter den Fahnen. Unter den ersten Nachrichten, die wir vom polnischen Kriegsschauplatz erhalten haben, war die vom Heldentod einiger Studenten unserer Fakultät. Die auf ihre Einberufung wartenden Studenten in den 5 Universitäten, die in diesem Kurzsemester offengehalten werden 3 9 , sind eine enge einheitliche Gemeinschaft. Das veranlaßt mich zu einer Bitte, deren Wiederholung Sie mir nicht verübeln wollen. W ä r e es nicht möglich, das von Ihnen über die Studierenden der evang. Theologie verhängte Verbot des Eintritts in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund jetzt aufzuheben? Ich bin der Uberzeugung, daß eine solche Verfügung als ein Ausdruck des Willens zur Einheit von allen Seiten warm empfunden werden wird." Doch lag das Verbot der Neuaufnahme von Theologen in den NSStudentenbund ganz auf der Linie zentraler parteiamtlicher Distanzierung von Kirche und Theologie. Das zeigte auch Scheels Antwort: bekanntermaßen sei er „auch bei der Aufnahme der evang. Theologen in den NS-Studentenbund an die allgemeinen Weisungen der Partei gebun-

38.

Hans Schmidt an Gustav Adolf Scheel, 2 6 . September 1 9 3 9 (UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 2 7 8 ) .

39.

Bei Kriegsbeginn Anfang September 1 9 3 9 konnten zunächst nur die Universitäten Berlin, Jena, Wien, Leipzig und München den Lehrbetrieb eröffnen, ausgenommen die Theol. Fakultät in Leipzig, die die Wiederaufnahme ihres Lehrbetriebes erst ab Januar 1 9 4 0 (2. Kriegstrimester) durchsetzen konnte.

410

Weltanschauungs- und Existenzkampf

der

Universitätstheologie

den"; er müsse erst Bescheid von zuständiger Stelle einholen 4 0 . Er habe das Schreiben „mit eindringlicher Befürwortung dem Pg. Bormann vorgelegt" 4 1 . Eine weitere Eingabe des Präsidenten des Fakultätentags in dieser Sache an den Stellvertreter des Führers blieb noch Anfang November 1 9 4 0 ohne Antwort; man erfuhr nur inzwischen, die Sache sei noch (seit dem 22. Juni) in der Schwebe 4 2 . Für die bleibende Ungeklärtheit der Lage war es bezeichnend, daß auch 1940 wiederum verschiedene Fakultäten, so Berlin, Königsberg, Rostock, Leipzig u. a. dem Präsidenten des Fakultätentags in Halle berichteten, Studierende seien weiterhin „von der wirtschaftlichen Förderung der Studentenschaft" ausgeschlossen. 43 In einigen Fällen war den Dekanen vom jeweiligen NS-Studentenführer ihrer Universität gesagt worden, diese Sonderbehandlung entspreche einer Vereinbarung des Reichswissenschaftsministeriums mit dem Reichsstudentenführer. Das wurde indes vom Reichswissenschaftsministerium unter Hinweis auf die beiden diesbezüglichen Ministerialerlasse (19. Mai 1938, 10. Oktober 1939) bestritten. Nach dem ersten Erlaß war die Förderung für Theologiestudierende an den abgeleisteten Arbeits- und Wehrdienst gebunden, „wobei die Studenten der katholischen Theologie darauf hinzuweisen sind, daß sie bei gutem Willen durchaus in der Lage sind, freiwillig Wehrdienst zu leisten". Zugleich hatte Rust eingeräumt, er verkenne keineswegs „gewisse Schwierigkeiten, die es nicht allen Studenten der Theologie beiderlei Bekenntnisses ermöglichen, in den Gliederungen der SA., SS., NSKK., HJ. usw. Dienst zu tun und dadurch ihre Einsatzbereitschaft während des Studiums nachzuweisen". Zumindest sei jedoch zu verlangen, „daß Studenten, denen dies nicht möglich" sei, „freudig, tatkräftig und anhaltend" sich in der NSV. oder im Reichsluftschutzbund betätigten. Eine Tätigkeit lediglich als Krankenpfleger könne nicht mehr als ausreichend anerkannt werden. 44 Damit galt zwar ministeriell die grundsätzliche Zurückweisung von Theologen von der Studienförderung nicht als berechtigt. Doch konnte dem behördlichen Argument, die Mittel seien leider durch Förderung von 40. 41.

42. 43. 44.

Antwort Scheels vom 3 0 . September 1 9 3 9 (UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 2 7 8 ) . Vgl. Hans Schmidt an Arnold Stolzenburg, 7. November 1 9 4 0 (UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 2 8 1 ) : Scheel werde „auch in Ihrem Falle zwar den besten Willen, aber keine Möglichkeit der Abhilfe" haben. Ebd. Nach Schreiben Hans Schmidts an die Dekane der 18 ev.-theol. Fakultäten (einschließlich Wiens) vom 11. Juni 1 9 4 0 (UA Bonn 33, Fakultätentag). Ebd.

Parteioffizielle

Diskriminierung

411

Studenten „kriegswichtiger F ä c h e r " erschöpft, kaum wirksam begegnet werden. Auch im Blick auf die Parteizugehörigkeit von Theologen zeigte sich seit längerem der Distanzierungstrend der N S D A P . Nicht nur Geistliche wurden aufgefordert, sich um eine „ehrenvolle Entlassung" aus der Partei zu bemühen. Es zeigte sich vielmehr seit der vorläufigen Aufhebung der Mitgliedersperre der NSDAP am 1. M a i 1 9 3 7 (endgültig am 1. Mai 1 9 3 9 ) zunehmend, daß eine Parteianwärterschaft in der N S D A P auch für Studierende und theologische Hochschullehrer parteiamtlich nicht mehr erwünscht war. Prof. Hans Schmidt beklagte sich bereits in seinem über den Reichskirchenminister Kerrl dem „Stellvertreter des Führers" Rudolf H e ß direkt übermittelten Schreiben vom 2 1 . Januar 1 9 3 8 über diese zentrale Anordnung der NS-Reichsparteileitung, nach der bei der Aufnahme von Parteianwärtern in die N S D A P Pfarrer und Theologen nicht mehr berücksichtigt werden sollten. Als Präsident des Fakultätentags vom Reichswissenschaftsminister Rust mit der Vertretung der Evangelisch-Theologischen Fakultäten Deutschlands beauftragt, sei es seine Pflicht, „auf Gefahren und Nachteile aufmerksam zu machen, die diese Fakultäten bedrohen". 4 5 Schmidt berief sich auf den Beamtenstatus der Professoren, um wenigstens für Universitätstheologen eine Ausnahme vom Parteiaufnahmeverbot zu bewirken, die sich übrigens auch auf Dozenten und Assistenten beziehen sollte. Wenn letztere auch nichtbeamtet seien, so würden sie sich doch für ein Lehramt vorbereiten. Theologiestudenten seien im Sinne dieser Anordnung, die die Parteianwärterschaft von Theologen in Frage stellte, gar nicht als „Personen geistlichen Standes" anzusehen, würden doch manche von ihnen im Laufe ihrer Entwicklung andere Berufe wählen und nicht Pfarrer werden. Im übrigen habe man manche Universitätstheologen noch vor kurzem von Parteiseite zum Eintritt in die N S D A P ermuntert: 4 6 „Diejenigen Universitätsprofessoren, Dozenten und Assistenten ( . . . ) , die von den Hoheitsträgern der Partei oder den Formationen aufgefordert worden sind, sich zur Aufnahme in die Partei zu melden, besitzen allein schon in dieser Aufforderung ein Zeugnis ihrer erwiesenen Einsatzbereitschaft für den Führer und den nationalsozialistischen S t a a t . " Wenn sie nun von der Parteianwärterschaft wieder zurücktreten sollten, würde 45.

Hans Schmidt an Rudolf Heß, 2 1 . Januar 1 9 3 8 (UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 3 0 2 ) .

46.

Ebd.

412

Weltanschauungs- und Existenzkampf der Universitätstheologie

das diese Männer persönlich hart treffen und außerdem weittragende Folgen für die theologischen Fakultäten haben. Prof. Hans Schmidt zitierte deshalb ausführlich in seinem Schreiben an Heß auch aus der „Eingabe eines der Dekane einer theologischen Fakultät", der „seit 1932 eifriges Mitglied der SA und Parteianwärter ist", um zu zeigen: die Anordnung führe zu einer diskriminierenden Sonderstellung der Theologieprofessoren; sie schließe sie von einem wesentlichen Teil des Universitätslebens aus und stelle damit faktisch auch die Existenz der Staatsfakultäten in Frage: der betreffende - von Schmidt hier nicht namentlich genannte - Dekan 47 schreibe zu dieser Frage: „Wir Professoren der Theologie bekommen damit eine Sonderstellung, die uns in ihren Folgerungen von einem wesentlichen Teil des Universitätslebens ausschließt. Ja es wird hier geradezu die Frage aufgeworfen, ob wir unter diesen Umständen überhaupt noch eine legitime Stätte in der Gesamtuniversität haben. Es ist aber eine für die Universität höchst weittragende Entscheidung, ob theologische Fakultäten zu ihr gehören oder nicht. Ihr Ausscheiden würde nicht nur einen entscheidenden Bruch mit der Gesamtgeschichte der Universitäten darstellen, sondern auch ihr wissenschaftliches Gesamtleben wesentlich verengen. Wir sind ja nicht nur Erzieher künftiger Pfarrer, sondern Forscher auf weiten Bereichen des Geisteslebens." Der Gedanke der universitas litterarum wäre zerbrochen, wenn dieser Teil der Geistesgeschichte und entsprechende Problemfelder keine Stätte im akademisch-universitären Bereich mehr besäßen: 48 „Wenn die Pflege dieser Gebiete an von der staatlichen Universität unabhängige Kreise oder gar ausschließlich an das Ausland überginge, ergäben sich Folgen, die nicht abzusehen sind. Will man aber die theologischen Fakultäten im Rahmen der Universität erhalten, so darf man sie nicht in eine Sonderstellung herabdrücken. Eine unmittelbare Gefährdung liegt aber vor allem darin, daß die Beteiligung an der Nachwuchsförderung und damit die Möglichkeit zur Aufrückung in die Dozentur bisher mit Recht von einem ausreichenden Einsatz in der Bewe47.

Es handelt sich möglicherweise um Hermann Wolfgang Beyer (Leipzig), der trotz SA-Zugehörigkeit nicht mehr mit einer Parteiaufnahme rechnete. Auch sonst wurden Parteiaufnahmeanträge blockiert, so beim Breslauer Dekan Prof. Herbert Preisker. - Die verweigerte „Parteifähigkeit" von Pfarrern und Theologen seit 1 9 3 7 / 3 8 kam den Betreffenden 1 9 4 5 insofern zugute, als Zugehörigkeit zur NSDAP für Universitätstheologen Suspendierung vom Amt und Entlassung zur Folge hatte.

48.

Hans Schmidt an Rudolf Heß, 2 1 . Januar 1 9 3 8 (UA Halle, Rep. 2 7 , N r . 3 0 2 ) .

Parteioffizielle

Diskriminierung

413

gung abhängig gemacht worden ist. Es ergibt sich also die Notwendigkeit, darum bemüht zu sein, daß der Begriff ,Personen des geistlichen Standes' auf Universitätsangehörige, die ja der unmittelbaren disziplinaren Aufsicht des Staates unterstehen, nicht angewendet wird." Dieses Schreiben vom 21. Januar 1938 an H e ß enthielt zugleich die Bitte des Vorsitzenden des Fakultätentages, nicht nur für Professoren und Dozenten, sondern auch für die Studierenden der Theologie, die „eigentlich unmöglich als Personen des geistlichen Standes bezeichnet werden" könnten, eine Ausnahmeregelung zu treffen; stünde doch bei ihnen keineswegs fest, ob sie künftig wirklich einmal ein Pfarramt bekleiden würden: „Viele junge Menschen, die heute zu studieren beginnen, werden im Laufe ihrer Entwicklung auf andere Wege geführt oder wählen andere Berufe, für die das Studium der Theologie nur ein Teil ihrer Vorbildung ist. Würden ζ. B. alle diejenigen, die sich heute dem Studium der Volkheitskunde und der deutschen Vorgeschichte widmen und zu diesem Studium von der Theologie her gekommen sind, deswegen für unfähig zur Aufnahme in die Partei erklärt werden, so würde die Zahl der Parteianwärter aus diesem Fach sehr zusammenschmelzen. Das gleiche gilt von anderen Berufen, ζ. B. von Lehrern an Schulen der verschiedensten Art." Außerdem habe sich „die evangelische Theologenschaft und ganz besonders die theologische Studentenschaft" niemals als ein Stand gefühlt, der in den „Fragen des Dienstes für Volk und Vaterland" eine Sonderstellung - etwa wie bei den vom Wehrdienst mit der Waffe befreiten katholischen Theologen - einzunehmen habe. Vielmehr sei ein solches „Sonderrecht" vor dem Ersten Weltkrieg einhellig abgelehnt worden. 4 9 Die evangelisch-theologischen Fakultäten hätten „den höchsten Prozentsatz an Kriegsverlusten" aufzuweisen und würden „hierin überhaupt von keinem Stande außer dem der aktiven Offiziere übertroffen". Im übrigen sei es H e ß als Stellvertreter des Führers wohl bekannt, „wie viele Studenten der Theologie und wie viele studierende Söhne evangelischer Pfarrhäuser auch im nationalsozialistischen Kampf von Anfang an mit in vorderster Linie gestanden haben". Es sei „unsere, der nationalsozialistischen Hochschullehrer unabweisbare Pflicht und Verantwortung, diesen Geist der Einsatzbereitschaft zum Opfer unter unseren 49.

Über die gesetzlichen Regelungen des Militärdienstes evangelischer Pfarrer vor dem Ersten Weltkrieg vgl. Hermann Mulert: Der Waffendienst der evangelischen Pfarrer, Leipzig 1 9 1 5 . Vgl. auch Kurt Meier: Evangelische Kirche und Erster Weltkrieg, besonders S. 7 1 4 - 7 1 7 .

414

Weltanschauungs- und Existenzkampf

der

Universitätstheologie

Schülern zu pflegen." Das sei unmöglich, wenn den Theologiestudenten von vornherein das Recht abgesprochen werde, in die Partei aufgenommen zu werden: „eine Beurteilung, die sie nur mit den jüdischen Studenten teilen würden". Der Bitte, es möge daher neben dem Lehrkörper auch „den Studenten der Theologie, soweit sie sich dessen nicht unwürdig erwiesen haben, die Aufnahme in die Partei grundsätzlich ermöglicht werden oder erhalten bleiben", Schloß sich der Hinweis an, daß die Anordnung des Stellvertreter des Führers, soweit sie Parteiausschluß oder die Nichtaufnahme von Pfarrern beträfe, zu ernster Besorgnis Anlaß gäbe. Es werde dadurch der Anschein erweckt, als wolle die NSDAP das „positive Christentum" aufgeben, wie es in Punkt 2 4 des Parteiprogramms vorausgesetzt sei. Dadurch könne die Volkseinheit zerrissen werden und ein Zwiespalt entstehen, stärker als unter dem von Parteigegensätzen beherrschten Weimarer System. Obwohl die Frage nicht zum Gebiet seiner „amtlichen Beobachtung und Verantwortung" gehöre, verwies Prof. Hans Schmidt in seiner Eigenschaft als „Präsident des Fakultätentages" und „Professor an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg" Heß gegenüber auch auf die kirchenpolitische Folgen dieser Parteianordnung.· 50 „Die Zurückweisung der Pfarrer von der Parteianwärterschaft trifft die und nur die unter den evangelischen Pfarrern, die mit glühender Begeisterung und dem Einsatz ihrer ganzen Person auf die Bewegung eingegangen sind. Wird sie nicht eben dadurch die kirchliche Opposition gegen den Staat stärken?" Diese Eingaben beim „Stellvertreter des Führers" wie auch sonstige zahlreiche persönliche und schriftliche Vorstöße Hans Schmidts beim Reichswissenschaftsministerium, beim Reichsdozentenführer und der Reichsstudentenführung, aber auch bei Partei- und SA-Stellen seines universitären und regionalen Wirkungsbereichs enthielten Argumente, die dem jeweiligen Empfänger plausibel erscheinen sollten. Hinweise, diese die Theologen ausgrenzenden Parteimaßnahmen könnten sich nur politisch schädlich für das Dritte Reich auswirken, wurden allerdings bei den Empfängern gelegentlich als Vorwürfe aufgefaßt. Vor allem auf manche parteiamtlichen Adressaten dieser Eingaben mochten sie verstimmend oder lästig wirken. Ausweichende oder gewundene Entgegnungen zeigen das: „Herr Professor, ich habe es auch nicht leichter als Sie", hatte ihm Reichsstudentenführer Dr. Scheel, der zugleich ein SS50.

Hans Schmidt an Rudolf Heß, 2 1 . Januar 1 9 3 8 (UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 3 0 2 ) .

Parteioffizielle

Diskriminierung

415

H a u p t a m t verwaltete, gesagt, als Hans Schmidt ihn Anfang 1939 namens des Fakultätentages sogar in Stuttgart besuchte, um ihn zur Zurücknahme des Ausschlusses der Theologen aus dem Reichsstudentenbund zu bewegen 5 1 . Im Gefolge war es zu Spannungen gekommen, so daß Hans Schmidt seinen Tübinger Kollegen Gerhard Kittel Anfang 1940 bat, er solle bei Scheel in Stuttgart selbst intervenieren: Kittel habe möglicherweise bessere Chancen als er, um mit einem fakultätspolitischen Anliegen durchzudringen. Besonders diskreditierend wurde es im Umkreis der Theologischen Fakultäten empfunden, als das SS-Organ „Das Schwarze Korps" Anfang März 1939 unter der Uberschrift „Doch noch Arbeitslose" einen längeren Artikel abdruckte, der den hohen Nachwuchsbedarf an Ingenieuren mit einer Zahl von rund 9000 Studierenden der katholischen und evangelischen Theologie abschätzig verglich: 52 „diejenigen Berufe, die für den politischen Aufstieg Deutschlands am wertlosesten und bei der wirtschaftlichen Erstarkung des Reiches am entbehrlichsten sind, die sind am meisten überlaufen", hieß es. Es sei „eine Flucht vor der Verantwortung, ein ichsüchtiges Hineinströmen in das Ideal des mühelosen Geborgenseins". Diese Einstellung sei bei den katholischen Theologiestudierenden noch am ehesten verständlich, da sie zumeist aus kinderreichen und ärmeren Familien kämen. Die evangelisch-theologischen Fakultäten hingegen seien „überwiegend vom pensionsberechtigungsseligen Bürgertum bevölkert", meinte das Blatt im Blick auf die statistisch allerdings offenbar völlig unpräzise recherchierte Berufszugehörigkeit der Väter evangelischer Theologiestudenten. Daß die Fakultäten staatlich unterhalten würden und katholische Lehranstalten ebenfalls durch Kirchensteuern und Staatszuschüsse gestützt würden, bedeute, daß hier der Staat ungewollt und indirekt den Nachwuchsmangel in anderen wichtigen Studienfächern verstärke. Die Kirchen galten dem SS-Organ als „das einzige ,Lebensgebiet' in Deutschland, auf dem es immer noch Arbeitslose in Hülle und Fülle gibt. Sie unterscheiden sich von unseren früheren Arbeitslosen nur dadurch,

51. 52.

Vgl. H a n s Schmidt an Arnold Stolzenburg, 7. N o v e m b e r 1 9 4 0 (UA Halle, Rep. 27, Nr. 281). Das Schwarze Korps, 6 (1939), 9. Folge (Ausgabe vom 2. März 1939); vgl. Wiedergabe in: Die Christliche Welt 53 (1939), Sp. 2 0 9 f.

416

Weltanschauungs-

und Existenzkampf

der

Universitätstheologie

daß sie vom Staate bezahlt werden. Das werden wir uns nicht mehr lange leisten können: weder die Arbeitslosen noch die Bezahlung." 5 3 Gegen diese hämisch-herabsetzenden Anwürfe des „Schwarzen Korps" wurde seitens der theologischen Fakultäten sofort energisch reagiert. In Leipzig veröffentlichte der damalige Theologiestudent Horst Langer in der „Christlichen Welt" einen Artikel: „Warum ich Theologe bin?" Er verwies darauf, daß die Studentenzahl an der Theologischen Fakultät Leipzig im Verhältnis zum Wintersemester 1933 um 71 Prozent zurückgegangen sei und im Wintersemester 1938 bloß noch 172 Studierende betrage; das sei als Nachwuchs für die sächsische Landeskirche mit über 1200 amtierenden Geistlichen „wohl kaum zureichend". Das Theologiestudium sei alles andere als „Brotstudium". Der Herausgeber der „Christlichen Welt", Professor Hermann Mulert in Kiel, schrieb zum Beitrag Langers ein längeres Nachwort, das die Ausführungen bekräftigte 54 . In der übernächsten Nummer kam die „Christliche Welt" nochmals auf den Leitartikel im „Schwarzen Korps" zurück. Man verwies auf die von Prof. Hauer herausgegebene Zeitschrift „Deutscher Glaube". Ihr April-Heft 1 9 3 9 habe trotz der traditionell antichristlichen Tendenz dieses deutschgläubigen Organs „nun auf einmal diesen vom ,Schwarzen Korps' erhobenen Vorwurf ungewollt und noch dazu mit originellen Unterlagen widerlegt". Unter dem Titel „Theologie nicht mehr gefragt" war dort eine Umfrage des NS-Lehrerbundes herangezogen worden, die von 26 0 0 0 Abiturienten des Jahrganges 1938/39 nur 9 1 0 Studienwünsche für Theologie, also etwa 3,5 Prozent (für beide Konfessionen) benannte. Daraus folgerte der Artikel Hauers: „Man kann aus dieser Zahl mehr als deutlich erkennen, daß sich die junge Generation von Jahr zu Jahr mehr vom Theologiestudium abwendet, weil gerade sie erkannt hat, daß ,das Zeitalter der Konfessionen zu Ende ist'." Von diesen 9 1 0 dürften nur etwa 3 0 0 für das Studium der evangelischen Theologie in Frage kommen, während der Nachwuchsbedarf bei vorsichtiger Schätzung bei einer Zahl von 5 5 0 bis 5 8 0 liege. Die volkswirtschaftliche Zentralstelle für Hochschulstudium und akademisches Berufswesen gebe den evangelischen Bedarf sogar mit 6 5 0 an. Mit sichtlicher Genugtuung stelle das deutschgläubige Blatt fest, diese für die evangelische Kirche bedenkliche Erscheinung des Rückgangs von Studienbewerbern sei für die Deutschgläubigen ein Beweis dafür, daß im Deutschland des Dritten Reiches dem politischen auch der seelische Um53. 54.

Ebd. Die Christliche Welt 53 (1939), Sp. 2 2 7 - 2 3 0 .

Parteioffizielle

Diskriminierung

417

bruch folge, „wenn auch nur langsam, dafür aber in absolut gesunder organischer E n t w i c k l u n g " . Die „Christliche W e l t " Mulerts stellte diese N a c h r i c h t unter die Uberschrift: „Wer hat nun eigentlich r e c h t ? " 5 5 Die Verminderung der Theologiestudentenzahl lag natürlich sowohl im Interesse des „Schwarzen K o r p s " wie auch der Deutschgläubigen; nur die Argumentation w a r unterschiedlich. Selbst nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, als vorübergehend ein gewisser Burgfrieden beobachtet wurde, hörten die Auseinandersetzungen nicht auf. Z u Beginn des Trimesters September 1 9 4 0 h o b die Führung der Deutschen Studentenschaft an der Berliner Universität die dortige Fachgruppe Theologie auf, o f f e n b a r auf Grund von persönlichen Differenzen mit dem damaligen Fachgruppenleiter. Der Berliner D e k a n Prof. Arnold Stolzenburg schrieb daraufhin a m 7. O k t o b e r 1 9 4 0 dem Reichsstudentenführer Dr. Gustav Adolf Scheel: In einer Situation, w o eine Anzahl von Mitgliedern der Fachgruppe Theologie fürs Vaterland gefallen und verwundet worden sei oder für ihr Verhalten vor dem Feind Auszeichnungen und Beförderungen erhalten habe, liquidiere die Berliner Studentenführung die theologische Fachgruppe an der Universität. Die letzten M o t i v e seien bei den sofort aufgenommenen Verhandlungen mit der Studentenführung der Universität „in hämischen Bemerkungen über Theologie genau so deutlich geworden wie im vorigen J a h r bei dem Versuch, unseren T h e o l o g e n die Beteiligung a m Erntedienst zu verw e h r e n . " M i t unverhohlener Ironie sprach Stolzenburg von einer höchst „eigenartigen Betätigung von Volksgemeinschaft im Kriege, die auch diejenigen Kameraden betrifft und diffamiert, die jetzt den feldgrauen R o c k tragen".56 Als er drei W o c h e n ohne A n t w o r t blieb, sandte Stolzenburg eine Kopie des Schreibens an Reichskirchenminister Kerrl. Im Begleitbrief hieß es: Der größte Teil der Berliner Theologiestudenten bestehe gegenwärtig „aus Soldaten, die zur Ablegung ihres theologischen E x a m e n s für zwei Semester beurlaubt s i n d " . Es sei eine „Ungeheuerlichkeit", d a ß Frontsoldaten „des Rechtes, das ihnen der nationalsozialistische Staat verliehen hat, sich zu Fachgruppen zusammenzuschließen, beraubt und damit diffamiert w e r d e n " . Und dies geschehe in einem Staat, der das Leistungsprinzip betone und die soldatische Leistung voranstelle. Die theologische Fachgruppe habe in Berlin prozentual a m besten und lebendigsten ge55. 56.

Ebd. Sp. 2 9 8 f. Arnold Stolzenburg an Gustav Adolf Scheel, 7. Oktober 1 9 4 0 (UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 2 8 1 ) .

418

Weltanschauungs- und Existenzkampf

der

Universitätstheologie

arbeitet u n d w u r d e n u r d e s h a l b a u f g e l ö s t , „weil die jungen H e r r e n in der S t u d e n t e n f ü h r u n g ihre M a c h t zeigen w o l l e n u n d d a s h e u t e sehr billige Bestreben h a b e n , ihren G e g e n s a t z zu Kirche u n d C h r i s t e n t u m a u c h auf diese Weise z u m A u s d r u c k zu b r i n g e n " . Kerrl w u r d e g e b e t e n , im B e n e h m e n mit d e m R e i c h s w i s s e n s c h a f t s m i n i s t e r R u s t „ u n s e r e n S o l d a t e n zu ihrem selbstverständlichen R e c h t zu v e r h e l f e n " . 5 7 D a die Berliner S t u d e n t e n f ü h r u n g eine definitive R e g e l u n g d a d u r c h zu v e r h i n d e r n schien, d a ß sie R ü c k f r a g e n der R e i c h s s t u d e n t e n f ü h r u n g in M ü n c h e n ü b e r den S a c h v e r h a l t der A u f l ö s u n g o h n e A n t w o r t ließ, u n d a u c h d a s R e i c h s k i r c h e n m i n i s t e r i u m nicht reagierte, schrieb D e k a n Stolz e n b u r g schließlich a m 19. D e z e m b e r 1 9 4 0 p e r s ö n l i c h a n d e n „Reichsm a r s c h a l l " H e r m a n n G ö r i n g , v o n d e m er sich o f f e n b a r Abhilfe vers p r a c h . In der ü b l i c h e n , weil vermeintlich a m ehesten Erfolg versprechend e n captatio benevolentiae h i e ß es zu Briefbeginn: Als „einer der ersten D o z e n t e n der Berliner Universität, die sich vor 1 9 3 3 k ä m p f e r i s c h f ü r d e n N a t i o n a l s o z i a l i s m u s eingesetzt" h a b e n , w e n d e er sich persönlich a n ihn. Es sei eine „ G r o t e s k e " , d a ß F r o n t s o l d a t e n , a u s d e n e n „augenblicklich fast ausschließlich" die H ö r e r s c h a f t der Berliner F a k u l t ä t bestehe, d u r c h die A u f l ö s u n g der t h e o l o g i s c h e n F a c h s c h a f t s g r u p p e ihres Rechtes b e r a u b t u n d in ihrer E h r e a n g e t a s t e t seien; h a b e d o c h d a s D r i t t e Reich d e n Stud e n t e n der einzelnen F a k u l t ä t e n d a s R e c h t gegeben, sich in s o g e n a n n t e n F a c h g r u p p e n zu organisieren. Im S o m m e r s e m e s t e r 1 9 3 9 „ g e n ü g t e die D r o h u n g m i t einer Anzeige bei I h n e n , H e r r R e i c h s m a r s c h a l l , w e g e n Sab o t i e r u n g des 4 - J a h r e s p l a n e s , u m s o f o r t diese Benachteiligung zu beseitig e n " . E h e d a s n ä c h s t e Semester a m 2 9 . M ä r z 1 9 4 1 zu E n d e gehe, m ö c h t e er als D e k a n „ u n t e r allen U m s t ä n d e n v e r h i n d e r n , d a ß die K a m e r a d e n a m 15. April w i e d e r ins Feld g e h e n mit d e m G e f ü h l , d a ß diese E n t e h r u n g der D a n k der H e i m a t gewesen ist." Er v e r t r a u e auf ein „energisches W o r t " G ö r i n g s , u m d e n K a m e r a d e n zu ihrem R e c h t zu verhelfen; n u r so k ö n n e „ d e r s c h l e p p e n d e G a n g des I n s t a n z e n w e g s " ü b e r w u n d e n w e r d e n 5 8 .

57. 58.

Arnold Stolzenburg an Hanns Kerrl, 31. Oktober 1940 (UA Halle, Rep. 27, Nr. 281). Arnold Stolzenburg an Hermann Göring, 19. Dezember 1 9 4 0 (UA Halle, Rep. 27, Nr. 281).

