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German Pages 113 [124] Year 1964
MARTIN
SCHEDE
DIE R U I N E N VON PRIENE
DEUTSCHES ARCHÄOLOGISCHES ABTEILUNG
INSTITUT
ISTANBUL
DIE RUINEN VON PRIENE KURZE
BESCHREIBUNG VON
MARTIN SCHEDE
ZWEITE
DURCHGESEHEN
AUFLAGE
UND
VERBESSERT
VON
G. K L E I N E R U N D W. K L E I S S
1964 W A L T E R DE G R U Y T E R & C O . VORMALS
G.
J.
G Ö S C H E N ' S C H E
VERLAGSBUCHHANDLUNG
• GEORG
BERLIN
V E R LAG S H A N D LU N G REIMER
•
• K A R L J. T R Ü B N E R
J.GUTTENTAG • V E I T & COMP.
MIT
130 A B B I L D U N G E N
UND
1 FALTPLAN
(c) 1964 by Verlag Walter de G r u y t e r & C o . , Berlin 30 (Printed in Germany) Archiv«Nr. 3140641 Ohne ausdrückliche G e n e h m i g u n g des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder T e i l e daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. A l l e Rechte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten Satz u n d D r u c k : Otto von Holten, Berlin 30
Theodor Wiegand zum
Gedenken
INHALT
I. Lage und Geschichte von Priene II. Die Stadtanlage und die Akropolis
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III. Die Wasserleitung
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IV. Das Athenaheiligtum
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V. Der Marktplatz VI. Das Heiligtum des Zeus Olympios VII. Das Bouleuterion und Prytaneion VIII. Das Heiligtum der ägyptischen Götter IX. Das Theater X. Die Gymnasien XI. Das Heiligtum der Demeter und der Kore XII. Die Wohnviertel
49 58 63 68 70 81 90 96
XIII. Byzantinische Bauten
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XIV. Erforschung der Ruinen von Priene
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Zu den Abbildungen
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I. LAGE U N D GESCHICHTE VON PRIENE
Im Altertum wurde die mittlere Westküste Kleinasiens mit den vor ihr liegenden Inseln Chios und Samos als I o n i e n bezeichnet (Abb. i). Dieses Land ist durch ein wundervolles Klima, durch Reichtum der Fluren, durch vortreffliche Häfen ausgezeichnet. Die Ionier setzen sich der Herkunft nach aus Splittern sehr verschiedener Stämme Griechenlands zusammen, auch haben sie sich mit nichtgriechischen Völkern gemischt. Sie stehen einerseits gegen die Einheimischen und gegen die von Osten her zum Meere drängenden Staaten in ständigem Daseinskampf. Andererseits verfügen sie über bedeutende Machtmittel durch ihren umfassenden Seehandel und ihre allenthalben aufblühenden Kolonien. Das Zusammenwirken solcher Tatsachen hat eine einzigartige geistige Entwicklung Ioniens hervorgerufen, ohne deren Vorgang die Gesittung Griechenlands, Europas, ja der ganzen heutigen Welt nicht denkbar ist. Daher richtet die Altertumswissenschaft von jeher ihr besonderes Augenmerk auf Ionien. Unter diesen Begriff fiel anfangs lediglich ein etwa um 700 v. Chr. hochgekommenes politisches Gebilde, ein Bündnis von zwölf Städten, zu denen z. B. Ephesos und Miletos gehörten; eines der kleinsten Mitglieder war P r i e n e , gelegen an der Südseite des Gebirges Myklade (türkisch Samsun Dag), das Samos gegenüber schroff ins Meer vorstößt. Diese Gegend ist ständigen geologischen Veränderungen unterworfen (Abb. 2 u. 3). Ein wasserreicher Fluß, der Mäander (altgriechisch Maiandros), führt seit Jahrtausenden große Schlamm-Massen ins Meer, die von der Brandung zurückgeworfen wieder Land bilden, so daß die Küste stetig vordringt, die aber auch den Fluß an seiner Mündung aufhalten, so daß er sich durch seine eigenen Ablagerungen den Ausweg erkämpfen muß, seltsam sich windend, neue Betten suchend, Fieber ausdünstende Sümpfe zurücklassend (Abb. 4). Von der Meeresbucht, die im Altertum südlich der Mykale tief in die Küste einschnitt und an deren Ufern es mehrere Griechenstädte zu hoher Blüte gebracht hatten, ist heute nur noch der See von Bafa zu Füßen des zackigen Latmosgebirges (türkisch Be§parmak) geblieben. Im übrigen hat sich die Bucht zu einer glatten Ebene aufgehöht, der Grundwasser1
Spiegel ist gestiegen, und so manche Siedlung ist im Sumpf verkommen. Andere Orte haben schon dadurch ihre Daseinsmöglichkeit eingebüßt, daß ihnen die unmittelbare Verbindung mit dem Meere verloren ging. Während wir annehmen können, daß die Gegend östlich von dem heutigen Söke schon in vormenschlicher Zeit auf solche Weise verlandet war, wissen wir, daß im 5. Jh. v. Chr. Myus aufhörte Seestadt zu sein und im 5. Jh. n. Chr. Milet, das heute schon 8 km von der Küste entfernt liegt. Auf ähnliche Weise muß die ursprüngliche Seestadt Priene bereits in der Frühzeit ihres Daseins den Boden unter den Füßen verloren haben, so gründlich, daß wir ihre Stätte gar nicht kennen. Das neue Priene, das wir hier beschreiben wollen, wurde von vornherein als Binnenstadt angelegt und verkehrte mit dem Meere nur über den kilometerweit entfernten Hafenort Naulochos (Abb. 2 u. 3). So hat der Mäander für Priene schicksalhafte Bedeutung gehabt, er erscheint daher auf zahlreichen Münzen als Wahrzeichen der Stadt, mit seinen Krümmungen stilisiert zu der Form, die wir heute noch als Mäander-Ornament bezeichnen (Abb. 5). Das Gebiet von Priene umfaßte seit alters die Ebene südlich von Söke, wo die hörig gewordene und nicht immer zuverlässige Urbevölkerung sich zum Nutzen der Bürger abmühte, dann aber auch nördlich der Berge das Panionion (das den ionischen Städten gemeinsame, bei dem heutigen Camli gelegene Heiligtum des Poseidon) und fruchtbare Landstriche ebenda, auf die allerdings auch Samos Anspruch erhob, was Anlaß zu jahrhundertelangem Zwiste gab (Abb. 6). Priene hat im Lauf seiner Geschichte nie eine politische Macht dargestellt; oft genug war es nur Streitobjekt der anderen. In älterer Zeit ist es mehrmals vernichtend zerstört worden, vorübergehend hat es überhaupt nicht bestanden. Das wenige, was wir von der Geschichte des alten Priene wissen, dreht sich meist um seinen berühmtesten Bürger, Bias, einen der »sieben Weisen«, der sich zu Anfang des 6. Jh. v. Chr. durch politische Klugheit auszeichnete (Abb. 7). Das einzige uns erhaltene Kunsterzeugnis der alten Stadt ist eine herrliche Elektron-Münze mit dem Kopfe der Athene, archaischen Stiles, um 500 v. Chr. geprägt (Abb. 28). In der klassischen Zeit selbst zahlt Priene als Mitglied des attischen Seebundes nur 1 Talent Beitrag und wird — nicht zuletzt auf Betreiben Athens — immer mehr von Milet abhängig. Das neue Priene (heute Güllübahge) ist um 350 v. Chr. gegründet worden, und zwar unter ausgesprochenem Einfluß von Athen, dem dies gerade in seine politischen Pläne paßte. Alle staatlichen Einrichtungen Prienes sind daher auffallend den attischen nachgebildet. Athen wird geradezu als die Mutterstadt bezeichnet, obwohl für die früheren Priener die Herkunft aus Böotien anerkannt war. Als Alexander im Jahre 334 v. Chr. die Perser am Granikos besiegt und damit die Griechenstädte befreit hatte, kam die Gnade des Königs in Priene haupt2
Abb. i. Kartenskizze von der Westküste Kleinasiens mit den Ortsnamen des klassischen Altertums sächlich dem Tempelbau zugute. Natürlich war die mit Stolz betonte Autonomie der folgenden Jahrhunderte innerhalb der großen Staatsgebilde nur eine scheinbare. Die Stadt pflegt zwar ein reiches innenpolitisches Leben, unterhält Beziehungen mannigfacher Art mit ihresgleichen, führt wohl auch eine Fehde mit dem Nachbarn, aber in allen wichtigen Fragen entscheidet über sie Gunst oder Mißgunst der Herrscher. Nur wenige Ereignisse verdienen in dieser Darstellung Erwähnung. 277 v. Chr. kamen plündernde Gallierhorden bis nach Priene, 3
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Abb. 2. Mündungsgebiet des Mäander im Altertum
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Abb. 3. Mündungsgebiet des Mäander (Menderes) in der Gegenwart
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Abb. 4. Mäanderebene undLatmos (Bejparmak-Gebirge) über den Markt hingesehen, im Frühjahr
Abb. 5. Schema der Mäanderdarstellung auf Münzen von Priene
Abb. 6. Münze hellenistischer Zeit von Priene, mit dem Dreizack des im Panionion verehrten Poseidon
Abb. 7. Münze hellenistischer Zeit von Priene, mit der Darstellung des Weisen Bias
Abb. 8. Ehrentafel für Sotas
verbrannten die Heiligtümer und verwüsteten die Fluren; in dem Abwehrkampf hatte sich Sotas hervorgetan, der dafür öffentlich belobt und mit einem ölkranz geschmückt wurde (Abb. 8). Schier endlos schleppten sich die Auseinandersetzungen mit Samos über das strittige Land weiter; die beiden Parteien verfaßten lange Berichte, die bis in die graue Vorzeit zurückgriffen, die Mächte fällten Entscheidungen für und wider. Schließlich, um 136 v. Chr., griff Rom ein und erledigte die Sache endgültig zugunsten von Priene; die Urkunden darüber wurden in die Pronaoswände des Athenatempels eingemeißelt. Kurz 7
Abb. 9. Silbermünze mit dem Bildnis des Prinzen Orophemes, gefunden in der Basis der Kultstatue des Athenatempels vorher war Priene unverdientermaßen in die große Politik hineingezogen worden. In Kappadokien, der innerkleinasiatischen Landschaft, die sich zwischen Taurosgebirge und Schwarzem Meere ausdehnt, wurde der Herrscher Ariarathes V. (162—130?) von seinem Halbbruder Orophemes (Abb. 9) um 158 v. Chr. vorübergehend verdrängt, der übrigens in Ionien, vielleicht gerade in Priene aufgewachsen war. Mit Hilfe Attalos' II. von Pergamon gelang es Ariarathes, den Orophemes wieder zu vertreiben. »Um diese Zeit, schreibt der zeitgenössische Historiker Polybios (XXXIII, 6), gerieten auch die Priener in ein unerwartetes Unglück. Sie hatten von Orophemes während seiner Regierungszeit 400 Talente (2 Mill. Mark) zur Aufbewahrung erhalten, die ihnen Ariarathes nunmehr abforderte. Die Priener aber erklärten, sie würden, solange Orophernes lebe, das Geld niemandem als dem, der es ihnen anvertraute, verabfolgen. Ariarathes war der Meinung, jene Summe gehöre zu seinem Krongut. Er ließ daher das Land der Priener ausplündern, wobei ihn Attalos . . . unterstützte. Nach den großen Verlusten an Leuten und Tieren, die sich bis in die Nähe der Stadt erstreckten, waren die Priener nicht mehr imstande, sich zu wehren, weswegen sie Gesandte nach Rhodos schickten und nachher zu den Römern ihre Zuflucht nahmen. Und die Priener, die große Hoffnungen auf das viele Geld gesetzt hatten, erlebten eine Enttäuschung. Denn dem Orophemes gaben sie die anvertraute Summe zurück, von dem Könige Ariarathes aber hatten sie deswegen unverdientermaßen Schaden zu erleiden.« Immerhin hat auch in diesem Falle der römische Senat zugunsten Prienes entschieden. Denn in ganz auffälliger Weise haben der Stadt damals und in den folgenden Jahrzehnten Mittel für bedeutende Bauten zur Verfügung gestanden: für Vollendung des großen Tempels nebst Kultbild und Altar, Umbau 8
des Theaters, Neubau eines Gymnasions und dreier das Stadtbild beherrschender Hallenbauten am Athenatempel, am Markt und am Stadion. Vielleicht hat auf Roms Geheiß Orophernes einen Teil der geretteten Summe stiften oder haben die gegnerischen Fürsten Schadenersatz zahlen müssen. Später, nach Einrichtung der römischen Provinz Asia, 133 v. Chr., hat Priene wie alle Griechenstädte unter der Habsucht der fremden Machthaber und unter den Mithradatischen Kriegen bitter zu leiden gehabt. Nur die Spenden vereinzelter reicher Bürger vermögen dem Staat über die schwersten Nöte hinwegzuhelfen. Erst die Herrschaft des Augustus schuf in Kleinasien wieder geordnete Verhältnisse, und die Stadt erhielt wohl Zuwendungen für Bauzwecke aus der kaiserlichen Schatulle, denn Tempel und Altar der Athena werden von dem dankbaren Volke nun auch dem Kult des Augustus geweiht. Aber der Ort, von dem die Küste immer weiter abrückt, hat nun jede eigene Bedeutung verloren. Die Inschriften, durch alle bisherigen Jahrhunderte lebensvolle Künder des politischen Lebens, verstummen fast gänzlich; die Münzprägung, bisher reich an künstlerisch ansprechenden, der Stadt eigentümlichen Typen, wird beziehungslos und von weniger als durchschnittlichem Wert. In der christlichen Zeit freilich hebt sich die Bedeutung Prienes wieder etwas dadurch, daß es Sitz eines Bischofs ist, aber natürlich hält es mit dem tausendjährigen Abstieg des oströmischen Reiches Schritt; in der Überflutung Westkleinasiens durch die Seldschuken im 13. Jh. endigt seine Geschichte. Sie hatte sich, wie wir sahen, fast immer nur abseits vom großen Weltgeschehen und in bescheidenen Formen abgespielt. So fehlt es schon für die frühere islamische Zeit an Funden oder gar Bauten.
