Die Subventionsordnung: Ein Beitrag zur finanzwirtschaftlichen Ordnungspolitik [1 ed.] 9783428482160, 9783428082162

Die Hauptziele der Arbeit bestehen darin, die Ursachen attestierter Unzulänglichkeiten im Subventionsbereich auszuleucht

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German Pages 307 Year 1995

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Die Subventionsordnung: Ein Beitrag zur finanzwirtschaftlichen Ordnungspolitik [1 ed.]
 9783428482160, 9783428082162

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Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts Band 21

Die Subventionsordnung Ein Beitrag zur finanzwirtschaftlichen Ordnungspolitik

Von

Markus Nieder-Eichholz

Duncker & Humblot · Berlin

Markus Nieder-Eichholz

• Die Subventionsordnung

Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts herausgegeben von

Heinz Grossekettler, Münster • Bernhard Großfeld, Münster Klaus J. Hopt, München - Christian K i r c h n e r , Hannover Dieter Rückle, T r i e r * Reinhard H. Schmidt, F r a n k f u r t / M a i n

Band 21

Die Subventionsordnung Ein Beitrag zur finanzwirtschaftlichen Ordnungspolitik

Von

Markus Nieder-Eichholz

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Nieder-Eichholz, Markus: Die Subventionsordnung : ein Beitrag zur finanzwirtschaftlichen Ordnungspolitik / von Markus Nieder-Eichholz. - Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts ; Bd. 21) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1993 ISBN 3-428-08216-8 NE: GT

D 6 Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5065 ISBN 3-428-08216-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Norm für Bibliotheken

Vorwort Der vorliegende Beitrag zur finanzwirtschaftlichen Ordnungspolitik entstand in der Zeit von November 1990 bis März 1993 am Institut für Finanzwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Im Juli 1993 wurde er durch die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät als Dissertation angenommen. Mein Dank gilt in erster Linie meinem verehrten Lehrer Professor Dr. H. Grossekettler für die hervorragende fachliche und persönliche Betreuung. Auf seine Anregung geht diese Arbeit zur Subventionspolitik zurück. Auch dem Koreferenten der Arbeit, Professor Dr. I. Metze, sowie meinen Kolleginnen und Kollegen danke ich für ihre hilfreichen Kommentare. Schließlich gebührt mein Dank der Graduiertenförderung, die das Entstehen der Arbeit durch ein großzügiges Stipendium unterstützte.

Bonn, im Januar 1994

Markus Nieder-Eichholz

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

17

1. Teil Grundlagen: SubventionsbegrilT und Bedeutung des Subventionswesens in Deutschland und anderen Staaten

20

I. Kapitel Zum SubventionsbegrilT

20

1. Subventionsdefinitionen in der volkswirtschaftlichen Literatur

22

2.

Subventionsabgrenzungen in der Praxis

29

a)

Subventionsabgrenzung der VGR

30

b)

Subventionsdefinition der Subventionsberichte

31

c)

Subventionsabgrenzung der Wirtschaftsforschungsinstitute

33

3. Subventionsbegriff zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs einer Subventionsordnung

37

II. Kapitel Die Bedeutung des Subventionswesens in Deutschland und anderen Staaten

40

1. Bedeutung des Subventionswesens in Deutschland

40

2.

55

Internationaler Vergleich

nsverzeichnis

2 Teil Notwendigkeit einer Subventionsordnung

60

III. Kapitel Ordoliberale Prinzipien der Wirtschaftspolitik als Ausgangspunkt

61

IV. Kapitel Diskussion möglicher Subventionseinsatzfelder 1. Subventionen zur Korrektur allokativer Marktmängel

75 75

a)

Subventionen zur Korrektur externer Effekte

76

b)

Subventionen zur Reduktion von Marktmacht

78

c)

Subventionen zur Bereitstellung von Kollektivgütern

82

d)

Subventionen zur Bereitstellung meritorischer Güter

86

2. Subventionen zur Korrektur distributiven Marktversagens

87

3.

Subventionen zur Korrektur stabilitätspolitischen Marktversagens

91

4.

Fazit

94

Exkurs: Subventionswirkungsanalysen

96 V. Kapitel

Ineffizlenzen der Subventionspolitik: Eine Auswahl

101

1. Mängel bei der Zielformulierung

101

2.

Gefährdung des Strukturwandels

103

3.

Unerwünschte Verteilungswirkungen der Subventionspolitik

104

4.

Subventionsdschungel und Mehrfachsubventionen

105

5. Folgesubventionen

107

6.

109

Beharrungstendenzen von Subventionen und Subventionsmentalität

7. Mitnahmeeffekte

111

8.

113

Subventionswettlauf

nsverzeichnis

VI. Kapitel Analyse der Mangelursachen I: Rechtliche Aspekte zur Zulässigkeit und zu den Grenzen der Subventionierung in der Bundesrepublik Deutschland 1. Verfassungsrechtliche Bestimmungen zur Zulässigkeit und zu den Grenzen der Subventionsgewährung a)

2.

Sozialstaatsprinzip

9

115

115 116

b) Art. 109 Abs. II GG

117

c)

Sonstige Ermächtigungsgrundlagen

118

d)

Art. 2 GG

119

e)

Art. 3 GG

120

f)

Art. 12 und Art. 14 GG

120

g)

Übermaßverbot

121

Bestimmungen der Haushaltsordnungen und des HGrG . . .

122

a)

§ 7 Abs. I BHO (Wirtschaftlichkeitsprinzip)

122

b)

§ 23 BHO (Zuwendungen)

124

c)

§§44 und 44 a BHO

125

3. Beihilfenrecht der Europäischen Gemeinschaft

127

4.

136

Subventionsregelungen des GATT

5. Fazit

140

VII. Kapitel Analyse der Mängelursachen II: Verhaltensweisen der am Subventionsprozeß Beteiligten

141

1. Vorbemerkungen

141

2. Das Verhalten der Politiker

143

3. Verhalten der Verwaltung

148

4.

Das Verhalten der potentiellen Subventionsnachfrager

154

5.

Das Verhalten der Subventionsgeschädigten

160

10

nsverzeichnis

6. Die Handlungen der Rechnungshöfe und Gerichte als Kontrolleure der Subventionspolitik

162

7. Zusammenfassung

165

VIII. Kapitel Analyse der Mangelursachen III: Wege zur Erhöhung der Beherrschbarkeit im Subventionswesen und zur Eindämmung von Subventionen In der Praxis

167

1. Strategien zur Erhöhung der Beherrschbarkeit im Subventionswesen in der Bundesrepublik Deutschland

168

a)

b)

Das System der Subventionsberichterstattung

168

(1)

Subventionsberichterstattung des Bundes

170

(2)

Berichterstattung der Länder und Gemeinden

175

Verankerung subventionspolitischer Grundsätze

182

2. Lineare Subventionskürzung in der Schweiz

186

3. Zusammenfassung

190

3. Teil Die Subventionsordnung

192

IX. Kapitel Grundlagen: Definition, Funktionen und Anforderungen

192

X. Kapitel Grundsätze der Subventionsordnung

194

1. Grundsatz der Bestimmtheit der Subventionsziele

194

2.

Grundsatz der ökonomischen Begriindbarkeit der Subventionsziele

197

3.

Grundsatz der Zielkonformität der Subventionsvergabe

201

a)

Einsatzstelle der Subvention möglichst nah am Destinatar

202

b)

Effiziente Ausgestaltung der Subventionsbemessungsgrundlage

205

c)

Zweckbindung der Subventionen durch Auflagen

206

nsverzeichnis 4.

11

Grundsatz der Erforderlichkeit der Subventionsvergabe

209

a)

Prüfung von Alternativen

210

b)

Bevorzugung von Finanzhilfen gegenüber Steuervergünstigungen

212

c)

Adäquate Wahl der Finanz- und Finanzierungshilfen

222

(1)

Bürgschaften

223

(2)

Garantien

226

(3)

Darlehen

228

(4)

Schuldendiensthilfen

231

(5)

Zuschüsse

233

(6)

Fazit

234

d)

Befristung, degressive Staffelung, Eigenbeteiligung

236

5.

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Subventionsvergabe

237

6.

Grundsatz der Abgestimmtheit der Subventionsvergabe

244

7.

Grundsatz der Gesetzmäßigkeit

248

8.

Grundsatz der Durchführung periodischer Erfolgskontrollen

252

9.

Grundsatz der Umgestaltung und des Abbaus von Subventionen

255

XI. Kapitel Vorschläge zur Sicherstellung der Einhaltung der Subventionsgrundsätze

266

1. Subventionsgrundsätzegesetz

266

2.

268

Rechnungshöfe als Kontrollinstitutionen

3. Klagebefugnis für die Rechnungshöfe

275

Zusammenfassung

279

Literaturverzeichnis

285

Verzeichnis der Tabellen Tabelle 1:

Tabelle 2:

Tabelle 3:

Abgrenzungsunterschiede der in der Praxis verwendeten Subventionsbegriffe

35

Subventionen in der Bundesrepublik Deutschland von 1951 bis 1967

42

Entwicklung der Subventionen in der Bundesrepublik Deutschland von 1970 bis 1990

47

Tabelle 4:

Subventionen nach Wirtschaftsbereichen in Deutschland 1990

51

Tabelle 5:

Subventionsbedeutung in verschiedenen Wirtschaftssektoren

52

Tabelle 6:

Subventionen in ausgewählten OECD-Staaten

56

Tabelle 7:

Übersicht der "dienstältesten" Subventionen nach dem 13. Subventionsbericht

110

Stellungnahmen der Kommission zu staatlichen Beihilfen, mit Ausnahme der Beihilfen für Landwirtschaft, Fischerei und Verkehr . . . .

134

Tabelle 9:

Subventionsberichterstattung der Länder

179

Tabelle 10:

Lineare Kürzung von Bundesleistungen in der Schweiz 1981 bis 1985 (in Mrd. sfr)

188

Vergleich der Belastungseffekte der unterschiedlichen Zinssubventionierungsmethoden

232

Zahlenbeispiel für die Kürzung von Subventionen

263

Tabelle 8:

Tabelle 11:

Tabelle 12:

Verzeichnis der Abbildungen Abbildung 1:

Abbildung 2:

Ausprägungsformen von Subventionen im Schrifttum - eine Auswahl

27

Subventionen in der Bundesrepublik Deutschland von 1951 bis 1967

43

Abbildung 3:

Subventionen nach Wirtschaftsbereichen 1959 und 1967

45

Abbildung 4:

Subventionen in der Bundesrepublik Deutschland von 1970 bis 1990

48

Abbildung 5:

Subventionen in Prozent des Bruttosozialprodukts 1990

58

Abbildung 6:

Grundschema zur Prüfung wirtschaftspolitischer Maßnahmen

69

Abbildung 7:

Hauptwirkungsverläufe beim Subventionsempfänger

98

Abbildung 8:

Beihilfenkontrollverfahren der EG

132

Abbildung 9:

Beispiele für operationalisierte Subventionsziele

196

Abbildung 10: Primärenergieverbrauch in der Bundesrepublik Deutschland 1950 und 1990 (in Petajoule)

200

Abbildung 11: Direkte vs. indirekte Subventionierung

204

Abbildung 12: Wohlfahrtseffekte von Transfers mit Empfangs- und Verwendungsauflagen

208

Abbildung 13: Formen von Steuervergünstigungen

214

Abbildung 14: Betrachtete Kosten und Nutzen innerhalb der KNU "Förderung der Erstaufforstung"

241

Abbildung 15: Prüfschema zur Beurteilung der ökonomischen Legitimität von Subventionsprogrammen

270

Abkürzungsverzeichnis Abb. Abs. AG Anl. Art. Aufl.

Abbildung Absatz Aktiengesellschaft Anlage Artikel Auflage

Bd. BierStG BfA bfr BHO BR BRHG BSP M bspw. BT BVerfGG bzw.

Band Biersteuergesetz Bundesanstalt für Arbeit Belgische Franc Bundeshaushaltsordnung Bundesrat Bundesrechnungshofgesetz Bruttosozialprodukt (zu Marktpreisen) beispielsweise Bundestag Bundesverfassungsgerichtsgesetz beziehungsweise

ca. c. p.

circa ceteris paribus

d. h. Diss. DIW dkr DM dra Drs.

das heißt Dissertation Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Dänische Kronen Deutsche Mark Griechische Drachmen Drucksache

EAGFL EG ERP esc EStG et al. etc. e. V.

Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft Europäische Gemeinschaft European Recovery Program Portugiesische Escudos Einkommensteuergesetz und andere et cetera eingetragener Verein

Abkürzungsverzeichnis

EWG EWGV

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

f. FAZ ff ff. Fn.

folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung Französische Francs fortfolgende Fußnote

GATT gem. GewStG GG ggf. GmbH GO GWB

General Agreement on Tariffs and Trade gemäß Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gemeindeordnung/Geschäftsordnung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

HdF HdWW hfl HGrG h. M. Hrsg.

Handbuch der Finanzwissenschaft Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft Holländische Gulden Haushaltsgrundsätzegesetz herrschende Meinung Herausgeber

i. d. R. i. e. S. IfW insbes. i. w. S.

in der Regel im engeren Sinne Institut für Weltwirtschaft insbesondere im weiteren Sinne

Jg.

Jahrgang

k.A. KfW

keine Angabe Kreditanstalt für Wiederaufbau

LAF LHO Lit LRHG

Lastenausgleichsfonds Landeshaushaltsordnung Italienische Lire Landesrechnungshofgesetz

m m. a. W. Mio. mm Mrd.

Meter mit anderen Worten Millionen Millimeter Milliarden

N. F. No. Nr. NRW

Neue Folge Numero Nummer Nordrhein-Westfalen

15

16

Abkürzungsverzeichnis

OECD o. V.

Organization for European Cooperation and Development ohne Verfasser

p. a. PKW ptas

pro anno Personenkraftwagen Spanische Pesetas

rd. resp. RWI

rund respektive

S. SalzStG sfr SKE skr Sp. StGB StWG

Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung Seite(n)

t Tab. TabakStG Tsd. Tz.

Salzsteuergesetz Schweizer Franken Steinkohleneinheiten Schwedische Kronen Spalte Strafgesetzbuch Stabilitäts- und Wachstumsgesetz Tonnen Tabelle Tabaksteuergesetz Tausend Textziffer

u. a. u.a.O. UStG usw.

und andere/unter anderem und andere Orte Umsatzsteuergesetz und so weiter

VersStG vgl. VGR v. H. Vol. VstG VwVfG

von Versicherungsteuergesetz vergleiche Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen vom Hundert Volume Vermögensteuergesetz Verwaltungsverfahrensgesetz

WiSt WISU

Wirtschaftswissenschaftliches Studium Das Wirtschaftsstudium

z. B. z. T.

zum Beispiel zum Teil

Einleitung Am 9. Dezember 1958 widmete der damalige Bundesminister der Finanzen, Franz Etzel , einen bedeutsamen Teil seiner Haushaltsrede der Gewährung von Subventionen und betonte hierbei insbesondere die negativen wirtschaftspolitischen Effekte dieser Staatsleistungen.1 Diese Rede löste eine Anfrage der Deutschen Partei aus, in der die Bundesregierung zu einer - bis dato nicht existierenden - Zusammenstellung der gewährten Subventionen ersucht wurde, und war insofern der Wegbereiter einer verstärkten öffentlichen Diskussion zum Thema "Subventionen" in Deutschland. Der Diskussionsgegenstand hat bis heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Er ist vielmehr zum "Dauerbrenner" politischer und theoretischer Auseinandersetzungen avanciert. Der hohe Stellenwert der Subventionspolitik in der öffentlichen Debatte ist insbesondere der Aufdeckung immer neuer Subventionsskandale, Mittelverschwendungen und Ungerechtigkeiten bei der Vergabe von Förderleistungen zuzuschreiben. Zum schlechten Image der staatlichen Förderleistungen trägt weiterhin bei, daß sie unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten vielfach negativ beurteilt werden. Vermehrt in finanzpolitischen Krisenzeiten wird - dem "Diktat der leeren Kassen" folgend daher von Politikern aller Couleur regelmäßig die gutklingende, zumeist aber nicht näher konkretisierte Forderung nach einem umfassenden Subventionsabbau aufgestellt. Vor diesem Hintergrund erscheint es sonderbar, daß eine umfassende Eindämmung der Subventionsvergabe bislang nicht zustande kam, und einzelne Streichaktionen zumeist nur eine geringe Einschränkung weniger Förderleistungen bewerkstelligen konnten. Hier kommt zum Ausdruck, daß die Durchsetzung ökonomischer Rationalität im Subventionswesen einen tiefen Einschnitt in gewährte Vergünstigungen und Sondervorteile implizieren würde, der mit den Interessenstrukturen von Subventionsempfängern und -gebern nicht in Einklang zu bringen ist. Weil die Aktivitäten

1

Vgl. Etzel , F. (1958), S. 2885 f.

2 Nieder-Eichholz

18

Einleitung

dieser Gruppen derzeit nicht durch bindende Regeln so eingedämmt werden, daß sie ökonomischen Effizienzanforderungen genügen, kann hier von einem Ordnungsdefizit im Subventionsbereich gesprochen werden. Ein erstes Ziel dieser Arbeit ist es, dieses Defizit näher auszuleuchten und insbesondere die Ursachen der subventionspolitischen Ineffizienzen aufzuspüren. Außerdem sollen hier die ökonomischen Anforderungen an eine Subventionsordnung entworfen werden. Hierfür bietet es sich an, die ökonomischen Effizienzanforderungen in die Gestalt von rechtlich bindenden Subventionsgrundsätzen zu kleiden. Vergleichbare Grundsätze werden in der Finanzwissenschaft bereits seit langem auf dem Gebiete der Besteuerung diskutiert und sind auch in der Form von Budgetgrundsätzen im deutschen Haushaltsrecht fixiert. 2 Spezielle Subventionsgrundsätze sind dagegen - wenn überhaupt - nur rudimentär ausgeprägt und werden zumeist nicht näher in bezug auf ihre ökonomische Sinnhaftigkeit diskutiert. Diese Arbeit soll daher einen Beitrag dazu leisten, auch im Subventionsbereich eine verstärkte Hinwendung zu ordnungspolitischen Fragestellungen und Gedanken zu etablieren. Um den aufgezeigten Intentionen Rechnung tragen zu können, wird folgender Gang der Untersuchung gewählt: Der erste Teil der Arbeit widmet sich den Grundlagen des Subventionswesens. Hier gilt es zunächst, den - in Theorie und Praxis - strittigen Subventionsbegriff näher zu umreißen und somit das zentrale Erkenntnisobjekt der Arbeit genau zu charakterisieren. Um den Stellenwert der Subventionsvergabe in der Praxis zu verdeutlichen, wird daraufhin ein knapper Abriß der Subventionsentwicklung in Deutschland sowie ein Überblick über die Bedeutung der Subventionsvergabe in anderen ausgewählten Staaten gegeben. Aufbauend auf diesen Grundlagen wird im zweiten Teil der Arbeit versucht, die Notwendigkeit einer Subventionsordnung darzulegen. Um die Beurteilung der Subventionsvergabe vornehmen zu können, bedarf es hier zunächst der Aufstellung eines Referenzsystems. Daraufhin wird - vor dem Hintergrund dieses Systems - eine Analyse potentiell legitimer Einsatzfelder von Subventionen vorgenommen. Dieser Schritt ist Voraussetzung für die folgenden Überlegungen, weil eine Ablehnung jeglicher Subventionsgewährung die Aufstellung subventionspolitischer Vergabegrundsätze im Rahmen einer Subventionsordnung obsolet machen würde. Nach dem

Vgl. zu den Besteuerungsgrundsätzen Neumarlc, F. (1970), zu den Budgetgrundsätzen statt vieler Senf, P. (1977), S. 371 ff.

Einleitung

Aufzeigen möglicher Einsatzfelder der Subventionsvergabe werden Mängel der Subventionspolitik dargestellt, um zu zeigen, daß die praktizierte Politik vielfach nicht mit den ökonomischen Effizienzanforderungen übereinstimmt. Bevor ein Verbesserungsvorschlag zur Eliminierung derartiger Soll-Ist-Differenzen aufgestellt werden kann, ist eine umfassende Analyse der Mängelursachen vonnöten. Dabei ist eine fächerübergreifende Betrachtungsweise unabdingbar. Das Herausfiltern der Ursachen der Ineffizienzen beginnt insofern mit der Analyse der subventionsrechtlichen Bestimmungen in Deutschland. Hier soll insbesondere geprüft werden, ob Lücken bzw. Unzulänglichkeiten der herrschenden Rechtsordnung für ein Auseinanderfallen von Legalität (Übereinstimmung der Subventionsvergabe mit dem positiven Recht) und Legitimität (Übereinstimmung der Subventionsvergabe mit aus ökonomischer Sicht sachgerechten Normen) im Subventionsbereich ursächlich sein können. Nach dieser rechtlich-institutionellen Betrachtung werden im folgenden Kapitel sozialwissenschaftliche Aspekte in die Arbeit integriert. Hier wird das Verhalten der am Subventionsprozeß Beteiligten daraufhin untersucht, ob es für die aufgefundenen subventionspolitischen Ineffizienzen ursächlich sein kann. Schließlich widmet sich der letzte Abschnitt des zweiten Teils der Effektivität praktizierter, systematischer Subventionseindämmungsversuche, die als potentielle Substitute einer Subventionsordnung eingestuft werden können. Erst die Unzulänglichkeit derartiger Versuche läßt es gerechtfertigt erscheinen, von der Notwendigkeit einer Subventionsordnung zu sprechen. Im dritten Teil der Arbeit wird daraufhin die in Rede stehende Subventionsordnung konkretisiert. Nach einer Darstellung der Anforderungen und Funktionen eines derartigen institutionellen Arrangements werden die einzelnen Subventionsgrundsätze näher diskutiert. Diese Prinzipien sollen die Verhinderung und den Abbau illegitimer Subventionen erleichtern und für eine effiziente Gestaltung legitimierbarer Subventionen Sorge tragen. Anschließend wird aufgezeigt, wie eine Orientierung der Subventionsgeber an diesen Grundsätzen und somit die Beachtung ordnungspolitischer Prinzipien im Subventionsbereich sichergestellt werden kann. Eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse beendet die Arbeit.

1. Teil

Grundlagen: SubventionsbegrifT und Bedeutung des Subventionswesens in Deutschland und anderen Staaten I. Kapitel

Zum SubventionsbegrifT Für die nachfolgende Untersuchung ist es notwendig, zunächst den Begriff des zentralen Untersuchungsobjekts "Subvention" zu klären, um Mißverständnisse, die aus Abgrenzungsschwierigkeiten resultieren könnten, auszuschließen. Diese Begriffserläuterung und -abgrenzung ist Voraussetzung einer erfolgreichen "Therapie" des Subventionsproblems im Sinne einer Subventionsordnung. Die Häufigkeit der Verwendung des Subventionsbegriffs in verschiedenen Wissenschaftszweigen (insbesondere in der Volkswirtschaftslehre, der Rechtswissenschaft und neuerdings auch in der Betriebswirtschaftslehre) einerseits sowie in der Praxis (etwa in der aktuellen politischen Diskussion) andererseits könnte zu der Annahme verleiten, daß das Wesen von Subventionen allgemein bekannt ist und sich somit eine Diskussion über den Begriffsinhalt erübrigt. 1 Tatsächlich jedoch existiert sowohl in der Theorie wie auch in der Praxis kein einheitlicher und allgemein gültiger Subventionsbegriff; derselbe war und ist vielmehr Objekt zahlreicher Untersuchungen, wobei - wie Diller ironisch anführt - die Zahl der Definitionen i. d. R. proportional zur Zahl der Diskussionsteilnehmer ansteigt.2 Diese Begriffsvielfalt 3 in der Subventionsdiskussion ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß die Bildung von Begriffen eine Frage der Zweckmäßigkeit ist, also im Zusammenhang mit dem jeweiligen Untersuchungsziel betrachtet werden muß. Aus der Verschiedenheit der Unter-

1

Vgl. Räber, J. (1965), S. 4.

2

Vgl. Diller, iL D. (1988), S. 200.

3

Hansmeyer, K.-H. (1963a), S. 12 spricht auch von einem "Begriffswirrwarr".

I. Kapitel: Zum Subventionsbegriff

21

suchungszwecke folgt, daß es keine einzelne korrekte Definition einer Subvention geben kann;4 zur Beurteilung verschiedener Subventionsdefinitionen ist somit nicht das Begriffspaar "richtig" oder "falsch", sondern im Hinblick auf das Untersuchungsziel das Begriffspaar "zweckmäßig" oder "unzweckmäßig" heranzuziehen. Der Gebrauch einer unzweckmäßigen Definition führt dazu, daß die Validität der Untersuchungsergebnisse in bezug auf das postulierte Ziel anfechtbar wird. Die Anforderungen an den Inhalt des Subventionsbegriffs unterscheiden sich nun in den verschiedenen Wissenschaftszweigen: So existiert in der Rechtswissenschaft , die den Subventionsbegriff - insbesondere zur Beurteilung des Subventionsverhältnisses - in die Dienste rechtlicher Analysen stellen möchte,5 auf dem Gebiete des Strafrechts seit dem 29.07.1976 bereits eine Legaldefinition (§ 264 Abs. V I StGB),6 deren Übertragung auf andere Rechtsgebiete jedoch nicht einhellig gebilligt wird. 7 In der Betriebswirtschaftslehre wird seit einiger Zeit versucht, die Subventionsproblematik auf die mikroökonomische Ebene zu stellen und gleichzeitig ein betriebliches Subventionsmanagement zu entwickeln.8 Die dazu benötigten Subventionsdefinitionen stellen somit die Unternehmensperspektive in den Vordergrund der Betrachtung.9 Die Volkswirtschaftslehre betont in ihren Subventionsdefinitionen insbesondere die Kennzeichnung einer Subvention als ein Instrument der Wirtschaftspolitik, mit dessen Hilfe der Staat als Leistungsstaat Einfluß auf die sozioökonomische Entwicklung nehmen möchte. Die Ebene der Betrachtung kann, je nach Untersuchungsziel, makro-, meso- oder mikroökonomisch sein. Eine makroökonomische Untersuchung kann z. B. darauf abzielen, die Wirkungen einer Subventionsvergabe auf gesamtwirtschaftli-

4

Vgl. Shoup, C S. (1972), S. 310, Gröbner, B. F. (1983), S. 11.

5

Vgl. Weber, H. (1980), S. 55 f.

6

§ 264 VI StGB lautet: Subvention im Sinne dieser Vorschrift ist eine Leistung aus öffentlichen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht oder nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaften an Betriebe oder Unternehmen, die wenigstens zum Teil 1. ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt wird und 2. der Förderung der Wirtschaft dienen soll. Betrieb oder Unternehmen im Sinne des Satzes 1 ist auch das öffentliche Unternehmen. 7

Vgl. etwa Stober, R (1987), S. 118 f.

8

Vgl. Alewell, K (1965), Reige, J. (1989), S. 25 ff.

9

Vgl. Bös, D. (1973), S. 50, Reige, J. (1989), S. 43.

22

1. Teil: Grundlagen

che Größen wie Sozialprodukt, Einkommensverteilung usw. festzustellen, während mikroökonomisch das Verhalten der an der Subventionierung beteiligten Wirtschaftssubjekte analysiert werden kann. Mesoökonomisch werden hingegen die strukturpolitisch bedeutsamen Aspekte der Subventionsvergabe in den Vordergrund der Betrachtung gestellt. Aus dem bisher Angeführten wird bereits deutlich, daß die Subventionsdefinitionen nicht nur zwischen den einzelnen Wissenschaftszweigen (interdisziplinär), sondern auch innerhalb derselben (intradisziplinär) variieren. Im Rahmen dieser Arbeit soll mithin auf eine Subventionsdefinition zurückgegriffen werden, welche es ermöglicht, den verfolgten Zweck, die ökonomischen Anforderungen an eine Subventionsordnung zu entwerfen, zu realisieren. Hierzu sollen zunächst im Kapitel 1.1. die in der volkswirtschaftlichen Literatur vorkommenden Definitionen analysiert werden. Anschließend sollen im Kapitel 1.2. die Subventionsbegriffe vorgestellt werden, die in der Praxis Verwendung finden. Diese Begriffe stellen die Basis empirischer Untersuchungen dar und sollen deshalb hier insbesondere als Indikatoren der Subventionsbedeutung dienen. Auf die Definitionen in Theorie und Praxis aufbauend soll schließlich im Kapitel 1.3. eine Begriffsbestimmung gefunden werden, die den Anwendungsbereich einer Subventionsordnung umreißt.

1. Subventionsdefinitionen in der volkswirtschaftlichen Literatur Das Wort "Subvention" hat seinen etymologischen Ursprung in dem lateinischen Verbum "subvenire" (= beistehen, zur Hilfe kommen). Die daraus abgeleitete Charakterisierung als Hilfeleistung ist auch Kernpunkt aller in der Literatur vorkommenden Subventionsdefinitionen. Methodologisch betrachtet kann, wie jede Definition, auch eine Subventionsdefinition aufgefaßt werden als eine Gleichung zwischen einem Definiendum und einem Definiens. Diese Gleichungselemente müssen nach dem Kriterium Pascals zur Legitimität einer Definition jederzeit gegeneinander substituierbar sein.10 Das Definiendum heißt in diesem Falle "Subvention", das Definiens ist gemäß der aristotelischen Definitionslehre eine

10

Vgl. Lay, R (1971), S. 260.

I. Kapitel: Zum Subventionsbegriff

23

Menge aus Definitionselementen, bestehend aus einem "genus proximum"11 und einer "differentia specifica". 12 Da in der Literatur darüber Einigkeit besteht, daß eine Subvention eine Hilfeleistung darstellt (genus proximum), sollen im folgenden nur ihre im Schrifttum aufgeführten spezifischen Wesensmerkmale (differentia specifica) erörtert werden, welche - wie bereits oben angeführt wurde - je nach Untersuchungszweck verschieden ausgeprägt sind. Die Kriterien zur Kennzeichnung einer Subvention können durch folgende Fragestellung erfaßt und geordnet werden: ?

Wer

?

leistet was an wen

?

mit welchem Ziel

?

Zur Beantwortung der Frage, wer eine Subvention leistet, sind zwei Sachverhalte zu beachten. Bei Vertiefung des Literaturstudiums ist auffällig, daß im Schrifttum Einigkeit darüber besteht, daß als Subventionsgeber nur die öffentliche Hand resp. der Staat in Frage kommt, womit die Subventionspolitik als Element der öffentlichen Wirtschaftspolitik ausgewiesen werden kann. Während jedoch viele Literaturquellen, insbesondere die Kurzdarstellungen von Subventionen in den volkswirtschaftlichen Lexika, keine

Als "genus proximum" bezeichnet man den nächsthöheren Gattungsbegriff, welchem das zu definierende Objekt untergeordnet werden muß, um seine Natur resp. sein Wesen zu erkennen (vgl. etwa Richert, H. (1929), S. 3). Der nächsthöhere Gattungsbegriff zum Definiendum "Subvention" heißt bspw. "Hilfeleistung". 12 Unter einer "differentia specifica" versteht man diejenigen spezifischen Merkmale, die für die Charakterisierung des zu definierenden Wesens relevant erscheinen und die dieses von anderen unter dem gleichen "genus proximum" stehenden Wesen unterscheiden (vgl. Eisler ; R (1930), S. 84 f., Bös, D. (1973), S. 46ff., Lay, R (1971), S. 266). So wird bspw. ein Sozialtransfer wie eine Subvention als "Hilfeleistung" einzustufen sein (gleiches genus proximum), die jedoch, im Gegensatz zu einer Subvention, ausschließlich zugunsten von privaten Haushalten vergeben wird (anderes spezifisches Merkmal).

24

1. Teil: Grundlagen

nähere Spezifizierung des Subventionsgebers vornehmen,13 unternimmt Freudenberg, der sich als einer der ersten ausführlich mit Subventionen beschäftigte, einen Präzisierungsversuch: Als Subventionsgeber betrachtet er den "Staat selbst... Länder, Provinzen, Kreise, Gemeindeverbände und Gemeinden",14 ferner "die staatlichen Anstalten, öffentlichen Kreditinstitute und andere öffentliche Erwerbsbetriebe..., wenn sie Einkommensbeträge oder marktmäßig nachgefragte Leistungen zu Subventionszwecken unentgeltlich oder verbilligt... zur Verfügung stellen."15 Neben den aufgeführten Institutionen werden häufig auch private Institutionen als Subventionsgeber angesehen, soweit sie durch einen Hoheitsakt des Staates zu einer Mittelvergabe gezwungen werden.16 Als zweiter Sachverhalt in bezug auf die Ausgangsfrage, wer eine Subvention leistet, ist die Charakterisierung der Subventionsquelle anzusehen. Als "Subventionsquelle" bezeichnet man denjenigen, auf dessen Kosten die Subventionsgewährung stattfindet. 17 Die Kosten der Subventionierung trägt letztlich in jedem Falle die Allgemeinheit (Gemeinlastprinzip): 18 Bei Subventionen, die eine Mittelvergabe der öffentlichen Hand an einen noch zu bestimmenden Subventionsempfänger implizieren, muß der Staat die notwendigen Mittel zunächst von der Allgemeinheit via Abgaben, Anleihen etc. erheben, da er selbst originär keine "fiskalischen Ressourcen" besitzt.19 Die Allgemeinheit trägt andererseits auch die Kosten, wenn der Staat dem Subventionsempfänger eine Abgabenminderung gewährt. Die Subvention impliziert dann von der Allgemeinheit zu tragende Opportunitätskosten, da die fehlenden Mittel nun nicht mehr für andere Maßnahmen zur Verfügung stehen, die der 13 Vgl. z. B. Co/m, G. (1927), S. 47, Palyi, M. (1930), S. 153, Hochdörffer, K (1930), S. 9, Pfleiderer; O. (1930), S. 60, Rutz, K (1948), S. 13, Masoin, M. (1956), S. 25, Räber, J. (1965), S. 7 f., Schmölders, G. (1970), S. 232, Andel, N. (1977), S. 491, Recktenwald, H.C. (1983), S. 629, Vahlens Großes Wirtschaftslexikon (1987), S. 673, Gabler Wirtschaftslexikon (1988), Sp. 1828, Woll, A. (1988), S. 681. 14

Freudenberg,

H. E. (1934), S. 26 nennt diese Institutionen "territoriale Subventions-

geber". 15

Freudenberg, H. E. (1934), S. 26; zu weiteren ausführlichen Charakterisierungen des Subventionsgebers vgl. Neumark, F. (1933), S. 548 und Steffens, M. (1936), S. 9 f. 16

Vgl. Meinhold, W. (1959), S. 238, Gundlach, H.-J. (1965), S. 8, Berthold,

U. (1967),

S. 17 f. 17

Vgl. Payli, M. (1930), S. 153, Meinhold, W. (1959), S. 240.

18

Schmölders, G. (1970), S. 234 spricht auch von einer Sozialisierung der Last; vgl. weiterhin Gröbner, B. F. (1983), S. 1 und Brümmerhoff D. (1987), S. 69. 19

Vgl. Payli, M. (1930), S. 153, Meinhold, W. (1959), S. 240.