Protestschritte und

c) Protestschritte und

419

Memoranden

Memoranden

E b e n s o wie kirchliche Behörden und führende E x p o n e n t e n der Landeskirchen (so besonders der württembergische Landesbischof W u r m ) haben auch die Theologischen Fakultäten in vertraulicher Eingabe, Beschwerdeschreiben und im vertraulichen M e m o r a n d u m mögliche Formen von Resistenz gesehen, um dem beängstigend zunehmenden religionspolitischen Restriktionskurs des NS-Regimes in seiner Auswirkung auf die Universitätstheologie entgegenzutreten. Von zentraler kirchenbehördlicher Seite schaltete sich mehrmals Oberkonsistorialrat Dr. phil. Friedrich Wieneke vom Evangelischen Oberkirchenrat in die kirchliche Abwehrstrategie ein. Er hielt in dieser Frage mit dem Fakultätentag und seinem Präsidenten Verbindung. Seine Informationen sollten auch den Existenzkampf der theologischen Fakultäten unterstützen. Wieneke, ehemals D o m p f a r r e r in Soldin (Grenzmark), 1 9 3 2 / 3 3 führend in der Glaubensbewegung Deutsche Christen, bearbeitete in der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei das Referat „Weltanschauungsfragen". Sein a m 1 0 . M ä r z 1 9 3 9 an den Reichsführer SS und C h e f der Deutschen Polizei Heinrich Himmler gerichtetes S c h r e i b e n 5 9 beklagte nachdrücklich den pauschal

„pfaffen-

feindlichen" Tenor des SS-Blattes „ D a s Schwarze K o r p s " . Im Z u s a m menhang mit der Annexion Österreichs und des Sudetenlandes vorübergehend zurückhaltend, schlage das SS-Organ seit Herbst 1 9 3 8 einen so hemmungslosen Ton an, der nicht nur für die Kirche, sondern für jedes religiöse Empfinden und so „für die Innerlichkeit der nationalsozialistischen Charaktererziehung" höchste Gefahr b r i n g e 6 0 . In den letzten Folgen des „Schwarzen prangerung

angeblich

(!)

minderwertiger

Korps" ,Pfaffen'

nehme und

„die An-

angeblicher

Scheußlichkeiten des C h r i s t e n t u m s " einen derartigen U m f a n g an, d a ß 59.

Friedrich Wieneke an Heinrich Himmler,

10. März

1939,

Hektograph.

(UA Halle, Rep. 2 7 , N r . 2 8 4 ) ; E Z A , Best. E O K Gen. X I I / 2 , Bd. 2 , Beih. A. Das Schreiben ging abschriftlich u.a. auch an einzelne Reichsressorts (Propaganda, Kirchliche Angelegenheiten, Wissenschaft). Auch während der Kriegszeit richtete Wieneke Beschwerden an das in Berlin, zuletzt am

12. J a n u a r

SS-Hauptschulungsamt

1 9 4 5 direkt an Himmler wegen einer

kürzlich erschienenen Schrift „Rassenpolitik"

(Erarbeitung und

Heraus-

gabe: Der Reichsführer SS, SS-Hauptamt). Darin waren als Gegner der NSWeltanschauung auch „die K i r c h e n " genannt ( E Z A , Best. E O K G e n . X I I / 2 , Bd. 3, Beih. A). 60.

Vgl. Friedrich Wieneke, „Charaktererziehung im Nationalsozialismus", Soldin 1 9 3 6 .

420

Weltanscbauungs- und Existenzkampf

der Universitätstheologie

das Blatt sich aus einem nationalsozialistischen Kampfblatt weithin zur antichristlichen Kampfpresse umzuwandeln scheine. Als H ö h e p u n k t dieser Entwicklung werde in Folge 19 (1939) ein Generalangriff auf die gesamte akademische theologische Jugend u n t e r n o m m e n , und dies „unmittelbar nach der Führerrede vom 30. J a n u a r 1939, die zehntausenden staatstreuen Pfarrern zweimal den Schutz zusichert". Als Präsident des Evangelischen Fakultätentages hat H a n s Schmidt, dem Wieneke die Eingabe an Himmler zugänglich gemacht hatte, damals telegraphisch Protest gegen den Artikel des „Schwarzen K o r p s " beim Reichswissenschaftsminister Rust erhoben. Oberregierungsrat Dr. Franz Xaver Schwarz habe die Angelegenheit dem Reichswissenschaftsminister Rust persönlich vorgetragen. Außerdem ließ Schmidt seinen offiziellen Einspruch an den Herausgeber des „Schwarzen K o r p s " über Prof. Gustav Entz (Wien) gelangen, der zu einem Bruder des Herausgebers persönliche Beziehungen hatte. H a n s Schmidts Antwortbrief an Wieneke läßt das Frustrationsgefühl erkennen, das angesichts der parteiamtlichen Attacken gegen die Universitätstheologie auch bei Professoren der Theologie überhand nahm, die - wie H a n s Schmidt 1933 - Mitglieder der NSDAP geworden waren: leider handele es sich bei diesem die Theologiestudierenden verunglimpfenden Aufsatz u m eine Teilerscheinung des „an vielen Stellen und in breiter Front gegen die evangelische Theologie geführten K a m p f e s " 6 1 . Für den Z u g a n g zu Reichsstellen und als offizieller Koordinator von allgemeinen Fakultätsinteressen w u r d e der Präsident des Fakultätentages Prof. H a n s Schmidt von den Dekanen der einzelnen theologischen Fakultäten immer wieder in Anspruch genommen. Galt es doch, durch gegenseitige Information auf Gefahren rechtzeitig a u f m e r k s a m zu machen und Abwehrstrategien zu entwickeln, um die Interessen der theologischen Fakultäten wirksam vertreten zu können. M a n bediente sich solcher persönlichen und zwischenuniversitären Querverbindungen, wenn Alleingänge einzelner Universitätstheologen oder bestimmter Gruppen von ihnen nicht effektiv genug erschienen, vor allem bei Fragen, die alle oder mehrere Fakultäten betrafen. So hat sich Prof. H a n s Schmidt auch an Berliner Dienststellen in der Frage der Einschränkung des Religionsunterrichts in der Schule gew a n d t , als ihn der hannoversche Religionspädagoge Dr. H e r m a n n Schuster, langjähriger Vorsitzender des „Verbandes akademisch gebildeter Re61.

Schreiben Hans Schmidt an Friedrich Wieneke vom 25. März 1939 (UA Halle, Rep. 27, Nr. 284).

Protestschritte und

Memoranden

421

ligionslehrer", auf Anregung des Königsberger Theologen Prof. Leopold Z s c h a r n a c k J u n i 1 9 3 9 davon in Kenntnis setzte, d a ß der Religionsunterricht in den oberen Klassen weiter eingeschränkt oder ganz abgeschafft werden sollte. Schusters G e w ä h r s m a n n im Evangelischen Oberkirchenrat hatte bei dem zuständigen Dezernenten im Reichswissenschaftsministerium erfahren, die Entscheidung über das Schicksal des Religionsunterrichts in den Oberklassen liege bei der Dienststelle des „Stellvertreters des F ü h r e r s " in M ü n c h e n , w o der Stabsleiter und spätere Reichsleiter M a r t i n B o r m a n n als ausgesprochener Kirchenfeind einen zunehmend restriktiven Kurs in Religions- und Kirchenangelegenheiten steuerte. Beide Ministerialbeamte hätten allerdings darum gebeten, ihre N a m e n nicht zu nennen. Die Angelegenheit sollte wohl „in aller Stille" durchgeführt werden62. Ein E x e m p l a r des vervielfältigten M a n u s k r i p t s eines Vortrags über „Gewissensfreiheit und Religionsunterricht", den H e r m a n n Schuster im vergangenen Winter in kirchlichen R ä u m e n zur Abwehr der damaligen K a m p a g n e des NS-Lehrerbundes gegen den Religionsunterricht mehrfach gehalten hatte, legte er seinem Schreiben an Schmidt bei. H e r m a n n Schuster, theologisch liberal ausgerichtet, literarisch einschlägig ausgewiesen, war ehedem Studienrat a m Leibniz-Gymnasium in H a n n o v e r , seit 1 9 2 4 auch Lehrbeauftragter und H o n o r a r p r o f e s s o r für Religionspädagogik in Göttingen. Der Vortrag versuchte, den Religionsunterricht in der Schule kulturpolitisch und religionspädagogisch zu rechtfertigen. D a z u dienten Hinweise auf das N S D A P - P r o g r a m m (Art. 2 4 : „Positives

Christentum"),

natürlich auch auf Hitlers Regierungserklärung vom 2 3 . M ä r z 1 9 3 3 , die den Kirchen entsprechenden Einfluß auf die Schule zugesichert hatte. Die anfangs gegen die weltliche Schule gerichtete schulpolitische Programmatik und Praxis der NS-Reichsregierung sei mit der gegenwärtigen restriktiven Tendenz gegen den Religionsunterricht in der Schule unvereinbar. Selbst bei der inzwischen erfolgten Einführung der Gemeinschaftsschule in den süddeutschen Ländern sei eingeräumt worden, d a ß der Religionsunterricht in seiner überlieferten Gestalt im innigen Z u s a m m e n h a n g mit der jeweils zugehörigen Kirche (evangelisch oder katholisch) bestehen bleiben werde.

62.

H e r m a n n Schuster, Gewissensfreiheit und Religionsunterricht, masch. M S . 1 3 S.; Begleitbrief an H a n s Schmidt v o m 6. Juni 1 9 3 9 (UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 2 8 4 ) .

422

Weltanschauungs- und Existenzkampf

der

Universitätstheologie

Es w u r d e auch auf den konfessionellen Neutralitätserlaß von Rudolf H e ß v o m 13. O k t o b e r 1 9 3 3 verwiesen, der d a m a l s Beschwerden der Deutschgläubigen über kirchlichen Religionszwang beschwichtigen sollte und es für die NS-Partei als irrelevant bezeichnet hatte, o b ein N a tionalsozialist einer bestimmten konfessionellen Richtung oder gar keiner Konfession angehöre. Schuster versuchte die d o r t proklamierte Freiheit vor Gewissenszwang entgegen der eigentlichen Intention dieses Parteierlasses für die Tolerierung des christlichen Religionsunterrichts in der Schule u m z u m ü n z e n . Auch sonst enthielten die A u s f ü h r u n g e n H e r m a n n Schusters zahlreiche apologetische, Wert u n d N o t w e n d i g k e i t des schulischen Religionsunterrichts b e t o n e n d e Argumente. Z u bereitwilliger A n n a h m e von Mängelkritik bereit, w a n d t e sich Schuster in seinem Vortrag facettenreich gegen „böswilliges Mißverstehen und grundsätzliche Verkennung unserer A u f g a b e " und w a r b e m ü h t , exemplarisch grundlegende Vorbehalte gegen das Alte Testament im Religionsunterricht der Schule d u r c h Luthers Verständnis des Alten Testamentes a b z u b a u e n : anstößige Rechtsvorschriften und überholte kultusrechtliche Partien in den alttestamentlichen Schriften seien zeit- und volksgeschichtlich zu interpretieren („Der Juden Sachsenspiegel") u n d entbehrten jedweder christlichen Verbindlichkeit für andere Völker. Auch die einseitig als gewaltsame Uberf r e m d u n g gedeutete Geschichte der Christianisierung der G e r m a n e n , ein weiteres beliebtes völkisch-antikirchliches Argument, r ü c k t e der Vortrag apologetisch ins rechte Licht. U m Proteste und Kritik im Blick auf die restriktive Behandlung von C h r i s t e n t u m , Kirche und Universitätstheologie nachhaltig an offizieller Stelle vorzubringen, w u r d e n gelegentlich auch persönliche Beziehungen einzelner Kollegen genutzt. Hier w a r die Verbindung des Fakultätentages mit dem D e k a n der evangelisch-theologischen Fakultät an der Universität Wien, dem praktischen Theologen Prof. Gustav Entz, von besonderem Wert. Seit dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich im F r ü h j a h r 1938 h a t Entz zahlreiche meist sehr umfangreiche Protestschreiben an Staats- und Parteistellen Österreichs u n d auch des Reichs übermittelt, u m antikirchlichen M a ß r e g e l n der NS-Partei entgegenzutreten. Er vermittelte auch den Einspruch des Fakultätentages an den Schriftleiter des „Schwarzen K o r p s " , da er mit dessen Bruder persönlich b e k a n n t w a r . Auch Versuchen rigoroser E i n s c h r ä n k u n g der P r o d u k t i o n und des Vertriebs theologischer Literatur m u ß t e begegnet w e r d e n . Im F r ü h j a h r 1939 sorgten D u r c h f ü h r u n g s b e k a n n t m a c h u n g e n zu § 6 der A n o r d n u n g der R e i c h s s c h r i f t t u m s k a m m e r für A u f r e g u n g unter Verlegern von theolo-

Protestschritte

und

Memoranden

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gischer Literatur und evangelischen Buchhändlern. Es hieß darin: „In den Dienst eines religiösen Bekenntnisses stellt sich ein Verleger, der religiöses Schrifttum verlegt, sei es schöngeistiges, populärwissenchaftliches oder wissenschaftlich-theologisches Religionsschrifttum." Das Verlegen auch nur eines entsprechenden Werkes sei Dienst an einer solchen „Sonderaufgabe" und bedürfe besonderer Firmierung als „konfessioneller Verlag" bzw. „konfessionelle Buchhandlung". Diese Bestimmung zielte auf eine „eindeutige Abgrenzung ( . . . ) zwischen Buchhandelsbetrieben, die sich in den Dienst der nationalsozialistischen Weltanschauung", und denen, „die sich in den Dienst einer Sonderaufgabe stellen". 63 Verlage und Buchhandlungen mit theologischem Schrifttum im Sortiment sahen sich in ihrer Existenz gefährdet, weil eine ganz starke Reduzierung des Vertriebsnetzes erwartet wurde. Nach einer dem Fakultätentagsvorsitzenden zur Verfügung gestellten Expertise, deren Wortlaut dem Reichswissenschaftsministerium übermittelt wurde, entfielen 1 0 % der Titel, die im Theologischen Handkatalog enthalten waren, auf „ausgesprochene Außenseiterverlage", die weder als evangelische noch als katholische Verlage anzusehen seien: „Etwa weitere 40 % der Titel entfallen auf solche Verlage, bei denen die theologische Produktion im Verhältnis zu ihrer übrigen Produktion mehr oder weniger zurücktritt." Es handele sich hier um „Firmen wie die C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, Walter de Gruyter &c Co. und viele andere". Diese Verlage könnten „keineswegs als konfessionelle Verlage im engeren Sinn" angesprochen werden, denn selbst bei Firmen wie der Deichertschen Verlagsbuchhandlung und dem Verlag Siebeck erreiche der theologische Buchumsatz nur knapp 50 % ihres Gesamtumsatzes. N u r knapp die Hälfte der theologischen Fachliteratur erscheine bei Verlegern, deren Produktion überwiegend auf dem Gebiet des evangelischen Schrifttums liege: „Gibt es einen schlagenderen Beweis für die enge Verflechtung der evangelischen Theologie mit dem allgemeinen Buchhandel?" Auch die Mehrzahl der bisher etwa 160 evangelischen Sortimentsbuchhandlungen würde auf die Hälfte zusammenschrumpfen, wenn sie wie die zweite Ausführungsbestimmung besage - nur „nebenbei mit dem allgemeinen Schrifttum handeln" dürften; seien doch die meisten der auch wissenschaftlich-theologische Literatur herausbringenden Verlage 63.

Amtliche Bekanntmachung der Reichsschrifttumskammer Nr. 133 § 6 . Vgl. Schriftsatz: Der Deutsche Buchhandel vor der Entscheidung. Bericht über einen Gedankenaustausch zwischen nationalsozialistischen Vertretern des Buchhandels und der Theologie, masch. 7 S. (UA Halle, Rep. 27, Nr. 284).

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Universitätstbeologie

„wirtschaftlich schlechterdings darauf angewiesen ( . . . ) , in der Hauptsache allgemeines Schrifttum zu vertreiben". Bei der so durchgreifend befürchteten Reduzierung des Vertriebsnetzes, die sich aus den Bestimmungen der Reichschrifttumskammer ergäben, stehe auch die wirtschaftliche Existenz zahlreicher Verlage auf dem Spiel. Der Leipziger Dekan Prof. Hermann Wolfgang Beyer bezeichnete diese Maßnahme als „Versuch zur gewaltsamen Unterdrückung jeder Regung christlichen Geistes in der Öffentlichkeit unseres Volkslebens". Die Aufrechterhaltung dieser Verfügung bedeute, daß theologische Bücher größeren Umfangs von keinem Verleger mehr übernommen werden könnten, weil die Absatzmöglichkeiten in einer Weise eingeengt würden, daß das Risiko zu groß werde. Damit gehe es wirklich um das Ganze. Nachdrückliche Bemühungen galten als erforderlich, „das hier drohende Unheil zu verhindern". 6 4 Vom Fakultätentag wurde in engem Kontakt mit renommierten Verlagen, die seit langem der theologischen Fachwissenschaft verbunden waren und wissenschaftlich-theologisches Schrifttum herausbrachten, eine Änderung dieser Ausführungsbestimmungen zu erwirken versucht, die sich in dieser überspitzten Form auch als undurchführbar erwiesen. Zahlreiche Korrespondenzen und Gutachten zur Sache zeigen die Abwehr dieser Bestrebungen der Reichsschrifttumskammer, „wissenschaftliche Religionsliteratur" nur bei „konfessionell" stigmatisierten Verlegern erscheinen zu lassen, denen allgemeine Literatur nur nebenher in begrenztem Umfang zu verlegen gestattet sein sollte. 65 Auch andere fakultätspolitisch aktive Hochschulehrer sind hier tätig geworden, so auch Prof. Ernst Benz in Marburg (Lahn). Er wandte sich Ende Mai 1939 an den Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft wie auch an den Präsidenten der Reichsschrifttumskammer selbst und hielt auch in dieser Frage Kontakt mit dem Fakultätentagsvorsitzenden Hans Schmidt, der seinerseits beim Reichswissenschaftsminister Rust mehrfach um Abhilfe bat. Man versuchte zu erreichen, daß das wissenschaftlich-theologische Religionsschrifttum nicht unter die einschränkenden Bestimmungen der Anordnung Nr. 133 falle; Publikation und buchhändlerische Verbreitung seien wieder in der bisher üblichen Form zu handhaben. 64.

Hermann Wolfgang Beyer an Hans Schmidt, 2 4 . Mai 1 9 3 9 (UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 2 8 4 ) .

65.

Verlagskorrespondenz mit dem Fakultätentagsvorsitzenden Hans Schmidt und weiteres Material zu diesem Problem in: UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 2 8 4 .

Protestschritte und

Memoranden

425

Es galt als eine unbestreitbare Tatsache, daß das Ansehen der deutschen Geisteswissenschaften weithin von der deutschen religionswissenschaftlichen und theologischen Forschung getragen ist, wie sie an den deutschen Universitäten ihre Stätte habe: „Die großen Leistungen dieser Forschung sind nicht dem Geist konfessioneller Engherzigkeit, sondern dem Geist kritischer Auseinandersetzung mit dem Glaubensgut der Vergangenheit entsprungen." Es sei daher in der gegenwärtigen Situation unangebracht, „gerade diejenige wissenschaftliche Religionsforschung, die durch ihre Freiheit gegenüber der Tradition groß geworden ist, in einen engen konfessionellen Rahmen zurückzudrängen." Die wissenschaftliche Religionsforschung sei „nur möglich in der Sphäre der Freiheit, wie sie an den deutschen Universitäten gegeben ist. Sie kann nur gedeihen unter der Garantie einer freien Publikation ihrer Forschungsergebnisse, sie würde durch ihre zwangsweise Klerikalisierung auf die Stufe einer wissenschaftlich verbrämten Apologetik zurücksinken und damit den Charakter der deutschen Wissenschaftlichkeit verlieren." Die restriktive Bestimmung der Reichsschrifttumskammer würden zur Einschränkung theologischwissenschaftlicher Publikationsmöglichkeiten führen und gerade diejenigen Forscher an einer freien Stellungnahme zu Religionsfragen hindern, „die über die Vorbildung, Erfahrung und Methode verfügen, religiöse Gegenstände als wissenschaftliche Sachverständige zu beurteilen", betonte Benz: „Alle Versuche, an dem vorhandenen wissenschaftlichen Religionsschrifttum eine Scheidung zwischen konfessionellem und nichtkonfessionellem Schrifttum vorzunehmen, führen zwangsläufig zu einer absurden Ausschaltung eines großen Teils des wertvollsten Geistesgutes deutscher Forschungsarbeit" . 66 Benz machte die Absurdität der Verordnung der Reichsschrifttumskammer an der Meister Eckhart-Ausgabe der „Deutschen Forschungsgemeinschaft" deutlich. Falle das gesamte Werk Meister Eckharts unter den Begriff des konfessionellen Schrifttums, oder sei die Ausführungsanordnung so zu verstehen, daß nur diejenigen Schriften Eckharts als konfessionelles Religionsschrifttum gekennzeichnet werden müßten, die von einem Theologen herausgegeben werden? Ebenso sei es unmöglich, auf dem Gebiet der kirchen- und religionsgeschichtlichen Forschung eine Grenze zu ziehen, durch die nicht gerade die bedeutendsten Forschungsleistungen deutscher Gelehrter aus dem allgemeinen Buchhandel ausgeschlossen würden.

66.

Entwurf von Ernst Benz, 30.Mai 1939 (UA Halle, Rep. 27, Nr. 284).

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Weltanschauungs- und Existenzkampf

der

Universitätstheologie

Hans Schmidt möge seitens des Fakultätentags beim Reichwissenschaftsminister auch darauf hinweisen, daß es selbstverständliche Pflicht der für die Theologischen Fakultäten zuständigen Behörde sei, „uns davor zu schützen, daß von einer anderen Behörde unsere wissenschaftliche Leistung bezeichnet wird als ein Werk, das nur dem Sonderinteresse einer kleinen Gruppe dient und daher besonders markiert und dem allgemeinen Buchhandel entzogen werden muß": Es empfehle sich auch, in den mündlichen Verhandlungen darauf hinzuweisen, „daß ja ein großer Teil der Kollegen in der Partei ist und daß es auch gegen die Parteiehre verstößt, wenn einseitig einem ganzen Stand von Gelehrten die Befähigung abgesprochen wird, für die Gesamtheit des Volkes zu wirken". Diese Argumente seien „vielleicht wirksamer als die Hinweise auf die wissenschaftliche Leistungen unserer Vorfahren, die vielen führenden Männern unserer gegenwartsfreudigen Zeit vielleicht gleichgültig oder völlig unbekannt sind." 6 7 Der Vorsitzende des Fakultätentags hatte übrigens dem Reichswissenschaftsminister am 2 3 . Mai 1939 bereits eine entsprechende Eingabe gemacht und reichte vier Tage später den Wortlaut eines Briefes nach, in dem ihm ein Buchhändler die Auswirkung dieser Verordnung auf den deutschen Buchhandel sachkundig und anschaulich geschildert hatte und die seine eigene vom Standpunkt der theologischen Fakultäten geschriebene Eingabe wirksam ergänzen könne. 6 8 Auch Prof. Gustav Entz (Wien) protestierte am 14. Juni 1 9 3 9 in einem Schreiben an Rust gegen die verschärfenden Ausführungsanweisungen der Reichsschrifttumskammer. Mit wissenschaftsgeschichtlichen und konfessionspolitischen Argumenten versuchte Entz, die Auswirkungen der publikations- und verlagspolitisch schädlichen Restriktionsmaßnahmen zu attackieren. Hervorragende Theologen wie Schleiermacher, Albrecht Ritsehl, Adolf v. Harnack und Albert Hauck hätten immer für den echt wissenschaftlichen Charakter der Theologie gegen kirchlich-konfessionelle Bindung und Bevormundung gekämpft: 6 9 „Wer die protestantische Theologie in ein konfessionelles Ghetto sperren will, fällt all den genannten Kämpfern für wahre geistige und religiöse Freiheit in den Rücken und treibt Wasser auf die Mühlen eines engstirnigen Kirchentums, eines engherzigen Konfessionalismus."

67. 68. 69.

Ebd. Schreiben Hans Schmidt an Bernhard Rust (UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 2 8 4 ) . UA Bonn 3 3 , Fakultätentag.

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und

Memoranden

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Ein weiterer kirchen- und fakultätspolitisch engagierter Exponent der damaligen Universitätstheologie, ebenfalls in Verbindung mit dem Fakultätentag, eng auch mit Prof. Erich Seeberg liiert, war Prof. Cajus Fabricius. Im Jahre 1 9 2 1 zum Professor an der Theologischen Fakultät Berlin berufen, lehrte Fabricius von 1 9 3 5 bis 1 9 4 3 in Breslau systematische Theologie und allgemeine Religionswissenschaft. Der deutschchristlichen Szenerie eng verbunden, gab er schon seit 1 9 3 7 eine hektographierte Folge apologetisch-kritischen Materials über prekäre weltanschauliche und religionspolitische Fragen im Problembereich Drittes Reich und Kirche heraus. 7 0 Herbst 1 9 3 9 sah sich Fabricius veranlaßt, durch eine Denkschrift, die er an verschiedene Reichsstellen sandte, auf diese verhängnisvolle Entwicklung aufmerksam zu machen. Der 3 2 Schreibmaschinenseiten umfassende Schriftsatz „Innere Rüstung" verstand sich im Untertitel als „Vertrauliche Denkschrift zum Kriegsbeginn" 7 1 , Frühe Parteimitgliedschaft und Fachkompetenz berechtigten ihn zu dieser Kritik, betonte Fabricius in der Einleitung: zu diesen Darlegungen, die die religionspolitische Abwendung des Nationalsozialismus vom Christentum schonungslos an zahlreichen Fakten nachwiesen, halte er sich berechtigt und verpflichtet: „einerseits als Fachmann für Kulturwissenschaft und Theologie, andererseits als „einer der ältesten Nationalsozialisten unter allen deutschen Professoren". Fabricius wurde als Mitglied der NSDAP seit 1. M a i 1 9 3 2 geführt. 7 2 In seiner Denkschrift führte Fabricus einleitend aus: sein politischer Standpunkt in den Fragen der Zuordnung von Christentum und Nationalsozialismus sei bereits in der parteiamtlich geprüften Schrift „Positives Christentum im neuen S t a a t " ( 1 9 3 6 ) näher dargelegt, die in einer deutschen, englischen und japanischen Ausgabe erschienen war. Er habe damit in den Jahren 1 9 3 7 und 1 9 3 8 einen außenpolitisch wichtigen Erfolg erzielt: der anglikanische Bischof von Gloucester, A. C. Headlam, hatte die in dieser Broschüre geäußerte Auffassung vom Verhältnis von

70.

Erste Folge (6 Bl.) vom 1. Juni 1 9 3 7 . Vgl. Cajus Fabricus an Hans Schmidt vom 2 6 . Juni 3 7 (UA Halle, Rep. 2 7 , N r . 2 8 3 ) .

71.

Innere Rüstung. Vertrauliche Denkschrift zu Kriegsbeginn von Professor D. Cajus Fabricius, 3 2 S. hektogr.; Begleitschreiben von Fabricius, Breslau 10, Salzstr. 6 , vom 17. Oktober 1 9 3 9 , 2 S., masch. (Document Center Berlin). Vgl. zum näheren Hergang: UA Halle, Rep. 2 7 , N r . 2 8 3 .

72.

Personalkartei der NSDAP (Document Center Berlin).

428

Weltanschauungs- und Existenzkampf der Universitätstheologie

Kirche und Staat als vertrauenerweckend und zur außenpolitischen Zusammenarbeit mit Deutschland ermunternd bezeichnet. Nach diesen Bemerkungen, die der persönlichen Absicherung des Kritikers und dem Nachweis dienen sollten, er sei politisch legitimiert, zu so brisanten Fragen kompetent Stellung zu nehmen, beschrieb Fabricius in einem ersten Teil seiner Denkschrift „Innere Rüstung" zunächst die „Grundlagen" und sah sie in verbindenden christlichen Grundmotiven in Hitlers „Mein Kampf" und im NS-Programmpunkt 24 „für alle Zeiten verbindlich zur Darstellung gebracht". Diese „Grundlage der deutschen Einheit" und „das Gefüge des Dritten Reiches" sei mit Zersetzung bedroht durch eine neuheidnisch-völkische Bewegung, die bereits in der „Kampfzeit" vor 1933 sich zur Geltung zu bringen versuchte, von Hitler jedoch damals zurückgedrängt worden sei. Seit 1934 in ihrer Entfaltung unbehindert, habe der Radikalismus der deutschgläubigen Bewegung bis 1937 „geradezu groteske Formen" angenommen. 1938 etwas abgeflaut, aber „nach der Lösung der sudetendeutschen Frage mit verstärkter Heftigkeit hervorgetreten", hätten die völkisch-neuheidnischen Aktivitäten wieder ein beträchtliches Ausmaß erreicht. Fabricius bediente sich eines damals in kirchlichen Kreisen verbreiteten apologetischen Argumentes: die Freidenkerbewegung habe sich ins Völkische und Nationale transformiert und versuche nun, amtliche Stellen des Dritten Reiches mit ihren Anschauungen zu durchsetzen. Ein gehässiger Kampf werde unter der Devise geführt, daß die neuheidnisch-völkischen Gedanken als „deutsch", „arisch", „völkisch", „nordisch", „heldisch" bezeichnet würden, während das Christentum dagegen als „jüdisch" disqualifiziert werde. Die weit ausholenden Darlegungen von Fabricus beschworen die Gefahr, es sei das Ziel dieser völkischen Kreise, „mit allen Mitteln und schließlich mit der Staatsgewalt die hohe geistige Kultur des christlich-nationalsozialistischen deutschen Volkes zu unterwühlen und zu entleeren". Angesichts der Tatsache, daß die deutschgläubigen Gruppen und Kreise organisatorisch unbedeutend waren, diente diese These der Denkschrift von einer getarnten freidenkerisch-kulturbolschewistischen Unterwanderung der NSDAP durch deutschgläubige Strömungen mehr dem taktischen Kalkül, die verstärkt hervortretende Kirchen- und Christentumsfeindlichkeit der nationalsozialistischen Kultur- und Religionspolitik der NSDAP ungestraft beim N a m e n zu nennen können: Das Vertrauen zur NS-Bewegung sei „weithin zerstört". Fabricius erwartete „sofortige und endgültige Abhilfe". Es bestehe Gefahr, „daß der radikale Kurs während des Krieges beibehalten wird ( . . . ) und er sich im Fall eines Sieges verschärft".