II. DIE STADTANLAGE UND DIE AKROPOLIS
Die Einteilung des um 350 v. Chr. neugegründeten Priene (vgl. Plan) fällt durch ihre außerordentlich regelmäßige Rechteckigkeit auf; sie kennzeichnet sich ohne weiteres als eine künstliche, wohlüberlegte Schöpfung. Eine solche Planung findet sich bei vielen griechischen Städten, und sie galt später als die Erfindung eines Hippodamos von Milet; im Grunde ist sie jedoch nur das Ergebnis natürlichen Strebens nach Zweckmäßigkeit. Priene hat außerdem seine Orientierung genau nach den Haupthimmelsrichtungen erhalten; die Längsstraßen verlaufen ostwestlich, die Querstraßen nordsüdlich. Damit erfüllt sich eine hygienische Forderung des griechischen Städtebaues: die wichtigsten Wohnräume sowohl wie das Theater, die Säulenhallen und andere Stätten gemeinsamen Volkslebens konnte man genau nach Süden geöffnet bauen, so daß die Sonne im Winter den ganzen Tag über hineinschien, im Sommer aber hoch darüber hinwegging. Allerdings mußte Priene bei solcher Anlage die Nachteile in Kauf nehmen, die sich aus der unbeirrten Durchführung gerader Straßen über unebenes Gelände ergaben; wurden doch die Querstraßen oft zu Treppen (Abb. 15), so daß sich ein Wagenverkehr in ihnen verbot. Trotzdem bot der für die Stadt gewählte Platz unschätzbare Vorteile: einen Burgfelsen (Abb. 13), von dem aus man Land und Meer weithin übersehen konnte, und der dann noch uneinnehmbar blieb, wenn unten die Stadt bereits erobert war, und eine besonders gute Wasserversorgung. Die stets langgestreckten Häuserblöcke messen 160 X 120 Fuß (47,2,0 X 35,40 m), die Straßen ungefähr 10 Ellen (4,44 m), oft auch weniger; die Breite der Hauptstraße beträgt 25 Fuß (7,36 m). Die wichtigsten öffentlichen Gebäude nehmen, soweit sie von Anfang an im Plan vorgesehen waren, genau einen ganzen oder mehrere ganze Häuserblöcke ein. Sonst teilen sich diese gewöhnlich in vier Privathäuser. Die mittleren vier Längsstraßen haben von den Ausgräbern bezeichnende Namen erhalten, die sich in der archäologischen Wissenschaft eingebürgert haben: die am Theater südlich vorbeiführende heißt T h e a t e r s t r a ß e ; die auf den Athenatempel zulaufende A t h e n a s t r a ß e , - die zwischen Markt und Nordhalle durchgehende W e s t t o r s t r a ß e , weil sie im Westen durch ein Tor ins Freie
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Abb. 17. Stadtmauervorsprung
führt; die die Südhalle des Marktes treffende heißt Q u e l l e n t o r s t r a ß e , weil sie im Osten an einem Tor beginnt, zu dessen Füßen in der Ebene eine Quelle entspringt. Dieses Tor ist durch einen mächtigen, fast völlig aufrecht stehenden Mauerturm geschützt (Abb. 16), an dessen Westseite eine Nische für eine jetzt verlorengegangene Reliefplatte und darüber folgende, jedem Besucher auffallende Inschrift zu sehen ist: ' Y T T V C O Ö S I S OiXios KuTtpios yevos e^aAantvo; uiös 'ApiCTTCövo? NaoAoxov E!5EV övap ©Eunocpöpous T E äyvcts TTOTVl'aS EU 9&pEai X E O K O T ? " Ö Y S C N S ' E V TpiaaaT; f|pcoa T Ö V S E CREßSIV fjvcoyov TTÖAEICOS v E V E K A iSpuasv T Ö V 5 E 0 E I Ö V i?uos. 1
Dem Sinne nach heißt das: »Philios (ein fremder Kaufmann?) aus Salamis auf Kypros sah im Traume (den Hafenort von Priene) Naulochos und die heiligen gesetzbringenden Göttinnen (Demeter und Kore) in weißen Gewändern.
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Abb. 18. Stadtmauer, Treppe zum Wehrgang
Abb. 19. Stadtmauer von innen ( Wiederherstellung
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In drei Traumgesichten befahlen sie, diesen (auf dem Relief dargestellten) Heroen als Wächter der Stadt zu verehren, und zeigten den Platz an ; so ließ denn Philios den Göttlichen (hier) darstellen«. Wer dieser Heros gewesen ist, vermögen wir nicht zu sagen. Die merkwürdige und keineswegs voll verständliche Inschrift hat für die Priene-Forschung noch den besonderen Wert, daß sie sich durch ihre Schriftformen und ihre Rechtschreibung nach der Mitte des 4. Jh. v. Chr. datieren läßt und damit ein mindestens ebenso hohes Alter des Mauerringes beweist, der somit gleichzeitig mit der Stadtgründung geschaffen worden ist. Das Haupttor war das sogenannte Osttor, etwas nördlich von dem Ende der Theaterstraße; es war, wie auch die anderen Tore, durch einen Keilsteinbogen überwölbt und war von außen her durch eine lange gepflasterte und abgestützte Rampe zugänglich; innerhalb zogen sich auf beiden Seiten des Weges zwei halbmondförmige Mauern entlang, die einen inneren Hof, eine Falle, in die der Feind geraten konnte, bildeten. Die Stadtmauer selbst steht fast überall mehr oder weniger vollständig aufrecht; sie verläuft meist mit sägezahnähnlichen Aussprüngen, die es ermöglichen, von den kurzen Strecken aus die langen durch Pfeilschüsse zu bestreichen (Abb. 17). Sie besteht aus einem Kern von Bruchsteinen und Lehm und aus Quaderwänden, die in Läufer- und Binderschichten aufgeführt sind; sie war etwa 6 m hoch und zeigte meist 1 2 normale Steinlagen mit einer Deckplatte darüber. Oben verlief der Wehrgang, nach außen durch eine von Schießscharten durchbrochene Brüstung geschützt, von innen her durch Treppen zugänglich (Abb. 18 u. 19). Die Türme, deren es nur wenige gab (Abb. 19), waren nach den Vorschriften des griechischen Festungsbaues stets so errichtet, daß sie nicht in die Mauern einbinden, damit sie diese im Falle des Zusammensturzes nicht mitreißen. Sie sind zweistöckig und enthalten mitunter Kammern für das Wachtkommando. Dieses hatte seinen ständigen Posten oben auf der Akropolis, die der Vogt, alle vier Monate vom Volk neu gewählt, während der Amtszeit nicht verlassen durfte. Eine nicht ungefährliche Felsen treppe (Abb. 20), die der Besucher auch heute noch benutzen kann, wenn er es nicht vorzieht, den Umweg über das Mühlental zu machen, führt zur Akropolis empor; kurz vor dem Ziele ist durch künstliche Glättung ein Platz von 5 x 1 2 m für ein kleines Heiligtum geschaffen worden (Abb. 21). Gleich rechts von der heraufführenden Treppe sieht man in flachem Relief eine Herme, ferner Einbettungen für Statuen,- nach Westen zu Nischen für Weihreliefs, in einer der Nischen noch eine umrahmte Büste. Oben fällt der stets von Adlern umkreiste Felsen an vielen Stellen so steil ab, daß auf eine Randmauer verzichtet werden konnte. In byzantinischer Zeit erfolgte der Ausbau der Befestigung hier durch eine Bastion, die spitzwinklig nach Norden vorspringt und in einem Rundturm endet. Die Anlage trägt den veränderten Verhältnissen von Angriff und Verteidigung in dieser Epoche Rechnung. 21
Abb. 11. Eintritt der Wasserleitung in die Stadtmauer
III. DIE WASSERLEITUNG Der östlich von Priene vorbeifließende Bach, der jetzt im malerischen Gebirgstal zahlreiche Wassermühlen treibt, war im Altertum in die Stadt abgeleitet worden und floß zunächst in Tonröhren, die in einem mit Marmorplatten bedeckten Felskanal lagen. Die Leitung trat dicht unterhalb des Steilabfalls des Burgfelsens durch die östliche Mauer in das Stadtgebiet ein (Abb. 22). Die wichtige Stelle erhielt 100 m unterhalb einen wirksamen Schutz durch ein weithin beherrschendes Kastell (Abb. 23). Dicht bei diesem ist innerhalb der Mauer eine Kläranlage aus drei Wasserbehältern erhalten, die aus Bruchsteinen mit Mörtel gebaut sind und erst aus byzantinischer Zeit stammen (Abb. 24). Daß die Anlage ursprünglich hellenistisch ist, beweisen die schönen Bossenquadern, die den Umfassungsgraben abstützen. Das ununterbrochen strömende Wasser verteilte sich über die ganze Stadt, gelangte in die Seitenstraßen und Wohnhäuser und floß auch aus öffentlichen Brunnenanlagen, deren mehrere erhalten sind. Das anschaulichste Bild bot ein Straßenbrunnen an einer Verengung der Westtorstraße (Abb. 25) aus guter hellenistischer Zeit, neuerdings leider fast ganz zerstört. Das Wasser ergoß sich durch einen Löwenkopf aus einer halbhohen Balustrade, die zwischen zwei rosettengeschmückten Pfeilern stand, und fiel in ein einst darunter angebrachtes Becken. Die Abwässerkanäle, am besten in der Westtorstraße (Abb. 26) erhalten, waren einfache Rinnsteine, zum großen Teile offen, streckenweise auch mit Platten abgedeckt. 22
Abb. 23. Östliche Stadtmauer. Links das Kastell zum Schutze der Wasserleitung
Abb. 24. Kläranlage der Wasserleitung, geschützt von einem starken Kastell
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Abb. 25. Brunnen an der Westtorstraße, jetzt zerstört
Abb. 26. Herabgestürzte Säulentrommeln des Athenatempels ; Westtorstraße mit Abwasserkanal
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IV. DAS ATHENAHEILIGTUM
Athena Polias war schon von jeher die Hauptgöttin der Stadt gewesen; ihr behelmter Kopf schmückte bereits im alten Priene die Münzen (Abb. 28), um so mehr im neuen, als man geflissentlich athenische Art nachahmte (Abb. 29 u. 30). Für Athena wurde daher das weitaus stattlichste Heiligtum errichtet (Abb. 27 u. 31). Der Athenatempel von Priene ist eines der berühmtesten Bauwerke der Kunstgeschichte. Er galt schon im Altertum als das klassische Vorbild des ionischen Stils; sein Architekt Pytheos, von dem auch das Maussoleion von Halikarnassos, eines der »sieben Weltwunder«, gebaut war, hatte den Tempel als Musterbeispiel für die damaligen künstlerischen Anforderungen in einer Schrift hingestellt, die noch bis in römische Zeit hinein als Lehrbuch benutzt wurde. Daher kommt jeder Einzelheit dieses Bauwerkes erhöhte Bedeutung zu, zumal von den ionischen Stilelementen, die seitdem — gleichviel wann und wo — Verwendung gefunden haben, die meisten ihren Stammbaum auf den Tempel von Priene zurückführen können. Wie jedes Heiligtum einer griechischen Tagesgottheit, ist der Tempel nach Osten geöffnet. Der Mittelraum, die Cella, in der sich das Kultbild (Abb. 43) befindet, ist das eigentliche Gotteshaus. Dadurch, daß die Cella-Längswände über die Querwände hinaus verlängert sind, entstehen vor und hinter der Cella hallenartige Räume; sie öffnen sich nach außen mit einem Säulenpaar, das zwischen die Anten (die Verknüpfungen der vorspringenden Wände) gestellt ist. Der Raum im Osten (Pronaos) ist quadratisch, der im Westen (Opisthodomos) ist weniger tief. Der Opisthodom stand mit der Cella nicht in Verbindung; vom Pronaos dagegen vermittelte den Zugang zur Cella eine gewaltige Tür. Der Tempel war seinem Grundriß nach ein Peripteros, d. h. das Haus war allseitig mit Säulen umgeben, so daß 1 1 auf den Langseiten, 6 auf den Schmalseiten standen. Dieser Säulenkranz bestimmte das äußere Aussehen des Tempels (Abb. 10 u. 12). Die Maße des Tempels — dies gehört zu den künstlerischen Grundsätzen jener Zeit — stehen zueinander in einfachem und klarem Verhältnis. Zugrunde liegt als Maßeinheit der attische Fuß von 0,294 m. Dementsprechend mißt das
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Abb. 28. Elektronmünze von Priene: Kopf der Athena, u m 500 v. Chr.