I. Kapitel: Zum Subventionsbegriff

25

Allgemeinheit möglicherweise einen höheren Nutzen stiften würden, oder bei konstantem Bedarf aus anderen, die Allgemeinheit belastenden Abgabequellen gedeckt werden müssen. Die zweite Frage , die zur Kennzeichnung von Subventionen beantwortet werden muß, ist die nach der Art der Leistung (was wird geleistet?). Subventionen wurden schon früh als "Sonderunterstützungen" charakterisiert, 20 die sich von allgemeinen Hilfeleistungen unterscheiden, deren Empfängerkreis nicht nach exakten Kriterien abgegrenzt werden kann.21 Durch diese Einordnung wird der diskriminierende Charakter der Leistung offensichtlich, welcher dem Gemeinlastprinzip entgegensteht. Weiterhin wesentlich zur Abgrenzung der Art der Leistung ist die Frage nach der Gegenleistung . In diesem Punkte besteht die einhellige Meinung im Schrifttum, daß der Subvention eine gleichwertige marktliche Gegenleistung fehlt, so daß die Subventionierung außerhalb der Sphäre des tauschwirtschaftlichen "do ut des" stattfindet. 22 Gleichwohl ist der Staat nicht legitimiert, etwas zu verschenken,23 so daß die Majorität der Autoren als (nichtmarktliches) Korrelat zur Subventionsleistung ein bestimmtes Verhalten des Subventionsempfängers interpretiert, welches durch Auflagen in Verbindung mit der Subventionsgewährung hervorgerufen werden kann.24 In diesem Sinne kann man die Subventionen weder eindeutig als einseitige Transferleistungen noch aufgrund der fehlenden marktlichen Gegenleistung - als Käufe klassifizieren, so daß die Grenzen von Pigous Einteilung der Staatsausgaben in diese polaren Kategorien im Falle von Subventionen verschwimmen.25 Im folgenden soll zu einer weiteren Kennzeichnung der Subventionsleistung eine kurze Übersicht über mögliche Ausprägungsformen einer

20

Vgl. Zachau-Mengers, G. (1930), S. 4.

21

Vgl. Gröbner, B. F. (1983), S. 15.

22

Vgl. bspw. Freudenberg, H.E. (1934), S. 21, Neumark, F. (1933), S. 549, Tautscher, A. (1953), S. 143, Masoin, M. (1956), S. 25, Meinhold, W. (1959), S. 238, Hansmeyer, K.-H. (1963a), S. 10, Gundlach, H.-J. (1965), S. 11, Berthold, U. (1967), S. 21. 23

Vgl. Meinhold, W. (1959), S. 238.

24

Vgl. z.B. Meinhold, W. (1959), S. 239, Räber, J. (1965), S. 8, Gundlach , H.-J. (1965), S. 11, Benhold, U. (1967), S. 21 f., Hansmeyer, K-H. (1974), S. 593, Gabler Wirtschaftslexikon (1988), Sp. 1828. Hochdörffer, K (1930), S. 9 negiert allerdings jegliche Gegenleistung (Prinzip der Einseitigkeit). 25

Vgl. Pigou, A. C. (1924), Ewringfnann, K-H. (1977), S. 971.

DJHansmeyer, K-H. (1975), S. 26, Hansmeyer,

26

1. Teil: Grundlagen

Subvention gegeben werden, um einerseits die Vielfalt der Subventionsformen aufzuzeigen und andererseits ansonsten eventuell im Verlaufe der Arbeit auftretenden Begriffsschwierigkeiten vorzubeugen. Die im Schrifttum häufig anzutreffende Systematisierung der Subventionen nach Hingabeform durch den Subventionsgeber, wirtschaftspolitischer Absicht des Subventionsgebers, Auswirkung im Budget des Subventionsempfängers, Sichtbarkeit im Budget des Subventionsgebers und Person des Subventionsgebers sind in Abb. 1 zusammenfassend dargestellt. Des weiteren ist nun zu diskutieren, an wen eine Subvention geleistet wird. Bei dieser Frage sind drei Sachverhalte zu beachten, die unter den Schlagworten "Subventionsempfänger", "Subventionsdestinatar" und "Subventionsbegünstigter" subsumiert werden können.26 Als "Subventionsempfänger" bezeichnet man die zahlungstechnische Einsatzstelle bei der Subventionsvergabe, also die Institution, welche die Leistung des Subventionsgebers direkt empfängt. Die Generation der Finanzwissenschaftler zu Beginn des 20. Jahrhunderts benutzte den Terminus "Subvention" auch für den heute unter dem Schlagwort "Finanzausgleich" diskutierten Sachverhalt von Zuweisungen übergeordneter Körperschaften (Subventionsgeber) an Gemeinden (Subventionsempfänger). 27 Dagegen gilt es in der modernen Literatur als charakteristisches Merkmal einer Subvention, daß es sich bei dem Empfänger der Leistung um ein Unternehmen handelt. Neben den Unternehmen privater Rechtsnatur werden i.d.R. auch erwerbswirtschaftlich orientierte öffentliche Unternehmen als Subventionsempfänger angesehen.28 In weiter gefaßten Subventionsdefinitionen werden jedoch teilweise auch private Haushalte als Subventionsempfänger aufgeführt. 29 Vom Subventionsempfänger ist der Subventionsdestinatar zu unterscheiden, dem die Leistung nach dem Willen des Gesetzgebers zufließen soll. Destinatar kann, neben dem Subventionsempfänger selbst, auch - via Leistungsweitergabe - ein anderes Unternehmen sein. Teilweise werden auch

Hier soll die mehrheitliche Interpretation dieser Begriffe wiedergegeben werden. Dickenmann, DJ Diller, KD. (1989a), S. 168 benutzen hingegen eine andere Terminologie. 27

Stellvertretend für diese Ansicht seien hier Lötz, W. (1917), S. 161, Eheberg, K T. v. (1922), S. 710 und Popitz, l (1927), S. 340, aufgeführt. 28 Vgl. bspw. Pfleiderer, O. (1930), S. 60 f., Freudenberg, H.E. (1934), S. 26, Steffens, M. (1936), S. 10, Masoin, M. (1956), S. 25, Meinhold, W. (1959), S. 238, Hansmeyer, K-H. (1963a), S. 13, Gundlach, H.-J. (1965), S. 8f., Berthold, U. (1967), S. 20, Kötzle, A. (1980), S. 105. 29

Vgl. etwa Musgrave,RA. (1959),S. 193, Shoup, C. S. (1970), S. 149, Recktenwald, H. C. (1983), S. 629, Vahlens Großes Wirtschaftslexikon (1987), S. 673.

I. Kapitel: Zum Subventionsbegriff

Systematisierungskriterium

27

Ausprägungsform der Subvention

Hingabeform durch Subventionsgeber

Geld (z.B. Zuschuß, Darlehen, Ankauf von Leistungen zu höheren als marktüblichen Preisen) = Finanzhilfen geldwerte Leistung (bspw. Übernahme von Garantien, Bürgschaften, unentgeltliche oder verbilligte Abgabe von Gütern) Vergünstigungen bei der Abgabenerhebung (Steuer-, Beitrags-, Gebührenvergünstigungen)30

wirtschaftspolitische Absicht des Subventionsgebers

Erhaltungssubventionen dienen der Konservierung bestehender Strukturen Förderungssubventionen sollen dagegen helfen, den marktwirtschaftlich immanenten Strukturwandel durch eine nachhaltige Änderung der Kosten- bzw. Ertragsstruktur der Unternehmen zu beschleunigen31

Auswirkung im Budget des Empfängers

Direkte Subventionen sind mit einer konkreten Zuweisung finanzieller Mittel verbunden und wirken sich im Budget des Empfängers als Vermehrung der Einnahmen aus Als indirekte Subvetition wird hingegen jede Art gewollten Einnahmeverzichts des Staates bezeichnet, womit das Budget des Empfängers von zusätzlichen Ausgaben verschont bleibt32

Erkennbarkeit im Budget des Subventionsgebers

Offene Subventionen sind sichtbar im Budget des Subventionsgebers ausgewiesen (z. B. Zuschüsse), während versteckte Subventionen sich nicht im Haushaltsplan erkennen lassen (etwa Steuervergünstigungen, verbilligte Grundstücksvergabe)33

Person des Subventions- Unmittelbare Subventionen werden durch die öffentliche gebers Hand selbst vergeben, während mittelbare Subventionen durch vom Staat beauftragte Institutionen verteilt werden34

Abbildung 1: Ausprägungsformen von Subventionen im Schrifttum - eine Auswahl 30

Vgl. Gundlach, H.-J. (1965), S. 12 ff., Berthold, U. (1967), S. 19, Uhlig A. (1989), S. 51 f.; ähnlich auch Andel, N. (1977), S. 492f. und Dickertmann, D/Diller, KD. (1989a), S. 167 f. 31 Vgl. zu dieser Einteilung erstmals Freudenberg H. E. (1934), S. 22, des weiteren etwa Rutz, K (1948), S. 18f., Hansmeyer, K-H. (1963b), S. 26f., Schmölders, G. (1970), S. 227. 32 Bei einer derartigen Einteilung ist jedoch kritisch anzumerken, daß die Terminologie in der Literatur nicht einheitlich verwendet wird. Einen Überblick über die Begriffsvielfalt vermittelt Meinhold, W. (1959), S. 239. 33 Vgl. Palyi, M. (1930), S. 154, Neumark, F. (1933), S. 549, Räber, J. (1965), S. 29, Gundlach, H.-J. (1965), S. 17, Zeitel, G. (1969), S. 323, Schmölders, G. (1970), S. 226f. 34

Vgl. etwa Tautscher, A. (1953), S. 145 f., Gundlach, H.-J. (1965), S. 16f.

28

1. Teil: Grundlagen

die privaten Haushalte als Destinatare der Subventionsvergabe betrachtet.35 Schließlich ist der Subventionsdestinatar noch vom Subventionsbegünstigten zu trennen, dessen wirtschaftliche Situation durch die Subvention tatsächlich verbessert wird. Nur bei Identität von Destinatar und Begünstigtem können die mit der Maßnahme angestrebten wirtschafts- bzw. finanzpolitischen Ziele tatsächlich erreicht werden.36 Im folgenden soll die Begriffsverwendung durch ein kurzes Beispiel aus der Praxis illustriert werden. In der Bundesrepublik Deutschland wurde vom 21.07.1950 bis zum 15.02.1953 eine Konsumbrotsubventionierung durchgeführt. Der Gesetzgeber empfand die Freigabe der Brotpreise und die gleichzeitige Erhöhung der Getreidepreise als "unsozial", so daß er die Bäckereien dazu bewegte, neben anderen Brotsorten auch ein im Preis gebundenes Konsumbrot - im Volksmund auch "Arme-Leute"-, "Adenauer"- oder "Kommißbrot" genannt - bereitzustellen. Dessen Herstellungskosten wurden z. T. durch staatliche Zuwendungen (im gesamten Subventionierungszeitraum ca. 446 Millionen DM) an die Mühlen (21.07.-31.10.1950) bzw. an die Bäckereien (01.11. 1950-15.02.1953) gedeckt. Diese Institutionen waren demnach die Subventionsempfänger. Destinatar der Maßnahme war hingegen die Gruppe der Brotkäufer; insbesondere die ärmere Bevölkerungsschicht sollte in den Genuß des verbilligten Grundnahrungsmittels kommen. Es ist jedoch anzunehmen, daß neben dieser Gruppe auch die Mühlen, bei denen die staatlichen Zuschüsse die entstandenen Kosten überstiegen, die Bäcker, welche etwa subventioniertes Mehl auch für andere Brotsorten verwenden durften, sowie diejenigen Angehörigen reicherer Bevölkerungsschichten, deren Geschmack durch das dunkle Konsumbrot besonders getroffen wurde, als Subventionsbegünstigte zu gelten haben. Der Destinatar "ärmere Bevölkerungsschicht" konsumierte das verbilligte Brot jedoch nicht im vom Gesetzgeber erstrebten Maße, so daß die Subventionierung wegen der Nichtidentität von Destinatar und tatsächlich Begünstigtem als wirtschaftspolitischer Mißerfolg einzustufen ist.37

35

Vgl. etwa Hansmeyer, K.-H. (1963a), S. 13.

36

Vgl. Hansmeyer, K.-H. (1975), S. 1.

37

Eine ausführliche Beschreibung der Konsumbrotsubventionierung findet sich in dem Aufsatz von Pechtold, L. (1963), S. 33 ff.

I. Kapitel: Zum Subventionsbegriff

29

Die letzte Frage, die oft zur Kennzeichnung einer Subvention herangezogen wird, ist die nach dem Ziel der Maßnahme. Es wurde bereits angesprochen, daß das Erreichen eines bestimmten Zwecks als nicht-marktmäßiges Korrelat zur Subventionsleistung angesehen werden kann.38 Die im juristischen Schrifttum häufig anzutreffende Unterscheidung in einen Primär- oder Verhaltenszweck39 einerseits und einen Sekundäroder Endzweck andererseits wurde auch in die volkswirtschaftliche Subventionsliteratur übernommen.40 Es besteht Einigkeit darüber, daß der Endzweck einer legitimen Subvention stets im öffentlichen Interesse liegen muß.41 Der Endzweck soll durch ein bestimmtes richtungskonformes Verhalten des Subventionsempfängers erreicht werden, welches als Primäroder Verhaltenszweck bezeichnet wird. 42 Der Verhaltenszweck, an den auch die Auflagen des Subventionsgebers anknüpfen, ist dann Mittel zur Erreichung des Endzwecks, wenn die Zwecke nicht identisch sind. Die bisher erörterten theoretischen Aspekte einer Subventionsdefinition sind nicht oder nur beschränkt brauchbar, wenn man die Bedeutung der Subventionierungspraxis demonstrieren möchte. Somit sollen nun, schon als Vorüberlegung zu Kapitel II, die in der Praxis verwendeten Subventionsabgrenzungen erläutert werden.

2. Subventionsabgrenzungen in der Praxis In der Praxis der Subventionsberichterstattung sind insbesondere drei Begriffsabgrenzungen von Relevanz: die vom Statistischen Bundesamt verwendete Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR)> die Terminologie in den Subventionsberichten der Bundesregierung sowie die Definition der an der Strukturforschung beteiligten Wirtschaftsforschungsinstitute. Diese Subventionsdefinitionen sollen auch im folgenden behandelt werden.

38

Vgl. Möller, F : (1963), S. 56.

39

Vgl. Möller, F. (1963), S. 56 ff., Rüjher, W. (1967), S. 206 ff. und Schetting, G. (1973),

S. 8 ff. 40

Vgl. etwa Elingmann, DJ Hansmeyer, ICH. (1975), S. 17 f.

41

Bspw. kann man den Endzweck kommunaler Wirtschaftsförderung in einem Abbau hoher regionaler Arbeitslosigkeit sehen. 42

So kann als Primärzweck kommunaler Wirtschaftsförderung die Ansiedlung neuer Unternehmen betrachtet werden.

30

1. Teil: Grundlagen

a) Subventionsabgrenzung der VGR

Die VGR ist ein auf dem Kreislaufgedanken basierendes Rechenwerk mit dem Ziel der umfassenden und hinreichend detaillierten Darstellung der quantitativ erfaßbaren Wirtschaftstätigkeit inländischer Wirtschaftseinheiten in einer abgegrenzten Periode.43 Innerhalb der VGR werden Subventionen verstanden als "Zuschüsse, die der Staat im Rahmen der Wirtschafts- und Sozialpolitik an Unternehmen für laufende Produktionszwecke gewährt, sei es zur Beeinflussung der Marktpreise oder zur Stützung von Produktion und Einkommen."44 Diese Definition wurde in Anlehnung an die Abgrenzung der Organization for European Cooperation and Development (OECD) entwickelt. Die - im Vergleich zu anderen empirischen Subventionsdefinitionen - relativ enge Fassung des Begriffs läßt sich erklären, wenn man sich vor Augen führt, daß zum Vergleich der Subventionsbedeutung in den einzelnen OECDMitgliedsländern ein Kompromiß zwischen den divergierenden Subventionsabgrenzungen gefunden werden mußte. M.a.W. resultiert die VGRDefinition aus der Suche nach einem gemeinsamen Nenner. 45 Somit werden in der VGR nur die - im Rahmen des volkswirtschaftlichen Kontensystems auf dem Einkommensumverteilungskonto zu buchenden - tatsächlichen Geldleistungen des Staates an Unternehmen (laufende Einkommensübertragungen) unter den Subventionsbegriff subsumiert. Nicht erfaßt werden hingegen die - auf dem Vermögensänderungskonto erfaßten -Vermögensübertragungen (insbesondere die Investitionszuschüsse) sowie die kontenmäßig unberücksichtigten Steuervergünstigungen Der Subventionsgeber "Staat* umfaßt in der VGR alle Gebietskörperschaften inclusive ERP-Sondervermögen und Lastenausgleichsfonds (LAF), die Einrichtungen der EG, die Bundesanstalt für Arbeit (BfA) sowie den Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohlenabsatzes ("Kohlepfennig"). Zusätzlich werden die Institutionen der Sozialversicherung erfaßt, wogegen öffentliche Unternehmen (z.B. Bundesbahn, Bundespost) nicht als Subventionsgeber in Frage kommen, da sie traditionsgemäß im Kontensystem

43

Vgl. Recktenwald,

H. C (1983), S. 694 ff., weiterhin Stobbe, A. (1984), S. 242 ff.

44

Statistisches Bundesamt (1987), S. 13.

45

Vgl. Zavlaris, D. (1970), S. 7 f., Bös, D. (1973), S. 54.

46

Vgl. Statistisches Bundesamt (1987), S. 13. Eine Ausnahme stellen allerdings die Umsatzsteuervergünstigungen dar, die auch im Rahmen der VGR erfaßt werden.

I. Kapitel: Zum Subventionsbegriff

31

der VGR dem Unternehmenssektor zugerechnet werden und somit als Subventionsempfänger gelten.47 Allgemein zählen in der VGR nur Unternehmen zu den Subventionsempfängern, definitionsgemäß alle Institutionen, die vorwiegend Waren und Dienstleistungen produzieren bzw. erbringen und diese gegen spezielles Entgelt verkaufen, das in der Regel Überschüsse abwirft, zumindest jedoch annähernd die Kosten deckt.48 Dazu gehören auch landwirtschaftliche Betriebe, freie Berufe, nichtgewerbliche Wohnungsvermietung und Organisationen ohne Erwerbscharakter, die Leistungen an Unternehmen erbringen und durch Unternehmen finanziert werden (z. B. Industrie- und Handelskammern). Ex definitione werden somit private Haushalte und Organisationen ohne Erwerbscharakter, die nicht für Unternehmen tätig sind (z. B. Kirchen), nicht als Subventionsempfänger erfaßt. 49 Insgesamt kann festgehalten werden, daß die VGR-Definition an eindeutig abgegrenzten Merkmalen (z.B. Subventionsempfänger: Unternehmen, Subventionsleistung: Zuschüsse) ansetzt, so daß hiermit ein internationaler Vergleich der Subventionsbedeutung erst möglich wird. Andererseits läßt sie jedoch einen großen Teil der Hilfeleistungen des Staates an die Unternehmen außer acht, so daß auf der Basis dieser Abgrenzung lediglich grobe Konturen der Subventionsbedeutung nachgezeichnet werden können. Eine weitere praktische Subventionsabgrenzung liefern die Subventionsberichte der Bundesregierung.

b) Subventionsdefinition der Subventionsberichte

Seit 1967 ist die Bundesregierung verpflichtet, dem Bundestag und -rat alle zwei Jahre eine Zusammenstellung der Subventionen des Bundes vorzulegen. Zweck dieser Subventionsberichte ist es, den gesetzgeberischen Instanzen solche Informationen zu vermitteln, die für die Beurteilung der vergangenen und gegenwärtigen sowie als Entscheidungshilfe für die zukünftige Subventionspolitik unverzichtbar sind.50 Rechtliche Grundlage

47

Vgl. Stobbe, A. (1984), S. 374, Statistisches Bundesamt (1987), S. 8, Fritzsche, B. et al (1988), S. 13. 48

Vgl. Stobbe, A. (1984), S. 382 f.

49

Vgl. Lammers, K (1989), S. 6, Fritzsche, B. et al (1988), S. 12 f.

50

Vgl. Albrecht, D. (1978), S. 11 f., Deutscher Bundestag (1989 b), S. 12 und S. 32.

32

1. Teil: Grundlagen

der Berichterstattung bildet § 12 StWG. Dort wird der Begriff der Subvention nicht expressis verbis aufgeführt, jedoch implizit in die Kategorien "Finanzhilfen" und "Steuervergünstigungen" unterteilt. 51 Unter "Finanzhilfen" verstehen die Subventionsberichte "Geldleistungen des Bundes an Stellen außerhalb der Bundesverwaltung, die dazu dienen 1. Produktionen oder Leistungen in Betrieben oder Wirtschaftszweigen zu erhalten oder 2. Produktionen oder Leistungen in Betrieben oder Wirtschaftszweigen an neue Bedingungen anzupassen oder 3. den Produktivitätsfortschritt und das Wachstum von Betrieben oder Wirtschaftszweigen zu fördern, insbesondere neue Produktionsmethoden und -richtungen zu entwickeln oder 4. in wichtigen Bereichen des volkswirtschaftlichen Marktprozesses für private Haushalte bestimmte Güter und Leistungen zu verbilligen und die Spartätigkeit anzuregen."52 Der Begriff der Finanzhilfen, der sich im übrigen inhaltlich nicht mit dem gleichlautenden Begriff in Art. 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes deckt,53 umfaßt somit auch Investitionszuschüsse, die in der VGR nicht zu den Subventionen zählen. Zugleich erfassen die Subventionsberichte auch Steuervergünstigungen, welche seit dem 6. Subventionsbericht abgegrenzt werden als "spezielle steuerliche Ausnahmeregelungen, die für die öffentliche Hand zu Mindereinnahmen führen und für die gleichen Zwecke wie Finanzhilfen gewährt werden."54 Die o.a. Definitionen stellen heraus, daß nur partiell begünstigend wirkende Maßnahmen, die bestimmte Selektionskriterien (Erhaltung, Anpassung, Produktivitäts- und Wachstumsförderung, Verbilligung bestimmter Güter und Dienstleistungen) erfüllen, zu den Subventionen im Sinne der Subventionsberichte zählen; Maßnahmen im Bereich der all-

51 Vgl. Deutscher Bundestag (1989 b), S. 8. Der Grund dieser Unterteilung wird darin gesehen, der Diskussion um die Unscharfen des Subventionsbegriffs aus dem Weg zu gehen (vgl. Albrecht, D. (1978), S. 13). 52

Deutscher Bundestag (1989b), S. 11.

53

Der Begriff des Grundgesetzes bezieht sich auf Finanzhilfen des Bundes an die Länder.

54 Deutscher Bundestag (1989 b), S. 11. Bis zum 6. Subventionsbericht wurde der Begriff der Steuervergünstigungen weiter gefaßt, so daß das resultierende Subventionsvolumen bedeutend höher lag (vgl. auch Zimmermann, H. (1979), S. 462 f.). Die durch die engere Abgrenzung nicht mehr erfaßten Subventionen werden seitdem nachrichtlich aufgeführt; sie betrugen 1990 ca. 17,5 Mrd. DM (Deutscher Bundestag (1991a), Anlage 3).

I. Kapitel: Zum Subventionsbegriff

33

gemeinen Staatsaufgaben (z. B. Infrastrukturmaßnahmen im Gesundheits-, Bildungs- und Verkehrswesen, Grundlagenforschung) fallen hingegen nicht unter den Subventionsbegriff. 55 Außerdem verdeutlichen die Definitionen von Finanzhilfen und Steuervergünstigungen weitere Charakteristika des in Rede stehenden Subventionsbegriffs: So wird im eigentlichen Berichtsteil der Subventionsberichte vornehmlich der Bund als Subventionsgeber berücksichtigt, dem auch - trotz ihrer getrennten Haushaltswirtschaften - die Institutionen der Bundesbahn und -post zugerechnet werden. Daneben werden jedoch, z. T. nachrichtlich, die Länder und Gemeinden, das ERP-Sondervermögen sowie Einrichtungen der EG erfaßt. Nicht zu den Subventionsgebern zählen hingegen bestimmte Sonderfonds (z. B. "Kohlepfennig") und die BfA. 56 Subventionsempfänger sind ex definitione "Stellen außerhalb der Bundesverwaltung". Folglich werden neben privaten Unternehmen auch die privaten Haushalte betrachtet, wenn die an sie geleisteten Zuwendungen auch Einfluß auf den Unternehmenssektor haben.57 Außer acht bleiben hingegen die Bundesbahn und -post sowie öffentliche Unternehmen mit hoher staatlicher Beteiligung.

c) Subventionsabgrenzung der Wirtschaftsforschungsinstitute

Last but not least soll nun noch der gemeinsame Subventionsbegriff der fünf an der Strukturforschung beteiligten Wirtschaftsforschungsinstitute erörtert werden: Auf Anregung der Bundesregierung veröffentlichten die fünf Institute58 Ende 1988 eine Gemeinschaftspublikation zur Abgrenzung eines einheitlichen Subventionsbegriffs. 59 Die Einigung wurde auch notwendig, weil die bis dato unterschiedlichen Auffassungen der Institute in bezug auf einen Subventionsbegriff kein klares Bild der Subventionspolitik zuließen; somit war insbesondere nur eine ungenügende allgemein geteilte Einschätzung der sektoralen Einflußnahme der Staates möglich.

55

Vgl. Fritzsche,

56

Vgl. Deutscher Bundestag (1989 b), S. 237 f.

57

Vgl. Deutscher Bundestag (1989 b), S. 8.

Ä et al (1988), S. 14 ff., Deutscher Bundestag (1989 b), S. 9.

58

An der Strukturforschung sind folgende Institute beteiligt: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin; HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung, Hamburg; IfoInstitut für Wirtschaftsforschung, München; Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel; RheinischWestfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), Essen. 59

Vgl. Fritzsche, B. et al (1988).

3 Nieder-Eichholz

34

1. Teil: Grundlagen

Es entstand ein umfassender Subventionsbegriff, welcher Elemente aus beiden vorher aufgeführten Subventionsdefinitionen in sich vereint und darüber hinausgeht. Die große Detailliertheit bei der Beschreibung subventionsrelevanter Tatbestände ist auch wohl als Ursache dafür zu sehen, daß auf eine einprägsame, kurze Definition verzichtet wurde. Im folgenden sollen lediglich die wichtigsten Merkmale der Begriffsabgrenzung der Institute wiedergegeben werden.60 In Analogie zur Darstellung der Subventionsberichte werden hier die Subventionen unterteilt in Finanzhilfen und Steuervergünstigungen. Die Abgrenzung des Subventionsgebers "Staat" ist hingegen der der VGR identisch.61 Als Subventionsempfänger treten einerseits alle Wirtschaftsbereiche auf, die nach der Abgrenzung der VGR Bestandteil der Unternehmenssektors sind. Staatliche Leistungen an diesen Sektor werden hier als "Subventionskern" bezeichnet. Auf der anderen Seite werden private Haushalte sowie private Organisationen ohne Erwerbscharakter als Subventionsempfänger angesehen, wenn der Staat ihnen Hilfeleistungen erbringt, die einen starken selektiven oder sektoralen Einfluß mit sich bringen. 62 Derartige Leistungen werden als "Transfers mit Subventionscharakter" gekennzeichnet und bilden zusammen mit dem Subventionskern das Subventionsvolumen. In der Tabelle 1 werden die drei praktischen Subventionsabgrenzungen zusammenfassend gegenübergestellt. Mit Hilfe dieser statistisch untermauerbaren Subventionsbegriffe soll im Kapitel II die Bedeutung des Subventionswesens in der Bundesrepublik untersucht werden.

60

Zur ausführlichen Darlegung aller Details bei der Quantifizierung vgl. Fritzsche, B. et al (1988), S. 22 ff. 61 62

Vgl. Lammers, K. (1989), S. 7.

Beispiele sind Lohnkostenzuschüsse (etwa die Bergmannsprämie), Steuervergünstigungen für schadstoffarme PKW, Wohngeld (vgl. Fritzsche, B. et al. (1988), S. 17 f.).

I. Kapitel: Zum Subventionsbegriff

35

Tabelle 1 Abgrenzungsunterschiede der in der Praxis verwendeten Subventionsbegrifle

Institute

Statistisches Bundesamt

Subventionsberichte

Bund (incl. ERP-Sondervermögen, Lastenausgleichsfonds)

X

X

X

Länder

X

X

X1

Gemeinden

X

X

X1

Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes

X

X

Europäische Gemeinschaften - EAGFL 2

X

X

— sonstige Fonds der EG

X

X

Institute

Statistisches Bundesamt

Subventionsberichte

X

X

X

zur Erfüllung allgemeiner Aufgaben4

X

X

laufende Zuschüsse an Unternehmen der Bundesverwaltung5

X

X

Erfaßte Subventionsgeber

Erfaßte Positionen3 Finanzhilfen: laufende Zuschüsse an Unternehmen außerhalb der Bundesverwaltung

Vermögensübertragungen an Unternehmen außerhalb der Bundesverwaltung

— zur Erfüllung spezieller Aufgaben —

- zur Erfüllung spezieller Aufgaben X _ zur Erfüllung allgemeiner Aufgaben4

Vermögensübertragungen an Unternehmen der Bundesverwaltung5 Darlehensvergabe an Unternehmen außerhalb der Bundesverwaltung

X1

- zur Erfüllung spezieller Aufgaben ~~ zur Erfüllung allgemeiner Aufgaben4

V" X

X X X

X

X

36

1. Teil: Grundlagen

Tabelle 1 Fortsetzung Erfaßte Positionen3 Übertragungen an private Haushalte u. private Org. o.E. 6,7

Institute

Statistisches Bundesamt

Subventionsberichte

— zur allgemeinen Sparförderung ~~

spezielle Sparförderung

X X

X

sonstige Übertragungen an private Haushalte u. private Org. o.E. mit sektorspezifischen Auswirkungen im Unternehmenssektor

X

X8

Steuervergünstigungen: einbehaltene Umsatzsteuer

X

sonstige SteuerVergünstigungen für Unternehmen außerhalb der Bundesverwaltung

-

X

X

sonstige Steuervergünstigungen für Unternehmen der Bundesverwaltung5

X

— zur allgemeinen Sparförderung -

zur speziellen Sparförderung

sonstige Steuervergünstigungen für private Haushalte u. private Org. o.E. mit sektorspezifischen Auswirkungen im Unternehmenssektor 1 2 3

4 5 6 7

8 9

X

X

z u r

Erfüllung allgemeiner Aufgaben4

Steuervergünstigungen für private Haushalte

~

zur Erfüllung spezieller Aufgaben

X

X9 X

X

X

X8

Vgl. insbesondere Übersicht 14 des 13. Subventionsberichts. EAGFL: Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft. Nicht erfaßt werden Bürgschaften, überhöhte Preise bei Beschaffungskäufen sowie die verbilligte Vergabe von Gütern. Infrastruktur, Gesundheitswesen, Forschungsförderung (ohne marktnahe Förderung). Z. B. Bundesbahn, Bundespost. Org. o.E.= Organisationen ohne Erwerbscharakter. Übertragungen für den Reiseverkehr mit der DDR (bisher in den Subventionberichten berücksichtigt) entfallen seit 1990. Teilweise enthalten (Wohngeld nicht mehr enthalten ab 12. Subventionsbericht). Allgemeiner Sparerfreibetrag nicht mehr enthalten ab 14. Subventionsbericht.

Quelle: Fritzsche, B. et al. (1988), S. 25 (z.T. aktualisiert und erweitert).

I. Kapitel: Zum Subventionsbegriff

37

Basierend auf den bisher skizzierten Subventionsdefinitionselementen in Theorie und Praxis soll im folgenden Gliederungspunkt ein Subventionsbegriff entwickelt werden, der den Anwendungsbereich einer Subventionsordnung bestimmt.

3. Subventionsbegriff zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs einer Subventionsordnung Bevor auf eine bestimmte staatliche Maßnahme die einer Subventionsordnung immanenten, im Rahmen dieser Arbeit noch zu entwerfenden Grundsätze Anwendung finden können, ist zu überprüfen, ob die betreffende Maßnahme überhaupt einer derartigen Subventionsordnung unterliegt. Entsprechend erstreckt sich der Anwendungsbereich einer Subventionsordnung auf alle Maßnahmen, die als Subvention im Sinne dieser Ordnung gelten. Folglich ist die Bestimmung einer geeigneten Subventionsdefinition die erste Etappe auf dem Weg der Erstellung einer Subventionsordnung. Eine derartige Definition muß als praktisch verwendbare Operationaldefinition den Forderungen nach Gültigkeit und Zuverlässigkeit Rechnung tragen: - Gültigkeit bedeutet die Abstinenz von systematischen - d. h. auch bei wiederholter Anwendung der Definition immer wieder auftretenden (Meß-)Fehlern, während die - Zuverlässigkeit einer Definition durch die Nichtexistenz zufälliger Fehler erreicht werden kann. Als Nominaldefmition muß die Subventionsdefinition außerdem folgenden Anforderungen genügen: - Erstens muß sie Klarheit im Sinne von Eindeutigkeit des Abgrenzungsmaterials gewährleisten. Sie darf inhaltlich keine mißverständlichen Aussagen enthalten und somit Unklarheiten provozieren, die bestimmten Interessengruppen einen Spielraum für die Durchsetzung ihrer Partikularinteressen einräumen könnten. Die Klarheit bzw. Eindeutigkeit der Definition muß auch im Zeitablauf durch Konstanthaltung des Abgrenzungsmaterials gegeben sein.63

So ist es auffällig, daß aus den Subventionsberichten der Bundesregierung seit 1967 viele Subventionen einfach "herausdefiniert " wurden. Somit wird ein Vergleich der statistischen Daten zur Subventionsbedeutung im Zeitablauf beträchtlich erschwert oder sogar unmöglich, da sich das Abgrenzungsmaterial verändert hat.