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und

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Die Denkschrift „Innere Rüstung" erhoffte sich „beruhigende Erklärungen des Führers und seiner unmittelbaren Mitarbeiter". Die Reichsregierung müßte sich klar von allen Unternehmungen gegen die christliche Religion des deutschen Volkes distanzieren. Fabricius meinte, die Tatsache müsse betroffen machen, daß „die dem antichristlichen Radikalismus ergebenen Parteigenossen ( . . . ) im Jahre 1939 über die beruhigenden Erklärungen des Führers in seiner Rede vom 30. Januar einfach zu ihrer Tagesordnung übergegangen" seien und „gleichzeitig und später in ihren geheimen Verordnungen und öffentlichen Kundgebungen sogar Höhepunkte ihres Kampfes und ihrer Vergewaltigung erreicht" hätten. Dabei war keineswegs nur auf völkische Kreise und Gruppen wie etwa die Ludendorff-Bewegung Bezug genommen, sondern - wie weitere Ausführungen der Denkschrift zeigten - auch führende Parteiund SS-Kreise und ihre Publikationsorgane ebenfalls gemeint. Da sich die antichristlichen Tendenzen über Anordnungen von Reichsministerien einfach hinwegsetzen würden, sei vom Reichskirchenministerium und anderen Ressorts wenig zu erwarten. Es müsse vielmehr der Ministerrat für Reichsverteidigung sich dieser Sache annehmen und eine Wendung des Kurses herbeiführen. Es empfehle sich, ein Reichskommissariat einzusetzen, das mit außerordentlichen Vollmachten versehen und dem Ministerrat unmittelbar unterstellt und verantwortlich sei: ein Vorschlag, die den handschriftlichen Randvermerk „Idiot" bei einem Empfänger der Denkschrift (offenbar einer hohen Parteistelle) auslöste. Der Vorschlag, eine solche Dienststelle „Reichskommissariat für inneren Frieden" oder „Reichskommissariat für innere Rüstung" zu nennen, konnte zu diesem Zeitpunkt nach dem gescheiterten „Befriedungsversuchen" des Reichskirchenministers Kerrl 1938/39 kaum ein positives Echo erwarten. In einem zweiten Teil der Denkschrift verwies Fabricius auf eine Reihe von Tatsachen, die eine Auswahl aus einem „ungeheuer großen Material" darstellten, das aufzulisten jetzt nicht Gelegenheit sei. Die Kirche galt als „Wehrmacht im inneren Leben eines Volkes" und schütze es „gegen sittlichen Verfall, gegen Verrohung und Verwilderung". Der Nationalsozialismus habe diese Bedeutung der Kirche in vollem Umfang anerkannt, wurde mit Hinweis auf Zusicherungen Hitlers im Jahre 1933 und 1934 erklärt (auch dies bezeichnenderweise wiederum mit einem brüsken Randvermerk „nein" quittiert). Hitler habe am 30. Januar 1939 erneut betont, daß die Kirchen in Deutschland Schutz und Förderung genössen, „insbesondere durch finanzielle Sicherstellung" (Randvermerk: „leider").

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Weltanschauungs- und Existenzkampf der

Universitätstheologie

Prof. Fabricius sah „die unter der Herrschaft des völkischen Freidenkertums stehenden Radikalen seit mehreren Jahren ausgesprochen kirchenfeindliche Ziele" vertreten, „besonders in ihrem Hauptorgan, dem ,Schwarzen Korps'". Er bezichtigte das SS-Blatt wie überhaupt die weltanschaulichen Distanzierungskräfte in der NS-Partei der „Zurückdrängung der Kirchen aus dem öffentlichen Leben"; man wolle die Kirchen nicht mehr als „Körperschaften des öffentlichen Lebens" anerkennen, sondern als „Privatvereine" behandeln. Diesen ausgrenzenden Bestrebungen sei ein Ende zu setzen und dem „wirklichen Standpunkt des Nationalsozialismus ( . . . ) durch Reichsgesetze nachdrücklich Geltung zu verschaffen", wie das schon 1933 im Reichskonkordat mit der römisch-katholischen Kirche, protestantischerseits in der Reichskirchenverfassung und 1935 im „Gesetz zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche" angebahnt sei. Der Kirchenaustrittsagitation sei zu wehren, für die überwiegend „der halbamtliche Druck und die damit zusammenhängende Konjunktur den eigentlich entscheidenden inneren Beweggrund abgegeben hat" (Randvermerk: Fragezeichen). Die deutschgläubigen Vereinigungen, Frau Mathilde Ludendorffs „Bund für deutsche Gotterkenntnis", der „Kampfring deutscher Glaube" (ehemals „Deutsche Glaubensbewegung") und andere Gruppen seien aufzulösen. Weit gefährlicher als diese „Vereine der völkischen Freidenker" galten „einzelne Parteigenossen, besonders solche in einflußreichen Stellungen", die ihre Positionen dazu benutzten, diese völkisch-antichristlichen Ideen parteiverbindlich zu machen. Nach Hitlers „Mein Kampf", S. 6 3 2 , seien diese jedoch „augenblicklich aus den Reihen der Bewegung zu entfernen", weil durch sie die „Volkstümlichkeit" der Partei verheerend abnehme. Diese auch sonst übliche Berufung auf Hitlers kirchenfreundlich verwertbare Einzeläußerungen aus „Mein Kampf" und manche Stellen aus seinen Reden wie auch die Bezugnahme auf Programmpunkt 2 4 („positives Christentum") gehörte damals zur gängigen Legitimationsmethode bei der kritischen Abwehr zunehmend antikirchlicher Tendenzen in der NSDAP. Die Denkschrift „Innere Rüstung" forderte außerdem: Die Hetze gegen die Pfarrerschaft, vorab im SS-Organ „Das Schwarze Korps", habe aufzuhören. Die in kirchlichen Kreisen Erbitterung auslösenden restriktiven Anordnungen, die die Träger des geistlichen Amtes aus der NSDAP und ihren Gliederungen ausschlössen, wurden in der Denkschrift benannt:

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„Seit 1934 wurden die Theologen aus der SS., seit 1937 aus der HJ. und zum Teil aus der SA. ausgeschlossen. Seit Herbst 1937 wurde den Geistlichen der Eintritt in die Partei verwehrt. Seit Ende 1938 machte man den Studenten der Theologie Schwierigkeiten bei der Aufnahme in den NS.-Studentenbund, in dem sie während der Kampfzeit eine hervorragende Rolle gespielt hatten. Pfingsten 1939 wurde auf dem Reichsstudententag gefordert, den Theologen müßten alle stiftungsmäßig zustehenden Stipendien genommen werden. Bald nachher wurde an zahlreichen Hochschulen von der Studentenschaft verkündigt, die Theologen würden von der Erntehilfe ausgeschlossen werden. Diese M a ß n a h m e wurde zwar bald wiederrufen, hinterließ aber naturgemäß bei allen Beteiligten eine tiefe Empörung. Während der beiden letzten Jahre war auch eine geheime Agitation für Entfernung der theologischen Fakultäten aus dem Organismus der Universitäten zu bemerken." Dieser ausdrückliche Hinweis auf die Abschaffung der theologischen Fakultäten, die seit 1938 parteiamtlichen Planungen entsprach, auf die noch einzugehen ist, wies auf die institutionelle Existenzgefährdung der Universitätstheologie hin und war in der Denkschrift auch hier sachentsprechend in die Beschreibung des allgemeinen kirchenfeindlichen Trends der weltanschaulichen Distanzierungskräfte vom Christentum innerhalb des NS-Systems eingeordnet. Auch auf weitere einschränkende Maßnahmen gegen die Kirche verwies Fabricius: eine Parteiverordnung Ende Januar 1939 habe verfügt, niemand dürfe in Kirche und Partei zugleich ein Amt bekleiden; lediglich im Sudetenland habe NS-Reichsstatthalter Konrad Henlein „einige um die Partei hochverdiente Geistliche vor der Anwendung dieser Verordnung bewahrt". Weiter hieß es: Lehrer auf dem Lande mußten das Organistenamt niederlegen, und die Gemeinde wurde „von da an allsonntäglich durch das stümperhafte Orgelspiel des Ersatzmannes an die Kirchenfeindlichkeit einer Parteimaßnahme erinnert". Alle diese Eingriffe widersprächen dem Reichsrecht; Staatsbürger würden zu Volksgenossen zweiten Ranges degradiert, „als ob sie Juden, Geisteskranke oder Verbrecher wären". Dieses Vorgehen widerspräche außerdem der Verordnung des Stellvertreters des Führers vom 13. Oktober 1933, wonach keinem Parteigenossen aus seinem religiösen Bekenntnis ein Nachteil erwachsen dürfe. Mit diesem jetzt zugunsten der Kirche herangezogenen Neutralitätserlaß der NSDAP hatte Heß Herbst 1933 allerdings einen anderen Zweck verfolgt: damals sollten die Deutschgläubigen gegen deutschchristliche Zumutungen geschützt und in ihrer Eigenständigkeit parteiamtlich anerkannt werden, ohne daß sie freilich

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zu einer „dritten Konfession" neben katholischer und evangelischer Kirche geworden wären, wie es ihnen vorschwebte. Das Memorandum verwies rückblickend auch auf die religionspolitisch bezeichnende, für kirchliche Kreise unverständliche Wende von einer forcierten Beteiligung der NS-Formationen an Gottesdiensten im Jahre 1933 zum bald eingetretenen Zustand, der den Gottesdienstbesuch in Uniform nicht mehr üblich sein ließ und sogar parteiamtlich untersagte. Als weitere Beispiele wurden genannt: die von Stabschef Viktor Lutze für die SA erlassenen „Richtlinien für die kulturelle Dienstgestaltung", ebenso die Ende 1937 von der NSDAP propagierten Weihnachtsfeiern (mit Verbot christlicher Weihnachtslieder) sowie die zu Ostern 1939 empfohlene völkische Jugendweihe. Fabricius forderte: „Im Zuge allgemeiner Rückkehr zu normalen nationalsozialistischen Verhältnissen ist für die Gegenwart wie für die Zukunft zu erwarten, daß alle Anordnungen aufgehoben werden, die der Teilnahme nationalsozialistischer Organisationen an kirchlichen Feiern entgegenstehen, und daß jede Propaganda für freireligiöse Ersatzkulte, die auch nur den Anschein parteiamtlicher Autorität trägt, unterlassen wird." Die Niederlegung des Religionsunterrichts, eine Aktion des NSReichslehrerbundes im November 1938, wurde mißbilligend erwähnt: der Zustand völliger Ordnung im Religionsunterricht müsse wiederhergestellt werden. Unmöglich seien auch Tendenzen in der NS-Schulung, die Zerrbilder des Christentums und seiner Geschichte entwürfen. Alfred Rosenberg habe im Herbst 1938 bei einer Tagung auf der „Ordensburg" in Krössinsee (Pommern) vor NS-Schulungsleitern erklärt, „daß nun der offene Kampf gegen die Kirchen auf der ganzen Linie einsetzen müsse". Einschneidende Beschränkungen gegen das christliche Schrifttum seien aufzuheben; ebenso gelte es, die kirchliche Pressearbeit von Restriktionen freizuhalten. Auch hier wurde das SS-Organ „Das Schwarze Korps" wieder als antikirchliches Hetzblatt namhaft gemacht, dessen anonyme Literaten dazu beigetragen hätten, „die Bewegung zu diskreditieren, die Atmosphäre des öffentlichen Lebens zu vergiften und die im Nationalsozialismus gewonnene Volksgemeinschaft zu zerstören". Der Rundfunk solle wieder regelmäßig „christliche Andachten evangelischer und katholischer Prägung" senden. Ahnliche Forderungen wurden an Film und Theater gerichtet, die auf pfaffenfeindliche Ausfälle verzichten müßten. Gefahren, die der Inneren Mission drohten, seien abzuwenden. Prof. Cajus Fabricius, der in seinem Anschreiben behauptet hatte, Wehrmachtsstellen interessierten sich für seine Denkschrift, wurde dar-

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aufhin durch die Gestapo vernommen. Seitens des Stellvertreters des Führers teilte NS-Stabsleiter M a r t i n B o r m a n n vom Braunen H a u s in M ü n c h e n allen Reichs- und Gauleitern der N S D A P a m 2 6 . O k t o b e r 1 9 3 9 mit, die beigefügte „aufschlußreiche Denkschrift des Universitätsprofessors Fabricius in B r e s l a u " belege, d a ß nach eingegangenen Mitteilungen „fast alle Pfarrer die sowohl von der katholischen wie von der evangelischen Leitung ausgegebene Parole, alle staatsfeindliche Äußerungen zu unterlassen", befolgten, „um desto intensiver innerhalb der Wehrm a c h t und unter den Volksgenossen, besonders Frauen, die sogenannte Seelsorge zu t r e i b e n " . Wegen Spionagemöglichkeiten seien von verschiedenen Gauleitern bereits die von Pfarrern gesammelten Anschriftenverzeichnisse von Soldaten beschlagnahmt worden. Die Denkschrift von Fabricius enthülle indes die „tatsächlichen Ansichten des K l e r u s " 7 3 . Z w e i Tage später ließ B o r m a n n im N a c h g a n g zu seinem Rundschreiben vom 2 6 . O k t o b e r 1 9 3 9 wissen: „Als Ergebnis der vorgenommenen Haussuchung bei dem Universitätsprofessor Pfarrer Fabricius wurde festgestellt, das Fabricius mit Wehrmachtsstellen keinerlei Verbindung hatte; die hierüber von Fabricius gemachten Angaben sind u n w a h r . " 7 4 Am 20. März

1 9 4 0 verfügte der C h e f der Kanzlei des Führers,

Reichsleiter Philipp Bouhler, die Ausstoßung von Prof. Fabricius aus der N S D A P wegen parteischädigenden

Verhaltens.

In der von

ihm

verfaßten und verbreiteten Denkschrift habe Fabricius „zahlreiche überaus gehässige Angriffe gegen Partei und Staat gerichtet, von denen ein Teil zweifellos die Voraussetzung des Landesverrats e r f ü l l t " 7 5 . Fabricius wurde im Z u s a m m e n h a n g mit dieser Denkschrift in Breslau a m 9. N o vember 1 9 3 9 verhaftet und zunächst drei W o c h e n im Polizeigefängnis in Breslau festgehalten, im K r a n k e n h a u s Breslau N o r d a u f seinen Geisteszustand überprüft und in Schutzhaft g e n o m m e n ; wegen seiner Erblindung wurde er „ g n a d e n h a l b e r " a m 1 3 . J a n u a r 1 9 4 0 wieder entlassen.

73. 74. 75.

Text des Rundschreibens nach Schreiben Bormanns vom 2 6 . Oktober 1 9 3 9 an Gauleiter Hinrich Lohse (Kopie, Document Center Berlin). Rundschreiben Martin Bormanns an alle Reichsleiter und Gauleiter vom 2 8 . Oktober 1 9 3 9 (Document Center Berlin). Verfügung von NS-Reichsleiter Philipp Bouhler vom 2 0 . März 1940. Parteiausschluß von Cajus Fabricus lt. Verfügung des Führers vom 20. März 1 9 4 0 . Fabricius wurde seit 1. Mai 1932 als Pg. geführt; Mitgliedsnummer 1 1 0 5 4 5 9 (Document Center Berlin).

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der

Universitätstheologie

Von Frau Fabricius verständigt, hat sich u.a. auch Prof. Hans Schmidt (Halle) für seine Freilassung eingesetzt. 7 6 Die Tendenz, sämtliche Einflüsse von Christentum und Kirche auszuschalten, und ebenso das Bemühen einzelner Universitätstheologen, sich dagegen zur Wehr zu setzen, wird nachdrücklich auch in den materialreichen Denkschriften und Eingaben von Prof. Gustav Entz von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien belegt. Auch sie zeigen, daß die besonders in den annektierten Gebieten massiven Restriktionen gegenüber den Kirchen trotz des vermeintlichen Burgfriedens während der Kriegsjahre auch im Altreich keineswegs fehlten. Ende M a i 1 9 4 0 und dann wieder im Februar 1 9 4 1 hat Gustav Entz solche Proteste bei der Wiener Gauleitung eingereicht 7 7 . Im Dezember 1 9 4 0 wandte Entz sich auch an die Reichskanzlei in Berlin mit einer Eingabe, die zugleich an Reichsstatthalter und NSGauleiter Arthur Greiser in Posen ging und dessen allen Offentlichkeitseinfluß der Kirchen im Warthegau drosselnde Religionspolitik kritisierte. Greiser wies in bekannter Manier alle Vorhaltungen zurück und schrieb der Reichskanzlei: er sei vom Führer nicht nach Posen geschickt worden, „um vergilbte Heiligenbilder mit der Staatsgewalt zu schützen, sondern um aus diesem Land Zukunftsland für das deutsche Volk zu gestalten". 7 8 Am 6. Juli 1 9 4 2 übersandte Prof. Entz der Reichskanzlei, zugleich auch an Baidur von Schirach, der seit 1 9 4 0 Reichsstatthalter und Gauleiter in Wien war, eine materialreiche Eingabe über Angriffe auf das Christentum. Hingewiesen wurde dabei auch auf die Schrift des NS-Reichsschulungsleiters Friedrich Schmidt „Das Reich als Aufgabe" ( 1 9 4 0 ) , gegen die auch der württembergische Landesbischof Wurm bei Staatsstellen Einspruch erhob, weil in ihr faktisch die Ausmerzung des Christentums nach dem Krieg als Voraussetzung für die weitere Zukunft des nationalsozialistischen Deutschlands gefordert wurde. An die gleichen Adressaten wurde auch ein 2 5 Seiten umfassendes Expose gerichtet, das Prof. Entz Mitte Februar 1 9 4 3 übersandte.

76.

Schreiben von Frau M . Fabricius an Hans Schmidt vom 2 8 . November 1 9 3 9 und 14. Januar 1 9 4 0 (UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 2 8 3 ) . Vgl ebd. auch „Aufzeichnung des Prof. Fabricius über die Vorgeschichte seiner Haft", Ende Nov. 1 9 3 9 , 5 Bl., handschriftlich, offenbar von Frau Fabricius abgeschrieben.

77.

BA Koblenz, R 4 3 II 1 7 0 und 172. Vgl. auch Kurt Meier, Der evangelische Kirchenkampf, Bd. 3, S. 1 3 7 f.; UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 2 8 0 .

78.

Bundesarchiv Koblenz, R 4 3 II 1 7 0 und 1 7 2 ; vgl. Paul Gürtler, Nationalsozialismus und evangelische Kirchen im Warthegau.

Protestschritte

und

Memoranden

435

Die Denkschrift von Prof. Entz protestierte dagegen, daß der „Völkische B e o b a c h t e r " , das Zentralorgan der NSDAP, unter anderem Fortsetzungsromane abdrucke, in denen die evangelische Kirche und der evangelische Theologenstand in ungeheuerlichster Weise verhöhnt wurden. Dies alles geschehe mitten im Krieg, in dem rund die Hälfte der evangelischen Geistlichen des Reiches mit der Waffe an der Front dienten. Auch später noch hat Entz durch Vorsprachen in der Reichskanzlei und im Reichskirchenministerium vergebens dem religionspolitischen Distanzierungskurs entgegenzutreten versucht. Weitere Eingaben vom Februar und Oktober 1 9 4 3 folgten. Zu einer persönlichen Unterredung mit dem Reichsstatthalter Baidur von Schirach kam es zwar nicht. Doch hatten frühere Besprechungen mit dem stellvertretenden Gauleiter Scharitzer stattgefunden. 7 9

79.

Ausführlich zu den Aktivitäten von Gustav Entz vgl. Karl W . „ G r e n z b u r g " , bes. S. 3 8 0 - 3 8 7 .

Schwarz:

15. Institutioneller Uberlebenskampf seit 1938

Was die Existenz der theologischen Fakultäten betraf, so gab es schon seit 1937 begründete Sorgen. Da bei einer in nächster Zeit bevorstehenden Rektorenkonferenz voraussichtlich die Frage der Erhaltung der theologischen Fakultäten zur Sprache kommen werde, regte Hans Schmidt in einem Schreiben an die theologischen Dekane an, sie möchten sich mit ihrem jeweiligen Universitätsrektor in Verbindung setzen: „Es besteht dringendes Interesse, daß die Rektoren, und zwar namentlich diejenigen, die nicht theologischen Fakultäten angehören, wie in früheren Fällen auch, die akademische Notwendigkeit unserer Fakultäten aussprechen". 1 Hans Schmidt stimmte auch seinem Kollegen Martin Dibelius in Heidelberg völlig zu, daß es darauf ankomme, das „völlige Auseinanderfallen von Staatsfakultäten und Kirche, das heißt aber auf der einen Seite die Aufhebung der theologischen Fakultäten durch den Staat, auf der anderem Seite die Boykottierung durch die ,Kirche' zu verhindern". Schmidt sprach von der „Größe der Gefahr", die sein von den Kollegen nicht immer ganz gerecht beurteiltes Engagement als Fakultätentagspräsident bestimme. 2 Wie gefährdet man damals bereits die theologischen Fakultäten hielt, zeigt besonders nachdrücklich ein in Briefform gehaltenes sechsseitiges Memorandum, das der Präsident des Evangelischen Fakultätentages Prof. Hans Schmidt März 1938 an das Reichswissenschaftsministerium einreichte. 3 In letzter Zeit hätten ihn „von verschiedenster Seite Gerüchte über Angriffe auf die Stellung, ja den Bestand der ev.-theologischen Fakultäten" erreicht, begründete er seinen Schritt. Es bestehe „der Eindruck, daß derartige Angriffe nicht nur von unverantwortlichen Einzelnen oder von Gruppen, in denen der Pfaffenkoller liberalistischer freidenkerischer Kreise sich in die Gegenwart gerettet hat, betrieben wird, sondern daß auch maßgebende Stellen aus ernsten Gründen darauf ge-

1. 2. 3.

Hans Schmidt an theol. Dekane, 18. II. (=Februar?) 1937 (UA Halle, Rep. 27, Nr. 286). Hans Schmidt an Martin Dibelius, 27. Mai 1937 (UA Halle, Rep. 27, Nr. 286). Hans Schmidt an Oberregierungsrat Franz Xaver Schwarz (Memorandum) vom 23. März 1938 (UA Halle, Rep. 27, Nr. 302).

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richtet sind, die theologischen Fakultäten aus dem Bereich des Reichsund Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und von den Staatsuniversitäten zu entfernen." Mit Nachdruck wurde auf die Gründe hingewiesen, die gegen die Aufhebung der Staatsfakultäten sprächen. 4 Es wäre ein „vollständiger Bruch" mit der geschichtlichen Tradition, da es - von den allerneuesten Gründungen in Frankfurt/Main und Hamburg abgesehen - in Deutschland keine Universität gäbe, die nicht eine theologische Fakultät besäße. Obwohl sich zugegebenermaßen die Bedeutung des Christentums oder doch die Anerkennung dieser Bedeutung für die deutsche Gesamtkultur im Verhältnis zur Vergangenheit bei vielen geändert habe, wurde vor übereilten Entscheidungen und einschneidender Änderung der Hochschulstruktur gewarnt; eine solche sei international „allerschwersten Mißdeutungen ausgesetzt". Auch bei Aufbau und Herausbildung eines „neuen Typus der Hochschule im Dritten Reich" dürfe universitäts- und studienreformerisch nicht auf die Mitarbeit der theologischen Fakultät verzichtet werden. Unter Forschungs- wie Ausbildungsgesichtspunkt seien theologische Fakultäten unverzichtbar, würden doch weite Gebiete der Geschichte und des Geisteslebens lediglich in ihrem Rahmen erforscht: 5 „Die zweitausendjährige Geschichte der christlichen Kirche würde ein Gegenstand der Forschung bleiben, auch wenn je, woran nicht zu denken ist, diese Kirche in Deutschland einmal aufhören würde. Die Geschichte der deutschen Frömmigkeit ist ohne eine aus den Quellen gewonnene wissenschaftliche Erforschung der Geschichte der Kirche ( . . . ) nicht zu verstehen und nicht darzustellen. Das Phänomen der Religion ist in der Geschichte unseres Volkes viel zu erheblich, um etwa am Rand einer Fakultät, etwa nebenbei von einem Profanhistoriker erforscht und vorgetragen zu werden. Schon der Umfang der spezifisch theologischen Quellen macht das unmöglich". Aber auch in Lehre und Berufsausbildung seien theologische Fakultäten im Rahmen der Staatsfakultäten unentbehrlich. Für das „Werden eines volksverbundenen Pfarrerstandes" behielten die interdisziplinären Möglichkeiten der Universitäten bleibende prägende Bedeutung. Die evangelische Kirche habe deshalb zu allen Zeiten den größten Wert darauf gelegt, „ihren künftigen Pfarrern eine streng wissenschaftliche Bildung im Rahmen der staatlichen Universitäten zu geben". Der vier4. 5.

Ebd. Ebd.

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hundertjährigen Traditon einer traditionell positiven Kulturbedeutung vieler evangelischer Pfarrhäuser zumal auf dem Lande würde stark beeinträchtigt, „wenn evangelische Theologen nicht mehr in der geistigen Atmosphäre der Universitäten gebildet würden." Nachdrücklich wurde auf die „ernste und opferbereite Staatsgesinnung" des evangelischen Pfarrerstandes hingewiesen und der hohe Prozentsatz der im Weltkrieg gefallenen evangelischen Theologiestudenten hervorgehoben. 6 Etwaige Alternativlösungen nichtuniversitärer, kircheneigener Ausbildung seien abzulehnen: 7 Im Blick auf „die Staatsgesinnung, die die evangelisch-theologischen Fakultäten beseelt hat und bis auf diesen Tag beseelt", hieß es: „Wenn diese Fakultäten aufgehoben und die Ausbildung der künftigen Pfarrer damit auf kirchliche Schulen gedrängt würde, so bedeutete das nicht nur eine volkswidrige Verengung, sondern eine gewaltsame Klerikalisierung." Geschichtliche Argumente wurden angeführt: Reichskanzler Otto von Bismarck habe im Kulturkampf der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts im Blick auf die katholische Kirche gewußt, daß ein „vom deutschen Geisteslebens und der deutschen Gesamtwissenschaft abgeschnürter, an einer theologischen Sonderhochschule oder etwa gar ( . . . ) in Rom erzogener Klerus ( . . . ) für den deutschen Staat gefährlich" werden könne. So sei es einfach nicht vorstellbar, „daß umgekehrt in unserer nationalsozialistischen Gegenwart nun auch die evangelischen Pfarrer auf Priesterseminare gedrängt werden." Außerdem komme es der Gesamtstudentenschaft einer Universität zugute, „wenn der Ernst christlicher Lebensanschauung in einer Fakultät in ihrer Mitte lebendig ist." Auch die Karte der Förderung und des Schutzes des deutschen Volkstums im Ausland wurde ausgespielt. Gegenwärtig studierten an reichsdeutschen theologischen Fakultäten in jedem Semester zahlreiche Volksdeutsche evangelische Theologiestudenten „aus dem deutschen Raum jenseits der Grenze, den baltischen Ländern, Polen, dem Sudetendeutschtum, aus Jugoslawien, Siebenbürgen usw." In einer dem völkisch-

6.

7.

Ebd. Studentenzahl an den Universitäten zu Beginn des Ersten Weltkrieges: 5 4 608 Studenten; davon Kriegsgefallene: 12 074, also 2 2 , 1 % ; Mediziner: 2 101 von 14 347; 14,6%; Philologen: 5 336 von 23 752; 22,5%; katholische Theologen 4 9 9 von 1942; 25,7%; evangelische Theologiestudenten: 1408 von 3881; 36,3%. Hans Schmidt an Regierungsrat Franz Xaver Schwarz (Memorandum), 23. März 1938 (UA Halle, Rep. 27, Nr. 302); auch folgende Zitate.

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ideologischen Wertmaßstab auch an diesem Punkte adäquaten Argumentation hieß es: 8 „Diese Volksdeutschen Studenten kommen durch ihr Studium in enge persönliche Verbindung mit dem gesamten deutschen Leben. Sie stehen unter dem Eindruck der Begeisterung der nationalsozialistischen Studentenschaft. Es wäre eine Katastrophe, wenn diese Studenten, die in ihrer Heimat durchweg keine deutschen Universitäten haben, entweder an fremdsprachige evangelisch-theologische Fakultäten ζ. B. in Warschau, Prag, Preßburg oder Klausenburg oder in die Schweiz gehen müßten, statt an einer deutschen Hochschule studieren zu können. Für die volksbewußte Haltung dieser Studenten ist es von entscheidender Bedeutung, daß sie nicht etwa in der Enge kirchlicher, womöglich oppositionell gerichteter Schulen oder Seminare in Deutschland ihre Ausbildung erhalten. Sie gehören in die Luft unserer staatlichen Universitäten. Die Volksdeutschen evangelischen Pfarrer sind - das weiß Jeder, der diese Verhältnisse kennt - der eigentliche Halt Volksdeutscher Gesinnung an vielen Orten in fremder Umgebung. Es wäre nicht zu verantworten, ihnen in diesem Augenblick in den Theologischen Fakultäten an den Universitäten des Reiches den Mutterboden ihrer deutschen Geistigkeit zu nehmen." Unvorstellbar erscheine es außerdem, daß die evangelisch-theologische Fakultät Wien, die ein Jahrhundert lang um ihre Anerkennung als Glied der dortigen Universität habe kämpfen müssen, „in diesem Augenblick ihrer heißersehnten Rückkehr zu Deutschland aufgehoben werden könnte". Sie bedürfe vielmehr nach dem Anschluß Österreichs der „pfleglichen Behandlung und großzügigen Ausgestaltung durch das Reich". Das Schriftstück, das alle systemintern zugkräftig erscheinenden Argumente aufbot, erinnerte abschließend daran, daß die theologischen Fakultäten nicht nur evangelische Pfarrer, sondern auch Religionslehrer ausbildeten: 9 „Kann der deutsche Staat die Aufsicht über die Ausbildung der Religionslehrer völlig aus der Hand geben? Dann aber bedarf er auch aus diesem Grunde der Theologischen Fakultäten im Rahmen der Reichsuniversitäten!" Hans Schmidt hat das Schreiben dem Personalreferenten im Reichswissenschaftsministerium, Regierungsrat Franz Xaver Schwarz, persönlich überreicht; auch dem NS-Reichsleiter Alfred Rosenberg machte er es zugänglich. Schwarz habe Prof. Schmidt „sehr lebhaft dafür gedankt"; er werde sich bemühen, die Gedanken der Denkschrift, die zahlreiche 8. 9.