Abb. 29. Kupfermünze von Priene: Kopf der Athena, u m 350 v. Chr.
Abb. 30. Silbermünze von Priene: Kopf der Athena, u m 250 v. Chr.
ganze Tempelhaus 100 Fuß, der Cellaraum 50 Fuß, der Vorraum 30 Fuß; die Höhe des Tempels betrug an der Langseite 50 Fuß, wovon 43 Fuß auf die Säule und 7 auf das Gebälk entfielen; die Säule war genau iomal so hoch wie ihr unterer Durchmesser usw. Das Baumaterial ist der im Mykalegebirge vorkommende großkörnige, vielfach blau und grau getönte Marmor. Wie an allen antiken Bauwerken, waren die Ornamente in bunten Farben bemalt; Rot und Blau herrschten vor. Wenden wir uns den Einzelheiten des Aufbaus zu (Abb. 32—36), so finden wir den Tempel ringsum von drei Marmorstufen umgeben. Die Säulen stan-
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Abb. 31. Athenaheiligtum, von der Burg gesehen, links Altar, rechts Tempel
den auf einer quadratischen Platte (Plinthe), ihr eigentlicher Fuß (Basis) ist waagerecht gegliedert und besteht aus einer zweimal tief ausgekehlten und einer flach gefurchten Scheibe (Trochilus bzw. Torus). Der Schaft der Säule ist senkrecht mit 24 Rillen (Kanneluren) gefurcht, die durch schmale Stege voneinander getrennt sind. Der Säulenkopf (Kapitell) zeigt zuunterst eine Perlenkette (Astragalos), dann einen Eierstab (ionisches Kyma), und darüber legt sich die Doppelschnecke (Volute). Eine niedrige Platte (Abakus), mit einer Blattwelle (einem lesbischen Kyma) verziert, schließt das Kapitell oben ab. Das Gebälk (Abb. 35) besteht aus dem dreimal leicht abgestuften Architrav (Epistylion), der von einem Eierstab bekrönt ist, aus dem Zahnschnitt, der noch die Form der vortretenden Balkenköpfe von Holzbauwerken wiederholt und den ebenfalls ein Eierstab abschließt, aus dem kräftig vorkragenden Kranzgesims (Geison) und aus der mit Blumenornamenten geschmückten Rinnleiste (Sima); diese ist an den Langseiten zum Abfluß des Regenwassers mit durchbohrten Löwenköpfen besetzt, was sich an den Schmalseiten, wo durch die Dachschräge die Giebelfelder entstehen, erübrigt. Die Umgänge zwischen Säulenkranz und Hauswand überdacht eine reich ornamentierte Kassettendecke (Abb. 36) von ansehnlicher Tiefe, die durch das Vorkragen mehrerer übereinanderliegender Steinschichten zustandekommt. Die rechteckigen Kapitelle der Anten trugen an den Seitenflächen Rankenverzierung, an der Vorderseite Kymatien und Palmetten (Abb. 37). Die Wandflächen blieben ungeschmückt; überhaupt fehlte dem Tempel, dessen Baumeister lediglich die Reinheit der architektonischen Formen und Maße wirken lassen wollte, jegliches Bildwerk; alleinige Ausnahme war die Statue der Göttin selbst. 2,8
Abb. 33. Nordostecke des Athenatempels und Altar
Aus Mitteilungen alter Schriftsteller, aus Inschriften und Münzfunden, endlich auch aus dem Stil der Bauformen vermögen wir die Geschichte dieses einzigartigen Bauwerkes abzulesen. Kurz nach der Neugründung der Stadt, um 350 v. Chr., zu einer Zeit, als das Kunstschaffen der Griechen noch gleichmäßig fortwandelte auf der vor 100 Jahren erreichten Höhe, wird auch die Errichtung des Tempels beschlossen und begonnen sein. Doch das für eine Kleinstadt zu kostspielige Marmorwerk wurde nicht von heute auf morgen vollendet. Als Alexander der Große im Jahre 334 v. Chr. die Schlacht am Granikos und damit den Zugang zu Ionien gewonnen hatte, erwies er der Stadt mancherlei Wohltaten und übernahm es, der Göttin den Tempel zu weihen, d. h. die Baukosten zu tragen. Er ließ in dem wundervollen Buchstabenstil der damaligen Zeit die Worte: »König Alexandras hat den Tempel der Athena Polias geweiht« auf den obersten Quaderstein der südlichen Ante einmeißeln (Abb. 41). Bis zur Ante hinauf war also der Bau damals bereits gediehen, und so zeigt auch das Antenkapitell die Ornamentformen des 4. Jh. Gleichzeitig oder wenig später sind auch der Ostgiebel und vielleicht sogar die ganze östliche Tempelhälfte
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Abb. 36. Gebälk des Athenatempels, Bildung der Kassettendecke
fertig gewesen. Von nun an bis an das Ende des 2. Jh. v. Chr. sind die Anten und die Wände des Pronaos mehr und mehr mit wichtigen Urkunden beschrieben worden, mit Erlassen von Königen (Abb. 42) und den Schiedssprüchen der Rhodier und der Römer in dem leidigen Streit um das Fruchtland nördlich der Mykale. Aber die hintere Hälfte des Tempels hat sich wohl 200 Jahre lang in höchst unfertigem Zustande befunden. Alles, was hier von hochgelegenen Teilen erhalten ist, gehört frühestens in die Mitte des 2. Jh. v. Chr., d. h. in die gleiche Zeit, in der das Bauwerk des Pytheos zwei wesentliche Ergänzungen erhielt, das Kultbild und den Altar; in welcher Form beide schon früher vorhanden gewesen, wissen wir nicht. Das neue Kultbild war eine Stiftung des Prinzen Orophernes, denn in der Basis, in eigens dazu neugerichteten Aushöhlungen niedergelegt, fanden sich Münzen dieses Fürsten, die einzigen, die er überhaupt hat schlagen lassen (Abb. 9). Wie die neue Statue aussah, lehren uns prienische Münzen der römischen Kaiserzeit (Abb. 43): sie 33
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Abb. 37. Antenkapitell des Athenatempels (Gips-Abguß). London, British M u s e u m
Abb. 38. Palmettenfries der Kassette von der Ostseite des Athenatempels
Abb. 39 Traufsima von der Ostseite des Athenatempels
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Abb. 40. Giebelsima am südöstlichen Eckblock des Athenatempels
Abb. 41. Weihinschrift Alexanders des Großen auf der Ante des Tempels, 334 v. Chr. London, British Museum
Abb. 42
Ehreninschrift für König Lysimachos auf der Antenwand des Tempels, um 2,86 v. Chr. London, British Museum
Abb. 43. Münze römischer Zeit von Priene, mit Wiedergabe des Kultbildes der Athena 35
Abb. 44. Reste des Altars der Athena
—r Abb. 45. Wiederherstellung des Altars der Athena w a r eine N a c h a h m u n g des v o n Pheidias gefertigten Goldelfenbeinbildes der A t h e n a Parthenos. D i e Göttin stand in H e l m und Aegis, mit Schild und Lanze ruhig da und hielt auf der rechten vorgestreckten, durch eine Säule unterstützten H a n d eine kleine Siegesgöttin. D i e Gestalt w a r etwa 6V2 m hoch u n d maß somit ein Drittel ihres athenischen Vorbildes. Auch hier bestand w o h l der gewandete Körper aus Holz, das mit Goldblech überzogen w a r , und n u r die nackten Teile w a r e n aus w e i ß e m Marmor. Einige geringfügige Reste hat die englische Ausgrabung zu Tage gefördert: aus M a r m o r den Vorderteil des linken Fußes sowie Stücke der linken Hand und des linken Armes, aus vergoldeter Bronze die Flügel der N i k e . Der Altar (Abb. 44 u. 45) w a r vor der Ostfront des Tempels gelegen. W i e an seinem berühmten pergamenischen Vorbild, w a r seine Opferstelle durch eine Treppe zugänglich und hufeisenförmig v o n Säulenhallen u n d reichlichem
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Abb. 46. und 47. Göttin und Gigant, vom Sockel des Altars der Athena? Istanbul, Archäologisches Museum
Skulpturenschmuck umgeben. In den Sockel waren quadratische Felder mit Darstellungen des Kampfes der Götter gegen die Giganten eingelassen (Abb. 46 u. 47) und oben zwischen den Säulen standen auf Postamenten langgewandete Frauengestalten (Abb. 48). Zugleich mit dem Altarbau wurde auch die Pflasterung des Tempelplatzes durchgeführt. In die gleiche oder in wenig spätere Zeit gehört ferner die Errichtung einer Säulenhalle dorischen Stiles auf der südlichen, durch die große Stützmauer geschaffenen Terrasse. A n ihrer weithin sichtbaren Stelle veränderte sie das bisherige Stadtbild sehr und beeinträchtigte vor allem den Anblick des Tempels. Sie war nach Süden zu offen, bot also ihren Besuchern herrliche Aussicht auf Stadt und Land, wandte aber dem Tempel die kahle Rückwand zu. Es herrschte also damals im Athenaheiligtum eine Bautätigkeit, die der anfänglichen an Umfang zum mindesten gleichkam, und alles drängt zu der Annahme, daß Orophernes, vielleicht nicht ganz freiwillig, einen Teil des Schatzes, den die Priener ihm gerettet hatten, für Bauzwecke aufgewendet hat (oben S. 8). 37
Abb. 48. Frauenfigur vom Altar der Athena. Berlin, Pergamon-Museum 38
Abb. 49. Reste des Eingangstores zum Heiligtum der Athena Zur Zeit des Augustus wurden sowohl am Tempel wie am Altar Inschriften auf den Architrav gesetzt, denen zufolge das Heiligtum neben der Athena nun auch dem Kaiser geweiht war. Erst damals entstand ein Eingangstor im Osten des Bezirkes (Abb. 49); die drei Stufen, die aus dem Pronaos zur Cellatür hinaufführten, wurden als Stiftung eines Römers erneuert. Z u jener Zeit geschah es wohl auch, daß der Opisthodom durch dünne Marmorwände zu einem verschließbaren Raum umgewandelt wurde (Abb. 51), und daß dort einige Gebälkstücke sehr minderwertiger Arbeit eingefügt wurden. Als das Christentum in Priene einzog, verzichtete man darauf, den Tempel in eine Kirche umzuwandeln; später scheint er einem großen Brande zum Opfer gefallen zu sein. Ein furchtbares Erdbeben warf im frühen Mittelalter die Ruine mit solcher Gewalt nieder, daß viele Säulentrommeln abwärts in die Stadt (Abb. 26), ja, bis in die Mäanderebene rollten. Im Jahre 1765 fanden die englischen Forscher Chandler und Revett, die im Auftrage der Society of Dilettanti Kleinasien bereisten, einen hochaufgetürmten Berg von Trümmern (Abb. 50) vor ; eine neue englische Expedition unter Gell hat 1 8 1 2 etwas ausgegraben und den Tempelplan feststellen können. Noch im Jahre 1850 schreibt der deutsche Archäologe Ludwig Roß »auf der terrassenförmigen Fläche liegen die Ruinen des berühmten Tempels der Athena in solcher Vollständigkeit, daß es ein Leichtes sein würde, ihn wieder aufzurichten«. Eine dritte Expedition 39
der Dilettanti unter Pullan hat dann 1868/69 den Tempel wirklich freigelegt (Abb. 51 u. 52). Er fand den dreistufigen Unterbau wie den Plattenbelag der Ringhalle fast unversehrt, die Cellawände und die beiden Säulen des Opisthodoms noch über mannshoch aufrecht stehend. Doch schon 1873 mußten die französischen Forscher Rayet und Thomas feststellen, daß die Dorfleute infolge der Auffindung der Silbermünzen des Orophernes aus Gier nach ähnlichen Schätzen den Tempel auf das Traurigste verwüstet hatten. Erst die deutsche Ausgrabung 1895—98 hat den heutigen Zustand der Tempelruine hergestellt (Abb. 53), und seitdem konnten dank einer sorgfältigen Bewachung, die jetzt vom türkischen Antikendienst durchgeführt wird, weitere Plünderungen vermieden werden. Wer heute den Tempel vom Markt her besucht, der sieht schon von weitem die gewaltige Stützmauer des Heiligtums (Abb. 54); besonders schön ist die östliche Mauer (Abb. 5 5) gebildet, ein Musterbeispiel des in Priene so häufigen Rusticastils: die Quadern sind leicht nach außen gewölbt, an der Oberfläche gerauht, nur an den Rändern geglättet. Zwischen je drei oder vier gewöhnlichen Quaderschichten ist eine schmalere Lage eingeschoben, die sich noch stärker herauswölbt und etwas vorspringt. A n dieser Mauer entlang steigt man auf steiler Treppe, die teils aus Marmorstufen hergestellt, teils aus dem Felsen geschnitten ist, empor. Der noch acht Quaderschichten hoch aufragende, weithin sichtbare Mauerrest ist ein Teil der Wand des Eingangstores (Abb. 49), das außen ein Kranz von sechs Stufen umgibt. Sonst ist an Ort und Stelle nichts mehr von dem Tor erhalten; indessen lassen die Fundamente seine einstige Ausdehnung erkennen, und die Form seines Aufbaues — innen und außen je vier ionische Säulen mit Giebel darüber — ergibt sich aus den außerhalb herumliegenden Werkstücken und aus Aufnahmen früherer Forscher. Nach Durchschreiten des Tores bemerkt man vorn halb rechts den jetzt unförmigen, aus großen Blöcken zusammengefügten Fundamentklotz des Altars (Abb. 44); seine spärlich erhaltenen Architekturreste liegen vor seiner Ostseite. In gleicher Flucht mit dem Altar beginnt das Pflaster des Tempelplatzes; man sieht jetzt teils die schönen regelmäßigen Marmorplatten, teils da, wo diese verschwunden sind, das unregelmäßige aber sorgfältig verlegte und verklammerte Fundament. Der Platz ist jetzt meist mit den von der Ostfront stammenden Werkstücken des Tempels bedeckt, es sind überwiegend Säulentrommeln, Architrave und Kassettenblöcke. Auf einigen der Architrave erkennt man die großen Buchstaben der Weihinschrift des Kaisers Augustus. Bei Betrachtung des Tempels selbst muß man sich gegenwärtig halten, daß nur die glatten Steinoberflächen sichtbar sein sollten, während die mit Dübeln und Klammerlöchern versehenen von anderen jetzt verschwundenen Steinen bedeckt waren (Abb. 53). So wird man, zumal mit Hilfe des Planes (Abb. 2,7), rasch verstehen, wo der äußere Säulenkranz, die Wände, die Anten und die 41