38

1. Teil: Grundlagen

- Die Definition muß zweitens vollständig sein, so daß sie alle Tatbestände einschließt, die im Rahmen dieser Arbeit zu den Subventionen zählen. Welche Maßnahmen dabei als "Subventionen" charakterisiert werden und welche nicht, soll im folgenden anhand der in den vorigen Kapiteln aufgeführten relevanten Definitionsmerkmale festgelegt werden. So soll eine zweckadäquate Begriffsbestimmung zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs einer Subventionsordnung folgende Elemente umfassen: - Als erstes Merkmal einer Subvention soll gelten, daß die Maßnahme auf Veranlassung einer öffentlich-rechtlichen Instanz vom Staat selbst oder durch die Einbeziehung eines privaten Subventionsmittlers durchgeführt wird. Durch das Letztgenannte soll vermieden werden, daß der Staat die Möglichkeit erhält, via Zwangsausübung private Institutionen als Subventionsgeber vorzuschieben und gleichzeitig selbst nicht explizit in Erscheinung zu treten. Keinen Subventionscharakter haben dagegen Hilfeleistungen in Form von Privatspenden, die auf keinem staatlichen Rechtsakt beruhen. - Im Einklang mit der vorherrschenden volkswirtschaftlichen Terminologie sollen auf der Nehmerseite öffentliche und private Unternehmen als Subventionsempfänger definitionsmäßig berücksichtigt werden (Subventionen im engeren Sinne). Über diese enge finanzwissenschaftliche Abgrenzung hinaus sollen Hilfeleistungen an private Haushalte bzw. private Organisationen dann zu den Subventionen zählen, wenn sie mittelbar (auch) Unternehmen begünstigen sollen bzw. wenn von ihrer Vergabe spezifische Wirkungen auf den Unternehmenssektor ausgehen. Beispiel für eine derartige Subvention im weiteren Sinne ist die Gewährung von Wohngeld. Mit dieser definitionsmäßigen Berücksichtigung bestimmter Leistungen an private Haushalte soll vermieden werden, daß der Anwendungsbereich der Subventionsordnung abhängig von der möglicherweise zufälligen technischen Ausgestaltung der Subvention wird. Hier wird also insbesondere der Forderung nach Vollständigkeit Rechnung getragen. - Die Subventionsleistung soll, basierend auf den Erkenntnissen der ökonomischen Theorie, aufgefaßt werden als eine partielle Hilfeleistung, die mithin auf bestimmte Unternehmen, Unternehmensformen und -größenklassen, Wirtschaftszweige und/oder Regionen beschränkt ist (Kriterium der Selektivität).64 Um staatliche Käufe von den Subventionen abzugrenzen, sollen als letztere nur Maßnahmen ohne gleichwertige marktliche Gegenleistung gelten. Subventionscharakter haben solche

I. Kapitel: Zum Subventionsbegriff

39

Maßnahmen, die zum Zeitpunkt der Durchführung nicht zu gleichen günstigen Konditionen am Markt verfügbar sind (z.B. zinsgünstige Darlehen). Insofern sollten auch zu günstigen Bedingungen gewährte staatliche Bürgschaften sowie Verbilligungssubventionen (Grundstückverbilligung) unter den Subventionsbegriff subsumiert werden. Dagegen fallen die meisten staatlichen Sozialleistungen aufgrund der fehlenden Selektivität und der Nähe zu einem Versicherungsverhältnis nicht unter den Subventionsbegriff. - Der in vielen volkswirtschaftlichen Subventionsdefinitionen aufgeführte (öffentliche) Zweck einer Subvention soll hier nicht als Definitionsbestandteil aufgenommen werden. Es ist nämlich wahrscheinlich, daß der tatsächliche Zweck oft bewußt im Dunkeln bleibt, da die Nennung von Partikularinteressen als eigentlicher Zweck der Maßnahme auf den Unmut insbesondere der Nichtbegünstigten stoßen würde. Außerdem würde die Nennung eines konkreten Zwecks als Abgrenzungsmerkmal einer Subvention dazu führen, daß nur solche Programme dem Anwendungsbereich einer Subventionsordnung unterliegen, die diesen Zweck explizit aufführen. Zusammenfassend läßt sich der Anwendungsbereich einer Subventionsordnung auf Subventionen gemäß der folgenden Definition einschränken:

Eine Subvention /. e. S. ist eine partiell begünstigend wirkende Hilfeleistung die auf Initiative einer öffentlich-rechtlichen Instanz ohne marktliche Gegenlei stung zugunsten des Unternehmenssektors vergeben wird . Unter einer Subv tion L w. 5. soll dagegen eine selektive Begünstigung privater Haushalte verstan den werden , die mittelbar auch dem Unternehmenssektor zugute kommt . Dieser Subventionsbegriff kommt der vorab dargestellten Definition der Wirtschaftsforschungsinstitute recht nahe, geht jedoch mit der Berücksichtigung von Bürgschaften, Verbilligungssubventionen und Beschaffungssubventionen noch darüber hinaus. Durch eine derart ausgedehnte Fassung des Subventionsbegriffs soll ein ansonsten leicht mögliches "Umgehen" der Grundsätze der Subventionsordnung weitmöglichst vermieden werden.

64

Vgl. auch Fritzsche, B. et al (1988), S. 18.

40

1. Teil: Grundlagen

Nach der Klärung der grundlegenden Subventionsbegriffe soll im folgenden Kapitel //, insbesondere durch Zuhilfenahme der praktischen Subventionsdefinitionen, die eine Analyse der Bedeutung des Subventionswesens in der Bundesrepublik und in anderen ausgewählten Staaten durchgeführt werden.

II. Kapitel

Die Bedeutung des Subventionswesens in Deutschland und anderen Staaten 1. Bedeutung des Subventionswesens in Deutschland Im Rahmen dieses Gliederungspunktes soll ein geraffter Überblick über Bedeutung des Subventionswesens in der Bundesrepublik Deutschland gegeben werden. Insbesondere soll versucht werden, die Entwicklung der Subventionen nachzuzeichnen und zugleich die wesentlichen Förderschwerpunkte der Subventionspolitik herauszukristallisieren. Bevor mit der Analyse begonnen wird, ist der Hinweis auf ein wesentliches Problem bei der Ermittlung der Subventionsbedeutung in Deutschland notwendig: Die weitgehenden statistischen Lücken lassen nämlich eine exakte, chronologische Nachzeichung der Subventionsentwicklung seit Beendigung des Zweiten Weltkriegs nicht zu.1 Eine systematische Berichterstattung über die Finanzhilfen und Steuervergünstigungen des Bundes beginnt erst mit der Verabschiedung des ersten Subventionsberichts im Jahre 1967. Weil jedoch im Laufe der Berichterstattung die angewandte Subventionsabgrenzung mehrfach verengt wurde und die Daten vergangener Subventionsberichte nicht in genügendem Maße an die neuen Definitionen angepaßt wurden, läßt sich anhand der einzelnen Subventionsberichte eine konsistente Zahlenreihe der Subventionsentwicklung auch für die Zeit nach 1967 nicht aufstellen. Eine vergleichbare Zahlenreihe für die Entwicklung der Subventionen in Deutschland läßt sich lediglich auf der Basis der Subventionsabgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ermitteln, die jedoch einen wesentlichen Teil der Subventionen außer acht läßt.2

1

Vgl.Jäkli, Z. (1990), S. 33 f.

2

Vgl. zur Subventionsabgrenzung der VGR Kapitel 1.2. a).

41

II. Kapitel: Die Bedeutung des Subventionswesens

Für den Zeitraum von 1951 bis 1967 steht eine empirische Untersuchung von D. Zavlaris zur Verfügung. 3 Der Verfasser wählt eine Subventionsabgrenzung, welche (aufgrund der Einbeziehung von Steuervergünstigungen und Investitionszuschüssen) weiter als die Definition der VGR, andererseits (aufgrund der Vernachlässigung von Sonderabschreibungen und der Subventionen an private Haushalte) jedoch enger als die (derzeitige) Abgrenzung der Bundessubventionsberichte ist.4 Auf der Basis dieser Definition stellt Zavlaris die Entwicklung der direkten Subventionen von 1951 bis 1968 sowie der indirekten Subventionen (Steuervergünstigungen, Zinsverbilligungen) von 1959 bis 1967 dar (Tabelle 2). Es zeigt sich, daß das Subventionsvolumen im Betrachtungszeitraum stark expandierte und auch die relative Subventionsbedeutung (Subventionen bezogen auf das Bruttosozialprodukt zu Marktpreisen) anstieg. So stiegen von 1959 bis 1967 die Subventionen jährlich um durchschnittlich etwa 11,9% (bei einer durchschnittlichen Wachstumsrate des BSPM von ca. 8,6%), die direkten Subventionen von 1951 bis 1967 sogar um durchschnittlich 20,2% pro Jahr. Im folgenden sollen nun die wesentlichen Aspekte dieser Entwicklung nachgezeichnet werden. In den Jahren nach der Währungsreform vom 20.06.1948, der ökonomischen "Geburtsstunde" der Bundesrepublik, stand die Wirtschafts- und Sozialpolitik ganz im Zeichen des Wiederaufbaus. Vorrangiges ökonomisches Ziel war es, die Gewinnsituation der Unternehmen zu verbessern, um auf diese Weise die notwendigen Investitionen herbeizuführen. Besondere Impulse sollten dabei von einer adäquaten Subventionspolitik ausgehen: So wurde 1948/49 mit der Aufstellung der "Siebenergruppe" des Einkommensteuergesetzes (§§ 7 a bis 7 f EStG) eine Reihe von Steuervergünstigungen beschlossen, welche insbesondere die Kapitalbildung der Wirtschaft forcieren und der Förderung des Wohnungsbaus dienen sollten.5 Daneben wurden aus den Gegenwertmitteln des Marshallplans verbilligte Kredite (ERPKredite) zur Finanzierung von Investitionen im Infrastruktur- und Produktionsgüterbereich zur Verfügung gestellt.6 Die große sektorale Bedeutung dieser Kredite kommt darin zum Ausdruck, daß der Kohlenbergbau im Jahre 1949 nahezu die Hälfte (47%) seiner Investitionen mit Hilfe von ERP-

3

Vgl. Zavlaris,

4

Zur Subventionsdefinition der in Rede stehenden Arbeit vgl. Zavlaris,

D. (1970). D. (1970),

S. 7 f. 5

Vgl. ausführlich Jdkli, Z. (1990), S. 58 ff., Abelshauser, W. (1983), S. 74 f.

6

Zum Marshallplan vgl. Abelshauser, W. (1983), S. 54 ff.

42

1. Teil: Grundlagen Tabelle 2 Subventionen in der Bundesrepublik Deutschland von 1951 bis 1967

1

gesamte Subventionen

Jahr

direkte Subventionen (Mrd. DM)

indirekte Subventionen (Mrd. DM)

Volumen (Mrd. DM)

in % des BSP M

1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967

0,376 0,590 0,595 0,743 0,891 1,881 2,713 2,712 2,831 2,6812 3,819 4,516 5,099 5,592 6,4% 6,454 7,127

k.A k.A k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. 4,510 4,9902 6,180 6,775 8,195 8,795 9,850 10,545 10,925

k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. 7,341 7,6712 9,999 11,291 13,294 14,387 16,346 16,999 18,052

k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. 2,881 2,532 3,02 3,13 3,48 3,43 3,57 3,49 3,66

Im BSPw des Jahres 1959 sind - analog zum Ausweis des Statistischen Bundesamtes — nicht die Beiträge des Saarlandes und Westberlins enthalten. Das Haushaltsjahr 1960 hatte nur eine Dauer von neun Monaten, weil 1961 das Haushaltsjahr dem Kalendeijahr angepaßt wurde; folglich sind die direkten Subventionen (und somit auch das Gesamtvolumen) des Jahres 1960 für Vergleichszwecke ungeeignet.

Quellen: Zavlaris, D. (1970), Tab. 1, S. 91 und Tab. 21, S. 111, Statistisches Bundesamt (1992), S. 655 sowie eigene Berechnungen.

II. Kapitel: Die Bedeutung des Subventionswesens

Subventionsvolumen

(Mrd.

43

DM)

20

15

10

5

QT T i l 1951 1953

l I I I I I I I I I I I 1955 1957 1959 1961 1963 1965 1967 Jahr

" • " d i r e k t e S u b v e n t i o n e n "f"indir.

Subventionen

^Gesamtvolumen

Quelle: Zavlaris, D. (1970), Tab. 1, S. 91 und Tab. 21, S. 111.

Abbildung 2: Subventionen in der Bundesrepublik Deutschland von 1951 bis 1967

Mitteln finanzierte. 7 Um den - mit Beginn des Koreakriegs einsetzenden - ökonomischen Aufschwung der deutschen Wirtschafts nicht durch die Engpaßbereiche der Wirtschaft (insbesondere Eisen- und Stahlindustrie, Kohlenbergbau, Elektrizitätswirtschaft) zu gefährden, trat im Jahre 1952 das Investitionshilfegesetz in Kraft. Im Rahmen dieses Gesetzes wurden neben umfassenden staatlichen Steuervergünstigungen - Kapitalhilfen in Höhe von 1,16 Mrd. DM vergeben, die in einer spektakulären Selbsthilfeaktion von den Unternehmen der Konsumgüterindustrie aufgebracht wurden.8

7

Vgl. Abelshauser, W. (1983), Tab. 10, S. 57.

8

Vgl. Jäkli, Z. (1990), S. 68 ff., Abelshauser , W. (1983), S. 75 f.

44

1. Teil: Grundlagen

Während die Subventionspolitik in Deutschland bis 1955 wesentlich im Dienste der Abwicklung des Wiederaufbaus der deutschen Wirtschaft stand, konnten die nachfolgenden Subventionsaktivitäten dieses Rechtfertigungsargument nicht mehr für sich in Anspruch nehmen. In den Jahren nach 1955 wurde verstärkt eine branchenspezifische Subventionspolitik betrieben. Von besonderer subventionspolitischer Relevanz war die Verabschiedung des Landwirtschaftsgesetzes im September 1955: Vor dem Hintergrund der wachen Erinnerung an die Hungerzeit der Nachkriegsjahre wurde dort auf Drängen des Deutschen Bauernverbandes - die Verpflichtung verankert, zur Herstellung der Versorgungssicherheit die Landwirtschaft in den Stand zu setzen, naturbedingte oder wirtschaftliche Nachteile gegenüber anderen Sektoren auszugleichen, die Produktion zu steigern und die soziale Lage der Landwirte an die vergleichbarer Berufsgruppen anzugleichen (§ 1 Landwirtschaftsgesetz). 9 Diese gesetzliche Verpflichtung bildet bis in die heutige Zeit den Ausgangspunkt zahlreicher agrarpolitischer Maßnahmen und ebnete in den Jahren nach 1955 den Weg für eine Subventionswelle zugunsten der Landwirtschaft: Subventionen von Produktionsmitteln (Handelsdüngersubventionen, Dieselölsubventionen), Preissubventionen (Eierpreissubventionen, Milchpreissubventionen), Produktivitätshilfen (Hilfen zur Maschinisierung, Flurbereinigung usw.) sowie Steuervergünstigungen für die Landwirtschaft ließen in dieser Zeit das Gesamtvolumen der Subventionen in Deutschland merklich ansteigen.10 Diese Entwicklung wurde unterstützt durch die Ende der fünfziger Jahre einsetzende Absatzkrise im Steinkohlenbergbau, die den Ausgangspunkt zahlreicher Subventionsprogramme zugunsten der gewerblichen Wirtschaft bildete.11 Von 1958 bis 1967 erhöhte sich die Zahl der Subventionsmaßnahmen allein im Steinkohlenbergbau von 16 auf 49;12 die Entwicklung mündete schließlich in der Verabschiedung der Kohleanpassungsgesetzes (1968) und der Gründung der Ruhrkohle AG (1969). Neben dem Kohlenbergbau wurden auch zahlreiche andere Wirtschaftszweige in den sechziger Jahren mit neuen Förderprogrammen bedacht (Seeschiffahrtshilfen, Werfthilfen seit 1962, Förderung des zivilen Flugverkehrs seit 1963 usw.), so daß sich in diesem Zeitraum der Anteil der Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft (bezogen auf das Gesamtvolumen der Subventionen) merklich erhöhte. Zavlaris kommt im Rahmen seiner Untersuchung zu dem Ergeb-

9

Vgl. Priebe, H. (1985), S. 60, Jäkli, Z. (1990), S. 81 ff.

10

Vgl. Jäkli, Z. (1990), S. 87 ff., Zavlaris, D. (1970), S. 47 ff.

11

Vgl. Zavlaris,

12

Vgl. Jäkli, Z (1990), S. 109.

D. (1970), S. 33 f.

II. Kapitel: Die Bedeutung des Subventionswesens

45

nis, daß - bei stark steigendem Gesamtvolumen der Subventionen - der Anteil der Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft von 31,3% (1959) auf 42,4% (1967) anstieg, während der Anteil der Landwirtschaftssubventionen von 41,8% (1959) auf 32,2% (1967) zurückging (Abb. 3).

1959

1967 Landwirtschaft 5 . 8 2 Mrd. DM (32.2%)

1.85 Mr

(10,2%)

Quelle: Zavlaris,

D. (1970), Textübersicht 1, S. 37.

Abbildung 3: Subventionen nach Wirtschaftsbereichen 1959 und 1967

Die Rezession 1966/67 und die Etablierung keynesianischen Gedankengutes im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes vom 08.06.67 führten dazu, daß die Subventionspolitik in der Folgezeit eine verstärkte konjunkturpolitische Ausrichtung erfuhr. Dieses kommt insbesondere zum Ausdruck in der Erhöhung der Subventionen zugunsten der Bautätigkeit und des Wohnungswesens. Ende der sechziger Jahre ist des weiteren eine starke Ausweitung der regionalen Wirtschaftsförderungsprogramme zu beobachten: In diesem Kontext sind insbesondere die Einführung von Investitionszulagen in Höhe von 10% (ab 1973: 7,5%) für Investitionen im Zonenrandgebiet und in anderen förderungsbedürftigen Regionen durch die Verabschiedung des Investitionszulagengesetzes (1969)13 sowie die

Zum Investitionszulagengesetz, das mit dem Steuerreformgesetz vom 25.07.1988 aufgehoben wurde, vgl. Zitzmann, G. (1987).

46

1. Teil: Grundlagen

Schaffung des Berlinförderungsgesetzes (1970) aufzuführen. Daneben ist die verfassungsrechtliche Institutionalisierung (Art. 91a GG) der Gemeinschaftsaufgaben "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" und "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" im Zuge der Finanzreform 1969 von besonderer subventionspolitischer Relevanz.14 Tabelle 3 zeigt die Entwicklung der Subventionen (auf der Basis der geläufigen Subventionsabgrenzungen der Praxis) in den Jahren 1970 bis 1990. Relativ gesehen (Subventionen bezogen auf das Bruttosozialprodukt zu Marktpreisen BSPM) läßt sich nur eine geringere Änderung der Subventionsbedeutung im Betrachtungszeitraum konstatieren. Die - je nach Subventionsdefinition - erreichten ca. 2 bis 6% der Subventionen im Verhältnis zum BSPM implizieren jedoch hohe und im Zeitablauf steigende Milliardenbeträge. Aus der Graphik wird ersichtlich, daß ein hoher Anstieg des Subventionsvolumens insbesondere von 1975 bis 1979 sowie von 1982 bis 1984 zu verzeichnen war, während die Subventionsvergabe insbesondere von 1979 bis 1982 weitgehend stagnierte. Für die Subventionspolitik zu Beginn der siebziger Jahre sind - neben einem erhöhten Mitteleinsatz im Bereich der regionalen Wirtschaftsförderung - zahlreiche staatliche Interventionen zugunsten der privaten Haushalte charakteristisch (etwa die Erhöhung der Wohnungsbauprämien im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 1969 und die Verbesserung der Sparförderung durch das Dritte Vermögensbildungsgesetz 1970). Jäkli bezeichnet infolgedessen als ein entscheidendes Legitimationsmuster der Subventionspolitik dieser Jahre das Motto "Subventionen für alle"} 5 In den Jahren nach der ersten Energiekrise 1973 wurde jedoch wiederum eine verstärkte Förderung der Unternehmen betrieben: Der zu beobachtende erhebliche Anstieg der Arbeitslosigkeit und die starke Verringerung der Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts waren der Nährboden für zahlreiche Subventionswünsche der besonders betroffenen Branchen. Insbesondere das Argument der Versorgungssicherheit im Energiebereich wurde vor dem Hintergrund des "Ölpreisschocks" nun politisch "salonfähig" mit der Folge verstärkter Subventionierung des Steinkohlenbergbaus.16

14

Vgl. Jäkli, Z. (1990), S. 211 ff., Albrecht, D. (1978), S. 40 f.

15

Jäkli, Z. (1990), S. 224.

16

Eine Aufführung der damaligen Subventionsmaßnahmen zugunsten des Kohlenbergbaus findet sich bei Jüttetneyer, K.HJLammers, K. (1979), Tab. A 2, S. 43 ff.

II. Kapitel: Die Bedeutung des Subventionswesens

47

Tabelle 3 Entwicklung der Subvenlionen in der Bundesrepublik Deutschland von 1970 bis 1990 Abgrenzung der Subventionen Subventionsberichte1

VGR

Forschungsinstitute2

Jahr

Volumen (Mrd. DM)

in % des BSP m

Volumen (Mrd. DM)

in % des BSP m

Volumen (Mrd. DM)

in % des BSP m

1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990

11,78 12,61 15,78 18,65 18,86 20,39 22,13 24,63 29,70 31,16 30,65 29,12 29,25 31,72 36,33 37,94 41,31 44,80 47,74 46,78 48,743

1,74 1,68 1,89 2,03 1,92 1,98 1,97 2,06 2,30 2,24 2,07 1,89 1,84 1,89 2,06 2,07 2,13 2,24 2,26 2,08 2,003

31,4 k.A. k.A. k.A. k.A. 43,3 k.A. k.A. k.A. k.A. 60,8 k.A. k.A. k.A. 70,5 70,0 71,0 71,3 76,1 76,6 80, l 3

4,65 k.A. k.A. k.A. k.A. 4,21 k.A. k.A. k.A. k.A. 4,12 k.A. k.A. k.A. 4,00 3,82 3,67 3,56 3,61 3,41 3,283

k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. 67,0 77,2 82,6 89,7 95,5 98,5 97,5 98,2 106,3 117,5 118,1 121,3 122,2 k.A. k.A. k.A.

k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. 6,52 6,87 6,91 6,96 6,85 6,67 6,33 6,17 6,34 6,66 6,44 6,27 6,10 k.A. k.A. k.A.

1

2

3

Subventionsabgrenzung nach 13. Subventionsbericht (1991). Dort wird das Subventionsvolumen für entferntere Jahre nur in Fünf-Jahres-Abständen ausgewiesen. Die Daten für 1984 wurden aus dem 11. Subventionsbericht ermittelt, indem - gemäß der neuen Definition seit dem 12. Subventionsbericht - das Wohngeld herausgerechnet wurde. Für weitere Jahre war keine Ermittlung des Subventionsvolumens möglich, weil keine getrennten Daten für die Länder und Gemeinden zur Verfügung stehen. Nach dem 14. Subventionsbericht betrug das Subventionsvolumen 1991 102,3 und 1992 108,5 Mrd. DM. Diese Zahlen sind jedoch nicht unmittelbar mit den o. a. Werten vergleichbar, da der Sparerfreibetrag seit dem 14. Bericht nicht mehr als Subvention angeführt wird. Gemeinsame Abgrenzung der Wirtschaftsforschungsinstitute. Die zur Verfügung stehenden Daten wurden der Strukturberichterstattung 1987 und 1990 entnommen. Daten für die alten Bundesländer.

Quellen: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1992), Tab. 38, S. 324 und Tab. 26, S. 304; Deutscher Bundestag (1991 a), Übersicht 14, S. 27; Deutscher Bundestag (1989 b), Übersicht 2, S. 9 und Anlage 8, S. 236; Deutscher Bundestag (1987), Übersicht 2, S. 9; Gersien berger, W. et aL (1990), S. 65; Härtel, H-H. et aL (1988), Tab. 34, S. 207; Deutscher Bundestag (1993), Übersicht 4, S. 18; eigene Berechnungen.

48

1. Teil: Grundlagen

Subventionsvolumen

(Mrd.

DM)

140 120 100 80 60 40 20 0 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988

1990

Jahr — VGR 4~ S u b v e n t i o n s b e r i c h t e *

Forschungsinstitute

Abbildung 4: Subventionen in der Bundesrepublik Deutschland von 1970 bis 1990

Von besonderer Bedeutung ist hier die Errichtung des Sonderfonds zur Sicherung des Steinkohlenabsatzes nach dem Dritten Verstromungsgesetz 1975: Die im Rahmen dieser Maßnahme fließenden Subventionen, die im Volksmund verniedlichend "Kohlepfennig" tituliert werden, stiegen seit von 0,330 Mrd. D M 1975 bis auf 5,34 Mrd. DM 1990.17 Der Versuch dieser "haushaltsexternen" Subventionierung trug der schlechten finanziellen Lage der öffentlichen Haushalte Mitte der siebziger Jahre Rechnung. In Anbetracht der Haushaltskrise wurde 1975 ein Haushaltsstrukturgesetz erlassen, das mit der Einschränkung der Sparförderung sowie dem Abbau des Aufwertungsausgleichs in der Landwirtschaft und bestimmter Steuervergünstigungen im Kreditgewerbe einen Subventionsabbau vorsah (Einsparvolu-

Zur Enwicklung der Höhe des "Kohlepfennigs" vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1992), Tab. 38, S. 324.

II. Kapitel: Die Bedeutung des Subventionswesens

49

men nach Angabe des Finanzberichts 1977 ca. 1,4 Mrd.). 18 Dennoch kam es bis 1979 zu einem weiteren Anstieg des Subventionsvolumens, der insbesondere durch eine starke Zunahme der EG-Subventionen für die Landwirtschaft (Zahlungen der EG 1975: 2,81 Mrd. DM, 1979: 6,78 Mrd. DM) 1 9 , der Kohlesubventionen ("Kohlepfennig" und Kokskohlenbeihilfe 1975: 0,45 Mrd. DM, 1979: 3,95 Mrd. DM) 2 0 sowie der Hilfen für den Wohnungsbau getragen wurde. Die Stagnation der Subventionsvergabe in den Jahren nach der Bundestagswahl 1980 ist als Ergebnis des Bemühens anzusehen, via Subventionsabbau einen merklichen Beitrag zur Konsolidierung der Staatsfinanzen zu leisten. Insbesondere wurde 1981 ein Subventionsabbaugesetz erlassen, das im wesentlichen eine Reduktion der Subventionierung des Ölverbrauchs (Gasölbeihilfen), der Bausparförderung sowie einen Abbau verschiedener Steuervergünstigungen im Kreditgewerbe vorsah (Abbauvolumen 1982: 2,2 Mrd. DM); 21 es wird ersichtlich, daß das Subventionsabbaugesetz zum großen Teil an die Abbaubereiche des Haushaltsstrukturgesetzes von 1975 anknüpft. Daneben wurde 1981 ein zweites Haushaltsstrukturgesetz erlassen, das einen umfassenden Abbau verschiedener Steuervergünstigungen beinhaltete. Die von den Abbaumaßnahmen induzierte Subventionseinschränkung hielt sich bis 1982 in etwa mit den neu beschlossenen Fördermaßnahmen (insbesondere verbesserte degressive Abschreibung für Unternehmen, Einführung einer Investitionszulage in der Stahlindustrie, Ausweitung der Wohnungsbauförderung, Erhöhung der Vorsteuerpauschale an die Landwirtschaft) in der Waage, so daß es gesamtwirtschaftlich in dieser Zeit zu keiner bedeutsamen Änderung des Subventionsvolumens kam. Nach dem Regierungswechsel in Bonn 1982 war jedoch (bis 1987) wiederum eine verstärkte Aufwärtsentwicklung der Subventionen zu verzeichnen.22 Von dieser Entwicklung profitierte in besonderem Maße die Landwirtschaft, der im Betrachtungszeitraum ein Bündel zusätzlicher Hilfen zukam (z. B. Milchrente, Umsatzsteuervergünstigungen, Erhöhung der Bundesmittel zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung, Förderung

18

Vgl. zum Haushaltsstrukturgesetz 1975 ausführlich Jäldi, Z (1990), S. 229 ff.

19

Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1992), Tab. 38, S. 324. 20 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1992), Tab. 38, S. 324. 21

Vgl. Jäldi, Z. (1990), S. 245 ff., insbesondere Tabelle VIII/1, S. 247.

22

Vgl. auch Stille, F. (1989), S. 417 ff., Gerstenberger,

4 Nieder-Eichholz

W. et al (1990), S. 58 ff.

50

1. Teil: Grundlagen

forstwirtschaftlicher Maßnahmen).23 Starke Steigerungsraten wiesen auch die Subventionen zugunsten des Kohlebergbaus und der Energie- und Wasserversorgung auf. Seit 1987 ist eine Abflachung der Wachstumsraten der Subventionen zu erkennen.24 Insbesondere beim Abbau von Steuervergünstigungen wurden in der Zeit bis 1990 Fortschritte erzielt (insbesondere Steuerreformgesetz 1990, Abbau der Umsatzsteuervergünstigungen für die Landwirtschaft). Während die Hilfen an die Landwirtschaft, das Wohnungswesen und den Verkehrsbereich (insbesondere Eisenbahnen) weitgehend stagnierten, läßt sich eine verstärkte Unterstützung des Verarbeitenden Gewerbes, in concreto der Luftfahrtindustrie (erhöhte Airbus-Subventionen) und der Werften (vermehrte Auftrags- und Wettbewerbshilfen) feststellen. 25 Nach einer Untersuchung von A. Rosenschon nehmen im Jahre 1990 die Sektoren "Land-, Forstwirtschaft- und Fischerei", "Wohnungswesen" sowie "Eisenbahnen" die Spitzenpositionen auf der Subventionsnehmerseite ein (Tab. 4). Vom Gesamtvolumen der Subventionen entfällt dabei ein Anteil von ca. 65% auf Finanzhilfen und ein Anteil von ca. 35% auf Steuervergünstigungen.26 Die Darstellung der sektoralen Subventionsbedeutung durch absolute Zahlen ist hingegen wenig aussagekräftig, weil sie nicht die Größe der Sektoren mit in die Betrachtung einbezieht. Sie erlaubt daher keine Aussagen darüber, in welchem relativen Ausmaß eine Branche gegenüber einer anderer bei der Subventionsvergabe bevorzugt wird. Abhilfe können hier die im folgenden verwendeten Indikatoren "Subventionen je Erwerbstätigen" und "Subventionen in Prozent der Bruttowertschöpfung" schaffen. 27 Tabelle 5 zeigt, daß im Durchschnitt jeder Erwerbstätige in der Bundesrepublik (alte Bundesländer) 1990 mit 4485 DM subventioniert wurde. Bei einer sektoralen Untergliederung wird deutlich, daß die Arbeitsplätze in den Sektoren "Energie-, Wasserversorgung, Bergbau" (31309 DM) und "Land-, Forstwirtschaft, Fischerei" (24422 DM) am höchsten bedacht wurden. Wird lediglich der Sektor "Bergbau" betrachtet und bezieht man die Subventionen zugunsten dieses Wirtschaftszweiges auf die Zahl der dort

23

Vgl. Deutscher Bundestag (1985), S. 38f. und (1987), S. 31.

24

Vgl. zu diesem Ergebnis auch Stille, FJTeiciunann,

25

Vgl. Stille, F./Teichmann,

26

Vgl. Rosenschoft, A. (1991), Tab. 1, S. 78.

27

Vgl. Dickerttnantt,

D. (1990), S. 703 ff.

D. (1990), S. 705.

DJDiller, K D. (1989 b), S. 598 f.

II. Kapitel: Die Bedeutung des Subventionswesens

51

Tabelle 4 Subventionen nach Wirtschaftszweigen in Deutschland 19901

Wirtschaftssektor 1. Land-, Forstwirtschaft, Fischerei 2. Wohnungswesen 3. Eisenbahnen 4. Kohlenbergbau 5. Gesundheits- und Veterinärswesen 6. Versicherungen 7. Deutsche Bundespost 8. Bildung, Wissenschaft 9. Elektrotechnik 10. Elektrizität, Fernwärme 11. Bauhauptgewerbe 12. Maschinenbau 13. Chemische Industrie 14. Einzelhandel 15. Nahrungs- und Genußmittel Sonstige Sektoren Gesamtvolumen 1

Subventionen (Mrd. DM)

in % aller Subventionen

24,300 21,850 14,285 11,300 8,580 2,730 2,570 2,535 2,520 2,510 2,010 1,785 1,455 1,450 1,435 26,445

19,0 17,1 11,2 8,8 6,7 2,1 2,0 2,0 2,0 2,0 1,6 1,4 1,1 1,1 1,1 20,7

127,760

Daten für das Gebiet der alten Bundesländer auf Basis der Definition der Forschungsinstitute.

Quelle: Rosenschon, A. (1991), Tab. 3, S. 81.

Beschäftigten, so ergibt sich für 1990 sogar ein Wert von 66214 DM. 28 Im Sektor "Baugewerbe" fielen dagegen lediglich 1556 DM an Subventionen je Erwerbstätigen an, so daß insgesamt eine deutlich verzerrende Wirkung der Subventionsvergabe zu konstatieren ist. Bedenklich erscheint auch, daß in den meistbegünstigten Sektoren im Jahre 1990 gegenüber 1980 eine erhebliche Steigerung der in Rede stehenden Kennziffer vorliegt. Diese Zahlen signalisieren Gefahren, da die Erhöhung der Subventionen je Erwerbstätigen eine zunehmende Abhängigkeit des jeweiligen Sektors vom intervenierenden Staat impliziert.

Das Ergebnis errechnet sich aus dem angenommenen Subventionsvolumen von 11,455 Mrd. DM (Rosenschon, A. (1991), Tab. 3, S. 81) und der Zahl der Beschäftigten im Bergbau von 173000 (Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1992), Tab. 55, S. 350).

52

1. Teil: Grundlagen

Als weiterer Indikator für die sektorale Subventionsbedeutung kann der Anteil der Subventionen an der Bruttowertschöpfung der jeweiligen Branche herangezogen werden. Damit wird dem Anliegen Rechnung getragen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des jeweiligen Sektors in die Betrachtung mit einzubeziehen. Bei einem durchschnittlichen Wert dieses Indikators von 5,5% im Jahre 1990 führen wiederum die Sektoren "Land-, Forstwirtschaft, Fischerei" (65,0%) und "Energie-, Wasserversorgung, Bergbau" (20,9%) die "Hitliste" der (relativ) Meistbegünstigten an. Tabelle 5 Subventionsbedeutung in verschiedenen Wirtschaftssektoren 1 Subventionen je Erwerbstätigen (in DM) Sektor Land-, Forstwirtschaft, Fischerei Warenproduzierendes Gewerbe (insgesamt) darunter — Energie-, Wasserversorgung, Bergbau — Verarbeitendes Gewerbe — Baugewerbe Handel und Verkehr Dienstleistungsunternehmen, Wohnungswesen2 alle Wirtschaftszweige (Durchschnitt) 1

2

Subventionen in % der Bruttowertschöpfung 1980

1990

+/-%

+ 104%

55,0

65,0

+ 18%

3013

+62%

3,5

3,6

+3%

15604 1276 1196 4392

31309 1850 1556 4976

+ 101% +45% +30% + 13%

15,8 2,4 2,6 10,1

20,9 2,2 2,3 7,6

+32% -8% -12% -25%

3937

3427

-13%

10,4

5,7

-45%

3617

4485

+24%

6,9

5,5

-20%

1980

1990

+/-%

11969

24422

1865

Der Tabelle liegt die Subventionsermittlung nach der Definition der Forschungsinstitute zugrunde. Bei der Berechnung der Subventionen je Erwerbstätigen ohne Wohnungswesen.