Ebd. Ebd.

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wissenschaftliche und politische Argumente für die Erhaltung der theologischen Fakultäten als universitäre Einrichtungen zur Sprache brachte, beim Reichwissenschaftsminister Rust „und auch an der höchstentscheidenden Stelle wirksam zu machen". 10 Rosenberg habe sich ebenfalls bereit erklärt, etwaigen Angriffen auf den Bestand der theologischen Fakultäten entgegenzutreten. Doch muß der Wert dieser vermeintlichen Zusage dahingestellt bleiben. Diese durch kooperative Zuarbeit erstellte Ausarbeitung des Präsidenten des Fakultätentages Hans Schmidt verarbeitete weitgehend Notizen, die Prof. Hermann Wolfgang Beyer, damals Dekan der Theologischen Fakultät Leipzig, für den Rektor der Leipziger Universität Prof. Dr. med. Arthur Knick zusammengestellt hatte, damit auch er seitens der Universitätsleitung dem Ministerium gegenüber in diesem Sinne argumentieren könne. 11 Prof. Heinrich Bornkamm, damals Prodekan, hat übrigens Beyers Notizen zu einer Denkschrift erweitert und „zunächst an eine Reihe privater, aber politisch einflußreicher Stellen" gegeben. 12 Beyer schrieb Anfang März 1938 an Hans Schmidt, der Personalreferent des sächsischen Volksbildungsministeriums, Oberregierungsrat Werner Studentkowski, habe ihm „vor kurzem" mitgeteilt, er sei vom sächsischen Reichsstatthalter Mutschmann beauftragt, beim Reichswissenschaftsminister die Auflösung der Leipziger Theologischen Fakultät zu beantragen. Auf die Entgegnung Studentkowskis, eine solche Aktion ließe sich nicht an einer einzelnen Universität durchführen, sondern könne nur im ganzen für alle theologischen Fakultäten entschieden werden, habe Mutschmann gefordert, beim Reichswissenschaftsministerium zu prüfen, „ob unter den heutigen Verhältnissen Theologische Fakultäten

10.

Vgl. Hans Schmidt an Walter Eiliger, 5. April 1938 (UA Halle, Rep. 27, Nr. 302). Am 26. Oktober 1938 erfuhr der Erlanger Dekan Prof. Eiert von Regierungsrat Schwarz, der einen SS-Rang hatte, daß die theologischen Fakultäten „überhaupt keine Existenzberechtigung mehr hätten" (Nachlaß Eiert V, S. 3: zit. bei Cornelius H. Meisiek, Theologiestudium, S. 339, Anm. 1252).

11.

Hermann Wolfgang Beyer an Rektor Arthur Knick, 4. März 1938 (UA Halle, Rep. 27, Nr. 302). Vgl. Hermann Wolfgang Beyer an Hans Schmidt vom 2. April 1938 (UA Halle, Rep. 27, Nr. 302): ( " . . . hat während eines kurzen Urlaubs, den ich in Thüringen verbrachte, Kollege Bornkamm auf Grund von Besprechungen, die er gehabt hat, meine Notizen zu einer Denkschrift erweitert, die zunächst an eine Reihe privater, aber politisch einflußreicher Stellen gegangen ist").

12.

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im Rahmen der Gesamtuniversität noch tragbar seien". 1 3 Weitere Informationen im Jahre 1938 ergaben, daß alle laufenden Angelegenheiten an der Leipziger Fakultät (Besetzungsfragen, Habilitationen, auch die Frage des weiteren Verbleibs von Theologen in SA oder Partei) vorläufig zurückgestellt seien, „bis die grundsätzliche Frage nach dem Verbleiben der Theologischen Fakultäten geklärt" wäre. Trotz streng vertraulicher Bekanntgabe dieses Sachverhalts durch Studentkowski hatte Prof. Hermann Wolfgang Beyer Anfang März 1938 den Vorsitzenden des Fakultätentages Hans Schmidt in Halle alarmiert und ihn gebeten, sich in die schwebenden Verhandlungen in Berlin einzuschalten. Beyer hatte übrigens auch Prof. Emanuel Hirsch, damals noch Dekan in Göttingen, zu seiner persönlichen Beratung in die Vorgänge eingeweiht, da Hirsch vor Eingang der letzten Mitteilung Studentkowskis die Meinung vertreten hatte, zur Zeit bestehe für eine Reihe von Jahren noch keine Gefahr für die theologischen Fakultäten, wenn auch die Entwicklung auf theologische Schulen außerhalb der Universität hinauslaufen werde. Dekan Hermann Wolfgang Beyer und Heinrich Bornkamm, damals Prodekan, waren im Blick auf die ihnen bekanntgewordene Absicht Mutschmanns, die Leipziger Theologische Fakultät aufzuheben, natürlich besonders sensibilisiert, etwas gegen den befürchteten Trend einer Liquidierung der Universitätstheologie zu tun. So wurde ein Treffen zwischen Vertretern von Halle, Leipzig und Greifswald, Kiel u. a. in Aussicht genommen. Ohne den Entscheidungen des Fakultätentages vorgreifen zu wollen, regte Prof. Beyer Anfang April 1938 an, im kleineren Kollegenkreis Fragen zu besprechen, um gemeinsam Tendenzen einer Isolierung der theologischen Fakultäten abwehren zu können. Beyer schrieb an Hans Schmidt, er sei von verschiedensten Seiten bedrängt worden, etwas zu tun: in der Frage der Erhaltung der theologischen Fakultäten müsse unbedingt etwas geschehen. Bestehe doch nach wie vor in politisch maßgebenden zentralen Parteikreisen die Absicht, „eine grundsätzliche Entscheidung des Führers in der Fakultätenfrage herbeizuführen". 1 4 Andererseits würde

13.

14.

Mitteilung Hermann Wolfgang Beyers an Hans Schmidt v o m 5. März 1 9 3 8 (UA Halle, Rep. 27, Nr. 302); Versuche Mutschmanns, die Theologische Fakultät in Leipzig zu liquidieren, wurden Herbst 1 9 3 9 und 1 9 4 2 unternommen. Vgl. auch Kurt Meier, Resistenzbedeutung, bes. S. 2 1 5 - 2 1 8 . Hermann Wolfgang Beyer an Hans Schmidt v o m 2. April 1 9 3 8 (UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 302).

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der eben erfolgte Anschluß Österreichs ans Deutsche Reich die gesamten Kirchenfragen nochmals unter neuen Gesichtspunkten aufrollen. Die dadurch bedingte Verzögerung müsse genutzt werden. Auch der Kirchenhistoriker Prof. Walter Elliger, der im April 1938 gerade das Dekanat in Greifswald übernahm, bat um eine möglichst baldige Zusammenkunft eines kleinen Kreises der in dieser Frage tätigen Leute, an der auch Prof. Hans Schmidt teilnehmen sollte. Indes schien taktisch abgewogenes Vorgehen am Platze. Da auch Elliger (Greifswald) eine - übrigens von Prof. Kurt Deißner und Dozent Johannes Fichtner mitunterzeichnete - Denkschrift ausarbeitete, müsse alles gut koordiniert werden. Es dürfe nicht zu einer „Inflation" im Blick auf Denkschriften und Beschwerden kommen; und ein „Nebeneinanderherarbeiten, das mehr schaden als nutzen" könne, gelte es zu vermeiden. Gewisse Gefahren wurden darin gesehen, wenn „in das gleiche Horn von mehreren Seiten aus gestoßen" werde. Schmidt meinte, „wenn aber von all zu vielen Seiten über eine Gefahr unserer theologischen Fakultäten gesprochen und geschrieben wird, so wird diese Gefahr ( . . . ) vielleicht erst recht heraufgeführt." Jedenfalls galt eine baldige Besprechung der Sachlage als wünschenswert und zweckdienlich. 15 Befürchtungen, daß die politische Ausgrenzung des theologischen Nachwuchses langfristig zu einer Austrocknung der theologischen Fakultäten führen könne, waren nicht von der Hand zu weisen. Nach dem Runderlaß des Reichswissenschaftsministeriums vom 2 4 . Juni 1938 war zwar der Besuch eines dreiwöchigen Lehrgangs des Reichsbeamtenlagers in Bad Tölz (anstelle des geschlossenen Dozentenlagers in Tännich/Thür.) Voraussetzung für jede Berufung zum Hochschullehrer. 16 Andererseits wurde unter dem 21. Januar 1939 verfügt, daß nach den Richtlinien des Stellvertreters des Führers Theologen beider Konfessionen zu Reichsbeamtenlagern nicht mehr einzuberufen seien. Die Fakultäten sahen in der Ausgrenzung des wissenschaftlichen Nachwuchses vom Reichsbeamtenlager eine „verhängnisvolle Schwierigkeit" für die Berufung von jun15. 16.

Schreiben Hans Schmidt an Walter Elliger vom 5. April 1 9 3 8 (UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 302). UA Göttingen, Theol. Fak., Nr. 147, 1-3. Der Runderlaß des Reichswissenschaftsministeriums vom 2 4 . Juni 1 9 3 8 besagte, dem Stellvertreter des Führers werde für alle höhere Beamte als Grundlage seiner Zustimmung entsprechend dem Führererlaß über Ernennung von Beamten vom 10. Juli 1 9 3 7 und als Grundlage der dafür notwendigen Beurteilung die Teilnahme an einem dreiwöchigen Beamtenlager in Bad Tölz dienen. Das Lager in Tännich (Thür.) sei geschlossen.

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gen Theologen in ein akademisches Lehramt. Als Dekan der Göttinger Fakultät hat Prof. Emanuel Hirsch am 3. Februar 1 9 3 9 den Reichswissenschaftsminister Rust gebeten, diese Richtlinien zu ändern, deren „vom Ministerium nicht beabsichtigte Folge ( . . . ) die Zerstörung der evangelisch-theologischen Fakultäten" sein werde. 1 7 Auch bekenntniskirchliche Hochschullehrer wie Prof. Hans von Soden sahen damals die Existenz der theologischen Fakultäten an den Universitäten als gefährdet an. Seine - vermutlich 1 9 3 8 / 3 9 konzipierten „Erwägungen zur Frage des Bestandes Theologischer Fakultäten an den deutschen Hochschulen" wiesen auf die Gefahr hin, daß die staatliche Politisierung des Hochschulwesens dazu führen könne, „die theologischen Fakultäten aufzuheben und den Kirchen die Ausbildung ihrer Geistlichen und Religionslehrer an eigenen Anstalten anheimzugeben". 1 8 Damit werde allerdings auch der wissenschaftliche Charakter der anderen Fakultäten bedroht und ihre unveräußerliche Autonomie angetastet. Staatliche Hochschulhoheit, die naturgemäß auch die theologischen Fakultäten an den Universitäten umfasse, laufe indes dem kirchlichen Interesse nicht grundsätzlich zuwider, sondern entspreche ihm sogar in einem letzten und tiefsten Sinne, „falls und solange die Hochschulhoheit gegenüber den theologischen Fakultäten die wissenschaftliche Autonomie der Theologie schützt, ohne ihren konfessionellen Charakter anzutasten." 1 9 Doch rügte er im Blick auf die staatliche Besetzungspolitik jener Jahre, daß „mehr nach der politischen Konfession als nach der wissenschaftlichen Bewährung gefragt" werde. Dieser „Angriff auf den konfessionellen Charakter der Fakultäten" wirke sich in ihrem „wissenschaftlichen Niedergang" aus. Der konfessionelle Charakter der Theologie, also ihre Bekenntnisbezogenheit, liege dabei keineswegs bloß in bestimmten Rechten, die den Kirchenleitungen bei der Besetzung von Lehrstühlen an den theologischen Fakultäten eingeräumt seien. Denn auch Kirchenbehörden könnten politisiert und entkonfessionalisiert werden. Diese Einschränkung bezog sich nicht nur auf die deutschchristliche M a c h t politik in der Anfangsphase des Dritten Reiches im allgemeinen, sondern wurde auch mit fakultätspolitisch bedeutsamen Beispielen aus den fol17. UA Göttingen, Theol. Fak., Nr. 146. 1 8 . . Hans von Soden, „Erwägungen zur Frage des Bestandes Theologischer Fakultäten an den deutschen staatlichen Hochschulen" (undatiert, mglw. 1 9 3 8 / 3 9 ) . In: Erich Dinkler/Erika Dinkler-von Schubert, Theologie, S. 2 9 2 2 9 7 ; Zit. S. 2 9 5 . 19. Ebd. S. 296.

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genden Jahren belegt. Die Betrauung von Lie. Dr. Heinz Eisenhuth mit dem systematischen und Dr. Walter Grundmann mit dem neutestamentlichen Lehrstuhl in Jena in den Jahren 1937/38, die beide an sich wissenschaftlich ausgewiesen waren, wie auch die Vergabe von Lehraufträgen an Erich Winkel und Oberkirchenrat Johannes Heepe in Rostock galten ihm auch darum als fakultätspolitisch verhängnisvolle Besetzungen und Beauftragungen, da sie ja gerade unter Mitwirkung dieser deutschchristlich orientierten Kirchenleitungen in Thüringen und Mecklenburg erfolgt 20

seien/" Die überwiegende Ausbildung der katholischen Geistlichen erfolge so betonte von Soden - nicht an den Fakultäten (sondern auf Priesterseminaren), während (abgesehen von praktisch bedeutungslosen Ausnahmen) in der evangelischen Kirche die Pfarrerausbildung an den Universitäten geschehe. Es müsse daher gewährleistet sein, daß die „innere Bindung an die Kirche" nicht zum Hindernis für die staatliche Berufung in Professuren und Dozenturen werde, wie dies zur Zeit der Fall sei. Sonst seien kirchliche Einrichtungen, die das Fehlende ergänzen, unvermeidlich. Eine „sachliche Fakultätspolitik" galt für Hans von Soden als die „beste Kirchenpolitik". 2 1 Die allseits befürchtete Existenzgefährdung der theologischen Fakultäten hatte auch institutionell gesehen einen durchaus realen Hintergrund. Bereits 1938 kam es zu gemeinsamen Überlegungen von Parteiund Staatsstellen, wie der Bestand der theologischen Fakultäten in Deutschland reduziert werden könne. Bereits im Frühjahr 1938 war die Frage aktuell, wie die durch den sächsischen Reichsstatthalter Mutschmann veranlaßten Anfragen beim Reichswissenschaftsministerium zeigen. Der frühere badische Kultusminister und damalige Amtschef Wissenschaft Otto Wacker im Reichswissenschaftsministerium hat Ende November 1938 beim Stellvertreter des Führers nachgefragt, ob nicht verschiedene theologische Fakultäten beider Konfessionen geschlossen oder wenigstens zusammengelegt werden könnten. Wacker bat darum, seitens der Parteikanzlei eine Willensäußerung Hitlers einzuholen. Eine beigefügte Liste sah Verlegungen folgender evangelisch-theologischer Fakultäten vor: Heidelberg (nach Tübingen), Kiel (nach Göttingen), Leipzig (nach Halle und Jena), Gießen (nach Marburg), Greifswald (nach Berlin oder Königsberg), Rostock (nach Berlin). 22 20. 21.

Ebd. S. 296, Anm. 5. Ebd. S. 297.

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Für die katholischen theologischen Fakultäten waren in dem Papier ebenfalls drastische Reduzierungen vorgesehen. Innsbruck und Salzburg seien endgültig zu schließen; München sollte nach Würzburg verlegt werden, Tübingen nach Freiburg, Bonn nach Münster, die PhilosophischTheologische Hochschule Regensburg nach Passau. Von den katholischen Fakultäten waren bis Anfang 1939 Graz bereits nach Wien verlegt, Innsbruck und Salzburg wie auch München geschlossen. 23 Am 24. Januar 1939 übermittelte Bormann von der Parteikanzlei in München zwar nicht die von Wacker erbetene „Willensäußerung des Führers" zu dieser Frage, wohl aber eine „Stellungnahme der Partei": 2 4 Gegen eine wesentliche Einschränkung der theologischen Fakultäten an den deutschen Hochschulen bestünden keinerlei Bedenken, sei doch die theologische Forschung nicht mit den übrigen Wissenschaftsgebieten an den Universitäten gleichzustellen, da Theologie „weniger eine freie Wissenschaft, als vielmehr eine konfessionelle Zweckforschung" sei. Dabei sollte auf öffentliche Bekanntmachungen verzichtet, auch die Kirchen nicht informiert werden. Lediglich pragmatische Argumente seien anzuführen, so „die allgemeine Veränderung der Verhältnisse" (Wehrpflicht, Nachwuchsmangel etc.) und Planungsnotwendigkeiten des Hochschulwesens. Die von Wacker vorgeschlagene Methode einer Umwidmung freigewordener Lehrstühle für neue Forschungsgebiete (Rassenforschung und germanische Altertumskunde) wurde von Bormann ausdrücklich begrüßt. Mehrmalige Nachfragen Bormanns beim Reichswissenschaftsministerium in den ersten Monaten des Jahres 1939 zeigten das fortbestehende starke Interesse der Parteikanzlei am Abbau der theologischen Fakultäten. Die Rektorenkonferenz wurde Anfang März 1939 auf den „Abbau der theologischen Fakultäten vorbereitet". An ihre Stelle sollten Lehrstühle für vergleichende Religionsgeschichte und Religionswissenschaft treten. Solche Tendenzen haben übrigens einzelne Theologieprofessoren, so Erich Seeberg, veranlaßt, zeitweilig darüber nachzudenken, 22.

23.

24.

Eike Wolgast, Hochschulpolitik, hier: S. 6 6 - 7 4 ; Vergleichsliste der Planungen des Reichswissenschaftsministeriums vom 6. April 1 9 3 9 und des Stellvertreters des Führers v o m 2 3 . Juni 1 9 3 9 (S. 6 9 f.). Vgl. Friedrich Zipfel, Kirchenkampf, D o k . Nr. 5 4 und 5 5 , S. 4 8 5 - 4 9 6 : Reinhard Heydrich an O t t o Wacker, 2 1 . Februar 1 9 3 9 , mit beiliegender Denkschrift. Z u den kirchenpolitischen Ambitionen Wackers vgl. auch Klaus Scholder, Baden, S. 2 4 0 ; Leonore Siegele-Wenschkewitz, Fakultät, S. 3 4 - 8 0 ; Leonore Siegele-Wenschkewitz, „Bollwerk gegen Basel", hier: S. 5 0 7 . Akten der Parteikanzlei, BA Koblenz N S 8 / 1 8 1 , Regest Nr. 2 3 7 8 3 , Bl. 2 0 8 f. (Wolgast, Hochschulpolitik, S. 73, Anm. 136).

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ob für einzelne Fächer (etwa die Kirchengeschichte) eine geschichts- und religionswissenschaftliche Forschungsperspektive an der philosophischen Fakultät bestehe. Noch am 6. April 1939 (kurz nach dem Ausscheiden Wackers, der Februar 1940 erkrankte und starb) wurde vom Reichswissenschaftsministerium ein detaillierter Zusammenlegungsplan vorgelegt, dessen Realisierung zum Wintersemester 1939/40 vorgesehen war. Es handelte sich offensichtlich um ein pragmatisches Konzept als Vorstufe eines Gesamtabbaus der theologischen Fakultäten. Durch Verlegung sollten von den (unter Einschluß Wiens) jetzt 18 evangelisch-theologischen Fakultäten fünf aufgehoben werden: Heidelberg, Bonn oder Münster, Leipzig, Rostock, Berlin. 25 Der Entwurf des Reichswissenschaftsministeriums wurde von Bormann abschriftlich auch Rosenberg zur baldigen Stellungnahme übermittelt. Das Interesse der Reichsparteileitung der NSDAP zeigte sich daran, daß Bormann am 24. Februar und am 7. März 1939 beim Reichswissenschaftsministerium wegen des Abbaukonzeptes nachfragte. Nach diesem Entwurf sollte Göttingen (im Sommersemester 1939 insgesamt 94 Hörer, davon 2 Studentinnen) wegen des Interesses der angelsächsischen Welt vorläufig erhalten bleiben, ebenso Marburg wegen der Mitarbeit ausländischer Gelehrter am neu einzurichtenden religionswissenschaftlichen Institut. Der relativ schwach frequentierten Theologischen Fakultät Jena (nur 31 Studenten) wurde eine Bewährungschance „in den geistigen Auseinandersetzungen in nächster Zeit" gegeben. Das Aufsehen, das eine Aufhebung der Berliner Fakultät (109 Hörer, davon 5 Studentinnen) hervorrufen würde, war das Ministerium damals offensichtlich bereit, in Kauf zu nehmen, um die Theologen aus der „neuen Hochschulstadt Berlin" zu entfernen. 2 6 Auch ein im Reichswissenschaftsministerium angefertigter Vermerk ging vom „praktischen Verschwinden von 5-7 evangelisch-theologischen Fakultäten in absehbarer Zeit" aus. Staatliche Maßnahmen „zur Verringerung der ohnehin geringen und rückläufigen Zahl evangelischer Theologiestudenten" galten als „taktisch falsch", während rechtliche Bedenken gegen die Zusammenlegung schwach besuchter Fakultäten mit Hinweis auf eine aus Etatsgründen erforderliche Hochschulplanung für leicht überwindbar gehalten wurden. 2 7 25. 26. 27.

Eike Wolgast, Hochschulpolitik, S. 68 (IMG Bd. 25, S. 2 1 0 ff.). Nachweise bei Eike Wolgast, Hochschulpolitik, S. 68. Friedrich Zipfel, Kirchenkampf, S. 494.

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N a c h der „Besprechung mit sämtlichen beteiligten Parteidienststell e n " , zu der Bormann auch Rosenberg eingeladen hatte, erklärte Bormann am 2 3 . Juni 1 9 3 9 sein Einverständnis mit den Planungen des Reichswissenschaftsministeriums, wollte aber zusätzlich Göttingen und Greifswald (38 Studenten) aufheben lassen. Das ergibt sich aus Bormanns Einladung vom 7. Juni 1 9 3 9 an Rosenberg, zur Besprechung über das Schicksal der theologischen Fakultäten. 2 8 Im übrigen hat Rosenberg nur die Begründung beanstandet, die Theologische Fakulät an der Universität Halle, die seit November 1 9 3 3 Martin-Luther-Universität hieß, wegen ihres Namens vorläufig beizubehalten: gehöre doch Luther allen Deutschen, nicht nur den konfessionell gebundenen Evangelischen. Trotzdem erklärte er sich aber mit dem vorläufigen Verbleib der Theologischen Fakultät an der Universität Halle, die im Sommersemester 1 9 3 9 übrigens 1 4 2 Hörer, darunter 6 Studentinnen zählte, einverstanden. 2 9 Auch anders als das Reichswissenschaftsministerium, das aus konfessionellen Proporzgründen die Theologische Fakultät Heidelberg (damals 5 9 Hörer, 1 Studentin) nach Tübingen verlegen wollte, sollte nach Bormanns Willen Tübingen nach Heidelberg verlegt werden, damit das ausgesprochen evangelisch-theologische Zentrum Tübingen (damals 2 6 9 Hörer, darunter 9 Studentinnen) durch Heidelberger Studenten nicht noch verstärkt werde. Es entsprach den Plänen des „Braunen H a u s e s " , die Berliner Fakultät bis zur städtebaulichen Neugestaltung der Reichshauptstadt vorerst noch beizubehalten. Ihre Verlegung nach Greifswald als „Kleinstadt" sei derzeit nicht opportun. 3 0 Der Vorschlag, den Reichsdozentenführer Dr. Walter Schultze vorlegte, ging nicht von geographischen Aspekten regionaler Bedarfsabdeckung aus, sondern argumentierte ideologisch-kirchenpolitisch. Ungenügende Detail- und Sachkenntnis läßt seine Einteilung etwas unkompetent und pauschal erscheinen: a) Positiv zum Nationalsozialismus stünden: Berlin, Wien, Jena und Gießen; b) Eine unbestimmte Haltung nähmen ein: Bonn, Breslau, Königsberg und Kiel; c) der Beken28.

Eike Wolgast, Hochschulpolitik, S. 6 8 , A. 1 1 8 (Akten der Parteikanzlei vom 7. Juni 1 9 3 9 , Regest N r . 2 3 7 8 3 ) .

29.

Alfred Rosenberg an Rudolf Heß, 4 . Mai 1 9 3 9 (Akten der Parteikanzlei, Regest N r . 2 3 7 8 3 ; BA Koblenz, N S / 1 8 1 , Bl. 5 8 ff.). Rosenberg wollte (ähnlich wie Martin Bormann) die katholische Fakultät in Bonn statt in Münster erhalten wegen des dort herrschenden modernistischen Geistes. Außerdem sollten Passau und Freising nach Regensburg verlegt werden.

30.

Eike Wolgast, Hochschulpolitik, S. 6 8 (IMG, Bd. 1 2 5 , S. 2 1 9 ff.).

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Institutioneller

Überlebenskampf

seit

1938

nenden Kirche als nahestehend galt Tübingen, Erlangen, Leipzig, Halle, Marburg, Heidelberg, Göttingen, Greifswald, Rostock und Münster. Da etwa 75 Prozent der Theologiestudenten an den Fakultäten der letzteren Gruppe eingeschrieben seien, gelte es, diese Gruppe auf vier bis fünf Fakultäten zu reduzieren, damit der Pfarrernachwuchs nicht in reaktionärem Geist ausgebildet werde. 31 Die für das Wintersemester 1939/40 geplante Zusammenlegung evangelisch-theologischer Fakultäten unterblieb durch den Beginn des Zweiten Weltkrieges Anfang September 1939. Damals durften zunächst nur die Universitäten Berlin, Wien, München, Leipzig und Jena zu einem außerplanmäßigen Herbstsemester (Trimester) öffnen. 3 2 Doch wurde die Theologische Fakultät Leipzig auf Grund von Machinationen des Reichsstatthalters Mutschmann durch Erlaß des Reichswissenschaftsministeriums Mitte September 1 9 3 9 entgegen bisheriger Verfügung von der Wiedereröffnung ausgenommen. Als Begründung wurde der starke Rückgang der Studentenzahl vorgeschützt. 33 Da es an der Universität München keine evangelisch-theologische Fakultät 34 gab (die Katholisch-Theologische Fakultät war 1938 geschlossen worden), standen zunächst nur die theologischen Fakultäten an den Universitäten in Berlin, Wien und Jena für das evangelische Theologiestudium zur Verfügung. Allerdings wurden in den nächsten Wochen fünf weitere Universitäten (Breslau, Halle, Erlangen, Königsberg und Göttingen) wieder geöffnet. An diesen acht Universitäten fand anstelle des üblichen Wintersemesters 1939/40 ein Herbsttrimester 1939 statt. An den Universitäten Bonn, Gießen, Greifswald, Heidelberg, Kiel, Münster, Rostock, Tübingen wurde jedoch erst ab 8. Januar (1. Trimester 1940) der

31. 32. 33.

34.

Eike Wolgast, Hochschulpolitik, S. 70, A. 121; Conway, Kirchenpolitik S. 2 1 0 . Erlaß des Reichswissenschaftsministeriums vom 5. September 1 9 3 9 (AEF Erlangen Ε 2 3 / 5 2 2 ) . Erlaß des Reichswissenschaftsministeriums vom 11. September 1 9 3 9 (AEF Erlangen Ε 2 3 / 5 3 4 ; UA Halle, Rep. 2 7 , Nr. 79). Die Studienmöglichkeit an den Universitäten Berlin, Jena, und Wien reiche für Studierende der evangelischen Theologie aus. Fortsetzung des Studienbetriebs in Leipzig wurde erst nach zähen Verhandlungen Januar 1 9 4 0 erreicht. Näheres bei Kurt Meier, Resistenzbedeutung, S. 2 1 5 f. Die Evangelisch-Theologische Fakultät an der Universität München besteht erst seit 1968.

Institutioneller Überlebenskampf seit 1938

44 9

Lehrbetrieb wieder aufgenommen. Im Herbsttrimester 1 9 3 9 fand dort offiziell auch kein theologischer Lehrbetrieb statt. 3 5 Die nur zögernde Wiedereröffnung der Universitäten bedeutete eine erhebliche Verunsicherung der Studenten, weil ungewiß schien, o b die Universität, an der sie das Herbsttrimester 1 9 3 9 studieren wollten, rechtzeitig wiedereröffnet wurde. Von den Bemühungen um Wiedereröffnung wenigstens einer süddeutschen Theologischen Fakultät zeugt die Eingabe der Landesbischöfe Kühlewein (Baden), W u r m (Württemberg), Meiser (Bayern) vom 2 1 . September 1 9 3 9 . Weitere Bemühungen des Landeskirchenamtes in H a n n o v e r unter Bischof M a r a h r e n s erübrigten sich, weil auch Göttingen Anfang O k t o b e r 1 9 3 9 bereits wieder geöffnet w a r . 3 6 D a ß die sächsische Landesuniversität Leipzig zwar zu den wenigen Universitäten gehörte, die nach Kriegsbeginn geöffnet waren, die T h e o logische Fakultät jedoch geschlossen blieb und daher der offizielle theologische Lehrbetrieb im Herbsttrimester 1 9 3 9 ausfallen mußte, lag am Reichsstatthalter und NS-GauIeiter M a r t i n M u t s c h m a n n , der schon seit längerem die Aufhebung der Fakultät geplant hatte. Ein Schnellbrief des Reichswissenschaftsministeriums teilte dem R e k tor der Universität Leipzig mit, daß bei dem starken R ü c k g a n g der Z a h l der Studierenden der evangelischen Theologie es ausreiche, für sie an den (zunächst allein offengehaltenen) Universitäten Berlin, J e n a und Wien Möglichkeiten zur Weiterführung ihres Studiums zu schaffen: „In Bestätigung des Ferngesprächs meines Sachbearbeiters, Ministerialrats Frey, in dieser Angelegenheit ordne ich deshalb hiermit an, daß die EvangelischTheologische Fakultät der Universität Leipzig ihren Lehrbetrieb a m 1 1 . September d . J s . nicht

fortsetzt."37

Durch den Widerspruch

des Auswärtigen Amtes, des

Reichskir-

chenministers Kerrl wie auch des preußischen Finanzministers J o h a n nes Popitz, zu denen der D e k a n der Leipziger Theologischen Fakultät, 35.