Abb. 53. Pronaos des Athenatempels, heutiger Zustand
Säulenpaare zwischen ihnen gestanden haben. Im Pronaos haben die englischen Ausgräber noch Postamente für Weihgeschenke gesehen, die heute verschwunden sind. Z u ihnen mag der schöne Kopf einer Frauenstatue des ausgehenden 4. Jh. gehören (Abb. 56). Die Wand des Vorraumes steht zum Teil noch in zwei Schichten (einer liegenden und einer stehenden) aufrecht. Auch die unter Augustus erneuerte dreistufige Treppe (Abb. 52), mit der man die große Tür zu dem höher liegenden Hauptraum erreichte, ist erst in unserer Zeit zerstört worden. Die Türschwelle besteht aus einem einzigen gewaltigen Marmorblock, der noch die runden Einbettungen für die Türangeln zeigt. Auf dem anschließenden Marmorpflaster des Innenraumes sind noch die für die Rollen der Türflügel eingemeißelten Bahnen erhalten. Sonst sind von dem Pflaster nur noch Bruchstücke vorhanden. Es scheint erst gleichzeitig mit dem Kultbild entstanden zu sein, von dessen Basis das große Fundament aus bräunlichen Brecciaquadern erhalten ist. Im Opisthodom findet man die Plinthe der nördlichen Antenbasis; das an sie anstoßende Wandstück steht noch aufrecht und ist entsprechend dem Profil der jetzt fehlenden Ante ausgearbeitet. Zwischen dieser Ante und der nördlich von ihr liegenden Säule liegt eine Schwelle, auf der, wie die Aufschnürung lehrt, die Marmorwände aufgelegen haben, mit denen der Raum zugebaut war. Von der zugehörigen Tür sieht man zwei 44
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Abb. 56. Frauenkopf, gefunden im Athenatempel. London, British Museum Stücke der Gewände, die hinten entsprechend der Rundung der Säule und dem Profil der Basis ausgehöhlt sind. Der qualitative und stilistische Abstand aller Ornamente der westlichen Tempelseite von denen der östlichen ist an den herumliegenden Stücken ohne weiteres greifbar und hat dazu geführt, sie zeitlich voneinander zu trennen. Von der langen Halle, die an der Südseite des Heiligtums entlanglief, ist noch das Fundament der Rückwand, aus unregelmäßigen Steinen sorgfältig gefügt, zu sehen und davor die aus großen quadratischen Blöcken bestehende Grundmauer der Säulenreihe. Von dem Gebälk der Halle liegen viele Stücke unten am Fuß der südlichen Stützmauer (Abb. 54); es zeigt dorischen Stil späthellenistischer Zeit. Die Hallenwand geht über mehrere große Statuenbasen hinweg; diese stammen also aus früherer Zeit und hatten ihre Bedeutung bereits verloren; so mag ein besonders stattliches das Bronzebild des Königs Ly46
simachos mit seinem Wappentier, dem Löwen, getragen haben, das die Priener um das Jahr 286 v. Chr. aufstellten. Nördlich vom Altar erweitert sich das Heiligtum um einen rechteckigen Platz, auf dem ebenfalls Ehrenstatuen, Weihgeschenke usw. aufgestellt waren. Das stattlichste Werk war ein kleiner Tempel, von dem der Unterbau noch ganz erhalten ist; über seine sonstige Gestaltung und seine Bestimmung wissen wir nichts Sicheres. Vielleicht war es auch nur ein Schatzhaus. Reste eines länglichen, quer zum Tempel liegenden Gebäudes haben sich auch vor der Westseite gefunden (Abb. 27).
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V. DER MARKTPLATZ
Der Marktplatz (Abb. 57) liegt im Z e n t r u m der Stadt und bedeckt in seiner ursprünglichen A n l a g e genau zwei Häuserviertel. W i e alle älteren griechischen Marktanlagen wird er zunächst nur an drei Seiten durch Säulenhallen eingefaßt, hinter denen sich K a m m e r n — vermutlich Kaufläden — aneinanderreihen. A n der o f f e n e n Nordseite f ü h r t die große Hauptstraße, die Westtorstraße, vorbei, aber auch sonst bleibt der Grundgedanke des Stadtplanes lebendig, da die Wandelgänge der Hallen genau in der Flucht der Straßen liegen. Erhalten sind überall mindestens die Fundamente,- aufrecht stehen mehrere K a m m e r n an der Westseite und eine Reihe Säulenstümpfe an der Ostseite. Die südliche Halle (Abb. 58) ist in ihrem mittleren Teile durch Fortlassen der Kammern zu einem Saal erweitert worden, der der Länge nach durch eine innere Säulenreihe geteilt ist. U m diesen Saal gegen die kalten N o r d w i n d e zu schützen, sind die vorderen Säulen durch halbhohe Schutzwände verbunden. V o n dieser Einrichtung stammen die dort noch liegenden, a u f f ä l l i g geschnittenen Säulentrommeln mit angearbeitetem Wandstück. A n der Südostecke des Marktes fällt das Gelände steil ab; daher w a r e n die K a m m e r n dort zweistöckig, und w a s erhalten ist, sind nur die kellerartigen Untergeschosse,- eine Treppe f ü h r t aus der Quellentorstraße hinauf in den zweischifflgen Saal (Abb. 59 u. 60). Im L a u f e der hellenistischen Z e i t hat der M a r k t sein Aussehen verändert. Schon bald nach der ersten Anlage wurde an seiner Ostseite das Heiligtum des Olympischen Z e u s (unten S. 58 ff.) errichtet. Sehr viel umfangreicher aber w a r die Vergrößerung, die der M a r k t durch einen Hallenbau jenseits der Westtorstraße erhielt. Bereits i m 3. Jh. hat eine solche Halle bestanden, aber im Z u s a m m e n h a n g mit der lebhaften Bautätigkeit des 1. Jh. wurde sie völlig n e u gebaut und erstreckte sich n u n mit über 1 1 6 m Länge auch auf das östlich anschließende Viertel, so daß sie sich vor das Bouleuterion und Prytaneion legte. Ein Rest der Weihinschrift (Abb. 61) läßt sich auf Orophernes oder wahrscheinlicher auf Ariarathes VI. deuten, und daraus ergibt sich die Entstehungszeit u m 1 5 0 v. Chr., eher aber gegen 1 3 0 v. Chr. D i e Anlage besteht aus einer Freitreppe v o n 6 Stufen, einer breiten offenen Wandelbahn und der eigentlichen Halle, 49
Abb. 58. Die Südhalle des Marktes die zweischiffig war (Abb. 62): außen standen 49 dorische Säulen mit entsprechendem Gebälk (Abb. 63), innen 24 ionische Säulen, dem Wesen dieser Stilart gemäß höher, schlanker und in weiteren Abständen gestellt (Abb. 64 u. 65); die Kanneluren waren nach späthellenistischer Art im unteren Drittel nicht ausgeführt. Die Säulen trugen ein Satteldach aus Holz. Dementsprechend saß auch über den kurzen Wänden, die die Halle im Osten und Westen abschlössen, ein dreieckiges Giebelfeld, das außen mit einem schlichten Rundschild geschmückt war. Diese Schmalwände waren innen über und über mit Inschriften, und zwar mit langatmigen Ehrendekreten bedeckt. Die Westwand allein war mit fast 1400 Zeilen beschrieben. Wie für die frühere Zeit das Heiligtum der Athena, so ist von etwa 130—50 v. Chr. die Nordhalle das Ehrenarchiv der Stadt. Die Geschwätzigkeit dieser bei vielerlei Einzelheiten verweilenden Beschlüsse ist für uns eine Quelle reichster Belehrung über das damalige Leben einer kleinen griechischen Stadt zu einer Zeit schwersten politischen Druckes. A n die Rückwand der Nordhalle lehnen sich 15 Zimmer an, die meist mit Türen versehen waren; nur drei, und zwar von Westen gerechnet die zweite, neunte und letzte öffneten sich fast in ihrer ganzen Breite zur Halle hin. In
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Abb. 61. Rest von der Weihinschrift der Heiligen Halle
ihnen sind die Wände, die sonst aus verputzten Bruchsteinen bestehen, bis hoch hinauf aus Marmorquadern; leider sind gerade diese Teile ganz neuerdings von mutwilliger Hand zerstört worden. In dem neunten Raum zogen sich an den Wänden Bänke hin, deren marmorne Träger noch zu sehen sind, und auf die Eingangspforten, von denen ein zierliches Kapitell noch dort liegt,
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Abb. 63. Außengebälk von der Heiligen Halle. Berlin, Pergamon-Museum
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Abb. 64. Innenansicht der Heiligen Halle, Wiederherstellung
Abb. 65. Innensäulen der Heiligen Halle, heutiger Zustand
Abb. 66. Das Markttor
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Abb. 67. Verkaufstische am Lebensmittelmarkt waren höchst wichtige Verordnungen römischer Statthalter eingemeißelt; eine davon betrifft die Einführung des julianischen Kalenders in der Provinz Asia etwa um das Jahr 9 v. Chr. Der Raum war vermutlich für den Kult der Göttin Roma, dem sich später der des Augustus zugesellte, eingerichtet, und so ist es zu verstehen, daß die Nordhalle nach dem mithradatischen Kriege in den Inschriften als »Heilige Halle« bezeichnet wird. In ihr wurden auch gelegentlich die Bürger von ihrem neugewählten Stephanephoros feierlich bewirtet. Da nun die Nordhalle nach Osten über den ursprünglichen Marktplatz hinaus-
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Abb. 68 und 69. Nordende der westlichen Halle des Marktes, heutiger Zustand und Wiederherstellung
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ragte, führte man auch die Osthalle im rechten Winkel umgebogen nach Osten weiter, und schließlich überwölbte man die Westtorstraße am Ostende der Nordhalle mit einem Tor, das freilich weder Tür noch Schwelle noch aufsteigende Wand hatte, sondern lediglich aus einem schmalen Keilsteinbogen bestand (Abb. 66). Damit war ein Teil der Hauptstraße zu einer platzartigen Erweiterung des Marktes geworden. Eine andere Vergrößerung stellte der Platz westlich der Westhalle dar; seine Bestimmung als Lebensmittelmarkt erschließt man aus den plumpen Verkaufsständen, die an seiner Nordseite noch aufrecht stehen (Abb. 67). Der Marktplatz selbst, seiner ursprünglichen Bestimmung nach ein freier Raum für Volksversammlungen, Feste und Handelsverkehr, weist in seiner Mitte Reste eines großen rechteckigen Baues auf; man deutet ihn als den Altar, auf welchem dem Hermes, als dem Schutzgott des Handels, geopfert wurde. Das gleich östlich davon gelegene Monument war vielleicht für einen der hellenistischen Könige errichtet worden. Die daneben sichtbaren 1 2 Steinplatten mit Pfostenlöchern dienten möglicherweise zum Aufstellen eines Zeltes für bevorzugte Festteilnehmer. Weitere Ehrendenkmäler stehen aufgereiht längs den Markthallen und beiderseits der Straße und haben im Laufe der Zeit den Platz beträchtlich eingeengt; zum größten Teil haben sie die Gestalt eines Sitzes für eine oder mehrere Personen, gerade, halbrund oder winkelförmig, wobei dann als Rückenlehne der Sockel des Bildwerkes diente (Abb. 68 u. 69). Diese jetzt durchweg verlorenen Bildwerke waren aus Bronze oder Marmor; sie stellten verdiente Männer dar, denen öffentliche Aufstellung des Bildnisses durch Volksbeschluß zuerkannt war. In älteren Zeiten war man mit solchen Auszeichnungen sparsam gewesen, später nahm man es weniger genau, und zu Beginn der Römerzeit bildete sich ein wahrer Unfug heraus; denn es kam vor, daß eine Person gleichzeitig mit vier Bildnissen, einem vergoldeten, einem ehernen, einem marmornen und einem gemalten geehrt wurde, und dies mehrmals hintereinander. Der Kunstwert solcher Massenproduktion wird freilich nicht sehr bedeutend gewesen sein.