Eigene Berechnungen auf der Basis folgender Quellen: Rosenschon, A. (1991), Tab. 3, S. 81; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1992), Tab. 23, S. 299 und Tab. 25, S. 302.

Nach dieser knappen Betrachtung von Entwicklung und Struktur der Subventionen in Deutschland bis 1990 soll nun abschließend noch kurz der Verlauf der Subventionierung in den Jahren nach der Wiedervereinigung aufgezeigt werden. Für das Gebiet der alten Bundesländer ist seitdem (bis

II. Kapitel: Die Bedeutung des Subventionswesens

53

1992) eine rückläufige Entwicklung der Subventionsvergabe zu beobachten. Ins Gewicht fällt dabei insbesondere der Wegfall teilungsbedingter Lasten, die mit der Wiedervereinigung ihre Berechtigung verloren haben: In concreto betrugen nach Angaben des 13. Subventionsberichts die Subventionen im Rahmen der Berlin- und Zonenrandförderung und der Förderung des Berlinverkehrs für das Jahr 1989 ca. 11,94 Mrd. DM, 29 so daß sich hier ein beträchtliches Einsparpotential eröffnet. So führte der (etappenweise) Abbau der steuerlichen Berlin- und Zonenrandförderung für 1991 zu Steuermehreinnahmen von 6,46 Mrd. DM. 30 Aufgrund der hohen Finanzierungsanforderungen der Wiedervereinigung wurde zudem 1991 eine "Sparpaket" bei den Subventionen beschlossen ("MöllemannInitiative"), mit dem staatliche Leistungen (die allerdings nicht in jedem Falle Subventionen in der Abgrenzung der Subventionsberichte darstellten) von jährlich rd. 10 Mrd. DM gekürzt wurden. Im Rahmen des Föderalen Konsolidierungsprogramms wurden 1993 zudem Kürzungen bei den Finanzhilfen für die Landwirtschaft und den Steinkohlebergbau vorgenommen.31 Der von 1990 bis 1992 rückläufigen Entwicklung der Subventionen in den alten Bundesländern steht jedoch eine erhebliche Expansion der Fördermaßnahmen im Beitrittsgebiet gegenüber. Subventionen in der ehemaligen DDR spielten systembedingt eine überragende Rolle: Sie summierten sich für das Jahr 1989 nach Einschätzung des 13. Subventionsberichts auf über 160 Mrd. Mark und machten somit etwa 60% der Gesamtausgaben des DDR-Haushalts aus:32 Schwerpunkte waren die Zuführungen an die staatlichen Kombinate und Betriebe insbesondere im Bereich Außenwirtschaft (Exportförderung) sowie die Preisstützung für Waren des Grundbedarfs, Tarife und Dienstleistungen.33 Die meisten dieser Subventionen konnten im Zuge des Inkrafttretens der Wirtschafts- und Währungsunion (01.07.1990) sowie des Einigungsvertrags (03.10.1990) abgebaut werden. Dennoch wurden auch im Jahre 1991 noch Subventionen zur Verbilligung der Mieten (1991: 8,4 Mrd. DM), der Energiepreise (1991 ca. 2,5 Mrd. DM) und der Preise von Verkehrsleistungen (Fahrpreisermäßigungen der Deutschen Reichsbahn und des Öffentli-

29

Vgl. Deutscher Bundestag (1991a), Anlage 1, Nr. 84, S. 116, Nr. 92, S. 112, Nr. 105-109, S. 133 ff. und Anlage 2, Nr. 23-33 und 35-36, S. 167 ff. 30

Vgl. Deutscher Bundestag (1993), Anlage 4, S. 249.

31

Vgl. Deutscher Bundestag (1993), S. 23, Tz. 23.

32

Vgl. Deutscher Bundestag (1991 a), S. 11, Tz. 11.

33

Vgl. Deutscher Bundestag (1991 a), Übersicht 2, S. 10.

54

1. Teil: Grundlagen

chen Personennahverkehrs 1991 ca. 4,7 Mrd. DM) gezahlt.34 Neben derartigen Preissubventionen, die als Relikte der ehemaligen DDR angesehen werden können, wurde in der Zeit nach der Wiedervereinigung auch eine Vielzahl anderer Subventionsprogramme zugunsten des Beitrittsgebiets etabliert, die teilweise neu geschaffen wurden, anderenfalls durch die - mit dem Inkrafttreten des Einigungsvertrags einhergehende umfassende Rechtsvereinheitlichung auf das Beitrittsgebiet übertragen wurden (Art. 28 Einigungsvertrag). 35 Aus dem großen Katalog der Subventionsmaßnahmen in den neuen Bundesländern sollen im folgenden nur einige bedeutsame herausgegriffen werden.36 Im Bereich der Steuervergünstigungen ist hier insbesondere die zunächst bis 1994, später bis 1996 befristete Investitionszulage für die Anschaffung und Herstellung von neuen, abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern im Rahmen des Investitionszulagengesetzes von 1991 aufzuführen (geschätzte Steuermindereinnahmen für 1993:4,6 Mrd. DM, 1994:5,5 Mrd. DM). 37 Von herausragender Bedeutung sind weiterhin die Gewährung von Sonderabschreibungen für betriebliche Investitionen und Gebäude auf der Basis des Fördergebietsgesetzes (geschätzte Steuermindereinnahmen für 1993: 2,7 Mrd. DM, 1994: 2,9 Mrd. DM), 38 der Tariffreibetrag für Ostdeutsche bei der Einkommensteuer (§ 32 Abs. 8 EStG, geschätzte Steuermindereinnahme von 0,96 Mrd. DM für 1993) sowie die Nichterhebung der Vermögen- und Gewerbekapitalsteuer im Beitrittsgebiet bis Ende 1995 (insgesamt geschätzte Steuermindereinnahmen 1993: 0,53 Mrd. DM). 39 Auf der Seite der Finanzhilfen ist einerseits die Vergabe von Investitionszuschüssen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" von besonderer Bedeutung (Budget 1991 und 1992 für die neuen Bundesländer: jährlich ca. 5,2 Mrd. DM, davon 3 Mrd. DM von Bund und (neuen) Ländern, 1,2 Mrd. DM aus dem "Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost" und 1 Mrd. DM aus dem EG-Regional-

34

Zu diesen Angaben vgl. Boss, A. (1991), S. 70.

35

Vgl. Hagedorn, GJHeimpold, G. (1991), S. 12, Stille, FJTeichmann, D. (1990), S. 709.

36

Eine Übersicht über die Subventionsprogramme für die neuen Länder bieten die folgenden Quellen: Deutscher Industrie- und Handelstag (1991), Deutscher Bundestag (1991 a), S. 11 ff., o. V. (1991 d), S. 18. 37 Vgl. Deutscher Bundestag (1993), Übersicht 7, S. 22, zur Änderung der Investitionszulage vgl. o. V. (1992e), S. 15 und o. V. (1992 f), S. 1. 38

Vgl. Deutscher Bundestag (1993), Übersicht 7, S. 22.

39

Vgl. Deutscher Bundestag (1993), Übersicht 7, S. 22.

II. Kapitel: Die Bedeutung des Subventionswesens

55

fonds). 40 Zur Förderung von Investitionen wurde daneben eine Reihe von Kreditprogrammen mit Sondervergünstigungen aufgelegt: In diesem Kontext sind insbesondere die ERP-Kredite zur Existenzgründung, Modernisierung, zum Umweltschutz und zur Tourismusförderung (Kreditvolumen 1991: 6 Mrd. DM), das Investitionskreditprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (Volumen 10 Mrd. DM, Laufzeit 10 Jahre), das Kreditprogramm der Berliner Industriebank sowie die Darlehen der Deutschen Ausgleichsbank und im Rahmen des Eigenkapitalhilfeprogramms aufzuführen. 41 Des weiteren von Bedeutung sind zahlreichen Bürgschaftsprogramme, die Zuschüsse zur Deutschen Reichsbahn (Schätzung für 1991: 8 Mrd. DM, davon 2,4 Mrd. DM zur Tarifverbilligung) 42, die Zahlungen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" an die Landwirtschaft und die hohe Wohnungsbauförderung. A. Boss schätzt das gesamte Volumen der 1991 im Beitrittsgebiet vergebenen Subventionen (unter Zugrundelegung einer weiten Subventionsabgrenzung, die etwa auch die erwartete Inanspruchnahme aus Bürgschaften berücksichtigt) auf ca. 67 Mrd. DM und somit auf etwa ein Drittel des dort erwirtschafteten Sozialprodukts.43 Die hohe Subventionierung im Beitrittsgebiet führt dazu, daß - trotz eines leichten Rückgangs der Subventionen in Westdeutschland - infolge der Wiedervereinigung von 1990 bis 1992 ein kräftiger Subventionsschub zu verzeichnen ist. Im nachstehenden Gliederungspunkt soll die bisherige Betrachtung erweitert werden um eine internationale Analyse der Subventionsbedeutung. 2. Internationaler Vergleich Die folgende Betrachtung soll verdeutlichen, welchen Stellenwert die Subventionspolitik in ausgewählten OECD-Staaten (EG-Staaten, USA, Japan, Schweiz und Schweden) einnimmt. Diese Betrachtung soll insbesondere dazu dienen, die im vorigen Gliederungspunkt herausgearbeitete Bedeutung der Subventionsvergabe in Deutschland in einen internationalen Kontext einzuordnen. Eine derartige Betrachtung birgt allerdings eine Reihe von Schwierigkeiten in sich, die eine vereinfachende, überblickartige Darstellung der Subventionsbedeutung in den ausgewählten Staaten notwendig erscheinen lassen:

40

Vgl. Belitz, H. et al (1992), S. 15 ff.

41

Vgl. Belitz, H. et al (1992), S. 21 ff., o. V. (1991 d), S. 18, Deutscher Industrie- und Handelstag (1991). 42

Vgl. Boss, A. (1991), S. 70.

43

Vgl. Boss, A. (1991), S. 74.

56

1. Teil: Grundlagen

Die unterschiedlichen nationalen Subventionsabgrenzungen lassen einen verzerrungsfreien internationalen Vergleich von vornherein nicht zu, so daß hier auf die von der OECD verwendeten einheitlichen VGR-Definition zurückgegriffen wird, deren enge Fassung jedoch wesentliche Subventionstatbestände ausklammert.44 Des weiteren ist es im Rahmen einer überblicksartigen Darstellung nicht möglich, landesspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen, die für Divergenzen in der Subventionsbedeutung einzelner Staaten durchaus relevant sein können. Diesbezügliche Beispiele sind etwa die Mezzogiornoproblematik in Italien oder die wirtschaftlich schwierige Situation der Bergbauregionen speziell in Großbritannien und Deutschland.45 Tabelle 6 zeigt das in der jeweiligen Landeswährung dimensionierte Subventionsvolumen in ausgewählten Staaten (Spalte "a)"), die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des Subventionsvolumens (Spalte n b)") sowie den Anteil der Subventionen am BSPM der betreffenden Nation (Spalte "c)"). Auf eine Umrechnung des Subventionsvolumens in DMWerte wurde bewußt verzichtet, weil ansonsten Schwankungen des Wechselkurses c. p. zu anderen Ergebnissen führen würden, und andererseits eine Berechnung auf der Basis konstanter Wechselkurse für den gesamten Betrachtungszeitraum nicht sinnvoll erscheint. Tabelle 6 Subventionen in ausgewählten OECD-Staaten

a) Nicht-EG-Staaten USA

Schweiz

Schweden

Japan

a)

b)

c)

a)

b)

c)

a)

b)

c)

a)

b)

Jahr

Mrd. $

%

%

Mrd. Yen

%

%

Mrd. skr

%

%

Mrd. sfr

%

1960 1%5 1970 1975 1980 1985 1990

1,239 3,088 4,951 5,086 10,723 22,863 27,700

+20,0 +9,9 +0,5 + 16,1 +16,3 +3.9

0,24 0,44 0,49 0,32 0,39 0,57 0,51

85 232 805 2207 3593 3650 3025

+22,2 +28,3 +22,3 + 10,2 +0,3 -3,7

0,53 0,71 1,10 1,49 1,50 1,15 0,70

0,979 1,612 2,870 9,285 22,827 43,411 64,442

+ 10,5 + 12,2 +26,5 + 19,7 + 13,7 +8,2

1,35 1,42 1,66 3,06 4,35 5,14 4,91

0,365 0,565 0,760 1,680 2,250 3,245 4,745

+9,1 +6,1 + 17,2 +6,0 +7,6 +7,9

c)

% 0,95 0,91 0,81 1,16 1,27 1,34 1,46

44 Vgl. zur VGR-Definition Kapitel 1.2. a)\ des weiteren vgl. Deutscher Bundestag (1983), S. 52, Tz. 66. 45

Für eine tiefergehende Betrachtung vgl. etwa Hummel, M. (1985 a), Soltwedel, R et al. (1988) und Ford, R/Suyker, W. (1990).

II. Kapitel: Die Bedeutung des Subventionswesens

57

Tabelle 6 Fortsetzung b) EG-Staaten Frankreich a)

Jahr Mrd. ff 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990

BR Deutschland

b)

c)

a)

b)

c)

a)

b)

c)

a)

b)

c)

%

%

Mrd. DM

%

%

Mrd. üt

%

%

Mio. hfl

%

%

+ 17,9 + 15,4 + 11,6 +8,5 +4,4 +5,1

0,83 1,25 1,74 1,98 2,07 2,07 2,00

4,960 10,848 + 16,9 15,975 +8,0 35,366 + 17,2 71,637 + 15,2 142,752 + 14,8 145,822 +0,4

1,64 2,20 2,00 2,41 2,54 3,05 2,25

2,52 5,75 11,78 20,39 30,65 37,94 48,74

Spanien b)

c)

a)

b)

Mrd. Jahr ptas

%

%

Mrd. esc

%

+ 17,2 + 12,8 +24,4 +35,7 + 18.6 +12,5

0,75 0,81 0,81 1,05 1,92 2,47 2,49

0,633 1,465 3,102 8,681 65,371 127,128 176,729

5,3 11,7 21,4 63,8 293,2 687,3 1236,8

Griechenland a)

b)

0,140 1,996 2,489 16,984 41,500 263,886 591,622

+ 18,3 + 16,2 +22,9 +49,7 + 14,2 +6,8

c)

a)

b)

0,13 1,09 0,82 2,46 2,35 5,76 5,68

20,7 37,9 79,1 256,7 740,8 1452,7 1803,0

1,54 1,45 1,70 3,18 3,45 3,45 2,75

816 766 -1,3 2050 +21.8 3930 + 13,9 9100 + 18.3 13510 +8,2 -0,4 13220

1,82 1,05 1,68 1,79 2.71 3,23 2,60

Großbritannien

Luxemburg c)

b)

c)

a)

b)

c)

%

Mrd. fr

%

%

Mio. f

%

%

0,88 1,35 1,73 2,30 5,34 3,82 2,09

0,304 0,830 0,696 2,470 4,995 9,251 10,290

+22,2 -3,5 +28,8 + 15,1 + 13,1 +2,2

1,16 2,35 1,22 2,50 3,10 3,20 2,59

493 571 884 3785 5773 7322 6474

c)

a)

b)

c)

0,269 1,241 3,189 6,017 11,794 1&358 25,743

1,89 1,57 1,70 3,58 2,49 2,06 1,23

a)

b)

c)

Mrd. bfr

Mrd. dkr 3,60 + 12,9 3,85 + 15,9 4,80 +26,5 6,76 +23,6 8,23 + 14,4 9,18 +4,4 7,87

+3,0 +9,1 +33,8 +8,8 +4,9 -2,4

Belgien

Dänemark

Mio. fir

+70,1 +4,5 +46,8 + 19,6 +44,8 + 17,5

+9,7 + 13,5 +30,8 +24,9 + 15,8 +5,0

a)

Irland

Mrd. Jahr dra 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990

384 610 1147 4392 13350 27825 35475

Portugal

a)

1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990

Niederlande

Italien

+35,8 +20,8 + 13,5 + 14,4 +9,3 +7,0

0,65 1,77 2,70 2,80 3,24 3.12 3,31

10,734 18,931 36,355 76,854 138,516 190,760 201,128

+ 12,0 + 13,9 + 16,2 + 12,4 +6.6 + 1,1

1,90 2,26 2,86 3.37 4,04 4,09 3,17

Erläuterungen: Spalte "a)": ' Subventionsvolumen in der Landeswährung (VGR-Definition) Spalte "b)": ' : durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des Subventionsvolumens (berechnet im Fünf-Jahres-Rhythmus) Spalte "c)": ' Anteil der Subventionen am Bruttosozialprodukt zu Marktpreisen Quelle: OECD (1992), S. 30-79 und eigene Berechnungen.

58

1. Teil: Grundlagen

Abbildung 5: Subventionen in Prozent des Bruttosozialprodukts 1990

Aus Tabelle 6 geht hervor, daß das Subventionsvolumen im Betrachtungszeitraum in allen analysierten Staaten erheblich angestiegen ist. Insbesondere in den siebziger Jahren waren in den meisten Staaten hohe Steigerungsraten zu beobachten, wogegen sich in den achtziger Jahren tendenziell eine Verlangsamung des Anstiegs bzw. ein Rückgang des Subventionsvolumens bemerkbar machte. Wesentlich zu dieser Entwicklung trugen die wirtschaftlichen Rezessionserscheinungen in den siebziger Jahren bei (Stichwort "Ölpreisschocks"), die mit einem dramatischer Anstieg der Arbeitslosenquote in den meisten Ländern einhergingen. In derartigen Krisenzeiten steigen tendenziell die staatlichen Subventionen an, um bspw. eine soziale Abfederung der Betroffenen zu gewährleisten bzw. eine rasche Ankurbelung der Wirtschaftstätigkeit zu erreichen. Insbesondere die steigenden Haushaltsdefizite in den achtziger Jahren zwangen die Politiker hingegen zu einem "Kurswechsel", der auch eine restriktivere Handhabung der Subventionsvergabe implizierte. Speziell in Großbritan-

II. Kapitel: Die Bedeutung des Subventionswesens

59

nien und Japan, die in den achtziger Jahren hohen Privatisierungs- und Deregulierungsanstrengungen unternahmen,46 konnte von 1985 bis 1990 sogar ein Rückgang der Subventionen beobachtet werden. Mißt man die Bedeutung von Subventionen für die Wirtschaft eines Landes anhand der Subventions-Sozialprodukt-Relation (unter Zuhilfenahme der engen VGR-Subventionsabgrenzung), dann weisen von den betrachteten OECD-Staaten lediglich die USA, Japan, Großbritannien und die Schweiz im Jahre 1990 einen niedrigeren Subventionsgrad auf als Deutschland; innerhalb der EG zählt Deutschland zu den Ländern, in denen die Subventionen eher einen niedrigen Anteil am Sozialprodukt ausmachen. Die unrühmlichen "Spitzenpositionen" erreichen 1990 dagegen Irland, Griechenland sowie der "Wohlfahrtsstaat" Schweden. Allerdings ist hinzuzufügen, daß nach 1990 die Subventionen in Gesamtdeutschland infolge der Wiedervereinigung merklich gestiegen sind, wodurch auch Deutschland einen höheren Platz innerhalb der in Rede stehenden der Rangfolge einnehmen dürfte. Insgesamt läßt sich festhalten, daß Subventionen in den betrachteten Industrienationen einen beachtlichen Faktor des Wirtschaftslebens darstellen. Im Rahmen der nationalen Analyse wurde zudem gezeigt, daß die derzeitige Subventionsvergabe sektoral unterschiedliche Auswirkungen hat und insofern nicht wettbewerbsneutral ist. Die Aspekte der empirischen Analyse im Auge behaltend gilt es nun im folgenden Teil der Arbeit, eine ökonomische Bewertung des Subventionswesens durchzuführen und hierauf basierend die Notwendigkeit einer ökonomisch fundierten Subventionsordnung darzulegen.

46

Vgl. Grossekettlcr,

H. (1989), S. 438 f.

2. Teil

Notwendigkeit einer Subventionsordnung Nachdem im ersten Teil der Arbeit ein geraffter Überblick über die Bedeutung des Subventionswesens speziell in der Bundesrepublik gegeben wurde, soll der nun folgende Teil dazu dienen, die Notwendigkeit einer Subventionsordnung darzulegen. Zu diesem Zweck ist es anfangs erforderlich, die Perspektive der Betrachtung aufzuzeigen: Das Referenzsystem dieser Arbeit stellen die ordoliberalen Prinzipien der Wirtschaftspolitik dar. Kapitel III beginnt folglich mit einer knappen Erörterung dieser Grundsätze. Kapitel IV versucht daraufhin aufzuzeigen, welche Subventionseinsatzbereiche in einem System mit marktwirtschaftlicher Grundordnung akzeptabel erscheinen können. Damit soll einerseits dem Anliegen Rechnung getragen werden, dem Leser das theoretische Hintergrundwissen nahezubringen, das sowohl für die Entwicklung einer Subventionsordnung als auch für das allgemeine Verständnis in bezug auf Subventionsfragen in Theorie und Praxis unabdingbar erscheint. Andererseits sollen die theoretischen Überlegungen demonstrieren, daß nicht alle Subventionen per se zu verwerfen sind und daß einige Vergünstigungen zumindest gemäß theoretischer Erwägungen notwendig erscheinen können. Kapitel V beinhaltet sodann einen Überblick über aufzufindende Ineffizienzen bei der Subventionsgewährung. Eine effiziente und mit breiter Zustimmung versehene Vergabepraxis würde die Diskussion um eine mögliche Reform gar nicht aufkommen lassen. Die Ineffizienzen belegen jedoch, daß auch in praktischer Hinsicht eine Änderung der Subventionspolitik vonnöten erscheint. Im Rahmen der Kapitel VI bis VIII wird daraufhin versucht, Anhaltspunkte für eine derartige Änderung der Subventionspolitik zu gewinnen. Speziell sollen die Ursachen der dargestellten Ineffizienzen herausgearbeitet werden. Ein Vorschlag zur Verbesserung der Effektivität im

III. Kapitel: Ordoliberale Prinzipien der Wirtschaftspolitik

61

Subventionswesen muß vor dem Hintergrund der festgestellten Mängelursachen konzipiert werden. Zu Beginn der Analyse der Mängelursachen soll im Kapitel VI untersucht werden, ob und inwieweit Löcher im Netz der geltenden subventionsrechtlichen Regelungen bestehen, welche bestimmte Ineffizienzen der Subventionspolitik erst zulassen. Ergänzend zu dieser rechtlichen Analyse soll im Kapitel VII sodann der Blick auf sozio-ökonomische Aspekte bei der Subventionierung gelenkt werden: Zu diesem Zweck wird das Verhalten der am Subventionierungsprozeß Beteiligten daraufhin untersucht, ob es für die aufgefundenen Ineffizienzen maßgeblich sein kann. Schließlich werden im Kapitel VIII in der Praxis durchgeführte Versuche zur einer Effektivierung des Subventionswesens auf ihre Erfolgswirksamkeit hin geprüft; aus dem eventuellen Scheitern dieser Versuche (als möglichen Alternativen zu einer Subventionsordnung) wird zugleich die Notwendigkeit eines anderen Lösungsvorschlags zur Eindämmung ineffizienter Subventionierung sichtbar.

III. Kapitel

Ordoliberale Prinzipien der Wirtschaftspolitik als Ausgangspunkt Die folgenden Ausführungen basieren auf der Forderung, daß jede staatliche Entscheidung sich im Idealfall am Gemeinwohl zu orientieren hat. Umgekehrt läßt sich sagen, daß die Aufgabe eines Staates in der Wahrung bzw. Herbeiführung des Gemeinwohls bestehen soll. Obschon eine einheitliche Gemeinwohlvorstellung aufgrund des unbestimmten Begriffsinhalts nicht existieren kann und somit vom Standpunkt des Betrachters abhängig ist, läßt sich in der Theorie wie auch in der Praxis eine kleine Anzahl Grundwerte finden, über deren Gemeinwohlcharakter ein weitgehender Konsens besteht. Derartige Gemeinwohldeterminanten sind die Grundwerte "Freiheit", "Wohlstand", "Frieden", "Sicherheit" und "Gerechtigkeit".1 Die Realisierung bzw. Sicherstellung eines bestimmten Niveaus dieser Grundwerte wird als Staatsaufgabe angesehen, so daß die Werte

1

Vgl. Giersch, H (1960), S. 68ff., Arnim, H.H. v. (1977), S. 22ff., Grossekettler, (1982), S. 219, Hanig, R (1990), S. 10.

H.

62

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

auch als ordnungspolitisch können.2

neutrale strategischen Oberziele aufgefaßt werden

Grundlegende Hypothese bei der Erstellung des Referenzsystems dieser Arbeit ist das Postulat der individuellen Freiheit? Die grundsätzliche Garantie eines Freiheitsspielraums soll es den Individuen ermöglichen, ihre eigenen Ziele in der Gesellschaft zu verwirklichen. Bereits T. Hobbes sah jedoch die Möglichkeit, daß die Gewährung unbeschränkter Freiheit mit negativen Auswirkungen auf die Freiheitssphäre anderer Individuen verbunden sein kann (Hobbesscher Urzustand). Insofern müssen in einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung Reglementierungen gefunden werden, die eine Abgrenzung der Individualsphären beinhalten.4 Ein alleiniger Wertekonsens zur Absicherung der relativen individuellen Freiheit erscheint jedoch nicht ausreichend, weil der einzelne durch egoistisches Verhalten Vorteile zu Lasten anderer erzielen könnte (Gefangenendilemmasituation).5 Insofern muß der Wertekonsens durch die Festschreibung von Regeln (in einem Gesellschaftsvertrag) und durch die Überwachung der Regeleinhaltung durch die Herausbildung einer Kontrollinstitution sichergestellt werden. Es bedarf m.a. W. einer Ordnung der Gesellschaft. Ein derartiges ordnungstheoretisches Denken hat ein Deutschland - mit Bezug auf das Wirtschaftsleben - eine beachtliche Tradition. 6 Insbesondere die in der Freiburger Schule wissenschaftlich kooperierenden Vertreter des Ordoliberalismus 1 betonten die Notwendigkeit der Einhaltung bestimmter Regeln bzw. Prinzipien im Bereich der Wirtschafts- und speziell der Wettbewerbspolitik, um auf diese Weise negativen Konsequenzen aus einer absoluten Freiheit der Wirtschaftssubjekte, wie sie etwa im Mißbrauch wirtschaftlicher Macht zur Geltung kommen könnten, vorzubeugen. Zur Durchsetzung der Prinzipien fordern die Ordoliberalen - als "ordnende Potenz"8 - einen aktiven, demokratischen Staat, der mittels einer positiven

2

Vgl. Woll, A. (1984), S. 51 ff.

3

Vgl. zu dieser Norm auch Leckebusch, M. (1991), S. 79 ff.

4

Vgl. Leckebusch, M. (1991), S. 81.

5

Vgl. Leckebusch, M (1991), S. 84.

6

Vgl. Leipold, H. (1989), S. 129.

7

Als Hauptgründerväter der Freiburger Schule gelten der Volkswirt Walter Eucken (1891-1950) und der Jurist Franz Böhn (1895-1977). Zu einer deta'Mierten Analyse der personellen Verflechtungen vgl. Grossekettler, H. (1987 a). 8

Eucken, W. (1990), S. 325.

III. Kapitel: Ordoliberale Prinzipien der Wirtschaftspolitik

63

Ordnungspolitik für die Gestaltung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu sorgen hat.9 Eine Renaissance und Weiterentwicklung des ordoliberalen Gedankenguts findet seit einigen Jahren durch die Vertreter der Ökonomischen Theorie der Verfassung (Constitutional Economics) statt.10 Hier verdient speziell das durch die Beiträge des Nobelpreisträgers J. M. Buchanan geprägte vertragstheoretische Konzept Beachtung. Während die Ordoliberalen in erster Linie eine Beschränkung der Machtpositionen der privaten Wirtschaftsakteure anstrebten, wird von den Vertragstheoretikern besonderes Augenmerk auf die Bedrohung der individuellen Freiheit durch die Machtsphäre des Staates gelegt.11 Um diesen Erkenntnissen Rechnung zu tragen, soll im folgenden ein System von ökonomischen Prinzipien entwickelt werden, die zur Beurteilung des Wirtschaftspolitik herangezogen werden können und zugleich als Leitmaximen zur effizienten Gestaltung der Wirtschaftspolitik (z. B. in Form einer Subventionsordnung) dienen. Bevor ein derartiger Prinzipienkatalog vorgeschlagen wird, soll jedoch zunächst das zugrundeliegende Legitimationsverfahren näher erläutert werden. Durch die Beachtung dieses Verfahrens soll die Verankerung illegitimer Prinzipien im Rahmen eines übergeordneten Gesellschaftsvertrags unterbunden werden. Ausgehend von einer individuellen Betrachtung des Gemeinwohls erscheint die Verankerung solcher Prinzipien in einem Gesellschaftsvertrag legitim, denen alle von der Anwendung der Regeln Betroffenen freiwillig und einstimmig zustimmen würden. 12 Diese bereits von K Wicksell aufgestellte allgemeine Entscheidungsregel des freiwilligen Konsenses impliziert, daß eine Diskriminierung des einzelnen durch das involvierte Vetorecht verhindert werden kann.13 Realiter scheitert die Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips für die Legitimation von Maßnahmen jedoch einerseits an den damit einhergehenden hohen Transaktionskosten (insbesondere Kosten der Konsensfindung), die einstimmige Entscheidungen aus Kostenüberlegungen nicht sinnvoll erscheinen lassen.14 Andererseits würde das Einstimmigkeitsprinizip in

9 Vgl. Böhm, F. (1980), S. 70 f., Starbatty, S. 6 ff., Lenel, H. O. (1989), S. 6 f.

J. (1983), S. 569, Grossekettlcr,

10

Vgl. Grossekettlcr,

H. (1987 a), S. 27 ff., Vanberg, V. (1988), S. 17 ff.

11

Vgl. Grossekettlcr,

H. (1987 a), S. 30.

12

Vgl. Buchanan, l M. (1967), S. 285.

13

Vgl. Vanberg, V. (1981), S. 33, Homann, K (1985), S. 51.

14

Vgl. Buchanan, J.MJTullock,

G. (1962), S. 45, Homann, £ (1985), S. 54 f.

H. (1987 a),

64

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

großen Gruppen mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Zusammenbruch der kollektiven Entscheidungsfindung induzieren, weil Erpresserhandlungen von einzelnen befürchtet werden müssen.15 Hinzu kommt, daß insbesondere bei Diskussion von Verteilungs- bzw. Umverteilungsregeln einstimmige Entscheidungen aufgrund der unterschiedlichen Betroffenheit von potentiellen Gewinnern und Verlierern kaum möglich erscheinen.16 Daher soll im folgenden das Einstimmigkeitsprinzip durch ein zweistufiges Näherungsverfahren (die sogenannte Vertragstheoretische Legitimation) verfeinert werden, das die Legitimation von Prinzipien im Rahmen der (fiktiven) Diskussion eines Gesellschaftsvertrags ermöglicht. 17 In einem ersten Schritt der Legitimation von Prinzipien wird innerhalb des (auf /. Kants kategorischen Imperativ zurückgehenden) hypothetischen Gesellschaftsvertrags gefragt, ob es im Rahmen eines Gedankenexperiments plausibel erscheint, daß eine bestimmte Regel dem Wohle aller Betroffenen dient, und sich daher die Mitglieder einer Gesellschaft auf die Implementierung dieser Regel in einen Gesellschaftsvertrag einigen.18 Dabei wird unterstellt, daß sich die Beteiligten bei der Diskussion des Gesellschaftsvertrags in einem Rawlsschen Urzustand unter dem "Schleier der Ungewißheit" befinden. 19 In einer derartigen Entscheidungssituation kann per definitionem keiner der Betroffenen die Auswirkungen der Anwendung einer zur Debatte stehenden Regel auf seine persönliche Lage abschätzen, so daß eine von Partialinteressen losgelöste, gemeinwohladäquate Entscheidung die Folge sein wird. 20 Der alleinige Verweis auf hypothetisch-theoretische Überlegungen erscheint jedoch nicht ausreichend, um den Gemeinwohlcharakter und somit die Legitimität eines Prinzips beurteilen zu können.21 Hinzu kommt, daß die idealtypische Ttowfrsche Entscheidungssituation in der Realität

15

Vgl. Frey, B. S. (1981), S. 30 f.

16

Vgl. Kirchgässner,

G. (1988), S. 70.

17

Vgl. hierzu Homann, K (1985), weiterhin Grossekeuler, (1991a), S. 116 f.

H. (1987 a), S. 16 f. und

18

Vgl. Homann, K (1985), S. 60 f. Vgl. auch die ähnlich lautenden Äußerungen von Giersch, H (1967), S. 19

Zum Rawlsschen Urzustand und zum "Schleier der Ungewißheit" vgl. Rawls, J. (1975), S. 27ff. und S. 140ff. Vgl. weiterhin Buchanan, J.M. (1967), S. 219f. und S. 293, Frey, B.S. (1981), S. 27, Buchanan, J.M. (1987), S. 248 f. 20

Vgl. Rawls, J. (1975), S. 29, Kirchgässner,

21

Vgl. Homann, K (1985), S. 64.

G. (1988), S. 70.

III. Kapitel: Ordoliberale Prinzipien der Wirtschaftspolitik

65

wohl niemals exakt erfüllt sein kann. Es ist daher im Rahmen des impliziten Gesellschaftsvertrags durch den Verweis auf konkludentes Verhalten der Betroffenen die Frage zu beantworten, inwieweit es Indizien dafür gibt, daß diese dem Prinzip faktisch zustimmen.22 Erst wenn das Prinzip hypothetisch gerechtfertigt erscheint und zusätzlich Indizien dafür sprechen, daß es auch in der Realität von den Betroffenen gebilligt wird, erscheint es vertragstheoretisch legitim. Die beiden Stufen des Legitimationsverfahrens bilden demnach Tests füreinander, eine Legitimation auf Basis nur einer Stufe kann nicht als ausreichend angesehen werden.23 Im folgenden sollen nun Prinzipien der Wirtschaftspolitik erläutert und diskutiert werden, die - auf der Ebene eines Gedankenexperiments - die genannten Anforderungen erfüllen und daher in einen Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden sollten. Zunächst ist darüber zu befinden, welche Generallinie der Wirtschaftspolitik eingeschlagen werden sollte. Anders gewendet ist der Ausgangspunkt der vertragstheoretischen Legitimation von Prinzipien die Frage der "ordnungspolitischen Gesamtentscheidung".24 Die Sinnhaftigkeit einer wirtschaftspolitischen Einzelmaßnahme kann nur vor diesem Hintergrund beurteilt werden.25 Es ist zu vermuten, daß sich ökonomisch aufgeklärte Bürger für das Wirtschaftssystem entscheiden würden, das ihrem Wunsch nach Maximierung der strategischen Oberziele am besten gerecht wird. Aus dieser Perspektive erscheint ein marktwirtschaftliches System einem zentralwirtschaftlichen System vorzugswürdig: Die grundsätzliche Gewährleistung von wirtschaftlicher Freiheit (als Bestandteil der individuellen Freiheit) im Rahmen einer Marktwirtschaft erlaubt eine präferenzengerechte Steuerung von Angebot und Nachfrage und eine leistungsgerechte Verteilung der Erträge. Durch die Aktivierung von Markträumungs-, Renditenormalisierungs-, Übermachterosions- sowie Produkt- und Verfahrensfortschrittsprozessen wird in einer funktionsfähigen Marktwirtschaft automatisch eine Effizienzsteigerung erzielt, die tendenziell gesamtwirt-

22

Vgl. Hamann, K. (1985), S. 63 f.