Cornelius H . Meisiek, Theologiestudium, S. 3 4 1 : Listen der im Herbst 1 9 3 9 geöffneten Theologischen Fakultäten mit Frequenzvergleich der Studierenden im Sommer- und Herbstsemester 1 9 3 9 und der geschlossenen Theologischen Fakultäten mit Frequenzangabe v o m Sommersemester 1 9 3 9 . Die durch Erlaß v o m 5. September 1 9 3 9 als studienbeschleunigendes Experiment eingeführte Trimestereinteilung (drei Studieneinheiten pro J a h r mit jeweils zwei Wochen vorlesungsfreier Zeit dazwischen) wurde (nach dem 1. Trimester 1 9 4 1 ) zugunsten der Semestereinteilung wieder aufgegeben.

36.

Näheres bei Cornelius H . Meisiek, Theologiestudium, S. 3 3 8 f.

37.

U A Halle, Rep. 2 7 , Nr. 2 9 (Der Erlaß wurde in Abschrift a m 1 4 . September 1 9 3 9 auch den Rektoren der übrigen Universitäten zur Kenntnis gegeben).

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1938

Prof. Hermann Wolfgang Beyer, und Prodekan Prof. Heinrich Bornkamm, Kontakt hielten, gelang es jedoch Ende des Jahres, die Schließung rückgängig zu machen. Ausschlaggebend war wohl, daß auch der Reichsverteidigungsrat diesen aufsehenerregenden Alleingang für außen- und kriegspolitisch schädlich hielt. 38 Für Theologiestudierende, die in der Hoffnung, daß die Fakultät doch noch während des Trimesters ihren Lehrbetrieb beginnen dürfe, in Leipzig verblieben waren, wurden zur Uberbrückung inoffiziell private Ersatzvorlesungen in Seminarform in den Wohnungen der Professoren angeboten. Der offizielle Lehrbetrieb in Leipzig wurde indes erst nach erfolgreichen Verhandlungen um Wiedereröffnung der Theologischen Fakultät am 8. Januar 1 9 4 0 wieder aufgenommen (1. Kriegstrimester 1940). 1 9 Reichsstatthalter Mutschmann hat die Theologische Fakultät Leipzig nochmals 1 9 4 2 zu liquidieren versucht. Kontakte der Fakultätsleitung zu verschiedenen Berliner Zentralstellen und zum preußischen Finanzminister Johannes Popitz, die wiederum eine Rolle spielten, trugen dazu bei, daß die bereits von Dresden verfügte Auflösung der Fakultät rückgängig gemacht wurde. 40 Interessant ist, daß in SD-Berichten auch weiterhin - so im ersten Trimester 1 9 4 0 - das Konzept, die Zahl der theologischen Fakultäten zu reduzieren, durchaus noch favorisiert wurde. Man wies auf das Mißverhältnis zwischen Studierenden und Lehrenden hin. Vielerorts werde in NS-Hochschulkreisen kein Verständnis mehr für die Aufrechterhaltung theologischer Fakultäten aufgebracht, deren Hörerzahl 38.

Ebd. S. 71. Vgl. auch Denkschrift der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig über ihren Kampf gegen die nationalsozialistische Regierung in Sachsen; Schreibmasch.-MS; Verfasser: Heinrich Bornkamm; o. D. (1946); 10 Seiten und 5 S. Anlagen ( = Denkschrift Bornkamm), S. 6. Vgl. Kurt Meier, Resistenzbedeutung, S. 2 0 5 - 2 2 2 , hier: S. 2 1 6 .

39.

Schnellbrief des Reichswissenschaftsministeriums vom 8. Dezember 1 9 3 9 (UA Münster, Kurator, Fach 1, Nr. 2, Generalia Bd. 2): Danach nahmen „zu Beginn des kommenden Trimesters (8. Januar 1 9 4 0 ) außer den bereits jetzt schon offenen Universitäten und Hochschulen ihren Lehrbetrieb wieder auf: Die Universitäten: Bonn, Frankfurt a. M., Freiburg/Br., Gießen, Graz, Greifswald, Hamburg, Heidelberg, Innsbruck, Kiel, Köln, Münster i. W., Rostock, Tübingen, Würzburg, ferner die Theologische Fakultät der Universität Leipzig und die zur Zeit noch geschlossenen Fakultäten der Universität Marburg". Außerdem noch eine Reihe namentlich genannter technischer und anderer Hochschulen, so auch die Bergakademien Clausthal und Freiberg/Sa. u.a.

40.

Vgl. Kurt Meier, Resistenzbedeutung, S. 2 1 6 f.

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Überlebenskampf

seit

1938

451

kriegsbedingt - nicht selten von der Zahl der Lehrenden übertroffen würde. Hier wurde der durch Kriegsdienstleistung der Studierenden bedingte Mangel an Hörern argumentativ gegen die Existenz der theologischen Fakultäten ausgespielt. 4 1 Doch hat das Reichswissenschaftsministerium Anfang M ä r z 1 9 4 0 auch von seinem schon reduzierten Plan einer Zusammenlegung theologischer Fakultäten Abstand genommen, wenigstens Rostock nach Kiel und Bonn nach Münster zu verlegen. 4 2 Der neue Amtschef Rudolf Mentzel im Reichswissenschaftsministerium hat sich mit dem zuständigen Referenten des Stellvertreters des Führers schon am 2 3 . April 1 9 4 0 darauf geeinigt, den 1 9 3 9 beschlossenen Abbau der theologischen Fakultäten mit Rücksicht auf die Kriegsverhältnisse bis Kriegsende zurückzustellen, das - nach dem Wiedervorlagevermerk des Aktenstückes zu schließen in absehbarer Zeit erwartet zu werden schien. 4 3 Auch die vom Chef des Sicherheitshauptamtes der SS Reinhard Heydrich Anfang 1 9 3 9 denkschriftlich angeregten weiteren Schließungspläne im Blick auf Katholisch-Theologische Fakultäten und Philosophisch-Theologische Hochschulen (außer den bereits 1 9 3 8 / 3 9 geschlossenen katholischen theologischen Fakultäten Innsbruck, Salzburg und München) kamen nicht zum Zuge. Am 1 9 . Juli 1 9 4 3 vertagte ein Wiedervorlagevermerk im Reichswissenschaftsministerium die Angelegenheit um zwei Jahre auf Anfang August 1 9 4 5 ( ! ) . 4 4 Der Zweite Weltkrieg hat die Zusammenlegungs- und Schließungspläne erst einmal zu den Akten legen lassen. Von der Reichskanzlei verlautete, was der Reichsinnenminister in einem vertraulichen Rundschreiben am 2 4 . Juli 1 9 4 0 Reichsstatthaltern und Oberpräsidenten zur Kenntnis gab: „daß der Führer alle nicht unbedingt notwendigen M a ß n a h m e n zu vermeiden wünscht, die das Verhältnis des Staates und der Partei zur Kirche verschlechtern k ö n n t e n " . 4 5 Doch blieben kriegspolitisch kaschierte Einschränkungen wie der Kirchen so auch der theologischen Fakultäten auch während des Zweiten Weltkrieges nicht aus. NS-Reichsleiter Martin Bormann verfolgte insbe41.

Heinz Boberach, Meldungen, Bd. 3, S. 8 3 5 f.; vgl. auch für 1 9 4 1 Bd. 6, S. 2 1 6 7 ff.; für 1 9 4 2 Bd. 10, S. 3 8 2 5 ff.

42.

Martin Bormann am 1. M ä r z 1 9 4 0 übermittelt. Vgl. Wolgast, Hochschul-

43.

N a c h Bestätigung Bormanns an das Reichswissenschaftsministerium,

politik, S. 7 2 , Anm. 131 (Akten der Parteikanzlei, Regest N r . 2 3 7 8 3 ) . April 1 9 4 0 . Vgl. Eike Wolgast, Hochschulpolitik, S. 7 2 , Anm. 1 3 2 . 44.

Friedrich Zipfel, Kirchenkampf, S. 4 9 1 .

45.

Abdruck bei John S. Conway, Kirchenpolitik, S. 3 7 5 .

27.

452

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1938

sondere in den Annexionsgebieten den Kurs einer restriktiven Religionspolitik. In den nach Polenkrieg und Frankreichfeldzug neugegründeten Reichsuniversitäten Posen und Straßburg wurden keine theologischen Fakultäten errichtet, obwohl die deutsche (seit 1919 französische) Universität in Straßburg über theologische Fakultäten verfügt hatte und andererseits Posen die Tradition von Riga übernehmen sollte. 46 Für den Warthegau Posen blieben die Zuständigkeit der Reichsressorts, so auch des Reichskirchenministers, parteiamtlicherseits bestritten. Auch in Straßburg sind die vom Reichskirchenminister Kerrl nachhaltig unterstützten Bemühungen gescheitert, eine protestantische wie auch eine katholische theologische Fakultät zu errichten. Die Chefs der Zivilverwaltung im Annexionsgebiet Elsaß-Lothringen erhielten ihre Weisungen ausschließlich von Hitler, dessen Vorstellungen der Verzicht auf Restituierung der theologischen Fakultäten in Straßburg entsprach. NSReichsstatthalter Robert Wagner verwies darauf, daß eine Rückführung nur die Fakultäten betreffe, für die ein allgemeines politisches Interesse bestehe: „Für eine evangelische und katholische Fakultät an der neuen nationalsozialistischen Universität Straßburg liegt ( . . . ) kein Bedürfnis vor. Allen Bestrebungen, sie wieder zu errichten, werde ich entgegentreten.« 4 7 Auch für das Reichsgebiet wurden restriktive Planungen für die Nachkriegszeit fortgesetzt. In einer Zusammenstellung über Entwicklung, Stand und Aussichten des Studiums der evangelischen Theologie an den wissenschaftlichen Hochschulen in Deutschland vom 18. Juni 1942 hieß es: 4 8 „Die Entwicklung während des Krieges bedeutet das 46. 47. 48.

Vgl. Kurt Meier, Kirchenkampf, Band 3, S. 5 6 0 - 5 6 3 . Ebd. S. 5 6 2 . Vgl. Eike Wolgast, Hochschulpolitik, S. 6 4 f., Anm. 101; S. 76 u. Anm. 149. (Mikrofilm, Institut für Zeitgeschichte München, MA 127/4). Im Sommersemester 1941 waren insgesamt 178 Studenten an den (mit Einschluß Wiens) 18 evangelisch-theologischen Fakultäten eingeschrieben, davon 10 Studienanfänger. Es studierten im Sommersemester 1 9 4 2 insgesamt 1 7 5 Studenten (bei 2 2 2 Lehrkräften). Frequenz der einzelnen Fakultäten: Berlin 2 0 Studierende, Wien 7, Gießen 0, Jena 3, Bonn 3, Breslau 3, Königsberg 5, Kiel 1, Tübingen 4 8 , Erlangen 2 3 , Leipzig 19, Halle 17, Marburg 14, Heidelberg 5, Göttingen 6, Greifswald 12, Rostock 0, Münster 2. Vgl. auch die Statistik zum Theologiestudium zwischen 1 9 1 4 und 1 9 4 4 bzw. die Theologenfrequenz der Ev.-theol. Fakultäten bei Cornelius H. Meisiek, Theologiestudium, S. 4 1 7 - 4 2 1 . Zusammengestellt u. a. nach Angaben von Charlotte Lorenz, Zehnjahresstatistik, Bd. 1. S. 1 5 0 f.

Institutioneller Überlebenskampf seit 1938

453

praktische Verschwinden des Theologiestudiums von den H o c h s c h u l e n . " Der Nachkriegsbedarf wurde für die Theologie als minimal beurteilt. M a n lieferte den N a c h w e i s einer zwischen 1 9 3 2 / 3 3 und 1 9 3 9 besonders an den theologischen Fakultäten abfallenden Tendenz der Studentenzahlen. Seit dem Wintersemester 1 9 3 2 / 3 3 , w o etwa 6 . 8 0 0 Studenten an deutschen Universitäten Theologie studierten, war die Z a h l 1 9 3 5 / 3 6 auf etwa 4 . 1 0 0 und im Sommersemester 1 9 3 9 auf lediglich 1 . 3 0 0 zurückgegangen, davon nur 3 9 Erstsemester. 4 9 Diese sehr niedrige Z a h l der Studienanfänger - an acht Fakultäten hatten sich überhaupt keine Erstsemester eingeschrieben - hing natürlich mit dem nach Schulabschluß abzuleistenden Arbeits- und Wehrdienst zusammen. N a c h diesem offenbar im Reichswissenschaftsministerium erstellten Bericht vom 1 8 . J u n i 1 9 4 2 würde sich zwischen 1 9 3 9 und 1 9 4 3 die Z a h l der „berufsfertigen evangelischen T h e o l o g e n " auf ein Zehntel verringern. Im Wintersemester 1 9 4 2 / 4 3 waren an sämtlichen evangelisch-theologischen Fakultäten 2 3 4 Studierende eingeschrieben, davon 3 1 Frauen, im Wintersemester 1 9 4 3 / 4 4 nur 1 7 7 , davon 5 5 Frauen. Ein SD-Bericht führte 1 9 4 2 den R ü c k g a n g der Studentenzahl neben dem D u r c h b r u c h der nationalsozialistische Weltanschauung a u f den Verlust der Attraktivität des Theologiestudiums durch mangelnde Berufsaussichten zurück. 5 0 Der Gedanke, d a ß ungenügende Hörerzahlen den Bestand einzelner Fakultäten gefährden k ö n n e , w a r deshalb nicht von der H a n d zu weisen. Was die institutionelle Existenz betraf, so haben die theologischen Fakultäten allerdings auch davon profitiert, d a ß der Lehrbetrieb an den Universitäten während des Krieges aufrecht erhalten blieb. Eine Schließung bestimmter Universitäten hätte auch das Verschwinden der betreffenden theologischen Fakultät bedeutet. N a c h einem Erlaß des Reichswissenschaftsministeriums vom 2 6 . Februar 1 9 4 2 sollten grundsätzlich „alle deutschen Universitäten" während des Krieges geöffnet bleiben. 5 1 M i t ihnen blieben auch ihre theologischen 49.

50.

51.

Vgl. Hartmut Titze, Datenhandbuch, Bd. 1/1, S. 105, Tab. 2 7 ; ferner Übersicht in: Junge Kirche 5 (1937), S. 3 1 5 . Frequenzzahlen einzelner Fakultäten in den SD-Berichten bei Heinz Boberach, Meldungen, Bd. 3, S. 8 3 5 ( 1 9 3 9 / 4 0 ) ; ebd. Bd. 6, S. 2 1 6 8 (Trimester 1941), ebd. Bd. 10, S. 3 8 2 5 f. (1934/35-1941/42). Heinz Boberach, Meldungen aus dem Reich 1 9 3 8 - 1 9 4 5 . Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS. 17 Bde. Herrsching 1 9 8 4 , Bd. 10, S. 3 8 2 7 . Erlaß des Reichswissenschaftsministeriums vom 26. Februar 1 9 4 2 ; vgl Cornelius H. Meisiek, Theologiestudium, S. 3 7 8 f.

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Institutioneller Überlebenskampf seit 1938

Fakultäten geöffnet. T r o t z drastischer Einschränkungen, die während des Krieges hingenommen werden m u ß t e n , war so ihre institutionelle Existenz gesichert. Im J a h r e 1 9 4 3 drohte allerdings den kriegsbedingt ebenfalls nur noch ganz schwach besuchten theologischen Fakultäten zweimal die Schließung. Infolge des Führererlasses vom 1 3 . J a n u a r 1 9 4 3 über die totale Mobilisierung aller M ä n n e r und Frauen für den Kriegseinsatz plante das Reichswissenschaftsministerium, Fakultäten mit geringer Hörerzahl stillzulegen, so daß nur noch an zehn Universitäten der Vorlesungsbetrieb aufrechterhalten bleiben sollte. Im Einverständnis mit der Parteikanzlei unter B o r m a n n wurde aber auf „die vielfach beabsichtigte Schließung von theologischen F a k u l t ä t e n " verzichtet. N a c h M e i n u n g B o r m a n n s war derzeit eine Stillegung „aus politischen Gründen nicht m ö g l i c h " . Selbst wenn andere Fakultäten stillgelegt würden, sollten die theologischen Fakultäten verschont bleiben. 5 2 Auch der als Führerwunsch Herbst 1 9 4 3 übermittelte Plan, grundsätzlich Fakultäten mit weniger als sechs Studierenden zu schließen, hätte selbst mehrere evangelisch-theologische Fakultäten treffen können, deren Hörerzahl unter dieser Q u o t e lag oder sinken k o n n t e . 5 3 D o c h hat das Reichswissenschaftsministerium von einer solchen Lösung Abstand genommen. Der Chef der Reichskanzlei L a m m e r s wie auch die Parteikanzlei unter B o r m a n n waren schließlich damit einverstanden, d a ß durch die bisherige Personalpolitik des Reichswissenschaftsministeriums der A b b a u der Fakultäten „bereits erheblich fortgeschritten" sei. 5 4 Kiel, Gießen, J e n a und R o s t o c k galten als bereits weitgehend lahmgelegt. Eine förmliche Stillegung oder Schließung würde den Zustand faktisch nicht mehr wesentlich verändern, böte vielmehr nur der gegnerischen Propaganda A n l a ß für eine angebliche Kirchenfeindschaft des Nationalsozia52.

Eike Wolgast, Hochschulpolitik, S. 7 6 , A n m . 1 5 1 f. (Akten der Parteikanzlei, Regest N r . 1 6 6 6 5 ) .

53.

Im Wintersemester

1 9 4 2 / 4 3 lag die Z a h l der Studierenden an den theo-

logischen Fakultäten Bonn, Gießen, Greifswald, Jena, Kiel,

Königsberg,

Münster, R o s t o c k und Wien unter dieser Richtzahl von sechs Studierenden, die anderen lagen etwas darüber; die günstigsten Zahlen wiesen Berlin mit 2 2 , Erlangen mit 3 1 , Halle mit 2 4 , Leipzig mit 2 6 und besonders Tübingen mit 5 2 Studierenden auf, darunter immer auch einige Studentinnen (Meisiek, Theologiestudium, S. 4 1 9 - 4 2 1 ) . Z u m Problem des Theologinnenstudiums vgl. Hannelore Erhart, Die Theologin im K o n t e x t von Universität und Kirche. 54.

Eike Wolgast, Hochschulpolitik, S . 7 7 , Anm. 1 5 3 ; 1 5 5 (Akten der Parteikanzlei, Regest N r . 1 3 1 9 5 ) : Rust an L a m m e r s , 3 0 . September 1 9 3 9 .

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lismus. Als Argument gegen eine Schließung evangelisch-theologischer Fakultäten mit minimaler oder faktisch fehlender Hörerzahl wurde geltend gemacht: da die katholischen Fakultäten über eine höhere Zahl als jeweils zehn Studierende verfügten, also nicht betroffen seien, würde die Schließung evangelischer Fakultäten zu falschen Rückschlüssen auf die Kirchenpolitik des Staates führen und so die katholischen Fakultäten begünstigen. Der Schnellbrief des Reichswissenschaftsministeriums vom 1. September 1 9 4 4 über die Bereitsstellung für den totalen Kriegseinsatz betraf allerdings die Theologen genauso wie alle Nicht-Naturwissenschaftler, auch Studentinnen der Theologie waren davon betroffen. 5 5 Eine Anordnung des Reichswissenschaftsministeriums vom 12. O k tober 1 9 4 4 , die zunächst eine kriegsbedingte Zusammenlegung von Universitäten anordnete, hätte auch die entsprechenden theologischen Fakultäten betroffen, wäre sie nicht kurz darauf aufgehoben worden. Danach sollten die Universitäten Gießen, Göttingen, Marburg und Münster in Berlin zusammengezogen, Kiel und Königsberg nach Greifswald verlegt, Breslau, Halle, Jena und Wien in Leipzig, Heidelberg und Erlangen in Tübingen zusammengefaßt werden.'' 6 Einsprüche gegen diesen Erlaß, so aus Erlangen und Marburg, zeigen die Bemühungen theologischer Fakultäten, einer auf diese Weise bewirkten Schließung zu entgehen. So hat Dekan Paul Althaus in einer Denkschrift an das Reichswissenschaftsministerium und den Reichsstudentenführer Scheel vom 2 3 . Oktober 1 9 4 4 auf die ausnehmend günstigen Studienbedingungen in Erlangen hingewiesen. In Marburg setzte sich Dekan Heinrich Frick für die Aufhebung der Immatrikulationsbeschränkungen für vier kriegsblinde Studierende ein, die auf die Marburger Blindenbibliothek angewiesen waren, auch für Lehramtsstudenten mit Religionsfakultas, Promovenden und Examenskandidaten. M i t Ausländern aus Dänemark, Serbien und Griechenland komme man so auf eine Studentenzahl von 2 0 Studierenden in Marburg. Rust gegenüber machte er am 2 4 . Oktober 1 9 4 4 geltend, daß eine Stillegung der Ev.-theol. Fakultät Marburg keine Ersparnis an Räumen oder Arbeitskräften bringe, da je-

55.

N a c h Eike Wolgast, Hochschulpolitik, S. 7 7 , Anm 1 5 6 : Akten der Parteikanzlei, Regest Nr. 1 7 9 6 0 (BA Koblenz, R 4 3 II 9 4 2 c, B1.46).

56.

Erlaß des Reichswissenschaftsministeriums vom 1 2 . Oktober 1 9 4 4 , A E F Erlangen F 1 / 2 6 5 .

456

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seit

1938

der Einsatzfähige für die Kriegswirtschaft erfaßt sei. Auch der Rektor unterstützte das Anliegen. 57 Indes setzte das Reichswissenschaftsministerium am 1. November 1944 telegraphisch die im Erlaß vom 12. Oktober 1944 angeordneten Einschränkungen für das Wintersemester 1944/45 für die meisten Universitäten außer Kraft. Nur für fünf Fakultäten, darunter Bonn, Münster und Kiel, blieben Einschränkungen bestehen, ohne daß dies grundsätzlich die institutionelle Existenz dieser Fakultäten berührte. 58 Nach einer vom Reichswissenschaftsministerium erstellten Übersicht über den Lehrbetrieb an den wissenschaftlichen Hochschulen fand im Wintersemester 1944/45 uneingeschränkter Lehrbetrieb nur noch in Berlin, Greifswald, Leipzig und Tübingen statt. 59 Doch blieben die evangelisch-theologischen Fakultäten bis ins letzte Kriegssemester des Dritten Reiches geöffnet, solange es zunehmende Bombenangriffe und das Heranrücken der Front zuließen. Was den Kontakt der theologischen Fakultäten zu ihren Studenten bei der Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges betraf, so konnten wie alle übrigen Studenten - anfangs auch zum Kriegsdienst eingezogene Theologiestudenten, denen noch ein oder zwei Semester zum Studienabschluß fehlte, an Kriegsnotprüfungen teilnehmen; die Prüfungstermine sollten die Rückkehr zur Truppe bis zum 15. April 1941 gewährleisten. 60 Dadurch sollte höheren Studiensemestern generell ein Studienabschluß ermöglicht werden. Ab Wintersemester 1941/42 gab es noch zeitlich begrenzte Möglichkeiten des Studiums von Wehrmachtsurlaubern. Einem Vorschlag der Universität Berlin entsprechend empfahl das Reichswissenschaftsministerium die Abhaltung von gebührenfreien „Kursen für Kriegsteilnehmer", die für die vorlesungsfreie Zeit zwischen Sommersemester 1943 und Wintersemester 1943/44 vorgesehen waren. Die Kurse, die der 57. 58. 59.

60.

Cornelius H. Meisiek, Theologiestudium, S. 3 7 9 f. Ebd. S. 378-381: Kap. 4. 3. 6: Die erneute Gefährdung des Theologiestudiums durch die beabsichtigte Schließung von Hochschulen 1944. Bei den katholisch-theologischen Fakultäten fand im Wintersemester 1944/ 45 Lehrbetrieb statt in Breslau, Freiburg, Prag und Wien, kein Lehrbetrieb in Bonn, Münster, Tübingen und Würzburg. Vgl. Eike Wolgast, Hochschulpolitik, S. 77, Anm 157. Verfügung des Oberkommando des Heeres über Prüfungsurlaub (Arbeitsurlaub) für Studenten des Feld- und Ersatzheeres vom 18. September 1940, mitgeteilt in Schreiben des Reichswissenschaftsministeriums vom 21. September 1940: Betr. Beurlaubung von Studenten zur Beendigung ihres Studiums und zur Ablegung von Prüfungen (LKA Hannover S 1 Η II 131).

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Wiederholung und Vertiefung des Wissens in der Semesterpause dienen sollten, wurden als eine Art Beitrag der Universität zum „totalen Krieg" verstanden. Zugelassen waren zum Studium beurlaubte Wehrmachtsangehörige und Kriegsversehrte, die aus dem Wehrdienst entlassen waren. 6 1 Doch war seit der Schlacht von Stalingrad 1942/43 Fronturlaub weitgehend gesperrt. Lediglich das als kriegswichtig geltende Medizinstudium machte hierbei eine Ausnahme. 6 2 Seit 1943 blieben kriegsdiensttaugliche Theologiestudenten auf die sogenannte Fernbetreuung angewiesen. Es handelt sich um eine Art sporadisches „Fernstudium" durch Feldunterrichts- und Lehrbriefe. 6 3 Diese fachliche Betreuung, seit Herbst 1941 geplant, um eine gewisse berufliche Weiterbildung vor allem der seit 1937 zum Arbeits-, Wehr- und Kriegsdienst eingezogenen Abiturienten zu ermöglichen, war 1942 zunächst auf Angehörige der Luftwaffe beschränkt. 1943 wurden auch die übrigen Wehrmachtsteile in diese Fernbetreuung einbezogen. Neben anderen Fakultäten konnten auch zum Kriegsdienst einberufene Theologiestudenten beider Konfessionen daran partizipieren. Auf Grund ministerieller Weisung waren die Theologen zwar von den für Frühjahr 1943 geplanten Vorträgen zur „Weiterbildung der Jungakademiker" bei der Wehrmacht ausgeschlossen. Demgegenüber gewannen die Feldunterrichtsbriefe und anderes von den Fakultäten versandtes Studienmaterial für sie durchaus Bedeutung. An der Universität Bonn waren Prof. Walter Ruttenbeck (Evangelisch-Theologische Fakultät) und Prof. Hans Barion (Katholisch-Theologische Fakultät) vom Reichswissenschaftsministerium im Kontakt mit anderen theologischen Fakultäten reichsweit beauftragt, die Fernbetreuung von Theologiestudenten bei der Wehrmacht zu organisieren. Seit 1944 wurden monatliche Lehrbriefe (Neue Folge) zusammen mit der Theologischen Fakultät Leipzig unter ihrem Dekan Heinrich Bornkamm herausgegeben. Briefkontakte mit eingezogenen Studenten hatte es ebenso wie an anderen Universitäten auch in Leipzig schon in den voraufgehenden Jahren gegeben. Aktivitäten zur Fernbetreuung sind seit 1943 an der Theologischen Fakultät Halle zusammen mit Marburg und Tübingen nachgewiesen. In Halle wurden für den ersten gedruckten Lehrbrief, der Mitte Juli 1944 von der Fakultät versandt wurde, ein Betrag von 4520 R M aufgewendet. In Erlangen, w o 61. 62. 63.

Schnellbrief des Reichswissenschaftsministeriums vom 17. Juli 1943 (UA Halle, Rep. 27, Nr. 43). Vgl. Cornelius H. Meisiek, Theologiestudium, S. 355-361. Ebd. S. 361-365.

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Prof. Paul Althaus einen Lehrbrief verfaßte, der auch Studenten anderer Universitäten zuging, wurden von der Theologische Fakultät Herbst 1944 ca. 150 fernbetreute Studenten mit Studienmaterial versorgt. Versendung von einzelnen Lehrbriefen ist auch für Heidelberg und anderswo bezeugt. Hochschullehrer der einzelnen Fakultäten waren mit der Fernbetreuung der theologischen Jungakademiker beauftragt. Ruttenbecks weitergreifendes Projekt von 1944, „Theologische Studienblätter aller Evangelisch-Theologischen Fakultäten" herauszubringen, für die schon eine Reihe von Autoren gewonnen waren, konnte im Blick auf den Kriegsverlauf nicht mehr wirksam werden. Hier waren koordinierte Forschungsberichte verschiedener theologischer Fakultäten vorgesehen. Die Katholisch-Theologische Fakultät in Bonn hat indes neben Büchersendungen noch ein entsprechendes Studienheft herausbringen und versenden können. Diese Aktivitäten endeten allmählich, da die Universität Bonn schon seit Herbst 1944 weitmöglichst nach Göttingen verlegt werden sollte und Bonn am 9. März 1945 von den Amerikanern eingenommen wurde. Doch war für die Evangelisch-Theologische Fakultät Bonn die Bereitstellung und Versendung von theologischer Literatur an kriegsgefangene evangelische Theologen in Großbritannien und den USA bereits im Mai 1944 als ministeriell bestätigte Aufgabe hinzugekommen, mit der Ruttenbeck als Leiter der Aktion betraut worden war. Die Versendung von Studienmaterial an kriegsgefangene Theologen blieb auch in der unmittelbaren Nachkriegszeit aktuell. 64 Angesichts des ideologischen Distanzierungs- und Abgrenzungstrends des NS-Systems von Christentum und Kirche stellte die Tatsache, daß auch die theologischen Fakultäten in die kriegsbedingte Fernbetreuung ihrer Studenten einbezogen wurden, eine gewisse Chance dar, die sich aus den vom Reichswissenschaftsministerium im Rahmen der allgemeinen Wehrbetreuung erlassenen Fernstudienanordnungen ergab. 65 Da die Wehrmachtsseelsorge Restriktionen ausgesetzt war und seelsorgerliche Kontakte der Kirchen und Kirchgemeinden zu den Wehrmachtsangehörigen stark behindert wurden, waren die Aktivitäten der Fernbetreuung eine wenngleich begrenzte Möglichkeit, „zumindest für Theologen und Theologiestudenten, ein ohne alle Durchhalteparolen verfälschtes, vielseitiges und beachtbares Studienmaterial bereitzustellen". 66

64. 65. 66.