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Abb. 70. Zeus auf einer Alexandermünze von Priene, um 200 v. Chr.
VI. DAS HEILIGTUM DES ZEUS OLYMPIOS
A m Markt gelegen, aber von ihm aus nicht zugänglich und auch nicht sichtbar, war das Heiligtum des Zeus Olympios, das man bisher dem Asklepios zusprach (Abb. 57, 7 1 , 72). Zeus ist in Priene nächst Athena die wichtigste Gottheit; er gilt in jedem griechischen Staatswesen als der Beschützer der bürgerlichen Ordnung und steht ihm wie ein König vor. Mit seinem Kult war das Amt des höchsten Würdenträgers, des Stephanephoros, nach dessen Namen das fahr bezeichnet wurde, auf das engste verbunden. Sein Hoheitszeichen, der Kranz, gehörte geradezu dem Zeus. Der Stephanephoros hatte überwiegend repräsentative Pflichten, vor allem hatte er die großen Staatsopfer zu vollziehen, was ihm natürlich beträchtliche Kosten verursachte, weil damit festliche Bewirtungen für die Bevölkerung verbunden waren. Z u m Schluß seiner Amtszeit mußte er dem Tempelschatz des Zeus noch eine wertvolle Schale stiften. Daher fand sich nicht immer ein Anwärter für dieses Ehrenamt, und oft mußte Zeus selbst, d. h. seine Schatzkammer und seine Einkünfte, mitunter auch einer der anderen Götter oder eine der Sippschaften, in die das Volk eingeteilt war, das Stephanephorat mit seinen Lasten auf sich nehmen. Man betrat das Heiligtum von Osten her, also aus der ansteigenden Straße, die am Markttor vorbeiführt. Einarbeitungen in den Felsboden beweisen das
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Abb. 72. Tempel des Zeus, Wiederherstellung
Abb. 73. Gebälkstücke des Zeustempels. Berlin, Pergamon-Museum
Abb. 74. V o m Giebel des Zeustempels
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einstige Vorhandensein eines Torbaus. Der Bezirk ist nicht völlig ausgegraben, sein NO-Teil ist noch von dem hoch aufrechtstehenden Kastell byzantinischer Zeit überbaut. Mit seiner Südmauer steht dieses Kastell über einem schönen O-W verlaufenden Fundament, das einst die Säulen einer Halle trug; sie war dorischen Stiles, Stücke von ihr liegen rings umher. Auch vor der Südseite des Bezirkes vermutet man eine Halle, doch sind deren Reste dürftig und unsicher. Das viereckige Fundament geradeaus gehört dem Altar an, von dem sonst nichts erhalten ist. Westlich davon liegt der Tempel selbst, von dessen Oberbau nur noch die unterste Stufe an der Ostseite an Ort und Stelle ist. Doch sind so viele Bauglieder vorhanden, daß die Wiederherstellung seines Aufbaues keine Schwierigkeiten bereitet (Abb. 72). Er war ein schlichtes Haus mit vorspringenden Anten; Säulen — vier an der Zahl — standen nur vorne. Die Ordnung war ionisch, und bis in die Einzelheiten hinein waren die Formen des Athenatempels nachgeahmt, besonders genau das Muster der Traufrinne (Abb. 73 u. 74). Doch ist nach Ausweis des Ornamentstiles das Bauwerk, wie ja bei seiner Kleinheit kaum anders denkbar, in einem Zuge fertig geworden, und zwar im Laufe des 3. Jh. v. Chr. Ein gewaltiger würfelförmiger Marmorblock, der 4—5 m südlich vor der SO-Ecke liegt, stellt wahrscheinlich die eine Hälfte der Kultbasis dar. Wegen ihrer Breite hätte man sich im Tempel zwei Göttergestalten nebeneinander stehend zu denken, also neben dem Zeus die Hera, die den Inschriften zufolge mit ihm zusammen Verehrung genoß.
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Abb. 75. Grundriß des Bouleuterions
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VII. DAS BOULEUTERION UND PRYTANEION
Das Bouleuterion (Abb. 75) liegt, vorzüglich erhalten, hinter dem östlichen Teil der Nordhalle; im Norden wird es durch die Athenastraße begrenzt, im Westen durch eine stark ansteigende Quergasse; die Außenwand ist hier aus besonders schönen Rusticaquadern aufgebaut. Der viereckige Bau umschließt theaterähnlich den Sitzungssaal des Rates (der ßouAii), der die oberste Verwaltungsbehörde darstellt. M a n zählt 640 Sitze. In der Mitte steht auf einem rechteckigen Platz ein kleiner Marmoraltar (Abb. 78); er ist mit Stierköpfen, die Lorbeerkränze tragen, und mit tellerartigen Schalen geschmückt, deren jede als Emblem eine Götterbüste enthält: Asklepios und Apollon, vielleicht auch Hermes und Herakles. Von dem Altarplatz aus steigen die Sitzreihen nach drei Seiten empor: 10 Reihen nach Osten und Westen, 16 Reihen nach Norden, weil hier der Raum entsprechend tiefer ist. Die Pfeiler, die die Holzdecke trugen, standen ursprünglich auf den obersten Stufen, doch war dadurch die Spannung mit 14V2 m ganz außerordentlich groß. U m sie zu vermindern, hat man in späterer Zeit die Pfeiler um 2 m nach innen geschoben und verstärkt; in dieser Form sehen wir sie jetzt noch aufrecht stehen. Uber die Sitzreihen verkehrte man auf vier Treppen. Nach Süden zu sind die Sitzreihen durch leicht einwärts gerichtete, schräg aufsteigende Mauerwangen, den Parodoswänden des Theaters vergleichbar, abgestützt, die sich unten durch viereckige Postamente verkröpften (die erhaltenen entstammen allerdings einer späteren Instandsetzung). Die Südwand des Gebäudes hatte zwei Türen und in der Mitte eine halbkreisförmige Bogenöffnung vor einer herausspringenden viereckigen Nische (Abb. 79 u. 80); von dem Bogen liegt noch ein Keilstein an seinem Platz. Drei Bänke sind hier für bevorzugte Personen, vielleicht die Ratsmitglieder, aufgestellt worden. Im übrigen dürften die Wände in ihrer oberen Hälfte Fenster enthalten haben. Eine Reliefplatte mit einem Kreuz, jetzt in der NW-Ecke des Sitzraumes liegend, gehörte zu einer frühchristlichen Kapelle, die über dem Bouleuterion errichtet war und bei der Ausgrabung abgebrochen wurde. Das eigentliche Amtslokal der Behörden, zugleich das repräsentative Stadthaus war das P r y t a n e i o n , in dem auf Staatskosten feierliche Bewirtung 63
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Abb. 76 und 77. Sitzungssaal des Bouleuterions
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Abb. 81. Grundriß des Prytaneions
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zu erfahren als besondere Ehrung durch Volksbeschluß verliehen werden konnte. M a n pflegt es in dem östlich anschließenden Gebäude, das leider nur in einem römischen Umbau erhalten ist, wiederzuerkennen,- dafür spricht seine Lage an hervorragender Stelle neben dem Volksversammlungshaus und die dort auf einer Säule gefundene Inschrift, in der, allerdings erst in spätrömischer Zeit, ein Archiprytan, zugleich Stephanephoros, geehrt wird. Der GrabungsBefund geht aus dem Plan (Abb. 81) hervor. In der Hauptsache ist ein gepflasterter, einst säulenumstandener Hof erhalten; in der NW-Ecke ein Wasserbehälter mit einem Trog davor. Von den ringsumliegenden Zimmern ist das mittelste der Südseite der Eingangsraum gewesen,- in dem östlich daneben liegenden steht ein Herd, der bei der Ausgrabung noch recht wohlerhalten war, aus Bruchsteinen mit einem von Knochensplittern durchsetzten Mörtel aufgeführt, am Rande mit hochkantig gestellten Steinplatten eingefaßt, oben mit Ziegelplatten belegt. Hier wurde also das heilige Herdfeuer der Stadt unterhalten.
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VIII. DAS HEILIGTUM DER ÄGYPTISCHEN GÖTTER In der östlichen Stadthälfte, zwischen Athena- und Theaterstraße, liegt ein großer von Rusticamauern umgebener Hof, dessen Südwand wegen des abfallenden Geländes in eine prachtvolle Stützmauer übergeht. Es war der Bezirk der ägyptischen Götter. Ein Tempelhaus gab es nicht, sondern nur einen stattlichen Altar; er besteht aus einem Kern von unregelmäßigen Marmorblöcken, der von einem profilierten Sockel umkleidet ist (Abb. 82). A n der südlichen Schmalseite führte einst eine siebenstufige Treppe auf die Sockeloberfläche, auf der sonst keinerlei Architektur aufstand und auf der sich die Opferhandlung abspielte. Südlich vor dem Altar blieb ein großer freier Festplatz. Etwas späterer Zeit entstammen das quadratische Eingangstor in der NW-Ecke und die sich anschließende Säulenhalle längs der Westseite, beide Bauten nur im Fundament erhalten. Die Benennung des Heiligtumes ergibt sich aus dort gefundenen Inschriften. Ein kleiner Altar (Abb. 83) ist der Isis, dem Serapis und dem Anubis geweiht, eine andere Inschrift nennt außerdem noch Harpokrates und den unbesiegbaren Herakles. In die Ante des Propylons aber waren ausführliche Bestimmungen über den Kultus dieser Götter eingemeißelt. Es ist von der Fackelprozession der Isis die Rede und von den Opfern, die dem Apis vorschriftsmäßig darzubringen sind. Ein richtiger Ägypter wird hierfür angestellt, und kein Uneingeweihter darf sich mit den Isis-Opfern befassen; widrigenfalls muß er 1000 Drachmen Strafe zahlen und sogar einer öffentlichen Anklage gewärtig sein. Offenbar waren den Prienern die mysteriösen und peinlich einzuhaltenden Bräuche nicht sehr vertraut, und in der Tat war der ägyptische Kultus in dieser Stadt ein fremdländisches Gewächs. Seine Einführung war denn auch nur die Folge einer vorübergehenden politischen Konstellation, als der König von Ägypten Ptolemäus III. Euergetes um die Mitte des 3. Jh. v. Chr. über Ionien herrschte. Daher sind auch die Formen der Bauglieder und der Inschriften hellenistisch; zur Zeit der Römerherrschaft aber, als die unmittelbaren Beziehungen zu Ägypten längst aufgehört hatten, scheint der Kultus wieder eingeschlafen zu sein, obwohl er damals in der sonstigen Welt weitere Ausdehnung zu gewinnen begann. 68
Abb. 84. Theater, von der Burg gesehen
IX. DAS THEATER Das Theater (Abb. 84, 85 u. 86) besteht aus der Orchestra, dem Zuraum und dem Bühnengebäude. Die O r c h e s t r a (Abb. 88) ist der runde Platz in der Mitte; seine Oberfläche bestand lediglich aus gestampfter Erde. Er ist von einer Steinschwelle eingefaßt, auf der fünf Marmorsessel (Abb. 91), laut Inschrift von Nysios (Abb. 90) gestiftet, durch Bänke mit Rückenlehnen verbunden, aufgestellt sind. In der Mitte der Sesselreihe steht ein Altar für den Gott Dionysos, zu dessen Ehren die Theaterspiele stattfanden, ein Weihgeschenk des Pythotimos (Abb. 89). Die Durchgänge beiderseits vom Altar waren durch Gitter verschlossen, die an den noch erhaltenen Marmorpfosten befestigt waren. Ähnliche Gitter waren auch zwischen den Enden der Sesselreihe und dem Bühnengebäude eingezogen. Hinter der Sesselreihe läuft ein mit unregelmäßigen Steinplatten belegter Umgang; an seinem östlichen Ende steht die Rundbasis einer Bronzefigur, am westlichen Ende der Sockel einer Wasseruhr (gestiftet von Athenopolis), an der Zu- und Ableitung des Wassers noch deutlich zu erkennen sind. Der Z u s c h a u e r r a u m (Abb. 88) ist nur zum kleinen Teil freigelegt worden, da er weiter oben sehr zerstört scheint; im ganzen mögen es nahezu 50 Sitzreihen gewesen sein. Der Raum wird durch 6 Treppen in 5 Keile geteilt. 70
Die Sitzbänke waren aus einzelnen Platten und Quadern zusammengesetzt; fast durchweg fehlen jetzt die Sitzplatten. In die Mitte der fünften Sitzreihe ist eine Ehrenbank eingefügt. In den rechteckigen Löchern, die im Zuschauerraum ziemlich regelmäßig verteilt sind, konnten Pfosten für ein Zeltdach zum Schutz gegen Sonne und Regen aufgestellt werden. Das Halbrund des Zuschauerraumes wird an beiden Enden, wo die seitlichen Zugänge zur Orchestra liegen, durch stattliche Stützmauern abgeschlossen, deren obere Begrenzung der Steigung der Sitzstufen folgt und die unten mit kräftigen Pfeilern endigt (Abb. 92). Auf diesen waren Statuen aufgestellt, Weihungen des Stephanephoren Kleandros an Zeus Olympios und das Volk; wie die Standspuren lehren, waren die Figuren aus Bronze, setzten den einen Fuß weit vor und waren jedenfalls lebhaft bewegt. In seitliche Zugänge, die »Parodoi«, waren schlichte Tore eingebaut; auf jeder Seite steht davon noch eines der beiden Gewände aufrecht. Diese Tore waren durch Flügeltüren aus Gitterwerk verschließbar. Die Außenwand des Zuschauerraumes ist besonders an der Ostseite gut erhalten,- man sieht dort einen der Zugänge, durch die das Publikum das Theater betrat, um über die Treppen zu den Sitzen zu gelangen. Das B ü h n e n g e b ä u d e (Abb. 85, 86 u. 87) besteht aus einem rechteckigen Hause (Skene) und einer an Breite etwas überragenden Vorhalle (Proskenion). Vom Proskenion stehen noch sämtliche Stützen aufrecht; sie setzen sich aus einem quadratischen Pfeiler und einer vorgelegten dorischen Halbsäule zusammen. Die äußersten Frontjoche sowie die Seitenjoche waren durch Eisenstangen geschlossen. Das dritte, fünfte und siebente Joch enthielt Türen, während die übrigen Joche durch auswechselbare Holztafeln (Pinakes) zugedeckt waren, die durch Metallriegel an den Pfeilern befestigt waren. Auch die Türflügel konnten nach Bedarf herausgenommen und durch Pinakes ersetzt werden. Uber den Stützen liegt ein (jetzt durch Eisenträger verstärktes) Triglyphengebälk mit zahlreichen Spuren der ehemaligen Bemalung. Es sind aber die Farbreste der ursprünglichen hellenistischen von denen einer spätrömischen Bemalung zu unterscheiden. Die ursprüngliche bestand nur aus zwei Farben, Mennigrot und Kobaltblau, und zwar blieben Säulenschäfte, Kapitelle, Architrav, Metopen und Geison unbemalt; die Triglyphen aber waren blau und einige der schmalen Horizontalglieder rot. Die spätere Bemalung war viel ausgedehnter; so waren die ganzen Säulen nebst Kapitellen rot angestrichen. Das Dach des Proskenions bestand aus einer Reihe von Steinbalken, die sich von den Pfeilern zum Skenengebäude herüberspannten. Zwischen ihnen waren Bretter aufgelegt, wie Falze noch erkennen lassen. Die Dachfläche ist durch eine steinerne Treppe an der westlichen Schmalwand des Bühnenhauses zugänglich gemacht worden. Von den steinernen Brüstungen, die die Dachfläche an den Schmalseiten begrenzten, steht im Westen noch eine Platte aufrecht. Vor dem Proskenion stand eine Anzahl von Weihgeschenken und Ehrenstatuen, während von den mei75
Abb. 89. Altar des Pythotimos im Theater
sten nur die Fundamentplatten erhalten sind, stehen vor dem zweiten und vorletzten Joch noch zwei Basen für Bronzestandbilder; das westliche laut Inschrift vom Staate für Apollodoros, das östliche für Thrasybulos von seiner Witwe Megiste errichtet. Das Skenengebäude selbst ist ein einfaches Rechteck mit drei nach dem Proskenion zu geöffneten Kammern. Hinterwand und Schmalwände sind von kleinen Fenstern durchbrochen. Zwischen westlicher und mittlerer Kammer führte eine (nicht mehr erhaltene) Treppe zu dem nur in einigen seiner untersten Steine vorhandenen Obergeschoß, das ebenfalls in drei Räume geteilt war. In die Nordwand ist, gegenüber der fünften Stütze (von Westen gerechnet) des Proskenions und von der Treppe aus zugänglich, ein enger, durch beide Geschosse und das Dach durchgehender Schacht eingebaut, der wohl eine Vorrichtung für Göttererscheinungen aus der Höhe (deus ex machina) enthielt. Die Frage, wo und wie im griechischen Theater dramatische Stücke gespielt wurden, ist eine der schwierigsten und umstrittensten der Altertumswissenschaft. Daher ist die ungewöhnlich günstige Erhaltung des Theaters von Priene von großer grundsätzlicher Bedeutung, und sein Befund ist eingehend studiert und diskutiert worden. Bei den alten Griechen spielte man nicht wie bei uns täglich Theater, sondern nur an den Festtagen des Gottes Dionysos. Ursprünglich ist das Theater nichts anderes als ein Heiligtum des Dionysos mit einem runden Platz; hier endigte der Festzug, der die Heimkehr des Gottes darstellen
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Abb. 98. Schülerinschriften an der Wand des Ephebeions
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Abb. 99. Waschraum des unteren Gymnasions über waren die Wände verputzt. A n der Rückwand sind drei Waschbecken aufgestellt, die das aus den Löwenköpfen strömende Wasser auffingen (Abb. 100). Außerdem sind, zur Fußwaschung bestimmt, zwei lange schmale Marmorbecken nahe der Eingangswand in den mit Pflaster aus kleinen Steinen bedeckten Boden eingelassen. Aus einer Tür in der Nordostecke der Palästrahalle gelangt man in das S t a d i o n , und zwar zunächst auf eine sechs Meter breite Wandelbahn, neben der links eine dorische Halle aufragte, während sich rechts die Böschung des Zuschauerraumes senkte (Abb. 101). Dieser hatte nur in seinem mittelsten Teile marmorne Sitzbänke, und hier ist er denn auch durch Grabung freigelegt worden. Die Rennbahn, vom Zuschauerraum durch eine Brüstung getrennt, hat in Priene die Länge von ungefähr 190 m. Eine Zielsäule ist am Ostende, wo sie zu vermuten war, nicht gefunden worden. Dagegen konnte im Westen der Ablauf aufgedeckt werden. Von der ursprünglichen Einrichtung liegen noch acht Steine mit Löchern für Holzpfosten an ihrem Platz; in der Mitte ist der Zwischenraum größer als sonst, also war hier vielleicht der Standort des Kampfrichters. In späterer, wahrscheinlich römischer Zeit ist gleich dahinter ein viel stattlicheres Ablauftor korinthischen Stiles errichtet worden (Abb. 102). Außer einigen Stücken vom Aufbau sind noch die Pfeilerbasen erhalten. Man erkennt an ihnen Reste einer interessanten, aber in ihren Einzelheiten noch nicht erklärten Vorrichtung, die wohl ermöglichen sollte, die Schranken im Augen86
Abb. 100. Becken und Löwenkopf im Waschraum des unteren Gymnasions
blick des Ablaufes gleichzeitig zu öffnen. D i e Fundamentquadern sind v o n einer unter den Pfeilerbasen durchlaufenden R i n n e durchschnitten, die nach Ausweis v o n Einarbeitungen an den Rändern m i t Brettern bedeckt werden konnte. Ebenso große senkrechte Eintiefungen sind an den Basen u n d Ä h n liches auch am Gebälk zu sehen. Das untere G y m n a s i o n und das Stadion fallen, w i e ein Blick auf das Gesamtbild der Stadt lehrt, aus der Regelmäßigkeit des Planes heraus ; w ä h r e n d das obere G y m n a s i o n seinen Platz in Größe eines Häuserblockes neben den anderen Staatsbauten innehat, stehen jene unter dem Z w a n g eines ungeeigneten Raumes, der bewirkt, daß das Stadion schiefwinklig an die Palästra stößt und, entgegen dem Üblichen, nur auf e i n e r Seite Sitzplätze hat. Schon deshalb wird m a n die unteren Bauten einer späteren Zeit zuschreiben, und in der T a t ist keines der dort gefundenen Bauglieder früher als das Ende des 2. Jh. v. Chr. D a z u tritt noch das Zeugnis der Inschriften. Ihnen zufolge beschloß m a n u m die M i t t e des 2. Jh. v. Chr. die Errichtung eines neuen G y m n a s i o n s , mit dessen Fertigstellung es freilich gute Weile hatte. M a n hatte nämlich auf Geldbeiträge benachbarter Herrscher gerechnet, aber politischer Ereignisse wegen w a r die Z a h l u n g nicht erfolgt. Schließlich, u m 1 3 0 v. Chr., w a r e n zwei reiche Bürger, die Brüder Moschion u n d Athenopolis, eingesprungen. Im 1. Jh. v. Chr. w a r das neue G y m n a s i o n jedenfalls in Betrieb. D i e höheren Schüler w a r e n 87
A b b . 102. A b l a u f des Stadions
damals in Epheben und Neoi eingeteilt, und wahrscheinlich beließ man den Ephebenunterricht in dem alten Bau, während der unten gelegene Neubau den Neoi zugewiesen wurde. Beide Oberschulen dürften einen gemeinsamen Leiter gehabt haben, und die reichen Schenkungen an Salböl, Übungsgerät, Lehrmitteln und Kampfpreisen, die den Inschriften zufolge wohltätige Mitbürger wie Zosimos machten, werden beiden Anstalten zugute gekommen sein. Während aber das neue Gymnasion seine spartanisch einfache Form und seinen N a m e n weiterhin bewahrte, begann m a n n u n das alte, der Neigung der Zeit folgend, mit einer größeren Warmbadeinrichtung zu versehen, so daß es geradezu als eine Badeanstalt bezeichnet werden konnte, w o m i t seine allmähliche U m w a n d l u n g in eine Therme bereits eingeleitet war.
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XI. HEILIGTUM DER DEMETER U N D DER KORE
Sofort bei Neugründung der Stadt haben neben der Stadtgöttin Athena auch die Fruchtbarkeits- und Erdgöttinnen Demeter und Kore ihren Kult erhalten; ihr Symbol, die Ähre, erscheint auf den frühesten Münzen der Stadt; die älteste Inschrift Prienes am Quellentor, um 350 v. Chr., bezieht sich auf sie, und dementsprechend ist alles Wesentliche, was im Demeterheiligtum gefunden ist, aus früher Zeit. Seine Stätte, hoch über den belebten Stadtteilen, dicht unter der Steilwand der Burg, ehemals wohl schon wie heute von dunklen Pinien umstanden, ist von weitem an einem hellgrauen schroff abstürzenden Felsklotz kenntlich, an den sich nach rechts Stützmauern, teilweise wieder abgestürzt, anschließen. Der Bezirk fügt sich in die Gesamtorientierung der Stadt, nimmt aber auf die Straßeneinteilung keine strenge Rücksicht. M a n betritt ihn von Osten her (Abb. 103). Dicht vor dem Eingangstor standen Statuen von Priesterinnen. Die noch am Platz befindliche Basis trug ein jetzt verlorenes Bronzebild der Timonassa; daneben war in Marmor Nikeso dargestellt, bis auf den Kopf und den rechten Arm wohlerhalten (Abb. 104). Die Priesterin steht in feierlicher Haltung da, den rechten Arm hoch erhoben, sonst eng in ihre Gewänder gehüllt, die ihrem Stoffe nach deutlich unterschieden und sehr feinfältig wiedergegeben sind. Das Haar fällt altertümlicherweise in drei Strähnen vorn über die Schultern. Das Bildwerk, das stets besonderes kunstgeschichtliches Interesse erweckt hat, gehört in den Anfang des 3. Jh. v. Chr. Die Gesichtszüge mögen denen des Marmorköpfchens Abb. 105 ähnlich gewesen sein, und die Haltung können wir uns nach dem Tonfigürchen einer Krugträgerin 90
Abb. 105. Frauenkopf aus dem Demeterheiligtum. Berlin, Pergamon-Museum
Abb. 106. Tonfigur einer krugtragenden Priesterin aus demDemeterheiligtum. Berlin, Pergamon-Museum
vorstellen (Abb. 106); beide Beispiele entstammen ebenfalls dem Demeterheiligtum. Hat man den überdacht zu denkenden Torbau durchschnitten, so wird man in den Mauerresten zur Linken die schlichte Behausung der Priesterinnen erkennen dürfen,- rechts liegt ein viereckiger Marmorbehälter und weiterhin der aus Mörtelwerk, also erst in römischer Zeit, errichtete Altar. Geradezu dehnt sich ein freier Hof, der Schauplatz der religiösen Feste aus, und erst im Hintergrunde stand der eigentümlich gestaltete Tempel selbst (Abb. 107). Durch eine Vorhalle dorischen Stils (Abb. 108), in der schlichte Steinbänke stehen, 92
Abb. 107. Der Tempel im Demeterheiligtum, links die Opfergrube
Abb. 108. Kapitell v o m Demetertempel
gelangte man in den querliegenden Kultraum. Die Türgewände waren aus Holz; nur die Sockelsteine, die aus Stein bestehen und auf ihrer Oberfläche mit Zapflöchern versehen sind, liegen noch am Platz. Im Innern zog sich an der westlichen Langwand, auf die Querwände übergreifend, ein stattliches Marmorpodium hin, das in der Nordwest-Ecke besonders gut erhalten ist (Abb. 109). Auf der Oberfläche sind an drei Stellen Einbettungen zu sehen, in denen Bildwerke gestanden haben müssen. Das Podium war demnach ein Aufbewahrungsplatz für Weihgeschenke. Vor ihm waren aus ie drei Marmorsteinen zwei Opfertische aufgestellt, die Stücke liegen jetzt am Boden. Das Tempelhaus war von der Umfassungsmauer ringsum durch einen schmalen Gang getrennt. 93
Abb. 109. Podium f u r Weihgescîienke im Demetertempel
Abb. 1 1 0 . Opfergrube im Demeterheiligtum
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Abb. i n . Groteske Tonfigur aus dem Demeterheiligtum. Berlin, Ehem. Staatliche Museen
Außen, südlich der Vorhalle, liegt eine viereckige, tief und sorgfältig ausgemauerte Opfergrube, deren Mündung dachförmig über den Erdboden herausragt und mit Brettern zugedeckt werden konnte (Abb. 110). Durch solche Gruben brachte man unterirdischen Gottheiten, wie Demeter und Kore es waren, flüssige Opfer dar, z. B. das Blut geschlachteter Tiere. Die Opfergrube wurde später von einer dünnen Mauer umschlossen und war dann durch eine Tür zugänglich, deren rohe Pfeiler noch aufrecht stehen. A n dieser Stelle fanden sich sehr eigenartige Tonfigürchen, die groteske Vorstellungen von einem weiblichen Fruchtbarkeitsdämon wiedergeben (Abb. i n ) .
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XII. DIE WOHNVIERTEL
Die Straßeneinteilung Prienes gehört dem ursprünglichen Stadtplan an, die Anlage der Privathäuser stammt daher noch durchweg aus dem 4. Jh. v. Chr.; die meisten haben ihren frühhellenistischen Charakter bis zuletzt bewahrt. Sind auch die Hausmauern nicht so hoch erhalten wie in Pompeji oder Delos, so vermögen doch schon die gepflasterten Straßen und Gäßchen, die Brunnen und Kanäle, die Zimmer, Gänge und Höfe mit ihren Türschwellen, Säulenstümpfen und Verputzresten das vergangene kleinstädtische Leben in die Vorstellung zurückzurufen. Die Wände sind fast immer aus lehmverbundenen Bruchsteinen aufgemauert; vornehmere Häuser erhielten nach der Straße zu eine Fassade aus sorgfältig gefügten Quadern (Abb. 116); mitunter bestand der obere Teil der Wände einfach nur aus luftgetrockneten Lehmziegeln. Die Wohnräume hatten, entsprechend den Gewohnheiten des Südens, die stattliche Höhe von 5V2 bis 6 m. Von Obergeschossen ist nichts erhalten; daß sie mitunter vorhanden waren, läßt sich aus Treppenansätzen schließen. Als Fußboden diente meist ein einfacher Lehmestrich. Die Wände trugen Stuckverkleidung, die in der unteren Hälfte die Struktur einer Marmorwand nachahmte (Abb. 1 1 2 u. 1 1 3 ) , sei es durch rechtwinkelig sich kreuzende Ritzlinien oder durch plastisches Herausarbeiten von Rustikaquadern und Gesimsen; auch hochgestellte Halbsäulen kommen, wie am Ephebeion des unteren Gymnasions (Abb. 97), als Wandschmuck vor. Die Türen waren stets zweiflügelig, die Schwellen aus Marmor (Abb. 114); runde Löcher dienten zur Aufnahme von Bronzepfannen, in denen sich die Angeln drehten. Die Türpfosten bestanden häufig aus Holz und waren dann in fußhohe Sockelsteine eingezapft. Die Fenster waren, wenn überhaupt vorhanden, klein und lagen so hoch, daß man nicht hineinsehen konnte,- erhalten haben sich gelegentlich Fensterfüllungen aus Ton (Abb. 115), die aber nicht etwa mit Glas geschlossen waren. Licht und Luft wurden den Räumen überwiegend durch die nach dem Hof geöffneten Türen zugeführt. Das Dach war nach dem noch heute üblichen System mit Flach- und Hohlziegeln eingedeckt. Von den Ausstattungsgegenständen der Häuser hat sich vielerlei gefunden, besonders da, wo sie infolge von Feuersbrunst eine Schuttschicht frühzeitig vor 96
weiterem Mißgeschick bewahrte, so z. B. in dem Viertel nördlich des Marktes. Es haben sich Bronzeteile von Bettstellen, Marmortische (Abb. 1 2 1 ) , tönerne Kohlenbecken, Lampen und anderes mannigfaches Gebrauchsgerät, ja sogar Schätze von Bronzemünzen gefunden, dann aber auch viele kleinere Kunstgegenstände, vor allem Statuetten aus Stein und T o n ; einige davon gehören zu dem Anmutigsten, was uns von der hellenistischen Kunst erhalten ist. Doch würden wir uns, wenn wir zu weit auf die Einzelfunde eingingen, zu sehr in allgemeine kunstgeschichtliche Fragen verlieren und hinausgehen über den Rahmen dieser kurzen Beschreibung, die ja vor allem dem Besucher der Ausgrabungsstätte und des Pergamon-Museums das Verständnis für die Bauten Prienes vermitteln soll. Die ausgegrabenen Häuser sind jetzt durch Pflanzenwuchs unübersichtlich geworden, und man wird sich im allgemeinen damit begnügen, ein besonders stattliches Beispiel, das Patrizierhaus in der Theaterstraße Nr. XXXIII, zu betrachten. M a n übersieht es gut von dem Felsgrat aus, der sich westlich an den Athenatempel anschließt. Für die gehobene Lebensstellung seiner Bewohner zeugen nicht nur die Zahl der Räume, sondern auch auffallend reiche Funde an kleinen Kunstwerken. Ein dort gefundener Altar des Zeus Olympios deutet an, daß einer der Besitzer einmal das Amt des Stephanephoros bekleidet hat. Wir betrachten zunächst, was heute vor uns steht (Abb. 1 1 6 , 1 1 7 , 119): A n der Straßenseite eine Rusticafront älterer Form,- ein breiter Eingang, ein quadratischer Vorraum, dann eine Tür. Gleich dahinter rechts eine Doppelkammer für den Türwächter, weiterhin wiederum rechts ein abzweigender Gang und geradeaus eine zweite Tür. Diese führt in einen großen gepflasterten, von Hallen umgebenen Hof. Ringsum Räume verschiedener Größe; am stattlichsten die nördlich gelegene Halle (Säule, dorisches Kapitell und Gebälk liegen noch dort) und der Saal hinter ihr. Der Gang, der vor der zweiten Tür abzweigt, führt in einen anderen ebenfalls von Zimmern umgebenen Hof. Hier erkennt man bereits, daß sich der ganze Komplex aus zwei früheren Einzelhäusern zusammensetzt, und an der anderen Seite sieht man, daß die ganze westliche Zimmerflucht eine einstige Nebenstraße überbaut. Weitere Betrachtung lehrt, daß die zweite Tür spätere Zutat ist, daß der westliche Hof früher nur drei dünne Säulen an der Ostseite hatte und daß auch die Säulenstellung an der Nordseite verändert ist: dahin, wo die westliche der drei Säulen (die sich schon durch geringere Dicke als unzugehörig erweist) steht, gehört eigentlich der Pfeiler, der an die NW-Ecke versetzt ist, so daß also die Säulenstellung um ein Joch nach Westen zu erweitert ist. Hat man so allmählich den ursprünglichen Zustand aus den Umbauten herausgeschält, so erhält man den durch Klarheit und Schlichtheit ausgezeichneten Grundriß Abb. 1 1 8 . Dieser ermöglicht dann die Wiederherstellung Abb. 120. Wesentlich an dieser Hausform, weil an fast allen Häusern Prienes trotz individuellen Verschiedenheiten und 98
Abb. 114. Türschwelle eines Hauses
späteren Umbauten immer wieder durchblickend, ist der Hauptsaal mit der Zweisäulenvorhalle; es ist der nordische Typus des schmalstirnigen, mit Satteldach bedeckten, in regenreichem Klima ausgebildeten Hauses, der auch in den griechischen Tempelanlagen weiterlebt. Der Umbau, in dem das Haus überliefert ist, bezweckte hauptsächlich, den Hof »peristyl«, d. h. säulenumstanden zu gestalten; damit setzt sich in Priene wie überall im Mittelmeergebiet die in trockenem Klima entstandene Wohnweise in einer flachgedeckten, mit schattenspendenden Hallen versehenen Gehöftanlage durch. Bei der Vergrößerung des Hauses wird die Wohnung der Frauen von der der Männer getrennt: den Frauen verblieb die ursprüngliche Anlage, und das dazu erworbene östliche Grundstück wurde für die Männer eingerichtet. Dem Fremden verwehrte die 99
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Abb. 1 1 7 . Haus X X X I I I von oben
neueingesetzte zweite Tür Einblick und Eintritt in die Familienräume; der rechts abbiegende Gang führte ihn ohne weiteres zu den Männern. Inmitten der Wohnhäuser der Westtorstraße liegen auch zwei beachtenswerte kleine Heiligtümer. Eines davon, das letzte Grundstück links vor dem Westtor, besteht nur aus einem Hof mit einer Opfergrube. Diese war bei der Auffindung mit Asche, Knochensplittern und Gefäßscherben gefüllt. Das Heiligtum gehörte derKybele, wie zwei hier gefundene Statuetten bewiesen haben. Eine davon stellt die Göttin als thronende, in schwere Gewänder gehüllte Frau dar, die den linken Fuß auf das ihr heilige Tier, einen zusammengekauerten Löwen, setzt (Abb. 122). Kybele, an sich eine altkleinasiatische Muttergöttin mit orgiastischem Kult, hat auch in die griechische Religion Eingang gefunden. Die Bescheidenheit ihrer Stätte, ihr völliges Fehlen auf Inschriften und Münzen beweisen, daß sie in Priene von Staats wegen so gut wie gar nicht beachtet wurde, aber kleine Denkmäler des Kybelekultes aus Stein oder Ton (Abb. 123) fanden sich allenthalben in der Stadt und zeigen durch ihre z. T. sehr anspruchslose Form, daß Kybele gerade den unteren Volksschichten wohlvertraut war. Ansehnlicher ist das andere Heiligtum, das ebenfalls an der Südseite der Westtorstraße, aber etwas weiter oberhalb, im dritten Häuserviertel (von Westen gerechnet) liegt (Abb. 124). Man betritt es aus der Seitengasse von Westen her durch eine Tür, an deren Pfosten eine Inschrift forderte, daß man »das Heiligtum nur in weißer Kleidung betreten dürfe«. Auf den Hof öffnete sich eine Vorhalle, in der noch Statuenbasen erhalten sind und durch die man in einen großen Saal gelangt. M a n sieht noch die Brecciafundamente für die Statuen; eine nordsüdliche Quermauer entstammt späterer Zeit. In der NOEcke steht, ähnlich wie im Demeterheiligtum, ein gemauertes Postament (Abb. 125), das mit drei kleinen Treppen zugänglich ist und auf dem, wie aus den Funden zu erschließen war, eine Menge von kleinen Bildwerken aus Marmor und Ton aufgestellt war. Vor dem Podium stand über einem natürlichen 101
Abb. 120. Das Haus X X X I I I in ursprünglicher Gestalt
Abb. i 2 i . Tischfuß in Haus X X X I I I
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Abb. 125. Podium für Weihgeschenke und Opfertisch im Heiligen Haus
Felsspalt ein Marmortisch (Abb. 126), auf dem wohl Opfer vollzogen wurden, wobei man das Blut in die Grube fließen ließ. Ein ähnlicher Opfertisch befindet sich in dem kleinen anstoßenden, ebenfalls von der Vorhalle aus zugänglichen Zimmer. Wem das Heiligtum geweiht war, können wir nur vermuten. Unter den gefundenen Statuetten befand sich auch ein Bildnis, das wohl Alexander den Großen darstellt (Abb. 127) und seiner Lebenszeit nicht fernsteht. Es liegt daher nahe anzunehmen, daß wir uns in einem der göttlichen Verehrung Alexanders geweihten Hause befinden,- eine Inschrift lehrt uns, daß ein solches Heiligtum in Priene bestand und um 130 v. Chr. durch reiche Bürger für 1000 Drachmen instand gesetzt wurde. Wahrscheinlich hat sich Alexander, als er 334 v. Chr. Milet belagerte, auch in Priene aufgehalten, und das Haus, in dem er gewohnt, wäre später von der dankbaren Stadt in seinen Kultort umgewandelt worden.
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XIII. BYZANTINISCHE BAUTEN
V o n dem Dasein Prienes in byzantinischer Zeit zeugen nicht nur literarische Quellen, sondern auch mannigfache Baureste; einige sind bereits gelegentlich erwähnt worden. Sie kennzeichnen sich dadurch, daß sie aus unregelmäßigen Bruchsteinen, Ziegelbrocken und älteren Werkstücken errichtet sind, und unterscheiden sich w e n i g v o n römischen Gebäuden w i e den großen T h e r m e n des oberen Gymnasions (S. 81) oder der spätesten Bühnenwand des Theaters (S. 79). Die umfassende Bautätigkeit des Mittelalters fand an der Stadtmauer statt, die durch zahlreiche Ausbesserungen in verteidigungsmäßigem Zustande gehalten u n d auf der Burg sogar u m die spitzwinklig vorspringende, in einen Rundturm auslaufende Bastion vor der antiken Nordmauer erweitert wurde. A u c h die Wasserleitung wurde noch lange gepflegt, denn die Klärbassins oberhalb der Stadt sind erst byzantinisch (S. 22). V o n den bei der Ausgrabung gefundenen Kirchen wurden mehrere kleine nach A u f n a h m e beseitigt. Erhalten geblieben ist aber die große Bischofskirche (Abb. 128) südlich v o m Theater und gleich westlich neben dem oberen Gymnasion. Die Vorhalle im Westen öffnet sich nach außen mit zwei Türen, zwischen denen eine steinerne Sitzbank liegt. Drei Pforten führen in den Kirchenraum, der durch zwei Reihen v o n je zehn dorischen Säulen in drei Schiffe geteilt war. Im Mittelschiff steht der Ambo, die Kanzel. Erhalten ist der aus einem einzigen Marmorblock bestehende vierstufige Treppenaufgang, der an drei Seiten runde Nischen zeigt, die südlichen mit Weinlaub umrankt (Abb. 129). Die davorliegende sechseckige Marmorplatte trug w o h l die aus Holz bestehende Kanzel. Eine Marmorschranke, von der nur zwei Platten erhalten sind, trennte das Gemeindehaus von dem Chor ab; ihre Verzierung ahmt Gittermuster nach. V o n dem Altar ist nur noch das Fundament erhalten. D e n östlichen Abschluß bildet die nicht völlig ausgegrabene Apsis mit den Sitzen des Bischofs und der Presbyter. Die Kirche, die ursprünglich ein flaches Dach trug, wurde später eingewölbt, w o z u die zehn unförmigen Pfeiler aus Mörtelwerk eingebaut wurden. Südlich und nordöstlich lehnten sich an die Kirche Gebäude an (Abb. 130). Ein Rundbau, der östlich v o m Athenatempel gefunden ist, war höchstwahrscheinlich das zur Bischofskirche gehörige Baptisterium. 108
Abb. 128. Die Bischofskirche von Priene
Abb. 129. Kanzeltreppe der Bischofskirche
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Eines der stattlichsten byzantinischen Bauwerke ist endlich das über dem Zeusheiligtume errichtete Kastell, zu dem auch die Kapelle östlich der Straße gehört. Es wurde nur zum kleineren Teile zwecks Freilegung der antiken Reste abgerissen. Es ist wohl das späteste der größeren Gebäude Prienes, das letzte Bollwerk gegen das Vordringen der Seldschuken.
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XIV. ERFORSCHUNG DER RUINEN VON PRIENE
Das hervorragende Interesse der Altertumswissenschaft und der gebildeten Welt an der Kleinstadt Priene liegt in zwei Tatsachen begründet: einmal darin, daß hier einer der großen klassischen Baumeister sein edelstes Werk hingestellt hatte, dann auch darin, daß sich hier in seltener Reinheit ein nach den Idealforderungen des griechischen Städtebaues angelegtes Gemeinwesen erhalten hat. Dementsprechend galten die Forschungen europäischer Gelehrter anfangs lediglich dem Athenatempel; die älteren Veröffentlichungen über ihn erschienen in Antiquities of Ionia, published by the Society of Dilettanti, Bd. I, 1769 bzw. 1821 (Chandler, Revett, Pars); Antiquities of Ionia Bd. IV, 1881 (Pullan, Newton); Rayet u. Thomas, Milet et le Golfe Latmique II, 1880. Die Stadt Priene selbst ist durch die umfassende Ausgrabung erforscht worden, die 1895 im Auftrage der Berliner Museen von C. H u m a n n begonnen und bis 1898 unter Leitung von Th. W i e g a n d durchgeführt worden ist. Die Ergebnisse wurden in drei Veröffentlichungen vorgelegt: Wiegand und Schräder (unter Mitwirkung von Kummer, Wilberg, Winnefeld, Zahn) P r i e n e , 1904. Freiherr Hiller von Gaertringen (unter Mitwirkung von Friedrich, v. Prott, Schräder, Wiegand, Winnefeld) Inschriften von Priene, 1906. Regling (unter Mitwirkung von Dressel) Die Münzen von Priene, 1927. Selten haben archäologische Forschungen so befruchtend gewirkt wie diese. Die Ergebnisse wurden bald Allgemeingut der Wissenschaft und gingen in alle Handbücher über; sie wurden auch weiteren Kreisen vermittelt, z. B. durch Ziebarth, Kulturbilder aus griechischen Städten 3. Aufl. 1919. Wiegand selbst hat mit der Abhandlung: Priene, ein Begleitwort zur Rekonstruktion von A. Zippelius (Neue Jahrbücher f. d. klassische Altertum 35, 1910), eine der anziehendsten Darstellungen antiken Kulturlebens geschaffen. Dann wuchsen neue Erkenntnisse aus den bisherigen heraus: Asboeck behandelte das Staatswesen von Priene in hellenistischer Zeit (1913); über die Architektur des Athenatempels haben Wilberg, A. v. Gerkan und Krischen geschrieben (Athenische Mitteilungen 43, 1 9 1 8 ; Bonner Jahrbücher 123, 1923); über das Kultbild Dressel (Sitzungsber. d. Preuß. Akad. d. Wiss. 1905, XXIII) und Lehmann-Hartleben 112
(Jahrb. d. Arch. Inst. 47, 1932); über das untere Gymnasion und die nördliche Markthalle Krischen (Jahrb. d. Arch. Inst. 3 1 , 1916 u. 38/39, 1923/24). v. Gerkan hat außerdem die richtige Wiederherstellung des Athena-Altars gefunden (Bonner Jahrbücher 129, 1924), hat über die Stadtanlage gehandelt (Griechische Städteanlagen 1924) und eine ganz neue Veröffentlichung des Theaters herausgebracht (Das Theater von Priene 1921), deren Bedeutung aus der anschließenden wissenschaftlichen Diskussion ersichtlich ist; hier sei nur die Entgegnung von Dörpfeld (Athen. Mitt. 49, 1924) genannt. Durch die Neuaufstellung der Architekturstücke von Priene im Pergamon-Museum zu Berlin (Abb. 31) ist die Aufmerksamkeit aller gebildeten Kreise erneut auf diese Grabung gelenkt worden; sie findet daher bei W. v. Massow, Führer durch das PergamonMuseum, 1932, gebührende Berücksichtigung. Daselbst sind auch bereits einige der zeichnerischen Wiederherstellungen abgebildet, die teils in Aachen, teils in Danzig unter Leitung von F. Krischen durch Architekturstudierende angefertigt worden sind. Hier können einige weitere vorgelegt werden. Eine ebenso verdienstliche wissenschaftliche Leistung ist das von H. Schleif hergestellte Modell (Abb. 10 u. n ) eines Teiles der Stadt Priene im Pergamon-Museum. Schließlich hat der Verfasser vorliegender Schrift, der kleinere Beiträge zu den Problemen Prienes liefern konnte (Römische Mitteilungen 35, 1920, Jahrb. d. Arch. Inst. 49, 1934), im Frühjahr 1934 gemeinsam mit B. M e y e r und unterstützt durch das Entgegenkommen der türkischen Antikenverwaltung, Forschungen in der Ruinenstätte angestellt, wobei ein großer Teil der hier wiedergegebenen Photographien zustande gekommen ist. Neuere Literatur und Diskussion der Probleme finden sich in Pauly-Wissowas Realencyclopädie der Classischen Altertumswissenschaft, Suppl. IX Sp. 1 1 8 1 ff. s. v. Priene (G. Kleiner). Die mittelalterlichen Befestigungen von Priene-Samson behandelte W. Müller-Wiener (Istanbuler Mitteilungen n , 1961).
113
ZU DEN
ABBILDUNGEN
Dem Werke Wiegand—Schräder, Priene, sind folgende unserer Abbildungen entnommen: 15. 2 1 . 25. 27. 34. 35. 36 (leicht verändert). 48. 57. 61. 63. 73. 75. 80. 81. 93. 94. 103. 1 1 2 — 1 1 5 . 118—120. 122. 124—126. 130 und der große Plan (neu gezeichnet). Aus Hiller v. Gaertringen, Inschriften von Priene, stammen die Abb. 8. 42. 98, aus Regling, Münzen von Priene, die Abb. 5, aus Schröder, Der Sport im Altertum, die Abb. 97. 1 0 1 , aus W. v. Massow, Führer durch das PergamonMuseum, die Abb. 45. 62. 64, aus Antiquities of Ionia IV stammen die Abb. 41. 51. 52, aus Ionian Antiquities die Abb. 50. Von F. Krischen, bzw. unter seiner Leitung, sind die Zeichnungen Abb. 19. 33. 45. 58. 60. 62. 64. 66. 69. 72. 77. 97. 1 0 1 . 107 hergestellt. Von A. von Gerkan, und zwar aus seinem Buche Das Theater von Priene, stammen die Zeichnungen Abb. 85. 87. 89. 90. Die Abb. 1. 2. 3. 95 sind Neuzeichnungen von W. Kleiss nach den Vorlagen der 1. Auflage. Von B. Meyer sind die photographischen Aufnahmen Abb. 6—9. 14. 16—18. 20. 24. 28—31. 44. 49. 53. 54. 59. 65. 67. 68. 70. 71. 76. 79. 82. 84. 88. 91. 92. 96. 99. 100. 102. 109. 1 1 0 . 1 1 6 . 1 1 7 . 128. Von M. Schede die Aufnahmen Abb. 22. 23. 26. 38—40. 55. 78. 108. 1 2 1 . 129. Abb. 1 1 gibt eine Zeichnung von A. Zippelius wieder. Von G. Kleiner sind die Aufnahmen Abb. 4 und 83, von A. Hommel Abb. 1 3 ; von F. Treue (Berliner Museen) Abb. 10. 12. 43, von H. Titzenthaler (Staatliche Bildstelle) Abb. 32. Die Abb. 37 und 56 sind Aufnahmen des British Museum, Abb. 46. 47. 73. 74 aus dem Archäologischen Museum Istanbul. Aufnahmen des Pergamon-Museums Berlin sind die Abb. 104—106, Aufnahmen der Ehem. Staatlichen Museen Berlin die Abb. 86. 127 und Neuaufnahmen von J. Tietz-Glagow (Ehem. Staatliche Museen Berlin) die Abb. 1 1 1 und 123.