23

Vgl. Homann, K (1985), S. 64 f., Grossekettler,

24

Euchen, W. (1990), S. 250.

25

Vgl. Euchen, W. (1949), S. 28.

5 Nieder-Eichholz

H (1991 a), S. 116.

66

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

schaftliche Wohlfahrtsgewinne induziert. 26 Insgesamt erscheint daher (bei der Diskussion eines hypothetischen Gesellschaftsvertrags) eine ordnungspolitische Grundentscheidung zugunsten eines marktwirtschaftlichen Systems durchaus plausibel. Nährboden erhält diese Einschätzung bei der Betrachtung des (historischen) Ausleseprozesses der Wirtschaftssysteme (impliziter Gesellschaftsvertrag). Der Niedergang der zentralwirtschaftlichen Systeme im Osten Europas und die Wünsche der dort Lebenden nach mehr individueller Freiheit und einem höheren Wohlstand untermauern eine Grundentscheidung für ein marktwirtschaftliches System eindrucksvoll. Dieser Einschätzung folgend ist anzunehmen, daß solche Prinzipien vertragstheoretisch akzeptabel erscheinen, welche eine zumindest rudimentäre Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft gestatten. Diese - eng mit den Euckenschen konstituierenden Prinzipien 27 verwandten - Grundsätze lassen sich nach H Grossekettler auch unter dem Terminus "Basisprinzipien der Wirtschaftspolitik" subsumieren.28 In diesem Kontext ist zunächst das Prinzip des Privateigentums aufzuführen, das zur Etablierung von Exklusionsrechten führt. Das Prinzip läßt sich insbesondere aufgrund der mit dem Privateigentum einhergehenden Informations- und Motivationsvorteile der Selbstbetroffenheit rechtfertigen. Des weiteren setzt eine funktionsfähige Marktwirtschaft voraus, daß die Wirtschaftssubjekte Verträge nach eigenen Präferenzen abschließen können (Prinzip der Vertragsfrei heil). Aus dem Abschließen dieser Verträge ergeben sich nun positive oder negative Konsequenzen, aus unternehmerischer Sicht in erster Linie Gewinne oder Verluste. Als Pendant zur Gewinnerzielungschance in einer Marktwirtschaft muß die Geltung des Prinzips der Haftung gefordert werden. Dieses postuliert, daß die Abwälzung von Verlusten auf die "Schultern" Anderer vermieden werden muß. Als ein weiteres Basisprinzip kann die Forderung nach der Öffnung bzw. des Offenhaltens der Märkte angesehen werden. Die Einhaltung dieses Prinzips soll gewährleisten, daß der marktliche Koordinationsprozeß nicht durch staatliche oder private Wettbewerbsbeschränkungen gestört bzw. außer Kraft gesetzt wird. Weiteres Basisprinzip ist die Stabilisierung des Geldwertes. Auf diese Weise sollen inflationär bedingte Verzerrungen der ökonomischen Kalküle der Wirtschaftssubjekte und

26

Vgl. zu diesen Prozessen grundlegend Borchert, M./Grossekettler, und Grossekettler, H. (1991c), S. 467 ff.

H. (1985), S. 170 ff.

27 Vgl zu den konstituierenden Prinzipien ausführlich Eucken, W. (1949), S. 33 ff. und (1990), S. 254 ff. 28

Vgl. Grossekettler,

H. (1991 a), S. 110.

III. Kapitel: Ordoliberale Prinzipien der Wirtschaftspolitik

67

damit einhergehende unerwünschte Verteilungseffekte vermieden werden. Außerdem ist die Wirtschaftspolitik so zu gestalten, daß die Wirtschaftssubjekte auf die Weiterführung einer gemeinwohlorientierten Politik vertrauen können. Das Prinzip der effizienten Gestaltung der Transaktionskosten verlangt daher einen Vorrang der Ordnungs- vor der Prozeßpolitik unter Wahrung der Rechtsstaatlichkeit. Die aufgezeigten Prinzipien sind - gemeinsam betrachtet - die Mindestanforderungen zur Realisierung eines marktwirtschaftlichen Systems. Zu bedenken ist jedoch, daß auch bei der Realisierung der Basisprinzipien ein marktwirtschaftliches System Mängel aufweisen kann. Etwa können als Begleiterscheinung verteilungspolitische Unwägbarkeiten oder Übernutzungserscheinungen der Umwelt, die das Überleben einzelner in der Gesellschaft gefährden, auftreten. Hier wird sichtbar, daß eine alleinige Verankerung von ökonomischen Basisprinzipien in einen Gesellschaftsvertrag nicht ausreichend erscheint. Es muß vielmehr eine situationsgerechte Ergänzung der marktwirtschaftlichen Ordnung sichergestellt werden. Dieses ist der Ansatzpunkt der zweiten Gruppe von Prinzipien: Die "Evolutionsprinzipien m29 stellen Regeln für eine Weiterentwicklung bzw. Änderung des bestehenden Grundsystems dar. Im folgenden sollen nur die ökonomischen Evolutionsprinzipien näher betrachtet werden. Weil eine Subventionsordnung als eine Teilordnung der gesamten Wirtschaftsordnung aufgefaßt werden kann und insofern die Rahmenwirtschaftsordnung in einem bestimmten Gebiete konkretisiert, sind diese Prinzipien für die Ausgestaltung eines derartigen Arrangements von eminenter Bedeutung. Sie können mithin als Leitmaximen bei der Schaffung einer Subventionsordnung aufgefaßt werden. Diese überragende Stellung der ökonomischen Evolutionsprinzipien im Hinblick auf diese Arbeit verlangt es, daß die in Rede stehenden Grundsätze zunächst charakterisiert werden. Als erster Evolutionsgrundsatz kann das Subsidiaritätsprinzip aufgeführt werden. Dieses aus der katholischen Soziallehre stammende Prinzip ist in mehreren päpstlichen Sozialenzykliken enthalten (z.B. Quadragesimo Anno (1931), Mager et Magistra (1961)). In der Enzyklika über die gesellschaftliche Ordnung vom 31.05.1931 (Quadragesimo Anno) des Papstes Pius XI. wird der Grundsatz in die folgende Formulierung gekleidet: ..: wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der

29

Grossekettler,

H. (1991 a), S. 112.

68

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen;.. . w3 ° Diese Formulierung verdeutlicht, daß das Subsidiaritätsprinzip einerseits das Verhältnis zwischen Staat und Privatpersonen betrifft und hier einen Nachrang des Staates fordert; andererseits berührt der Grundsatz das Verhältnis der administrativen Ebenen innerhalb der Staatsorganisation und postuliert hier einen Vorrang untergeordneter Verwaltungsebenen. Das Subsidiaritätsprinzip erkennt den Eigenwert der individuellen Freiheit an: Dem einzelnen wird die Möglichkeit eröffnet, zugleich jedoch die Aufgabe zugewiesen, "seines Glückes Schmied" zu werden.31 Neben der Anerkennung des zentralen Freiheitspostulats kann als Grund für die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips auch die ökonomische Vorteilhaftigkeit der Befolgung dieser Regel aufgeführt werden.32 Die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips führt tendenziell gegenüber einer Zentralisierung der Staatstätigkeit zu Informations- und Motivationsvorteilen, die aus der Selbstbetroffenheit der gesellschaftlichen Subgruppen resultieren. 33 Durch die Selbstbetroffenheit wird auch eine bessere Kontrolle der Staatstätigkeiten wahrscheinlich. Diese Vorteile gestatten i.d.R. eine genauere Ausrichtung der wirtschaftspolitischen Aktivitäten an den Präferenzen der gesellschaftlichen Subgruppen und führen so potentiell zur Verringerung ökonomischer Wanderungskosten. Außerdem kann die Befolgung des Subsidiaritätsprinzips einen Wettbewerb dezentraler Lösungen induzieren, der eine Aktivierung von fortschrittsfördernden Mutations-, Selektionsund Imitationsprozessen bewerkstelligen kann. Insofern erscheint die Befolgung des Subsidiaritätsprinzips auch in dynamischer Hinsicht vorteilhaft. Der in Rede stehende Grundsatz fordert jedoch nicht, daß die gesamte Staatstätigkeit weitgehend dezentralisiert bzw. privatisiert wird. Vielmehr verlangt er nur, daß jeder Zentralisierungsschritt ökonomisch plausibel gerechtfertigt wird, so daß die Beweislast für eine Zentralisierung von Aktivitäten stets der übergeordneten Ebene aufgebürdet wird. Die Rechtfertigung für eine Verlagerung von Aktivitäten von der Ebene der Privaten 30

Der lateinische Originaltext und die deutsche Übersetzung dieser Textpassage sind abgedruckt bei Nell-Breuning, O. v. (1962), Sp. 826. 31

Vgl. Nell-Breuning,

O. v. (1962), Sp. 829.

32

Vgl. Grossekettler,

H. (1991 a), S. 113.

33

Vgl. hierzu grundlegend Grossekettler,

H. (1984), S. 40 f.

III. Kapitel: Ordoliberale Prinzipien der Wirtschaftspolitik

69

auf die Staatsebene kann anhand des Legitimationspostulats geschehen.34 Dieses Prinzip verlangt, daß der Staat nur solche wirtschaftspolitischen Maßnahmen durchführen darf, die als systemkonforme Ergänzung des bestehenden Rahmens angesehen werden können. Zur diesbezüglichen Beurteilung der Legitimität einer staatlichen Maßnahme können die Kriterien herangezogen werden, die in Abb. 6 in Form einer Checkliste zusammengestellt sind. Notwendige Voraussetzung einer rationalen Politik ist die Festlegung operationaler Ziele. Dieses soll eine effiziente Planung sowie eine Kontrollierbarkeit des Zielerreichungsgrades sicherstellen. Um eine Orientierung am Gemeinwohl zu gewährleisten, sollen die Ziele vertragstheoretisch legitim erscheinen. 1. Zieloperationalisierung Vor Anwendung der Schritte 2 und 3 ist zu klären, wie empirisch festgestellt werden kann, ob das angestrebte Ziel tatsächtlich realisiert worden ist. Sollen mehrere Ziele realisiert werden, muß außerdem das Verhältnis der Ziele untereinander geklärt werden, und ist zur Vermeidung von Informationsineffizienzen sowie Kompetenz- und/oder Dosierungskonflikten ggf. die ZMT-Regel1 zu beachten. 2. Vertragstheoretische

Legitimation des Maßnahmenziels

2.1. Prüfschritt 1 = hypothetische Rechtfertigung;. Erscheint es plausibel, daß sich aufgeklärte Bürger in einer Rawlsschen Urvertragssituation - d.h. bei schiedsrichterlicher Unabhängigkeit und unter dem "Schleier der Ungewißheit" über persönliche Betroffenheit — auf das Maßnahmenziel einigen würden? Diese Frage ist zu bejahen, wenn alle Bürger einen Nettovorteil von der Zielrealisation hätten. 2.2. Prüfschritt 2 = Verweis auf konkludentes Verhalten: Gibt es in der Erfahrungswelt Anzeichen dafür, daß die in Rede stehende Zielsetzung vom Gros aufgeklärter und unparteiischer Bürger geteilt und Verstöße dagegen als soziale Mißstände aufgefaßt werden? Spricht die "herrschende Meinung" also dafür, daß das Ziel ein Gemeinwohlziel ist? 2.3. Teilergebnis 1: Bei positivem Prüfresultat das Teilergebnis festhalten und weiterprüfen; bei negativem Resultat prüfen, ob das Maßnahmenziel mit einem Gemeinwohlziel verwandt ist, das "eigentlich" gemeint sein könnte; erforderlichenfalls nur unter dem Vorbehalt fortfahren, daß die Zielsetzung zwar bestimmten Interessengruppen, nicht aber der Allgemeinheit dient. Fortsetzung nächste Seite

34

Vgl. Grossekettler,

H. (1991 a), S. 113 ff.

70

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

3. Ökonomische Legitimation der Maßnahmengestaltung 3.1. Instrumentenvektor. Zielrealisation.

Ermittlung und Konkretisierung denkbarer Instrumente zur

3.2. Instrumentenweise Prüfung auf Effektivität: Unterstützt eine Maßnahme x die Erreichung des gesetzten Zielsrichtungsmäßig(Richtungsforderung), und ist sie in quantitativer Hinsicht so geartet, daß wenigstens das Mindestzielniveau realisiert werden kann (Dosierungsforderung)? 3.3. Aussonderungsschritt

1: Ineffektive Mittel von der weiteren Prüfung ausschließen.

3.4. Prüjung der verbleibenden Instrumente auf Erforderlichkeit: Beantworten folgende Teilfragen zur Konformität der Maßnahme mit einer vorrangig dezentralen Ordnung: - Wird stärker in die Entscheidungskompetenzen von nachgeordneten Verbänden und letztlich der Individuen eingegriffen als es zur Sicherstellung der Effektivität der Maßnahme unabdingbar ist? — Sind mit der Maßnahme Effekte verbunden, welche marktwirtschaftliche Koordinationsmechanismen stören, insbesondere das Funktionieren von Marktprozessen (Folge: Koordinationsmängel auf Märkten) oder das Funktionieren von Kreislaufprozessen (Folge: mangelhafte Realisierung stabilitätspolitischer Ziele)? — Verstößt die Maßnahme gegen das in Marktwirtschaften erstrebenswerte Prinzip des Vorrangs der Ordnungs- vor der Prozeßpolitik? - Wird gegen sonstige Basis- und/oder Evolutionsprinzipien verstoßen? Entscheiden, ob das Ausmaß einer eventuellen Ordnungsinkonformität auf das zur Zielerreichung erforderliche Minimum beschränkt ist, und ob es auch durch Justieren des vorgesehenen Instruments nicht mehr verringert werden kann (zielbedingte Minimalintensität der Ordnungsstörung). 3.5. Aussonderungsschritt 2: Bilden einer Rangfolge für die übriggebliebenen Instrumente und Aussondern aller Instrumente mit einer offensichtlich inakzeptablen Intensität der Ordnungsstörung.

3.6. Prüfung auf Verhältnismäßigkeit (= Wirtschaftlichkeit): Steht der Nutzen der Zielrealisation der verbleibenden Maßnahmen in einem vernünftigen Verhältnis zu den Zweckund Transaktionskosten aller Art, die mit dem Einsatz des jeweiligen Instruments verbunden sind? In schwierigen Fällen muß diese Prüfung mit Hilfe einer Kosten-Nutzenoder einer Kosten-Wirksamkeits-Analyse durchgeführt werden. Bilden einer Rangfolge für die geprüften Instrumente und Aussondern aller Instrumente, bei denen die Gesamtkosten die Gesamtnutzen übersteigen. 3.7. Teilergebnis 2: Formulieren einer Handlungsempfehlung derart, - daß entweder das Instrument ausgewählt wird, das in den beiden Teilprüfungen auf Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit Rang 1 belegt, oder — daß die Instrumente gegeneinander abgewogen werden, die in den jeweiligen Einzelprüfungen einen besonders guten Rangplatz errungen haben (wobei man sich in der Regel auf die beiden Instrumente beschränken kann, die Platz 1 in einer der Teilprüfungen belegen). 1

Die ZMT-Regel wird an späterer Stelle in diesem Kapitel noch erläutert.

Quelle: Grossekettler,

H. (1991a), S. 114 f.

Abbildung 6: Grundschema zur Prüfung wirtschaftspolitischer Maßnahmen

III. Kapitel: Ordoliberale Prinzipien der Wirtschaftspolitik

71

Nach der Überprüfung der Ziele widmet sich der zweite Teil des Legitimationspostulats der Beurteilung der wirtschaftspolitischen Maßnahmen. Zunächst müssen die betrachteten Maßnahmen geeignet sein, einen mindestens als befriedigend zu beurteilenden Grad der Zielerreichung zu gewährleisten (Zielkonformität bzw. Effektivität). 35 Anderenfalls würde hier lediglich eine unnötige Verschwendung von knappen Mitteln stattfinden. Eine alleinige Betrachtung der Zielkonformität leistet jedoch punktuellem Denken Vorschub. 36 Deshalb muß eine wirtschaftspolitische Maßnahme zusätzlich den Test auf Markt- und Systemkonformität bestehen, d.h. sie darf das (im Rahmen der ordnungspolitischen Grundentscheidung gewählte) Wirtschaftssystem nicht wesentlich beeinträchtigen.37 Das Einhalten dieser Forderung soll die Einheitlichkeit der Wirtschaftspolitik sicherstellen. Um mit dem Gütesiegel der Rationalität ausgezeichnet zu werden, muß die betrachtete Maßnahme des weiteren wirtschaftlich sein, so daß der Nutzen der Zielrealisation in vernünftiger Relation zu allen anfallenden Kosten steht. Die Forderung nach Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit entspricht dem - bereits im Preußischen Polizeirecht verankerten - rechtsstaatlichen Übermaßverbot. 38 Neben dem Legitimationspostulat kann als weiterer Grundsatz zur situationsadäquaten Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik die sogenannte ZMT-Regel herangezogen werden. Diese Kompetenzverteilungsregel fordert, daß "jedem Ziel (Z) wenigstens ein nicht auch zur Realisierung konfligierender Ziele eingesetztes Mittel (M) sowie ein und nur ein Entscheidungs- und Verantwortungsträger (T) zugeordnet wird, und zwar derjenige, der über das höchste Informationsniveau verfügt." 39 Die ZMT-Zuordnungsregel ist angelehnt an die Tinbergensche Feststellung, daß eine Wirtschaftspolitik nur dann als konsistent zu bezeichnen ist, wenn die Zahl der Ziele der Zahl der Instrumente entspricht. 40 Auf diese Weise soll das Auftreten von Dosierungskonflikten innerhalb des Instrumentenvektors verhindert werden, die daraus erwachsen können, daß ein Mittel mehreren nicht harmonischen Zielen zugleich dient. Die

35

Vgl. Seraphim, K-J. (1955), S. 316, Tuchtfelds (1987 a), S. 17. 36

Vgl. Tuchtfelds

E. (1960), S. 206, Grossekettlcr,

H.

E. (1960), S. 207.

37

Vgl. Röpke, W. (1948), S. 258 ff., Seraphim, H.-J. (1955), S. 317 ff., Tuchtfelds S. 210 ff. 38

Vgl. zum Verhältnismäßigkeitsprinzip u.a. Haverkate,

39

Grossekettler,

40

Vgl. Streit, M. E. (1979), S. 226.

H. (1991 a), S. 117.

G. (1983).

E. (1960),

72

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

Zuordnung eines Ziel-Mittel-Bündels auf den optimal informierten Träger zur eigenverantwortlichen Bearbeitung41 soll das Auftreten von potentiellen Ineffizienzen einer umfassenden Simultanplanung der Staatstätigkeit vermeiden. In concreto sollen durch die Befolgung der Regel Kompetenzkonflikte und Erfolgskontrollprobleme, die aus einer Überschneidung von Verantwortungsgrenzen resultieren können, verhindert werden. Als weiteres Evolutionsprinzip ist das Kongruenzprinzip aufzuführen. 42 Diese Kompetenzverteilungsregel verlangt, daß bei der Organisation von Kollektiven drei Teilprinzipien eingehalten werden: Das auf M Olson zurückgehende Prinzip der fiskalischen Äquivalenz fordert eine möglichst hohe Deckungsgleichheit des Kreises der Nutzer eines Gutes mit dem Kreis der Kostenträger. Fehlende fiskalische Äquivalenz führt eo ipso zu marktwirtschaftlichen Störungen, weil das grundlegende Do-ut-des-Prinzip außer Kraft gesetzt wird. Ökonomische Ineffizienzen können sich etwa dadurch einstellen, daß - wenn der Kreis der Nutzer den Zahlerkreis übersteigt - die erstgenannte Gruppe Trittbrettfahrer enthält (free-rider-Problematik). 43 Als zweites Teilprinzip des Kongruenzgrundsatzes wird das Demokratieprinzip angesehen. Dieses verlangt, daß sich die Kreise der Entscheidungsunterworfenen und der Kontrollberechtigten decken sollen. Auf diese Weise soll insbesondere sichergestellt werden, daß die von einer staatlichen Maßnahme (negativ) Betroffenen die Ordnungsgemäßheit der Maßnahme kontrollieren und hierzu auch Stellung nehmen können. Insofern trägt das Prinzip dazu bei, willkürlichem Agieren von Seiten des Politisch-administrativen Systems entgegenzuwirken. Drittens fordert das Kongruenzprinzip, daß die Kontrollberechtigten ihre Kontrolle möglichst selbst ausüben dürfen, so daß die Wirkung des Demokratieprinzips nicht durch eine mögliche Mediatisierung der Kontrolle konterkariert wird (Prinzip der Direktkontrolle). Aus dem Katalog der ökonomischen Evolutionsprinzipien soll nun abschließend das Beherrschbarkeitsprinzip kurz charakterisiert werden. Dieses Prinzip verlangt die Einbeziehung der Erkenntnisse der Neuen Politischen Ökonomie in den Planungsvorgang wirtschaftspolitischer

41

Vgl. Streit, M. E. (1979), S. 228 f.

42

Vgl. Grossekettler, H. (1991a), S. 117. Recktenwald, diesem Zusammenhang vom Verbundprinzip. 43

Vgl. Olson, M. (1977), S. 71.

H.C. (1983), S. 667 ff. spricht in

III. Kapitel: Ordoliberale Prinzipien der Wirtschaftspolitik

73

Maßnahmen. Damit soll gewährleistet werden, daß eine lediglich auf Partialinteressen bedachte und ökonomisch ineffiziente Wirtschaftspolitik von vornherein ausgeschlossen wird. Zur Sicherstellung der Beherrschbarkeit soll der Staat seine Aktivitäten an bestimmten Grundsätzen ausrichten und in diesem Sinne seinen Ermessensspielraum auf systemkonforme Entscheidungen reduzieren. Mit Hilfe der aufgezeigten Basis- und Evolutionsprinzipien wird eine Überprüfung und Planung wirtschaftspolitischer Maßnahmen möglich. Staatliche Interventionen können daher nur dann legitim erscheinen, wenn sie mit dem Prinzipienkatalog in Einklang stehen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet erhalten Subventionen regelmäßig eher eine negative Benotung, weil sie insbesondere einigen ökonomischen Basisprinzipien zuwiderlaufen können: - Subventionen stellen vielfach einen Eingriff in den marktlichen Koordinationsmechanismus dar, welcher die Kosten- bzw. Preisverhältnisse (und damit zugleich die wahren Knappheitsrelationen) verzerrt. Dadurch wird letztlich eine Steuerung von Angebot und Nachfrage induziert, die nicht der originären marktmäßigen Steuerung entspricht. - Subventionen implizieren häufig eine Honorierung marktwirtschaftlichinkonformen Verhaltens mit der Folge der Außerkraftsetzung des wettbewerbsimmanenten "survivial of the fittest". Speziell im Falle von Erhaltungssubventionen wird durch die Konservierung der Strukturen ein produktiverer Einsatz der Ressourcen verhindert (Verletzung des Prinzips der Haftung). 44 - Subventionen konterkarieren regelmäßig die Anreizfunktion des Marktes, indem sie die unternehmerische Initiative lähmen. Insbesondere ein subventionsinduzierter Verlustausgleich bewirkt, daß die innovationsgerichtete Aktivität dynamischer Unternehmer gehemmt wird (Verletzung des Prinzips der offenen Märkte). 45 Aus diesen Argumenten marktwirtschaftlich orientierter Subventionsgegner kann jedoch nicht eo ipso abgeleitet werden, daß die gesamte staatliche Subventionierung in einer - an ordoliberalen Grundsätzen orientierten - Marktwirtschaft als "Sündenfair charakterisiert werden kann.

44

Vgl. Tuchtfelds

45

Vgl. Räber, J. (1965), S. 50 f.

E. (1966), S. 593, Ewringrnann,

DJHansmeyer, K.-H. (1975), S. 27 f.

74

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

Es existieren vielmehr auch aus marktwirtschaftlicher Sicht durchaus legitime Einsatzbereiche für Subventionen. Ansatzpunkt ist dabei die - in den Evolutionsprinzipien bereits zum Ausdruck kommende - Tatsache, daß der Markt nicht in jedem Falle alleine für die Annäherung bzw. Erreichung eines sozioökonomischen Optimums Sorge tragen kann. Die Beantwortung der Frage, wann ein derartiger Idealzustand erreicht ist und wann nicht, erfordert zunächst eine Beurteilungsperspektive, die durch eine (werturteüsbehaftete) Normierung des Optimums geschaffen wird. In den Fällen, in denen die Erreichung des normierten Idealzustands auf marktlichem Wege verfehlt wird, spricht die Theorie vom Phänomen des Marktversagens. Staatseingriffe, in concreto Subventionen, können folglich damit begründet werden, auftretendem Marktversagen wirksam zu begegnen bzw. eine Annäherung an die postulierten Normen zu gewährleisten. Das wirtschaftspolitische Instrument der Subventionen weist dabei gegenüber anderen staatlichen Interventionsmitteln z. T. Vorzüge auf: - Im Hinblick auf die Marktkonformität sind die Subventionen im Vergleich zu anderen, eingriffsintensiven staatlichen Instrumenten (z.B. Gebote, Verbote) relativ positiv zu beurteilen, weil die Entscheidung über ihre Inanspruchnahme den potentiellen Subventionsempfängern selbst überlassen bleibt (Freiwilligkeit). - Hinzu kommt, daß die staatlichen Hilfeleistungen im Bedarfsfall von den politischen und administrativen Entscheidungsträgern flexibel (auf den Einzelfall abgestimmt) eingesetzt werden können. Die bisherige Darstellung der Subventionen zielte im wesentlichen darauf ab, die Vor- und Nachteile der Vergünstigungen aus ordnungspolitischer Sicht allgemein darzulegen. Diese Betrachtungsweise birgt jedoch die Gefahr in sich, abstrakt zu räsonieren. Die folgenden Abschnitte sollen daher dazu dienen, ein differenzierteres Bild von den staatlichen Subventionen zu gewinnen. Im nachstehenden Kapitel sollen daher zunächst mögliche Einsatzfelder von Subventionen analysiert werden, die sich in Anlehnung an die (neoklassisch orientierte) traditionelle Subventionstheorie ergeben können. Damit wird einerseits die grundlegende Frage zu beantworten versucht, warum Subventionen per se überhaupt notwendig erscheinen können. In einem Exkurs werden daraufhin die Wirkungen von Subventionen dargelegt. Diese theoretischen Ausführungen sollen dem Leser das notwendige Hintergrundwissen vermitteln, das später auch bei der Ausarbeitung der Subventionsordnung vonnöten erscheint.

IV. Kapitel: Diskussion möglicher Subventionseinsatzfelder

75

IV. Kapitel

Diskussion möglicher Subventionseinsatzfelder In diesem Kapitel soll festgestellt werden, in welchen Einsatzbereichen die Vergabe von Subventionen aus ökonomischer Sicht befürwortet werden kann. Der Sinn dieses Kapitels ist der Nachweis, daß die Subventionsvergabe nicht per se negativ zu beurteilen ist, sondern daß aus ökonomischer Perspektive durchaus plausible Begründungen für einen Subventionseinsatz existieren. Im Rahmen der folgenden Analyse sollen die traditionellen theoretischen Begründungen des Subventionseinsatzes an der Elle des Legitimationspostulats gemessen werden. Hierbei wird geprüft, ob die betrachteten subventionspolitischen Endzwecke vertragstheoretisch akzeptabel erscheinen und ob der Subventionseinsatz zur Erreichung des jeweiligen Endzwecks den Anforderungen nach Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit genügen kann. In diesen Fällen erscheint der Einsatz von Subventionen ökonomisch gerechtfertigt. Zur Systematisierung der Begründungsansätze bietet es sich an, Musgraves traditioneller Einteilung der Staatsaufgaben in die Bereiche Allokation, Distribution und Stabilisierung zu folgen.

1. Subventionen zur Korrektur allokativer Marktmängel Die Allokationstheorie versucht, Handlungsempfehlungen in Form von Regeln für die Wirtschaftspolitik bereitzustellen, die dafür sorgen, daß die im Gegensatz zur NichtSättigung der individuellen Bedürfnisse stehenden knappen gesellschaftlichen Ressourcen nach bestimmten Kriterien optimal auf die Produktions- und Konsumtionsprozesse verteilt werden. Hierin kommt insbesondere das oben angeführte gesellschaftliche Ziel der Erreichung eines hohen Wohlstandsniveaus zum Ausdruck. Im Bereich der Allokationstheorie werden Subventionen traditionell als Instrumente zur Korrektur externer Effekte, zur Beseitigung von Machtpositionen und zur Bereitstellung von Kollektivgütern und meritorischen Gütern betrachtet.

76

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

a) Subventionen zur Korrektur externer Effekte

Die Entscheidungen eines Wirtschaftssubjektes in einem Wirtschaftssystem sind - etwa im Hinblick auf die ubiquitäre Arbeitsteilung in einer komplexen Gesellschaft - nicht isoliert zu betrachten, sondern wirken auf andere Akteure zurück. Werden die wohlfahrtsverändernden positiven oder negativen Wirkungen der Aktivität eines Wirtschaftssubjekts auf die Produktions- bzw. Konsumsphäre weiterer Wirtschaftssubjekte nun nicht durch den Preismechanismus abgegolten ( = internalisiert), so spricht die Ökonomie vom Auftreten externer Effekte} Das Vorliegen externer Effekte führt dazu, daß die individuellen Entscheidungen der Verursacher bei der Bestimmung des Aktivitätsniveaus gesellschaftlich nicht optimal sind: So geschieht etwa die Preiskalkulation eines Produzenten nur auf Basis der privaten Grenzkosten (GK P ). Die sich in den sozialen Grenzkosten (GKS) widerspiegelnden externen Nutzen bzw. Kosten bleiben unberücksichtigt (Preis p = GK P # GK 9 ). Im Falle negativer Externalitäten müssen die Urheber bzw. Entsender einer Schädigung nicht kostenmäßig für den Schaden aufkommen. 2 Die Folge der fehlenden betriebswirtschaftlichen Berücksichtigung volkswirtschaftlicher Kosten ist ein - gesamtwirtschaftlich betrachtet - zu niedriges Preisniveau (p = GK P < GKS), einhergehend mit einem überhöhten Aktivitätsniveau. Dagegen wird beim Vorliegen positiver externer Effekte (p = GK P > GK S ) aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ein zu niedriges Aktivitätsniveau realisiert. Hier versagt das Exklusionsprinzip, denn der Empfänger kommt ohne spezifische Entgeltentrichtung in den Genuß eines Vorteils. Das Gesagte verdeutlicht, daß der Marktmechanismus beim Auftreten externer Effekte nicht als effizienter Koordinator fungieren kann; statt dessen führt die Orientierung der Marktteilnehmer an "falschen" Preissignalen zu einer Niveauverzerrung auf Anbieter- oder Nachfragerseite. Ein korrigierender staatlicher Eingriff kann in diesem Zusammenhang gemeinwohlsteigernd wirken und erscheint daher aus hypothetischer Sicht gerechtfertigt. Auch der Verweis auf konkludentes Verhalten stützt die These, daß

1 Vgl. bspw. Andel, N. (1970), S. 72, Timm, H. (1981), S. 147, Gröbner, B.F. (1983), S. 29, Recktenwald, H. C. (1983), S. 147, Brümmerhof D. (1989), S. 58. Exakt gemeint sind hier technologische Externalitäten. In der Literatur werden zudem oft sog. pekuniäre externe Effekte aufgeführt, die jedoch als Veränderungen der Nachfrage ihren Niederschlag im Preissystem finden. 2

Vgl. Gerstenberger,

W. et al. (1984), S.5.

IV. Kapitel: Diskussion möglicher Subventionseinsatzfelder

77

der Staat bei der Existenz von Externalitäten gefordert ist. Insbesondere im Umweltschutzbereich wird die Eindämmung negativer Externalitäten (Luft-, Wasserverschmutzung, Naturzerstörung etc.) durch staatliche Maßnahmen vielfach gefordert. Subventionen können nun einen Beitrag dazu leisten, das einzelwirtschaftlich bestimmte Aktivitätsniveau nach gesellschaftlichen Maßstäben zu korrigieren. 3 Zurückgehend auf die Überlegungen Pigous können Subventionen im Falle positiver Externalitäten die Entsender dazu animieren, ihr Aktivitätsniveau auf das gesamtwirtschaftlich wünschenswerte Maß auszudehnen.4 Sind die Subventionen auch als erforderlich und verhältnismäßig in bezug auf die Erreichung dieses Ziels einzustufen, liegt hier ein legitimes subventionspolitisches Einsatzfeld vor. In der Praxis wird eine derartige Subventionsbegründung etwa bei bestimmten Interventionen zugunsten der Land- und Forstwirtschaft angeführt: Positive externe Effekte der landwirtschaftlichen Tätigkeit sind bspw. die Erhaltung und Vergrößerung der Artenvielfalt, die Erhaltung der Schönheit des Landschaftsbildes, die Vermeidung von Erosionen in Gebirgslandschaften oder die günstige Klimabeeinflussung durch das Aufforsten von Wäldern.5 Dagegen erscheint der Einsatz von Subventionen als Korrektiv negativer Externalitäten nicht akzeptabel: Subventionen können zwar geeignet sein, den Subventionsnehmer als Entsender der negativen externen Effekte zu einer Verringerung seines Aktivitätsniveaus zu bewegen. Ein praktisches Beispiel hierfür ist der sogenannte "Wasserpfennig": So müssen in BadenWürttemberg die Konsumenten für jeden Kubikmeter verbrauchten Wassers neben dem Wasserpreis einen zusätzlichen Betrag aufbringen. Mit diesem Mehrerlös finanziert die Landesregierung die Landwirte, damit diese in Landschaftsschutzgebieten ihre (umweltbelastende) Düngung zurückschrauben. Derartige Subventionen kommen grundsätzlich einer Belohnung der Schädiger gleich und räumen ihnen das Recht auf Schädi-

Der Vollständigkeit halber sei angeführt, daß diejenigen Externalitäten nicht subventionstheoretisch bedeutsam sind, die in bezug auf eine marginale Veränderung der Ausbringung beim Verursacher fix sind und bei denen die Entscheidung über die Aufnahme der verursachenden Aktivität von einer eventuellen Subventionszahlung unabhängig ist (vgl. Andel, N. (1977), S. 499). 4

Vgl. Pigou, A. C (1924), S. 170 und Pigou , A. C. (1937), S. 83 ff.