Heiner Faulenbach, Fernstudium im II. Weltkrieg, S. 5 7 - 6 2 . Ebd. S. 7 4 f. Ebd. S. 74.

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Inhaltlich gesehen ist in den auf fachliche Unterrichtung orientierten Feldunterrichtsbriefen auch ein „oft unausgesprochener Bezug auf die nationalsozialistische Moral und deren Kampf gegen die christlichen Kirchen" sichtbar; zeit- und geistesgeschichtliche Aktualisierung biblischer Texte und theologischer Aussagen waren „in den Formen und Möglichkeiten der Zeit als Kritik an der Ideologie des Nationalsozialismus lesbar". 6 7 In Lehrbriefen der Bonner katholischen Theologen zeigen verschiedentlich positive Bezugnahmen auf evangelische Theologen aus Vergangenheit und Gegenwart Tendenzen einer gewissen „ökumenischen Annäherung" angesichts der allgemeinkirchlichen Bedrohungssituation durch das NS-System in der Kriegszeit. Exemplarisch sei abschließend auf zwei von der Leipziger Theologischen Fakultät beigesteuerte Lehrbriefe hingewiesen, in denen deutliche Zeitkritik spürbar wurde. So legte sich bei dem der Bekennenden Kirche zugehörigen Leipziger Neutestamentier Albrecht Oepke, der im Lehrbrief vom Juli 1944 „Das theologische Verständnis der Offenbarung Johannis" behandelte, ein Gegenwartsbezug geradezu nahe: 6 8 als das Hauptanliegen der Johannes-Apokalypse gilt ihm die „Bewährung der Gemeinde in der Auseinandersetzung mit dem religiösen Anspruch des Kaisertums". Hinweise werden gegeben, unter welchen theologischen Gesichtspunkten dieses Buch des Neuen Testaments als „Wort Gottes an uns" heute nützlich sei: es helfe zur „Nüchternheit gegenüber der Dämonie des Immanenten", bewahre vor „aller religiösen Schwärmerei", stärke „die Haltung der Kerngemeinde", in kompromißloser Furcht Gottes ihren Weg zu gehen. Anspielungen auf das apokalyptische Grauen der Gegenwart, auf Krieg und Massenmord sind zwischen den Zeilen erkennbar: Das Wort Gottes in der Apokalypse verkündet darüber das Gericht. Auch in Martin Doernes Beitrag „Anthropologie und Verkündigung" im August 1944 findet sich kritischer Zeitbezug. Seine Erörterung der zeitgenössischen anthropologisch-theologischen Diskussion im Blick auf die homiletische Praxis zeigt, warum die Offenbarung Gottes in Christus in „Zeiten äußerer Beengung" und der „Zuspitzung der Fremdheit zwischen Kirche und Volk" zu einer die brennenden Gegenwartsfragen betreffenden Verkündigung nötigt: 69 67.

Ebd. S. 4 2 ; 4 9 .

68. 69.

Ebd. S. 35. Zit. nach Heiner Faulenbach, Fernstudium, S. 36; vgl. S. 2 9 - 3 8 ; 3 8 - 5 6 (Analyse der weiteren evangelischen Lehrbriefe und Feldunterrichtsbriefe der Katholisch-Theologischen Fakultät seit 1 9 4 2 ) .

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„Womit wir heute zu tun haben, daß sind nicht nur naturalistische Theorien und Stimmungen, sondern höchst reale Mächte, die unser Menschsein gleichsam wieder hineinsaugen wollen in das dumpfe Meer von unpersönlichen vitalen und tellurischen Gewalten. Es geht nicht nur um das ,Christentum', sondern um den Menschen schlechthin. Der Krieg, den wir erleben, ist nur ein besonders grelles Signal dieser Radikalkrisis des Menschseins. Im Vergleich zu den untermenschlichen Mächten, mit denen heute unser Christenglauben - stellvertretend für Völker und Menschheit - zu ringen hat, ist die idealistische Umbiegung des christlichen Glaubens, die seit einem Menschenalter die Theologie so angelegentlich beschäftigt, eine fast idyllische Harmlosigkeit. Wer heute noch nichts Wichtigeres zu tun hat, als auf den vermeintlichen Urfeind des Evangeliums einzuschlagen, der beweist nur, daß er die Zeichen der Zeit nicht verstanden hat. Wir haben heute im Gegenteil mit dem Grundsatz des Idealismus ein gemeinsames Anliegen: Der Mensch ist von Gott als Person geschaffen, Menschsein heißt Personsein. ( . . . ) Ohne die Gebundenheit an den lebendigen Gott gibt es auf die Dauer kein wahrhaft persönliches Sein und Selbstverständnis; da zerfällt der Person-Gedanke, dieses Urfundament unserer europäischen Welt, zunächst in einen bindungslosen Individualismus und dann, wenn dieser Individualismus seine Möglichkeiten erschöpft hat, in einen radikalen Kollektivismus. Unsere Verkündigung muß sich heute unermüdlich bemühen um die Bezeugung der Personhaftigkeit unseres gottgeordneten Daseins." Abschließend läßt sich sagen: Im Zusammenhang mit den immer stärker hervortretenden kirchen- und christentumsfeindlichen Tendenzen im NS-System, dessen Religionspolitik auf Ausschaltung des öffentlichen Einflusses von Christentum und Kirche zielte, hat die institutionelle Gefährdung der theologischen Fakultäten schon in den letzten Vorkriegsjahren Besorgnisse unter Universitätstheologen ausgelöst. Parteiamtliche Ausgrenzungstendenzen gegenüber den Theologiestudierenden und dem wissenschaftlichen Nachwuchs machten die Aversionen des NS-Systems deutlich. Mit einer Wiederbesetzung vakanter Lehrstühle während des Krieges war nicht mehr zu rechnen; „und weiter hängt über der ganzen Frage die schwere Unsicherheit der Z u k u n f t theologischer Fakultäten überhaupt", hatte sich Prof. Hans von Soden, der Vertrauensmann der bekenntniskirchlichen Hochschullehrer, einem Kollegen gegenüber im Mai 1941 geäußert und damit die bedrückend-ungewissen Zukunftsaussichten der Fakultäten angedeutet. 7 0 Schon das Bekanntwerden von Planungen der NS-Partei im Jahre 1938/39, die Zahl der Fakultäten zu reduzieren oder sie auch ganz zu liquidieren, löste Gegenreaktionen im

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Bereich der theologischen Fakultäten aus, wie Eingaben und Vorsprachen bei Staats- und Parteistellen zeigen. Argumentativ zeittypisch ausgeprägte Resistenzformen zielten auf mögliche Abwehr funktions- und bestandsgefährdender Eingriffe des NS-Systems in das Potential der theologischen Fakultäten. Bemerkenswert ist auch, daß sich die evangelische Universitätstheologie trotz unterschiedlich ausgeprägter Akkommodationstendenzen konzeptionell und methodisch keineswegs in ein nationalsozialistisch-völkisches Wissenschaftsverständnis umformen ließ. Selbst die auf dem Fakultätentag in den Jahren 1935 bis 1938 geführte Diskussion um die Reform des Theologiestudiums zeigt sehr nachdrücklich, daß neben der Forschung auch die Lehre nach traditionellen Leitbildern und Methodenstandards geformt blieb. Selbst dort, w o die Studienreformvorschläge „Grundeinsichten des nationalsozialistischen Wissenschaftsverständnisses" berücksichtigen wollten, blieb es lediglich bei Vorschlägen zu neuer Akzentsetzung in der Stoffvermittlung der theologischen Disziplinen. Die historisch-kritische Methode und der - natürlich keineswegs uniforme Reflexionsstandard moderner protestantischer Theologie erwiesen sich in der Regel weitgehend unabhängig von theologischer Zeitdeutung und politischer Sichtweise einzelner Universitätstheologen als objektiv wirksame Resistenzfaktoren gegenüber einem vom nationalsozialistischen Ideologiekonglomerat geprägten neuen Wissenschaftsverständnis. 71 Z w a r hat eine zentral gesteuerte Versetzungs- und Vertretungspraxis des Reichswissenschaftsministeriums dazu beigetragen, daß einzelne Fakultäten richtungs- und kirchenpolitisch stark verändert und umgestaltet wurden. Indes haben nationalsozialistische hochschulpolitische Reformziele (neuer Typus von Professoren und Studenten, neuer Typus der Wissenschaft u. a.), die auch sonst an den Universitäten zumeist unrealisierte verbale Programmatik blieben, an den theologischen Fakultäten erst recht keine spürbare Erfolgsbilanz aufgewiesen. Durch zunehmende Abschottung vom Ausland und Verdrängung einzelner führender Theologen (man denke an Barth und Tillich) war der wissenschaftliche Diskurs natürlich eingeschränkt; ebenso war der Wissenschaftler- und Studentenaustausch zunehmend erschwert und im Kriege ganz unterbunden. Akkomodationsversuche an den Zeitgeist schlossen gelegentlich auch 70. 71.

Erich Dinkler/Erika Dinkler-von Schubert, Theologie, Dok. 3 2 c; S. 326328, hier: S. 3 2 7 (Hans von Soden an Ernst Wolf, 15. Mai 1941). Kurt Meier, Anpassung und Resistenz der Universitätstheologie; vgl. Trutz Rendtorff, Das Wissenschaftsverständnis der Theologie im „Dritten Reich".

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theologische Substanzverluste ein. Doch hat ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel in der evangelischen Theologie während des Dritten Reiches weder in der Lehre noch in der Forschung stattgefunden. Konnte doch ernsthafte theologische Arbeit von den Voraussetzungen nicht absehen, die mit dem wissenschaftlich-theologischen Traditionskomplex des deutschen Protestantismus gegeben waren. Analysen von Promotionsschriften zeigen, daß wissenschaftsfremde Gesichtspunkte bei Themen und Ausarbeitung nur vereinzelt eine Rolle spielten. 72 Die erforderliche Aktualisierung in manchen Vorwortpassagen wissenschaftlicher Publikationen, die nur so die Prüfstelle passieren konnten, zeigen gerade, daß die Forschungsergebnisse meist nach herkömmlichen methodischen Standards und Beurteilungskritierien erarbeitet wurden. Im Kontext des Zeitgeistes trug die Themenwahl den Erfordernissen notwendiger Aktualisierung Rechnung vor allem bei der gegenwartsbezogenen Broschüren- und Aufsatzliteratur, die umfangmäßig indes nur einen begrenzten Teil der theologischen Buch- und Zeitschriftenproduktion ausmachte. 73 Auch Vergleiche zwischen protestantischer Theologie und Geschichtswissenschaft zeigen die „Beharrungskraft der historisch-kritischen Methode" im Blick auf protestantische Forschung und Lehre. Gelang es trotz mancher „methodischer und persönlicher Sündenfälle" nicht, „die Geschichtswissenschaft zu einer rassischen bzw. völkischen ,Geschichtsschau'" umzuformen, weil traditionelle Methodenstandards „nicht einfach unter den Anspruch der NS-Herrschaftsideologie zu beugen" waren, so kam bei der protestantischen Theologie „im Vergleich mit der Geschichtswissenschaft noch die permanente Aufforderung zur Kontrolle ihrer Ergebnisse nicht nur an der historisch-kritischen Methode, sondern auch an Bibel, Bekenntnisschriften und evangelischer Lehrentwicklung hinzu". 74 Augenfällig ist dabei der theologiegeschichtlich beobachtbare Doppelaspekt von neuen Impulsen einer intensiven Bekenntnisorientierung und dogmatischen Legitimationstendenz theologischer Arbeit (etwa in der Frage der Bedeutsamkeit des weltanschaulich besonders umstrittenen Alten Testaments, aber auch sonst) und dem unbeirrten Festhalten an historisch-kritischer Methodentreue theologischer Arbeit, beides mögli72. 73. 74.

Inge Mager, Göttinger theologische Promotionen 1933-1945, in: Theologische Fakultäten im Nationalsozialismus, S. 347-359. Vgl. Kurt Meier, Anpassung und Resistenz der Universitätstheologie, S. 85. Kurt N o w a k , Protestantische Universitätstheologie und „nationale Revolution". Ein Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte des „Dritten Reiches", S. 99 f.

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che Faktoren der „Widerständigkeit gegen weltanschauliche Beeinflussung der Theologie" im Dritten Reich. 75 Die im Kirchenkampf zwischen den kirchenpolitischen Richtungen herausgeforderte stärkere Betonung des Konfessorischen und der Gesichtspunkt der Kirchenautonomie, beides besonders intensiv im bekenntniskirchlichen Bereich vertreten, hatten eine unverkennbare Resistenzbedeutung gegen weltanschauliche Uberfremdung des evangelischen Kirchentums. Im Bereich weltanschaulicher Apologetik der Universitätstheologie waren Argumentationsmuster - richtungspolitisch durchaus unterschiedlich - ebenso auf Wahrung von christlicher Tradition und theologischer Substanz wie auf Sicherung der institutionellen Existenz der Universitätstheologie ausgerichtet. „Von Arbeit und Aufgabe theologischer Wissenschaft" (Untertitel) handelte die Schrift „Wozu Theologie?" 7 6 , in der der Heidelberger Neutestamentier Martin Dibelius im Jahre 1941 die Theologie auch in ihrem spannungsreichen Verhältnis zu Kirche, Wissenschaft und Volk beschrieb. Er stellte dabei die „kritische Frage, ob die Theologie als Wissenschaft, die sich die Erforschung und das Verständnis des Christentums - und damit indirekt auch seine Verkündigung - angelegen sein läßt, in dem Wissenschaftsorganismus einer völkischen Universität noch Platz hat". 7 7 Denn Theologie sei nicht ohne weiteres in den „neuen Kosmos der völkischen Bildung" einzugliedern, vertrete sie doch eine Sache, die über die Grenzen des Volkes hinausweist. Die Universitätsausbildung der Pfarrer wird auch von ihrer notwendigen Volksverbundenheit her gesehen: 78 „Ein Staat, der keine volksfremden Theologen haben will, muß dafür sorgen, daß sie nicht in einem stillen Winkel erzogen werden, sondern in der großen Ausbildungsgemeinschaft der akademischen Berufe Deutschlands, d. h. in diesem Fall: in der Universität". Ferner ist die theologische Fakultät innerhalb der Universität die einzige Stätte, an der die Erforschung der Religion pflichtgemäß betrieben wird. Unter der Voraussetzung, daß das an der Botschaft des Neuen Testamentes orientierte Christentum auch weiterhin die Religion des deutschen Volkes bleibt, wird auf die klärende Funktion hingewiesen, die die Theologie bei der Aufarbeitung des Gegenwartskonflikts im

75.

Vgl. Trutz Rendtorff, Das Wissenschaftsverständnis der Theologie im „Dritten Reich", S. 34 f.

76.

Martin Dibelius, Wozu Theologie? Von Arbeit und Aufgabe theologischer Wissenschaft, Leipzig 1 9 4 1 . Ebd. S. 68. Ebd. S. 69.

77. 78.

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protestantischen Kirchentum zu leisten vermag. Eine Winkelexistenz der Theologie führe zur Verkümmerung der Beziehungen zum Leben des Volkes und des Staates: „denn wenn die Theologie nicht mehr als lebendiger Teil des wissenschaftlichen Kosmos funktionieren kann, ist sie auch der Aufgabe nicht mehr voll gewachsen, ihre Schüler durch ihren Unterricht dem Bannkreis des deutschen Denkens und Arbeitens einzugliedern. Die Ausbildungsaufgabe und die Erziehungsaufgabe im Sinn der neuen Hochschule kann der Theologie nur gelingen, wenn sie auch weiterhin eine rechtmäßige Stellung an dieser Hochschule innehat." 79 Dibelius warnt vor einer grundsätzlichen Bekämpfung des Christentums; sie würde das deutsche Volk in einem viel größeren Maße aufspalten, als es die Trennung der Konfessionen vermag, zumal deren Verhältnis heute ein wirklich nachbarliches genannt werden könne. Es sei die Uberzeugung vieler Christen und Deutscher, daß der Streit innerhalb der evangelischen Kirche im Deutschen Reich nicht das letzte Wort sein könne. Der Theologie wird für die Wiederbelebung der Kirche und für die Einigung der evangelischen Christen eine besondere Bedeutung beigemessen. Auch auf die außenpolitische Bedeutung der deutschen Theologie, die in vielen Ländern ein „gültiges Symbol ( . . . ) für die deutsche Wissenschaft überhaupt" geworden sei, wird als auf ein wichtiges Politikum hingewiesen. 80 Die Schrift von Martin Dibelius zeigt exemplarisch das apologetische Anliegen, das Universitätstheologen verschiedener theologischer und kirchenpolitischer Richtung zunehmend in dem Willen verband, der weltanschaulichen Verdrängungstendenz des Nationalsozialismus gegenüber Kirche und Christentum und der zunehmenden Existenzgefährdung, denen sich die theologischen Fakultäten dadurch ausgesetzt sahen, argumentativ entgegenzutreten. Institutionsgeschichtlich gesehen blieben während des Zweiten Weltkrieges die evangelisch-theologischen Fakultäten zwar von der befürchteten Liquidierung verschont, obwohl der Kriegsdienst ihre Studentenschaft auf ein Minimum zusammenschrumpfen ließ und verschiedentlich auch starke Reduktionen ihres Hochschullehrerpotentials mit sich brachte. Die Gefahr war indes nicht gebannt. Planungen, den staatlichen Charakter der theologischen Fakultäten aufzuheben, waren lediglich auf die Zeit nach Kriegsende verschoben, so wie auch die „Endlösung

79. 80.

Ebd. S. 71 f. Zitat: S. 72. Ebd. S. 75.

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der Kirchenfrage" auf die Zeit nach dem „Endsieg" vertagt war. 81 Insofern verdankten die Theologischen Fakultäten ihre Weiterexistenz der militärischen Niederlage Hitlerdeutschlands und dem politischen Zusammenbruch des NS-Systems im Jahre 1945.

81.

Z u r beabsichtigten „Endabrechnung" mit den Kirchen nach dem „Endsieg" vgl. Kurt Meier, Kirchenkampf, Bd. 3, S. 1 3 3 - 1 4 6 : 3. Religionspolitische Restriktionsmaßnahmen und volkskirchliche Stabilisierungstendenz im Altreich.

Quellen und Literatur

Archivalien Berlin, Evangelisches Zentralarchiv (EZA Berlin) Berlin, Universitätsarchiv Humboldt-Universität (UAH Berlin) Bethel, Hauptarchiv der von Bodelschwinghschen Anstalten (HABA) Bonn, Archiv der Ev.-theol. Fakultät (AEF Bonn) Bonn, Universitätsarchiv (UA Bonn) Erlangen, Universitätsarchiv (UA Erlangen) Erlangen, Archiv der Ev.-theol. Fakultät (AEF Erlangen) Göttingen, Universitätsarchiv (UA Göttingen) Halle (Saale), Universitätsarchiv (UA Halle) Hannover, Archiv der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers (ALK Hannover) Heidelberg, Universitätsarchiv (UA Heidelberg) Jena, Universitätsarchiv (UA Jena) Koblenz, Bundesarchiv (BA Koblenz); Nachlaß Erich Seeberg (NL 2 4 8 ) Leipzig, Universitätsarchiv (UA Leipzig) Marburg, Staatsarchiv (StA Marburg) Münster, Universitätsarchiv (UA Münster) Tübingen, Universitätsarchiv (UA Tübingen)

Zitierte Literatur und

Auswahlbibliographie

Abrath, Gottfried: Subjekt und Milieu im NS-Staat. Die Tagebücher des Pfarrers Hermann Klugkist Hesse 1 9 3 6 - 1 9 3 9 . Analyse und Dokumentation (Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte, Reihe B, Bd. 2 1 ) . Göttingen 1 9 9 4 . Adam, Uwe Dietrich: Hochschule und Wissenschaft im Dritten Reich. Die Universität Tübingen im Dritten Reich. Tübingen 1 9 7 7 (Contubernium. Beiträge zur Geschichte der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. 2 3 ) . Aland, Kurt (Hg.): Glanz und Niedergang der deutschen Universität. 5 0 Jahre deutscher Wissenschaftsgeschichte in Briefen an und von Hans Lietzmann ( 1 8 9 2 - 1 9 4 2 ) . Berlin; New York 1 9 7 9 . Albrecht, Renate/Schüßler, Werner: Paul Tillich. Sein Leben. Frankfurt/M. 1 9 9 4 . Althaus, Paul: Kirche und Volkstum. Der völkische Wille im Lichte des Evangeliums. Gütersloh 1 9 2 8 . Althaus, Paul: Die deutsche Stunde der Kirche. Göttingen 1 9 3 3 ; 3. Aufl. 1 9 3 4 (Aufsätze).

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Quellen und

Literatur

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Auswahlbibliographie

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und

Auswahlbibliographie

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Literatur

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Auswahlbibliographie

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Literatur

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Literatur und

Auswahlbibliographie

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Quellen und

Literatur

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Literatur und

Auswahlbibliographie

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Quellen und

Literatur

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Literatur und

Auswahlbibliographie

479

Rhode, Joachim: Emil Fuchs und der „Fall Günther Dehn". In: Ruf und Antwort. Festschrift für Emil Fuchs zum 90. Geburtstag. Leipzig 1964, S. 172-181. Ritter, Adolf Martin: Die Heidelberger Kirchenhistoriker in der Zeit des „Dritten Reiches". In: Theologische Fakultäten im Nationalsozialismus, S. 169-180. Ritter, Adolf Martin: Hans von Campenhausen (16. 12. 1903 - 6. 1. 1989) ein protestantischer Kirchenhistoriker in seinem Jahrhundert. In: Heidelberger Jahrbücher, Bd. 34. Berlin; Heidelberg 1990, S. 157-169. Rückert, Hanns: Der völkische Beruf des Theologen. Ein theologisches Kolleg, gehalten in Tübingen zu Beginn des Sommersemesters, 3. Mai 1933. Tübingen 1933. Rohkrämer, Martin: Fritz Lieb 1933-1939. Entlassung - Emigration - Kirchenkampf - Antifaschismus. In: Theologische Fakultäten im Nationalsozialismus, S. 181-197. Ruhbach, Gerhard (Hg.): Kirchliche Hochschule Bethel. 1905-1980. Bielefeld 1980. Ruhbach, Gerhard: Kirchliche Hochschulen. In: TRE Bd. 15, S. 423-435. Schäfer, Karin: Die Theologie Paul Tillichs unter besonderer Berücksichtigung der Zeit von 1933 bis 1945 (EHS Reihe XXIII. 47). Frankfurt a. M.; New York 1988. Schafft, Hermann: Vom Kampf gegen die Kirche für die Kirche. Schlüchtern 1925; Untertitel der 2. Aufl. Kassel 1929: 5 Vorträge zur Kirchenfrage. Scherffig, Wolfgang: Junge Theologen im Dritten Reich. Dokumente, Briefe, Erfahrungen. Bd. 1: Es begann mit einem „Nein"! (1933-1935); Bd. 2: Im Bannkreis politischer Verführung (1936-1937). Neukirchen-Vluyn 1989 und 1990. Schjorring, Jens Holger: Theologische Gewissensethik und politische Wirklichkeit. Das Beispiel Eduard Geismars und Emanuel Hirschs (Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte. Β 7). Göttingen 1979. Schlier, Heinrich: Die Verantwortung der Kirche für den theologischen Unterricht. Verlag des Rhein.- Westf. Gemeindetages „Unter dem Wort". WuppertalBarmen o.J. (Ende 1935?). Schlier, Heinrich: Die kirchliche Verantwortung des Theologiestudenten (Theologische Existenz heute. 36). München 1936. Schmidt, Karl Ludwig: Evangelisch-Theologische Fakultät und Evangelische Kirche. Zu den Thesen von Martin Rade über die Theologische Fakultät qua Kirche. In: Theologische Blätter 9 (1930), Sp. 235-240. Schmidt, Kurt Dietrich: Bekenntnisse und grundsätzliche Äußerungen zur Kirchenfrage. Bd. 1: Das Jahr 1933; Bd. 2: Das Jahr 1934; Bd. 3: Das Jahr 1935. Göttingen 1934; 1935; 1936. Schmidt, Kurt Dietrich: Die Bekehrung der Germanen zum Christentum. Bd. 1: Die Bekehrung der Ostgermanen zum Christentum, Göttingen 1939; Bd. 2 (nur Lieferung 7 und 8). Göttingen 1941; 1942.

480

Quellen und

Literatur

Schmidt, Kurt Dietrich: Dokumente des Kirchenkampfes. Die Zeit des Reichskirchenausschusses (1935-1937), 2 Teile (Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes, Bd. 13 und 14). Göttingen 1964 und 1965. Schönherr, Albrecht , „ . . . aber die Zeit war nicht verloren." Erinnerungen eines Altbischofs. Berlin 1993. Scholder, Klaus: Baden im Kirchenkampf des Dritten Reiches. Aspekte und Fragen. In: Oberrheinische Studien. 2. Karlsruhe 1973, S. 223-241. Scholder, Klaus: Die Kirchen und das Dritte Reich. Bd. 1: Vorgeschichte und Zeit der Illusionen 1918-1934. Frankfurt a. M. 1977; Bd. 2: Das Jahr der Ernüchterung 1934. Barmen und Rom. Berlin 1985. Schreiner, Helmuth: Das Geheimnis des dunklen Tores. Schwerin 1924. Schreiner, Helmuth: Das Christentum und die völkische Frage. Berlin-Dahlem 1925. Schreiner, Helmuth (Mithg.): Die Nation vor Gott. Zur Botschaft der Kirche im Dritten Reich, s. Künneth, Walter / Schreiner, Helmuth. Schröcker, Sebastian: Die Praxis des Staatskirchenrechts im Dritten Reich. In: Der Staat 20 (1981), S. 423-448. Schwarz, Karl W.: „Grenzburg" und „Bollwerk". Ein Bericht über die Wiener Evangelisch-Theologische Fakultät in den Jahren 1938-1945. In: Theologische Fakultäten im Nationalsozialismus, S. 361-389. Schwöbel, Christoph: Karl Barth; Martin Rade. Ein Briefwechsel. Gütersloh 1984. Schumann, Friedrich Karl: Zur Neugestaltung des theologischen Studiums. In: Deutsche Theologie 1 (1934), S.147-149. Seier, Hellmut: Der Rektor als Führer. Zur Hochschulpolitik des Reichserziehungsministeriums 1934-1945. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 12 (1964), S. 105-146. Seier, Hellmut: Die Hochschullehrerschaft im Dritten Reich. In: Klaus Schwabe (Hg.): Deutsche Hochschullehrer als Elite 1815-1945. Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte. Boppard/Rh. 1988, S. 247-295. Seier, Hellmut: Universitäts- und Hochschulpolitik im nationalsozialistischen Staat. In: Klaus Malettke (Hg.): Der Nationalsozialismus an der Macht, Göttingen 1984, S. 143-165. Semper Apertus. Sechshundert Jahre Ruprecht-Karls-Universität 1386-1986. Bd. 3: Das Zwanzigste Jahrhundert 1918-1985, Berlin; Heidelberg 1985. Siegele-Wenschkewitz, Leonore: Die Theologische Fakultät im Dritten Reich. „Bollwerk gegen Basel". In: Semper Apertus, Bd. 3, S. 504-543. Siegele-Wenschkewitz, Leonore: Geschichtsverständnis angesichts des Nationalsozialismus. Der Tübinger Kirchenhistoriker Hanns Rückert in der Auseinandersetzung mit Karl Barth. In: Theologische Fakultäten im Nationalsozialismus, S. 113-144.

Literatur und

Auswahlbibliographie

481

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Hg. von Leonore

Siegele-

Wenschkewitz und Carsten Nicolaisen (Arbeiten zur Kirchlichen

Fakultäten

im Nationalsozialismus.

Zeitge-

schichte. Β 18). Göttingen 1 9 9 3 . Thierfelder, Jörg: Ersatzveranstaltungen der Bekennenden Kirche. In: Theologische Fakultäten im Nationalsozialismus, S. 2 9 1 - 3 0 1 . Tilgner, Wolfgang: Volkstumstheologie und Schöpfungsglaube. Ein Beitrag zur Geschichte des Kirchenkampfes (Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes. 16). Göttingen 1 9 6 6 . Tillich, Paul: Zehn Thesen. In: Die Kirche und das dritte Reich. Fragen und Forderungen deutscher Theologen. Bd. 1, Gotha 1 9 3 2 , S. 1 2 6 - 1 2 8 ; auch: Paul Tillich, Gesammelte Werke Bd. XIII, S. 1 7 7 - 1 7 9 . Tillich, Paul: Die sozialistische Entscheidung. (Die sozialistische Aktion. Schriftenreihe der Neuen Blätter für den Sozialismus. 2), Potsdam 1 9 3 3 ; auch: Gesammelte Werke, Bd. II, S. 2 1 9 - 3 6 5 .