5

Vgl. Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (1989), S. 8 ff.

78

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

gung (im Beispiel: Recht auf Umweltverschmutzung via Intensivdüngung) ein.6 Obwohl eine derartige Situation aus allokationstheoretischer Sicht durchaus als effizient (paretooptimal) gelten kann ( 0. Der Handlungswille spiegelt die Interessenlage des Akteurs wider und manifestiert sich in seiner Motivationsstruktur. Daher gilt es, im Rahmen der Verhaltensanalyse zunächst plausible Motivationsmuster für die an der Subventionierung Beteiligten zu finden: Dabei soll den Motivationshypothesen der Neuen Politischen Ökonomie (NPÖ) gefolgt werden, als deren vielleicht bedeutendster Wegbereiter I.A. Schumpeter angesehen werden kann. Diese Lehre geht davon aus, daß die zu betrachtenden Akteure i.d.R. systematisch gemäß ihres eigennützig rationalen Kosten-NutzenKalküls handeln. Somit verwirft sie (auf Subventionsgeberseite) die traditionell-theoretische Betrachtung des Staates als ein vertraglich konstituierter Zweckverband, der solche Aufgaben effizient und altruistisch erfüllt, die der Markt nur unbefriedigend bzw. gar nicht zu bewältigen vermag. Diese (optimistische) normative Fiktion vom Staat als ein uneigennütziger Verfechter des Gemeinwohls ist im Hinblick auf die Intention einer realitätsnahen Erklärung des Subventionsgeschehens wohl auch nicht einzuhalten.1 Um diesbezüglicher Kritik vorzubeugen, sei angemerkt,

Auf die Unvollkommenheit der traditionellen Verhaltensannahmen vom Staat wies bereits Wickseil, K. (1896), S. 108, hin: "... weder die Regierung noch die Volksvertretung und

VII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen II

143

daß es auch im politischen Prozeß durchaus redliche, gemeinwohlorientierte Volksvertreter gibt. Eine Betrachtung der Subventionspolitik zeigt indes, daß derartiges Verhalten eben nicht das typische ist. Die durch das Selbstinteresse der Individuen bedingten Entscheidungen können nun gesellschaftliche Schäden nach sich ziehen (Theorie des Staatsversagens ), so z. B. durch eine ökonomisch ineffiziente Erhaltungssubvention für eine eigentlich nicht mehr überlebensfähige Unternehmung.2 Derartige Ineffizienzen können sich allerdings nur dann einstellen, wenn die Akteure ihre volkswirtschaftlich unerwünschten Bestrebungen im Subventionsvergabeprozeß durchsetzen können.3 Die folgende Untersuchung versucht deshalb, neben den Motivationsstrukturen auch die Einflußmöglichkeiten der am Subventionsprozeß Beteiligten darzulegen.

2. Das Verhalten der Politiker Zunächst soll auf der Subventionsgeberseite das Verhalten der Politiker näher analysiert werden. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen dabei diejenigen Spitzenpolitiker, die im Bundestag, Bundesrat und in den Landtagen vertreten sind. In diesen Gremien findet zum einen die Beratung und Beschlußfassung über die Vergabe von Finanzhilfen im Rahmen der periodischen Aufstellung von Haushaltsplänen und Nachtragshaushalten statt. Des weiteren bestimmen die Parlamentarier budgetkreislaufunabhängig das Ausmaß der Steuervergünstigungen und subventionsäquivalenten Protektionsmaßnahmen durch die Gestaltung entsprechender Vorschriften und Gesetze (z. B. des Steuerrechts). 4 Die Arbeitsteilung auf der parlamentarischen Ebene führt dazu, daß die diesbezüglichen Beratungen primär innerhalb der parlamentarischen Ausschüsse stattfinden: Von Bedeutung ist dabei in erster Linie der Haushaltsausschuß , der alle Gesetze mit finanziellen Wirkungen (Finanzvorlagen) auf ihre Vereinbarkeit mit dem laufenden Haushaltsplan hin

noch weniger die ausschlaggebende Majorität der letzteren..." sind in Wirklichkeit das, "... was sie laut der herrschenden Theorie sein sollten, nämlich reine Organe der Gesamtheit, immer danach bestrebt, das allgemeine Wohl zu fördern." Vgl. auch Frey, B. S. (1980), S. 658, Grossekcttler, H. (1987 b), S. 17. 2

Vgl. Folkers, C. (1986 a), S. 208 ff.

3

Es muß gemäß der oben angeführten Funktion gelten: M>0.

4

Vgl. Dickertinann,

DJDiller, K D. (1986), S. 276 ff.

144

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

prüft (§ 96 GO des Deutschen Bundestags)5 und außerdem nach der ersten Lesung des Haushalts im Parlament die einzelnen Haushaltsansätze im Detail diskutiert. Die Gestaltung der Steuervergünstigungen fällt dagegen in den Kompetenzbereich des Finanzausschusses, der sich hauptsächlich mit den Fragen des Steuerrechts befaßt. Insbesondere die Mitarbeit in den parlamentarischen Ausschüssen bietet den Politikern also die Möglichkeit, direkten Einfluß auf die Gestaltung der Subventionsprogramme zu nehmen. Nicht im Plenum vertretene Politiker können dagegen versuchen, via Kontaktaufnahme zu Parteifreunden in den Parlamenten und parlamentarischen Ausschüssen sowie zu "Partisanen" in der Verwaltung ihren subventionspolitischen Vorstellungen zum Durchbruch zu verhelfen. Die Interessenlage der Politiker bezüglich Subventionen soll nun näher betrachtet werden. Dabei wird vom finanzsoziologisch geprägten Ansatz der Neuen Politischen Ökonomie ausgegangen, nach dem das aus der Markttheorie bekannte Eigennutzaxiom auch für Politiker die Leitmaxime zum Handeln darstellt; die Lehre verwirft damit die idealtypische klassische Fiktion von Politikern als altruistischen Repräsentanten des Gemeinwohls6 und trägt der Vorstellung von der menschlichen Natur der Politiker Rechnung.7 Für die Abgeordneten ergibt sich die Möglichkeit eigenmächtigen Handelns aus Art. 38 Abs. I GG,8 der besagt, daß diese Politiker nur dem eigenen Gewissen, nicht jedoch der direkten Weisung des Wählers unterliegen (Repräsentationsprinzip). Politisches Eigennutzstreben beinhaltet insbesondere den Wunsch nach Befriedigung der "höheren" Maslowschen Bedürfnisse, wie Prestige, Macht, Einfluß, Anerkennung usw.9 Die Bedürfnisvielfalt bündelt sich nach A. Downs im Streben nach Stimmenmaximierung:10 Nur wenn die Politiker gewählt werden, haben sie die Chance, ihre individuellen Ziele zu verwirklichen. Die Stimmenmaximierungshypothese als Zentralmaxime des Politikeragierens in Verbindung mit der Knappheit der zur Verfügung

5

Vgl. Sturm, R (1987), S. 76.

6

Vgl. Schumpeter, J.A. (1950), S. 427.

7

Vgl. Downs, A. (1968), S. 26 f., Issing, O. (1985), S. 23.

8

Der Sinn der Vorschrift ist allerdings ein anderer: Das Repräsentationsprinzip soll vor allem die Unabhängigkeit der Abgeordneten vor dem Einfluß organisierter Interessengruppen bewahren und insofern Wegbereiter gemeinwohlorientierter Entscheidungen sein (vgl. dazu Arnim, H.H. v. (1977), S. 389f. und 394). 9

zu den Maslowschen Bedürfnissen vgl. Maslow, A. H. (1978), S. 87 ff.

10

Vgl. Downs, A. (1968), S. 27 f., Frey, B. S. (1980), S. 661.

VII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen II

145

stehenden Ämter induziert das Entbrennen eines Konkurrenzkampfes um die begehrten Wählerstimmen.11 Die "Zügel der Regierung" bekommt letztlich die Partei oder Koalition in die Hand, die diesen Konkurrenzkampf gemäß des Majoritätsprinzips als Sieger bestreitet.12 Subventionen sind nun Determinanten im Popularitätskalkül der Politiker und bestimmen daher ihre Handlungsweisen mit. Zunächst ist es für Politiker aller Couleur wahltaktisch vorteilhaft, den mit einem negativen Odium versehenen Subventionen mit der Forderung nach einem generellen Subventionsabbau entgegenzutreten. So treten derartige Absichtserklärungen immer wieder in den Parteiprogrammen auf und sind seit 1966 Bestandteil jeder bundesdeutschen Regierungserklärung. 13 Speziell die Regierungspolitiker werden - möglichst publikumswirksam - auf ihre Abbauanstrengungen verweisen, sei es durch einen simplen Griff in die Trickkiste: Z. B. wurde die Subventionsdefinition in den Subventionsberichten der Bundesregierung fortlaufend verengt, so daß im Zeitablauf immer weniger wirtschaftspolitische Maßnahmen deren Kriterien erfüllten; die scheinbaren Subventionsabbauerfolge beschränkten sich in diesem Falle nur auf die Statistik.14 Für die Oppositionspolitiker ist es dagegen ratsam, die Handlungsdefizite der Regierung aufzuzeigen und selbst Besserungen zu versprechen. 15 Den generellen Subventionsabbaupostulaten stehen im konkreten Fall zumeist Weigerungen der betroffenen Politiker oder sogar Forderungen nach "mehr Subventionen" in ihrem Bereich gegenüber.16 Letzteres liegt im Interesse der Politiker, weil die Vergabe von merklichen Subventionen die Zufriedenheit der Begünstigten sichert und dem für die Gewährung zuständigen Politiker bzw. dessen Partei Pluspunkte im Wahlkampf verschafft; dagegen sind mit dem Streichen bisheriger Vergünstigungen politisch keine Lorbeeren zu gewinnen.

11

Vgl. Schumpeter, JA. (1950), S. 428.

12

Vgl. Schumpeter, J.A. (1950), S. 433.

13

Zu diesbezüglichen generellen Subventionsabbauforderungen vgl. etwa die Stellungnahmen führender Politiker im MIT-Jahrbuch 1988, zitiert als Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU (1988), weiterhin Latz, H.-L. (1989), S. 137. 14

Vgl. dazu etwa die Veränderung der Definition der Steuervergünstigungen vom 5. zum 6. Subventionsbericht, nach der 67 Maßnahmen aus dem Kreise der Subventionen herausfielen. Vgl. auch Andel, N. (1989), S. 138 f. 15

Vgl. Schmidt, K (1974/75), S. 35, Knappe, E. (1980), S. 213.

16

Vgl. bspw. o. V. (1991 a), S. 15.

10 Nieder-Eichholz

146

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

Speziell Erhaltungssubventionen in Krisenregionen bzw. Krisenzeiten erwecken bei den direkt Begünstigten und den von ihnen abhängigen Industrien den Anschein, von den Politikern nicht im Stich gelassen zu werden. Vor allem die Kürzung von Subventionen an Großbetriebe oder gesamte Wirtschaftszweige lassen fühlbare soziale Spannungen und Unmutsäußerungen wahrscheinlich werden, die auch bei Nichtbetroffenen Zweifel an der Kompetenz der zuständigen Politiker in bezug auf die Bewältigung der wirtschaftlichen Problemsituation erwecken können.17 Ein aktuelles Beispiel ist die Lage in den fünf neuen Bundesländern: Mit der Umstellung der ehemaligen Planwirtschaft in ein System Sozialer Marktwirtschaft sind notwendigerweise - insbesondere aus Effizienzüberlegungen - umfassende Subventionsabbaumaßnahmen verbunden. Mit der Zahl der somit nicht mehr rentablen und daher überlebensfähigen Betriebe schnellt die Zahl der Arbeitslosen und Kurzarbeiter in die Höhe. Gerade derartige Meßzahlen sind jedoch ein empfindliches Indiz für das gesamte wirtschaftliche und soziale Klima und daher für die Popularität der Regierung von eminenter Bedeutung. Es erscheint somit auch aus politischer Sicht ein Erhalt bestimmter Betriebe (oder "industrieller Kerne") durch eine umfassende Subventionierung angebracht. Neben den Erhaltungssubventionen sind auch Produktivitätssubventionen dazu geeignet, die Popularität der Politiker zu steigern: Sie vermitteln den Eindruck, daß die Politiker für eine gesicherte Zukunft sorgen.18 Im konkreten Fall lohnt sich also für die Politiker eine Haltung, die den Forderungen der Unternehmen und ihrer Interessenverbände nach einer Ausweitung der Vergünstigungen tendenziell positiv gegenübersteht und die unter Umständen durch von den Subventionsnehmern gewährte Gegenleistungen (persönliche Förderung, Spenden, im Extremfall Bestechungsgelder usw.) noch verstärkt wird. Erleichtert wird dieses dadurch, daß bei der Finanzierung der Subventionen aufgrund der breit gestreuten Diffusion der Last kaum mit bedeutenden Stimmenverlusten zu rechnen ist. Letztere Aussage bedarf allerdings einer Relativierung: Bei bereits bestehender hoher Steuerbelastung bzw. hoher Staatsverschuldung induziert selbst eine marginale Mehrbelastung der Wirtschaftssubjekte einen durch die Massenmedien potenzierten Popularitätsverlust der subventionsfordernden Politiker. Deren Nachgiebigkeit ist daher dort beendet, wo eine zusätz-

17

Vgl. Gröbner, B. F. (1983), S. 100.

18

Vgl. Latz, H.'L. (1989), S. 127 f.

VII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen II

147

liehe Subventionsvergabe erwartungsgemäß mehr Stimmen kostet als einbringt. Interessant erscheint auch die These, daß die Subventionsvergabe durch ein politisches "timing" speziell zu den Wahlzeitpunkten eskaliert (Wahlgeschenke),19 nach den Wahlen jedoch mit verstärkten Subventionsstreichungen zu rechnen ist. Ein derartiger Subventionszyklus innerhalb der Legislaturperiode erlaubt es möglicherweise, die Wirtschaftslage zu den Wahlzeitpunkten künstlich zu verbessern. 20 Die potentielle Verärgerung der Wähler durch etwaige Streichmaßnahmen nach den Wahlen wird dagegen für die folgenden Wahlen aufgrund der angenommenen Kurzsichtigkeit der Wirtschaftssubjekte nicht mehr von entscheidender Bedeutung sein.21 In empirischen Untersuchungen konnte die Existenz derartiger taktischer Subventionszyklen in der Bundesrepublik hingegen nicht eindeutig bestätigt werden.22 B. S. Frey kommt jedoch zu dem Resultat, daß die Zahl der verabschiedeten und besonders wählerwirksamen Leistungsgesetze im Verlaufe der Legislaturperiode im Vergleich zur Anzahl anderer Gesetze stark zunimmt.23 Zusammenfassend ist zu sagen, daß die Politiker gemäß der angenommenen Stimmenmaximierungshypothese zwar generell auf einen Subventionsabbau drängen werden, in konkreten Fällen dagegen durch die Forderung punktueller Ad-hoc-Interventionen ein permanentes, subventionssteigerndes nmuddling-through M-Verhalten an den Tag legen. Die Rationalität der Politiker ist daher nicht nur durch ökonomische Effizienzüberlegungen, sondern in erster Linie durch politisch-taktische Prioritäten

19

Der Aufsatz von issing O. (1985) zeigt, daß Wahlgeschenke mit großer Wahrscheinlichkeit bereits in der Antike als Mittel der Politik eingesetzt wurden (z.B. diente die Durchführung prächtiger Spiele oder die kostenlose Vergabe von Theaterkarten als Wahlwerbung). 20

Vgl. Frey , B. S. (1976), S. 96. Daß ein signifikanter, empirisch getesteter Einfluß der Wirtschaftslage auf die Wahlentscheidung besteht, zeigt Schneider , F. (1982), S. 68. 21 Analog zu Böhm-Bawerks Gesetz der Mindereinschätzung zukünftiger Bedürfnisse kann man von einem Gesetz des Vergessens vergangener Sachverhalte sprechen, so daß die Relevanz vergangener politischer Interventionen für gegenwärtige Entscheidungen mit einem Abdiskontierungsfaktor bewertet werden müßte (vgl. Liefinann-Keil, E. (1974), S. 199 f., Frey, B.S. (1976), S. 105 f.). 22 23

Vgl. etwa Deininger, W. (1975), S. 387 ff.

Vgl. Frey, B. S. (1976), S. 102 in Anlehnung an Liefmann-Keil, E. (1974), S. 200 ff. Die Existenz politischer Konjunkturzyklen wird auch in neueren Untersuchungen bestätigt, so etwa Frey, B.S.ßVeck, //. (1981), S. 11 ff., Kirchgässner, G. (1985), S. 155 ff., und Soh, B. H. (1986).

148

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

zu erklären. Insbesondere in Zeiten entspannter Haushaltslage kann derartiges Agieren als Ursache bestehender Ineffizienzen aufgefaßt werden. Nachdem bisher auf der Subventionsgeberseite das Agieren der Politiker betrachtet wurde, soll der folgende Abschnitt dem Verhalten der Verwaltung Aufmerksamkeit schenken.

3. Verhalten der Verwaltung Der Verwaltung kommt in der Bundesrepublik speziell bei der Vergabe von Finanzhilfen weitreichende Bedeutung zu. Dagegen bleibt die detaillierte Regelung der Steuervergünstigungen und sonstigen Subventionen (Bürgschaften, Protektionsmaßnahmen usw.) im Zuge der Gestaltung entsprechender Gesetze, vorwiegend im Rahmen des Steuerrechts, weitgehend der Legislative überlassen.24 Der Einfluß der Verwaltung im Subventionsvergabeprozeß kommt sowohl im Planungsstadium als auch bei der Ausßhrung staatlicher Subventionsprogramme zur Geltung: Zum einen nehmen die zuständigen Akteure in der Verwaltung an der Ausarbeitung der Vergünstigungsregelungen gemäß politisch vorgegebener Ziele teil. Andererseits obliegt ihnen die Verteilung der Budgetmittel für Finanzhilfen nach bestimmten meist durch entsprechende Richtlinien kodifizierten - Kriterien. 25 Für das weitere Vorgehen ist es zweckmäßig, die Verwaltung nicht als einen Komplex mit homogenen Interessen zu betrachten; vielmehr legen die einzelnen organisatorischen Einheiten innerhalb der Verwaltung unterschiedliche, z.T. entgegengerichtete Verhaltensweisen an den Tag: Auf der einen Seite stehen dabei die Fachressorts, die - nach Politikfeldern getrennt - als "Aufgabenspezialisten" in erster Linie für die Durchführung der staatlichen Programme zuständig sind. Sie finanzieren sich über Mittel (Budgets), die ihnen vom Finanzressort zur Verfügung gestellt werden. Als zentrales Anliegen dieses "Aufgabengeneralisten" kann die ausgleichende Koordination der staatlichen Einnahme- und Ausgabeströme angesehen werden.26 Im folgenden sollen zunächst die Motivationsstrukturen von

24

Vgl. Dickerttnann, DJDiiler, K.D. (1986), S. 284, speziell zur Regelung staatlicher Bürgschaften vgl. Dickenmann, D. (1983), S. 366 ff. 25 26

Vgl. Harzern, K (1987), S. 129 f.

Zur (Grob-)Einteilung der Bürokratie in die Aufgabenbereiche "Fach-" und "Finanzverwaltung" vgl. etwa Mäding, H (1987), S. 34 f.

VII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen II

149

Fach- und Finanzverwaltung näher daraufhin durchleuchtet werden, ob sie für die Mängel der Subventionspraxis ursächlich sein können. Entgegen der durch M. Weber geprägten klassischen Auffassung der Bürokratie als rationeller, gemeinwohlorientierter Erfüllungsgehilfe vorgegebener Aufgaben 27 klingt es realistischer, den Annahmen der Neuen Politischen Ökonomie zu folgen und somit den Staatsbediensteten tendenziell eigennutzorientierte Handlungsmotive zu attestieren.28 Als Elemente in der Nutzenfunktion der Bürokraten werden in dieser Theorie bestimmte Größen aus der Arbeitssphäre der Staatsdiener angesehen: Wesentliche Nutzenstifter sind dabei das eigene Gehalt, Einkommensäquivalente (Sachleistungen wie ein schöner Dienstwagen oder ein schönes Büro), Anerkennung bei den Mitarbeitern und der "Klientel" sowie eine Steigerung der Macht (Aufstieg in der Amtshierarchie). 29 Aufgrund der weitgehend positiven Korrelation dieser Nutzenkomponenten mit der Höhe des dem einzelnen Amt, der einzelnen Abteilung oder dem einzelnen Referat zur Verfügung stehenden Budgets läßt sich zur modelltheoretischen Vereinfachung - das Bestreben der Fachressorts auf die Budgetmaximierung unter Beachtung gewisser Nebenbedingungen30 zurückführen (Budgetmaximierungshypothese von W.A. Niskanen). Die Verwendung dieser Verhaltensannahme im Rahmen eines Modells demonstriert, daß das dargestellte Motivationsmuster der Bürokraten in den Fachressorts, verbunden mit monopolartigen Handlungsspielräumen, wesentlich für ein (gegenüber dem Paretooptimum) erhöhtes Angebot öffentlicher Leistungen ursächlich ist. Auch wenn das Niskanenmodell in seiner ursprünglichen Ausgestaltung in vielerlei Hinsicht überspitzt erscheint, läßt sich daraus für die Praxis zumindest eine tendenziell positive Grundhaltung der Fachverwaltung gegenüber Budgeterhöhungen ableiten.31 Übertragen auf den Subventionsvergabeprozeß ergibt sich, daß eine Ausweitung der Finanzhilfen zu einer Budgeterhöhung beiträgt und daher dem Interesse der Fachressorts entgegenkommt. Zumindest wird die einzelne Behörde bestrebt sein, ihre Bedarfsanmeldungen nicht unter das

27

Vgl. Wagner, HJStädler,

28

Vgl. Niskanen, WA. (1971), S. 36f.

A. (1985), S. 77 ff.

29 Zu dem Zielvektor der Bürokraten vgl. bspw. Dowtis, A. (1965), S. 441, Niskanen, WA. (1971), S. 38, Frey, B. S. (1981), S. 160, Mueller, D. C. (1989), S. 252. 30

Zu den Nebenbedingungen vgl. Frey, B. S. (1981), S. 161.

31

Vgl. Mäding, H. (1987), S. 33 f.

150

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

Vorjahresniveau sinken zu lassen, weil jeder (freiwillige) Verzicht im eigenen Bereich ihre Bedeutung herabsetzen bzw. sogar ihre Existenzberechtigung anzweifeln könnte.32 Das Interesse der Fachverwaltung an der Durchführung von Subventionsprogrammen wird potenziert, wenn man ihre Verflechtung mit anderen Interessengruppen analysiert.33 Insbesondere die Wirtschaftsverbände sind für die Verwaltung von Bedeutung, weil sie ihr - i.d. R. interessengefilterte - Informationen über die Belange ihrer Mitglieder verschaffen. 34 Diese Informationen sind für die Fachressorts bei der Vorbereitung und Durchführung der Subventionsprogramme vonnöten. Als Gegenleistung für die Übermittlung der Daten kann es sich für die Bürokraten lohnen, verbandskonform zu agieren (z. B. durch die Anmeldung überhöhter Finanzhilfenbedarfe im Zuge der Aufstellung der Vorenlwürfe des Haushaltsplans), zumal dieses u. U. mit monetären oder nicht-monetären Belohnungen verbunden sein kann:35 Etwa können die für die Subventionsvergabe zuständigen Beamten für ihr "Verhandlungsgeschick" durch einflußreiche Verbandsvertreter in den Ministerien lobend erwähnt werden, so daß ihre Karrierechancen sich eventuell verbessern. Den tendenziell subventionsexpansiv wirkenden Motiven der Fachressorts steht das Anliegen des Finanzressorts gegenüber, für einen Ausgleich der geplanten Ausgaben mit den erwarteten Einnahmen Sorge zu tragen.36 Im Gegensatz zur Budgetmaximierungshypothese der Fachressorts hängt die Realisierbarkeit von Aufstiegschancen oder Prestigegewinnen als Nutzenkomponenten der Finanzbeamten vorwiegend davon ab, inwieweit es den zuständigen Bürokraten gelingt, die Budgetvorstellungen der Fachressorts einzudämmen und einen Haushaltsausgleich herbeizuführen. M.a.W. hat die Finanzverwaltung eine "Bremserrolle" inne und steht infolge dessen zusätzlichen Subventionsanforderungen der Fachressorts grundsätzlich eher skeptisch gegenüber. Es bleibt festzuhalten, daß insbesondere die Fachverwaltung eine Subventionsausdehnung prinzipiell befürwortet und somit auch Phänome-

32

Vgl. Schmidt, K. (1966), S. 221, Blecbnann, A. (1984a), S. D15f., Latz, H.-L. (1989),

S. 143 f. 33

Vgl. Gröbner, B. F. (1983), S. 108, Lange, H. (1987), S. 58, Mäding, H. (1987), S. 35.

34

Vgl. Thieme, W. (1977), S. 123 ff., Tz. 340 ff.

35

Vgl. Latz, H.-L. (1989), S. 149.

36

Vgl. Mäding H. (1987), S. 35.

VII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen II

151

nen wie "Mehrfachsubventionierung" oder "Folgesubventionierung" aufgeschlossen gegenübersteht. Im folgenden soll aufgezeigt werden, inwieweit die dargestellten Motivationsstrukturen im Subventionierungsprozeß zur Geltung kommen können. Dazu bedarf es einer Analyse der Institutionen, die im normativen Sinne das Eigennutzstreben der Bürokraten eindämmen sollen. Anders gesprochen erlaubt es das Auffinden realer Handlungs- bzw. Ermessensspielräume bei der Subventionsvergabe in Verbindung mit den dargestellten Motivationsmustern, plausible Rückschlüsse auf das Verhalten der Verwaltung bezüglich der Subventionierung anzustellen. Weil die Finanzhilfen explizite Bestandteile des Budgets sind, muß im folgenden die Rolle untersucht werden, welche die Verwaltung bei der Gestaltung und beim Vollzug des Haushaltsplans einnimmt. Es wird sich zeigen, daß die Bürokraten hier über diskretionäre Handlungsspielräume verfügen, die sie zur Expansion der Ausgaben, in concreto der Subventionen, nutzen können. Im Planungsstadium der Subventionsprogramme werden die Vorlagen i. d. R. unter Zuhilfenahme der Ministerialbürokratie erstellt, nachdem die Regierung die Grundsatzentscheidung zum Entwurf getroffen hat.37 Die zuständigen Beamten sind jedoch bei der Konkretisierung der Vergünstigungsregelungen auf die Informationen ihrer Kollegen in den einzelnen Referaten und Abteilungen angewiesen, die als bürgernahe Behörden weitreichende Kenntnisse über die Lage "vor Ort" haben. Dieser Informationsvorsprung kann nun Auslöser für die unteren Fachbehörden sein, überhöhte Subventionsbedarfe anzumelden (Budgetmaximierungshypothese). Dieses Agieren liegt durchaus auch im Interesse der höheren Fachverwaltung (Ministerialebene), die möglichst viele Vergünstigungen für ihr Ressort durchsetzen möchten. Dagegen versucht die Finanzverwaltung bereits in der Planungsphase von Subventionsprogrammen, die Bedarfsanmeldungen der Fachressorts auf das notwendige Maß zu verringern, hat dabei jedoch als "Aufgabengeneralist" eine ungünstige Ausgangsposition: Jedes Fachressort wird seine Bedarfsanmeldungen als "unverzichtbar" verteidigen (Ressortegoismus) und hoffen, daß - gemäß dem bekannten Sankt-Florians-Prinzip - eine etwaige Kürzung bei anderen Ressorts ohne einen eigenen Beitrag zustandekommt.38

37

Vgl. Kuhn, A. (1972), S. 41 ff.

152

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

Nachdem bisher die Einflußmöglichkeiten der Verwaltung bei der Subventions/7/tf/HMg dargestellt wurden, soll nun die Vollzugsphase der Subventionsprogramme einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Dabei sollen zunächst die Rechtsgrundlagen untersucht werden, welche die Behörden überhaupt erst zur Subventionsvergabe ermächtigen. Die Verwaltung kann auf der Grundlage von Gesetzen oder von Mittelzuweisungen im Haushaltsplan Subventionen gewähren. Der Totalvorbehalt des Gesetzes als Rechtsgrundlage bei der Subventionsvergabe hat sich im Subventionsrecht (bisher) mit Ausnahme der Steuervergünstigungen (Gewährung auf der Basis steuerrechtlicher Normen) und einiger Unterstützungsmaßnahmen (Bürgschaften, Garantien u.ä.: Art. 115 Abs. I GG, § 39 BHO, § 23 Abs. I HGrG) nicht durchsetzen können.39 Dennoch sind in einigen Bereichen spezielle 40 Subventionsgesetze zwingend vorgeschrieben, und zwar wenn - ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Gewährung der Begünstigung und der Auferlegung der Belastung existiert und die Subvention aus dem Aufkommen der Abgabe gewährt wird (z.B. Erhebung der Filmabgabe und Filmförderung nach dem FilmFöG), - der Grundrechtsbereich besonders tangiert wird (z. B. bei Pressesubventionen) oder - die Subvention unmittelbar einschneidend in die Rechte Dritter eingreift. 41 Die Gesetze, die zugleich einen Anspruch auf Vergünstigung von Seiten des Empfängers implizieren, werden i.d. R. nur teilweise (zumeist als Steuervergünstigungen) im Stadium der Legislative erschöpfend geregelt. Die konditioneile Feinabstimmung der Subventionsprogramme bleibt daher weitgehend den Fachressorts selbst überlassen.42 Zur Konkretisierung des

38

Vgl. Grossekcttler,

H. (1985 b), S. 557 f.

39

Zur Diskussion des Gesetzesvorbehalts bei Subventionen vgl. Kirchhoff, G. (1973), S. 200ff., Bleckmann, A. (1978), S. 43ff., weiterhin Henke, W. (1979), S. 53 ff. sowie die knappe Darstellung bei Jooss, G. (1987), S. 311 ff. 40

Steuervergünstigungen werden zumeist nicht auf der Grundlage spezieller Subventionsgesetze, sondern im Rahmen allgemeiner Gesetze (z.B. Einkommensteuer-, Vermögensteuergesetz) vergeben. 41

Vgl. Jooss, G. (1987), S. 311 f., Tz. 75.

42

Vgl. Kirchhoff,

G. (1973), S. 257, Grosser, H D. (1983), S.21, Latz, H. -L. (1989), S. 142.

VII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen II

153

gesetzgeberischen Willens dienen vor allem die innerhalb des Beamtenapparates i.d.R. von hohen Ministerialbeamten ausgearbeiteten Verwaltungsrichtlinien und Rechtsverordnungen. 43 Diese Vergaberichtlinien enthalten die Detailregelungen der Subventionierung, wie z.B. das im Einzelfall anzuwendende Verfahren, den Kreis der Antragsberechtigten usw.44 Durch die Gestaltung der Richtlinien auf Ministerialebene ist es der Verwaltung möglich, sich bedeutenden Einfluß im Subventionsvergabeprozeß zu sichern. Den mit der Wirtschaftsförderung betrauten einzelnen Behörden verbleibt auch bei der Anwendung der Richtlinien oft noch ein beträchtlicher Ermessensspielraum, da die Vergabebestimmungen zumeist durch vage Formulierungen ("kann", "höchstens", "angemessen" etc.) charakterisiert sind.45 Diese Handlungsspielräume können die Fachressorts bei der Subventionsvergabe nutzen, um ihre eigenen Vorstellungen mit meist subventionserhöhender Wirkung durchzusetzen. Eine Vielzahl von Subventionen wird ohne Gesetz nur auf der Basis der Mittelzuweisung im Haushaltsplan vergeben:46 Die Verwaltung ist ermächtigt , auf Grundlage des Budgets Mittel zu vergeben (§ 3 Abs. I BHO, § 3 Abs. I HGrG). Der Verzicht des Gesetzgebers auf eine Verpflichtung zur Mittelvergabe soll eine flexible Haushaltsführung ermöglichen. Dennoch hat die Fachverwaltung den Anreiz, die zur Verfügung stehenden Mittel auszugeben, weil nicht verausgabte Mittel zum großen Teil nicht auf das Folgejahr übertragen werden können und somit am Jahresende verfallen (Budgetgrundsatz der zeitlichen Spezialität).* 1 Da die nicht ausgenutzten Haushaltsmittel auch niedrigere Budgetzuweisungen in den Folgejahren induzieren und zudem das "moving-money" als Leistungskriterium innerhalb der Fachverwaltung gilt, 48 sind speziell zum Jahresende überflüssige und oft ineffiziente Mittelverwendungen der Fachressorts die Folge

43 Vgl. Götz, V. (1974), s. 8 ff., Karehnke, H (1975), S. 625, Jooss, G. (1987), S. 315 ff., Tz. 87 ff. 44

Vgl. Harzern, K. (1987), S. 139, Jooss, G. (1987), S. 315 f., Tz. 91.

45

Vgl. Dickemnann, D. (1980 b), S. 467 f.

46

Der Haushaltsplan wird gemäß Art. 110 Abs. II GG und § 1 BHO durch das Haushaltsgesetz festgestellt. Dieses "Gesetz" ist jedoch nur innerhalb der Verwaltung von Bedeutung (hat keine Außenwirkung) und daher nur ein Gesetz im formellen Sinne. 47

Vgl. Denso, J. et al (1976), S. 79 und 81 ff.

48

Vgl. Mäding, H (1987), S. 45.

154

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

("Dezemberfieber"). 49 So kann die Fachverwaltung etwa versuchen, am Jahresende noch Anträge zu genehmigen, die sich eigentlich auf nicht förderungswürdige Projekte beziehen. Diese Ineffizienzen werden ermöglicht, weil der Haushaltsplan - wie auch die meisten Subventionsgesetze - die Regelung der Finanzhilfen nur in groben Zügen (Art, Ziel und Gesamtumfang) vorgibt. Die Detailregelungen werden auch hier in den jeweiligen Vergaberichtlinien konkretisiert, so daß sich wiederum breite Ermessensspielräume der Fachressorts konstatieren lassen.50 Zusammenfassend ist zu sagen, daß die gegenwärtige Haushaltspraxis der Fachverwaltung weitreichende Möglichkeiten eröffnet, eigennützige und oft bezüglich der Finanzhilfenvergabe ineffiziente Handlungsweisen zu realisieren. Es besteht ein Ordnungsdefizit, das dem auf Eigennutz bedachten ineffizienzfördernden Verhalten der Fachressorts erst zum Durchbruch verhilft. Die Finanzverwaltung steht den Expansionsbestrebungen der Fachressorts zwar grundsätzlich kritisch gegenüber, hat jedoch aufgrund der ungünstigen Informationsposition einen schwierigen Stand.

4. Das Verhalten der potentiellen Subventionsnachfrager Im Rahmen dieses Gliederungspunktes ist insbesondere das Verhalten der Unternehmer und Interessenverbände zu untersuchen, denen die staatlichen Hilfen zugute kommen sollen, und die deshalb als potentielle Subventionsnachfrager aufgefaßt werden können. In der neueren Subventionstheorie wird oft das Bild vom subventionsmaximierenden Unternehmer propagiert, als dessen Intention das Erreichen höchstmöglicher staatlicher Förderung angesehen wird. 51 Obschon diese unipolare Ausrichtung des Agierens für reale Betrachtungen überzogen erscheint, klingt es plausibel, die Rent-Seeking-Aktivitäten als integralen Bestandteil des Optimierungskalküls der Unternehmung auszuweisen. Ein Indiz für den hohen Stellenwert der Subventionen im Rahmen der betrieblichen Überlegungen ist die realiter fortschreitende Expansion des

Für eine weitergehende Flexibilisierung des Haushaltsrechts zur Eindämmung von Ineffizienzen in der Verwaltung spricht sich Milbradt, G. H. (1987), S. 189 ff., aus. 50

Vgl. Demo, l et al (1976), S. 67 ff., Jooss, G. (1987), S. 314, Tz. 84.

51

Vgl. Gröbner, B. F (1983), S. 118 ff., Reige, l (1989), S. 61 f.

VII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen II

155

Marktes für Subventionsberatergesellschaften : Diese haben sich darauf spezialisiert, mehr oder minder legal mit Geschick, Formulierungskünsten und Phantasien die Förderungswünsche ihrer Klientel zu erfüllen. 52 Auch die Tatsache, daß insbesondere Großunternehmen oft eigene Subventionsabteilungen unterhalten, die für eine zieladäquate, optimale "Versorgung" des Betriebs mit Subventionen sorgen sollen, verdeutlicht die Integration der Subventionen in die ökonomischen Überlegungen der Unternehmung. Realiter werden die Unternehmen jedoch nicht dem Idealtypus des Subventionsmaximierers folgen und jede mögliche Subvention beantragen, sondern die Subventionsnachfrage von dem Resultat eines Abwägungsprozesses abhängig machen: Das Bemühen um eine Subvention rechnet sich nur dann, wenn die Vergünstigung einen positiven Nettonutzen stiftet. Nutzenstiftend wirkt dabei zunächst die maßnahmenimmanente, pekuniäre bzw. geldwerte Vergünstigung (Subventionswert),53 zumal ein gleichhoher Vorteil auf marktlichem Wege oft nur ungleich schwerer zu erzielen ist.54 Insbesondere in Krisenunternehmen trägt die Subventionsgewährung weiterhin dem Fürsorgebedürfnis der Arbeitgeber für die ansonsten eventuell zu entlassenden Betriebsangehörigen Rechnung.55 Auch die von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer werden sich, besonders bei beruflicher oder regionaler Immobilität und fehlenden Stellenalternativen, gegen einen Subventionsabbau wenden.56 Die Zufriedenheit der Arbeitnehmer ist aber eine wichtige Determinante des Betriebserfolgs und insofern auch für die Arbeitgeber von Bedeutung. Auf der Kostenseite stellt das Unternehmen dagegen Überlegungen in bezug auf die administrativen Kosten (Informationskosten, Kosten für das Ausfüllen der Anträge, die Berichterstattung usw.) sowie die Kosten der Auflagenerfüllung an. Die letztgenannten Kosten werden allerdings dann nicht zusätzlich in die Nettonutzenermittlung der Subventionsnachfrage aufgenommen, wenn das Vorhaben (z. B. eine Anlageinvestition) auch ohne Subvention durchgeführt werden würde (Mitnahmeeffekt).

52

Vgl. Reige, l (1989), S. 171 ff.

53

Bei der Messung des Vorteils ist eine Barwertbetrachtung ratsam, die auch die Folgewirkungen der Förderung, wie z. B. erhöhte zukünftige Umsätze aufgrund subventionsbedingter Absatzpreissenkungen, einschließt. 54

Vgl. Geers, V. I (1987), S. 17.

55

Vgl. Räber, J. (1965), S. 59.

56

Vgl. Latz, H.-L. (1989), S. 102 f.

156

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

Bei sichtbaren Finanzhilfen, nicht jedoch bei "geheimen" Steuervergünstigungen, können bei der Nettonutzenbestimmung weiterhin sogenannte "Stigmaeffekte" negativ zu Buche schlagen: Speziell das Empfangen von Erhaltungs- und Anpassungssubventionen impliziert möglicherweise das Eingeständnis einer eigenen Schwäche. Dieses könnte unter Umständen mit der Unternehmung in Verbindung stehenden Gruppen (Anteilseigner, Lieferanten, Kunden, Kreditgeber etc.) zu restriktiven Reaktionen Anlaß geben (z. B. Kreditsperren oder das Abbrechen von Lieferbeziehungen). 57 Zudem ist ein "Subventionsstaat" meist auch ein "Hochsteuerstaat", so daß umfangreiche Staatsinterventionen i. d. R. auch für die Unternehmen hohe Steuerbelastungen implizieren. Die letzte Überlegung dürfte für das einzelne Unternehmen bei der Subventionsnachfrage jedoch nur von untergeordneter Bedeutung sein, da die Steuerbelastung aufgrund des vorherrschenden Nonaffektationsprinzips nicht direkt mit der Subventionsvergabe in Verbindung gebracht werden kann; außerdem werden zur Finanzierung der Subvention auch andere Wirtschaftssubjekte herangezogen, so daß der eigene Beitrag für die subventionsnachfragende Unternehmung - besonders in Relation zur beantragten Vergünstigung - eher marginal erscheint. Insgesamt zeigt sich, daß die Unternehmen bei der Ermittlung des Nettonutzens der Subventionsbeantragung viele Kosten nicht einzukalkulieren brauchen, und daß folglich eine umfassende Subventionsnachfrage von der Unternehmensseite zu erwarten ist. Analog dürfte dieses auch für die privaten Haushalte als Subventionsnachfrager (z. B. bei Wohnungsbausubventionen, Sparförderung) weitgehend zutreffen, zumal diese bei der Subventionsbeantragung zumeist keine "Stigmaeffekte" zu befürchten haben. Für die Subventionsnachfrager ist es ratsam, ihr Interesse durch den Zusammenschluß in Interessenverbänden (Bauernverband etc.) zu kanalisieren, vor allem, um auf diesem Wege ihre (Subventions-) Forderungen leichter durchsetzen zu können sowie unternehmensspezifische Stigmaeffekte durch Subventionsansprüche der gesamten Interessengruppe zu verhindern. 58 Im folgenden soll daher das Agieren der Verbände näher durchleuchtet werden.

57 58

Vgl. Reige, J. (1989), S. 55 ff.

Vgl. Räber, J. (1965), S. 130, Schmidt, K. (1985), S. 55. Zur Problematik der Organisation von Interessenverbänden vgl. Olson, M. (1968), Frey, B.S. (1981), S. 181 ff., Harzern, AL (1987), S. 120 ff., Latz, H.-L. (1989), S. 107ff.

VII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen II

157

Das Verhalten der Verbände wird im wesentlichen durch die Aktionen ihrer Spitzenvertreter determiniert, die darauf bedacht sind, sich - aus Wiederwahlaspekten oder dem Streben nach Anerkennung und Macht - zu profilieren. Dieses Bemühen wird insbesondere dann von Erfolg gekrönt sein, wenn die Verbandsspitzen Sonderwünsche ihrer Klientel, z.B. die staatliche Gewährung umfangreicher finanzieller Begünstigungen, als Erfolgsnachweis ihrer Tätigkeit aufzeigen können. In diesem Sinne liegt eine Interessenhomogenität zwischen Verbandsfunktionären und ihrer Klientel vor; "die Interessenvertretung wird damit zum 'Interesse* der Interessenvertreter". 59 Innerhalb der Verbände haben oft wirtschaftlich potente Mitglieder bedeutenden Einfluß und stellen aus ihren Reihen die Spitzenfunktionäre: So besteht die Verbandsführung des Deutschen Bauernverbandes zu einem wesentlichen Anteil aus Großbauern bzw. Großgrundbesitzern. In diesen Fällen ist es wahrscheinlich, daß sich bei der Interessenvertretung ein "Upper-class-Bias" einstellt:60 Dieses kann eine Ursache dafür sein, daß staatliche Subventionsleistungen innerhalb einer Branche oft großen Unternehmen (z. B. den Großbauern) zugute kommen.61 Den Verbänden und großen Unternehmen stehen nun viele Möglichkeiten zur direkten und indirekten Einflußnahme auf den Subventionsvergabeprozeß zur Verfügung: Die Subventionsnachfrager können zunächst versuchen, die Akteure des Politisch-administrativen-Systems in ihrem Sinne zu beeinflussen und insofern (auf indirektem Wege) die Subventionspolitik mitzubestimmen. Die Einflußnahme kann gesichert werden durch die Bereitstellung bewußt selektierter Informationen an die Informations-"Outsider" in Parlament und Verwaltung, die Vergabe finanzieller Mittel an die Parteien sowie die Ausübung von Druck auf die an der Subventionsvergabe beteiligten Politiker. Die Verbandsvertreter besitzen aufgrund meist langjähriger Erfahrung i.d. R. spezifische (Insider-)Kenntnisse über ihren Wirtschaftszweig, die sie den Informationsnachfragern "Parlament" und "Verwaltung" zur Verfügung stellen können. Dieses geschieht in der Bundesrepublik regelmäßig dadurch, daß die Verbandsvertreter zur Beschaffung von Informationen für die Vorbereitung von Gesetzen herangezogen werden. Die wichtigste

59

Schmidt, K (1966), S. 222.

60

Vgl. Arnim, H. H. v. (1977), S. 163.

61

Vgl. o.V. (1987 b), S. 101.

158

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

Bestimmung in bezug auf den Einfluß von Verbänden auf die Gesetzgebung ist der § 24 Abs. 1 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesminister, Teil 2 (GGO II), nach dem den Verbänden die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Gesetzentwurf eingeräumt werden kann. Des weiteren von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der § 70 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags, wonach den parlamentarischen Ausschüssen die Möglichkeit der öffentlichen Anhörung von Interessenvertretern gegeben wird. Aus der asymmetrischen Infomiationsverteilung zwischen Verbänden und Politisch-administrativem-System können volkswirtschaftliche Ineffizienzen resultieren, wenn die Verbände die bereitgestellten Informationen zu ihren Gunsten bewußt selektieren und verzerren: 62 So schieben die Informationsinsider bspw. mit Vorliebe "schwache", subventionsbedürftige Mitglieder als "repräsentativ" vor und versuchen damit, in den Genuß von Förderungen für alle Mitglieder zu gelangen.63 Der Informationsvorsprung der Lobby sinkt allerdings im Zeitablauf, da wissenschaftliche Berater, öffentliche Meinungsforschung und verbesserte Kontrollsysteme das verbandsunabhängige Informationssystem von Parlament und Verwaltung nachhaltig verbessern. 64 Eine zweite Einflußquelle der Verbände bei der Subventionsvergabe ist die Gewährung von finanziellen Mitteln an die ihnen wohlgesonnenen politischen Parteien.65 Insbesondere das Inaussichtstellen großzügiger Spenden kann es für die Parteien daher profitabel erscheinen lassen, sich als Gegenleistung im Subventionsvergabeprozeß verbandskonform zu verhalten. Eine dritte Möglichkeit der Einflußnahme auf das Politisch-Administrative-System wird den großen Wirtschaftsverbänden und Unternehmen durch die Ausübung von politischem Dtvck eröffnet. Besonders marktmächtige Subventionsnachfrager, die zumeist einen bedeutenden Einfluß auf die Prosperität einer Region haben, besitzen die Möglichkeit, die öffentliche Meinung sowie das herrschende Wirtschaftsklima in ihrem Sinne zu steuern: Durch die Androhung oder Durchführung publikumswirksamer Maßnahmen wie Streiks oder Werbekampagnen können sie etwa

62

Vgl. Bernholz, R/Breyer,

63

Vgl. Frey, B. S. (1981), S. 191 f., o. V. (1987 b), S. 104.

F. (1984), S. 353f., Latz, H.-L. (1989), S. 114.

64

Vgl. Bcmholz, R /Breyer,

65

Vgl. Frey, B. S. (1981), S. 186, Bernholz, R/Breyer,

F. (1984), S. 354 f. F. (1984), S. 356.

VII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen II

159

versuchen, die Konsequenzen geplanter Subventionsstreichungen in ihrem Bereich darzulegen. Die zumeist erschreckend klingenden Zahlen führen dazu, daß auch Nichtbetroffene den zuständigen Politikern, insbesondere der zügelhaltenden Bundesregierung, wirtschaftliche Unfähigkeit attestieren. 66 Der drohende Stimmenverlust ist ein Warnsignal für die wiederwahlorientierten Politiker, so daß sie den Verbänden mit Zugeständnissen entgegenkommen. Besonders in subventionsabhängigen Branchen wie Landwirtschaft, Bergbau und Werften sind derartige von Verbänden geschürte Unruhen bei geplanten Subventionsstreichungen regelmäßig zu beobachten. Bisher wurde aufgezeigt, inwieweit die Verbände und großen Unternehmen versuchen können, die Subventionsgeber für ihre Zielsetzungen zu gewinnen. Daneben können sie versuchen, selbst - also auf direktem Wege - an den Subventionsentscheidungen zu partizipieren. Dieses geschieht, indem bei der Ausarbeitung und Verabschiedung von Subventionsprogrammen via Ämterpatronage möglichst viele Vertrauensleute (Brancheninsider) in das Parlament und die Verwaltung gebracht werden, die dann als "Abgesandte" des jeweiligen Berufsstands in den Fachausschüssen für eine Realisierung der Verbandsinteressen sorgen sollen.67 Eine Untersuchung der Abgeordneten der 10. Wahlperiode (1983-1987) ergab, daß mehr als die Hälfte der Parlamentarier eine aktive Verbandsfunktion ausübte, 26% der Abgeordneten waren Verbandsvertreter im Bereich der Wirtschaft. 68 Ä S. Frey kommt in einer früheren Untersuchung zu ähnlichen Ergebnissen: Er stellte fest, daß rund die Hälfte der Bundestagsabgeordneten im Parlament von 1971-76 eine aktive Verbandsfunktion ausübten; immerhin ca. 15% der Parlamentarier waren in diesem Zeitraum in den Verbänden von Industrie, Mittelstand und Landwirtschaft tätig.69 Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die Unternehmen im Normalfall an einer umfangreichen Subventionsnachfrage interessiert sind, weil die staatlichen Zuwendungen die betriebliche Wettbewerbssituation i. d. R. verbessern. Die Kanalisierung des Interesses durch die subventionspolitisch zumeist gleichgesinnten Interessen verbände sichert beträchtliche Chancen auf den Erhalt einer Subvention: Die Lobbyisten üben auf

66

Vgl. Bernholz, R/Breyer ; F. (1984), S. 349 und 355 f., Bernholz, R (1985).

67

Vgl. Arnim, H.H. v. (1977), S. 145, Frey, B.S. (1981), S. 187f., Harzern, K. (1987), S. 123, Latz, H.-L. (1989), S. 111. 68

Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (1987), S. 16.

69

Vgl. Frey, B. S. (1981), S. 188.

160

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

direktem oder indirektem Wege einen bedeutsamen Einfluß auf den Subventionsvergabeprozeß aus. Erleichtert wird den Verbänden die Einflußnahme auf den politischen Prozeß durch eine nur unzureichende Kontrolle durch Wahlen.

5. Das Verhalten der Subventionsgeschädigten Im folgenden soll nun das Verhalten der Haushalte und Unternehmen erörtert werden, die nicht Objekt staatlicher Förderungsmaßnahmen sind, aber gleichwohl als Financier zur Aufbringung der Mittel für zusätzliche Staatsausgaben bzw. zum Ausgleich subventionsbedingter staatlicher Mindereinnahmen herangezogen werden. Weil diese Akteure de facto durch die staatlichen Interventionen benachteiligt werden, sind vielfältige Protest- und Abwehrreaktionen zu erwarten. In der Realität zeichnet sich das Verhalten der Benachteiligten jedoch eher durch Passivität aus. Die Ursachen dieses Verhaltensweise sollen im folgenden analysiert werden. Der Beitrag zur Finanzierung eines konkreten Subventionsprogramms ist für den einzelnen nur gering bzw. gar nicht fühlbar, weil die fiskalische Belastung im Zuge der Steuererhebung auf viele Schultern verteilt wird (Diffusion der Last). 70 Das steuerrechtlich vorherrschende Nonaffektationsprinzip in Verbindung mit der Verletzung des Prinzips fiskalischer Äquivalenz führt dazu, daß der einzelne seinen Finanzbeitrag zu einem bestimmten Subventionsprogramm nicht erkennen kann. Umgekehrt kann der einzelne auch nicht genau abschätzen, inwieweit sich die Abschaffung einer bestimmten Subvention auf sein verfügbares Einkommen auswirkt. Die geringe fiskalische Merklichkeit der Belastung schwächt die Abwehrhaltung der Belasteten bezüglich der herrschenden Subventionierungspraxis deutlich ab. Hinzu kommt, daß die Belasteten nur begrenzte Möglichkeiten haben, wirksam gegen bestimmte Subventionsprogramme vorzugehen: So können etwa die Steuerzahler in der Bundesrepublik ihren Subventionsabbauinteressen auf rechtlichem Wege nicht wirksam durch eine Popularklage Nachdruck verleihen. 71 Auch die Unternehmen, welche durch die staatliche Begünstigung eines Konkurrenten im Wettbewerb beeinträchtigt werden, haben nur geringe Chancen, ihren Einspruch gegen die Sub-

70

Vgl. Arnim, H. H. v. (1977), S. 154 ff.

71

Vgl. Zuleeg, M (1974), S. 32, Arnim, H. H. v. (1986), S. 95.

VII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen II

161

ventionsgewährung durchzusetzen, weil das Rechtsinstitut der Konkurrentenklage die Benachteiligten nicht ausreichend schützt: Allenfalls kann ein Anspruch auf Entschädigung , nicht jedoch nach h.M. ein Anspruch auf Unterlassung bzw. Rückgängigmachung der Subventionsgewährung, zuerkannt werden, wenn - die Substanz des benachteiligten Unternehmens (und nicht nur seine ErwerbscAtfrtce im Wettbewerb) beeinträchtigt wird, - der Schaden zu einem Sonderopfer des einzelnen Unternehmens und nicht zu einer Benachteiligung einer gesamten Branche oder Region führt, - die gerichtlich festgelegte Grenze der Zumutbarkeit der Belastung überschritten wird. 72 Neben den dargestellten Schwierigkeiten, auf rechtlichem Wege wirksamen Gegendruck gegen einzelne Subventionsmaßnahmen zu erzeugen, sind auch die Einllußmöglichkeiten der Betroffenen auf die Akteure des Politisch-administrativen-Systems (als Subventionsgeber) nur gering, zumal insbesondere die Staatsbediensteten in der Fachverwaltung (mit Ausnahme der politischen Ministerialebene) keiner periodische Kontrolle durch Wahlen unterliegen. Die Interessen von Subventionsgegnern (etwa der Steuerzahler) lassen sich aufgrund des Kollektivgutcharakters der Subventionsabbauerfolge tendenziell nur schwer organisieren. 73 Interessengemeinschaften wie der "Bund der Steuerzahler e. V." sind daher politisch nicht schlagkräftig genug, um umfassende Subventionsabbauanstrengungen in die Wege zu leiten. Die fehlenden Chancen, etwas zu ändern, in Verbindung mit der nur geringen Fühlbarkeit der Subventionsbelastungen, lassen umfangreiche Protest- und Abwehrreaktionen der Belasteten gegen staatliche Interventionen unwahrscheinlich erscheinen, zumal derartiges Handeln auch noch Kosten (Informationskosten, Opportunitätskosten der Zeit etc.) mit sich bringen würde. Der resultierende Zustand der Passivität und Ignoranz kann nun sogar dazu führen, daß die durch die Subventionierung Benachteiligten einem konkreten Subventionsabbau entgegenstehen und sich mit den von eventuellen Subventionsstreichungen Betroffenen solidarisch erklären (nKumpelmentalitäf ):

Die Ausführungen zur Konkurrentenklage sind angelehnt an Henke , W. (1979), S. 112 ff., insbesondere S. 120-123. Vgl. zum Schutzcharakter der Grundrechte bei einer Subventionierung des Konkurrenten auch Kapitel VI.l. 73

Vgl. Arnim, H.H v. (1977), S. 159 ff. und (1986), S. 86.

11 Nieder-Eichholz

162

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

So kam eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allenbach zu dem Ergebnis, daß sich im Jahre 1991 ca. 64% der Bevölkerung in Westdeutschland und 70% der Ostdeutschen ßr eine weitere finanzielle Unterstützung des Kohlebergbaus aussprechen; auf der anderen Seite sind nur 17% der westdeutschen und 18% der ostdeutschen Bürger gegen eine weitere Subventionierung.74 Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die von einer Subventionsmaßnahme Benachteiligten i. d. R. keine einschneidenden Abwehrmaßnahmen ergreifen werden, weil sie sich davon aufgrund der Anonymität der Last keinen nennenswerten positiven fiskalischen Nettonutzen versprechen und weil sich ihre Interessen auf rechtlichem Wege nur schwer durchsetzen lassen. Last but not least sollen nun die Handlungsmöglichkeiten der Rechnungshöfe und Gerichte als potentielle Kontrollinstanzen der Subventionsvergabe untersucht werden.

6. Die Handlungen der Rechnungshöfe und Gerichte als Kontrolleure der Subventionspolitik Die Kontrollinstanzen sollen im Rahmen der Subventionspolitik dazu beitragen, den auf Partikularinteressen beruhenden Ineffizienzen der politischen und administrativen Akteure entgegenzuwirken und somit eine Stärkung der allgemeinen Interessen in der pluralistischen Gesellschaft zu erreichen. 75 Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Finanzkontrolle durch die Rechnungshöfe auf Bundes- und Landesebene, deren Mitgliedern kraft Gesetz (Art. 114 Abs. II GG, § 11 Abs. I BRHG) eine Stellung in richterlicher Unabhängigkeit zukommt. Gemäß Art. 114 Abs. II GG, §§ 88 ff. BHO und § 42 HGrG (sowie den adäquaten Vorschriften in den Landeshaushaltsordnungen) sind die Rechnungshöfe dazu verpflichtet, die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes und der Länder (incl. der Sondervermögen) auf Ordnungsgemäßheit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen.

74

Vgl. o.V. (1991b), S. 15.

75

Vgl. Arnim, H. H. v. (1977), S. 369.

VII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen II

163

Im Rahmen der Ordnungsgemäßheitsprüfung bei der Subventionsvergabe haben sie zu untersuchen, ob die Verwaltung den Haushaltsplan eingehalten hat, ob die Fachressorts die zugewiesenen Mittel gemäß den Subventipnsvergaberichtlinien aufgeteilt haben und ob sie die Ausgaben begründet, belegt und die Haushaltsrechnung ordnungsgemäß aufgestellt haben (§ 90 BHO). Die Ordnungsgemäßheitsprüfung kann sich auch auf den Empfänger der Subventionen erstrecken (§ 91 Abs. II und III BHO, § 43 Abs. II und III HGrG): In diesem Falle hat der Rechnungshof zu prüfen, ob der Empfänger die Mittel vereinbarungsgemäß verwendet hat. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung soll dagegen festgestellt werden, ob die Subventionsvergabe als geeignet bezüglich der Zielvorgabe, erforderlich im Hinblick auf die Eingriffsintensität und in bezug auf die Kosten als verhältnismäßig angesehen werden kann.76 In der Praxis sind der Arbeit der Rechnungshöfe jedoch Grenzen gesetzt, die eine effiziente Überprüfung aller Subventionen nicht möglich erscheinen lassen: Gemäß § 89 Abs II BHO und § 42 Abs. III HGrG wird dem Bundesrechnungshof zugestanden, den Prüfungsumfang nach eigenem Ermessen zu beschränken. So wird die Prüfung realiter aus Arbeitsüberlastungsgründen nur auf Stichproben (Einzelfälle) beschränkt, nicht alle Subventionen werden systematisch kontrolliert. 77 Bei der Kontrolle besteht für die Prüfer zudem ein starker Anreiz, hauptsächlich die Ordnungsgemäßheit der staatlichen Aktivitäten zu kontrollieren, um auf diese Weise unangenehmen Kontroversen mit dem Politisch-administrativen-System (die sich aus Wirtschaftlichkeitskontrollen ergeben könnten) aus dem Wege zu gehen und die Transaktionskosten der Überprüfung gering zu halten.78 Daher nimmt die Ordnungsgemäßheitskontrolle einen höheren Stellenwert ein als die wertende Wirtschaftlichkeitskontrolle; 79 die Rechnungshöfe sind gemäß ihrer kameralistischen Tradition in erster Linie Rechnungsprüfungsbehörden.80 Hinzu kommt, daß politische Vorgaben und Zielsetzungen für die Kritik der Rechnungshöfe grundsätzlich81 tabu sind. So sind etwa die im Haus-

76

Vgl. Arnim , H. H. v. (1977), S. 369.

77

Vgl. Deutscher Bundestag (1990), S. 8.

78

Vgl. Frey, B. S./Serna, A. (1990), S. 250 ff.

79

Vgl. Frey, B. S./Serna, A. (1990), S. 247.

80

Vgl. Thiene, W. (1977), S. 440, Tz. 1201, Gröbner, B.F. (1983), S. 217.

81

Daß selbst der Gesetzgeber nicht immer gegen die Kritik der Rechnungshöfe gefeit ist, zeigen Sauer, H./Blasius, H. (1985), S. 550 ff.

164

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

haltsplan (als Ausdruck des politischen Willens) enthaltenen Subventionen regelmäßig nicht Gegenstand, sondern Maßstab der Prüfung durch die Rechnungshöfe. 82 Durch diese faktische Einschränkung des Tätigkeitsfeldes der Prüfungsbehörden bleibt bspw. die tiefgreifende volkswirtschaftliche Ineffizienz der Agrarpolitik in den Rechnungshofberichten unerwähnt, wogegen zumeist kleinen, aus der Verfehlung bestehender Vorschriften resultierenden, Mängeln eine große Aufmerksamkeit gewidmet wird. 83 Insofern findet bei der Arbeit der Rechnungshöfe vielfach eine "Konzentration auf Unwesentliches"84 statt. Problematisch erscheint des weiteren, daß die Rechnungshöfe keine Exekutivbefugnisse innehaben. So werden sie als "Richter ohne Schwert"85 charakterisiert, die zwar urteilen, aber nicht sanktionieren können.86 Sie können lediglich im Falle von Gesetzesverstößen Rügen aussprechen, die aber aufgrund der fehlenden Rechtswirksamkeit nicht als ausreichendes Disziplinierungsmittel angesehen werden können. Die aufgezeigten Probleme gelten auch für die Prüfung der gemeindlichen Subventionen im Rahmen der kommunalen Finanzkontrolle, die i. d. R. zweigleisig durchgeführt wird: Die für größere Gemeinden (mit mehr als 20000 Einwohnern) verbindliche örtliche Prüfung erfolgt durch die kommunalen Rechnungsprüfungsämter. 87 Diesen Institutionen fehlt jedoch als integralen Bestandteilen der Verwaltungshierarchie - die den Rechnungshöfen vergleichbare institutionelle Unabhängigkeit von der Verwaltung.88 Unzureichend erscheint auch die ergänzende überörtliche Prüfung, die in den meisten Bundesländern von den Gemeindeprüfungsämtern durchgeführt wird, in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein dagegen den Landesrechnungshöfen zugeordnet ist.89 Auch im Rahmen dieser Prüfung steht die Ordnungsmäßigkeitsprüfung im Vordergrund, in Nordrhein-Westfalen wird die Wirtschaftlichkeitsprüfung sogar expressis verbis aus dem Bereich der überörtlichen Prüfung ausgeklammert (§ 103 Abs. II GO-NRW).

82

Vgl. Sauer, H/Blasius, H. (1985), S. 550.

83

Vgl. Frey, B. S./Serna, A. (1990), S. 257 f.

84

Frey, B. S./Serna, A. (1990), S. 257.

85

Krause, K P. (1991), S. 15.

86

Vgl. Frey, B. S./Serna, A. (1990). S. 249, Arnim, H. H. v. (1978), S. 27.

87

Zur örtlichen Prüfung vgl. ausführlich Siedentopf, HJGrunwald,

K-D. (1977), S. 21 ff.

88

Vgl. Zavelberg H. G. (1989), S. 25, Siedentopf, HJGrunwald,

K-D. (1977), S. 68.

89

Vgl. Zavelberg, H G. (1989), S. 26 f.

VII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen II

165

Insgesamt bleibt daher festzuhalten, daß die dargestellten Kontrollinstanzen von Bund, Ländern und Gemeinden faktisch keine effiziente Überprüfung aller Subventionen (auf ihre ökonomische Legitimität hin) durchführen können. Obwohl speziell den Bundes- und Landesrechnungshöfen eine unabhängige Position gesetzlich garantiert ist, können sie wegen der grundsätzlichen Beschränkung der Prüfungsbefugnis auf unpolitische Sachverhalte sowie der fehlenden Durchsetzungsmöglichkeiten keinen effektiven Beitrag zu einer wirksamen Begrenzung ökonomisch nicht sinnhafter Subventionen leisten. Als weitere Kontrollinstanz der Subventionsvergabe können die Gerichte, speziell die Verwaltungs- und Verfassungsgerichte, angesehen werden. Diese Instanzen besitzen - im Gegensatz zu den Rechnungshöfen Sanktionsmöglichkeiten, um unrechtmäßige Subventionsmaßnahmen zu untersagen. Sie können jedoch nicht in eigener Initiative, sondern nur auf Antrag tätig werden. Aufgrund der restriktiven Handhabung der Konkurrentenklage 90 ist es den nicht-subventionierten Wettbewerbern i. d. R. jedoch mangels hinreichender Klagebefugnis nicht möglich, eine gerichtliche Beendigung der Subventionsvergabe zu erreichen. Weil auch die einzelnen Bürger (Popularklage) und die Rechnungshöfe (Rechnungshofklage) nicht die Befugnis haben, gegen ineffiziente Subventionen eine Klage (vor den Verfassungsgerichten) zu erheben, bleibt dieser Weg für eine systematische Aktivierung der Gerichte ebenfalls verschlossen. Insgesamt kann daher festgehalten werden, daß eine systematische Eindämmung ökonomisch inakzeptabler Subventionen durch die Gerichte alleine nicht erreicht werden kann.

7. Zusammenfassung Nimmt man die praktizierte Subventionspolitik als Resultante einer Addition der dargestellten Kräfte an (und folgt damit methodisch K Schmidts Erklärungsansatz zur Entwicklung der Staatsausgaben),91 so ist es evident, daß die derzeitige Ausgestaltung des Subventionierungsprozesses in Verbindung mit den vorherrschend subventionsexpansiv wirkenden Interessenlagen der Beteiligten wesentlich für die beobachtbaren Ineffizienzen der Subventionspolitik ursächlich sind. M.a. W. ist die derzeitige Subventionspolitik Resultat des Versagens des gleichgewichtigen Kräfte-

90

Vgl. Kapitel VII.5. und VI.l.

91

Vgl. dazu den grundlegenden Beitrag von Schmidt, K (1966).

166

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

spiels im Sinne der pluralistischen Harmonielehre (Laissez-faire-Pluralismus)92, da realiter die BKräfte" der Subventionsprotargonisten die der Subventionsgegner übersteigen, so daß das Niveau der Subventionsvergabe vor dem Hintergrund ökonomischer Überlegungen tendenziell als zu hoch erscheint. Die Subventionsgeberseite, welche (quantitativ) den bedeutendsten Einfluß bei der Gewährung staatlicher Hilfeleistungen innehat, ist insbesondere in Zeiten entspannter Haushaltslage an einer Expansion des Subventionsvolumens interessiert (Budgetmaximierungs- bzw. Stimmenmaximierungshypothese). Es kann hier von einer Dominanz der Exekutive bei der Subventionsvergabe gesprochen werden, da besonders die Verwaltung bei der Planung und Realisierung der Subventionsprogramme bedeutsame Ermessensspielräume innehat. Die bestehenden Institutionen, speziell die relevanten Vorschriften des Haushaltsrechts, erweisen sich bei näherer Betrachtung nicht als hinreichend bindend; sie können somit die Dispositionsspielräume der Subventionsgeber, die zur Verfolgung eigener Interessen mißbraucht werden können, nicht in genügendem Maße einschränken. Auch die Subventionsnehmerseite befürwortet eine umfassende staatliche Interventionstätigkeit, insbesondere, um damit die eigene wirtschaftliche Lage deutlich zu verbessern. Die Chancen zur Erreichung dieses Ziels stehen nicht schlecht, weil speziell die Interessenverbände aufgrund ihrer Insiderkenntnisse für die Subventionsgeberseite von Bedeutung sind. Diese Abhängigkeit können die Lobbyisten nutzen, um sich einen nicht unbedeutenden Einfluß bei der Subventionierung zu sichern. Von den durch die staatlichen Interventionen effektiv Benachteiligten ist hingegen kein umfassender Gegendruck bezüglich der praktizierten Subventionspolitik zu erwarten; für den einzelnen ist zu vielmehr lohnend, in einen Zustand "rationaler Ignoranz" zu verfallen. Auch von den zuständigen (verwaltungsexternen) Kontrollinstanzen gehen keine wesentlichen Impulse zur Eindämmung der herrschenden Subventionsflut aus; allenfalls werden dort Exempel statuiert. Summa summarum ist zu konstastieren, daß die betrachteten Kräfte häufig auf eine Ausweitung der staatlichen Subventionspolitik drängen werden. Die meisten beobachtbaren Ineffizienzen der Praxis lassen sich

92

Vgl. Arnim, H. H. v. (1977), S. 148 ff.

VIII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen III

167

mithin auf psychologische Gegebenheiten in Verbindung mit institutionellen Unzulänglichkeiten zurückführen. Zur Verbesserung des beobachtbaren Status quo erscheint es erforderlich, das aus dem Institutionenversagen resultierende Ordnungsdefizit zu beseitigen. Hier kann eine rationale Subventionsordnung Abhilfe schaffen, die dafür sorgt, daß die tendenziell eigennützigen Verhaltensweisen der am Subventionsprozeß Beteiligten dahingehend eingedämmt werden, daß dem Gemeinwohl Genüge getan wird. Realiter wurden national und international bereits Versuche unternommen, dem wachsenden Subventionsgestrüpp wirksam zu begegnen. Derartige Anstrengungen, die als Vorbilder oder potentielle Substitute zu einer Subventionsordnung angesehen werden können, sollen im folgenden Kapitel auf ihre Effektivität hin durchleuchtet werden.