482

Quellen und

Literatur

Tillich, Paul: Die Theologie des Kairos und die gegenwärtige geistige Lage. Offener Brief an Emanuel Hirsch (1. 10. 1 9 3 4 ) . In: Theologische Blätter 13 ( 1 9 3 4 ) , Sp. 3 0 5 - 3 2 8 ; auch in: P. Tillich, Briefwechsel und Streitschriften, Erg.- u. Nachl.-Bde. VI, Stuttgart 1 9 8 3 , S. 1 4 2 - 1 7 6 . Tillich, Paul: Um was es geht. In: Theologische Blätter 14 ( 1 9 3 5 ) , Sp. 1 1 7 - 1 2 0 ; auch in: Paul Tillich, Gesammelte Werke, Erg.- und Nachl.-Bde. VI, S. 2 1 4 218. Tillich, Paul: Autobiographische Betrachtungen. In: Gesammelte Werke, Bd. X I I , Stuttgart 1 9 7 1 , S . 5 8 - 7 7 . Tillich, Paul: Briefwechsel und Streitschriften. Hg. von Renate Albrecht und Rene Tautmann (Gesammelte Werke, Erg.- u. Nachl.-Bde. VI). Stuttgart 1 9 8 3 . Tillich, Paul: Ein Lebensbild in Dokumenten, Briefe, Tagebuch-Auszüge, Berichte. Hg. von Renate Albrecht und Margot Hahl (Gesammelte Werke, Erg.- und Nachlaßbände V). Stuttgart 1 9 8 0 , S. 1 9 5 - 2 1 7 . Titze, Hartmut (Hg.): Datenhandbuch zur deutschen Bildungsgeschichte. Bd. V\: Das Hochschulstudium in Preußen und Deutschland 1 8 2 0 - 1 9 4 4 . Göttingen 1987. Treue, Wolfgang/Gründer, Karlfried (Hg.): Wissenschaftspolitik in Berlin. Minister, Beamte, Ratgeber (Berlinische Lebensbilder. 3). Berlin 1 9 8 7 . Trillhaas, Wolfgang : Aufgehobene Vergangenheit. Aus meinem Leben. Göttingen 1976. Tröger, Jörg (Hg.): Hochschule und Wissenschaft im Dritten Reich. Frankfurt; New York 1 9 8 4 . Vahlen, Theodor: Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung im nationalsozialistischen Staate. In: Die Verwaltungs-Akademie. Ein Handbuch für den Beamten im nationalsozialistischen Staate. Bd. 1, Gruppe 2 , Beitrag 2 0 b. Verhandlungen der verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung. Stenographische Berichte. Bde. 3 3 6 , 3 3 7 , 3 3 9 . Berlin 1 9 2 0 . Vogel, Heinrich/Härder, Günther: Aufgabe und Weg der Kirchlichen Hochschule Berlin 1 9 3 5 - 1 9 5 5 . Berlin 1 9 5 6 . Vogel, Heinrich: Wagnis und Bewährung. In: Zeichen der Zeit. Evang. Monatsschrift für Mitarbeiter der Kirche 10 ( 1 9 5 6 ) , Sp. 9 5 3 - 9 5 6 . Volk - Staat - Kirche. Ein Lehrgang der Theologischen Fakultät Gießen. Gießen 1933. Wallis, Gerhard: Hans Schmidt ( 1 8 7 7 - 1 9 5 3 ) - Wesen und Weg. In: Udo Schnelle (Hg.): Reformation und Neuzeit. 3 0 0 Jahre Theologie in Halle. 1 6 9 4 - 1 9 9 4 . Berlin 1 9 9 4 , S. 1 7 - 2 9 . Weber, Werner: Der gegenwärtige Status der Theologischen Fakultäten und Hochschulen. In: Tymbos für Wilhelm Ahlmann. Ein Gedenkbuch. Hg. von seinen Freunden. Berlin 1 9 5 1 , S. 3 0 9 - 3 2 6 . Weiser, Artur: Das Alte Testament in der christlich-deutschen Gegenwart. In: Deutsche Theologie 1 ( 1 9 3 4 ) , S. 4 7 - 5 6 . Wendland, Heinz-Dietrich: Volk und Gott. Hamburg 1 9 2 6 .

483 Wendland, Heinz-Dietrich: Wege und Umwege. 5 0 Jahre erlebter Theologie 1 9 1 9 1 9 7 0 . Gütersloh 1 9 7 7 . Wiefel, Wolfgang: Der Fall „ D e h n " und die Krise der akademischen Theologie. In: Standpunkt. Evangelische Monatsschrift, Beilage zu H. 1/1983, S. 1 3 - 1 7 . Winkler, Robert: Die Revolution in der Wissenschaft und die Theologie. In: Christentum und Wissenschaft 10 ( 1 9 3 4 ) , S. 3 6 1 - 3 7 3 . Winkler, Robert: Theologie und Kirche. In: Evangelische Theologie vor deutscher Gegenwart. Vorträge der theologischen Tagung in Wittenberg, Oktober 1 9 3 5 (Kirche in Bewegung und Entscheidung. 2 4 ) . Bonn 1 9 3 5 , S. 4 9 - 5 9 . Witte, Johannes: Die Theologie eines Gutachters. In: Evangelium im Dritten Reich 3 ( 1 9 3 4 ) , S. 3 4 4 f.; 4 2 5 f.; Junge Kirche 2 ( 1 9 3 4 ) , S. 9 2 3 - 9 2 6 (Entgegnung der Schriftleitung der Jungen Kirche). Wobbermin, Georg: Zwei Gutachten in Sachen des Arier-Paragraphen - kritisch beleuchtet. (Undatiert). In: Theologische Blätter 12 ( 1 9 3 3 ) , Sp. 3 5 6 - 3 6 9 . Wobbermin, Georg: Nochmals die Arierfrage in der Kirche. In: Heinz Liebing: Die Marburger Theologen und der Arierparagraph in der Kirche, S. 51 f.; auch: Deutsches Pfarrerblatt 3 8 ( 1 9 3 4 ) , S 9 f. Wolf, Ernst: Barmen. Kirche zwischen Versuchung und Gnade. München 1 9 5 7 . Wolgast,

Eike:

Nationalsozialistische

Hochschulpolitik

und die

evangelisch-

theologischen Fakultäten. In: Theologische Fakultäten im Nationalsozialismus, S. 4 5 - 7 9 . Wolgast, Eike: Das zwanzigste Jahrhundert. In: Semper apertus, S. 1 - 5 4 . Wünsch, Georg: Evangelische Ethik des Politischen. Tübingen 1 9 3 6 . Zipfel, Friedrich: Kirchenkampf in Deutschland. Religionsverfolgung und Selbstbehauptung der Kirchen in der nationalsozialistischen Zeit. Berlin 1 9 6 5 .

Periodica Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Amtsblatt des Reichs- und Preußischen Ministeriums für die gesamten Unterrichtsverwaltungen der anderen Länder 1 ( 1 9 3 5 ) - 9 ( 1 9 4 3 ) . Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen Kirche 1 ( 1 9 3 3 ) ff. Deutsches Pfarrerblatt. Verbandsblatt des Verbandes der deutschen Pfarrervereine und der Vereinigung der preußischen Pfarrervereine 3 7 ( 1 9 3 3 ) - 4 5 ( 1 9 4 1 ) . Die Christliche Welt 4 4 ( 1 9 3 0 ) - 5 5 ( 1 9 4 1 ) . Deutsche Theologie. Monatsschrift für die Deutsche Evangelische Kirche, hg. v. Hermann Wolfgang Beyer, Heinrich Bornkamm u. a. 1 ( 1 9 3 4 ) - 1 0 ( 1 9 4 3 ) . Durchbruch. Kampfblatt für deutschen Glauben, Rasse und Volkstum 1 ( 1 9 3 4 ) - 5 (1938). Evangelium im Dritten Reich. Sonntagsblatt der Deutschen Christen 1-7 ( 1 9 3 2 1938).

484

Quellen und

Literatur

Junge Kirche. Halbmonatsschrift für reformatorisches Christentum. Hg. von Hanns Lilje und Fritz Söhlmann. Göttingen 1 (1933)-9 (1941). Kirchliches Jahrbuch für die evangelischen Landeskirchen Deutschlands. Hg. von Hermann Sasse 59 (1932). Kirchliches Jahrbuch für die evangelische Kirche in Deutschland 1933-1944. Hg. von Joachim Beckmann (60.-71. Jg.). Gütersloh 1948; 2. Aufl. 1976. Positives Christentum 1 (1935)-7 (1941). Theologische Blätter 1 (1922)-21 (1942), Nr. 5. Wingolfs-Blätter. Zeitschrift des Wingolfsbundes 56 (1927) - 67 (1938). Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen. Hg. in dem Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung 75-76 (1933-1934).

Personenregister

Berufs- und Amtsbezeichnung im Text. Im Index nähere Angaben nur bei gleichem bzw. ähnlichem Nachnamen oder fehlendem Vornamen; auch Autorennamen der Anmerkungen sind erfaßt. Abrath, Gottfried 201 Adam, Alfred 210 Adler, Bruno 215 Adorno, Theodor W. 71 Aland, Kurt 316, 386, 391 Albertz, Martin 201, 209 f. Albrecht, Renate 67, 71, 318 Alt, Albrecht 60, 64, 181 Althaus, Paul 33, 126, 145, 248, 455 Alwast, Jendris 17, 375 f., 381 Ambrosius von Mailand 321 Aner, Karl 374, 376 Aschermann, Hartmut 189, 191 f., 196 f., 200 f., 205 f., 208 Asmussen, Hans 190, 200 f., 209, 219, 266 Aubin, Gustav 16, 25 Auer, Wilhelm (stud, theol.) 241 Baeck, Leo 250 Bäumler, Alfred 55 Balla, Emil 142, 179 f. Barion, Hans (Johannes) 370, 457 Barion, Jakob 2 Barth, Karl 15, 29, 31, 36, 39, 42, 48 f., 51-54, 69, 72, 75 f., 8185, 110, 143, 155, 161, 171, 180, 190-197, 201, 206, 343, 354, 364-373, 390, 461 Bassi, Hasko von 16 Bauer, Walter 142 Bauernfeind, Otto 111, 183

Baumgärtel, Friedrich 98, 181 f., 294, 3 0 0 , 4 0 5 Baumgärtner, Raimund 401 Baumgarten, Otto 16-18, 25, 352 Bavink, Bernhard 246 Beck, C. H. (Verlag) 423 Beckhaus (Landrat, Bielefeld) 213 Beckmann, Joachim 194 Beer, Georg 100 Begrich, Joachim 1 8 1 , 1 8 3 Behm, Johannes 384 Bell, George 3 3 1 , 3 3 9 Benckert, Heinrich 157 Benz, Ernst 79, 179, 269, 313, 316, 318, 325, 328 f., 333, 342, 347-349, 381, 391, 424 f. Berg, Geheimrat von 315 Berger, Robert 157 Bertholet, Alfred 183, 384, 386 Bertram, Georg 319 Besier, Gerhard 159, 189, 209 Beste, Niklot 86 Beth, Karl 318 Bethge, Eberhard 89-91 Bettermann, Wilhelm 249 Beuningen, Harry van 341, 344, 382 Beyer, Hermann Wolfgang 56, 101, 105, 110f., 153, 182f., 236, 238, 301, 310, 318, 412, 424, 440 f., 459 Bielfeldt, Johann 377, 380 Birnbaum, Walter 143, 250, 325, 337

486

Personenregister

Bismarck, Otto von 438 Bizer, Ernst 12, 369 f., 372 f. Blankemeyer (stud. rer. nat.) 21, 24 Boberach, Heinz 11, 451, 453 Bochmann, Arthur von 330 Bockenhenne (SAObergruppenführer) 406 Bode, Edmund 271 Bodelschwingh, Friedrich von (der Ältere). 211 f., 214, 217 Bodelschwingh, Friedrich (Fritz) von 106 f., 210 f., 213 f., 217, 221, 244,331 Bodelschwingh, Gustav von 143 Bödecker, Heinrich 210 Bollmus, Reinhard 25 Bonhoeffer, Dietrich 89-91, 263, 313,344,386 Bormann, Martin 391, 410, 433, 445 f., 451, 454 Bornhausen, Karl 257f., 388, 389 f. Bornkamm, Günther (Bruder von H. Bornkamm) 92-94, 169, 183, 215 f., 218, 342 Bornkamm, Heinrich 56-59, 104, 111, 153, 216, 235, 238, 275, 318, 319, 440 f., 450, 457 Bouhler, Philipp 433 Brakelmann, Günter 383 Brandt, Theodor 215 Brandt, Wilhelm 212 f., 216, 244, 266 Braschke, Jürgen 213 Braun, Otto 377 Bredendiek, Walter 12 Breit, Thomas 191 Bruhns, Oskar 347 Brunner, Emil 38, 54 Brunner, Peter 92, 207 Brunotte, Heinz 119

Brunstäd, Friedrich 52, 86, 106 f., 182 f., 302 Buber, Martin 63, 128 Buchheim, Hans 340 Budde, Karl 352 Bühner (NS-Altherrenbund) 289 Bülck, Walter 374-376, 378 Bultmann, Rudolf 29 f., 110 f., 126-130, 141 f., 179, 182 f., 207 f., 229, 269, 329, 384 Busch, Eberhard 82, 366 Caffier, Wolfgang 117 Campenhausen, Hans von 94 f., 142, 169, 215, 303, 318, 319321,342,381 Canaris, Walter-Wilhelm 91 Caspari, Wilhelm 374 Chambon, Joseph 201, 209, 3 75 f. Ciaer, ( . . . ) von (General) 324 f. Claus (stud, theol.) 230 Coch, Friedrich 156, 249, 292 Cölle, Georg 305 Cohn (Prof., Breslau) 388 Conway, John S. 448, 451 Cordier, Leopold 119-121,183, 319 Dehn, Günther 12-16, 18, 25, 67, 75, 102, 209 f., 227, 230, 232, 266, 364, 373 Deichert(sche Verlagsbuchhandlung) 423 Deißmann, Adolf 3, 100, 105, 368,384 Deißner, Kurt 137, 202, 263, 442 Delekat, Friedrich 172, 182, 266 Delius, Walter 3 Depke, Fritz 262 Derichsweiler, Albert 243, 277 f., 282 f., 285-289. Detten, Hermann von 299 Dibelius, Martin 13, 15, 303, 436, 463

Personenregister Dibelius, Otto 4 2 , 1 5 1 , 2 6 3 Diehl, Ludwig 3 3 1 Diehn, Otto 401 Diem, Hermann 262 Diemer, Alwin 2 Dierks, Marianne 393 Dietrich, Ernst-Ludwig 3 1 9 , 3 2 9 , 333 Dinkier, Erich 2 9 , 7 8 , 1 7 8 f., 1 8 0 f., 2 0 2 f., 3 1 8 , 3 2 9 , 4 4 3 , 461 Dinkler-von Schubert, Erika 2 9 , 7 8 , 178, 1 8 0 f., 2 0 2 f., 3 1 8 , 329, 443, 461 Dinter, Artur 3 9 4 Döring, Detlef 7 0 Doerne, Martin 8 7 , 2 4 9 , 4 5 9 Dörries, Hermann 15, 1 4 2 , 183 Dreß, Walter 89-91,181,210, 344,386 Duda, Curt 2 6 0 Duhm, Andreas 3 8 1 (Heidelberg) Duhm, Hans 3 8 8 (Alttestamentler, Breslau) Dungs, Heinz 2 2 2 Eckhart, Meister 3 4 3 , 3 8 6 , 4 2 5 (Eckhart-Ausga be) Eger, Hans 318 Eger, Johannes (Gen.-sup. a. D.) 296, 299 Ehrenforth, Gerhard 1 5 7 , 3 8 7 Eidem, Erling 339 Eisenhuth, Erich 1 5 2 - 1 5 4 , 2 5 9 , 307, 309, 312, 325, 332, 364, 444 Eißfeldt, Otto 310 Eiert, Werner 3 3 , 8 7 , 9 2 , 9 6 , 1 2 6 , 144, 269, 294, 301, 309, 4 4 0 Eiliger, Karl (Bruder von W . Elliger) 1 7 1 , 181, 183 Elliger, Walter 3 7 6 , 3 8 3 , 3 8 6 , 440, 442 Ellwein, Theodor

347

487

Engelke, Fritz 2 5 1 Engelland, Hans 8 7 , 3 7 4 f. Enke, Johann-Friedrich 117 Entz, Gustav 3 0 6 , 3 1 1 , 4 0 7 , 4 2 0 f., 4 2 6 , 4 3 4 f. Epp, Ritter Franz von 138 Erhart, Hannelore 454 Ernesti (Rechtsanwalt) 273 Euler, Karl Friedrich (Fritz) 1 7 2 , 325 Faber, Hermann 1 1 1 , 1 8 2 Fabricius, Cajus 2 3 6 , 2 5 1 f., 3 0 7 , 385, 390, 427-430, 432-434 Fabricius, M . (Ehefrau von C. Fabricius) 4 3 4 Fascher, Erich 1 9 - 2 6 , 5 9 f., 98, 104, 170, 229 Faulenbach, Heiner 3 7 0 , 4 5 8 f. Fausel, Heinrich 201 Feine, Paul 2 2 8 Fendt, Leonhard 87 Fezer, Karl 1 0 5 - 1 0 7 , 1 5 3 , 2 3 7 , 246, 3 1 4 , 3 1 5 Fichtner, Johannes 1 8 1 , 2 0 2 , 2 6 4 , 405, 442 Fiebig, Paul (Prof., Leipzig) 64 Fiebig, Walter (Westfalen) 304 Fiedler, Georg 2 6 9 , 3 7 8 - 3 8 1 Fischer, Fritz (Historiker, Berlin) 325,386 Fischer, Martin (Reisesekretär, Theol. Amt der Bekennenden Kirche) 2 3 0 , 2 6 3 Fitzer, Gottfried 2 1 5 , 2 5 7 , 3 8 7 f . Fix, Karl-Heinz 3 Flügge, Theodor 245 Flume, Hellmuth 214 Förster, Werner 215 Forschbach, E. 2 8 8 Frey, Hermann-Walter 449 Frey tag, Walter 3 7 6 Frick, Heinrich (Prof., Marburg) 1 7 9 , 2 1 0 , 2 2 9 , 2 4 6 , 3 0 9 f.

488

Personenregister

Frick, Robert (Pfarrer, Dozent) 212, 217-219, 244, 266 Frick, Wilhelm (Reichsinnenminister) 321, 325, 327 Friess, Horace 68 Frommel, Otto 303 Fuchs, Emil (Pfarrer, Eisenach; Prof. für Religionspädagogik Kiel) 14, 73 Fuchs, Ernst 8 7 f. (Neutestamentier) Führer, Klaus Michael 29, 81 Galling, Kurt 183 Gauger, Joachim 328 Geibel, Wolfgang 21 f., 24. Geiger, Hannsludwig 392 Girgensohn, Karl 385 Glauning, Hans 282, 285 Glawe, Walther 348 Gloege, Gerhard 215 Goebel, W(ilhelm) 222 Goebell, Walter 246 Goebbels, Josef 324 Göring, Hermann 322, 418 Görlitzer, Artur 316, 385 Goeters, Wilhelm 367 Gogarten, Friedrich 33, 38, 52, 54, 102, 144, 153, 237, 241, 245, 256 f., 354, 372, 387 f., 390 Gollwitzer, Helmut 210, 262 Goltz, Eduard von der 375 Graeber, Friedrich 193, 195 Graf, Friedrich Wilhelm 28 Graffmann, Heinrich 190 Greeven, Heinrich 202, 303 Greiser, Arthur 340, 434 Grether, Oskar 95 Grimme, Adolf 12, 14, 73, 388 Gruehn, Werner 385 Grünagel, Friedrich 154 f., 253

Grundmann, Walter 36, 38-40, 135 f., 152-154, 170, 248 f., 346-348, 364, 383, 444 Gruyter, Walter de (Verlag) 423 Gürich, Arthur 184 Gürtler, Paul 434 Gulkowitsch, Lazar 63 f. Gumbel, Emil J. 14 Haack, Hans Georg 92, 388 Haas, Hans 64 Haenchen, Ernst 34-36, 145, 238, 301, 319 Haenssler, Ernst-Hermann 2 Hahl, Margot 67 Happich, Friedrich 178 Harder, Günther 208-210 Harnack, Adolf von 3, 178, 426 Hauck, Albert 426 Hauer, (Jakob) Wilhelm 202, 249, 393-396, 416 Hauschild, Wolf-Dieter 205 Headlam, A. C., 427 Heckel, Johannes (Kirchenrechtler) 164 Heckel, Martin 3 Heckel, Theodor (Bischof, Kirchliches Außenamt) 339 Heepe, Johannes 172, 444 Heering, Rainer 221 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 150 Heiber, Helmut 9, 12 Heidegger, Martin 58 Heiler, Friedrich 79 Heim, Karl 52, 109, 127, 320, 374 f. Heinzelmann, Gerhard 111, 260 Hellbardt, Hans 201 Hellpach, Willy 223 Hempel, Johannes 27, 98, 100, 103, 143, 154, 309, 384, 386 Henlein, Konrad 431

Personenregister Hermann, Rudolf 48, 159 f., 162 f., 165 f., 180-182, 202, 263, 347 f., 370 Hermelink, Heinrich 79 Herntrich, Volkmar 87 f., 214, 216, 219, 266, 374 Herrmann, Johannes 182 f., 266 Hertzberg, Hans-Wilhelm 229 Hesse, Hermann A. 85, 191 f., 194, 196 Hesse, Hermann Klugkist 194,

201 Heß, Rudolf 273, 275, 285, 287, 330, 337, 349, 362, 396, 407 f., 411-414, 422, 4 3 1 , 4 4 7 Heussi, Karl 259 Heydrich, Reinhard 445, 451 Hildebrandt, Franz (Theologe) 200,313 Hildebrandt, Friedrich (Reichsstatthalter) 86 Himmler, Heinrich 11, 96, 149, 177, 267, 331, 403 f., 419 f. "Himmler-Erlaß" 148 f., 177, 208, 267 Anm. 99, 346 Hindenburg, Paul von 315 Hirsch, Emanuel 15, 56, 71 f., 99, 102 f., 106, 114 f., 124, 143, 156, 236, 246, 301-303, 305, 308, 310 f., 315 f., 321-323, 325 f., 332, 348, 351, 406, 441, 443 Hirsch Κ. A. (stud.theol.) 233, 242,363 Hitler, Adolf 14, 16, 18, 28 f., 34 f., 41, 45 f., 66, 68, 70, 75, 80, 83 f., 99, 102 f., 106, 115, 120, 122, 134, 140, 173, 175 f., 223, 232, 259, 286, 303, 305, 315, 322, 324, 326 f., 338 f., 349, 375, 395, 411, 428-430 Hölscher, Gustav 76, 102, 303, 367, 388

489

Hoennicke, Gustav 256, 389 Hoff, Walter 2 3 6 , 2 7 6 Hoffmann, Georg 142 Hoffmann, Johannes 262 Holderer, Kurt 235 Holl, Karl 38, 56, 318, 383 Hoppe, Willy 317 Horkheimer, Max 68 Horst, Friedrich 366 Hossenfelder, Joachim 99,(121), 135, 237, 314, 369 Hoyer, Siegfried 64 Huber, Ernst Rudolf 6 Huber, Wolfgang 6 Humburg, Paul 193 f. Hupfeld, Renatus 182 f., 262, 303 Hüttenberger, Peter 1 1 , 1 4 Iber, Harald 25, 401 Imgart, Otto 276 Immer, Karl 189-198 Iwand, Hans-Joachim 87 f., 93, 216, 239 Iwand (Ehefrau von H.- J. Iwand)) 88, 216 Jacobi, Gerhard 84, 313 Jäger, August 78, 107, 112, 134, 214, 314 f., 321, 340 f., 359, 387 Jäger, Samuel (Bethel) 212, 220 Jannasch, Wilhelm 266 Jaspers, Karl 13 Jeep, Walter 107 Jelke, Robert 13, 56, 96, 319, 325 Jeremias, Joachim 104, 181, 202204 Jesus 19 f., 40, 49 f., 311 Jirku, Anton 23, 100-102, 256, 307, 323, 335, 354, 367, 369371, 388 f. Jülicher Adolf 179 Jumpertz (Leiter der Altherrenschaft) 288

490 Junker, Alfred

Personenregister 128

Käsemann, Ernst 216 Kaiser, Jochen-Christoph 217 Kaiser (stud, theol.) 248 Kalischer, Wolfgang 23, 100, 223, 277 Kammer, Otto 119 Kapler, Hermann 101-103 Kasper, Gerhard 78 f. Kater, Michael H. 11 Kattenbusch, Ferdinand 352 Kerrl, Hanns 11, 144-147, 162, 174-176, 178, 210, 291 f., 297 f., 300, 303, 305, 331-333, 336, 338 f., 345, 349, 355, 4 1 7 f „ 429, 449, 452 Kessel, Fritz 248 Keßler, Werner 250 Kinder, Christian 135, 251 f., 317, 365 Kittel, Gerhard 110 f., 128, 153, 237,246,415 Kittel, Helmuth 245 Kloppenburg-Protokoll 191 Klotsche, Johannes 1 5 6 , 2 9 2 Klotz, Leopold (Verlag) 73, 77, 80, 390 Klügel, Eberhard 305 Knabe, Gerhard (stud, theol.) 275 Knak, Siegfried 200, 217 Knevels, Wilhelm 34, 87 Knick, Arthur 440 Koch, Edmund (Pfarrer, Greifswald) 263 Koch, Günter (Pfarrer, Dortmund) 137 Koch, Hans (Kirchenhistoriker, Königsberg) 329 Koch, Karl (Präses, Bad Oeynhausen) 182, 187, 200, 205, 216, 304, 327, 329 Köberle, Adolf 319 f., 370 Köhler, Waither 95, 319

Koepp, Wilhelm 37 f., 154, 264, 269, 301, 307, 348, 405 Kohlmeyer, Ernst 153, 238, 314, 335, 351, 354, 367, 369-372 Kolfhaus, Wilhelm 164 Konen, Heinrich 373 Konrad, Joachim 157 Kooi, Jelle van der 2, 210 Kortheuer, August 151 Krause, Gerhard (BK-Vikar, Theol. Amt) 264 Krause, Reinhold (Studienrat, Deutschkirchler) 237 Kretschmar, Georg 205 Kreul (Gaustudentenführer) 264, 404 f. Kreutzer, Heike 11 Krieck, Ernst 55, 57 Kühlewein, Julius 269, 449 Künneth, Walter 86, 89-92, 106 f., 320, 344, 386 Küppers, Erica 83 Küßner, Theodor 212 Kummer, Bernhard 331 Kupisch, Karl 75 Lagarde, Paul de 1 f. Lammers, Hans-Heinrich (Staatssekretär) 281 f., 327, 454 Lammers, Heinrich (Lie.) 383 Langer Horst (stud, theol.) 416 Langhoff (Verbandsführer) 277 Langmann, Otto 253 Last (stud, theol.) 405 Leffler, Siegfried 152 Lehmann, Martin 224, 226 f. Leibholz, Gerhard 90 Leipoldt, Johannes 64, 292, 301 Lensch, Karl 407 Leube, Hans 256, 296, 391 Ley, Robert 87, 287 Lieb, Fritz 76, 88, 366 Liebing, Heinz 116,124-130

491

Personenregister Lietzmann, Hans 1 1 1 , 1 5 9 , 1 8 1 , 1 8 7 , 3 1 5 f . , 3 1 8 , 3 8 3 , 3 8 5 f. Lilje, Hanns 5 2 , 1 0 6 , 2 3 5 Lingelbach, Karl Christoph 55 Link, Hugo 239 Lohr, Hanns 213 Loewenich, Walther von 8 7 , 9 5 f. Lohse, Hinrich 433 Lohmeyer, Ernst 1 1 0 f., 1 8 1 , 2 1 5 , 2 5 6 f., 2 6 3 , 3 8 7 - 3 8 9 , 4 0 5 Lorenz, Charlotte (Statistik) 452 Lorenz, Werner (SD-Funktionär) 3 4 4 f., 3 5 0 Lother, Hans 3 2 3 f., 3 5 3 , 3 7 2 , 388f. Ludendorff, Erich 3 9 4 f. Ludendorff, Mathilde geb. Spieß 3 9 4 f., 4 3 0 Ludendorff-Bewegung, 4 0 1 , 4 2 9 Lütgen, Wilhelm 5 3 , 9 7 , 1 0 0 f., 181, 213, 2 2 6 , 317, 384, 385 Lütkemann, Wilhelm 2 8 1 , 2 8 9 Lüttichau, Siegfried von 217 Ludwig, Hartmut 89, 2 0 9 Luther, Martin 6 0 f., 3 2 0 , 3 2 5 Lutz, Hermann 193 Lutze, Viktor 2 7 3 , 4 3 2 Macholz, Waldemar 9 8 , 1 1 1 , 1 8 3 Märker, Karl 230 Mager, Inge 4 6 2 Mahling, Friedrich 101 Maier, Hans 10 Mandel, Hermann 374-376 Matthes (stud.theol.) 248 Mattiat, Eugen 9 0 , 1 1 3 , 2 9 9 , 3 0 2 , 3 0 4 , 3 2 0 , 3 2 7 f., 3 4 4 , 3 7 7 Marahrens, August 1 1 2 , 1 5 6 , 1 7 8 , 191, 205, 323, 327 Mauthner, Fritz 2 Meier, Kurt 7f., 12, 2 5 , 3 3 , 4 0 , 42, 55, 73, 86, 116, 122, 133f., 1 4 9 , 153 f . , 1 5 6 , 1 5 9 , 1 8 7 , 2 0 4 f., 2 0 9 f . , 2 3 7 , 2 3 9 3 8 7 ,

389, 413, 434, 441, 448, 450, 4 5 2 , 4 6 1 f., 4 6 5 Meinhold, Peter

3 0 7 , 3 0 9 f., 3 1 3 ,

3 1 8 , 3 2 5 , 3 3 0 f., 3 3 8 , 3 4 3 - 3 4 5 , 348, 381 Meiser, Hans

91, 135, 177, 180,

205, 248 Meisiek, Cornelius H.

440, 449,

4 5 2 f., 4 5 6 - 4 5 8 Melle, F. H. Otto

338

Mensing, Carl (Pfarrer i. R . , Dresden)

67

Mensing, Karl (Rechtsanwalt, Elberfeld)

198 f.

Mentzel, Rudolf

451

Mergenthaler, Christian Merten, Hans Merz, Georg

138

2 2 3 f. 1 9 0 , 2 1 1 f., 2 1 9 - 2 2 1 ,

244, 266 Methodius von Olymp

54

Meyer, Erich (reform. Pfarrer) Meyer, Dietrich (Archivar)

150

92,

157, 257, 387 Meyer, Johannes (praktischer Theologe)

142

Meyer, Karl (cand.theol.)

2 4 7 f.

Meyer-Erlach, Wolf (Pfarrer, praktischer Theologe) Michel, Otto Möhler, Armin

1 5 2 f.

216 55, 392, 395

Moldaenke, Günter

318

Müller, Alfred Dedo (praktischer Theologe, Leipzig)

104, 229,

249, 321 Müller, Ernst Friedrich Karl (reformierter Kirchenhistoriker, Erlangen)

352

Müller, Ernst (Pfarrer, Königsberg)

262 Müller, Georg (Rektor, Betheler Aufbauschule) 244

492

Personenregister

Müller, Hans-Michael (Systematiker, Königsberg) 131-133, 238, 329 Müller, Johannes (Elmau) 131 Müller, Ludwig (Reichsbischof) 99, 102, 105-109, 116, 122 f., 131, 134, 136, 138 f., 144 f., 184, 238, 251, 253, 314f., 323, 325-327, 332, 374 Münch, Ingo von 62 Muhs, Hermann 269, 338 f. Mulert, Hermann 18, 28 f., 80-82, 101, 204, 352, 357, 364, 374376, 390, 413, 416 f. Mutschmann, Martin 156, 292, 440 f., 444, 448-450 Neumann, Peter 41 Neuser, Wilhelm 156, 293 Nicolaisen, Carsten 205, 403 Niebuhr, Reinhold 68 Niemöller, Gerhard (Studienrat, Sohn von W. Niemöller) 180 Niemöller, Martin (Pfarrer, BerlinDahlem) 118, 158, 177, 181, 190 f., 197, 209, 243, 263, 315 Niemöller, Wilhelm (Pfarrer, Bielefeld, Bruder von M. Niemöller) 77, 85, 106 f., 117, 149, 189, 195, 210, 213 f., 243, 265,291,330 Nierhaus, Wilhelm 233 Niesei, Wilhelm 193 f., 197, 209 f., 250 Norden, Günther van 92, 200 Noth, Martin 9 3 , 1 8 3 Nowak, Kurt 28 f., 31, 56, 81, 119, 462 Obendiek, Harmannus 201 Odenwald, Theodor 93, 144, 154, 269, 318, 332, 348 Oepke, Albrecht 459 Opitz, Hans Georg 9 5 , 3 1 8 , 391

Osterloh, Edo 201, 266 Otto, Rudolf 179, 334 Overbeck, Franz 1 f. Pabst, W(ilhelm) 222 Patutschik (Schrifttumsprüfstelle) 342 Pauck, Marion 67, 71 f. Pauck, Wilhelm 67, 71 f., 77 Pauli, Sabine 86 Paulus von Tarsus 19 Peschke, Erhard 325, 348, 391 Pestalozzi, Rudolf 192 Petersmann, Werner 253 Peterson, Erik 371 Pfennigsdorf, Emil 193, 198 f., 323, 334 f., 353 f., 365, 366372 Piechowski, Paul 14 Piper, Otto 15, 28, 41-47, 77, 364 Popitz, Johannes 350, 450 Preisker, Herbert 143, 302, 348, 389, 412 Prokoph, Werner 12 Prolingheuer, Hans 82 f., 85, 191, 196,366 Prüfer, Gottfried 406 Przywara, Erich 250 Quell, Gottfried 229 Quelle und Meyer (Verlag) 76 Quervain, Alfred de 201, 208, 250 Rad, Gerhard von 111, 169, 182, 342 Rade, Martin 66, 79-81, 375, 390 Randenborgh, Gottfried van 262 Rathje, Johannes 80, 390 Redeker, Martin 252, 316, 325, 332,345,381 Reffke, Ernst 344 f. Rehm, Wilhelm 270, 330, 365 Reichrath, Hans L. 331 Reimer, James A. 70, 72

Personenregister Reinmuth, Hermann 81 Remmele, Adam 223 Renkewitz, Heinrich (Heinz) Gottfried 249 f. Rengstorf, Karl Heinrich 215 f., 378-380, 382 Reymond, Bernard 70 Rendtorff, Heinrich 102 Rendtorff, Trutz 55, 461, 463 Rengstorf, Karl Heinrich 94, 378380 Reschke, Karl 405 Reventlow, Ernst zu 395 Richter, Julius 1 0 1 , 1 8 1 Ring, Reinhard 260 Ritsehl, Albrecht 426 Ritter, Adolf Martin 95, 321 Ritter, Karl Bernhard 106, 245 Rosenberg, Alfred 11, 21, 241, 343 f., 432 Rhode, Joachim 12 Rodenhauser, Robert 279 f., 283, 289 Röhr, Heinz 75 Röthig, Dorothea 292 Rohkrämer, Martin 76 Rosenberg, Alfred 19, 22, 25, 50, 401, 439 f., 443, 446 f. Rost, Leonhard 181 Rudolph, Wilhelm 319 Rückert, Hanns 29 f., 31, 56, 111, 138, 153, 237 Ruhbach, Gerhard 210f., 217f.,

221 Ruppel, Erich 296 Rust, Wilhelm 9, 70, 72, 83 f., 100, 107 f., 113 f., 142, 146, 182, 195, 197, 204, 296 f., 321323, 327, 359, 364 f., 376 f., 410, 418, 420, 424, 426, 440, 442, 454 f. Ruttenbeck, Walter 370 f., 457 f. Sasse, Hermann

180 f.

493

Sauerhöfer (Pfarrer, Baden) 238 Schaeder, Erich 256, 352 Schafft, Hermann 44 Scharitzer, Karl 435 Scheel, Gustav Adolf 14, 96, 277, 289, 409 f., 414, 417 Scheller, Johannes 249 Schempp, Paul 201, 205 Scherffig, Wolfgang 262 Scheven, Karl von 263 Schian, Martin 257, 387 Schieder, Julius 290 Schirach, Baidur von 276, 434 f. Schlatter, Adolf 210, 212, 216 Schlatter, Theodor (Sohn von A. Schlatter) 210, 212, 216 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 150, 334, 426 Schlier, Heinrich 142, 152, 157, 165-177, 180, 198, 200f., 215, 229, 401 Schlingensiepen, Hermann (Bruder von J. Schlingensiepen) 193, 195, 215, 366, 373 Schlingensiepen, Johannes 195 Schlink, Edmund 92, 216, 218 f., 266 Schmauch, Werner 157, 216 Schmidmann, Gottfried 124 Schmidt, Carl (Kirchenhistoriker, Berlin) 181, 383 Schmidt, Friedrich (NSReichsschulungsleiter) 434 Schmidt, Friedrich Wilhelm (Systematiker, Münster; Berlin) 297 f., 304, 307, 323, 369, 384,386 Schmidt, Hans (Alttestamentler, Halle/Saale, Vorsitzender des Ev.-theol. Fakultätentags) 63 f., 78 f., 96-99, 101 f., 105-114, 183, 226, 251 f., 259f., 267f., 291, 293-296, 299, 300, 302,

Personenregister

494

306, 309, 317, 322-324, 3473 4 9 , 3 5 7 , 3 7 7 , 4 0 3 f., 4 0 7 - 4 1 2 , 4 1 4 f., 4 2 0 f., 4 2 4 , 4 2 6 f., 4 3 6 , 438-442 Schmidt, Hans Wilhelm (Systematiker, Münster; Bethel; Bonn) 1 5 4 , 2 1 8 f., 3 3 5 , 3 4 8 , 353, 367, 369, 372 Schmidt, Heinrich (Stadtvikar Heidelberg) 238 Schmidt-Japing, Johann Wilhelm (Systematiker, Bonn) 335, 354, 368-372 Schmidt, Karl Ludwig

Schreiner, Helmuth

32, 52, 86,

172, 347 Schröcker, Sebastian

11

Schröter, S. (stud, theol.)

249

Schubert, Hans von

3, 3 1 9

Schubring, Wilhelm

69

Schüßler, Werner Schütz, Werner

6 8 , 71 3 5 4 , 3 6 8 f., 3 7 2 f.

Schuster, Hermann

420-422

Schulz, Georg (Berneuchener Bewegung)

52

Schultz, Walther (Landesbischof)

86

(Neutestamentier, Bonn; Basel) 15, 7 5 f., 1 6 4 , 1 6 8 f., 2 2 5 , 3 4 2 , 364,366,368 Schmidt, Kurt Dietrich (Kirchenhistoriker, Kiel; Hermannsburg) 4 0 , 6 6 , 7 9 , 88, 1 0 5 , 1 0 8 , 1 1 8 , 1 3 5 , 1 3 7 , 1 7 1 , 1 8 2 f., 3 2 6 , 3 3 5 , 3 6 4 , 3 7 4 , 384

Schultz, Werner (Dozent, Kiel) 375, 377, 391 Schultze, Walter (Reichsamtsleiter, NS-Dozentenbund)

342, 447

Schumacher, Karl (Vikar)

262

Schumann, Friedrich Karl

16,

1 1 0 f., 1 5 3 , 2 3 8 , 2 5 4 , 2 6 0 , 2 9 6 Schwarz, Franz Xaver (Oberregierungsrat)

420, 436,

438-440

Schmidt, Wilhelm Ewald (Sup.) 199

Schwarz, Karl W.

Schmitz, O t t o 15, 7 7 f., 1 1 1 , 1 7 1 , 180, 182, 217, 364 Schmökel, Hartmut 3 2 5 , 3 4 5 , 3 8 1 f.

Schwarz, Walter (Oberkons.-Rat,

Schneider, Carl (Neutestamentier,

Schwöbel, Christoph

Königsberg)

329

(Neutestamentier, Berlin)

181

1 8 9 , 1 9 1 f.,

1 9 5 - 1 9 7 , 2 0 0 f., 2 0 5 Schniewind, Julius

1 0 9 f., 1 2 8 ,

1 7 3 , 1 8 3 , 2 1 5 , 2 6 0 f., 2 7 1 , 3 1 4 , 375 Schönherr, Albrecht Scholder, Klaus

2 6 3 f., 2 9 0

8, 4 4 5

Schomerus, Hilko Wiardo 1 8 2 f. Schott, Erdmann

Breslau)

7, 4 3 5

387

Schwerin von Krosigk, Lutz von 408 81

Seeberg, Ando (Sohn E. Seebergs)

Schneider, Johannes Schneider, Wolfgang

(Kirchenhistoriker)

111,

351 Seeberg, Axel (Vetter E. Seebergs) 341 Seeberg, Bengt (Sohn E. Seebergs) 89, 3 4 4 f., 3 5 1 Seeberg, Erich (Sohn R. Seebergs) 6 7 , 7 1 , 7 9 , 9 5 , 1 0 0 , 1 1 4 , 137139, 154, 179, 307, 309, 313351, 358, 369-371, 381-386, 391, 427 Seeberg, Reinhold

181, 2 0 2

1 3 6 f., 3 2 5 ,

327, 332f., 352, 383-385

495

Personenregister Seier, Hellmut Sellin, Ernst

9,112

Stolzenburg, Arnold

98 f., 1 8 1 , 3 8 4 f.

Severing, Carl

377

Siebeck (Verlag)

423

Siegele-Wenschkewitz, Leonore

31,

96, 153, 3 2 1 , 4 4 5 Siegfried, Theodor

108, 258, 334

Siegmund-Schultze, Friedrich Simon, Gottfried

211

Sippell, Theodor

141

Six (SD-Funktionär) Slenczka, Hans

74

178

Thieme, Karl

266

Soden, Hans von

2 9 f., 7 8 - 8 0 ,

103, 107, 111, 124, 141, 159, 178-187, 197, 202-204, 246, 2 6 9 , 3 0 3 f., 3 1 4 , 3 2 9 , 4 4 3 f., 460 296

Solte, Ernst-Lüder

2

Sommerlath, Ernst

1 0 3 , 1 1 1 , 183

Sporleder, Ulrich

271

Spranger, Eduard

23, 100

Stäbel, Oskar

237, 276-279, 288

Stählin, Wilhelm

110f., 145, 159, 266 2 2 f.

Stahn, Julius

408

Stallmann, Martin Stange, Carl

72, 235, 246

Stauffer, Ethelbert

206, 335, 366-

368, 371, 273 Starke (Gaustudentenführer)

275

Steinwand, Eduard (Lutherakademie Dorpat)

87

Steinbeck, Johannes (Breslau) 296, 391 Steinmann, Theodor (Herrnhut) 250 Stephan, Horst Steuernagel, Carl

102, 3 6 4 , 4 6 1 Titius Arthur 7 2 , 3 8 4 Titze, Hermann 453 Trapp, O t t o 222 Traub, Gottfried 12 Trillhaas, Wolfgang 8 7 , 9 4 f., 2 0 0 ,

Ulmer, Friedrich 86 f., 1 7 2 Ulrich, Hermann-Heinrich 242

87

Stapel, Wilhelm

73

Thielicke, Helmut 9 5 f., 1 6 9 , 2 9 0 , 303, 342, 360 Thierfelder, Jörg 165,261,263 Thurneysen, Eduard 3 8 , 1 9 2 Tilgner, Wolfgang 31 Tillich, Paul 2 9 , 6 7 - 7 3 , 7 5 , 7 7 ,

205, 219

130, 142, 182

Stange, Erich

266

204,342,361 Troebs, Karl 2 7 0 , 3 3 8 Twardowsky (Auswärtiges Amt) 350

15, 5 2 , 7 7 ,

Staerk, Willy

440

251

Thadden, Reinold von

Smend, Friedrich

Söhngen, Oskar

Stuckart, Wilhelm 72 Studentkowski, Werner Szczesny, Gerhard 2 Tausch, Friedrich

345

91, 308, 317,

345, 384, 386, 410, 4 1 7 f . Strathmann, Hermann 107, 127, 1 6 3 , 1 6 8 f., 1 8 1 - 1 8 3 , 2 8 4 , 3 4 2 , 415

136 256, 388

256,

Vahlen, Theodor

10, 2 9 1 , 3 5 6

Vischer, Wilhelm

93, 2 0 1 , 2 1 3 f.

216, 244, 266 Visser 't Hooft, Willem Adolf 85 Vogel, Heinrich 2 0 0 , 2 0 8 f. Vogelsang, Erich 5 6 , 1 5 4 , 3 1 1 , 320, 329 Volz, Paul 4 Volandt, S. (stud, theol.) Vollrath, Wilhelm 87 Voß, Theodor 376,381

249

496

Personenregister

Wacker, Otto 347, 4 4 4 - 4 4 6 Wagenmann, Julius 319 f., 325 Wagner, Gerhard (Reichsärzteführer) 2 8 2 , 2 8 5 Wagner (Generalstaatsanwalt, Stuttgart) 2 8 9 Wagner, Josef (NS-Gauleiter, Westfalen-Süd) 245 Wagner, Robert (NS-Gauleiter, Baden) 4 5 2 Wallis, Gerhard 97, 2 2 6 , 3 5 7 Walter, Georg (stud, theol.) 2 5 6 f. Weber, Ernst Wilhelm (Herrnhut) 250 Weber, Hans Emil (Prof. Bonn, Münster) 183,204,367,369, 372 f. Weber, Otto (Elberfeld, Prof. Göttingen) 112, 145 Weber, Werner (Rechtswissenschaftler) 3, 6 f. Wehrung, Georg 128, 3 7 0 f. Weibezahn, Fritz 2 4 0 , 2 4 5 Weickert, Andreas 2 7 6 Weidenreich, Franz 19 Weigelt (stud, theol.) 243 Weinel, Heinrich 67 Weinsheimer, Heinrich 198 Weirich, Wilhelm 2 4 5 Weiser, Artur 48, 104, 153, 2 3 7 , 307, 309, 312 Weiß, Konrad 333 Wendel, Adolf 171, 388 Wendland, Heinz-Dietrich 31 f., 171, 2 1 5 , 381 f. Werkmeister, Herbert 2 6 0 f., 2 6 5 , 267-271, 274, 297 Werner, Friedrich 307, 3 4 6 , 348 Werner, J . (Prof.) 361 Weth, Gustav (Vikar) 143

Widukind (Sachsenführer) 54 Wiefel, Wolfgang 12 Wiedenhoeft, Bernhard 3 9 7 Wieneke, Friedrich 151, 2 3 8 , 4 1 9 f. Wiesengrund, Theodor, s. Adorno, Theodor W. 71 Wilkens, Erwin 273 Wilson, Woodrow 18 Windisch, Hans 24, 3 5 3 , 3 7 4 f. Winkel, Erich 4 4 4 Winkler, Eberhard 12 Winkler, Robert 53-55, 154, 156 f., 2 5 2 , 2 9 6 , 3 2 5 , 333, 3 4 8 , 3 7 0 f., 3 9 0 , 4 0 2 Wischmann, Adolf 2 7 2 Witte, Johannes 102,137,154, 2 9 4 , 316 f., 3 2 9 , 344f., 385, 403 Wobbermin, Georg 99, 107, 127130, 143, 3 3 3 , 3 4 6 , 348, 3 8 4 Wolf, Ernst 75, 181, 2 6 6 , 367 Wolff, Hans Walter (Vikar) 2 6 2 Wolgast, Eike 3, 5, 7, 10, 2 2 3 , 4 4 5 - 4 4 8 , 4 5 1 f., 4 5 4 - 4 5 6 Woskin (Lektor) 64 Wünsch, Georg 15, 74 f., 179 Wurm, Theophil 96, 135, 179, 220, 419, 434, 449 Zänker, Otto 2 1 5 , 2 9 6 Zahn, Theodor 352 Zarathustra 54 Zeller, Winfried 3 4 2 Ziegel, Friedrich 2 5 0 Ziegler, Matthes (Matthäus) 343 Zipfel, Friedrich 4 4 5 f., 451 Zoellner, Wilhelm 103, 145, 2 5 0 Zscharnack, Leopold 421

Begriffsregister

Arierparagraph, kirchlicher 374

237,

- theologische Stellungnahmen 116-133 Arische Nachweise, politisch 626 5 , 2 7 8 , 2 8 0 f., 3 5 8 f. Ausbildungsstätten, bekenntniskirchliche 156-170; 175-177; 189-210. - Memorandum Schliers 170-177 - Stellungnahme Rudolf Hermanns 159-165 - Verbot 196 Bekennende Kirche - Professoren 177-188 - Barmer Bekenntnissynodale 1 8 0 f. - BK-Synode Augsburg 1 4 4 , 1 8 2 , 1 8 7 , 2 9 1 , 2 9 7 , 3 2 8 f. - Hochschulausschuß der Synode 1 8 0 f. - Kritik 1 8 4 - 1 8 7 - Erfurter Kreis 1 8 2 f. - Prüfungsaktivitäten 11, 9 6 , 1 4 8 f., 158, 173, 177, 208, 267, 346 - Theologiestudentenämter 194, 230, 260-265, 271-274 - Vertrauensleute an den Fakultäten 1 8 3 f. Bekenntnissynoden - Hochschulbeschlüsse der Augsburger Bekenntnissynode (4.-6. Juni 1 9 3 5 ) 1 5 8 f., 1841 8 8 , 1 9 5 f., 2 6 1 , 3 2 8 - 3 3 0 - altpreußische BK-Synode, Vierte ( 1 6 . - 1 8 . Dezember 1 9 3 6 ) 1 4 9 f., 2 0 8 , 2 6 5 f.

- Reformierte Synode Siegen, Zweite 1 8 9 f., 1 9 3 , 1 9 5 - Rheinische Bekenntnissynode, Vierte 1 9 4 f.; Sechste 149 Berufsbeamtengesetz 6 2 - 6 6 ; 1 1 6 1 2 2 , 3 5 2 f., 3 6 3 - Auswirkungen, Fälle 6 2 - 9 6 - Nichtarierbestimmungen 63-65, 1 1 6 ; 3 5 8 f. Berufungspolitik 352-391 - Besetzungspolitik, allgemein 352-365 - Fallstudien: Berlin 3 8 3 - 8 6 ; Bonn 3 6 5 - 3 7 3 ; Breslau 387-391; Kiel 3 7 4 - 3 8 2 (Memorandum Rengstorf 3 7 8 - 3 8 0 ) - Forderungen, deutschristliche 150-155 - Kämpfe, richtungspolitische 313-352 - Kritik, bekenntniskirchliche 155-177 Bestandsgarantien der Theologischen Fakultäten 2 - 9 - evangelische und katholische Fakultäten (Anzahl) 5 - 7 , 4 5 0 , 452, 454 Bethel, Theologische Schule 210221 Denkschriften und Beschwerden an Staats- und Parteistellen - allgemein 4 1 9 - 4 3 5 ; 4 3 6 - 4 6 5 - Prof. Entz 4 2 6 , 4 3 4 f. - Prof. Fabricius („Innere Rüstung") 427-434 - Prof. Hans Schmidt 4 0 9 - 4 1 4 , 420, 436-440

498

Begriffsregister

- Prof. Stolzenburg 4 1 7 f. - D r . Wieneke 4 1 9 f. - Entwurf Ernst Benz 4 2 5 - Entwurf H . W . Beyer/H. Bornkamm 4 4 0 Deutsche Christen - Mitgliedschaft von Professoren 153-155, 170-172, 2 3 7 f. - Arbeitgemeinschschaft junger Theologen 246, 251 - Reichskirchliche Hochschultagung 252 - Studentenkampfbund D C 235239 Dozentenakademie 359-363, 4 4 2 f. Elberfeld, Theologische Schule 197-200 - Schließung 2 0 7 Erklärungen von Universitätstheologen, Öffentliche - zu Arierparagraphen und Judenfrage 116-133 - „Bitte an den Führer" (Herbst 1934) 325-327 - „Wort deutscher Theologen" (Herbst 1935) 332-337 - Erklärung der Bonner Fakultät (1. Jan. 1936) 334 f. - Marburger Professoren in „Times" (11. Januar 1936) 179 f. - Proteste, kirchenpolitische u.a. 134-149 Fachschaften, theologische - Fachschaftsberichte: Berlin 230; Bethel 231; 242-244; Bonn 231, 233-235 f.; Breslau 255259; Elberfeld 231, 2 5 0 f.; Erlangen 2 4 7 f.; Gießen 231, 241, 269; Göttingen 271-273; Halle 232; 269-271; H e r r n h u t

249 f.; Heidelberg 231; Kiel 231; Königsberg 230, 271; Leipzig 2 4 8 f., 275; M a r b u r g 240 f., 2 4 5 f. Münster 244 f.; Tübingen 2 3 0 f.; 246 f. - M i t g l i e d e r s t a n d 231 f. - Vorgeschichte; Organisationsstruktur 222230 - Reaktivierungsversuche 267-271 - Satzung (Bonn) 234 f. Fakultätentag, evangelischtheologischer - Aktivitäten 97-115, 225 f.; 291312 - Fakultätsexamen 291-306 - Status; Theologentage 97 f. - Studienreform 306-312

Gleichschaltung der Länder (Gesetze vom 7./25.April 1933; 14. O k t o b e r 1933; Reichsstatthaltergesetz vom 30. J a n u a r 1934) 9 f.; 356 Gutachten - zur Juden- und Nichtarierfrage 116-133 - zu Lehre, Kirchenverfassung, Kirchenpolitik, 134-149

„Himmler-Erlaß" (30. August 1937) 148 f., 177, 208, 2 6 7 Anm. 99, 346; s. auch Bekennende Kirche, Prüfungsaktivitäten Hochschule, Kirchliche (für reformatorische Theologie) - G r ü n d u n g 189-198 - Kritik 201-207 - Verbot 196; 208-210 - Berlin 208-210 - Elberfeld 198-208

Begriffsregister

Korporationswesen, studentisches 2 4 1 f., 2 7 5 - 2 9 0 - Allgemeinen Deutscher Waffenring, Gleichschaltung (24. April 1934) 2 7 8 - „Gemeinschaft Studentischer Verbände", G r ü n d u n g (12. J a n u a r 1935) 2 8 2 - Studentenverbindung „Wingolf" 2 7 9 - 2 8 1 ; 2 8 3 f.; 2 8 8 f. - historische G r ü n d u n g s d a t e n 2 7 9 - „Selbstauflösung" (23. Februar 1936) 2 8 4 - Verbot der Korporationszugehörigkeit für Angehörige der N S D A P und ihre Gliederungen (14. M a i 1936) 2 8 7 f. - Auflösung aktiver Studentenverbindungen (Frühjahr 1936) 2 8 5 - Auflösung der Altherrenverbände (1938) 2 8 9 - „Verband Deutscher Burschenschaften" (Leipziger A b k o m m e n , O k t o b e r 1935): Korporative Eingliederung in NS-Studentenbund 284 - Liquidation (Pfingsten 1936) 284-290 M e m o r a n d e n und Eingaben s. Denkschriften

NSDAP, einzige Partei (Gesetz gegen N e u b i l d u n g von Parteien vom 14. Juli 1933) 65 NSDAP-Mitgliedschaft - SA-Zugehörigkeit, studentische 239-243, 245, 412, 426, 431 (Professoren) - Mitgliedersperre der NSDAP, Aufhebung 411

-

499

Parteizugehörigkeit, Parteianwärterschaft 2 8 8 , 348 f., 407, 4 1 1 - 4 1 5 , 4 2 6 .

Pressepolemik, nationalsozialistische - d e u t s c h g l ä u b i g e 2 4 8 f., 3 9 2 - 4 0 2 - parteiamtliche 4 1 5 - 4 2 0

Ökumenische Aktivitäten 338-340; 4 2 7 f.

331,

Reichsbeamtenlager s. Dozentenakademie Reichswissenschaftsministerium - G r ü n d u n g (1. M a i 1934) 9 f., 112, 356, 364 - Kirchenpolitische Betätigung (Erlasse) 140-149, 183, 193 f. - Hochschullehrergesetz vom 21. J a n u a r 1935 352 f. - Personalpolitik, Zentralisierung (Runderlaß vom 23. Februar 1935) 10, 3 3 0 , 356 - Mitwirkungsbefugnis des „Stellvertreters des Führers" (Erlaß vom 24. September 1935) 10,330 - Reichshabilitationsordnung vom 13. Dezember 1934 88 f., 93 Anm. 88, 354-356, 358-360. - Entzug der „Lehrbefugnis" (Venia legendi) 88-96 - D V O vom 17. Februar 1939: „Dozenten neuer O r d n u n g " (ab 30. September 1939); 89 Restriktionen - Ausbildungsbeihilfen, Entzug von 408-411 - Ausgrenzung aus dem NSStudentenbund 4 0 9 f. - Ausschlußverfügungen aus der SS 4 0 3 f., 431

500

Begriffsregister

- Ausscheiden aus der SA 273, 405-408, 431 f. - „Erntedienst", Ausschluß vom 409 - Liquidierungsversuche von Fakultäten: Kiel 202; 377; Leipzig 440-444, 449 f. - „Richtlinien für die Parteiaufnahme von Volksgenossen" („parteiunwürdige" Gruppen) 407; „Parteifähigkeit" von Theologen, umstrittene 411415 - Studienförderung, versagte 410 - Religionsunterricht, Beschränkung 422 - Verlagswesen und Buchhandel, Drosselung 422-426 - Zusammenlegungs- und Reduktionspläne 440-448, 451 - „Reichsuniversitäten" Straßburg und Posen ohne theol. Fakultäten 452 Schrifttumsprüfstelle 341-344 Studentenbund, Nationalsozialistischer 276-279, 282-289 Studentenfrequenz 446 f., 452-455 - Kriegsgefallene (1. Weltkrieg) 438, A. 6 Studentenschaft, Deutsche

- Anerkennung ihrer Verfassung am 18. Mai 1933 232 - Struktur 232 f. - Unterstellung studentischer Verbände unter NSStudentenbund (20. Januar 1934) 277 - Verfassung vom 7. Februar 1934 277 - Abgabe der Erziehungsarbeit an NS-Studentenbund (14. November 1934) 277 Studentenverbindungen s. Korporationswesen, studentisches Studienreform 224, 228-231 254256; 257-259 (Denkschrift K. Bornhausens), 271 f., 306-312 Trimestereinteilung bei Kriegsbeginn 448-451 - offene und geschlossene Fakultäten im ersten Kriegssemester 448, 450 Wehrmachtsbetreuung, theologischfachliche - Feldunterrichtsbriefe 457-460 - Kriegsnotprüfungen und Studienurlaub 456 f. Wissenschaftsverständnis 27-61, 155, 176, 189 f., 206 f., 306-312, 461-465

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Adolf von Harnack als Zeitgenosse Reden und Schriften aus den Jahren des Kaiserreichs und der Weimarer Republik Teil 1: Der Theologe und Historiker Teil 2: Der Wissenschaftsorganisator und Gelehrtenpolitiker Herausgegeben und eingeleitet von Kurt Nowak 23,0 χ 15,5 cm. Teil 1: XIV, 972 Seiten. Teil 2: X, Seiten 973 - 1.683. 1996. Ganzleinen DM 460,- / öS 3.588,- / sFr 436,- ISBN 3-11-013799-2 Nachdruck der wichtigsten wissenschafts- und kulturpolitischen Schriften Adolf von Hamacks (1851-193o) in Verbindung mit seinen für ein breites Publikum bestimmten Vorträgen und Aufsätzen über Christentum und Geschichte. Wissenschaftskultur und Gelehrtenpolitik im Deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Republik stehen im Schnittpunkt des Interesses zahlreicher Disziplinen. Dem Beitrag protestantischer Theologen und Wissenschaftspolitiker kommt dabei besondere Bedeutuung zu. Harnack zählte zu den einflußreichsten Wissenschaftspolitikern seiner Zeit. Der Herausgeber ist Ordinarius für Kirchengeschichte an der Universität Leipzig.

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STEFAN REBENICH

Theodor Mommsen und Adolf Harnack Wissenschaft und Politik im Berlin des ausgehenden 19. Jahrhunderts 23,0 χ 15,5 cm. Etwa 800 Seiten. 1996. Ganzleinen etwa DM 280,- / öS 2.184,- / sFr 276,- ISBN 3-11-015079-4 Edition der umfangreichen Korrespondenz zwischen Mommsen und Harnack mit ausführlichen Kommentierungen. Auswertung und Erschließung von weiterem Archivmaterial (u.a. zur Geschichte der Kirchenväterkommission). Aus dem Inhalt: Wissenschaftspolitik in Berlin: Die Friedrich-Wilhelms-Universität - Großwissenschaft und Wissenschaftsorganisation - Die Preußische Akademie der Wissenschaften - Mommsen, Harnack und das »System Althoff«. Die Kirchenväterkommission: Die Anfänge der Kommission - Die Griechischen Christlichen Schriftsteller - Die Prosopographia Imperii Romani saec.IV.V.VI. Der politische Professor und der Gelehrtenpolitiker: Mommsen und der Liberalismus - Der Fall Spahn - Mommsen und England Evangelisch-soziale und gouvernementale Politik. Briefedition mit ausführlichem Kommentar Habilitationsschrift. Der Autor ist Privatdozent für Alte Geschichte an der Universität Mannheim. Preisänderung vorbchallen

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