VIII. Kapitel

Analyse der Mängelursachen III: Wege zur Erhöhung der Beherrschbarkeit im Subventionswesen und zur Eindämmung von Subventionen in der Praxis Innerhalb dieses Kapitels sollen praxiserprobte Wege analysiert werden, zu einer erhöhten Beherrschbarkeit im Subventionswesen zu gelangen und insbesondere einen Subventionsabbau voranzutreiben. Derartige Strategien zu einer systematischen Eindämmung von Subventionen können als mögliche Substitute einer Subventionsordnung aufgefaßt werden: Erweisen sich die Ansätze im Hinblick auf die Effektivierung der Subventionspolitik und die Eindämmung ökonomisch nicht akzeptabler Subventionen als erfolgreich, so würde die Errichtung einer Subventionsordnung a priori obsolet erscheinen. Sind die in Rede stehenden Ansätze dagegen mit Mängeln behaftet, so kann hieraus ein weiterer Beleg für die Notwendigkeit eines neuen institutionellen Arrangements im Subventionsbereich gewonnen werden. Außerdem ist es möglich, aus einem möglichen Scheitern bisheriger Regelungen Hinweise für eine effektivere Ausgestaltung der Subventionspolitik zu erhalten. Im folgenden sollen zunächst die in der Bundesrepublik praktizierten Wege zur Erhöhung der Beherrschbarkeit im Subventionswesen vorgestellt werden, bevor das Augenmerk auf die Erprobung des linearen Subventionsabbaus in der Schweiz gelenkt werden soll.

168

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

1. Strategien zur Erhöhung der Beherrschbarkeit im Subventionswesen in der Bundesrepublik Deutschland Im Rahmen dieses Gliederungspunktes gilt es, die in Deutschland erprobten systematischen Versuche zur Erhöhung der Beherrschbarkeit im Subventionswesen näher zu durchleuchten. Ansätze zur Eindämmung einzelner Subventionen, welche zumeist in die Gestalt von Haushaltskonsolidierungsgesetzen (z.B. Haushaltsstrukturgesetze von 1975, 1981; Haushaltsbegleitgesetze von 1982, 1983, 1988) oder Steuerreformgesetzen (1986/88/90) gekleidet sind oder die Form eines Subventionsabbaugesetzes (1981) einnehmen, sollen hier nicht näher betrachtet werden. Die Zielsetzungen dieser Gesetze (z.B. "Rückführung der Neuverschuldung",1 "Begrenzung der Dynamik öffentlicher Ausgaben"2, "Verminderung der Kreditaufnahme der öffentlichen Hand"3) verdeutlichen, daß hier der beabsichtigte, meist nur geringfügige Abbau von Subventionen in erster Linie dem Verfolgen eines fiskalischen Interesses Rechnung trägt. Derartige Eindämmungsversuche können jedoch nicht in genügender Weise dem Anliegen dienen, zu einer tiefgreifenden, umfassenden Effektivierung der Subventionspolitik und zur Vermeidung eventueller Konsolidierungsschäden beizutragen. Als systematische Ansätze zur Erhöhung der Beherrschbarkeit des Subventionswesens in Deutschland können dagegen die Etablierung der Subventionsberichterstattung sowie die Verankerung subventionspolitischer Grundsätze angesehen werden. Diese Ansätze sollen nun im folgenden vorgestellt und auf etwaige Mängel hin durchleuchtet werden.

a) Das System der Siibventionsberichterstattung

Um dem wirtschaftspolitischen Grundsatz der Beherrschbarkeit bezüglich des Subventionswesens Rechnung zu tragen, wurde in der Vergangenheit ein System der Subventionsberichterstattung etabliert. Die einzelnen Subventionsberichte sollen den an der staatlichen Subventionspolitik Interessierten als Informationsquelle dienen. Diese Informationsfunktion der Berichterstattung ist jedoch nicht Selbstzweck, sondern eng

1

Vgl. Deutscher Bundestag (1988), S. 7.

2

Vgl. Deutscher Bundestag (1981 b), S. 1.

3

Vgl. Deutscher Bundestag (1981 a), S. 1 und 12.

VIII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen III

169

mit den Funktionen der Rechtfertigung, Planung, Kontrolle und Eindämmung des Subventionswesens korreliert. Aus der Perspektive der Subventionsgeber sollen die Subventionsberichte zunächst eine Rechtfertigungsfunktion erfüllen. Die Auflistung der subventionspolitischen Ziele der einzelnen Fördermaßnahmen soll dazu beitragen, die Subventionsvergabe nicht als - rechtlich und ökonomisch gesehen unzulässiges - Geschenk an den Begünstigten erscheinen zu lassen. Daneben sollen die in den Subventionsberichten vorhandenen Daten dazu dienen, Entscheidungen der Subventionsgeber zu erleichtern und eine effizientere Planung der Fördermaßnahmen sicherzustellen (Planungsfunktion). Etwa kann eine effektive Berichterstattung einen Beitrag dazu leisten, unerwünschte Phänomene wie Mehrfachsubventionen oder Beharrungstendenzen von Subventionen aufzudecken und zukünftig zu vermeiden. Im Rahmen der Kontrollfunktion sollen die Subventionsberichte den Subventionskritikern Ansatzpunkte zur Fundierung ihrer Aussagen bieten. Eine verbesserte Kontrolle der - in den Berichten zum Ausdruck kommenden - Subventionspolitik trägt zu ihrer Effektivierung bei. Kann eine derartige Effektivierung der Subventionsvergabe durch einen Abbau von Subventionen bewerkstelligt werden, so kommt der Berichterstattung zugleich eine Eindämmungsfunktion zu. Um die aufgezeigten Funktionen erfüllen zu können und insofern einen Beitrag zu einer höheren Beherrschbarkeit resp. einer Eindämmung des Subventionswesens leisten zu können, müssen die Subventionsberichte selbst verschiedene Anforderungen erfüllen: Die einzelnen Berichte müssen ein vollständiges Bild der Subventionspolitik aufzeichnen, um nicht bestimmte Förderleistungen der möglichen Begutachtung durch die Öffentlichkeit vorzuenthalten (Vollständigkeitsgrundsatz). 4 Um die Voraussetzungen für eine effiziente Kontrolle der Subventionspolitik herbeizuführen, müssen die einzelnen Subventionsberichte des weiteren ein hohes Maß an Vergleichbarkeit und Dauerhaftigkeit aufweisen; 5

4

Vgl. Zimmermann, H. (1976/77), S. 451.

5

Vgl. Zimmermann, H. (1979), S. 460 ff. und (1976/77), S. 451.

170

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

ständige Änderungen von Subventionsdefinitionen bspw. lassen vernünftige Quer- und Längsschnittsanalysen der Subventionspolitik nicht zu. Daneben müssen die Subventionsberichte auch den Anforderungen nach Wahrheit und Genauigkeit genügen. M. a. W. müssen die aufgeführten Daten der Realität entsprechen und möglichst korrekt erfaßt bzw. geschätzt (Steuervergünstigungen) werden. Aus dem Grundsatz der Klarheit ist dagegen das Postulat abzuleiten, daß die Materie der Berichterstattung effizient aufbereitet und ggf. zur Erhöhung der Transparenz aggregiert dargestellt wird. Des weiteren müssen die Subventionsberichte zur Sicherstellung der Kontrollfunktion der (kritischen) Öffentlichkeit stets zugänglich sein (Öffentlichkeitsfunktion) und müssen regelmäßig und zeitnah erscheinen (Aktualitätsgrundsatz). 6 Im folgenden soll nun die Subventionsberichterstattung auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene kurz vorgestellt und - anhand der dargestellten Anforderungen - auf mögliche Unzulänglichkeiten hin überprüft werden.

(1) Subventionsberichterstattung

des Bundes

Die Geschichte der Bundessubventionsberichterstattung in Deutschland begann im Jahre 1958 mit einer Kleinen Anfrage der Deutschen Partei (DP), in der sie die Bundesregierung ersuchte, eine Zusammenstellung der gewährten sichtbaren und unsichtbaren Vergünstigungen an die einzelnen Wirtschaftszweige vorzulegen.7 Politisches Ziel des Antrags der DP war es, der herrschenden Ansicht, daß die Landwirte die Hauptsubventionsempfänger seien, faktisch fundiert entgegenzutreten. Die Antwort der Bundesregierung am 28. Juli 1959 innerhalb des Berichts "Subventionen im Bundeshaushalt" bestätigte zwar die These von der Landwirtschaft als Hauptnutzer der Subventionsvergabe, zeigte aber zugleich, daß auch andere Wirtschaftszweige in hohem, nicht erwarteten Maße an der staatlichen Förderpolitik partizipierten. Dem hieraus erwachsenden Informations- und Kontrollbedürfnis staatlicher Subventionspolitik wurde in den Folgejahren

6 7

Vgl. Stern, V./Werner,

G. (1987), S. 44.

Zu den Ursprüngen der Subventionsberichterstattung in Deutschland vgl. Albrecht, D. (1978), S. 9 ff., Hansmeyer, K.-H. (1971/72), S. 104, zur Entwicklung seit 1967 vgl. ausführlich Jäkli, Z. (1990), S. 172 ff.

VIII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen III

171

durch subventionspolitische Veröffentlichungen innerhalb der Finanzberichte der Bundesregierung Rechnung getragen (1962, 1964, 1966, 1967). Des weiteren wurde auf einstimmigen Beschluß des Bundestages vom Mai 1966 im September des gleichen Jahres ein gesonderter Bericht über die "sichtbaren und unsichtbaren Finanzhilfen des Bundes für die Jahre 1964 bis 1966" aufgestellt, der nach dem damaligen Bundesfinanzminister auch "Dahlgrün-Bericht" betitelt wurde.8 Der Durchbruch zugunsten einer regelmäßigen und gesetzlich vorgeschriebenen Berichterstattung fand im Jahre 1967 mit der Verankerung des § 12 innerhalb des neu geschaffenen Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes statt. Seitdem ist die Bundesregierung dazu verpflichtet, in zweijährigem Turnus einen Bericht über die Finanzhilfen und Steuervergünstigungen zu erstellen sowie Vorschläge hinsichtlich der gesetzlichen oder sonstigen Voraussetzungen für eine frühere Beendigung oder einen stufenweisen Abbau der Subventionen (Subventionsabbauliste) zu unterbreiten. Dieser Verpflichtung folgend, erstellte die Bundesregierung zuletzt im Jahre 1993 ihren 14. Subventionsbericht. Im Laufe der Berichterstattung haben sich Inhalt und Struktur der Subventionsberichte nicht erheblich verändert: Die Berichte bestehen aus einem knappen, interpretativen Berichtsteil und einem umfassenden Anlagenteil. Der Berichtsteil enthält - neben grundsätzlichen Aussagen zur Subventionspolitik - im wesentlichen eine Darstellung der Entwicklung und der Ziele der im Betrachtungszeitraum gewährten Subventionen. Ergänzt werden diese Grundinformationen durch einen internationalen Subventionsvergleich und Bemerkungen zum Abbau von Subventionen. Im Anlagenteil werden dagegen die einzelnen Subventionen, getrennt nach Aufgabenbereichen, dargestellt. Hierbei werden folgende Informationen aufgeführt: - Bezeichung der Subvention, - Fundstelle im Haushaltsplan bei Finanzhilfen, - Charakterisierung als Erhaltungs-, Anpassungs-, Produktivitäts- oder sonstige Hilfe, - Einordnung als Zuschuß, Darlehen oder Schuldendiensthilfe bei Finanzhilfen, - Höhe im vierjährigen Betrachtungszeitraum (jeweils 2 Jahre Ist- und Plandaten), bei Steuervergünstigungen zusätzlich Ausweis des Bundesanteils an den Mindereinnahmen,

Vgl. Jâkli, Z. (1990), S. 170.

172

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

- Zielsetzung, - Rechtsgrundlage, - Ausgestaltung und Befristung, bei Steuervergünstigungen zusätzlich Einführungszeitpunkt, - bei Finanzhilfen Bemerkungen zu bisherigen Auswirkungen und zur künftigen Gestaltung, bei Steuervergünstigungen statt dessen eine Stellungnahme. Neben dieser detaillierten Charakterisierung der einzelnen Subventionen enthält der Anlagenteil der Subventionsberichte zudem eine Anzahl weiterer statistischer Übersichten (z. B. zur aggregierten Entwicklung der Länderfinanzhilfen) sowie textliche Anlagen (zur zugrundeliegenden Subventionsdefinition etc.). Das Gesagte verdeutlicht, daß die Bundessubventionsberichte ein großes Spektrum an unverzichtbaren Informationen liefern. Der zweijährige Berichtsrhythmus trägt zudem der Forderung nach Aktualität in genügendem Maße Rechnung. Dennoch lassen sich auch gravierende Mängel der Berichterstattung auffinden. Die wesentlichen Unzulänglichkeiten sollen nun kurz betrachtet werden. Zentrales Problem der Berichterstattung ist die ihr zugrunde liegende enge Subventionsdefinition, die einen großen Teil der staatlichen Begünstigungen (z.B. Leistungen an öffentliche Unternehmen, Kohlepfennig, Bürgschaften und Garantien) von vornherein nicht berücksichtigt.9 Insoweit kommt die derzeitige Berichterstattung nicht dem Grundsatz nach Vollständigkeit nach und verletzt damit einhergehend den Grundsatz nach Kontrollierbarkeit. Hinzu kommt, daß die Subventionsabgrenzung im Laufe der Berichterstattung geändert wurde: So fielen mit der methodischen Angleichung der Definition der Steuervergünstigungen an die Definition der Finanzhilfen im 6. Subventionsbericht ca. 30% der bisherigen Steuermindereinnahmen aus dem Kreis der Subventionen heraus und werden seitdem lediglich nachrichtlich erfaßt. 10 Seit dem 11. Subventionsbericht fielen die Umsatzsteuerbefreiungen für ärztliche Leistungen und für Bausparkassen- und Versicherungsvertreter aus dem Katalog der Steuervergünstigungen heraus,11 seit dem 12. Subventionsbericht entfiel des weiteren das bis dato als "Subvention" deklarierte Wohngeld.12 Zuletzt wurde im 14. Subventionsbericht der allgemeine Sparerfreibetrag aus der Anlage

Vgl. zur Subventionsabgrenzung der Subventionsberichte ausführlich Kapitel 1.2. 10

Vgl. hierzu auch Zimmertnann, H. (1979), S. 462 f., Albrecht, D. (1978), S. 15 f.

11

Vgl. Deutscher Bundestag (1987), S. 28, Tz. 24.

12

Vgl. Deutscher Bundestag (1989 b), S. 8, Tz. 2.

VIII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen III

173

2 herausgenommen.13 Die methodische Verengung der Subventionsdefinition ging einher mit einer statistischen, jedoch nicht mit einer tatsächlichen Verringerung des Subventionsvolumens. Weil die (aggregierten) Datenreihen aller älteren Subventionsberichte nicht rückwirkend an die jeweils neue Definition angepaßt wurden, läßt sich etwa eine lückenlose, jährliche Zeitreihe der Subventionsentwicklung seit Beginn der Berichterstattung nicht aufstellen. Insofern verletzt die derzeitige Berichterstattung auch den Grundsatz der (intertemporalen) Vergleichbarkeit. Problematisch erscheint auch die Einteilung der Subventionen in Erhaltungs-, Anpassungs-, Produktivitäts- und sonstige Hilfen gemäß § 12 StWG. Je mehr eine Subvention als "zukunftsweisende" Produktivitätshilfe und je weniger sie als konservierende Erhaltungshilfe gekennzeichnet werden kann, desto größer erscheint ihre politische Legitimierbarkeit. 14 Die Klassifizierung als Produktivitätshilfe suggeriert somit einen (gesamtwirtschaftlichen) Nutzenzuwachs, der jedoch vielfach bei genauer ökonomischer Betrachtung nicht nachweisbar ist. Weil außerdem justitiable Klassifizierungskriterien nicht existieren,15 und somit die Einordnung einer Subvention in das dargestellte Raster dem Belieben der Subventionsgeber überlassen bleibt, erhöht die in Rede stehende Systematisierung keinesfalls die Transparenz des Subventionsberichts, sondern kann eher verschleiernd wirken. 16 Insofern wird dadurch insbesondere der Grundsatz der Wahrheit, Klarheit und Genauigkeit beeinträchtigt. Dem Grundsatz der Kontrollierbarkeit steht des weiteren die Tatsache entgegen, daß die Höhe der einzelnen Subventionen lediglich mit "Ist"Ansätzen für die vergangenen zwei Jahre und mit "Soll"-Ansätzen für die beiden künftigen Jahre ausgewiesen wird. Bestehende Subventionsprogramme werden insofern nicht in den einzelnen Berichten einem Soll-IstVergleich unterzogen, so daß auch bedeutsame Abweichungen der tatsächlichen Subventionshöhe vom jeweiligen Planansatz nicht transparent und überprüfbar werden. Faktisch steht der Realisierung des Kontrollierbarkeitsgrundsatzes auch der nicht operationale Ausweis der mit einer Subvention verbundenen Ziele entgegen.17 Insofern muß auf eine Über-

13

Vgl. Deutscher Bundestag (1993), S. 11, Tz. 6.

14

Vgl. Zimmermann, H (1976/77), S. 460.

15

Vgl. zu den recht allgemein gehaltenen Einteilungskriterien Deutscher Bundestag (1991a), S. 8, Tz. 4. 16

Vgl auch Hansmeyer, K-H. (1971/72), S. 111, Albrecht, D. (1978), S. 20.

17

Vgl. zu dieser Problematik insbesondere Kapitel V.l.

174

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

prüfung des Zielerreichungsgrads im Rahmen der Subventionsberichte weitgehend verzichtet werden. Mängel weist auch die Abbauliste der Subventionsberichte auf, zu deren Aufstellung des Bundesregierung nach § 12 Abs. IV StWG verpflichtet ist. Das Aufstellen einer Abbauliste spiegelt in erster Linie die Eindämmungsfunktion des Subventionsberichts wider. Ob dieser Eindämmungsfunktion durch die Verankerung einer Abbauliste jedoch auch faktisch hinreichend Rechnung getragen werden kann, erscheint - in Anbetracht der nachstehenden Sachverhalte - zumindest zweifelhaft: Zunächst ist hervorzuheben, daß sich die Forderung nach der Aufstellung einer Abbauliste de facto nur auf die in den Subventionsberichten zusammengestellten Finanzhilfen und Steuervergünstigungen bezieht und insofern Lücken aufweist. Des weiteren enthält die Abbauliste meistens eine nicht geringe Anzahl von Maßnahmen, die von vornherein zeitlich limitiert wurden bzw. deren Subventionswert im Zeitablauf rückläufig ist:18 So wird bspw. im 12. Subventionsbericht die 1975 eingeführte und bis zum 31.12.1990 befristete Steuervergünstigung für Wirtschaftsgüter, die dem Umweltschutz dienen (§ 7d EStG), in der Abbauliste der Steuervergünstigungen aufgezählt. 19 Die Beendigung derartiger Subventionsprogramms ist jedoch nicht als Abbauerfolg der derzeitigen Regierung einzuordnen, sondern beruht allein auf einem (Limitierungs-)Beschluß der Vergangenheit. Eine Zusammenstellung solcher Maßnahmen in einer Subventionsabbauliste entspricht wohl in keinster Weise der Intention des Gesetzgebers, einen diskretionären Subventionsabbau voranzutreiben. 20 Hinzu kommt, daß der Informationsgehalt der Abbauliste des Subventionsberichts pro rata temporis immer weiter gesunken ist: In den ersten Subventionsberichten wurden noch die Abbauanstrengungen bei den Finanzhilfen und Steuervergünstigungen im einzelnen aufgeführt, seit dem 11. Subventionsbericht wird dagegen bei den Finanzhilfen auf eine komplette Aufzählung der Einzelpositionen verzichtet und lediglich das Gesamtvolumen der auslaufenden und zurückgehenden Maßnahmen im Finanzplanungszeitraum ausgewiesen.21

18

Vgl. Deutscher Bundestag (1989 b), S. 47, Tz. 63.

19

Vgl. Deutscher Bundestag (1989 b), Übersicht 16, S. 51 und Anlage 2, Nr. 34.

20

Vgl. auch Jdkli, Z. (1990), S. 188.

21

Vgl. Deutscher Bundestag (1989 b), Anlage 4, S. 230.

VIII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen III

175

Zudem erscheinen in den Subventionsberichten nur solche Abbauvorschläge, die sich im Bereich der Finanzhilfen bereits im Haushaltsentwurf und in der Finanzplanung niedergeschlagen haben bzw. die sich im Falle von Steuervergünstigungen in entsprechenden Gesetzesinitiativen der Regierung wiederfinden. 22 Die Subventionsabbauplanung degeneriert mithin zu einem Bestandteil der Haushalts- und Finanzplanung. Würde die Regierung darüber hinaus weitere Subventionen als "abbaubedürftig" klassifizieren, müßte sie sich den Vorwurf der Unglaubwürdigkeit gefallen lassen. Hier offenbart sich die Grenze einer von der Exekutive selbst abgefaßten Subventionsabbauliste: Die Regierung wird darin wohl kaum Maßnahmen aufführen, die ihren eigenen politischen Zielsetzungen widersprechen. 23 Hier liegt - neben den vehementen Abwehrreaktionen der Interessengruppen - ein wesentlicher Grund für die Ineffektivität der Abbauliste in der Praxis. Insgesamt kann festgehalten werden, daß die Subventionsberichte des Bundes durchaus wertvolle Informationsquellen für subventionsinteressierte Informationsnachfrager sind; ihr Stellenwert wird jedoch beträchtlich relativiert durch eine große Anzahl von Unzulänglichkeiten, die eine hinreichende Erfüllung der Informationsfunktion nicht gestatten. Insbesondere die Mängel der Abbauliste spiegeln die Schwierigkeiten eines geordneten und sinnvollen Subventionsabbaus wider. 24 Neben dem Bund sind auf nationaler Ebene auch die Länder und Gemeinden an der Subventionsberichterstattung beteiligt. Hierauf soll nun näher eingegangen werden.

(2) Berichterstattung

der Länder und Gemeinden

Anders als auf Bundesebene besteht für die Länder und die Gemeinden keine gesetzliche Verpflichtung zur Berichterstattung über Subventionen. Nach Art. 109 Abs. I GG sind die Länder in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und (vom Bund) unabhängig, während sich für die Gemeinden aus Art. 28 GG ein Autonomiespielraum ableiten läßt. Dementsprechend beruht die praktizierte Berichterstattung dieser Ebenen auf freiwilligen

22

Vgl. Albrecht, D./Wesselkock,

£ (1971), S. 20, Deutscher Bundestag (1989 b), S. 46,

Tz. 61. 23

Vgl. Strauß, F.-J. (1969), S. 112, Zimmermann, H. (1976/77), S. 462.

24

Vgl. Strauß, F.-J. (1969), S. 113.

176

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

Erwägungen.25 Eine derartige freiwillige Berichterstattung birgt die Gefahr in sich, daß auf eine Abstimmung der Landes- bzw. Gemeindesubventionsberichte mit dem Bundessubventionsbericht verzichtet wird, und insofern das gesamte Berichtssystem nicht nach einheitlichen Maßstäben abgrenzbar und bewertbar wird. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, haben sich die Landesfinanzminister im Mai 1985 entschlossen, dem Bundesfinanzministerium die aufwendige Ermittlung der Länderfinanzhilfen anhand der Haushaltspläne abzunehmen und ihm fortan entsprechende Daten nach einer einheitlichen Abgrenzung zur Verfügung zu stellen. Zur Ermittlung der Länderfinanzhilfen dient ein - vom Bund-Länder-Arbeitsausschuß "Haushaltsrecht und Haushaltssystematik" entwickeltes - einheitliches Bewertungsraster, mit dessen Hilfe Querschnittsfelder aus bestimmten Funktions- und Gruppierungskennziffern der Länderhaushalte isoliert werden (etwa werden alle bei der Funktionskennziffer 63 (Bergbau/Verarbeitendes Gewerbe) in Verbindung mit der Gruppierungskennziffer 683 (laufende Zuschüsse an Unternehmen) auftretenden Auszahlungen als Finanzhilfen betrachtet). Mit Hilfe dieses Grobrasters werden mehr als 90% der Finanzhilfen der Länder erfaßt und als Datenreihe dem Bund zur Verfügung gestellt.26 Die Erarbeitung dieses Grobschemas zur Ermittlung der Finanzhilfen kann als Schritt in Richtung auf eine einheitlichere Subventionsberichterstattung hin gewertet werden. Obwohl die Länder beschlossen haben, dem Bundesfinanzminister auf der Basis dieses Rasters Daten über ihre Finanzhilfen zum Zwecke des Gesamtausweises zukommen zu lassen, sind sie aufgrund ihrer haushaltswirtschaftlichen Unabhängigkeit nicht gezwungen, ihre eigene Berichterstattung anhand dieses Schemas vorzunehmen. Entsprechend sind auch in der Praxis eine Reihe von Uneinheitlichkeiten der Ländersubventionsberichte zu konstatieren, so daß insbesondere dem Grundsatz der Vergleichbarkeit der Berichterstattung nicht in hinreichendem Maße nachgekommen wird. Zunächst ist festzustellen, daß einige Länder (Saarland, Rheinland-Pfalz sowie die Länder des Beitrittsgebiets) bislang (August 1992) noch keinen eigenen Subventionsbericht vorgelegt haben bzw. die letzte Berichterstat-

25 26

Vgl. Neuhaus, K.-H. (1987), S. 10 ff.

Vgl. hierzu ausführlich Neuhaus, K-H. (1987), S. 15 ff. sowie Deutscher Bundestag (1985), S. 298 f.

VIII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen III

177

tung schon viele Jahre zurückliegt (Hamburg, 1973).27 Der alleinige Ausweis von Finanzhilfen in den jeweiligen Haushaltsplänen trägt jedoch dem Grundsatz nach Öffentlichkeit der Subventionsberichterstattung nicht in genügendem Maße Rechnung. Die anderen Bundesländer berichten dagegen in einem nicht einheitlichen, teilweise unregelmäßigen Rhythmus über ihre subventionspolitischen Aktivitäten (Tab. 9). Auch der Umfang und die Art der in den Subventionsberichten berücksichtigten Daten unterscheidet sich in beträchtlichem Maße: Einige Länder weisen lediglich Finanzhilfen aus, andere dagegen beziehen auch Schätzungen der einzelnen Steuervergünstigungen mit in die Berichterstattung ein. Der Berichtszeitraum umfaßt maximal elf Jahre (Bremen), in Bayern und Baden-Württemberg dagegen nur drei Jahre. Vielfach werden dabei in den Subventionsberichten Ist- und Soll-Daten aufgeführt, Hessen berichtet jedoch lediglich über vergangene Subventionsvorgänge, Bayern und Niedersachsen dagegen lediglich über geplante Subventionen. Auch liegt den Berichten keine einheitliche Definition (etwa entsprechend des aufgeführten Grobrasters) zugrunde. In concreto folgen Berlin und Bremen in ihren Berichten einer - im Vergleich zur Bundessubventionsberichterstattung-weiteren Abgrenzung. Hinzu kommt, daß einige Subventionsberichte das Bruttosubventionsvolumen ausweisen, während in anderen Bundesländern von dem gesamten Betrag der Finanzhilfen und/oder Steuervergünstigungen noch die Rückflüsse aus Bundes-, EG- und sonstigen Drittmitteln subtrahiert werden und insofern lediglich die Nettobelastung des Landes ausgewiesen wird. In Anbetracht des Gesagten ist festzuhalten, daß die Subventionsberichterstattung der Länder den aufgestellten Grundsätzen, vor allem dem Vergleichbarkeitspostulat, nicht in genügendem Maße nachkommt. Finden sich auf Landesebene zumindest Ansätze zu einer Berichterstattung über das Subventionswesen, so ist auf Gemeindeebene noch ein weitaus größeres Defizit in diesem Punkte zu beklagen. Nur vereinzelt berichten bestimmte Kommunen gesondert, d.h. außerhalb des Haushaltsplans, über ihre Subventionsvergabe. Ein derartiges positives Beispiel ist die niedersächsische Stadt Peine.28

Das Finanzministerium Rheinland-Pfalz teilte allerdings auf Anfrage mit. daß erstmalig zum 30.09.1993 ein Subventionsbericht erstellt werden soll. 28

Vgl. Stadt Peine (1992).

12 Nieder-Eichholz

178

2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

Insgesamt ist festzustellen, daß die gegenwärtige Subventionsberichterstattung insbesondere im Hinblick auf ihre Einheitlichkeit und Vollständigkeit gravierende Lücken aufweist. Dennoch stellt sie ein unverzichtbares Informationsinstrument zur Beurteilung der Subventionspolitik und zur Auffindung subventionspolitischer Ineffizienzen dar. Um einen größeren Beitrag zur Beherrschbarkeit im Subventionswesen leisten zu können, bedarf es einer Korrektur der dargestellten Mängel: Hierzu ist es zunächst erforderlich, daß die Berichterstattung der verschiedenen Gebietskörperschaften sich an einem einheitlichen Muster orientiert, so daß die ausgewiesenen Daten hinsichtlich der sachlichen Abgrenzung sowie des Betrachtungszeitraums vergleichbar sind. Es ist daher eine umfassende Berichtspflicht auch für die Länder und Gemeinden unerläßlich. Um der Gefahr zu begegnen, daß aufgrund der Vielzahl der Kommunen und Länder eine Gesamtschau über die geleisteten Subventionen unmöglich wird, sollten - neben den Bundesländern - auch die Gemeinden ihre (geplanten) Subventionen einer zentralen Erfassungsstelle auf Bundesebene notifizieren. Die gewonnenen Daten können sodann im Bundessubventionsbericht in aggregierter, übersichtlicher Form (z. B. Gesamtsumme der geleisteten Subventionen, Unterteilung der Subventionen nach Regionen oder Sektoren (Destinataren), Unterteilung der Subventionen nach Vergabearten) ausgewiesen werden. Der Berichterstattung der Gebietskörperschaften sollte ein einheitlicher und weiter Subventionsbegriff zugrunde liegen, welcher auch Leistungen wie staatliche Bürgschaften oder Grundstücksverbilligungen umfaßt. 29 Die Ermittlung des Subventionswerts von Bürgschaften und Darlehen sollte mit Hilfe des Preis- oder des Kostenansatzes erfolgen. 30 Auf der Seite der Steuervergünstigungen sollten - wie im Rahmen der EG-Beihilfenkontrolle - Nettosubventionsäquivalente berechnet und in den Subventionsberichten ausgewiesen werden.31 Anstelle der problematischen Unterteilung der Subventionen in Erhaltungs-, Anpassungs-, und Produktivitätshilfen sollten die derzeitigen Auskünfte der Subventionsberichte durch exakte Zieloperationalisierungen sowie durch technische Charakteristika der Subventionsvergabe (z.B.

29

Vgl. hierzu insbesondere Kapitel 1.3.

30

Vgl. zu diesen Ansätzen Kapitel X.4.c).

31

Dickertmann, DJDiller, K D. (1987) analysieren etwa die EG-Berechnungsmethode des Nettosubventionsäquivalents für Sonderabschreibungen nach § 7d EStG und schlagen auch alternative Bewertungsverfahren vor.

k.A.

Hessen

Bremen k.A.

Berlin

Bayern

aktueller

Bericht

Rhythmus der

Finanzhilfen stattung

" tionsbericht 2 Jahre (Soll-Angaben)

Subven

„.

1990-1992 k.A. v '

(nur Vergünstigungen nach Berlinförde-

.

'/

1974

7. Subventionsbericht 1991

1991)

unregelmäßig (1976,1978, 1981,1985, 1986, 1988, 1986-1989 (^Angaben)

ja

4. Subvenunregelmäßig 1980-1990 (1980-88 tionsbericht (1973, 1980, Ist-, 1989/90 Soll- 1987 1990 1984, 1990) Angaben)

Subven1985-1989 (1985-88 tionsbericht 4 Jahre Ist-, 1989 Soll1989 Angaben)

1311 1988

ja

'

ja

ja

ja

ja

ja

ja

nein

ja

ja

ja

und B

nein ja

rungsgesetz)

ja

ja

nein ja

1986-1989

ja

ja

ja

ja

nein

ja

ja

2)

ja

nein

nein

ja

1)

Z,D,S ja 3)

ja

teilweise

nein

Rechts BefriStellunggrundstung nähme EA läge P,S

Informationen im Obersichtsteil

Fund- Art Ziel stelle (Schätzung)

Berichtsumfang Steueivergünstigungen

2. Subven1990-1992(1990 ^^" tionsbericht 2 Jahre Ist-, 1991/92 Sollk.A. 1991 Angaben)

fassung

land

BadenWflrttemberg

Beschluß-

Bundes-

Subventionsberichterstattung der Länder

Tabelle 9

nein

VIII. Kapitel: Analyse der Mängelursachen III 179

1991 (Soll): 4,686 Mrd. DM brutto

analog Bundessubventionsbericht

entspricht nicht I * ™ 6,668 Mrd. der Bundessub-

Bayern

Berlin ^

19g9 ^^ 2,749 Mrd. DM b^to

1991 (Soll): 1,668 Mrd. DM brutto

analog Bundessubventionsbericht

BadenWürttemberg

k.A.

ja

-

nein

nein

ja

nein

nem

nein

ja

Befri-

ja

Stellung-

ja

ja

nein Dem

nein

ja

Rechts

ja

läge

Ziel nähme

Geldleistungen 1989: - Wohnungswirtschaft (1,883 Mrd. DM) Verkehrswesen (0,917 Mrd. DM) Forechung, Bildung, Ausbildung (0,348 Mrd. DM)

Ernährung, Landwirtschaft, Forsten (1,876 Mrd. DM) - Wohnungswesen (1,391 Mrd. DM) Gewerbliche Wirtschaft (ohne Verkehr, 0,986 Mrd. DM)

^^

dm brutto

J9g9

1991: k.A. -

1991: - Landwirtschaft, Ernährung, Forsten (0,673 Mrd. k.A. - Wohnungswesen (0,503 Mrd. DM) davon: Sozialer Wohnungsbau (0,473 Mrd. DM)

ja

a

2)

DM)

^

ja

])

nein

p5

nCin

a

Schwerpunkte der Förderung

Ist-, 1992 Soll-

Subventionsvolumen FinanzSteueivergünhilfen stigungen

Subventionsabgrenzung

2. Subven- 1989-1992 (1989-91 tionsbericht 2 Jahre 1992 Angaben)

1987-1990

1992

(Schätzung)

Berichtsumfang Informationen im Übersichtsteil Finanzhilfen SteuervergünFundArt stigungen stelle ^D S grundstung

1992 im Fi- jährlich im Rahmen der 1993-1996 AufgabenMittelfristi(Soll-Angaben) plan gen Planung

Rhythmus der Berichterstattung

12. Subven- 2 Jahre seit 1987-1994 (1987-89 tionsbericht 1979, davor Ist-, 1990-94 Soll1991 jährlich Angaben)

198g

_ "

nanz- und

aktueller Bericht

Bundesland

SchleswigH 1Stein °

NordrheinWestfalen

Niedersachsen

Beschlußfassung

Tabelle 9 Fortsetzung

Bundesland

ja

ja

ja

180 2. Teil: Notwendigkeit einer Subventionsordnung

1

lt n

b

r* 4°*! u!^ ventionsbenchte

~.

eT

b

Subventionsabgrenzung

(SoIl>: