Die Relevanz des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) für Verschmelzungen und Spaltungen unter Beteiligung der Zielgesellschaft: Zugleich ein Beitrag zum Schnittbereich von Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht [1 ed.] 9783428526017, 9783428126019

Carsten A. Paul untersucht im Anschluss an die Entscheidung der österreichischen Übernahmekommission in Sachen Bayerisch

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German Pages 321 Year 2007

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Die Relevanz des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) für Verschmelzungen und Spaltungen unter Beteiligung der Zielgesellschaft: Zugleich ein Beitrag zum Schnittbereich von Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht [1 ed.]
 9783428526017, 9783428126019

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Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Band 179

Die Relevanz des Wertpapiererwerbsund Übernahmegesetzes (WpÜG) für Verschmelzungen und Spaltungen unter Beteiligung der Zielgesellschaft Zugleich ein Beitrag zum Schnittbereich von Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht Von Carsten A. Paul

Duncker & Humblot · Berlin

CARSTEN A. PAUL

Die Relevanz des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) für Verschmelzungen und Spaltungen unter Beteiligung der Zielgesellschaft

Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Heinrich Dörner Dr. Dirk Ehlers Dr. Ursula Nelles

Band 179

Die Relevanz des Wertpapiererwerbsund Übernahmegesetzes (WpÜG) für Verschmelzungen und Spaltungen unter Beteiligung der Zielgesellschaft Zugleich ein Beitrag zum Schnittbereich von Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht

Von

Carsten A. Paul

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D6 Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 978-3-428-12601-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Juni 2006 abgeschlossen und im Wintersemester 2006/2007 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Danken möchte ich meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Ingo Saenger, der die Arbeit nicht nur betreut und begleitet, sondern mir darüber hinaus die Möglichkeit gegeben hat, als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl tätig zu sein. Er hat auch das Erstgutachten übernommen. Mein weiterer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Matthias Casper für die Erstellung des Zweitgutachtens. Herrn Prof. Dr. Heinrich Dörner, Herrn Prof. Dr. Dirk Ehlers und Frau Prof. Dr. Ursula Nelles danke ich für die Aufnahme der Arbeit in diese Schriftenreihe sowie dem Freundeskreis Rechtswissenschaft der Universität Münster für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Bei meinen Eltern und auch bei meiner Schwester möchte ich mich herzlichst für die Hilfe und Unterstützung bedanken, mit denen sie meine gesamte Ausbildung sowie das Entstehen dieser Arbeit begleitet und gefördert haben. Ohne ihr Zutun wäre vieles schwerer und manches unmöglich gewesen. Besonderer Dank gilt darüber hinaus meiner Freundin Frau Dr. med. Melanie Tollkötter, die die Hauptlast der Arbeit mit viel Geduld und Verständnis getragen hat. Meiner Schwester, Herrn Dr. Nicholas Kessler, Herrn Dr. Raphael Koch sowie Herrn Dr. Christoph Weber gebührt schließlich Dank für die kritische Durchsicht des Manuskripts sowie für ihre Diskussionsbereitschaft. Düsseldorf, im Juli 2007

Carsten A. Paul

Inhaltsübersicht Einführung

23

A. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

B. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

Teil 1 Grundlagen

29

A. Die Fusion Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG/Bank Austria AG I. Das Fusionskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission . . . . . .

29 30 40

B. Grundlagen der Regelung von Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren nach dem WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ziel des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufbau und wesentlicher Inhalt des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46 46 46 49

Teil 2 Entwicklungslinien des WpÜG unter besonderer Berücksichtigung des Untersuchungsgegenstands

54

A. Die Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Pennington-Entwurf von 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Wohlverhaltensregeln von 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Vorentwurf einer Übernahmerichtlinie von 1987 . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Richtlinienvorschlag von 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Der geänderte Vorschlag von 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Richtlinienvorschläge von 1996 und 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Der Richtlinienvorschlag von 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54 54 56 56 57 59 59 63

Rechtsentwicklung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Leitsätze für Übernahmeangebote von 1979 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Übernahmekodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) . . . . . . . . . . . . . Ausblick auf die Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG . . . . . . . . . . . . .

66 67 68 69 77

C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

B. Die I. II. III. IV.

10

Inhaltsübersicht Teil 3 Die Anwendbarkeit der verfahrensbezogenen Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen

80

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 B. Stand der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 I. Die Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 II. Die Ansicht der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 C. Unmittelbare Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendung auf Verschmelzungen und Spaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87 88 93 97

D. Analoge Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fehlende Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vergleichbarkeit der Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97 98 108 112

E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Teil 4 Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen

113

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 B. Grundlagen der Angebotspflicht nach § 35 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 I. Gesetzgeberisches Regelungsanliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 II. Rechtsdogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 C. Stand der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 I. Diskutierte Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 II. Überblick über das Meinungsspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 D. Rechtsvergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gesamtbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Folgerungen für die Handhabung der Problematik im deutschen Recht

164 164 166 170 173 174

E. Unmittelbare Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Auslegung des § 35 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kein Ausschluss der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG durch Beteiligung der Aktionäre am Umwandlungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . III. Befreiung von der Angebotspflicht nach § 37 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

177 178 236 251 259

Inhaltsübersicht F. Analoge Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fehlende Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsrechtliche Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vergleichbarkeit der Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 260 260 261 269 280

G. Überlegungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 I. Bestehender Regelungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 II. Umsetzungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 H. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

Inhaltsverzeichnis Einführung

23

A. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

B. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

Teil 1 Grundlagen A. Die Fusion Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG/Bank Austria AG I. Das Fusionskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bank Austria AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Ablauf der Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abspaltung des BA-Geschäftsbetriebs auf die Konzerntochter BA-Neu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einbringung der BA-Neu-Beteiligung in die HVB . . . . . . . . . . . . c) Verschmelzung der BA-Alt auf ihre Enkelgesellschaft BA-Neu II. Die Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission . . . . . . 1. Ergebnis der Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Qualifizierung der Transaktion als öffentliches Übernahmeangebot? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Angebotspflicht als Rechtsfolge der Transaktion? . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Grundlagen der Regelung von Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren nach dem WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ziel des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fehlende Aussagekraft des § 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriffsbestimmungen des § 2 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Örtlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufbau und wesentlicher Inhalt des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 29 30 32 32 33 34 35 37 37 40 40 41 41 43 44 46 46 46 47 47 48 48 49 49

14

Inhaltsverzeichnis 2. Verfahrensbezogene Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 a) Allgemeine öffentliche Erwerbsangebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 b) Übernahmeangebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3. Pflichtangebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

Teil 2 Entwicklungslinien des WpÜG unter besonderer Berücksichtigung des Untersuchungsgegenstands

54

A. Die Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I.

Der Pennington-Entwurf von 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

II. Die Wohlverhaltensregeln von 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Der Vorentwurf einer Übernahmerichtlinie von 1987 . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 IV. Der Richtlinienvorschlag von 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 V. Der geänderte Vorschlag von 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 VI. Die Richtlinienvorschläge von 1996 und 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Der Gemeinsame Standpunkt des Rates von 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2. Die Änderung des Gemeinsamen Standpunkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3. Vermittlungsverfahren, Gemeinsamer Entwurf und Scheitern der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 VII. Der Richtlinienvorschlag von 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Verfahrensgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Verabschiedung der Richtlinie 2004/25/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 B. Die Rechtsentwicklung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 I.

Die Leitsätze für Übernahmeangebote von 1979 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

II. Der Übernahmekodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 III. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) . . . . . . . . . . . . . 69 1. Politische und wissenschaftliche Vorarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion von 1995 . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion von 1997 . . . . . . . . . . . . . . . 71 c) Die Empfehlungen der Expertenkommission von 2000 . . . . . . . . . 72 2. Ministerielle Vorarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Der Diskussionsentwurf vom 29. 6. 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 b) Der Referentenentwurf vom 12. 3. 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 c) Der Regierungsentwurf vom 11. 7. 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 IV. Ausblick auf die Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG . . . . . . . . . . . . . . 77 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Inhaltsverzeichnis

15

Teil 3 Die Anwendbarkeit der verfahrensbezogenen Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen

80

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

B. Stand der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

I.

Die Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

1. Umwandlungsrechtliche Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

2. Übernahmerechtliche Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

3. Die sonstige Fachliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

II. Die Ansicht der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

C. Unmittelbare Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.

87

Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

1. Angebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

2. Zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . .

90

II. Anwendung auf Verschmelzungen und Spaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

1. Übernahme des übertragenden durch den übernehmenden Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

2. Übernahme des übernehmenden durch einen Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

D. Analoge Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

I.

Fehlende Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

1. Historische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Allgemeine Aussagen des historischen Gesetzgebers zum Verhältnis WpÜG/UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 aa) Unbewusste Lückenhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 bb) Bewusste Lückenhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Aussagen des historischen Gesetzgebers zum Verhältnis der verfahrensbezogenen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Teleologische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 II. Vergleichbarkeit der Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

16

Inhaltsverzeichnis Teil 4 Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen

113

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 B. Grundlagen der Angebotspflicht nach § 35 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzgeberisches Regelungsanliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ermöglichung der Teilhabe an Paketzuschlägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Paketzuschläge als Gegenleistung für die Verschaffung von Einfluss auf die Geschäfts- und Gewinnverteilungspolitik . . b) Die Lehre von der anteilsmäßigen Verteilung von Paketzuschlägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die gesetzgeberische Wertentscheidung in § 4 WpÜGAngebotsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermöglichung des Austritts aus der Gesellschaft zu angemessenen Konditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bewertungsabschlag auf Minderheitsbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . b) Verkaufsreaktionen der Minderheitsaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsdogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konzernrechtlicher Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalmarktrechtlicher Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Stand der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Diskutierte Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fallkonstellation I: Verschmelzung/Spaltung auf einen börsennotierten Rechtsträger bei veränderter Kontrollsituation . . . . . . . . . . . 2. Fallkonstellation II: Verschmelzung/Spaltung auf einen börsennotierten Rechtsträger bei unveränderter Kontrollsituation . . . . . . . . . 3. Fallkonstellation III: Verschmelzung/Spaltung auf einen nicht börsennotierten Rechtsträger bei (un-)veränderter Kontrollsituation . . . . a) Kaltes Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Börsenwiederzulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fallkonstellation IV: Verschmelzung/Spaltung auf einen (nicht) börsennotierten Rechtsträger bei unverändert kontrollfreier Situation . . 5. Fallkonstellation V: Nicht-verhältniswahrende Abspaltung in einem börsennotierten Rechtsträger bei veränderter Kontrollsituation . . . . . II. Überblick über das Meinungsspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Generelle Unanwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nach Fallkonstellationen differenzierende Auffassungen . . . . . . . aa) Fallkonstellation I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fallkonstellation II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

114 114 116 117 118 120 122 124 127 130 130 131 132 133 138 139 139 141 142 145 145 146 148 149 149 150 151 152 154

Inhaltsverzeichnis

17

cc) Fallkonstellation III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fallkonstellation IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Fallkonstellation V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV . . . . . . . 3. Die Rechtsansicht der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157 160 160 161 162

D. Rechtsvergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gesamtbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Folgerungen für die Handhabung der Problematik im deutschen Recht 1. Die Ansicht Vetters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164 164 166 170 173 174 174 175

E. Unmittelbare Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Auslegung des § 35 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kontrollerlangung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Legaldefinition des Kontrollbegriffs in § 29 Abs. 2 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Merkmal des „Erlangens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Über eine Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendung auf Verschmelzungen und Spaltungen . . . . . . . . . . . . aa) Kontrollerlangung über eine börsennotierte Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Fallkonstellation I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Fallkonstellation V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Kontrollerlangung über eine börsennotierte Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Fallkonstellation II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Fallkonstellation III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kaltes Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Börsenwiederzulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Fallkonstellation IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Regelungsabsicht des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Aussagen des Gesetzgebers zum Verhältnis WpÜG/UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aussagen des Gesetzgebers zur Anwendbarkeit des § 35 WpÜG c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

177 178 178 178 178 178 180 182 184 185 185 185 186 187 187 188 189 189 191 192 192 194 194 195 197

18

Inhaltsverzeichnis 4. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliche Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre bei Verschmelzungen und Spaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Teilhabe an Paketzuschlägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Austritt aus der Gesellschaft zu angemessenen Konditionen (1) Die Ansicht Vetters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre im Einzelfall . . . . . aa) Fallkonstellation I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers . . . . . . (2) Alt-Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers . . . . . . . . (a) Der in der Literatur vorherrschende Lösungsansatz (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Börsennotierte Gesellschaft als übertragender Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Nicht börsennotierte Gesellschaft als übertragender Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fallkonstellation V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fehlen gleichwertiger Schutzmechanismen im Umwandlungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung . . . . . . . . . . bb) Einheitlichkeit des Umtauschverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Austrittsrecht des § 29 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ausgestaltung der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorgaben des § 31 Abs. 2 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Berücksichtigung des Bewertungsabschlags im Rahmen der Ermittlung der Umtauschrelation . . . . . (b) Berücksichtigung drohender Verkaufsreaktionen im Rahmen der Liquiditätsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anforderungen des UmwG an die Gegenleistung . . . . . . (a) Bewertung der Tauschaktien maximal zum Börsenwert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Sicherstellung ausreichender Aufnahmefähigkeit des Kapitalmarkts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kein Ausschluss der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG durch Beteiligung der Aktionäre am Umwandlungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verzicht der Minderheitsaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

197 198 199 199 202 202 204 206 206 207 207 209 209 210 211 216 217 217 218 219 221 222 223 225 225 227 229 229 233 234 235 235 236 237

Inhaltsverzeichnis

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a) Systematische, entstehungsgeschichtliche und teleologische Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 aa) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 bb) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 cc) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 b) Vorliegen der allgemeinen Verzichtsvoraussetzungen . . . . . . . . . . 242 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Individuelle Zustimmung zum Umwandlungsbeschluss . . . . . . . . . . . . 244 3. Rechtsmissbräuchlichkeit der Angebotsannahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 III. Befreiung von der Angebotspflicht nach § 37 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . 251 1. Anderweitiger Schutz der Minderheitsaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 a) Fallkonstellation I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 b) Fallkonstellation V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 2. Schutzverzicht der Minderheitsaktionäre (sog. whitewash) . . . . . . . . . 256 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 F. Analoge Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 I.

Fehlende Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

II. Verfassungsrechtliche Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 1. Verwaltungsrechtliches Analogieverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 2. Ordnungswidrigkeitsrechtliches Analogieverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 III. Vergleichbarkeit der Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 1. Fallkonstellation II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 a) Alt-Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers . . . . . . . . . . . . . . . 270 b) Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers . . . . . . . . . . . . . . 272 2. Fallkonstellation III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 a) Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers . . . . . . . . . . . . . . 275 b) Alt-Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers . . . . . . . . . . . . . . . 275 3. Fallkonstellation IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 G. Überlegungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 I.

Bestehender Regelungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 1. Gesetzgeberische Klarstellung in den Fallkonstellationen I und V . . 280 2. Erweiterung des Anwendungsbereichs in den Fallkonstellationen II und III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

20

Inhaltsverzeichnis II. Umsetzungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 1. Ergänzung des § 35 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 2. Neufassung des § 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

H. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:

Von den Parteien angestrebte Beteiligungsstruktur . . . . . . . . . . . .

31

Abbildung 2:

HVB-Beteiligungsstruktur vor Durchführung der Transaktion . .

33

Abbildung 3:

BA-Beteiligungsstruktur vor Durchführung der Transaktion . . .

34

Abbildung 4:

HVB-Beteiligungsstruktur nach Durchführung der Transaktion

39

Abbildung 5:

Fallkonstellation I, a) Ausgangssituation, b) Ergebnis der Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

Abbildung 6:

Fallkonstellation II, a) Ausgangssituation, b) Ergebnis der Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

Abbildung 7:

Fallkonstellation III, a) Ausgangssituation, b) Ergebnis der Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

Abbildung 8:

Fallkonstellation IV, a) Ausgangssituation, b) Ergebnis der Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

Abbildung 9:

Fallkonstellation V, a) Ausgangssituation, b) Ergebnis der Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

Einführung Am 15. 11. 2001 verabschiedete der Gesetzgeber im Rahmen seines Gesamtkonzepts zur nachhaltigen Modernisierung des Standorts Deutschland das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen.1 Mit Wirkung zum 1. 1. 2002 ist das Gesetz in Kraft getreten. Kernstück des als Artikelgesetz konzipierten Regelungswerks ist das in Art. 1 enthaltene Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), mit dem in Deutschland erstmals eine rechtlich verbindliche Regelung von öffentlichen Wertpapiererwerbsangeboten geschaffen wurde.2 Konkret regelt das WpÜG zwei Themenbereiche: zum einen in §§ 10 ff. WpÜG und §§ 29 ff. WpÜG das Verfahren, das bei öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren einer börsennotierten AG oder KGaA mit Sitz im Inland zu beachten ist, und zum anderen in §§ 35 ff. WpÜG das so genannte Pflichtangebot, wonach jeder, der unmittelbar oder mittelbar die Kontrolle an einer börsennotierten AG oder KGaA mit Sitz im Inland erlangt, zur Abgabe eines an alle außenstehenden Aktionäre gerichteten Angebots verpflichtet ist.

A. Fragestellung Eine vom Gesetzgeber bei Erlass des WpÜG bewusst3 offen gelassene, jedoch nicht erst seitdem die Wissenschaft beschäftigende Frage, stellt das Verhältnis übernahmerechtlicher Regelungen zu den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes (UmwG) dar. Schon vor Inkrafttreten des WpÜG am 1. 1. 2002 wurde in der Wissenschaft erstmals auf mögliche Regelungskonflikte zwischen diesen beiden Rechtsmaterien hingewiesen.4 Auslöser hier1

BGBl. I 2001, S. 3822. Mit dem WpÜG ersetzte der Gesetzgeber das bis dahin mit dem Übernahmekodex verfolgte Modell einer freiwilligen Selbstkontrolle bei Unternehmensübernahmen; zu den Gründen siehe ausführlich unten Teil 2 B. II., S. 68 f. 3 Hierzu unten Teil 3 D. I. 1. a) aa), S. 100 f. 4 Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 ff.; Weber-Rey/Schütz, AG 2001, 325 ff. Zu der Parallelproblematik im österreichischen Recht bereits frühzeitig und umfassend Kalss/Winner, ÖBA 2000, 51 ff.; hieran anknüpfend Binder/Khol, ecolex 2000, 875 ff.; Gall, wbl 2000, 544 (545 f.); Huber/Löber, ÜbG, § 23 Rn. 92 f.; Karollus/ Geist, NZG 2000, 1145 ff.; Nowotny, RdW 2000, 330 f.; ders., wbl 2001, S. 379 ff.; Schütt, J. I. B. L. 2001, 61 f. 2

24

Einführung

für war eine über die Landesgrenzen hinweg Aufsehen erregende Entscheidung der österreichischen Übernahmekommission anlässlich der Fusion der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG (HVB) mit der Bank Austria AG (BA).5 Im Wesentlichen setzte sich die österreichische Übernahmekommission in ihrer Stellungnahme vom 12. 9. 2000 mit den folgenden beiden Teilaspekten einer möglichen Regelungskonkurrenz auseinander,6 die im Hinblick auf WpÜG und UmwG Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein sollen: (1) Die Anwendbarkeit der verfahrensbezogenen Vorschriften des Übernahmerechts auf Verschmelzungen und Spaltungen unter Beteiligung der Zielgesellschaft sowie (2) die Anwendbarkeit der übernahmerechtlichen Pflichtangebotsregelung auf derartige Maßnahmen.7 Die Frage nach der Anwendbarkeit der verfahrensbezogenen Vorschriften des Übernahmerechts auf Verschmelzungen und Spaltungen, an denen die Zielgesellschaft als übertragender oder übernehmender Rechtsträger beteiligt ist, mag auf den ersten Blick überraschen. Warum sollte es angezeigt sein, auf Verschmelzungen und Spaltungen, deren Verfahren in §§ 2 ff. UmwG bzw. §§ 123 ff. UmwG umfassend geregelt sind, Vorschriften des Übernahmerechts zur Anwendung zu bringen? Die Antwort auf diese Frage liegt in der funktionalen Gleichwertigkeit von technischen Übernahmen auf der einen und Verschmelzungen und Spaltungen auf der anderen Seite. In dem einen wie auch in dem anderen Fall zielt die Umgestaltung der Unternehmensstruktur auf die Dienstbarmachung des unternehmerischen Potentials eines anderen Rechtsträgers ab. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unterscheidet sich die Dienstbarmachung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nicht substantiell von derjenigen, die durch einen Erwerb aller Aktien- bzw. Stimmrechtsanteile ermöglicht wird.8 In ihrem wirtschaftlichen Effekt entspricht die Verschmelzung daher regelmäßig, die Spaltung immer 5

Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, GZ 2000/1/4–171, abrufbar unter http://www.takeover.at unter der Rubrik „Entscheidungen“, „Stellungnahmen“ sowie abgedruckt in: NZG 2001, 282 ff. 6 Hierzu ausführlich unten Teil 1 A. II. 1. und 2., S. 40 ff. 7 Hiervon abzugrenzen sind Sachverhaltsgestaltungen der Verschmelzung und Spaltung ohne Beteiligung der Zielgesellschaft, in denen der an der Umwandlung beteiligte übernehmende Rechtsträger aufgrund der für Verschmelzungen und Spaltungen in §§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG und § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG angeordneten Gesamtrechtsnachfolge 30% oder mehr der Stimmrechte an einer Zielgesellschaft erlangt, deren stimmberechtigte Aktien Bestandteil des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers waren. Derartige Sachverhaltsgestaltungen sind im Hinblick auf die Anwendbarkeit des WpÜG weitgehend unproblematisch und sollen daher nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein; zu ihrer Behandlung ausführlich Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 64 ff.; siehe auch Ekkenga/ Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 28. 8 Vgl. Lenel, S. 9; Lutter, Die Rechte der Gesellschafter, S. 15 ff.; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (272 f.).

A. Fragestellung

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dann, wenn es zur Dienstbarmachung von nahezu dem gesamten unternehmerischen Potential des übertragenden Rechtsträgers kommt, dem 100%igen Erwerb der Aktien- bzw. Stimmrechtsanteile an dem übertragenden Rechtsträger.9 Besonders nahe kommen Verschmelzung und Spaltung dem wirtschaftlichen Ergebnis eines 100%igen Aktien- bzw. Stimmrechtsanteilserwerbs, wenn man bedenkt, dass der Erwerb im Wege des öffentlichen Übernahmeangebots nach dem WpÜG grundsätzlich gegen Gewährung entsprechender Anteile an der Bietergesellschaft erfolgen kann,10 und dadurch – ebenso wie im Fall der Verschmelzung und Spaltung – die Kontinuität der Mitgliedschaft gewahrt bleibt. Insoweit entspricht das Ergebnis bei der Verschmelzung und Spaltung wirtschaftlich vollkommen der Lage bei einem 100%igen Erwerb der Aktien- bzw. Stimmrechtsanteile.11 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Verschmelzungen und Spaltungen nicht zumindest dann auch den verfahrensbezogenen Vorschriften betreffend Übernahmeangebote (§§ 29 ff. WpÜG) unterworfen sind, wenn es sich bei dem übertragenden Rechtsträger um eine börsennotierte AG oder KGaA mit Sitz in Deutschland handelt.12 Darüber hinaus können Verschmelzungen und Spaltungen aber auch als Instrument zur Erlangung der Kontrolle in dem übernehmenden Rechtsträger durch einen Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers eingesetzt werden. Im Wege des Aktientauschs erhalten die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger, wobei es ohne weiteres dazu kommen kann, dass ein Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers 30% oder mehr der Stimmrechtsanteile an dem übernehmenden Rechtsträger erwirbt. In diesem Fall wären Verschmelzung und Spaltung i. S. d. § 29 Abs. 1 und 2 WpÜG auf die Erlangung der Kontrolle in dem übernehmenden Rechtsträger gerichtet. Es stellt sich damit auch hier die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit §§ 29 ff. WpÜG auf derartige Sachverhalte anwendbar sind, wenn es sich bei dem übernehmenden Rechtsträger um eine börsennotierte AG oder KGaA handelt. Eine Anwendung der Pflichtangebotsregelung des § 35 WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen liegt deshalb besonders nahe, da die Norm die Rechtsfolge der Angebotspflicht, anders als die verfahrensbezogenen Vorschriften des WpÜG, nicht an eine bestimmte Handlung – etwa die Abgabe eines öffentlichen Angebots –, sondern allein an den Tatbestand der 9 So zur Verschmelzung Lutter, Die Rechte der Gesellschafter, S. 15; Reichert, in: Semler/Volhard, Bd. 1, § 17 Rn. 1. 10 Vgl. § 31 Abs. 2 WpÜG; beachte aber auch die Ausnahmeregelungen des § 31 Abs. 3 Nr. 1 und 2 WpÜG. 11 Vgl. Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (272 f.). 12 Vgl. insoweit die Beschränkung des Anwendungsbereichs des WpÜG in § 2 Abs. 3 WpÜG auf AGen und KGaAen mit Sitz im Inland.

26

Einführung

Kontrollerlangung i. S. d. § 29 Abs. 2 WpÜG knüpft.13 Damit scheinen grundsätzlich auch Verschmelzungen und Spaltungen in den Anwendungsbereich einbezogen zu sein, sofern diese zu einer Kontrollerlangung i. S. d. WpÜG führen.14 Problematisch ist eine Anwendung des übernahmerechtlichen Pflichtangebots gleichwohl deshalb, weil der Gesetzgeber in §§ 2 ff. UmwG bzw. §§ 123 ff. UmwG nicht nur das umwandlungsrechtliche Verfahren, sondern auch die Rechtsfolgen von Verschmelzungen und Spaltungen, insbesondere in Form eines eigenständigen gesellschaftsrechtlichen Austrittsrechts (§ 29 UmwG), umfassend geregelt hat. Einer Anwendung entgegenstehen könnte weiterhin die Tatsache, dass die Aktionäre im Rahmen des Umwandlungsverfahrens in Form von Hauptversammlungsbeschlüssen über das Zustandekommen der Verschmelzung bzw. Spaltung und damit auch über eine etwaige Kontrollerlangung selbst entscheiden können. Vor dem Hintergrund, dass § 35 WpÜG dem Schutz der Minderheitsaktionäre dient,15 scheinen Sinn und Zweck der Regelung damit durchaus in Frage gestellt. Von erheblicher praktischer Bedeutung sind die vorliegend aufgeworfenen Fragen vor allem für die an Verschmelzungen und Spaltungen beteiligten Rechtsträger. Sollten sich die verfahrensbezogenen Regelungen der §§ 29 ff. WpÜG in den hier genannten Fällen als einschlägig erweisen, so wären neben den Verfahrensvorschriften des UmwG nicht nur §§ 29 ff. WpÜG, sondern darüber hinaus auch §§ 10 ff. WpÜG sowie die allgemeinen Grundsätze des § 3 WpÜG zu beachten.16 Darüber hinaus wäre das Verfahren gem. §§ 4 ff. WpÜG der Kontrolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)17 unterstellt. Hiermit wäre eine erhebliche 13

Siehe hierzu unten Teil 1 B. III. 3., S. 52. In der Literatur haben sich insoweit verschiedene Fallkonstellationen herausgebildet, in denen die Anwendung des § 35 WpÜG in Frage steht; zu den einzelnen Sachverhaltsgestaltungen ausführlich unten Teil 4 C. I., S. 139 ff. 15 Ausführlich unten Teil 4 B. I., S. 114 ff. 16 Gem. § 34 WpÜG kommen bei Übernahmeangeboten auch die Vorschriften der §§ 10 ff. WpÜG zur Anwendung, soweit sich aus §§ 29 ff. WpÜG nichts anderes ergibt. Die Anwendbarkeit der Verfahrensgrundsätze des § 3 WpÜG auf Übernahmeangebote folgt aus dem allgemeinen Charakter der Vorschrift; vgl. insoweit bereits die offizielle Überschrift „Allgemeine Grundsätze“. 17 Das Gesetz spricht in § 1 WpÜG sowie in seinen übrigen Vorschriften noch vom „Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel“ bzw. in Kurzform vom „Bundesaufsichtsamt“. Durch Inkrafttreten des Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht vom 22. 4. 2002 (BGBl. I 2002, S. 1310 ff.) zum 1. 5. 2002 ist durch Zusammenlegung des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen, des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen und des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) an dessen Stelle getreten; vgl. hierzu im Einzelnen Giesberts, in: KK-WpÜG, § 4 Rn. 11. 14

B. Gang der Darstellung

27

Verfahrenserschwernis für die an Verschmelzungen und Spaltungen beteiligten Rechtsträger verbunden. Die Anwendbarkeit von § 35 WpÜG schließlich könnte Verschmelzungen und Spaltungen deutlich verteuern und damit im Einzelfall sogar unmöglich machen.18 Zusammenschlüsse größerer Unternehmen sind oftmals überhaupt nur auf der Basis eines Aktientauschs finanzierbar. Eine Verpflichtung zur Barabfindung der Minderheitsatkionäre könnte die vorhandenen Barmittel daher leicht übersteigen.19

B. Gang der Darstellung Der erste Teil der Arbeit dient der Vermittlung von Grundlagen. Gegenstand der Darstellung ist hier zunächst die Fusion der Bayerischen Hypound Vereinsbank AG mit der Bank Austria AG aus dem Jahr 2000, die als Auslöser der Diskussion um die Anwendbarkeit des WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen angesehen werden kann. Im Mittelpunkt steht neben dem Fusionskonzept vor allem die Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission vom 12. 9. 2000, in der das Aufsichtsgremium zu den hier untersuchten Fragestellungen im Hinblick auf die österreichische Rechtslage Stellung genommen hat. Im Anschluss hieran erfolgt eine grundlegende Darstellung der im WpÜG erfolgten Regelung von Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren. Erörtert werden in diesem Zusammenhang neben dem gesetzgeberischen Regelungsanliegen der Anwendungsbereich sowie der Aufbau und Inhalt des Gesetzes. Besondere Beachtung gilt hierbei der im Gesetz angelegten und für die weitere Untersuchung wesentlichen Unterscheidung zwischen verfahrensbezogenen Vorschriften auf der einen und der Pflichtangebotsregelung auf der anderen Seite. Der zweite Teil zeichnet die Entwicklungslinien des WpÜG nach, wobei der Untersuchungsgegenstand im Mittelpunkt des Interesses steht. Dargestellt werden die Rechtsentwicklungen auf europäischer und auf nationaler Ebene, beginnend mit dem Pennington-Entwurf von 1974 bis hin zum Inkrafttreten des WpÜG am 1. 1. 2002 sowie der Verabschiedung der Übernahmerichtlinie am 30. 3. 2004. Im dritten Teil der Arbeit wird sodann die Anwendbarkeit der verfahrensbezogenen Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG auf Verschmelzungen und 18

Technau, AG 2002, 260. Sollten die erforderlichen Barmittel nicht aufgebracht werden können, so müsste eine Transaktionsstruktur gefunden werden, mit der die Verpflichtung nach § 35 WpÜG mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann; Technau, AG 2002, 260. Auch unter diesem Aspekt ist es von erheblicher praktischer Bedeutung, in welchen Sachverhaltsgestaltungen von der Einschlägigkeit der Pflichtangebotsregelung auszugehen ist. 19

28

Einführung

Spaltungen untersucht, wobei neben einer unmittelbaren insbesondere auch eine analoge Anwendbarkeit in Betracht gezogen wird. Im vierten und letzten Teil, der den Schwerpunkt der Arbeit bildet, wird untersucht, ob und inwieweit Verschmelzungen und Spaltungen nach dem UmwG die Pflicht zur Abgabe eines Angebots nach § 35 WpÜG auszulösen vermögen. Hierzu werden zunächst in einem eigenen Grundlagenteil die mit dem Pflichtangebot verfolgten Regelungsanliegen herausgearbeitet sowie eine rechtsdogmatische Einordnung der Pflichtangebotsregelung vorgenommen. Beides sind unabdingbare Voraussetzungen für die spätere Frage der korrekten Normanwendung. Im Anschluss hieran werden die einzelnen Fallkonstellationen der Verschmelzung und Spaltung herausgearbeitet, in denen sich die Frage nach der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG stellen kann. Nach einem Überblick über das vorhandene Meinungsspektrum erfolgt schließlich eine eigene rechtliche Bewertung der aufgeworfenen Frage. Neben rechtsvergleichenden Gesichtspunkten liegt der Schwerpunkt hier auf der Auslegung des § 35 WpÜG in sprachlicher, systematischer, entstehungsgeschichtlicher und teleologischer Hinsicht. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse.

Teil 1

Grundlagen A. Die Fusion Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG/Bank Austria AG Den Ausgangspunkt der Diskussion um das Verhältnis von Übernahmeund Umwandlungsrecht markiert eine zu wesentlichen Teilen dem österreichischen Recht unterstehende Transaktion aus dem Jahre 2000:1 Die Fusion2 der deutschen Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG (HVB) mit der österreichischen Bank Austria AG (BA).3 Durch Ad-hoc-Meldung vom 22. 7. 2000 gaben die beiden Universalbanken ihre gemeinsame Absicht bekannt, ausgehend von ihrer Stellung im jeweiligen Heimatmarkt ihre Kräfte zur ersten und führenden Bank der Regionen in Zentraleuropa zu bündeln. Die Zusammenführung der beiden Unternehmen sensibilisierte nicht nur die österreichische Wissenschaft hinsichtlich der praktischen Relevanz des Verhältnisses von Übernahme- und Umwandlungsrecht,4 sondern sie rief auch die österreichische Übernahmekommission5 auf den Plan. Deren 1. Senat setzte sich im Hinblick auf eine 1 Zu diesem Zeitpunkt steckte das deutsche WpÜG noch in den Kinderschuhen: Der vom Bundesministerium der Finanzen vorgelegte Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Regelung von Unternehmensübernahmen (DiskE-ÜG) stammte v. 29. 6. 2000; zu diesem Entwurf siehe ausführlich unten Teil 2 B. III. 2. a), S. 72 ff. 2 Der Begriff „Fusion“ soll hier und im Folgenden nicht i. S. d. engeren gesellschaftsrechtlichen Verständnisses, wonach damit der Zusammenschluss von mindestens zwei Rechtsträgern im Wege der Verschmelzung bezeichnet wird, verwendet werden, sondern vielmehr in einem weiteren Sinne, wonach der Begriff sämtliche Fälle der Unternehmenskonzentration einschließt; zur Terminologie siehe Tilch/Arloth, S. 1743, Stichwort „Fusion“. 3 Hierzu aus der österreichischen Literatur Binder/Khol, ecolex 2000, 875 ff.; Diregger/Ullmer, wbl 2002, 97 (99); Gall, wbl 2000, 544 (545 f.); Karollus/Geist, NZG 2000, 1145 ff.; Schütt, J. I. B. L. 2001, 61 f. Aus deutscher Sicht Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (468 f.); Weber-Rey/Schütz, AG 2001, 325 ff. 4 Als einzige diese Relevanz schon zu einem vor der nämlichen Transaktion liegenden Zeitpunkt erkennend Huber/Löber, ÜbG, § 23 Rn. 92 f.; Kalss/Winner, ÖBA 2000, 51 ff. sowie in Reaktion auf die dortige Analyse Nowotny, RdW 2000, 330 f. 5 Bei der österreichischen Übernahmekommission handelt es sich um eine unabhängige Verwaltungsbehörde, die jedoch nicht als eigenständiger Rechtsträger orga-

30

Teil 1: Grundlagen

etwaige Anwendbarkeit des österreichischen Übernahmegesetzes6 (öÜbG) in seiner Stellungnahme vom 12. 9. 20007 ausführlich mit der geplanten Fusion auseinander. Nach einer kurzen Vorstellung der an der Transaktion beteiligten Parteien sollen im Folgenden zunächst die verschiedenen Transaktionsschritte in ihren Einzelheiten dargestellt werden. Sodann ist auf die Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission einzugehen. Schlussendlich erfolgt eine eigene Bewertung sowohl der Transaktion selbst als auch der Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission, wobei diese insbesondere um eine Einordnung in den hier diskutierten Problemzusammenhang bemüht ist.

I. Das Fusionskonzept Nach dem gemeinsamen Willen der an der Transaktion beteiligten Parteien sollte die vollständige Integration der BA in den HVB-Konzern im Wesentlichen in drei Transaktionsschritten durchgeführt werden.8 Intendiert war dabei die Entstehung eine Bankengruppe unter der Führung der HVB bei Wahrung der Funktion der BA als österreichisches Kreditinstitut und als Leitgesellschaft des künftigen Bank Austria Teilkonzerns der Bank der Regionen.9 Als Ergebnis der Zusammenführung wurde von den beiden Unternehmen die folgende Beteiligungstruktur angestrebt: nisiert, sondern bei der Wiener Börse eingerichtet ist, vgl. § 28 öÜbG; siehe hierzu im Einzelnen Kalss, NZG 1999, 421 (430). Zuständig ist die österreichische Übernahmekommission gem. § 29 Abs. 1 öÜbG für alle im öÜbG geregelten Angelegenheiten, wozu auch die Erstattung von Stellungnahmen, die Beratung sowie die gütliche Beilegung von Meinungsverschiedenheiten im Rahmen der Anwendung des öÜbG zählt. 6 Bundesgesetz betreffend Übernahmeangebote (Übernahmegesetz-ÜbG) sowie über Änderungen des Börsengesetzes und des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, BGBl. für die Republik Österreich I Nr. 127/1998, S. 1559 i. d. F. BGBl. I 1999/189; BGBl. I 2001/98; BGBl. I 2003/92; abrufbar unter http://www.takeover.at unter der Rubrik „Recht“; zum öÜbG im Überblick siehe Kalss, NZG 1999, 421 ff.; Zwissler, AG 1999, 411 ff. 7 Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, GZ 2000/1/4–171, abrufbar unter http://www.takeover.at unter der Rubrik „Entscheidungen“, „Stellungnahmen“ sowie abgedruckt in: NZG 2001, 282 ff. 8 Vgl. hierzu im Einzelnen die Aussagen der an der Transaktion beteiligten Parteien in der Präambel des Spaltungs- und Übernahmevertrags BA/Sparkasse Stockerau v. 4. 9. 2000 sowie in der Präambel des Verschmelzungsvertrags BA-Alt/BANeu v. 4. 9. 2000. 9 Präambel des Spaltungs- und Übernahmevertrags BA/Sparkasse Stockerau v. 4. 9. 2000 sowie Präambel des Verschmelzungsvertrags BA-Alt/BA-Neu v. 4. 9. 2000.

A. Fusion Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG/Bank Austria AG Alt-Aktionäre HVB

31

Aktionäre BA-Alt

79%

21% HypoVereinsbank

~ 100%* BA-Neu * Anm.: Die Anteilsverwaltung Zentralsparkasse Wien (AVZ) sollte 10.000 Namensaktien der BA-Neu erhalten Quelle: Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000

Abbildung 1: Von den Parteien angestrebte Beteiligungsstruktur

In der österreichischen Literatur wurde vereinzelt darauf hingewiesen, dass eine dieser Struktur zumindest vergleichbare Gestaltung dem Grundsatz nach auch im Wege einer reinen Verschmelzung denkbar gewesen wäre, aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters der Transaktion jedoch nicht zur Disposition gestanden habe.10 Daher hätten sich die Parteien zu der Erreichung ihres Ziels gezwungen gesehen, den eher umständlich anmutenden Weg einer in drei Stufen unterteilten Transaktion zu wählen. Richtig an dieser Aussage ist, dass grenzüberschreitende Vorgänge sowohl nach österreichischem11 als auch nach deutschem12 Recht vom Anwen10

So Diregger/Ullmer, wbl 2002, 97 (99). Kalss, § 219 Rn. 5 m. w. N. Vgl. aber auch das Urteil des österreichischen OGH, 20. 3. 2003 – 6 Ob 283/O2i, ZIP 2003, 1086 ff., der eine verschmelzende Umwandlung einer österreichischen Gesellschaft auf ihren deutschen Alleingesellschafter für zulässig gehalten hat, hierzu Doralt, NZG 2004, 396 ff.; Hirte/Mock, EWiR 2003, 595 f.; Paefgen, IPRax 2004, 132 ff. Hinsichtlich der Möglichkeit grenzüberschreitender Verschmelzungen auf EU-Ebene siehe auch die am 15. 12. 2005 in Kraft getretene Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABl. EU Nr. L 310 v. 25. 11. 2005, S. 1 ff. 12 Nach herrschender, wenngleich bestrittener Ansicht, sind grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge vom Anwendungsbereich des deutschen UmwG ausgeklammert; siehe Großfeld, AG 1996, 302; Kloster, GmbHR 2003, 1413; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 1 Rn. 6; Schaumburg, GmbHR 1996, 501 (502); Schwarz, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 1 UmwG Rn. 29 ff.; Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A Rn. 104, 110. Das UmwG auf die Rechtsverhältnisse von an grenzüberschreitenden Umwandlungen beteiligten Rechtsträgern mit Sitz im Inland für anwendbar haltend Behrens, JBl. 2001, 341 (351 ff.); Drygala, ZEuP 12 (2004), 337 (353 f.); Kronke, ZGR 1994, 26 (35 f.); Triebel/v. Hase, BB 11

32

Teil 1: Grundlagen

dungsbereich des jeweiligen Umwandlungsrechts ausgenommen und daher auf deren Grundlage nicht durchführbar sind. Zweifelhaft ist die Aussage jedoch insoweit, als darauf hingewiesen wird, dass eine zumindest vergleichbare Gestaltung dem Grunde nach auch durch einen reinen Verschmelzungsvorgang möglich gewesen wäre. Bei dieser Sichtweise bleibt die Interessenlage der Parteien unberücksichtigt. Ausweislich der Aussagen des österreichischen Transaktionspartners kam es diesem im Rahmen der Zusammenführung der beiden Konzerne ganz wesentlich auf das eigene Fortbestehen als österreichisches Kreditinstitut und als Leitgesellschaft des künftigen BA-Teilkonzerns an; eine „Filialisierung der BA“ sollte gerade ausgeschlossen werden.13 Dies wäre im Wege einer reinen Verschmelzung, bei der die Zielgesellschaft neben der wirtschaftlichen auch ihre rechtliche Selbständigkeit einbüßt, jedoch gerade nicht möglich gewesen. 1. Die Parteien a) Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG Hervorgegangen ist die HVB im Jahr 1998 aus der Verschmelzung zweier alteingesessener deutscher Kreditinstitute: der Bayerischen Vereinsbank AG und der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank AG. Schon Ende 1999 wurden die wesentlichen Umstellungsarbeiten zur neuen Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG abgeschlossen.14 Gemessen an Präsenz, Geschäftsvolumen und Kundenzahl gehörte der HVB-Konzern in den aussichtsreichen Märkten Mitteleuropas nunmehr zu den großen Anbietern von Finanzdienstleistungen.15 Neben dem Deutschen Aktienindex (DAX)16 und dem EuroStoxx50-Aktienindex17 war die HVB auch in dem weltweiten 2003, 2409 (2416 f.); siehe aber auch Kallmeyer, in: Kallmeyer, UmwG, § 1 Rn. 10 und 12, der das UmwG nur auf reine Inlandsumwandlungen für anwendbar hält. Beachte insoweit vor allem das Urteil des EuGH, 13. 12. 2005 – C-411/03, der es auf Vorlage des LG Koblenz mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG) als unvereinbar angesehen hat, dass in einem Mitgliedstaat die Eintragung einer Verschmelzung in das nationale Handelsregister generell verweigert wird, wenn eine der beiden Gesellschaften ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat; siehe zu dieser Frage auch Kallmeyer, in: Kallmeyer, UmwG, § 1 Rn. 13 ff. 13 FAZ v. 28. 9. 2000 (Nr. 226), S. 25; vgl. insoweit auch die Präambel des Spaltungs- und Übernahmevertrags BA/Sparkasse Stockerau v. 4. 9. 2000 sowie die Präambel des Verschmelzungsvertrags BA-Alt/BA-Neu v. 4. 9. 2000. 14 Siehe hierzu ausführlich den HVB-Geschäftsbericht 1999 (Konzernabschluss und Perspektiven), S. 6 und 29. 15 HVB-Geschäftsbericht 1999 (Konzernabschluss und Perspektiven), S. 8. 16 Die Gewichtung der HVB im DAX betrug zum 31. 12. 1999 2,58%. 17 Die Aufnahme in den EuroStoxx50-Aktienindex, der die 50 größten EurolandBlue-Chips umfasst, erfolgte im September 1999. Wesentliches Aufnahmekriterium

A. Fusion Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG/Bank Austria AG

33

Aktienindex MSCI18 gewichtet und damit in allen wesentlichen internationalen Indices vertreten. Die Anteile am Grundkapital der HVB waren unmittelbar vor Durchführung der geplanten Transaktion wie folgt verteilt: Aktionär

Anteil in%

Allianz

17,4

E.ON

8,7

Stiftungen

3,3

Münchner Rück

6,4

Streubesitz

64,2

Quelle: Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000

Abbildung 2: HVB-Beteiligungsstruktur vor Durchführung der Transaktion

b) Bank Austria AG Die BA war zum Zeitpunkt der Transaktion als Universalbank mit Sitz in Wien aufgestellt. Sie war eine börsennotierte AG österreichischen Rechts, deren Tätigkeitsschwerpunkt auf dem österreichischen Markt angesiedelt war. Das Grundkapital der BA war seinerzeit aufgeteilt in insgesamt 25.991.995 Stück nicht börsennotierte, vinkulierte Namensaktien19 sowie 88.008.005 auf den Inhaber lautende Stückaktien.20 Letztere notierten unter anderem im Amtlichen Handel an der Wiener Wertpapierbörse. Weiterhin gehandelt wurden an der Luxemburger Börse zum Umtausch in Stammist hier die Marktkapitalisierung, die bei der HVB zum Ende des Jahres 1999 rund e 29 Mrd. betrug. Die Gewichtung der HVB im EuroStoxx50 lag zum 31. 12. 1999 bei 1%. 18 Der MSCI-Index basiert auf 1470 Aktienkursen aus 20 Ländern und repräsentiert ca. 60% der Börsenkapitalisierung dieser Staaten. Er wird als Weltindex sowie in Form regionaler Indices publiziert und börsentäglich von Morgan Stanley Capital International Inc. (MSCI) veröffentlicht; Gerke, S. 551, Stichwort „Morgan Stanley Capital International Indices (MSCI-Indices)“; nähere Informationen unter http://www.msci.com. 19 25.991.895 Stück Namensaktien befanden sich im Besitz des BA-Großaktionärs Anteilsverwaltung Zentralsparkasse Wien (AVZ); die restlichen 100 Stück wurden vom Betriebsratsfonds der BA gehalten; vgl. hierzu die Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 4. 20 Vgl. insoweit die Satzung der BA-Holding i. d. F. v. 27. 9. 2000, § 6 Abs. 1 sowie die Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 4.

34

Teil 1: Grundlagen

aktien der BA berechtigende Wandelschuldverschreibungen.21 Vor Abwicklung der im Folgenden zu schildernden Transaktion stellte sich die Beteiligungsstruktur der BA wie folgt dar: Aktionär AVZ22 West-LB

Anteil in% 22,80 >10,0023

Wr. Städtische24

5,53

Banca Intesa

3,19

Wr. Holding25

1,84

Wüstenrot

1,17

Streubesitz

54,92

Quelle: Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000

Abbildung 3: BA-Beteiligungsstruktur vor Durchführung der Transaktion

Ihrerseits verfügte die BA über erhebliche direkte und indirekte Beteiligungen an diversen österreichischen AGen, darunter auch an den 100%igen Tochtergesellschaften Creditanstalt AG, der Bank Austria Creditanstalt International AG sowie an der Sparkasse Stockerau AG.26 2. Der Ablauf der Transaktion Das von HVB und BA gemeinsam angestrebte Ziel einer vollständigen Integration der BA-Gruppe in den HVB-Konzern wurde im Wesentlichen mittels der im Folgenden dargestellten drei Schritte erreicht.27

21

Sog. Zero Yield Puttable Securities; vgl. § 174 öAktG. Anteilsverwaltung Zentralsparkasse Wien. 23 Auf über 10% baute die West-LB ihre Beteiligung an der BA erst nach dem Bekanntwerden der Fusionspläne von HVB und BA aus. 24 Wiener Städtische Allgemeine Versicherung Aktiengesellschaft. 25 Wiener Holding AG. 26 Zu deren Rolle im Rahmen der vorliegenden Transaktion siehe ausführlich unten Teil 1 A. I. 2., S. 34 ff. 27 Das Gesamttransaktionsvolumen belief sich auf e 6,4 Mrd.; vgl hierzu den HVB-Geschäftsbericht 2000 (Konzernabschluss und Perspektiven), S. 28. 22

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a) Abspaltung des BA-Geschäftsbetriebs auf die Konzerntochter BA-Neu Rückwirkend zum Stichtag 31. 12. 1999 übertrug die BA (im Folgenden: „BA-Alt“28) auf der Grundlage ihrer Schlussbilanz den gesamten Geschäftsbetrieb unter ihrem Fortbestand als Holdinggesellschaft auf ihre 100%ige, nicht börsennotierte Tochtergesellschaft Sparkasse Stockerau AG (im Folgenden: „BA-Neu“29).30 Rechtstechnisch erfolgte die Übertragung im Wege einer verhältniswahrenden Abspaltung zur Aufnahme gem. § 1 Abs. 2 öSpaltG i. V. m. Art. VI (§§ 32 ff.) öUmgrStG. Von der Übertragung des gesamten Vermögens ausgenommen war die 100%ige Beteiligung an der Tochtergesellschaft BA-Neu selbst sowie die Beteiligung an einer weiteren, die amerikanische Filiale der BA-Alt haltenden Tochtergesellschaft.31 Ebenfalls nicht Teil des übertragenen Vermögens waren die 100%igen Beteiligungen der BA-Alt an der Creditanstalt AG und an der Bank Austria Creditanstalt International AG.32 Während die Beteiligung an der Creditanstalt AG als Sacheinlage gegen Kapitalerhöhung zum Stichtag 31. 12. 1999 in die BA-Neu eingebracht wurde,33 wurde die Bank Austria Creditanstalt International AG auf Grundlage ihrer Schlussbilanz ebenfalls zum 31. 12. 1999 auf die BA-Neu verschmolzen.34 Im Gegensatz zu der bestehenden deutschen Rechtslage35 war nach den Vorgaben des öAktG in Folge der Abspaltung des Geschäftsbetriebs eine 28 Mit Wirksamkeit ab Eintragung der Abspaltung in das Firmenbuch wurde die Satzung der BA in ihrem § 1 durch Änderung der Firma auf „BA Holding AG“ geändert. Weiterhin wurden die übrigen Satzungsbestimmungen an den geänderten Unternehmensgegenstand angepasst; siehe hierzu im Einzelnen den Spaltungs- und Übernahmevertrag BA/Sparkasse Stockerau v. 4. 9. 2000, § 2 Abs. 1. 29 Mit Wirksamkeit ab Eintragung der Abspaltung in das Firmenbuch wurde die Satzung der Sparkasse Stockerau AG durchgreifenden Änderungen unterzogen; insbesondere firmierte die Gesellschaft ab diesem Zeitpunkt als „Bank Austria AG“; vgl. insoweit den Spaltungs- und Übernahmevertrag BA/Sparkasse Stockerau v. 4. 9. 2000, § 2 Abs. 1. 30 Spaltungs- und Übernahmevertrag BA/Sparkasse Stockerau v. 4. 9. 2000, § 3 Abs. 1. 31 Vgl. hierzu den Spaltungs- und Übernahmevertrag BA/Sparkasse Stockerau v. 4. 9. 2000, § 3 Abs. 1. 32 So die Regelung im Spaltungs- und Übernahmevertrag BA/Sparkasse Stockerau v. 4. 9. 2000, § 3 Abs. 3. 33 Spaltungs- und Übernahmevertrag BA/Sparkasse Stockerau v. 4. 9. 2000, § 3 Abs. 4. 34 Spaltungs- und Übernahmevertrag BA/Sparkasse Stockerau v. 4. 9. 2000, § 3 Abs. 4. 35 Das deutsche UmwG sieht in § 123 Abs. 2 Nr. 1 für den Fall der Abspaltung zwingend die Gewährung von Aktien des übernehmenden an die Aktionäre des

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Teil 1: Grundlagen

Gewährung von Aktien des übernehmenden an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers und damit eine Kapitalerhöhung nicht erforderlich.36 Gem. § 17 Ziff. 5 Satz 1 öSpaltG i. V. m. § 224 Abs. 2 Ziff. 1 öAktG darf die übernehmende Gesellschaft von einer solchen Aktiengewährung absehen, soweit die Gesellschafter sowohl an der übernehmenden als auch an der übertragenden Gesellschaft im gleichen Verhältnis unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind.37 Von einer solchen mittelbaren Beteiligung ist insbesondere dann auszugehen, wenn es sich bei der übernehmenden Gesellschaft um eine 100%ige Tochtergesellschaft des übertragenden Rechtsträgers handelt.38 Der gem. § 17 Satz 1 öSpaltG i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 HS. 1 öSpaltG für diesen Transaktionsschritt erforderliche Zustimmungsbeschluss39 der Anteilsinhaber der BA-Alt erfolgte schließlich auf der Hauptversammlung vom 27. 9. 2000. Dort beschlossen die Aktionäre der BA-Alt mit einer Mehrheit von 99,8%40 des mit rund 62%41 anwesenden stimmberechtigten Kapitals die Vereinigung der beiden Gesellschaften. Damit war die weiterhin börsennotierte BA-Alt in eine reine Holding-Gesellschaft transformiert worden, während ihr gesamter Geschäftsbetrieb nunmehr in der nicht an der Börse notierten BA-Neu konzentriert war.

übertragenden Rechtsträgers vor. Unter Anwendung des deutschen UmwG wäre der erste Transaktionsschritt mittels Abspaltung daher nicht durchführbar gewesen. Ein vergleichbares Ergebnis hätte jedoch im Wege der Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG erreicht werden können; vgl. Weber-Rey/Schütz, AG 2001, 325 (326). 36 Eine Kapitalherabsetzung bei der übertragenden Gesellschaft BA-Alt war ebenfalls nicht erforderlich, da deren Grundkapital durch das verbleibende Restvermögen gem. der Spaltungsbilanz zum 31. 12. 1999 gedeckt war; vgl. insoweit den Spaltungs- und Übernahmevertrag BA/Sparkasse Stockerau v. 4. 9. 2000, § 5. 37 Dies gilt gem. § 17 Ziff. 5 Satz 1 öSpaltG i. V. m. § 224 Abs. 2 Ziff. 1 letzter HS. öAktG nur dann nicht, wenn das Absehen von der Aktiengewährung dem Verbot der Rückgewähr der Einlagen oder der Befreiung von Einlageverpflichtungen widerspricht. 38 Kalss, § 224 Rn. 6. 39 § 17 Satz 1 öSpaltG i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 HS. 1. öSpaltG fordert insoweit eine Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals. 40 Angabe lt. Bank Austria Creditanstalt, BA-Geschäftsbericht 2000, S. 4; abrufbar unter http://www.ba-ca.com unter der Rubrik „Investor Relations“, „Berichte/Finanzdaten“. 41 FAZ v. 28. 9. 2000 (Nr. 226), S. 25.

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b) Einbringung der BA-Neu-Beteiligung in die HVB In einem Anfang Dezember 2000 erfolgten zweiten Schritt brachte die BA-Alt ihre 100%ige Beteiligung an der BA-Neu in Form einer Sacheinlage gegen Gewährung von Aktien der HVB im Umtauschverhältnis 1 : 1 in diese ein.42 Auf Seiten der HVB erforderte dieser Schritt die Durchführung einer Kapitalerhöhung. Vollzogen wurde die Einbringung im Rahmen eines gem. § 202 i. V. m. § 205 AktG bestehenden genehmigten Kapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts der Alt-Aktionäre.43 Eines erneuten Beschlusses durch die Hauptversammlung der HVB bedurfte es damit nicht. Auf Seiten der BA-Alt ergab sich die Notwendigkeit eines Zustimmungsbeschlusses bereits daraus, dass es sich um die Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens handelte.44 Die erforderliche Zustimmung wurde auf der Hauptversammlung vom 27. 9. 2000 erteilt. Als Ergebnis dieses zweiten Transaktionsschritts stand eine 21%ige Beteiligung der BA-Alt an der deutschen HVB.45 Weiterhin war die BA-Neu durch die Anteilseinbringung zu einer 100%igen Tochtergesellschaft der HVB und uno actu zur Enkelgesellschaft ihrer vormaligen Mutter BA-Alt geworden. c) Verschmelzung der BA-Alt auf ihre Enkelgesellschaft BA-Neu In einem dritten und letzten Schritt wurde die BA-Alt schließlich mit Stichtag 31. 12. 2000 unter Zugrundelegung ihrer Schlussbilanz gem. §§ 219 ff. öAktG, Art. I (§§ 1–6) öUmgrStG auf ihre Enkelgesellschaft BANeu verschmolzen.46 Dem in § 219 Nr. 1 öAktG enthaltenen Grundsatz folgend, hätten dabei den Aktionären des übertragenden Rechtsträgers – der BA-Alt – Aktien des übernehmenden Rechtsträgers – der BA-Neu – gewährt werden müssen.47 Dies wäre nur mittels einer erneuten Kapitalerhöhung auf 42

Vgl. insoweit die Präambel des Spaltungs- und Übernahmevertrags BA/Sparkasse Stockerau v. 4. 9. 2000 sowie die Präambel des Verschmelzungsvertrags BAAlt/BA-Neu v. 4. 9. 2000. 43 Bereits im Zuge der letzten Hauptversammlung vor Bekanntgabe der Transaktion war mittels Satzungsänderung ein neues genehmigtes Kapital geschaffen worden; vgl. den Beschlussvorschlag für die 123. ordentliche Hauptversammlung der HVB, Bundesanzeiger v. 24. März 2000 (Nr. 59), S. 5075. 44 Gem. § 237 Abs. 1 öAktG ist die Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens einer AG grundsätzlich nur aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung zulässig, der einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals bedarf. 45 Dies entsprach einer Beteiligung i. H. v. 114 Millionen Aktien; HVB-Geschäftsbericht 2000 (Konzernabschluss und Perspektiven), S. 28. 46 Verschmelzungsvertrag BA-Alt/BA-Neu v. 4. 9. 2000, §§ 1, 2 Abs. 2, S. 3 f. 47 Die Vorschrift des § 219 Nr. 1 öAktG entspricht insoweit der Regelung in § 2 Nr. 1 des deutschen UmwG, wonach i. R. der Verschmelzung die Übertragung des

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Teil 1: Grundlagen

Seiten der BA-Neu zu bewerkstelligen gewesen. Hierauf wurde vorliegend jedoch verzichtet.48 Die Aktionäre der BA-Alt wurden vielmehr mit solchen Anteilen, die bislang von der BA-Alt an der HVB gehalten worden waren, abgefunden und auf diesem Weg unmittelbar an der HVB beteiligt.49 Nach Ansicht der Transaktionspartner war dieser Weg der unmittelbaren Beteiligung aufgrund einer analogen Anwendung von § 224 Abs. 3 öAktG gangbar.50 Gem. § 224 Abs. 3 öAktG sind, sofern der übertragende Rechtsträger Aktien an der übernehmenden Gesellschaft besitzt, diese, soweit erforderlich, zur Abfindung der Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers zu verwenden. Die unmittelbare Anwendung der Norm setzte folglich eine direkte Beteiligung von BA-Alt an BA-Neu voraus. Daran fehlte es zwar, jedoch hielten HVB und BA die Interessenlage für vergleichbar.51 Mit Beendigung dieses dritten Schritts hatte die Transaktion ihren endgültigen Abschluss gefunden. Die zuvor geschaffene Holding-Struktur war beseitigt worden. Die BA-Alt war im Wege eines sog. kalten Delistings von der Wiener Wertpapierbörse genommen worden und hatte ohne Abwicklung Vermögens als Ganzes gegen Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften des übernehmenden an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers zu erfolgen hat. 48 Verschmelzungsvertrag BA-Alt/BA-Neu v. 4. 9. 2000, § 3 Abs. 2. 49 Während der erste Transaktionsschritt die Rechte von Inhabern von Gewinn-, Wandel- und Optionsschuldverschreibungen sowie von Genussrechten und ähnlichen Rechten der BA-Alt gem. Spaltungs- und Übernahmevertrag BA/Sparkasse Stockerau v. 4. 9. 2000, § 7 Abs. 1 unverändert bestehen gelassen hatte, sah der Verschmelzungsvertrag BA-Alt/BA-Neu v. 4. 9. 2000, § 6 Abs. 1 vor, dass das Recht zur Umwandlung in Aktien durch die Gewährung von HVB-Anteilen durch den übernehmenden Rechtsträger zu erfüllen war. 50 § 224 Abs. 3 öAktG findet seine Entsprechung in § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des deutschen UmwG, wobei die deutsche Norm jedoch nicht zwingender Natur ist. Sinn und Zweck beider Normen ist es, das Entstehen eigener Aktien bei dem übernehmenden Rechtsträger zu verhindern und den Abbau vorhandener Bestände zu erleichtern; zu § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UmwG siehe Bermel, in: Goutier/Knopf/Tulloch, Umwandlungsrecht, § 68 Rn. 2; Rieger, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 68 UmwG Rn. 6; zu § 224 Abs. 3 öAktG siehe Kalss, § 224 Rn. 8. 51 So die Aussage der österreichischen Übernahmekommission in ihrer Stellungnahme v. 12. 9. 2000, S. 5. Weder der Verschmelzungsvertrag BA-Alt/BA-Neu v. 4. 9. 2000 noch der Gemeinsame Verschmelzungsbericht BA/Sparkasse Stockerau v. 17. 8. 2000 enthielten jedoch Aussagen zum Erfordernis einer Analogie. Eine Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission zu der gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit dieser Konstruktion erfolgte – wohl aufgrund fehlender Zuständigkeit – nicht. Aus der österreichischen Literatur kritisch – jedoch im Hinblick auf den Telos des öÜbG – Karollus/Geist, NZG 2000, 1145 (1149); den Analogieschluss unter gesellschaftsrechtlichen Aspekten, sowohl für das österreichische als auch das deutsche Recht, mit überzeugender Begründung ablehnend Weber-Rey/ Schütz, AG 2001, 325 (326 f.); a. A. im Hinblick auf die österreichische Rechtslage, jedoch ohne Begründung, Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (469).

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aufgehört zu existieren. Die BA-Neu stellte sich unverändert als 100%ige Tochtergesellschaft der HVB dar. Nach Abschluss der Transaktion wiesen die Beteiligungsverhältnisse an der HVB folgende Struktur auf: Aktionär Allianz 52

Anteil in% 13,6

AVZ

6,8

E.ON

6,7

Münchner Rück

3,5

Stiftungen des Landes Bayern

2,6

West-LB

1,7

Streubesitz

65,1

Quelle: Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000

Abbildung 4: HVB-Beteiligungsstruktur nach Durchführung der Transaktion

Stimmbindungsverträge, deren Existenz im Rahmen der Zurechnung von Stimmrechten nach § 23 öÜbG von Bedeutung gewesen wäre, bestanden zwischen den Aktionären der HVB nicht. Insbesondere gab es keine Vereinbarung über eine künftige Syndizierung zwischen der AVZ und anderen HVB-Aktionären.53 Eine Abstimmung des Verhaltens auf Hauptversammlungen erfolgte seinerzeit nach Informationen der HVB ebenfalls nicht. Auch fehlte es an Bestellungs- und Abberufungsrechten für die HVB-Organe; Unternehmensverträge waren ebenfalls keine geschlossen.54 52 Der früheren Großaktionärin der BA-Alt – der AVZ – wurden im Rahmen der Transaktion von einer der Münchner Rück-Gruppe zugehörigen Gesellschaft so viele Stimmrechte aus Anteilen übertragen, wie die AVZ benötigte, um zweitgrößter Aktionär der HVB zu werden; vgl. hierzu die Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 7. 53 Eine Syndizierung erfolgte jedoch im Hinblick auf die seitens der HVB auf die AVZ übertragenen 10.000 Stück Namensaktien der BA-Neu. Diese AVZ-Aktien wurden mit denen von der HVB gehaltenen BA-Neu-Aktien zur Sicherung des Fortbestehens der BA-Neu als österreichische Bank syndiziert. Damit sollte eine Filialisierung der BA-Neu ebenso ausgeschlossen werden wie ein Sektorwechsel; vgl. FAZ v. 28. 9. 2000 (Nr. 226), S. 25. 54 Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 8.

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Teil 1: Grundlagen

II. Die Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission Vor dem Hintergrund dieser Transaktion entschloss sich die österreichische Übernahmekommission schließlich zu der Abgabe einer Stellungnahme nach § 29 Abs. 1 Satz 4 öÜbG.55 Zu dieser veranlasst sah sich deren 1. Senat insbesondere aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der Transaktion, des großen öffentlichen Interesses sowie der kontrovers geführten fachlichen Diskussion über die Anwendbarkeit des öÜbG auf Sachverhaltsgestaltungen der Verschmelzung und Spaltung.56 In ihrer ohne Gegenstimme beschlossenen Stellungnahme setzte sich die österreichische Übernahmekommission im Wesentlichen mit den folgenden zwei Fragen auseinander: (1) Ist die Transaktion selbst, d.h. als solche, ein öffentliches Angebot i. S. d. öÜbG und (2) löst die Transaktion als Rechtsfolge die Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots nach § 22 Abs. 1 öÜbG aus?57 1. Ergebnis der Prüfung Nach einer umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Würdigung der Transaktion kam die österreichische Übernahmekommission hinsichtlich der Beantwortung der aufgeworfenen Fragen zu den folgenden Ergebnissen: (1) Eine Transaktion, wie sie nach der Ad-hoc-Mitteilung vom 22. 7. 2000 zwischen HVB und BA angekündigt war, ist nicht als öffentliches Über55 § 29 Abs. 1 Satz 4 öÜbG begründet die Zuständigkeit der österreichischen Übernahmekommission im Hinblick auf die Erstattung von Stellungnahmen, die Beratung und gütliche Beilegung von Meinungsverschiedenheiten bei der Anwendung des öÜbG. Da die Transaktion zum Zeitpunkt der Stellungnahme von den Parteien noch nicht durchgeführt worden war, kam es nicht zu einer Verfahrenseinleitung von Amts wegen gem. § 33 Abs. 1 öÜbG. 56 Zu der im Rahmen der Transaktion aufgeworfenen Frage nach der Anwendbarkeit der Pflichtangebotsregelung auf Sachverhaltsgestaltungen der Verschmelzung und Spaltung Stellung bezogen hatten zu diesem Zeitpunkt bereits Huber/Löber, ÜbG, § 23 Rn. 92 f.; Kalss/Winner, ÖBA 2000, 51 ff. sowie Nowotny, RdW 2000, 330 f. 57 Darüber hinaus nahm die österreichische Übernahmekommission zu zwei weiteren im Zuge der Transaktion aufgetauchten Fragen Stellung, welche jedoch nicht das hier diskutierte Verhältnis von Umwandlungs- und Übernahmerecht betrafen und daher bei der weiteren Erörterung außer Betracht bleiben sollen. Es waren dies die Frage nach dem Bestehen einer Verpflichtung der HVB zur Abgabe eines Angebots an die Gesellschafter der von der BA kontrollierten börsennotierten Gesellschaften sowie das Problem der Stellung der Inhaber der an der Luxemburger Börse notierten Wandelschuldverschreibungen nach dem öÜbG; siehe zu diesen beiden Aspekten die Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 20 ff.

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nahmeangebot i. S. d. öÜbG zu qualifizieren.58 (2) Als Rechtsfolge der Transaktion ergibt sich keine Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots nach § 22 öÜbG.59 Eine Qualifizierung der Transaktion als Übernahmeangebot i. S. d. § 1 Ziff. 1 öÜbG hätte die Eröffnung des Anwendungsbereichs der verfahrensbezogenen Vorschriften des 2. Teils des öÜbG nach sich gezogen.60 Als Folge hätte sich vor dem Hintergrund der Verweisung in § 22 Abs. 11 öÜbG sodann die Frage nach der Anwendbarkeit auch des 3. Teils des öÜbG gestellt.61 Aufgrund der schon negativen Bescheidung der ersten Frage erübrigte sich jedoch eine Erörterung der sich anschließenden weiteren Fragestellung. Wenn damit die Anwendung der Vorschriften des 3. Teils des öÜbG zwangsläufig ausscheiden musste, so beschränkte sich diese Feststellung jedoch nur auf die Frage der Qualifizierung der Transaktion als Übernahmeangebot i. S. d. § 22 Abs. 11 öÜbG. Noch keine Aussage war damit hinsichtlich der Frage getroffen, ob eine Transaktion der vorliegenden Art eine Kontrollerlangung im übernahmerechtlichen Sinne bewirken und infolgedessen dem Anwendungsbereich der Vorschriften über das Pflichtangebot unterliegen kann. Dies war allein Gegenstand der von der österreichischen Übernahmekommission aufgeworfenen zweiten Frage, welche unabhängig von diesem Ergebnis zu beantworten war. 2. Rechtliche Herleitung a) Qualifizierung der Transaktion als öffentliches Übernahmeangebot? In einem ersten Prüfungsschritt untersuchte der 1. Senat der österreichischen Übernahmekommission, ausgehend von der Definition des Übernahmeangebots in § 1 Ziff. 1 öÜbG, die Anwendung der Vorschriften des 2. Teils des öÜbG auf die vorliegende Transaktion.62 § 1 Ziff. 1 öÜbG definiert das Übernahmeangebot als „öffentliches Angebot an die Inhaber von 58

Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 1. Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 1. 60 Der 2. Teil des öÜbG („Freiwillige öffentliche Übernahmeangebote“) entspricht seinem Regelungsgegenstand nach dem dritten Abschnitt des WpÜG („Angebote zum Erwerb von Wertpapieren“). Die Bezeichnung „Freiwillige öffentliche Übernahmeangebote“ ist indes insoweit irreführend, als der 2. Teil des öÜbG auch solche Angebote erfasst, die nicht auf den Erwerb einer Kontrollmehrheit gerichtet sind. 61 Gem. § 22 Abs. 11 öÜbG sind die Bestimmungen über Pflichtangebote auch auf solche freiwilligen Angebote anzuwenden, nach deren Inhalt der Bieter eine kontrollierende Beteiligung an der Zielgesellschaft erlangen könnte. 62 Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 10. 59

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Teil 1: Grundlagen

Beteiligungspapieren einer Aktiengesellschaft zum Erwerb eines Teils oder aller Beteiligungspapiere gegen Barzahlung oder im Austausch gegen andere Wertpapiere“. Dabei gelangte die österreichische Übernahmekommission zu dem Ergebnis, dass von einem Angebot in diesem Sinne nur dann ausgegangen werden könne, wenn jedem einzelnen Aktionär eine individuelle Entscheidungsmöglichkeit über die Annahme oder Ablehnung zukomme. Hieran mangele es vorliegend jedoch aufgrund der Entscheidungsfindung im Wege des Verbandsbeschlusses. Bereits unter Zugrundelegung des Wortlauts sei die Anwendung des 2. Teils des öÜbG auf den vorliegenden Sachverhalt daher abzulehnen.63 Sodann setzte die österreichische Übernahmekommission ihre Untersuchung mit der Prüfung einer möglichen analogen Anwendung der Vorschriften betreffend Übernahmeangebote fort.64 Dabei gelangte sie unter Heranziehung der Gesetzesmaterialien65 zum öÜbG zu dem Ergebnis, dass Übernahmeangebote nach dem Willen des Gesetzgebers neben der Spaltung und der Verschmelzung nur eine Rechtstechnik zur Kontrollerlangung über eine Gesellschaft seien.66 Da dem gesetzgeberischen Willen nicht unmittelbar zu entnehmen sei, dass auf Verschmelzungen und vergleichbare Vorgänge zur Kontrollerlangung prinzipiell die Regeln des öÜbG Anwendung finden sollen, fehle es an der für eine Analogie erforderlichen echten Lücke des öÜbG.67 Zudem seien die Sachverhalte nicht völlig gleich gelagert,68 da das öÜbG die Aktionäre vor der Konzernierung ihrer Gesellschaft schütze, eine solche Gefährdung aufgrund der Beteiligung der Aktionäre im Rahmen des Hauptversammlungsbeschlusses aber weder bei einer Verschmelzung noch bei der vorliegenden Transaktion bestehe.69 Daher müsse eine pauschale analoge Anwendung des öÜbG auf gesellschaftsrechtlich geregelte Sachverhalte ausscheiden.70 Ausdrücklich offen ließ die österrei63

Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 10. Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 10 ff. 65 Erläuterungen zur Regierungsvorlage des ÜbG (1276 BlgNR XX.GP); abrufbar unter http://www.takeover.at unter der Rubrik „Recht“, „Erläuterungen“. 66 Erläuterungen zur Regierungsvorlage des ÜbG (1276 BlgNR XX.GP), S. 2. 67 Zur Gesetzeslücke als unabdingbare Voraussetzung eines Analogieschlusses, Bydlinski, S. 472 ff.; Canaris, S. 16, 25; Larenz, S. 370 ff. 68 Zu dem weiteren Erfordernis der Vergleichbarkeit des zu beurteilenden mit dem vom Gesetzgeber geregelten Sachverhalt, Bydlinski, S. 475 ff.; Larenz, S. 381 ff. 69 Die österreichische Übernahmekommission bezeichnet die HVB/BA-Transaktion auf S. 11 ihrer Stellungnahme v. 12. 9. 2000 ausdrücklich als „verschmelzungsähnliche Transaktion“. 70 In diesem Zusammenhang weist die österreichische Übernahmekommission insbesondere auch auf die mit einer pauschalen analogen Anwendung einhergehen64

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chische Übernahmekommission jedoch die Möglichkeit einer analogen Anwendung einzelner Regelungen des 2. Teils des öÜbG.71 b) Angebotspflicht als Rechtsfolge der Transaktion? Wurde im Rahmen der ersten Fragestellung untersucht, ob die vorliegende Transaktion als Angebot i. S. d. öÜbG zu qualifizieren ist, so war nunmehr zu klären, ob als rechtliche Folge der Transaktion die Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots nach § 22 Abs. 1 öÜbG ausgelöst wurde. Auch im Hinblick auf diese zweite Frage kam die österreichische Übernahmekommission unter Auslegung des Wortlauts der nämlichen Vorschrift zunächst zu dem Ergebnis, dass eine unmittelbare Anwendung des öÜbG ausscheide, komme es doch weder in Folge der einzelnen Transaktionsschritte noch bei einer Gesamtbetrachtung zu einer Kontrollerlangung an einem börsennotierten Rechtsträger.72 In der sich anschließenden Untersuchung der Analogiefähigkeit des § 22 Abs. 1 öÜbG bejahte die österreichische Übernahmekommission dann jedoch sowohl das Vorliegen einer Gesetzeslücke als auch die Vergleichbarkeit der Interessenlage.73 So entspreche es dem Sinn und Zweck des § 22 Abs. 1 öÜbG, den außenstehenden Aktionären bei erstmaligem Entstehen einer kontrollierenden Beteiligung oder deren Wechsel eine Austrittsmöglichkeit zu gewähren, und zwar unabhängig davon, auf welchem Weg die Kontrolle erlangt wurde.74 Dabei sei die Frage, ob ein Kontrollwechsel vollzogen wurde aus der Sicht der betroffenen Aktionäre zu beurteilen, deren Schutz das öÜbG intendiere. Bei der gegenständlichen Transaktion den praktischen Schwierigkeiten hin, welche sich bereits aus einer kumulativen Anwendung der zahlreichen unterschiedlichen Fristenregelungen ergeben würden; Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 14. 71 Von der österreichischen Übernahmekommission als Beispiel genannt wird hier das in § 16 öÜbG niedergelegte Verbot von Paralleltransaktionen, siehe hierzu die Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 14. Dem WpÜG ist ein solches Verbot von Parallelerwerben fremd. § 31 Abs. 4 WpÜG enthält, als Ausfluss des Gleichbehandlungsgrundsatzes, für den Fall wertmäßig höherer Parallelerwerbe eine kraft Gesetzes eintretende Angleichung der ursprünglich festgesetzten Gegenleistung. Eine vergleichbare Regelung beinhaltet § 16 Abs. 2 öÜbG für den Fall des Verstoßes gegen das Verbot aus Abs. 1. 72 Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 15 f. 73 Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 16 ff. 74 An dieser Stelle verweist die österreichische Übernahmekommission auf die Gesetzesmaterialien, wonach es „irrelevant ist, wie diese kontrollierende Beteiligung zu Stande gekommen ist“; vgl. insoweit die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des ÜbG (1276 BlgNR XX.GP), S. 24.

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komme es einzig und allein darauf an, ob sich die ehemaligen Aktionäre der BA-Alt in Folge der Gesamttransaktion einem kontrollierenden Aktionär der HVB ausgesetzt sähen.75 Da die Beteiligungsstruktur der HVB nach Abschluss der Transaktion jedoch keinen kontrollierenden Aktionär auswies76 und sich auch über die Zurechnung von Stimmrechten kein abweichendes Ergebnis darbot,77 verneinte die österreichische Übernahmekommission im vorliegenden Fall das Bestehen einer Angebotspflicht nach § 22 Abs. 1 öÜbG.78 3. Bewertung Die österreichische Übernahmekommission hat in ihrer Stellungnahme vom 12. 9. 2000 eine Anwendung der Vorschriften sowohl des 2. als auch des 3. Teils des öÜbG auf die Transaktion abgelehnt. Während im ersten Fall bereits die Anwendbarkeit des öÜbG auf das umwandlungsrechtliche Verfahren als solches verneint wurde, bejahte die österreichische Übernahmekommission im zweiten Fall zwar die Möglichkeit einer Kontrollerlangung auch im Wege der Verschmelzung, sah den nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 öÜbG erforderlichen Tatbestand des „Erlangens einer kontrollierenden Beteiligung“ im gegenständlichen Fall jedoch als nicht erfüllt an. Auffallend, und bei genauerer Analyse überraschend, ist an der Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission zunächst die im Rahmen beider Fragestellungen erfolgte ausführliche theoretische Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Übernahme- und Umwandlungsrecht, bezeichnet der 1. Senat die Transaktion in ihrer Stellungnahme doch selbst als lediglich „verschmelzungsähnliche Konstruktion“.79 Während zu Beginn der rechtlichen Betrachtung noch auf die Notwendigkeit hingewiesen wird, die Transaktion in ihrer Gesamtheit und nicht etwa nur im Hinblick auf einzelne Transaktionsschritte zu würdigen,80 entfernt sich die österreichische 75

Hierbei soll es nach Ansicht der österreichischen Übernahmekommission sogar unerheblich sein, ob es sich bei dem übernehmenden Rechtsträger um eine börsennotierte Gesellschaft handelt; Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 18. 76 Zur HVB-Beteiligungsstruktur siehe oben Abb. 4 unter Teil 1 A. I. 2. c), S. 39. Zu der Frage der Zurechnung von Stimmrechten bei der vorliegenden Transaktion vgl. die Ausführungen unter Teil 1 A. I. 2. c), S. 39. 77 Vgl. oben Teil 1 A. 2. c), S. 39. 78 Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 19. 79 Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 11. 80 Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 11.

A. Fusion Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG/Bank Austria AG

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Übernahmekommission im Verlauf ihrer Ausführungen zusehends von ihrer eigenen Vorgabe. In das Zentrum der Erörterung rückt die abstrakte rechtliche Analyse des Verhältnisses von Übernahme- und Umwandlungsrecht. Jedenfalls betreffend die Anwendbarkeit der Pflichtangebotsregelung zeigt die Auflösung dieses Konkurrenzverhältnisses jedoch höchstens Relevanz für die rechtliche Beurteilung des dritten und letzten Transaktionsschritts. Zur Ablehnung der Angebotspflicht im gegenständlichen Fall hätte es im Grunde nur knapper Ausführungen bedurft, konnte das Vorliegen einer Kontrollposition aufgrund der Aktionärsstruktur der HVB doch offensichtlich ausgeschlossen werden.81 Die insoweit dennoch erfolgte ausführliche Auseinandersetzung mit dem Verhältnis übernahme- und umwandlungsrechtlicher Regelungen verwundert um so mehr, als nach Ansicht der österreichischen Übernahmekommission das die Angebotspflicht auslösende Ereignis nicht in der die Transaktion abschließenden Verschmelzung, sondern allenfalls in der im zweiten Transaktionsschritt erfolgten Einbringung der Aktien in die HVB hätte gesehen werden können.82 Erscheint somit die Fusion HVB/BA in ihrer Gesamtheit nicht als typischer Anwendungsfall für die hier zu erörternde Problematik, so verliert dieser Eindruck bei isolierter Betrachtung des abschließenden dritten Transaktionsschritts deutlich an Kontur. Sieht man hier von der ohnehin zweifelhaft erscheinenden83 analogen Anwendung des § 224 Abs. 3 öAktG ab, so hätten die BA-Alt-Aktionäre Anteile der BA-Neu erhalten müssen und wären damit, ohne jeglichen Zweifel, unter die Kontrolle der HVB geraten. Insoweit hätten sich zumindest im Rahmen des dritten Transaktionsschritts die hier im Hinblick auf WpÜG und UmwG zu untersuchenden Fragen gestellt. Dass die österreichische Übernahmekommission dennoch auch bei der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung ausführlich zu dem Verhältnis von Übernahme- und Umwandlungsrecht, insbesondere zu der Frage nach dem Auslösen der Angebotspflicht, Stellung genommen hat, lässt sich letztlich nur damit erklären, dass es dem Aufsichtsgremium offensichtlich in besonderem Maße auf Rechtssicherheit bringende Aussagen auf einem verstärkt aufkeimenden Diskussionsfeld ankam, das die an Unternehmensübernahmen Beteiligten ebenso wie die Akteure am österreichischen Finanzmarkt zunehmend verunsicherte. Dafür kann die Transaktion HVB/BA als willkommener Anlass gesehen werden. Insoweit ist festzuhalten, dass die von der österreichischen Übernahmekommission in ihrer Stellungnahme vom 81

Zur HVB-Beteiligungsstruktur vgl. Abb. 4 unter Teil 1 A. I. 2. c), S. 39. So die österreichische Übernahmekommission in ihrer Stellungnahme v. 12. 9. 2000, S. 17; zu dem möglichen rechtlichen Gehalt dieser Aussage siehe Binder/Kohl, ecolex 2000, 875 (877); Diregger/Ullmer, wbl 2002, 97 (101). 83 Ausführlich Karollus/Geist, NZG 2000, 1145 (1149); Weber-Rey/Schütz, AG 2001, 325 (326 f.). 82

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Teil 1: Grundlagen

12. 9. 2000 getätigten Aussagen zu dem Verhältnis von Umwandlungs- und Übernahmerecht zwar von grundlegender Bedeutung sind. Durch die Transaktion HVB/BA veranlasst waren sie – zumindest in diesem Umfang – jedoch nicht.

B. Grundlagen der Regelung von Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren nach dem WpÜG I. Ziel des Gesetzes Das „Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen“, als dessen Art. 1 das WpÜG verabschiedet wurde, wird von der Bundesregierung als wesentlicher Beitrag zu dem Gesamtkonzept der nachhaltigen Modernisierung des Standorts Deutschland im Hinblick auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze gesehen.84 Das WpÜG selbst soll Leitlinien für ein faires und geordnetes Angebotsverfahren schaffen, ohne Unternehmensübernahmen zu fördern oder zu verhindern.85 Information und Transparenz für die an Unternehmensübernahmen und anderen öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren Beteiligten sollen verbessert sowie die rechtliche Stellung von Minderheitsaktionären gestärkt werden.86 Anhand dieser Ausführungen in der Gesetzesbegründung lässt sich die vom Gesetzgeber mit Erlass des WpÜG verfolgte Zielsetzung deutlich erkennen: Sie liegt im Schutz und in der Stärkung der Funktionsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts87 und damit in der Erhöhung seiner Attraktivität für institutionelle wie auch private Anleger.88

II. Anwendungsbereich des Gesetzes Nach der Regelung des § 1 WpÜG ist das WpÜG anzuwenden auf Angebote zum Erwerb von Wertpapieren, die von einer Zielgesellschaft ausgege84

Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034, S. 27. Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034, S. 28. 86 Dabei soll das WpÜG sich an international üblichen Standards orientieren. Hiermit soll den Anforderungen der Globalisierung und der Finanzmärkte angemessen Rechnung getragen und der Wirtschaftsstandort und Finanzplatz Deutschland im internationalen Wettbewerb weiter gestärkt werden; Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034, S. 28. 87 Zehetmeier-Müller, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, Einl. Rn. 45. 88 Steinmeyer/Häger, WpÜG, Einl. Rn. 14. 85

B. Grundlagen zum Erwerb von Wertpapieren nach dem WpÜG

47

ben wurden und zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind.89 1. Sachlicher Anwendungsbereich a) Fehlende Aussagekraft des § 1 WpÜG Mit der Formulierung in § 1 WpÜG, so könnte man meinen, legt das Gesetz abstrakt, d.h. losgelöst von den Tatbestandsvoraussetzungen der Einzelvorschriften, die Tatbestandsmerkmale fest, die erfüllt sein müssen, um in den Regelungsbereich des Gesetzes in seiner Gesamtheit zu gelangen.90 Dies entspricht jedoch insoweit nicht exakt dem tatsächlichen Aussagegehalt der Vorschrift, als das Gesetz das aktuelle Vorliegen eines Angebots für die Eröffnung seines Anwendungsbereichs gerade nicht voraussetzt. Vielmehr entfaltet das WpÜG seinen Schutz – wie die Regelungen der §§ 10, 17, 28 sowie 35 WpÜG zeigen – mitunter bereits im Vorfeld der Abgabe eines Angebots.91 Mit dem Wortlaut des § 1 WpÜG ist diese „Vorverlagerung“ des Anwendungsbereichs einzelner Vorschriften freilich ohne weiteres zu vereinbaren.92 Soweit § 1 WpÜG von „Angeboten“ spricht, auf die das Gesetz anzuwenden sei, ist dies im weitestmöglichen Sinne zu verstehen.93 Hierunter lassen sich neben den Fällen bereits vorliegender Angebote auch all jene Sachverhaltsgestaltungen fassen, die Angebote i. S. d. WpÜG in irgendeiner Weise berühren, handelt es sich nun um die Entscheidung zur Abgabe eines solchen Angebots gem. § 10 WpÜG, das Verbot der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten gem. § 17 WpÜG, die Veröffentlichung von Werbung im Zusammenhang mit Angeboten gem. § 28 WpÜG oder die für den Fall der 89 Zum Anwendungsbereich des WpÜG ausführlich Versteegen, in: KK-WpÜG, § 1 Rn. 1 ff.; Wackerbarth, in: MünchKomm-AktG, § 1 WpÜG Rn. 3 ff. 90 Die Tendenz des Gesetzgebers, den Einzelregelungen von Gesetzen einleitend Vorschriften betreffend den Anwendungsbereich voranzustellen, ist in der jüngeren Vergangenheit verstärkt zu beobachten, so etwa auch in § 1 WpHG und in § 1 SpruchG; zu dieser Regelungstechnik und ihrem Vorbild im anglo-amerikanischen Recht siehe Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 1 Rn. 1. 91 Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 1 Rn. 4 f. und 11; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 1 Rn. 1; Schüppen, in: FrankfKomm-WpÜG, § 1 Rn. 5; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 1 Rn. 5; Versteegen, in: KK-WpÜG, § 1 Rn. 18. 92 Wie hier Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 1 Rn. 4. Nach a. A. soll der Gesetzgeber mit seiner Bezugnahme auf „Angebote“ in § 1 WpÜG den Anwendungsbereich des Gesetzes letztlich zu eng beschrieben haben; so Schüppen, in: FrankfKomm-WpÜG, § 1 Rn. 5; Wackerbarth, in MünchKomm-AktG, § 1 WpÜG Rn. 5 ff. 93 So auch Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 1 Rn. 4.

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Teil 1: Grundlagen

Kontrollerlangung durch das Gesetz in § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ausgesprochene Verpflichtung zur Abgabe eines eben solchen Angebots. Indes ändert dies nichts daran, dass § 1 WpÜG den Anwendungsbereich des Gesetzes letztlich nur kursorisch umreißt, ohne dass hiermit eine konkrete, einer Subsumtion zugängliche Festlegung einzelner Anwendungsvoraussetzungen verbunden wäre.94 Der sachliche Anwendungsbereich des WpÜG ist vielmehr primär aus seinen Einzelvorschriften abzuleiten,95 vermögen diese ihn – wie das Beispiel der §§ 10, 17, 28, 35 WpÜG zeigt – doch wesentlich präziser zu formulieren als die den Regelungen vorangestellte Vorschrift des § 1 WpÜG.96 b) Begriffsbestimmungen des § 2 WpÜG Die für die Bestimmung des gesetzlichen Anwendungsbereichs maßgeblichen Begrifflichkeiten hat der Gesetzgeber in § 2 WpÜG legal definiert.97 Im Mittelpunkt steht dabei die Definition des Angebots in § 2 Abs. 1 WpÜG. Hiernach sind Angebote freiwillige oder auf Grund einer Verpflichtung nach dem Gesetz erfolgende öffentliche Kauf- oder Tauschangebote zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft. Was das Gesetz unter „Wertpapieren einer Zielgesellschaft“ versteht, ergibt sich wiederum aus § 2 Abs. 2 und 3 WpÜG. Darüber hinaus definiert § 2 WpÜG fünf weitere im WpÜG gebrauchte Begriffe, darunter den des Wertpapiers, den des Bieters sowie den des organisierten Markts.98 2. Örtlicher Anwendungsbereich Den örtlichen Anwendungsbereich des WpÜG hat der Gesetzgeber in § 1 i. V. m. § 2 Abs. 3 WpÜG auf Zielgesellschaften beschränkt, die ihren Sitz im Inland, also in der Bundesrepublik Deutschland haben. Dabei handelt es sich in der Regel um den satzungsmäßigen Gesellschaftssitz i. S. d. § 5 94 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 1 Rn. 1; Schüppen, in: FrankfKomm-WpÜG, § 1 Rn. 1 f. 95 So jedenfalls i. E. auch Wackerbarth, in: MünchKomm-AktG, § 1 WpÜG Rn. 8. 96 Gleichwohl kann es sich unter Umständen im Einzelfall als erforderlich erweisen, auf die Vorgaben des § 1 WpÜG ergänzend zurückzugreifen; zu einem solchen Fall unten Teil 4 E. I. 1. a) bb), S. 182 f. 97 Die dortigen Definitionen gelten für sämtliche im WpÜG geregelten Angebotsarten, also für Übernahme- und Pflichtangebote ebenso wie für allgemeine Erwerbsangebote; siehe Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 2 Rn. 1. 98 Ausführlich zu den Legaldefinitionen des § 2 WpÜG, Versteegen, in: KKWpÜG, § 2 Rn. 9 ff.; Wackerbarth, in: MünchKomm-AktG, § 2 WpÜG Rn. 8 ff.

B. Grundlagen zum Erwerb von Wertpapieren nach dem WpÜG

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Abs. 1 AktG.99 Für den Fall des Auseinanderfallens von tatsächlichem und statuarischem Verwaltungssitz kommt es nach den allgemeinen Regeln des deutschen Internationalen Gesellschaftsrechts auf den effektiven Sitz der Hauptverwaltung an.100

III. Aufbau und wesentlicher Inhalt des Gesetzes Im Rahmen der Einführung wurde bereits darauf hingewiesen,101 dass das WpÜG im Wesentlichen zwei Themenbereiche regelt: zum einen das bei öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren einzuhaltende Verfahren und zum anderen das so genannte Pflichtangebot. Dieser Grobeinteilung folgt letztlich auch die Systematik des Gesetzes.102 1. Allgemeine Grundsätze Vergleichbar mit den übernahmerechtlichen Kodifikationen anderer Staaten103 hat der Gesetzgeber den beiden Hauptregelungsbereichen des Gesetzes in § 3 WpÜG allgemeine, diese leitende Rechtsgrundsätze vorangestellt.104 Namentlich sind dies der Gleichbehandlungsgrundsatz (Abs. 1), das Transparenzgebot (Abs. 2), Verhaltenspflichten der Verwaltung der Zielgesellschaft (Abs. 3), der Beschleunigungsgrundsatz (Abs. 4) sowie das Verbot der Schaffung von Marktverzerrungen (Abs. 5).105 Diese allgemeinen Grundsätze sind, ihrem vor die Klammer gezogenen Erscheinungsbild 99

Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 1 Rn. 6. So wie hier Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 1 Rn. 40 ff.; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 1 Rn. 6; so auch schon Mülbert, ZIP 2001, 1221 (1228) zum RegE-WpÜG sowie v. Hein, AG 2001, 213 (231) und Thaeter/Barth, NZG 2001, 545 (546), jeweils zum RefE-WÜG. Zur Gegenansicht, die allein auf den statuarischen Sitz abstellen will, siehe Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 94 f.; Schüppen, in: FrankfKomm-WpÜG, § 2 Rn. 30; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 1 Rn. 23; Versteegen, in: KK-WpÜG, § 2 Rn. 107 f. 101 Oben Einf., S. 23. 102 Dabei ist der Gesetzgeber nach dem sog. Baukastenprinzip vorgegangen; hierzu Hirte, in: KK-WpÜG, Einl. Rn. 85; Thoma, NZG 2002, 105 (106). 103 So z. B. die General Principles des City Code on Takeovers and Mergers, wie auch § 3 öÜbG. Ebenso wie ihr am 4. 7. 2001 gescheiterter Vorgänger (dort Art. 5), statuiert auch die Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21. 4. 2004 betreffend Übernahmeangebote (ABl. EU Nr. L 142 v. 30. 4. 2004, S. 12 ff.) in ihrem Art. 3 allgemeine Grundsätze, die von den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung in nationales Recht zu berücksichtigen sind. 104 Ausführlich zur Wirkungsweise dieser Grundsätze unter dem Aspekt ihrer methodischen Einordnung als Rechtsprinzipien Fleischer/Kalss, S. 71; allgemein zur Funktion und Wirkungsweise von Rechtsprinzipien Bydlinski, S. 132 f.; Larenz, Richtiges Recht, S. 23 ff. 100

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Teil 1: Grundlagen

entsprechend, bei jedem auf der Grundlage des WpÜG erfolgenden Angebot zu berücksichtigen.106 Ausweislich der Gesetzesbegründung soll mit ihrer Normierung grundlegenden Wertungen des Gesetzgebers Ausdruck verliehen und damit dem Rechtsanwender ein Hilfsmittel zur Auslegung der Einzelregelungen des WpÜG zur Seite gestellt werden.107 2. Verfahrensbezogene Vorschriften Verfahrensbezogene Vorschriften enthalten die Abschnitte 3 (§§ 10 ff. WpÜG) und 4 (§§ 29 ff. WpÜG) des WpÜG. Ihre Anwendung macht das Gesetz von einer bestimmten Handlungsweise des Bieters am Markt abhängig.108 Anknüpfungspunkt ist die Abgabe eines öffentlichen Angebots (zum Erwerb von Wertpapieren).109 Geregelt wird dabei der Erwerbsvorgang als solcher. In Abhängigkeit von der inhaltlichen Ausgestaltung des Erwerbsangebots unterscheidet das Gesetz in §§ 10 ff. WpÜG und §§ 29 ff. WpÜG zwischen allgemeinen öffentlichen Erwerbsangeboten110 und Übernahmeangeboten. a) Allgemeine öffentliche Erwerbsangebote Allgemeine öffentliche Erwerbsangebote sind im dritten Abschnitt des WpÜG in §§ 10–28 WpÜG normiert.111 Es handelt sich hierbei um den 105 Ausführlich zu den einzelnen Grundsätzen und ihren Ausprägungen Fleischer/ Kalss, S. 72 ff.; Wackerbarth, in: MünchKomm-AktG, § 3 WpÜG Rn. 4 ff.; Zehetmeier-Müller, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, Einl. Rn. 57 ff. 106 Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 3 Rn. 1; so ausdrücklich auch die Begründung zu § 3 RegE-WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 35. 107 Begründung zu § 3 RegE-WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 35. Dazu, dass sich zum Teil Widersprüche zwischen einzelnen Vorschriften und den allgemeinen Grundsätzen ergeben, Krause, NJW 2002, 705 (707). 108 Baum, AG 2003, 144. 109 Darauf, dass einzelne Vorschriften ihren Schutz mitunter bereits im Vorfeld der Abgabe eines Angebots entfalten, wurde bereits hingewiesen; oben Teil 1 B. II. 1. a), S. 47 f. 110 Der Gesetzgeber spricht in den Gesetzgebungsmaterialien schlicht von „Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren“. In Abgrenzung von Übernahme- und Pflichtangeboten soll im Folgenden jedoch die Begrifflichkeit des „allgemeinen öffentlichen Erwerbsangebots“ verwendet werden; so etwa auch der Sprachgebrauch bei Hirte, in: KK-WpÜG, Einl. Rn. 85; z. T. wird auch von „einfachen Erwerbsangeboten“ gesprochen; so etwa Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, Einf. Rn. 5. 111 Der DiskE-ÜG v. 12. 6. 2000 beschränkte sich demgegenüber noch auf die Regelung von Übernahme- und Pflichtangeboten. Allgemeine öffentliche Erwerbsangebote haben erst durch den RefE-WÜG v. 12. 3. 2001 Eingang in das Gesetzes-

B. Grundlagen zum Erwerb von Wertpapieren nach dem WpÜG

51

Grundtypus der im WpÜG geregelten Angebotsarten.112 Ihrem Inhalt nach sind allgemeine öffentliche Erwerbsangebote entweder auf den Erwerb einer Beteiligung gerichtet, die unterhalb der Kontrollschwelle von 30% der Stimmrechte liegt (sog. Einstiegsangebote),113 oder aber sie erfolgen aus einer Position heraus, in der es um die Aufstockung einer bereits bestehenden Kontrollbeteiligung geht (sog. Aufstockungsangebote).114 In §§ 10–28 WpÜG stellt das Gesetz bestimmte Mindestanforderungen auf, die sowohl den Inhalt des Angebots als auch das von den beteiligten Parteien einzuhaltende Angebotsverfahren betreffen.115 Unter anderem regelt das Gesetz die Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots (§ 10 WpÜG), die Ausgestaltung116 und Veröffentlichung der Angebotsunterlage (§§ 11, 14 WpÜG), die Finanzierung des Angebots (§ 13 WpÜG), etwaige Änderungen desselben (§ 21 WpÜG) sowie die Behandlung konkurrierender Angebote (§ 22 WpÜG). Ihrem Regelungszweck nach zielen die Vorschriften des dritten Abschnitts vor allem auf die informationelle und prozedurale Gleichbehandlung der Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft ab117 und sind somit Ausdruck der in § 3 WpÜG niedergelegten allgemeinen Grundsätze.118 b) Übernahmeangebote In Abgrenzung zu den allgemeinen öffentlichen Erwerbsangeboten zeichnen sich die in Abschnitt 4 (§§ 29–34 WpÜG) des Gesetzes geregelten Übernahmeangebote nach der Legaldefinition des § 29 Abs. 1 WpÜG dadurch aus, dass sie auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet werk gefunden, was sich letztlich auch in der Umfirmierung des Gesetzes von „ÜG“ über „WÜG“ hin zu „WpÜG“ widerspiegelt; vgl. zu dieser Entwicklung ausführlich unten Teil 2 B. III. 2., S. 72 ff. 112 Vgl. hierzu auch Hirte, in: KK-WpÜG, Einl. Rn. 85, der insoweit vom „Grundfall des (allgemeinen) Angebots zum Erwerb von Wertpapieren“ spricht. 113 Der Begriff des „Einstiegsangebots“ ist insoweit jedoch unpräzise, als nicht nur Erwerbsangebote erfasst werden, die auf eine erstmalige Beteiligung an der Zielgesellschaft gerichtet sind, sondern alle Angebote – und damit auch Angebote, mit denen die Aufstockung einer bereits bestehenden Beteiligung betrieben wird –, sofern sie nur auf einen Stimmrechtserwerb von unter 30% abzielen. 114 Charakteristisches Merkmal allgemeiner öffentlicher Erwerbsangebote ist mithin ihre Kontrollneutralität; hierzu v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 29 Rn. 14. 115 Hirte, in: KK-WpÜG, Einl. Rn. 86; Zehetmeier-Müller, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, Einl. Rn. 47. 116 Weitere Bestimmungen über die in die Angebotsunterlage aufzunehmenden ergänzenden Angaben enthält § 2 WpÜG-AngebotsVO, der aufgrund der Ermächtigung in § 11 Abs. 4 Nr. 2 WpÜG erlassen wurde. 117 Vgl. Baum, AG 2003, 144. 118 Hirte, in: KK-WpÜG, Einl. Rn. 86.

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Teil 1: Grundlagen

sind.119 Dabei versteht das Gesetz in § 29 Abs. 2 WpÜG unter „Kontrolle“ das Halten von mindestens 30% der Stimmrechte an einer Zielgesellschaft. Zu beachten sind die Vorschriften des vierten Abschnitts daher für solche Angebote, die aus einer, die Gesellschaft nicht kontrollierenden Position – d.h. unterhalb der in § 29 Abs. 2 WpÜG für relevant erklärten 30%igen Stimmrechtsschwelle – heraus erfolgen und darauf gerichtet sind, eben diese Schwelle zu überschreiten. Nach der in § 34 WpÜG zum Ausdruck kommenden Systematik des Gesetzes ergänzen und zum Teil überlagern die Regelungen der §§ 29–33 WpÜG die allgemeinen Bestimmungen des dritten Abschnitts und stellen damit Sonderbestimmungen für Übernahmeangebote dar.120 Im Mittelpunkt der Regelung steht die Vorschrift des § 31 WpÜG.121 Sie stellt die Angemessenheit der bei Übernahmeangeboten zu gewährenden Gegenleistung sicher und dient damit der materiellen Gleichbehandlung der Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft.122 Darüber hinaus enthalten die Vorschriften des vierten Abschnitts Regelungen betreffend die Zurechnung von Stimmrechten (§ 30 WpÜG), die Unzulässigkeit von Teilangeboten (§ 32 WpÜG) sowie Verhaltenspflichten des Vorstands der Zielgesellschaft während des Angebotsverfahrens (§ 33 WpÜG). 3. Pflichtangebote Pflichtangebote sind in Abschnitt 5 des WpÜG (§§ 35–39 WpÜG) geregelt. § 35 WpÜG verpflichtet denjenigen, der unmittelbar oder mittelbar die Kontrolle über eine Zielgesellschaft erlangt, zur Veröffentlichung dieser Tatsache sowie im Anschluss hieran zur Herauslegung eines an die außen119 Ein Teil der Literatur spricht sich insoweit für einen subjektiven Ansatz aus; so etwa Thaeter, in: Thaeter/Brandi, § 6 Rn. 406; wohl auch Mielke, in: Beckmann/ Kersting/Mielke, Rn. B 11. Allein entscheidend ist jedoch, dass sich ein Kontrollerwerb aufgrund der objektiven Ausgestaltung des Angebots als möglich darstellt; die subjektive Absicht des Bieters ist dabei irrelevant; so auch v. Bülow, in: KKWpÜG, § 29 Rn. 36 f.; Haarmann, in: FrankfKomm-WpÜG, § 29 Rn. 20; Süßmann, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 29 Rn. 6. Von einem objektiven Ansatz geht offensichtlich auch der Gesetzgeber aus; vgl. insoweit die Begründung zu § 29 RegE-WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 53. 120 Vgl. § 34 WpÜG, wonach für Übernahmeangebote die Vorschriften des dritten Abschnitts lediglich insoweit gelten, als sich aus §§ 29–33 WpÜG nichts anderes ergibt; zu den Einzelheiten siehe Kremer/Oesterhaus, in: KK-WpÜG, § 34 Rn. 4. 121 Auf der Grundlage der Ermächtigung in § 31 Abs. 7 Satz 1 WpÜG wurden zur Konkretisierung des § 31 WpÜG §§ 3–7 WpÜG-AngebotsVO erlassen; zu den Berücksichtigungsgeboten der §§ 4, 5 WpÜG-AngebotsVO siehe ausführlich unten Teil 4 B. I., S. 116 ff. 122 Hierzu Baum, AG 2003, 144.

B. Grundlagen zum Erwerb von Wertpapieren nach dem WpÜG

53

stehenden Aktionäre der Zielgesellschaft gerichteten Angebots.123 Damit knüpft die Vorschrift – anders als die verfahrensbezogenen Regelungen der Abschnitte 3 und 4 des WpÜG – nicht an eine bestimmte Handlungsweise des Bieters am Markt, sondern ausschließlich an den Tatbestand der Kontrollerlangung, d.h. an das Überschreiten der 30%igen Stimmrechtsschwelle, an. Während also bei allgemeinen öffentlichen Erwerbsangeboten sowie bei Übernahmeangeboten der Erwerbsvorgang als solcher – d.h. das insoweit einzuhaltende Verfahren – einer gesetzlichen Regelung zugeführt wird, erschöpft sich der Regelungskomplex „Pflichtangebot“ weitestgehend in dem Ausspruch der Verpflichtung zur Abgabe eines solchen Angebots als Rechtsfolge einer Kontrollerlangung.124 Gleichwohl sind die verfahrensbezogenen Regelungen der Abschnitte 3 und 4 auch für Pflichtangebote nicht ohne Bedeutung. Gem. § 39 WpÜG gelten für Übernahmeangebote und für Pflichtangebote vielmehr grundsätzlich dieselben Vorschriften.125 Grund hierfür ist die Funktionsgleichheit von Übernahme- und Pflichtangebot:126 Beide Angebotsarten dienen der materiellen Gleichbehandlung und damit dem Schutz der Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft.127 Eine Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots besteht daher dann nicht, wenn die Kontrolle über die Zielgesellschaft bereits im Zuge eines Übernahmeangebots nach §§ 29 ff. WpÜG erlangt wurde.128 §§ 36, 37 WpÜG sehen schließlich weitere Ausnahmen von der Angebotspflicht vor.129

123

Vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WpÜG. Baum, AG 2003, 144. 125 Gem. § 39 WpÜG gelten für Pflichtangebote mit Ausnahme von § 10 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 Satz 1, § 16 Abs. 2, § 18 Abs. 1, §§ 19, 25, 26 und 34 die Vorschriften der Abschnitte 3 und 4 des Gesetzes sinngemäß. 126 Zur Funktionsgleichheit von Übernahme- und Pflichtangebot im Ansatz schon Behrens, ZGR 1975, 433 (444 f.); siehe auch Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/ Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 5; im Einzelnen unten Teil 3 D. I. 2., S. 107 f. sowie Teil 4 E. I. 2., S. 192 f. 127 So wohl auch Baum, AG 2003, 144, der insoweit von den „kontrollorientierten Regelungen“ des WpÜG spricht, womit neben dem Pflichtangebot auch das Übernahmeangebot gemeint sein dürfte. 128 Vgl. § 35 Abs. 3 WpÜG. 129 Trotz vergleichbaren Regelungszwecks sind die Vorschriften der §§ 36 und 37 WpÜG strukturell unterschiedlich ausgestaltet: Während eine Nichtberücksichtigung von Stimmrechten nach § 36 WpÜG dazu führt, dass die Angebotspflicht nach § 35 WpÜG mangels Kontrollerwerbs schon nicht zur Entstehung gelangt, ermöglicht § 37 WpÜG lediglich eine in das Ermessen der BaFin gestellte Befreiung von der bestehenden Angebotspflicht; vgl. hierzu v. Bülow/Bücker, Der Konzern 2003, 185 (186); Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 36 WpÜG Rn. 2. 124

Teil 2

Entwicklungslinien des WpÜG unter besonderer Berücksichtigung des Untersuchungsgegenstands A. Die Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene Die Diskussion über eine gesetzliche Regelung von Wertpapiererwerbsund Übernahmeangeboten in Deutschland ist auf das engste verwoben mit der jahrzehntelangen Entwicklung auf europäischer Ebene. Insbesondere die vorübergehend gescheiterten Verhandlungen über die Verabschiedung einer europäischen Übernahmerichtlinie haben die Entwicklung in Deutschland nachhaltig geprägt.1

I. Der Pennington-Entwurf von 1974 Die ersten Bestrebungen der Europäischen Gemeinschaften, respektive der EG-Kommission, nach einer Harmonisierung auf dem Gebiet der Unternehmensübernahmen gehen auf das Jahr 1974 zurück. Der in diesem Jahr von dem Sonderberater der EG-Kommission Prof. Robert R. Pennington2 im Auftrag der Generaldirektion Binnenmarkt3 vorgelegte „Bericht über Übernahmeangebote und andere Angebote“4 enthielt erstmals Vorschläge für eine Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Übernahmerechts nebst einem Vorschlagsentwurf5 für eine entsprechende EG-Richtlinie. Jedoch 1

Hirte, in: KK-WpÜG, Einl. Rn. 60. Robert Roland Pennington, LLD, geb. 22. 04. 1927, seinerzeit Solicitor, Professor of Commercial Law at the University of Birmingham, Advisor on Company Law to the Commission of the European Communities. 3 Generaldirektion Binnenmarkt, Direktion Rechtsangleichung: Gesellschaften, öffentliche Aufträge, geistiges Eigentum, lauterer Wettbewerb, allgemeine Fragen XI/C/1. 4 Robert R. Pennington, Report on Takeover and other Bids, Dok. KOM XI/56/74-E; abgedruckt in: Fleischer/Kalss, S. 827 ff. Zum Pennington-Report ausführlich Behrens, ZGR 1975, 433 (434 ff.); Beß, AG 1976, 169 (170 ff.), sowie AG 1976, 206 ff.; Ffrench, S. 5 ff.; Fleischer/Kalss, S. 47 f.; Krause, S. 29 ff.; Pennington, in: FS-Duden, S. 379 ff.; Roßkopf, S. 266 ff. 2

A. Die Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene

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brachten in der Zeit zwischen November 1974 und Januar 1978 von den Dienststellen der Kommission und Sachverständigen der Mitgliedstaaten im Rahmen einer Arbeitsgruppe „Gesellschaften – Übernahmeangebote und andere Angebote“ geführte Diskussionen zutage, dass die überwiegende Anzahl der Mitgliedstaaten wenig bis keinerlei Interesse an einer entsprechenden Rechtsangleichung hatte. In Kontinentaleuropa wurden Übernahmeangebote überwiegend als ein den angelsächsischen Rechtsraum betreffendes Phänomen eingestuft. Daher wurde zum Teil kein Bedarf für eine entsprechende (europäische) Regelung gesehen.6 In den Mitgliedstaaten dagegen, die auf dieses Phänomen bereits mit eigenen Regelungen reagiert hatten,7 wurden die Vorschläge vor dem Hintergrund der noch relativ jungen Erfahrungen mit Übernahmeangeboten und sich stetig ändernden Taktiken auf Seiten sowohl der Bieter als auch der Zielgesellschaften mitunter als zu detailliert und damit im Hinblick auf alsbald notwendige Anpassungen als zu starr und unangemessen empfunden.8 Man wollte sich nicht der Flexibilität der eigenen, zumeist selbstregulatorischen Vorschriften begeben. Aufgrund dieser allgemeinen Bedenken verliefen die Diskussionen über die Umsetzung des Entwurfs letztlich ergebnislos, so dass die Pläne einer Rechtsangleichung zunächst nicht weiterverfolgt wurden.

5 Dok. KOM XI/56/74-E, Appendix; der insgesamt 25 Artikel umfassende Richtlinienvorschlag enthielt eine Vielzahl von Einzelregelungen und orientierte sich in seinen Einzelheiten sehr stark am englischen City Code on Takeovers and Mergers. 6 Ffrench, S. 10. So z. T. auch die Auffassung in Deutschland, wo öffentliche Übernahmeangebote zum damaligen Zeitpunkt bei weitem keine so wichtige Rolle spielten wie das in den anderen Mitgliedstaaten ganz offensichtlich der Fall war; hierzu Behrens, ZGR 1975, 433 (436); ausführlich Heinsius, in: Schmitthoff/Goré/ Heinsius, S. 35 (50, 58). Seinerzeit kritisch gegenüber einer europäischen Regelung auf diesem Gebiet Immenga, SAG 1975, 89 (103); eine solche damals schon bejahend Behrens, ZGR 1975, 433 (457 f.); Beß, AG 1976, 206 (209). 7 Seinerzeit existierten entsprechende Regelungen bereits in Großbritannien, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Italien und in den Niederlanden. Lediglich in Deutschland, Irland und Dänemark gab es für Übernahmeangebote weder Rechtsvorschriften noch sonstige Wohlverhaltenskodizes, wobei jedoch die irischen Börsenplätze zur United Kingdom Stock Exchange gehörten und damit dem englischen City Code unterfielen; vgl. ausführlich zu den damaligen Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten Dok. KOM XI/56/74-E, Nr. 8 ff. 8 Beleg für den Hang zu entsprechend flexiblen Regelungen waren insbesondere die Wohlverhaltensregelungen in Großbritannien, den Niederlanden und Italien sowie der weite Ermessensspielraum der Commission Bancaire in Belgien.

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II. Die Wohlverhaltensregeln von 1977 In der Erkenntnis, dass eine Angleichung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Unternehmensübernahmen in Form einer Richtlinie zum damaligen Zeitpunkt nicht durchsetzbar war, entschloss sich die Kommission im Jahr 1977 zum Erlass sog. Wohlverhaltensregeln.9 Ziel war es, in Form einer unverbindlichen Empfehlung an die Mitgliedstaaten, Regeln für ein loyales Verhalten an den Wertpapiermärkten aufzustellen. Damit sollte zu deren wirksamen Funktionieren beigetragen und ein angemessener Schutz der Anlegerinteressen gewährleistet werden.10 In Deutschland fanden die Wohlverhaltensregeln jedoch kaum Beachtung, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen war, dass die Empfehlung der EG-Kommission vom Bundesministerium der Finanzen mit einer erheblichen Verspätung von zwei Jahren, und dann auch nur in stark verkürzter Form an die Marktteilnehmer in Deutschland weitergeben wurde.11

III. Der Vorentwurf einer Übernahmerichtlinie von 1987 Nach dem Scheitern des Pennington-Entwurfs von 197412 und den nur wenig bedeutsamen Wohlverhaltensregeln aus dem Jahr 197713 unternahm die Kommission erst Mitte der Achtziger Jahre einen erneuten Versuch, die übernahmerechtlichen Regelungen der Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen. Nachdem die Kommission bereits im Rahmen der Begründung der Wohlverhaltensregeln von 1977 ihre Absicht bekundet hatte, es in einigen Bereichen nicht bei einer unverbindlichen Empfehlung belassen zu wollen,14 kündigte sie 1985 in ihrem „Weißbuch über die Vollendung des Binnen9 Empfehlung der Kommission vom 25. 7. 1977 betreffend europäische Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen, ABl. EG Nr. L 212 v. 20. 8. 1977, S. 37; abgedruckt in: Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 307 ff.; die Empfehlung wurde gestützt auf Art. 155 (Art. 211 EG n. F.) des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). 10 Empfehlung der Kommission vom 25. 7. 1977 betreffend europäische Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen, ABl. EG Nr. L 212 v. 20. 8. 1977, S. 37 (41). 11 Vgl. insoweit die Empfehlung der Kommission v. 25. 7. 1977 betreffend europäische Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen v. 25. 7. 1977 in der vom Bundesministerium der Finanzen weitergeleiteten Fassung v. 12. 6. 1979; abgedruckt in: Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 307 ff. 12 Oben Teil 2 A. I., S. 54 f. 13 Vorstehend Teil 2 A. II., S. 56. 14 Empfehlung der Kommission vom 25. 7. 1977 betreffend europäische Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen, ABl. EG Nr. L 212 v. 20. 8. 1977, S. 37 (38).

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marktes bis 1992“ einen entsprechenden Richtlinienvorschlag an.15 Im Jahr 1987 präsentierte sie schließlich einen Vorentwurf für eine Richtlinie über Übernahmeangebote.16 Dieser war, ebenso wie der Pennington-Entwurf, stark an britischen Vorbildern orientiert.17 Trotz erheblicher, in öffentlichen Stellungnahmen geäußerter Kritik,18 ließ sich die Kommission nicht von ihrem grundsätzlichen Vorhaben abbringen und entwickelte den Entwurf zu einem Vorschlag für eine 13. Richtlinie des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote fort.

IV. Der Richtlinienvorschlag von 1989 Am 19. 1. 1989 unterbreitete die Kommission dem Rat schließlich einen ersten Richtlinienvorschlag.19 Dieser unterschied sich zwar in einigen Punkten deutlich von dem Vorentwurf aus dem Jahr 1987.20 Seine weiterhin starke Anlehnung sowohl an den City Code als auch, Umfang und Regelungsdichte betreffend, an den Pennington-Entwurf21 konnte aber auch er nicht verleugnen.22 Vorangetrieben wurden die Arbeiten der Kommission durch eine, auf europäischer Ebene mittlerweile stark angestiegene Zahl zum Teil grenzüberschreitender Unternehmensakquisitionen.23 15

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vollendung des Binnenmarktes, Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, KOM (85) 310 v. 14. 6. 1985, S. 34. 16 Vorentwurf für eine Richtlinie über Übernahmeangebote, Dok. KOM XV/ 63/87-DE (rev. 1); eine bindende Teilregelung erfolgte 1988 durch die sog. Transparenzrichtlinie''' (in Deutschland umgesetzt durch das 2. Finanzmarktförderungsgesetz v. 26. 7. 1994), die für den Fall des Erwerbs oder der Veräußerung bedeutender Beteiligungen an börsennotierten Gesellschaften Informationspflichten gegenüber der Gesellschaft statuierte, vgl. Richtlinie des Rates v. 12. 12. 1988 (88/627/EWG), ABl. EG Nr. L 348 v. 17. 12. 1988, S. 62 ff. 17 Hierzu, sowie ausführlich zum weiteren Inhalt des Richtlinienvorentwurfs Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, S. 1 (33). 18 Gegenstand der Kritik war – ebenso wie beim Pennington-Entwurf – der sehr detaillierte Regelungsrahmen sowie weiterhin das Fehlen eines entsprechenden Regelungsbedürfnisses; vgl. Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/ Peltzer, S. 1 (32) m. w. N. 19 Vorschlag für eine dreizehnte Richtlinie des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote v. 19. 1. 1989, Dok. KOM (88) 823 endg. – SYN 186, ABl. EG Nr. C 64 v. 14. 3. 1989, S. 8 ff.; auch abgedruckt in: ZIP 1989, 606 ff., 675 ff. sowie in: Fleischer/Kalss, S. 935 ff. 20 Vgl. insoweit den synoptischen Überblick bei Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, S. 1 (33 ff.). 21 Oben Teil 2 A. I., S. 54 f. 22 Grunewald, WM 1989, 1233; Peltzer, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, S. 179 (180, 184).

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Hauptanliegen des Richtlinienvorschlags war die Schaffung eines, auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung basierenden, europaweiten „level playing field for takeovers“.24 Die Reaktionen auf den Richtlinienvorschlag waren sowohl im Schrifttum25 als auch von offizieller Stelle26 von heftigem Widerstand gekennzeichnet. Auf Kritik stieß der Vorschlag aber nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Mitgliedstaaten.27 Im Anschluss an die dennoch grundsätzlich befürwortende, lediglich vereinzelte Modifikationen fordernde Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses28 sowie des Europäischen Parlaments29, erfolgte eine entsprechende Revision des Richtlinienvorschlags, die schließlich in den geänderten Vorschlag der Kommission vom September 1990 mündete.30 23 Neben dem wohl spektakulärsten Übernahmeversuch, dem der Societé Général de Belgique durch den Olivetti-Chef Carlo de Benedetti im Januar 1988, sind hier zu nennen: die Übernahmeschlacht von Nestlé und Jacobs-Suchard um das britische Traditionsunternehmen Rowntree Mitte 1988, sowie das unter deutscher Beteiligung (Siemens) unterbreitete Übernahmeangebot an die Gesellschafter des britischen Elektronikkonzerns Plessey; siehe hierzu Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, S. 1 (3 f.); Grunewald, WM 1989, 1233; dies., WM 1991, 1361. Weitere Fälle betrafen das geplante Übernahmeangebot der Flick-Neffen mit dem Ziel der Mehrheitserlangung an der ehemals zum Flick-Konzern gehörenden Feldmühle Nobel AG; vgl. Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, S. 1 (3 f.), sowie in Frankreich und Spanien die Fälle Télémanique und Banco de Español. 24 Basaldua, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, S. 157 (166). 25 Ablehnend etwa Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, S. 1 (37 f., 48 ff.); Grunewald, WM 1989, 1233 (1238); dies., WM 1991, 1361 (1362); Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, 106 ff.; Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 286 f.; differenzierend, aber i. E. ebenfalls ablehnend Hahn, ZBB 1990, 10 ff.; Mertens, AG 1990, 252 ff.; differenzierend Baums, ZIP 1989, 1376 ff.; Bozenhardt, S. 46 ff.; eher befürwortend Basaldua, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, S. 157 ff.; Berger, ZIP 1991, 1644 (1659 f.); Hopt, in: FS-Rittner, S. 187 (209); Peltzer, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, S. 179 (191 ff.). 26 Mangels Regelungsbedarf ablehnend der Rechtsausschuss des Bundestags in seiner Beschlussempfehlung v. 7. 3. 1990, BT-Drucks. 11/6612. Ähnlich die Beschlussempfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat, BR-Drucks. 136/1/89, sowie dessen Beschluss v. 30. 6. 1989, BR-Drucks. 136/89. 27 Für Großbritannien siehe Kenyon-Slade/Andenas, in: Andenas/Kenyon-Slade, S. 149 ff.; Bittner, RIW 1992, 182 (187 f.); Roos, WM 1996, 2177 ff.; für die skandinavischen Länder vgl. Claussen/Sørensen, S. 17 m. w. N.; für die Niederlande siehe Wymeersch, in: Hopt/Wymeersch, S. 351 (356); für Belgien und die Niederlande vgl. die Ausführungen bei Berger, ZIP 1991, 1644 (1650) m. w. N. 28 Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses v. 27. 9. 1989, ABl. EG Nr. C 298 v. 27. 11. 1989, S. 56 ff. 29 Stellungnahme des Europäischen Parlaments v. 17. 1. 1990, ABl. EG Nr. C 38 v. 19. 2. 1990, S. 41 ff. 30 Geänderter Vorschlag für eine dreizehnte Richtlinie des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote v. 14. 9. 1990, Dok. KOM (90)

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V. Der geänderte Vorschlag von 1990 In dem von der Kommission am 10. 9. 1990 angenommenen, geänderten Vorschlag fand sowohl die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses als auch die des Europäischen Parlaments Berücksichtigung. Im Wesentlichen unangetastet blieben jedoch die im Mittelpunkt der länderübergreifenden Kritik stehenden Regelungen des Ausgangsvorschlags. Die Neuerungen lagen vielmehr im Detail, oftmals waren sie auch nur technischer Natur.31 Hatte sich der ein oder andere Mitgliedstaat durch die Revision also eine Änderung an Geist oder Zielsetzung der Richtlinie erhofft, so wurde er herb enttäuscht. Es verwundert daher nicht, dass der Vorschlag auch in seiner geänderten Fassung auf wenig Gegenliebe gestoßen ist.32 An eine abermalige Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses33 schlossen sich erneute Beratungen in den zuständigen Arbeitsgruppen des Europäischen Ministerrats an. Diese wurden jedoch im Juni 1991 ergebnislos abgebrochen. Hintergrund war die Blockadepolitik einiger Mitgliedstaaten, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland, die eine Einigung aussichtslos erschienen ließ.34 Nicht zuletzt unter dem Eindruck dieser massiven Ablehnung kündigte die Kommission anlässlich der Tagung des Europäischen Rates von Edinburgh im Dezember 1992 in ihrer Erklärung zur Subsidiarität eine erneute Überarbeitung ihres Richtlinienvorschlags an.35

VI. Die Richtlinienvorschläge von 1996 und 1997 Aufgrund der, den diversen Richtlinienvorschlägen der vergangenen Jahre entgegengeschlagenen länderübergreifenden Kritik, sah sich die Kommission im Anschluss an die Erklärung von Edinburgh zu einer eingehenden 416 endg. – SYN 186, ABl. EG Nr. C 240 v. 26. 9. 1990, S. 7 ff.; abgedruckt in: Fleischer/Kalss, S. 946 ff. 31 Reduziert wurde u. a. der Anwendungsbereich der Richtlinie: Erfasst wurden nur noch solche Gesellschaften, deren Wertpapiere auf einem geregelten Markt i. S. d. Richtlinie gehandelt wurden, Dok. KOM (90) 416 endg. – SYN 186, ABl. EG Nr. C 240 v. 26. 9. 1990, S. 7 (7, 11). 32 Vgl. zur anhaltenden Kritik nur Grunewald, WM 1991, 1361 (1362 ff.); Hopt, in: Hopt/Wymeersch, S. 165 (174 ff.). Zu den Auswirkungen der Rezession in Europa auf die länderübergreifende Ablehnung siehe Monti, in: Rosen/Seifert, S. 15 (17). 33 Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses v. 28. 2. 1991, ABl. EG Nr. C 102 v. 18. 4. 1991, S. 49 ff. 34 Neben der Bundesrepublik Deutschland waren dies v. a. Großbritannien, Dänemark und die Niederlande. 35 Europäischer Rat von Edinburgh v. 11./12. 12. 1992, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Bulletin EG 12-1992, Teil A, Anlage 2, S. 17 f.

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Teil 2: Entwicklungslinien des WpÜG

Konsultation der Mitgliedstaaten veranlasst.36 Unter Berücksichtigung der so gewonnenen Erkenntnisse37 präsentierte die Kommission Anfang 1996 einen neuen Richtlinienvorschlag38, der sich auf allgemeine Zielvorgaben beschränkte und damit den Mitgliedstaaten einen beträchtlichen Spielraum bei der Umsetzung einräumte.39 In Deutschland hat der Richtlinienvorschlag eine insgesamt positive Resonanz erfahren.40 Nachdem sich auf europäischer Ebene der Wirtschaftsund Sozialausschuss in seiner Sitzung vom 11. 7. 1996 ebenfalls grundsätzlich positiv geäußert hatte,41 billigte in erster Lesung auch das Europäische Parlament den Vorschlag auf seiner Plenartagung vom 25./26. 6. 1997, vorbehaltlich der von ihm vorgenommenen Änderungen.42 Im Lichte dieser Änderungsvorschläge nahm die Kommission eine abermalige Revision vor und präsentierte schon Ende des Jahres 1997 eine entsprechend geänderte Fassung des Richtlinienvorschlags.43

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Fragebogen der Kommission v. 13. 7. 1993, Dok. KOM XV/6019/93. Eine überwiegende Anzahl der Mitgliedstaaten sprach sich gegen eine detaillierte Rechtsangleichung im Sinne der vorangegangenen Richtlinienvorschläge aus, EG-Kommission, Begründung, KOM (95) 655 endg., I 4. Deutschland, aber auch die Niederlande standen jedweder Regelung weiterhin kritisch gegenüber, vgl. Roßkopf, S. 279. 38 Vorschlag für eine dreizehnte Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote v. 7. 2. 1996, Dok. KOM (95) 655 endg. – 95/0341 (COD), ABl. EG Nr. C 162 v. 6. 6. 1996, S. 5 ff.; abgedruckt in: Fleischer/Kalss, S. 977 ff.; hierzu ausführlich Krause, AG 1996, 209 ff.; Neye, DB 1996, 1121 ff.; Roos, WM 1996, 2177 ff. 39 In der Begründung wurde auf das Konzept einer bloßen Rahmenregelung verwiesen, vgl. Erwägungsgrund Nr. 4 des Richtlinienentwurfs. Kritisch zu dieser Konzeption Hopt, ZHR 161 (1997), 368 (380 f.) mit Verweis auf die damit einhergehende Tautologie; a. A. Habersack/Mayer, ZIP 1997, 2141 (2142). 40 Beschluss des Bundesrats v. 3. 5. 1996, BR-Drucks. 162/96. Zu den einzelnen Reaktionen siehe Neye, DB 1996, 1121 (1123). 41 Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses v. 11. 7. 1996, ABl. EG Nr. C 295 v. 7. 10. 1996, S. 1 ff. 42 Stellungnahme des Europäischen Parlaments v. 26. 6. 1997, ABl. EG Nr. C 222 v. 21. 7. 1997, S. 20 ff. 43 Geänderter Vorschlag für eine Dreizehnte Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote v. 11. 11. 1997, Dok. KOM (97) 565 endg. – 95/0341 (COD), ABl. EG Nr. C 378 v. 13. 12. 1997, S. 10 ff.; abgedruckt im Anhang zu Neye, ZIP 1997, 2172 f. sowie in: Fleischer/Kalss, S. 983 ff.; vgl. auch Habersack/Mayer ZIP 1997, 2141 ff. 37

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1. Der Gemeinsame Standpunkt des Rates von 2000 Nachdem die von der Kommission am 11. 11. 1997 vorgelegte, revidierte Fassung knapp eineinhalb Jahre, im Wesentlichen unter deutscher und österreichischer Präsidentschaft, Gegenstand eingehender Beratungen im Rat war, sollte auf der Tagung des Binnenmarkts vom 21. 6. 1999 schließlich die Verabschiedung des Gemeinsamen Standpunkts gemäß Art. 251 Abs. 2 EG angestrebt werden. Die formale Verabschiedung scheiterte jedoch am Widerstand Spaniens, das seine Zustimmung untrennbar mit der Lösung der sog. Gibraltarfrage verbunden hatte.44 Was blieb, war eine politische Einigung über den Inhalt der Richtlinie. Nachdem in Form einer bilateralen Verständigung dieses letzte Hindernis bei Seite geräumt war,45 konnte der Rat schließlich am 19. 6. 2000 mit einjähriger Verzögerung einstimmig über die Annahme Beschluss fassen.46 2. Die Änderung des Gemeinsamen Standpunkts Schon Mitte April 2000, d.h. vor Verabschiedung des Gemeinsamen Standpunkts und weit vor einer etwaigen Beteiligung des Europäischen Parlaments im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens nach Art. 251 EG, wurden in dessen Reihen, insbesondere innerhalb des zuständigen Ausschusses für Recht und Binnenmarkt, Stimmen laut, die sich für eine erneute Änderung des Gemeinsamen Standpunkts vom 19. 6. 2000 stark machten.47 Der Ausschuss für Recht und Binnenmarkt stellte in einem Arbeitspapier vom 17. 4. 2000 fest, dass der Vorschlag des Rates inhaltlich nicht den Anforderungen eines globalen Weltmarkts gerecht werde.48 Inso44

Gegenstand der Gibraltarfrage war die zwischen dem Vereinigten Königreich und Spanien strittig gebliebene Ausgestaltung des Aufsichtsverfahrens bei Übernahmen, an denen Gesellschaften mit Sitz auf Gibraltar beteiligt waren. 45 Die Regierungen beider Staaten verständigten sich auf ein sog. Postbox-Verfahren, wonach Übernahmen mit Gibraltar-Bezug über ein in London ansässiges Verbindungsbüro abzuwickeln und intern nach Gibraltar weiterzuleiten waren; vgl. Wiesner, ZIP 2000, 1792. 46 Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 1/2001 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2000/. . ./EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom . . . auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Übernahmeangebote v. 19. 6. 2000, ABl. EG Nr. C 23 v. 24. 1. 2001, S. 1 ff.; abgedruckt in: Fleischer/Kalss, S. 995 ff.; dazu ausführlich Neye, AG 2000, 289 ff.; Pötzsch/Möller, WM 2000, SBeil. Nr. 2, S. 2 ff. 47 Arbeitsdokument über den Vorschlag für eine 13. Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote, Ausschuß für Recht und Binnenmarkt, Berichterstatter: Klaus-Heiner Lehne, PE 285.995 v. 17. 4. 2000.

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weit war frühzeitig absehbar, dass das Parlament im Rahmen seiner Beteiligung auf weitreichende Änderungen drängen würde.49 Seiner Ankündigung folgend, legte der Ausschuss für Recht und Binnenmarkt am 29. 11. 2000 für die zweite Lesung im Parlament eine Empfehlung mit 18 Änderungsanträgen vor.50 In seiner legislativen Entschließung vom 13. 12. 2000 sprach sich das Plenum nach eingehenden Beratungen für die Geltendmachung von 15 der mittlerweile eingebrachten 20 Änderungsvorschläge aus.51 Nachdem sich jedoch schon frühzeitig abzeichnete, dass der Rat unter keinen Umständen bereit war, allen Änderungsvorschlägen des Parlaments zuzustimmen, wurde im März 2001 gemäß § 251 Abs. 3 Satz 2 EG der Vermittlungsausschuss einberufen.52 3. Vermittlungsverfahren, Gemeinsamer Entwurf und Scheitern der Richtlinie Die Vermittlungsgespräche gestalteten sich von Beginn an schwierig. Nach zähen Verhandlungen und schon in weiter Ferne gewähnter Einigungsmöglichkeit, kam es erst auf der letzten und damit entscheidenden Sitzung am 6. 6. 2001 zu einem Einvernehmen der Parteien,53 das ganz 48 Arbeitsdokument über den Vorschlag für eine 13. Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote, Ausschuß für Recht und Binnenmarkt, Berichterstatter: Klaus-Heiner Lehne, PE 285.995 v. 17. 4. 2000, S. 10. 49 Neye, ZIP 2001, 1120 (1121); Wiesner, ZIP 2000, 1792 (1795). 50 Empfehlung für die zweite Lesung betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote, Ausschuss für Recht und Binnenmarkt, Berichterstatter: Klaus-Heiner Lehne, Sitzungsdokument A5-0368 v. 29. 11. 2000. 51 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Gemeinsamen Standpunkt im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Übernahmeangebote v. 13. 12. 2000, ABl. EG Nr. C 232 v. 17. 8. 2001, S. 78 f., 168 ff.; abgedruckt in: Fleischer/Kalss, S. 1015 ff.; siehe hierzu auch: Informatorische Aufzeichnung, Betr.: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Übernahmeangebote – Ergebnisse der 2. Lesung des Europäischen Parlaments (Straßburg, 11.–15. Dezember 2000), Ratsdokument 14044/00. 52 Auch hatte die Kommission 11 der 15 Änderungsvorschläge zurückgewiesen, so dass der Rat gem. § 251 Abs. 3 Satz 1 HS. 2 EG insoweit hätte einstimmig beschließen müssen, vgl. Stellungnahme der Kommission gemäß Art. 251 Abs. 2 lit. c) EG zu den Abänderungen des Gemeinsamen Standpunktes des Rates betreffend den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote, KOM (2001) 77 endg. v. 12. 2. 2001.

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wesentlich durch ein Nachgeben auf Seiten des Rates ermöglicht wurde.54 Wesentlich erleichtert wurde die Konsensfindung aber auch durch die Erklärung der Kommission, eine Gruppe von Sachverständigen für Gesellschaftsrecht zur Ermittlung der Prioritäten für eine weitergehende Harmonisierung sowie zur Prüfung offen gebliebener Fragen einzuberufen.55 Nunmehr blieben Parlament und Rat gemäß § 251 Abs. 5 Satz 1 EG sechs Wochen, um den betreffenden Rechtsakt entsprechend dem Gemeinsamen Entwurf zu erlassen. Während das Vermittlungsergebnis im Rat die erforderliche Mehrheit fand, scheiterte der Gemeinsame Entwurf am 4. 7. 2001 im Plenum an einer Stimmengleichheit von 273 Ja- und Neinstimmen bei 22 Enthaltungen. Damit galt die 13. Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts gemäß § 251 Abs. 5 Satz 2 EG als endgültig nicht erlassen.

VII. Der Richtlinienvorschlag von 2002 Am 2. 10. 2002 präsentierte die Kommission ihren jüngsten Entwurf einer Richtlinie betreffend Übernahmeangebote.56 Der neue Vorschlag basierte weitgehend auf dem Text, auf den sich Kommission, Rat und Parlament am 6. 6. 2001 im Vermittlungsausschuss geeinigt hatten. Grundlage der aufgenommenen Neuerungen war zu einem wesentlichen Teil der Bericht der von der Kommission im September 2001 eingesetzten hochrangigen Expertengruppe für das Gesellschaftsrecht.57 Unter dem Vorsitz des nie53 Gemeinsamer Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Übernahmeangebote in der vom Vermittlungsausschuss am 6. 6. 2001 gebilligten Fassung, Dok. PE-CONS 3629/01; abgedruckt in: ZIP 2001, 1120 (1123 ff.). 54 Zu dem Umstand, dass letztlich nur eine kurzfristige Änderung in der Zusammensetzung der Delegation diesen Konsens ermöglichte, siehe Neye, ZIP 2001, 1120 (1122). 55 Gegenstand dieser Prüfung sollten sein: die Grundsätze zur Festlegung des angemessenen Preises bei Pflichtangeboten, das Recht eines Hauptaktionärs zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre („squeeze-out“) sowie die Gleichbehandlung der Aktionäre in den Mitgliedstaaten, vgl. Pressemitteilung v. 6. 6. 2001, S. 2. 56 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Übernahmeangebote v. 2. 10. 2002, Dok. KOM (2002) 534 endg. – 2002/0240 (COD), ABl. EU Nr. C 45 E v. 25. 2. 2003, S. 1 ff.; hierzu DaunerLieb, DStR 2003, 555 ff.; dies./Lamandini, Der Konzern 2003, 168 ff.; Kallmeyer, DB 2002, 2695 ff.; Krause, BB 2002, 2341 ff.; Lehne/Haak, Der Konzern 2003, 163 (166 f.); Neye, NZG 2002, 1144 ff.; Seibt/Heiser, ZIP 2002, 2193 ff.; Wiesner, ZIP 2002, 208 ff.; ders., ZIP 2002, 1967; Zinser, EuZW 2003, 10 ff.; ders., ZRP 2003, 78 ff. 57 Bericht der hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über die Abwicklung von Übernahmeangeboten v. 10. 1. 2002, abruf-

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Teil 2: Entwicklungslinien des WpÜG

derländischen Rechtsprofessors Jaap Winter58 hatte diese den Auftrag erhalten, Empfehlungen zur Schaffung eines „level playing field“ auszuarbeiten. In wesentlichen Punkten den erarbeiteten Vorschlägen folgend, trug der Richtlinienvorschlag den vom Parlament im Juni 2001 geäußerten Bedenken Rechnung, ohne jedoch die damals gebilligten Grundprinzipien erneut in Frage zu stellen. Wie fast nicht anders zu erwarten, stieß der Richtlinienvorschlag in Deutschland auf Seiten der Bundesregierung59, bei diversen Wirtschaftsverbänden60, aber auch bei einzelnen Abgeordneten61 des Europaparlaments auf heftige Kritik. Hauptangriffspunkt war die weiterhin bestehende Benachteiligung deutscher Unternehmen im Hinblick auf Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft.62 Denn insoweit war die Kommission der Forderung der „Winter-Gruppe“ nach einer, im Fall eines Übernahmeangebots sämtliche Übernahmehindernisse neutralisierenden, sog. Durchbruchsregel nur halbherzig nachgekommen.63 1. Verfahrensgang Am 4. 10. 2002 unterbreitete die Kommission dem Europäischen Parlament gemäß Art. 251 Abs. 2 EG den neuen Entwurf, wo er vom federführenden Ausschuss für Recht und Binnenmarkt bis Ende 2003 beraten wurde. Da auch im Ausschuss bereits frühzeitig erhebliche Zweifel an der Tauglichkeit einzelner Regelungen betreffend die Schaffung eines „level bar unter http://www.europa.eu.int/comm/internal_market/company/index_de.htm unter der Rubrik „Richtlinien und andere offizielle Verlautbarungen“. 58 Komplettiert wurde die Expertengruppe von den Mitgliedern Jan Schans Christensen, Prof. Univ. Kopenhagen (DK); José Maria Garrido Garcia, Prof. Univ. Castilla-La Mancha (E); Jonathan Rickford, Berater des Ministeriums für Handel und Industrie (UK); Guido Rossi, ehem. Präsident der ital. Börsenaufsichtsbehörde CONSOB (I); Joëlle Simon, Direktorin für Rechtsfragen, Arbeitgeberverband MEDEF (F) sowie Klaus J. Hopt, Geschäftsführender Direktor, Max-Planck-Institut, Hamburg (D). 59 FAZ v. 11. 10. 2002, Nr. 236, S. 4 sowie FAZ v. 12. 11. 2002, Nr. 263, S. 15. 60 BDI, Pressemitteilung v. 2. 10. 2002; DIHK, Pressemitteilung v. 3. 10. 2002. 61 Siehe insoweit insbesondere die Kritik des Berichterstatters im Ausschuss für Recht und Binnenmarkt Klaus-Heiner Lehne (CDU) auf dem Börsenforum 2002 in Frankfurt, FAZ v. 24. 10. 2002, Nr. 247, S. 23. 62 Konkret ging es um die in Art. 11 statuierte Unwirksamkeit von Übertragungsund Stimmrechtsbeschränkungen im Fall von Übernahmeangeboten, welche die insbesondere in Frankreich und Skandinavien weit verbreiteten, in Deutschland jedoch mit Einführung des KonTraG abgeschafften Doppel- und Mehrfachstimmrechte unberührt ließ. 63 Vgl. Dauner-Lieb, DStR 2003, 555 f.; dies., Der Konzern 2003, 168 (172); dies./Lamandini, BB 2003, 265 (267).

A. Die Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene

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playing field“ angemeldet wurden, entschloss man sich bereits vor Veröffentlichung des Vorschlags im Juni 2002, die Professoren Barbara Dauner-Lieb64 und Marco Lamandini65 mit der Erstellung eines entsprechenden Gutachtens zu beauftragen. Dieses wurde im Dezember 2002 fertig gestellt und am 22. 1. 2003 dem Rechtsausschuss sowie am 28. 1. 2003 dem Plenum präsentiert.66 Die Ergebnisse des Gutachtens lagen weitestgehend auf einer Linie mit den Empfehlungen der „Winter-Kommission“. In der Folgezeit kam es unter griechischem Ratsvorsitz zu mehreren Kompromissvorschlägen,67 denen jedoch aufgrund der konträren Positionen Deutschlands, Frankreichs und nicht zuletzt der EU-Kommission zur Einbeziehung von Doppel- und Mehrfachstimmrechten in die Durchbruchsregel kein Erfolg beschieden war. 2. Verabschiedung der Richtlinie 2004/25/EG Erst am 27. 11. 2003 konnten sich die EU-Regierungen im Anschluss an einen Kompromissvorschlag des italienischen Ratsvorsitzes68 auf eine Minimallösung verständigen.69 Die Annahme des Kompromisses erfolgte einstimmig bei Stimmenthaltung der spanischen Regierung und gegen das Votum der Europäischen Kommission.70 Kernstück des Kompromisses war die Einführung eines zweistufigen Optionsmodells, das es den Mitgliedstaaten einerseits erlaubt, von der Implementierung der Neutralitätspflicht sowie 64 Prof. Barbara Dauner-Lieb, ordentliche Professorin für Privat- und Gesellschaftsrecht, Univ. Köln, Direktorin des Instituts für Arbeits- und Wirtschaftsrecht, Richterin am OLG Köln. 65 Prof. Marco Lamandini, ordentlicher Professor für Gesellschaftsrecht, Univ. Bologna, Gastprofessor für Wertpapierrecht, Katholische Univ. Mailand. 66 Der neue Vorschlag für eine Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Übernahmeangebote und die Erreichung von gleichen Ausgangsbedingungen unter besonderer Bezugnahme auf die Empfehlungen der von der Europäischen Kommission eingesetzten hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts; in deutscher Übersetzung abrufbar unter http://www.europarl. eu.int/meetdocs/committees/juri/20030122/484532DE.pdf; siehe auch Dauner-Lieb/ Lamandini, BB 2003, 265 ff. 67 Interinstitutionelles Dossier: 2002/0240 (COD) v. 14. 2. 2003, Dok. Nr. 6024/03; v. 7. 3. 2003, Dok. Nr. 6024/1/03 REV 1; v. 10. 4. 2003, Dok. Nr. 6024/2/03 REV 2; v. 28. 4. 2003, Dok. Nr. 6024/3/03 REV 3. 68 Interinstitutionelles Dossier: 2002/0240 (COD) v. 21. 11. 2003, Dok. Nr. 15089/03. 69 Vgl. FAZ v. 28. 11. 2003, Nr. 277, S. 11. 70 Siehe insoweit auch die Pressemitteilung v. 26./27. 11. 2003, Betr.: 2547. Tagung des Rates – Wettbewerbsfähigkeit – Binnenmarkt, Industrie und Forschung – am 26./27. 11. 2003 in Brüssel, Presse 337 Nr.: 15141/03 sowie Interinstitutionelles Dossier: 2002/0240 (COD) v. 28. 11. 2003, Dok. Nr. 15476/03.

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Teil 2: Entwicklungslinien des WpÜG

der Durchbruchsregel abzusehen (sog. Opt-out), andererseits aber den Unternehmen für diesen Fall die Möglichkeit einräumt, mit satzungsändernder Mehrheit individuell für die Anwendung dieser Vorschriften zu optieren (sog. Opt-in).71 Am 16. 12. 2003 erfolgte die Stellungnahme des Europäischen Parlaments in erster Lesung. Das Plenum billigte den Vorschlag der Kommission vorbehaltlich der von ihm geltend gemachten Änderungsvorschläge,72 welche im Einklang mit der vom Rat am 27. 11. 2003 beschlossenen allgemeinen Ausrichtung standen. Nachdem der Rat am 22. 12. 2003 die vom Europäischen Parlament in erster Lesung angenommen Abänderungen gebilligt hatte, nahm er die Richtlinie am 30. 3. 2004 formell an.73 In Kraft getreten ist die Richtlinie schließlich am 20. 5. 2004.

B. Die Rechtsentwicklung auf nationaler Ebene Mit dem Inkrafttreten des WpÜG zum 1. 1. 2002 hat eine jahrzehntelange Entwicklung ihren vorläufigen Abschluss auf nationaler Ebene gefunden.74 Zuvor hatte man in Deutschland jahrelang auf das Instrument der freiwilligen Selbstregulierung gesetzt. Erst als man erkennen musste, dass das dem angelsächsischen Rechtsraum entlehnte Modell nicht in gleichem Umfang wie dort zur Kapitalmarktusance werden würde,75 war der Weg für eine gesetzliche und damit allgemeinverbindliche Regelung von Übernahmeangeboten in Deutschland frei.

71 Einzelheiten hierzu bei Bayer, BB 2004, 1 (10 f.); Glade/Haak/Hellich, Der Konzern 2004, 515 (516 f.); Kindler/Horstmann, DStR 2004, 866 (869); Krause, BB 2004, 113 (114 f.); Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, 306 (310 ff.); Wagner, Bank 2004, 108 (111); Wiesner, ZIP 2004, 343 (348). 72 Zum Inhalt der Änderungsvorschläge siehe den Entwurf einer legislativen Entschließung, in: Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Übernahmeangebote (KOM (2002) 534 – C5-0481/202 – 2002/0240 (COD)) v. 8. 12. 2003, Ausschuss für Recht und Binnenmarkt, Berichterstatter Klaus-Heiner Lehne, Dok. A5-0469/2003. 73 Siehe hierzu auch die Pressemitteilung v. 30. 3. 2004, Betr.: 2574. Tagung des Rates – Justiz und Inneres – am 30. 3. 2004 in Brüssel, Presse 76 Nr.: 7209/04. 74 Vorläufig deshalb, da die Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21. 4. 2004 betreffend Übernahmeangebote nicht unwesentliche Änderungen des WpÜG erfordern wird; näher hierzu unten Teil 2 B. IV., S. 77 ff. 75 Als Vorbild diente der Londoner City Code on Takeovers and Mergers; vgl. Assmann, AG 1995, 563 (564); Kirchner/Ehricke, AG 1998, 105 (106); Thoma, ZIP 1996, 1725.

B. Die Rechtsentwicklung auf nationaler Ebene

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I. Die Leitsätze für Übernahmeangebote von 1979 Der erste Versuch einer Regelung von öffentlichen Übernahmeangeboten in Deutschland geht auf das Jahr 1979 zurück. Aus dieser Zeit datieren die „Leitsätze für öffentliche freiwillige Kauf- und Umtauschangebote bzw. Aufforderungen zur Abgabe derartiger Angebote in amtlich notierten oder im geregelten Freiverkehr gehandelten Aktien bzw. Erwerbsrechten“.76 Hierbei handelte es sich um von der Börsensachverständigenkommission (BSK)77 an das Bieterunternehmen, die Zielgesellschaft sowie an die bei der Durchführung und Abwicklung öffentlicher Angebote involvierten Kreditinstitute gerichtete Empfehlungen.78 Damit erhielten die Leitsätze weder den Rang allgemeinverbindlicher, von staatlicher Seite erlassener Rechtsnormen, noch erfolgte ein Vollzug durch private Anerkennungsverträge.79 Obwohl die Leitsätze bis zu ihrer Ablösung durch den Übernahmekodex im Jahr 1995 unverändert fortbestanden, blieben sie in der Praxis weitgehend unbeachtet.80 Zurückzuführen war dies nicht zuletzt auf die in Deutschland über Jahre hinweg fehlenden Übernahmeaktivitäten.81 Als für das Schattendasein der Leitsätze maßgeblicher muss jedoch der in wesentlichen Bereichen fragmentarische Regelungsgehalt, die mangelnde Transparenz sowie das Fehlen von Sanktionsmechanismen angesehen werden.82

76 In Kurzform „LS-Übernahmeangebote“ genannt, BMF-Finanznachrichten 6/1979 v. 31. 1. 1979, S. 2 ff.; auch abgedruckt in: Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., S. 1398 ff. sowie in: Fleischer/Kalss, S. 197 ff.; zu diesen ausführlich Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, S. 40 f.; Bozenhardt, S. 24 ff.; Heinle, S. 45 ff.; Schuster/Zschocke, S. 17 ff.; Zinser, S. 158 ff. 77 Die BSK ist im Zuge der Börsenreform 1975 an die Stelle des bis dahin im BörsG verankerten Börsenausschusses getreten. Es handelt sich um ein beim Bundesminister der Finanzen gebildetes Gremium, das sich aus Vertretern der folgenden Bereiche zusammensetzt: private sowie öffentliche Banken, genossenschaftlicher Kreditwesenbereich, Emittenten, Versicherer, Deutsche Bundesbank, Anleger und Wissenschaft. Die BSK berät die Bundesregierung in Kapitalmarkt- und Börsenfragen, vgl. hierzu ausführlich Schuster/Zschocke, S. 16 ff. 78 Diese enthielten in ihrem Abschnitt A. Nr. 1–3 Allgemeine Grundsätze, in Abschnitt B. Nr. 1–4 Grundsätze zur Vorbereitung, in Abschnitt C. Nr. 1–20 zum Inhalt und in Abschnitt D. Nr. 1–7 zur Durchführung von Angeboten. 79 Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., S. 1398 Rn. 1. 80 Sandberger, DZWiR 1993, 319 (320); Schuster/Zschocke, S. 18 ff.; Weisgerber, ZHR 161 (1997), 421 (422); Zinser, NZG 2001, 391 (392). 81 Hierzu bereits oben Teil 2 A. I., S. 55 Fn. 6. 82 Schuster/Zschocke, S. 18 ff.; Weisgerber, ZHR 161 (1997), 421 (422).

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Teil 2: Entwicklungslinien des WpÜG

II. Der Übernahmekodex Am 14. 7. 1995 verabschiedete die BSK schließlich einen Übernahmekodex,83 der mit Wirkung vom 1. 10. desselben Jahres die Leitsätze von 1979 ablöste.84 Wie schon diese, basierte auch der Übernahmekodex auf dem Prinzip der freiwilligen Selbstregulierung. Anders als sein Vorläufer, dessen Regelungen sich in ihrem reinen Empfehlungscharakter erschöpften, sah der Übernahmekodex jedoch ein auf individuelle Anerkennung gerichtetes Verfahren vor.85 Darüber hinaus rief er eine Übernahmekommission in’s Leben, deren Geschäftsstelle als Exekutivorgan über die Einhaltung seiner Vorgaben wachen sollte. Zwar fehlte es auch unter dem Übernahmekodex an entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten, jedoch wurde ein gewisser Druck dadurch erzeugt, dass die Geschäftsstelle regelmäßig eine Liste der Unternehmen und Personen veröffentlichte, die sich dem Kodex unterworfen hatten.86 Ungeachtet einer Überarbeitung des Übernahmekodex durch die BSK im Januar 1998 blieben viele seiner Empfehlungen umstritten.87 Im Mittelpunkt der Kritik stand vor allem die Pflichtangebotsregelung.88 Sie muss letztlich auch als einer der Hauptgründe dafür identifiziert werden, dass eine Großzahl der in Deutschland börsennotierten Unternehmen nicht Willens war, sich den Vorgaben des Kodex zu unterwerfen.89 Ähnlich schwer wogen jedoch diverse Funktionsdefizite. Gravierende Mängel wies der 83 Der Übernahmekodex ist abgedruckt in: AG 1995, 572 ff.; aus der Literatur siehe u. a. Diekmann, WM 1997, 897 ff.; Etzbach, S. 163 ff.; Hopt, ZHR 161 (1997), 368 (393 ff.); Kallmeyer, ZHR 161 (1997), 435 ff.; Kirchner/Ehricke, AG 1998, 105 ff.; Riehmer/Schröder, BB 2001, Beil. Nr. 5, S. 1 ff.; Schander, NZG 1998, 799 (800 ff.); Schuster/Zschocke, S. 23 ff.; Seulen, S. 100 ff.; Thoma, ZIP 1996, 1725 ff.; Weisgerber, ZHR 161 (1997), 421 ff. 84 Erarbeitet wurde der Übernahmekodex ab Mitte 1994 in Anlehnung sowohl an den Londoner City Code als auch an den EG-Richtlinienentwurf 1990 von einer Arbeitsgruppe der BSK unter der Beteiligung von Repräsentanten der Wirtschaft, Wissenschaft, der Frankfurter Wertpapierbörse, der Bundesministerien der Finanzen und der Justiz sowie Vertretern der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz; vgl. Groß, DB 1996, 1909. 85 Ein solches Anerkennungsverfahren war schon von der Insiderhandels-Richtlinie und den Händler- und Beraterregeln her bekannt. Zu der streitigen Frage des Rechtscharakters der Anerkennung siehe Groß, DB 1996, 1909 ff.; Hopt, ZHR 161 (1997), 368 (400 ff.); Schander, NZG 1998, 799 (800 f.); Weisgerber, ZHR 161 (1997), 421 (425 f.). 86 Siehe Art. 21 Abs. 1 Übernahmekodex 1995. 87 Vgl. hierzu die Aufzählung bei Schander, NZG 1998, 799 (802). 88 Die Einwände entsprachen der bereits im Hinblick auf eine europäische Regelung vorgebrachten Kritik; vgl. Kallmeyer, ZHR 161 (1997), 435 (436 ff.); Schander, NZG 1998, 799 (802); Weisgerber, ZHR 161 (1997), 421 (426 ff.).

B. Die Rechtsentwicklung auf nationaler Ebene

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Übernahmekodex u. a. hinsichtlich der Überprüfbarkeit der Entscheidungen der Übernahmekommission auf. Zwar sah der Kodex eine Überprüfung der Maßnahmen der Geschäftsstelle durch die Übernahmekommission vor, jedoch fehlte es an der Justiziabilität dieser Entscheidungen. Ein entsprechendes Rechtsschutzsystem war schlichtweg nicht vorgesehen.90 Entscheidend dafür, dass die Schaffung eines „level playing field“ auf nationaler Ebene nicht erreicht wurde, war letztlich jedoch die fehlende Gesetzeskraft des Übernahmekodex, der hinsichtlich seiner Verbindlichkeit ausschließlich auf die individuelle Anerkennung durch seine Adressaten setzte. Das übergeordnete Prinzip der Freiwilligkeit hatte dazu geführt, dass ein einheitliches Spiel nun unterschiedlichen Regeln folgte.91 Vor diesem Hintergrund sprach die BSK im Februar 1999 eine Empfehlung an den Gesetzgeber aus, die fehlende Allgemeinverbindlichkeit durch ein entsprechendes Gesetz sicherzustellen.92

III. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) Es sollte jedoch noch bis zu Beginn des Folgejahres dauern, ehe sich die Bundesregierung unter dem Eindruck der spektakulären Übernahme der Mannesmann AG durch die Vodafone AirTouch plc93 dazu entschloss, der Empfehlung zu folgen und eine Expertenkommission94 einzuberufen, deren Aufgabe es sein sollte, die Notwendigkeit einer entsprechenden gesetzlichen Regelung zu untersuchen und gegebenenfalls Eckpunkte für ein künftiges Übernahmegesetz zu erarbeiten. Die ersten dokumentierten politischen Be89

Von insgesamt 1016 inländischen, an der Börse notierten Gesellschaften (ohne Freiverkehr) hatten bis einschließlich 11. 4. 2001 lediglich 755 Unternehmen, darunter 86 des DAX 100, eine entsprechende Verbindlichkeitserklärung abgegeben, BT-Drucks. 14/7034, S. 27. Die Akzeptanz des Übernahmekodex jedoch ausschließlich an seiner Anerkennungsquote messen zu wollen, wäre sicherlich verfehlt, hatte sich dieser in der Praxis doch durchaus bewährt; so auch Hopt, in: FS-Zöllner, S. 253 (274). Im Gegensatz zur Anerkennungsquote etwa, war die Quote seiner Anwendung grundsätzlich nicht zu beanstanden; vgl. Hopt, in: Hommelhoff/Hopt/Lutter, S. 31 (65); Loehr, WM 1997, 1374. 90 Zu diesem Aspekt ausführlich Etzbach, S. 208 ff.; Kirchner/Ehricke, AG 1998, 105 (110 ff.). 91 So auch Kirchner/Ehricke, AG 1998, 105 (109), die höchst anschaulich von einem „Kampf mit Spießen ungleicher Längen“ sprechen. 92 Börsensachverständigenkommission, Standpunkte, S. 10. 93 Zu dieser Transaktion etwa Riehmer/Schröder, NZG 2000, 820 ff. 94 Die Expertenkommission „Unternehmensübernahmen“ setzte sich zusammen aus Repräsentanten der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Gewerkschaften, des für die Erarbeitung des Gesetzentwurfs federführenden Bundesministeriums der Finanzen, des Bundesministeriums der Justiz sowie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie; vgl. Pötzsch/Möller, WM 2000, SBeil. Nr. 2, S. 13.

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Teil 2: Entwicklungslinien des WpÜG

strebungen nach einer kodifizierten Regelung von Übernahmeangeboten lassen sich gleichwohl noch in die Zeit vor Verabschiedung des Übernahmekodex bis in das Jahr 1995 zurückverfolgen. 1. Politische und wissenschaftliche Vorarbeiten a) Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion von 1995 Im Januar 1995 legte die damalige SPD-Fraktion einen Entwurf für ein Transparenz- und Wettbewerbsgesetz95 vor, dessen Art. 3 Regelungen für Übernahmeangebote als Ergänzung zum WpHG96 bereithielt. Von besonderem Interesse ist der Entwurf im vorliegenden Zusammenhang deshalb, da er erstmals eine Regelung solcher Fallgestaltungen enthielt, in denen umwandlungsrechtliche Maßnahmen zum Überschreiten des für das Pflichtangebot maßgeblichen Schwellenwerts führten. So sah der Entwurf für den Fall, dass der Stimmrechtserwerb aus einer Spaltung i. S. d. UmwG resultierte,97 eine Ausnahme von der Angebotspflicht dergestalt vor, dass das Bundesaufsichtsamt auf schriftlichen Antrag die Nichtberücksichtigung dieser Stimmrechte zuließ.98 Zur Begründung führte der Entwurf an, dass die Interessen der Minderheitsaktionäre in diesem Fall auf andere Weise ausreichend geschützt seien.99 Der Entwurf war Anfang 1997 Gegenstand einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss, wurde letztlich jedoch nicht umgesetzt.100 Der im März 1997 von der Krupp AG ausgehende und noch vor der offiziellen Abgabe des Übernahmeangebots gescheiterte Versuch der Übernahme der 95 Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung von Transparenz und Beschränkung von Machtkonzentration in der deutschen Wirtschaft (Transparenz- und Wettbewerbsgesetz) v. 26. 1. 1995, BT-Drucks. 13/367 v. 30. 1. 1995. Zu diesem Entwurf, soweit ersichtlich, nur Schmitt, S. 120 sowie Hopt, in: FS-Zöllner, S. 253 (267), jeweils ohne inhaltliche Stellungnahme. 96 Es war vorgesehen, die Vorschriften über Unternehmensübernahmen als neuen Abschnitt 5 mit §§ 31–44 in das WpHG v. 26. 7. 1994 (BGBl. 1994 I, S. 1749 ff.) aufzunehmen, womit letztlich der kapitalmarktrechtliche Charakter der Regelungen verdeutlicht werden sollte. 97 Eine entsprechende Regelung für die Konstellation der Verschmelzung enthielt der Entwurf demgegenüber nicht. 98 Vgl. § 32 Abs. 4 Nr. 2 WpHG des Entwurfs. 99 BT-Drucks. 13/367, Begründung zu § 32. 100 Eine Umsetzung machte auch unter dem Aspekt keinen Sinn mehr, dass der Entwurf eng an die Vorschläge der 13. Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts von 1989/90 angelehnt war und somit durch den geänderten Vorschlag v. 7. 2. 1996 in erheblichen Teilen überholt war; so insbesondere auch Baums in der öffentlichen Anhörung vor dem Rechtsausschuss am 29. 1. 1997; vgl. Baums, AG 1997, SHeft, 26 (33 f.).

B. Die Rechtsentwicklung auf nationaler Ebene

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Thyssen AG führte jedoch dazu, dass die SPD-Fraktion sich entschloss, einen geänderten Vorschlag einzubringen.101 b) Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion von 1997 Der von der SPD-Fraktion im Juli 1997 neu eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Unternehmensübernahmen (Übernahmegesetz)102 stellte zwar eine Weiterentwicklung des Entwurfs von 1995 dar. In ganz wesentlichen Teilen entsprach er jedoch einem von Baums103 ebenfalls im Jahr 1997 veröffentlichten Vorschlag eines Gesetzes zu öffentlichen Übernahmeangeboten. Anders als sein Vorgänger enthielt der Entwurf keine Ausnahmeregelung mehr für den Fall, dass es im Zuge einer Spaltung zum Überschreiten des für das Pflichtangebot maßgeblichen Schwellenwerts kam. Jedoch stellte die Begründung104 für diesen Fall klar, dass schon kein „Erwerb“ im Sinne der Pflichtangebotsregelung vorliegen sollte.105 Der Entwurf aus dem Jahr 1997 hat in der Literatur insgesamt nur wenig Resonanz gefunden. Zum Teil begrüßt wurde zwar der grundsätzliche Versuch einer Kodifizierung im Bereich der Unternehmensübernahmen.106 Inhaltlich wurden dem Entwurf jedoch erheblich Mängel bescheinigt, die eine Annahme als nicht empfehlenswert erscheinen ließen.107 Unter der Koalition aus CDU/CSU und FDP hatte der aus den Reihen der Opposition stam101

Schmitt, S. 120. Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Unternehmensübernahmen (Übernahmegesetz) v. 25. 6. 1997, BT-Drucks. 13/8164 v. 2. 7. 1997, abgedruckt in: Fleischer/Kalss, S. 209 ff.; hierzu im Einzelnen Hopt, in: FS-Zöllner, S. 253 (267 ff.); Schander, NZG 1998, 799 (803 f.); Schiessl, AG 1999, 442 (449 ff.); Schmitt, S. 119 ff.; Zinser, S. 168 ff. 103 Baums, ZIP 1997, 1310 ff. 104 Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Unternehmensübernahmen (Übernahmegesetz) v. 25. 6. 1997, BT-Drucks. 13/8164 v. 2. 7. 1997, S. 10. Dort heißt es insoweit: „Um einen ‚Erwerb‘ im Sinne des § 32 Abs. 1 handelt es sich nicht, wenn die Begründung der Anteilsinhaberschaft auf einer Spaltung im Sinne des § 123 des Umwandlungsgesetzes beruht.“. Scheinbar davon ausgehend, dass der Entwurf dahingehende Ausnahmen gar nicht mehr vorsah, Schiessl, AG 1999, 442 (450). 105 An dieser Stelle wich der Gesetzentwurf – wie auch in einigen anderen Bereichen – von dem Vorschlag Baums ab, wonach es der Übernahmekommission überlassen sein sollte festzulegen, in welchen Fällen ein „Erwerb“ i. S. d. Pflichtangebotsregelung gegeben sei. Im Unterschied zu dem Entwurf der SPD wurde hier lediglich beispielhaft die Spaltung i. S. d. § 123 UmwG genannt; siehe Baums, ZIP 1997, 1310 (1311). 106 Schiessl, AG 1999, 442 (452). 107 So Baums, AG 1997, SHeft, 26 (34); Hopt, in: FS-Zöllner, S. 253 (268 ff.); Schander, NZG 1998, 799 (804 f.). 102

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Teil 2: Entwicklungslinien des WpÜG

mende Entwurf in der laufenden Legislaturperiode jedoch ohnehin keine Chance auf Weiterverfolgung. Auch in den 1998 neu zusammengetretenen Bundestag wurde er in dieser Form nicht wieder eingebracht.108 c) Die Empfehlungen der Expertenkommission von 2000 Nach dem Scheitern der Gesetzentwürfe aus den Jahren 1995109 und 1997110 sowie der zwischenzeitlichen Verabschiedung des Übernahmekodex111 war das Bestreben nach einer gesetzlichen Regelung von Übernahmeangeboten nicht mehr sehr ausgeprägt. Erst mit der Empfehlung der BSK vom Februar 1999 und der Beauftragung einer Expertenkommission durch die Bundesregierung zu Beginn des Folgejahres nahm das Projekt erneut an Fahrt auf.112 Nachdem die Kommission Anfang März 2000 mit ihren Beratungen begonnen hatte, verständigte sie sich bereits in ihrer Sitzung vom 17. 5. 2000 auf eine Stellungnahme des Inhalts, dass der Bundesregierung die alsbaldige Erarbeitung eines Übernahmegesetzes empfohlen wird, welches bereits mit Beginn des Jahres 2001 in Kraft treten sollte.113 Weiterhin hatte die Kommission Eckpunkte eines Übernahmegesetzes erarbeitet, die dem Gesetzgeber als Grundstock für eine künftige Gesetzesinitiative dienen sollten.114 Aussagen zur Behandlung umwandlungsrechtlicher Fallgestaltungen enthielten die Empfehlungen jedoch nicht. 2. Ministerielle Vorarbeiten a) Der Diskussionsentwurf vom 29. 6. 2000 Am 29. 6. 2000 legte das Bundesministerium der Finanzen schließlich einen Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Regelung von Unternehmensübernahmen vor.115 Eingang in diesen Entwurf gefunden hatten neben den 108

Vgl. insoweit auch Schmitt, S. 119. Oben Teil 2 B. III. 1. a), S. 70 f. 110 Oben Teil 2 B. III. 1. b), S. 71 f. 111 Vorstehend Teil 2 B. II., S. 68 f. 112 Hierzu bereits oben Teil 2 B. III., S. 69. 113 Empfehlungen der Expertenkommission „Unternehmensübernahmen“ v. 17. 5. 2000, abgedruckt in: Pötzsch/Möller, WM 2000, SBeil. Nr. 2, S. 37 f. sowie in: Fleischer/Kalss, S. 233 ff. 114 Die Empfehlung enthielt 10 Eckpunkte, bestehend aus Vorschlägen für die Ausgestaltung des Anwendungsbereichs, einer Pflichtangebotsregelung, der Art und Höhe der Gegenleistung, der Unterrichtung der Aktionäre und Arbeitnehmer der Zielgesellschaft, der Verhaltenspflichten des Vorstands und des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft, eines zügigen Verfahrens, einer Aufsicht, von Sanktionen sowie einer Squeeze-Out-Regelung. 109

B. Die Rechtsentwicklung auf nationaler Ebene

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Empfehlungen der Expertenkommission auch die Vorgaben des wenige Tage zuvor vom Rat der Europäischen Union verabschiedeten Gemeinsamen Standpunkts zu dem Richtlinienvorschlag 1996/97.116 Nukleus des in Form eines Artikelgesetzes vorgelegten Entwurfs war der unter Art. 1 verortete Entwurf eines Übernahmegesetzes (DiskE-ÜG).117 Seiner Systematik nach unterschied dieser zwischen freiwilligen Übernahmeangeboten, gerichtet auf Kontrollerlangung in einer Zielgesellschaft, und Pflichtangeboten, ausgelöst durch Überschreiten einer Kontrollschwelle i. H. v. 30% der Stimmrechte. Zwar wies der DiskE-ÜG keine Regelung des Verhältnisses übernahme- und umwandlungsrechtlicher Vorschriften auf. Jedoch enthielt die Einleitung zu seiner Begründung eine – wenn auch eher allgemeine – Aussage, in der neben Unternehmensübernahmen auch auf Fusionen Bezug genommen wurde. Im Zusammenhang mit der Schaffung eines verlässlichen Rechtsrahmens für die an Übernahmen beteiligten Akteure hieß es dort: „Fusionen118 und Übernahmen haben für die betroffenen Unternehmen, Aktionäre und Arbeitnehmer sowie für die Wirtschaftsregionen regelmäßig weitreichende Folgen. [. . .]. Daher muss eine Regulierung von Unternehmensübernahmen vor allem einen Rechtsrahmen für ein faires und transparentes Verfahren zur Verfügung stellen.“119

Nach einer am 25. 7. 2000 erfolgten Erörterung im Bundesministerium der Finanzen folgte eine Überarbeitung des DiskE-ÜG, die schließlich in 115

Diskussionsentwurf – Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Unternehmensübernahmen v. 29. 6. 2000, abgedruckt in: NZG 2000, 844 ff. sowie mit Begründung in: Fleischer/Kalss, S. 237 ff.; siehe hierzu ausführlich Land/Hasselbach, DB 2000, 1747 ff.; Letzel, NZG 2001, 260 (267); aus Sicht der zuständigen Referenten Pötzsch/Möller, WM 2000, SBeil. Nr. 2, S. 13 ff.; Riehmer/Schröder, NZG 2000, 820 ff. 116 Zu dem im Jahr 2000 verabschiedeten Gemeinsamen Standpunkt des Rates zu dem Richtlinienvorschlag 1996/1997 siehe oben Teil 2 A. VI. 1., S. 61. 117 Darüber hinaus enthielt das Gesetz Änderungen des Wertpapierhandelsgesetzes (Art. 2), des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (Art. 3), des Auslandinvestment-Gesetzes (Art. 4), des Verkaufsprospektgesetzes (Art. 5), der Verkaufsprospekt-Verordnung (Art. 8) sowie des Aktiengesetzes (Art. 6). Während Art. 7 eine Befreiungs-Verordnung im Hinblick auf die Verpflichtung zur Abgabe eines Übernahmeangebots vorsah, enthielten Art. 9 und 11 rechtstechnische Regelungen. 118 Der Begriff „Fusion“ ist im engeren gesellschaftsrechtlichen Sinne gleichbedeutend mit dem Begriff „Verschmelzung“. In einem weiteren Sinne wird der Begriff jedoch vor allem im Kartellrecht gebraucht, wo er alle Fälle der Unternehmenskonzentration einschließt, also über die Fälle der Verschmelzung hinaus die Tatbestände der Konzernbildung sowie sonstige Formen des Zusammenschlusses, die zu einer Konzentration wirtschaftlicher Macht führen können, Tilch/Arloth, S. 1743, Stichwort „Fusion“. 119 Begründung zum DiskE-ÜG, Allgemeiner Teil, I., Ziff. 1; Hervorhebung durch den Verfasser.

74

Teil 2: Entwicklungslinien des WpÜG

einen entsprechenden Referentenentwurf mündete, der das Ergebnis der Anhörung sowie die zahlreichen Anregungen der betroffenen Kreise berücksichtigte.120 b) Der Referentenentwurf vom 12. 3. 2001 Am 12. 3. 2001 wurde der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen (RefE-WÜG)121 schließlich der Öffentlichkeit präsentiert. Obschon der neue Entwurf im Vergleich zu seinem Vorgänger eine Vielzahl von Änderungen erfahren hatte, orientierte er sich sowohl inhaltlich als auch strukturell weitgehend an diesem. Wie sich bereits der neuen Firmierung des Gesetzes entnehmen ließ, war der Anwendungsbereich, anders als noch im DiskE-ÜG, nicht mehr nur auf Übernahmeangebote beschränkt. Erfasst waren nunmehr sämtliche öffentlichen Angebote, die auf den Erwerb börsennotierter Wertpapiere gerichtet sind.122 Änderungen im Hinblick auf das hier erörterte Verhältnis übernahme- und umwandlungsrechtlicher Vorschriften waren im RefE-WÜG nicht zu verzeichnen. Als unverändert stellte sich auch die oben angeführte, auf Fusionen Bezug nehmende Aussage im Rahmen der Einleitung zur Begründung des Entwurfs dar.123 Im Unterschied zum DiskE-ÜG sah sich das federführende Bundesministerium der Finanzen jedoch nunmehr zu der folgenden weiteren, das Verhältnis von Übernahme- und Umwandlungsrecht ausdrücklich aufgreifenden Aussage im Rahmen des Allgemeinen Teils der Begründung zum RefE-WÜG veranlasst: „Übernahmen stellen neben strukturändernden Maßnahmen, die sich nach aktienrechtlichen und umwandlungsrechtlichen Vorschriften richten, nur eine Möglichkeit dar, um bestimmte unternehmerische Ziele durchzusetzen. Dabei beurteilt sich die Zulässigkeit derartiger Maßnahmen stets nach den jeweils einschlägigen Rechtsvorschriften. Ob und inwieweit für bestimmte Fallkonstellationen im 120

Vgl. hierzu die Begründung zum RefE-WÜG, Allgemeiner Teil, I., Ziff. 4. Referentenentwurf – Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen v. 12. 3. 2001, mit Begründung abgedruckt in: Fleischer/Kalss, S. 374 ff.; siehe hierzu auch Liebscher, ZIP 2001, 853 ff.; Pluskat, DStR 2001, 897 ff.; Riehmer/Schröder, BB 2001, Beil. Nr. 5, S. 1 ff.; Thaeter/Barth, NZG 2001, 545 ff.; Zinser, NZG 2001, 391 ff.; beachte auch die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2001, 420 ff. 122 Der RefE-WÜG enthielt nunmehr in seinem Abschnitt 3 Verfahrensvorschriften, die grundsätzlich für alle Arten öffentlicher Erwerbsangebote Geltung beanspruchen sollten (vgl. die Verweisungen in §§ 34, 39 RefE-WÜG). Speziell für Übernahmeangebote sah Abschnitt 4 RefE-WÜG weitere Verfahrensregelungen vor, die über § 39 RefE-WÜG auch bei der Abgabe von Pflichtangeboten einzuhalten waren. 123 Vgl. hierzu die Begründung zum RefE-WÜG, Allgemeiner Teil, I., Ziff. 1. 121

B. Die Rechtsentwicklung auf nationaler Ebene

75

Schnittbereich zwischen Umwandlungs-, Aktien- und Übernahmerecht in der Praxis besondere gesetzliche Regelungen erforderlich sind, bleibt abzuwarten, da zunächst mit den neuen Vorschriften dieses Gesetzes Erfahrungen gewonnen werden sollen.“124

Auslösendes Moment für diese Stellungnahme war ganz offensichtlich die Zusammenführung der Bayerischen HypoVereinsbank AG mit der Bank Austria AG,125 welche parallel zu den Arbeiten am RefE-WÜG vollzogen wurde.126 Am 2. 4. 2001 erfolgte schließlich die in Gesetzgebungsverfahren obligatorische Anhörung der Verbände und der beteiligten Wirtschaftskreise. Diese offenbarte erneut eine Vielzahl von Änderungsvorschlägen, die eine weitere intensive Überarbeitung des Entwurfs unausweichlich machten. c) Der Regierungsentwurf vom 11. 7. 2001 Noch vor der Sommerpause verabschiedete die Bundesregierung in ihrer Kabinettssitzung vom 11. 7. 2001 den im Verhältnis zum RefE-WÜG mit nahezu einhundert Änderungen127 versehenen Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen.128 Inhaltlich stand der in Art. 1 enthaltene Entwurf eines Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (RegE-WpÜG) deutlich unter dem Eindruck des Scheiterns der 13. Richtlinie im Europäischen Parlament.129 Unverändert zeigten sich jedoch die bereits an anderer Stelle130 wiedergegebenen und für den Untersuchungsgegenstand zentralen Aussagen zu dem Verhältnis übernahme- und um124 Begründung zum RefE-WÜG, Allgemeiner Teil, II., Ziff. 8; vgl. hierzu auch die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2001, 420 (420 f.). 125 Hierzu ausführlich oben Teil 1 A., S. 29 ff. 126 Die Absicht, in einer mehrstufigen Transaktion ihre Aktionäre zusammenzuführen, gaben HVB und BA durch Ad-hoc-Meldung vom 22. Juli und damit nur wenige Tage nach der Veröffentlichung des DiskE-ÜG bekannt. 127 So die Angabe der zuständigen Referenten im Bundesministerium der Finanzen Möller/Pötzsch, ZIP 2001, 1256 (1257). 128 Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen v. 11. 7. 2001, BT-Drucks. 14/7034 v. 5. 10. 2001, S. 1 ff.; mit Begründung abgedruckt in: Fleischer/Kalss, S. 537 f. sowie in: Hirte, S. 114 ff. Zu dem Entwurf aus Sicht der zuständigen Referenten, Möller/Pötzsch, ZIP 2001, 1256 ff.; siehe auch Oechsler, NZG 2001, 817 ff. sowie die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2001, 1003 ff. 129 Im Verhältnis zum RefE-WÜG sah der RegE-WpÜG eine erhebliche Erleichterung von Abwehrmaßnahmen, insbesondere die Möglichkeit der Ermächtigung des Vorstands durch Vorratsbeschlüsse, vor; hierzu ausführlich Möller/Pötzsch, ZIP 2001, 1256 (1259 f.). 130 Oben Teil 2 B. III. 2. b), S. 74 f.

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Teil 2: Entwicklungslinien des WpÜG

wandlungsrechtlicher Regelungen.131 Weiterhin enthalten war auch die auf Fusionen Bezug nehmende Aussage im Rahmen der Einleitung zur Begründung des Entwurfs.132 Trotz erster veröffentlichter und damit das weitere Gesetzgebungsverfahren begleitenden Stellungnahmen zu diesem Themenkomplex,133 sah sich der Gesetzgeber nicht dazu veranlasst, seine Aussagen im Rahmen der Gesetzesbegründung weiter zu präzisieren oder gar durch eine klare Regelung im Gesetz selbst zu ersetzen. In dieser, im Verhältnis zum RefE-WÜG also nur partiell veränderten Fassung wurde der RegE-WpÜG schließlich in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Am 27. 9. 2001 erfolgte die Stellungnahme des Bundesrats,134 am 14. 11. 2001 empfahl der federführende Finanzausschuss, dass der Bundestag den Gesetzentwurf der Regierung, mit einigen, zum Teil signifikanten Änderungen135 beschließen wolle.136 Schon einen Tag später wurde das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) als Art. 1 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom Bundestag in 2. und 3. Lesung in der Fassung der Beschlussempfehlung verabschiedet. Noch am 22. 12. 2001 erfolgte die Verkündung im Bundesgesetzblatt137, so dass das Gesetz schließlich mit Wirkung zum 1. 1. 2002 in Kraft treten konnte.

131

Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034,

S. 31. 132

Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034,

S. 27. 133 Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 ff.; Weber-Rey/Schütz, AG 2001, 325 ff. sowie die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2001, 420 (420 f.). 134 Stellungnahme des Bundesrates v. 27. 9. 2001, BR-Drucks. 574/01 v. 27. 9. 2001, S. 1 ff.; auch abgedruckt in: Fleischer/Kalss, S. 702 ff. sowie in: Hirte, S. 114 ff. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die verfahrensbezogenen Vorschriften des dritten Abschnitts des WpÜG heißt es auf S. 1 der Stellungnahme, der Gesetzgeber beabsichtige einen verlässlichen rechtlichen Rahmen für Fusionen und Unternehmensübernahmen zu schaffen. 135 Diese betrafen u. a. die Regelungen über die Neutralitätspflicht, die nach erneut kontroversen Diskussionen letztlich weitestgehend aufgeweicht wurden. 136 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) v. 14. 11. 2001, BT-Drucks. 14/7477 v. 14. 11. 2001, S. 1 ff., auch abgedruckt in: Fleischer/Kalss, S. 712 ff. sowie in: Hirte, S. 114 ff. 137 BGBl. I 2001, S. 3823 ff. Der verkündete Gesetzestext enthielt im Vergleich zu der im Bundestag beschlossenen Fassung einige redaktionelle Änderungen. Diese sind im Einzelnen erfasst bei Hirte, S. 127 ff.

B. Die Rechtsentwicklung auf nationaler Ebene

77

IV. Ausblick auf die Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG Die Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. 4. 2004 betreffend Übernahmeangebote138 ist von den Mitgliedstaaten bis spätestens 20. 5. 2006 in nationales Recht umzusetzen.139 Im Zuge der Implementierung in deutsches Recht wird es neben der Neuaufnahme einzelner Regelungen auch zu Änderungen bereits bestehender übernahmerechtlicher Vorschriften kommen.140 Neben der Einführung dem deutschen Recht bisher unbekannter Verfahren wie etwa dem des Sell-Out und, sofern sich der Gesetzgeber für eine eigenständige kapitalmarktrechtliche Neuregelung entscheidet,141 auch des Squeeze-Out, besteht im WpÜG insbesondere Anpassungsbedarf im Hinblick auf den Anwendungsbereich des Gesetzes,142 der sich im Vergleich zu den kollisionsrechtlichen Bestimmungen der Richtlinie als einerseits zu weit, andererseits aber auch als zu eng erweist.143 Weiterhin umzusetzen ist das in Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie vorgesehene Optionsmodell.144 Unabhängig davon, ob der deutsche Gesetzgeber von dem in Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie eingeräumten Opt-out-Recht Gebrauch machen wird oder nicht – in letzterem Fall sind Regelungen mit der Möglichkeit des Opt-in bereitzustellen – sind sowohl die Vorgaben zur Neutralitätspflicht145 als auch die in Art. 11 der Richtlinie vorgesehene Durchbruchsregel146 in deutsches Recht umzusetzen. 138

Hierzu bereits ausführlich oben Teil 2 A. VII., S. 63 ff. Vgl. Art. 21 der Richtlinie. 140 Einzelheiten zum bestehenden Umsetzungsbedarf im deutschen Recht bei Glade/Haak/Hellich, Der Konzern 2004, 455 ff. und 515 ff.; Kindler/Horstmann, DStR 2004, 866 (871 ff.); Lanfermann/Maul, BB 2004, 1517 ff.; Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, 221 ff. und 305 ff.; Mülbert, NZG 2004, 633 ff.; Krause, BB 2004, 113 ff.; Wiesner, ZIP 2004, 343 (349). 141 Für eine eigenständige kapitalmarktrechtliche Regelung dieser Verfahren im WpÜG eintretend Krause, BB 2004, 113 (118); ders., BB 2002, 2341 (2344 f.); Seibt/Heiser, ZIP 2002, 2193 (2202); Wiesner, ZIP 2004, 343 (349); a. A. offenbar Wagner, Bank 2004, 108 (112). 142 Zur Ausgestaltung des Anwendungsbereichs des WpÜG oben Teil 1 B. II., S. 46 ff. 143 So auch Krause, BB 2004, 113 (117) mit näheren Einzelheiten. Zum sachlichen und personalen Anwendungsbereich der Übernahmerichtlinie siehe auch Mülbert, NZG 2004, 633 (636 f.). 144 Zu diesem ausführlich Glade/Haak/Hellich, Der Konzern 2004, 515 (516 f.); Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, 306 (310 ff.). 145 Die Vorgaben der Richtlinie zur Neutralitätspflicht des Vorstands entsprechen über weite Strecken der Regelung in § 33 Abs. 1 WpÜG. Zu dem noch bestehenden Anpassungsbedarf siehe Glade/Haak/Hellich, Der Konzern 2004, 515 (517 ff.); Krause, BB 2004, 113 (114). 139

78

Teil 2: Entwicklungslinien des WpÜG

Hinsichtlich des Untersuchungsgegenstands enthält die vom deutschen Gesetzgeber umzusetzende Richtlinie, wie schon ihre gescheiterten Vorgänger, keinerlei ausdrückliche Vorgaben. Auch die das Pflicht- und Übernahmeangebot ausgestaltenden Regelungen der Richtlinie sind so beschaffen, dass sie wesentliche Änderungen der entsprechenden deutschen Vorschriften, insbesondere in sprachlicher Hinsicht, nicht erwarten lassen. Was allgemeine Erwerbsangebote betrifft,147 ist festzustellen, dass diese schon nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, der gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. a) auf Pflicht- und Übernahmeangebote beschränkt ist. Änderungen der §§ 10 bis 28 WpÜG sind daher von vornherein nur in solchem Umfang zu erwarten, als diese über die Verweisungen in §§ 34, 39 WpÜG auch für Pflicht- und Übernahmeangebote Geltung beanspruchen. Festzuhalten ist mithin, dass die Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. 4. 2004 betreffend Übernahmeangebote die den Untersuchungsgegenstand betreffende Problematik grundsätzlich unberührt lassen wird.

C. Fazit Eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Übernahme- und Umwandlungsrecht hat in der langjährigen Entstehungsgeschichte europäischer und deutscher Übernahmeregelungen weder auf der Seite des europäischen noch auf jener des nationalen Gesetzgebers stattgefunden. Im Rahmen der europäischen Rechtsentwicklung, so hat man den Eindruck, verstellten über Jahre hinweg die Diskussionen über die Notwendigkeit einer Rechtsangleichung im Bereich des Übernahmerechts den Blick für das Zusammenspiel mit den Vorschriften anderer Rechtsgebiete. Hinzu kommt, dass man nach dem Scheitern des Richtlinienentwurfs von 1996/97 in starkem Maße auf die Sicherung bereits erzielter Einigungserfolge sowie das Ausräumen noch bestehender Unstimmigkeiten bedacht war, so dass letztlich kein Raum für die Einführung wesentlich neuer und zudem national noch ungeklärter Gesichtspunkte war. Demgegenüber verwundert es, dass es für den deutschen Gesetzgeber erst des Anstoßes durch die, im Zusammenhang mit der Fusion HVB/BA geführten Diskussionen in der österreichischen Rechtswissenschaft bedurfte, um eine Aussage – wenn auch nur im Rahmen der Gesetzesbegründung – 146 Hierzu Kindler/Horstmann, DStR 2004, 866 (872); Glade/Haak/Hellich, Der Konzern 2004, 515 (521 ff.); Krause, BB 2004, 113 (114 ff.); Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, 306 (311 f.); Wiesner, ZIP 2004, 343 (349). 147 Gemeint sind hiermit die sog. Einstiegs- und Aufstockungsangebote; hierzu oben Teil 1 B. III. 2. a), S. 50.

C. Fazit

79

zu dem hier zu untersuchenden Problemkreis zu treffen. Schließlich enthielten die Gesetzesentwürfe aus den Jahren 1995 und 1997 zumindest im Ansatz Regelungen zur Auflösung dieses Spannungsverhältnisses. Dies sollte auch dem Gesetzgeber nicht verborgen geblieben sein. Im Ergebnis ist jedoch festzuhalten, und dies wird auch die weitere Untersuchung zeigen, dass der Gesetzgeber gut daran getan hat, nicht in Reaktion auf die Diskussion in Österreich mit dem Schnellschuss einer gesetzlichen Regelung zu reagieren, sondern die Thematik mit dem Ziel umfassender Klärung an die Wissenschaft zu überweisen.

Teil 3

Die Anwendbarkeit der verfahrensbezogenen Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen A. Einleitung Die österreichische Übernahmekommission hat in ihrer Stellungnahme vom 12. 9. 2000 sowohl eine unmittelbare als auch eine analoge Anwendbarkeit der verfahrensbezogenen Vorschriften des Übernahmerechts auf umwandlungsrechtliche Vorgänge für das österreichische Recht im Grundsatz verneint.1 Ebenso wie das öÜbG sieht auch das WpÜG eine Anwendung der verfahrensbezogenen Vorschriften betreffend Übernahmeangebote (§§ 29 ff. WpÜG) auf das umwandlungsrechtliche Verfahren der Verschmelzung und Spaltung ausdrücklich weder vor noch schließt es sie aus. Die Nachzeichnung der Entwicklungslinien des WpÜG hat gezeigt, dass Verschmelzungen und Spaltungen allein in der Gesetzesbegründung Erwähnung gefunden haben.2 Jedoch erscheinen die dortigen Aussagen widersprüchlich. Einerseits stellt die Begründung hinsichtlich des Verhältnisses von Übernahmen nach dem WpÜG und strukturändernden Maßnahmen nach dem UmwG klar, dass sich die Zulässigkeit derartiger Maßnahmen stets nach den jeweils einschlägigen Rechtsvorschriften richte.3 Andererseits führt der Gesetzgeber unter Hinweis auf die bestehende Notwendigkeit zur Schaffung eines verlässlichen Rechtsrahmens für Unternehmensübernahmen aus, dass Fusionen und Übernahmen für die betroffenen Unternehmen, Ak1 Hierzu ausführlich oben Teil 1 A. II. 2. a), S. 41 ff. Jedoch hat sich die österreichische Übernahmekommission in ihrer Stellungnahme mit der Frage der Anwendbarkeit der verfahrensbezogenen Vorschriften des öÜbG lediglich unter dem Gesichtspunkt der Übernahme der BA durch die HVB auseinandergesetzt. Die Frage nach der Anwendbarkeit der verfahrensbezogenen Vorschriften des öÜbG auf Sachverhalte, in denen es zu einer Kontrollerlangung im übernehmenden Rechtsträger durch einen Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers kommt, war im konkreten Fall insoweit zu vernachlässigen, als durch den Aktientausch kein Alt-Aktionär der BA in eine Kontrollposition in der HVB gelangt war. 2 Oben Teil 2 B. III. 2. a)–c), S. 72 ff. 3 Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034, S. 31; siehe hierzu auch oben Teil 2 B. III. 2. b) und c), S. 74 ff.

B. Stand der Diskussion

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tionäre und Arbeitnehmer sowie für die Wirtschaftsregionen regelmäßig weitreichende Folgen hätten.4 Noch deutlicher äußert sich der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 27. 9. 2001, wo es unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die verfahrensbezogenen Vorschriften des dritten Abschnitts des WpÜG heißt, der Gesetzgeber beabsichtige hiermit einen verlässlichen rechtlichen Rahmen für Fusionen und Unternehmensübernahmen zu schaffen.5 Während erstgenannte Aussage eine Anwendung der verfahrensbezogenen Vorschriften des WpÜG auf umwandlungsrechtliche Vorgänge als vom Gesetzgeber nicht intendiert erscheinen lässt, legen die weiteren Aussagen durch die Bezugnahme auch auf Fusionen den gegenteiligen Schluss nahe.6 Im Folgenden soll daher untersucht werden, ob und gegebenenfalls inwieweit Verschmelzungen und Spaltungen neben den Regelungen des UmwG auch den verfahrensbezogenen Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG unterfallen. In Betracht kommt eine Anwendung der §§ 29 ff. WpÜG dabei unter zwei Gesichtspunkten: dem der Übernahme des übertragenden durch den übernehmenden Rechtsträger sowie dem der Übernahme des übernehmenden Rechtsträgers durch einen Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers.7 Zunächst wird der aktuelle Diskussionsstand dargestellt. Im Anschluss hieran erfolgt eine eigene rechtliche Beurteilung der aufgeworfenen Fragen.

B. Stand der Diskussion Die Anwendbarkeit der §§ 29 ff. WpÜG auf das umwandlungsrechtliche Verfahren der Verschmelzung und Spaltung wird insgesamt nur wenig diskutiert. Während sich die Beiträge in der Fachliteratur hinsichtlich des Verhältnisses übernahme- und umwandlungsrechtlicher Vorgänge nahezu ausschließlich auf die in Teil 48 dieser Arbeit erörterte Frage nach der An4 Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034, S. 27; hierzu bereits oben Teil 2 B. III. 2. a) und c), S. 73 und S. 75 f. 5 Stellungnahme des Bundesrates v. 27. 9. 2001, BR-Drucks. 574/01 v. 27. 9. 2001, S. 1; vgl. oben Teil 2 B. III. 2. c), S. 76 Fn. 134. 6 Mit dem Begriff der „Fusion“ können neben Verschmelzungen auch Spaltungen in Bezug genommen sein. Dies folgt daraus, dass es sich bei der Spaltung insoweit um einen zur Verschmelzung parallelen Vorgang handelt, als es zu einer partiellen Verschmelzung, also zu einer Vereinigung von Vermögensteilen kommt. Spaltungen lassen sich daher auch als Teilverschmelzungen bzw. Teilfusionen begreifen; siehe hierzu ausführlich Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 123 Rn. 18. 7 Hierzu bereits oben Einf. A., S. 24 ff.; vgl. insoweit auch die Fallbeispiele sowie die Abb. 5a, 5b, 8a und 8b unter Teil 4 C. I. 1. und 4., S. 140 f. und S. 146 f. 8 Unten, S. 113 ff.

82

Teil 3: Die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG

wendbarkeit des in § 35 WpÜG geregelten Pflichtangebots konzentrieren, bleibt das hier zu untersuchende Verhältnis der verfahrensbezogenen Vorschriften in der Regel unerörtert, in der Mehrzahl der Fälle gar unerwähnt.9 Auf Rechtsprechung kann in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht zurückgegriffen werden.

I. Die Literatur 1. Umwandlungsrechtliche Stimmen Eine Unterscheidung zwischen der Frage nach dem Auslösen der Angebotspflicht nach § 35 WpÜG durch Verschmelzungen und Spaltungen und der Anwendbarkeit der verfahrensbezogenen Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG auf das umwandlungsrechtliche Verfahren als solches lässt sich in der Kommentarliteratur zum UmwG lediglich den Kommentierungen von Kalss10 und Semler/Stengel11 entnehmen. Nach der von Kalss12 vertretenen Ansicht sollen auf Verschmelzungs- und Spaltungsvorgänge neben den einschlägigen umwandlungsrechtlichen Vorschriften auch die verfahrensbezogenen Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG zur Anwendung kommen, wenn die Umwandlung als Instrument zur Erlangung der Kontrolle über eine andere Gesellschaft eingesetzt wird.13 Zur Begründung verweist Kalss auf die wirtschaftliche Gleichwertigkeit von Übernahmeangeboten und auf Kontrollerlangung gerichteten Verschmelzungen und Spaltungen bei gleichzeitig unterschiedlicher Schutzkonzeption von Übernahme- und Umwandlungsrecht.14 Ebenso wie die österreichische Übernahmekommission in ihrer Stellungnahme vom 12. 9. 2000 zum öster9 Diese Tatsache überrascht insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die österreichische Übernahmekommission in ihrer Stellungnahme v. 12. 9. 2000 nicht auf die Frage nach der Anwendbarkeit des Pflichtangebots beschränkt, sondern in beträchtlichem Umfang Stellung auch zu der hier zu untersuchenden Frage nach dem Verhältnis der verfahrensbezogenen Vorschriften von Übernahme- und Umwandlungsrecht genommen hat. Auch in der österreichischen Literatur wurde dieser Frage erhebliche Beachtung geschenkt; siehe nur Binder/Khol, ecolex 2000, 875 f.; Diregger/Ullmer, wbl 2002, 97 (98 ff.); Doralt, GesRZ 2000, 197 f.; Fleischer/Kalss, S. 158 f.; Gall, wbl 2000, 544 (546); Nowotny, wbl 2001, 379 (380 f.). 10 Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 18. 11 Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A Rn. 91 ff. 12 Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 18. 13 Dadurch, dass Kalss lediglich von der Erlangung der Kontrolle „über eine andere Gesellschaft“ spricht, bleibt jedoch unklar, ob hiermit die Erlangung der (wirtschaftlichen) Kontrolle an dem übertragenden durch den übernehmenden Rechtsträger, der Fall der Kontrollerlangung an dem übernehmenden Rechtsträger durch einen Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers oder gar beide Fälle in Bezug genommen sind.

B. Stand der Diskussion

83

reichischen Recht spricht sich auch Kalss gegen eine pauschale Anwendung der verfahrensbezogenen Vorschriften des WpÜG auf das umwandlungsrechtliche Verfahren aus. Jedoch geht sie, anders als das österreichische Aufsichtsgremium, das die Anwendung einzelner Bestimmungen des Übernahmerechts lediglich in Ausnahmefällen in Betracht gezogen, im Ergebnis aber offen gelassen hat,15 ausdrücklich von der Anwendbarkeit bestimmter verfahrensbezogener Einzelregelungen aus, ohne diese jedoch näher zu benennen. Ähnlich wie Kalss gehen auch Semler/Stengel16 grundsätzlich davon aus, dass bestehende Verfahrensunterschiede im Umwandlungs- und Übernahmerecht die Anwendung übernahmerechtlicher Vorschriften auf das umwandlungsrechtliche Verfahren der Verschmelzung und Spaltung erforderlich machen könnten, sofern anderenfalls die mit dem WpÜG verfolgten Schutzzwecke – explizit genannt wird hier der Gleichbehandlungsgrundsatz – unterlaufen würden. In Abweichung von der von Kalss vertretenen Ansicht gelangen sie jedoch zu der Einschätzung, dass dem Schutzbedürfnis der Aktionäre durch das umwandlungsrechtliche Verfahren trotz bestehender Verfahrensunterschiede jedenfalls im Grundsatz genüge getan sei. So befriedige das Umwandlungsrecht das Informationsinteresse der Aktionäre umfassend durch die inhaltlichen Anforderungen an den Umwandlungsvertrag, die Umwandlungsprüfung, den Umwandlungsprüfungsbericht und die Erläuterungspflichten des Vorstands.17 Das im Umwandlungsvertrag festgeschriebene Umtauschverhältnis, d.h. der Umfang der im Gegenzug für das übertragene Vermögen zu gewährenden Anteile, gewährleiste darüber hinaus die Gleichbehandlung der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers.18 Soweit die Minderheitsaktionäre aufgrund einer neuen Kontrollsituation nach erfolgter Durchführung der Umwandlungsmaßnahme schutzbedürftig seien, werde ihrem Schutzbedürfnis schließlich durch die Pflichtangebotsregelung des § 35 WpÜG in ausreichendem Maße Rechnung getragen.19 14

Worin genau die Unterschiede in den Schutzkonzeptionen von Übernahmeund Umwandlungsrecht liegen sollen, lässt Kalss freilich offen. 15 Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 14; hierzu oben Teil 1 A. II. 2. a), S. 42. 16 Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A Rn. 91. 17 Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A Rn. 92. 18 Im Übrigen werde die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses auch durch die Verschmelzungsprüfung garantiert. Zudem stehe den Anteilsinhabern die Möglichkeit der Überprüfung im Spruchverfahren offen; Semler/Stengel, in: Semler/ Stengel, UmwG, Einl. A Rn. 93. 19 Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A Rn. 94, womit implizit von der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG auf Fälle der Kontrollerlangung im Wege der Verschmelzung und Spaltung ausgegangen wird. Zu dieser Frage eingehend unten Teil 4, S. 113 ff.

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Teil 3: Die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG

2. Übernahmerechtliche Stimmen Vergleichbar der umwandlungsrechtlichen Kommentarliteratur finden sich auch unter den übernahmerechtlich ausgerichteten Kommentatoren lediglich vereinzelt Stimmen, die sich mit der Frage der Anwendbarkeit der §§ 29 ff. WpÜG auf das umwandlungsrechtliche Verfahren beschäftigen. Entsprechende Stellungnahmen bieten lediglich die Kommentierungen von Angerer20 und von Bülow21. Nach der Ansicht Angerers22 soll bei umwandlungsrechtlichen Transaktionen de lege lata eine ergänzende Anwendung übernahmerechtlicher Vorschriften nicht in Betracht kommen. Zur Begründung verfolgt Angerer eine zweigleisige Argumentation: Zum einen seien Umwandlungen bereits tatbestandsmäßig vom WpÜG nicht erfasst. Auch müsse eine analoge Anwendung des Gesetzes mangels planwidriger Regelungslücke ausscheiden. Gegen das Vorliegen einer solchen sprächen die differenzierten umwandlungsrechtlichen Minderheitsschutzvorschriften, welche eine Rechtsfortbildung praeter legem nicht zuließen.23 Zum anderen gehe aber auch die Gesetzesbegründung davon aus, dass die Vorschriften des WpÜG auf umwandlungsrechtlich ausgestaltete Transaktionen nicht anzuwenden seien.24 Ob im Schnittbereich zwischen Übernahme- und Umwandlungsrecht besondere gesetzliche Vorschriften erforderlich seien, sei nach der Vorstellung des Gesetzgebers allenfalls de lege ferenda zu entscheiden. De lege lata richte sich die Zulässigkeit derartiger Maßnahmen stets nach den jeweils einschlägigen Vorschriften des UmwG.25 Auch nach der Auffassung von Bülows26 sollen auf Verschmelzungsvorgänge, an denen eine Zielgesellschaft als übertragender Rechtsträger beteiligt ist, die Vorschriften des WpÜG betreffend Übernahmeangebote (§§ 29 ff. WpÜG) keine Anwendung finden.27 Derartige Fallgestaltungen 20

Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 1 Rn. 103 ff. v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 29 Rn. 24. 22 Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 1 Rn. 106. 23 Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 1 Rn. 106. 24 Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 1 Rn. 104, verweist insoweit auf die Aussage des Gesetzgebers zu dem Verhältnis von Übernahme- und Umwandlungsrecht, Begründung zum RegE-WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 31. Insoweit bereits wortgleich die Begründung zum RefE-WÜG, Allgemeiner Teil, II., Ziff. 8. Siehe zu beiden Entwürfen auch die Ausführungen unter Teil 2 B. III. 2. b) und c), S. 74 ff. 25 Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 1 Rn. 104. 26 v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 29 Rn. 24. 27 Gemessen am Wortlaut beziehen sich die Ausführungen v. Bülows lediglich auf Verschmelzungen. Aufgrund der Ähnlichkeit der Transaktionen – Spaltungen stellen letztendlich Teilverschmelzungen dar; hierzu bereits oben Teil 3 A., S. 81 Fn. 6 – ist jedoch davon auszugehen, dass die insoweit angestellten Erwägungen für 21

B. Stand der Diskussion

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unterfielen schon deshalb nicht dem Anwendungsbereich der §§ 29 ff. WpÜG, da sie nicht den Erwerb von Wertpapieren, sondern vielmehr den Erwerb des Vermögens des übertragenden durch den übernehmenden Rechtsträger zum Gegenstand hätten.28 3. Die sonstige Fachliteratur Der sonstigen Fachliteratur lassen sich im Hinblick auf die hier untersuchte Frage im Ergebnis keine oder jedenfalls keine weitergehenden Überlegungen und Aussagen entnehmen. Soweit weitere Stellungnahmen existieren, beschränken sich diese auf die schlichte Feststellung, dass sich das bei Umwandlungen einzuhaltende Verfahren allein nach den Vorschriften des UmwG richte.29

II. Die Ansicht der BaFin Eine ausdrückliche Stellungnahme der BaFin speziell zu der hier aufgeworfenen Frage nach der Anwendbarkeit der verfahrensbezogenen Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen existiert nicht. Neben einer nicht veröffentlichten Entscheidung in dem Fall Carl Zeiss Meditec AG30 aus dem Jahr 2002, die jedoch ausschließlich die im 4. Teil31 dieser Arbeit behandelte Problematik der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG auf Tatbestände der Kontrollerlangung im Wege der Verschmelzung betraf, geht die Bundesanstalt einzig in ihrem Jahresbericht aus dem Jahr 2002 auf das Verhältnis von Übernahme- und Umwandlungsrecht ein.32 Nach den dort getroffenen Aussagen hält die BaFin die Vorschriften Spaltungen gleichermaßen Geltung beanspruchen. Auch auf die Frage nach der Anwendbarkeit der §§ 29 ff. WpÜG auf Sachverhalte, in denen die Verschmelzung bzw. Spaltung auf die Erlangung der Kontrolle in dem übernehmenden Rechtsträger durch einen Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers gerichtet ist, geht v. Bülow nicht ein. 28 Eine Aussage darüber, ob in derartigen Fällen nicht zumindest eine analoge Anwendung des Gesetzes in Betracht gezogen werden kann, lässt sich den Ausführungen v. Bülows nicht entnehmen. 29 So etwa Süßmann, WM 2003, 1453 (1454). 30 Siehe hierzu sogleich sowie ausführlich unten Teil 4 C. II. 3., S. 162 f. 31 Unten, S. 113 ff. 32 Soweit in dem Beitrag von Lenz/Linke, AG 2002, 361 (367 f.) – die Autoren sind Regierungsdirektor bzw. Regierungsrat bei der BaFin – Stellung zu dem Verhältnis von Übernahme- und Umwandlungsrecht bezogen wird, lassen sich hieraus jedenfalls unmittelbar keine Rückschlüsse auf die Rechtsauffassung der BaFin zu diesem Themenkomplex ziehen. Der Beitrag gibt ausweislich eines ausdrücklichen Hinweises der Verfasser ausschließlich deren persönliche Auffassung wieder.

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des WpÜG neben denen des Umwandlungsrechts dann für anwendbar, „wenn die Kontrolle durch eine Umwandlung33 oder Verschmelzung erlangt wird“.34 Dass hiermit jedoch nur die Frage nach der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG, nicht aber auch der hier zu untersuchende Aspekt der Anwendbarkeit der verfahrensbezogenen Vorschriften des WpÜG in Bezug genommen ist, ergibt sich bereits aus der von der BaFin verwendeten Formulierung „erlangt wird“. Denn für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des vierten Abschnitts des WpÜG betreffend Übernahmeangebote (§§ 29 ff. WpÜG) kommt es bereits nach der Legaldefinition des § 29 Abs. 1 WpÜG einzig und allein darauf an, dass das durch den Bieter unterbreitete Angebot auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet ist.35 Eine tatsächliche Kontrollerlangung ist insoweit gerade nicht erforderlich.36 An den Tatbestand der Kontrollerlangung als solchen knüpft ausschließlich die Regelung des § 35 WpÜG entsprechende Rechtsfolgen.37 Die Aussage der BaFin kann mithin nur dahingehend verstanden werden, dass die Regelungen des WpÜG grundsätzlich dann anzuwenden sind, wenn der Tatbestand der Kontrollerlangung tatsächlich erfüllt ist. Die hier zu untersuchende Frage nach der Anwendbarkeit der §§ 29 ff. WpÜG ist von dieser Aussage – zumindest positiv – nicht erfasst. Abgesehen von einem sich nach der Aussage der BaFin in ihrem Jahresbericht geradezu aufdrängenden Umkehrschluss bestehen auch im Übrigen deutliche Anzeichen dafür, dass die Bundesanstalt außerhalb der Regelung des § 35 WpÜG die Anwendbarkeit übernahmerechtlicher Vorschriften auf Verschmelzungen und Spaltungen für nicht gegeben hält. Für diesen Befund spricht vor allem die aufsichtsrechtliche Praxis der BaFin. So ist der bisher einzige in Deutschland aufsichtsrechtlich in Erscheinung getretene Fall einer Maßnahme nach dem UmwG jener der Verschmelzung der Carl Zeiss Ophthalmic Systems AG auf die Asclepion-Meditec AG38 im Jahr 2002.39 Im Zuge der Transaktion erlangte die Carl Zeiss Gruppe 76% der Anteile 33 Die Formulierung der BaFin „durch Umwandlung oder Verschmelzung“ ist ungenau und widerspricht zudem dem Begriffsverständnis des UmwG, das den Begriff der Umwandlung als Oberbegriff für die im UmwG geregelten Umwandlungsarten gebraucht, unter den auch die Verschmelzung zu subsumieren ist; zu dem Verhältnis der Begriffe siehe Semler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 1 Rn. 9. 34 Jahresbericht der BaFin 2002, Teil A, S. 172; abrufbar unter http://www. bafin.de unter der Rubrik „Publikationen“, „Jahresberichte“. 35 Zu der insoweit gebotenen objektiven Betrachtungsweise siehe die Ausführungen unter Teil 1 B. III. 2. b), S. 52 Fn. 119. 36 Ganz h. M.; siehe nur v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 29 Rn. 36; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 29 Rn. 2; Süßmann, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 29 Rn. 5; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 29 Rn. 12; Wackerbarth, in: MünchKomm-AktG, § 29 WpÜG Rn. 14. 37 Hierzu eingehend oben Teil 1 B. III. 2. und 3., S. 50 und S. 52.

C. Unmittelbare Anwendbarkeit

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an der aus der Verschmelzung hervorgegangenen Carl Zeiss Meditec AG. Einen von der Carl Zeiss Gruppe gem. § 37 Abs. 1 WpÜG gestellten Antrag auf Befreiung von der Verpflichtung nach § 35 WpÜG lehnte die BaFin schließlich ab.40 Hätte die Bundesanstalt schon im Vorfeld der Kontrollerlangung die verfahrensbezogenen Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG für einschlägig erachtet, so ist davon auszugehen, dass sie im Rahmen ihrer durch § 4 Abs. 1 WpÜG eingeräumten Kompetenz zur Vermeidung bzw. Beseitigung von Missständen Gebrauch gemacht und entsprechende Maßnahmen eingeleitet hätte. Hierzu ist es jedoch nicht gekommen, was als starkes Indiz dafür gelten kann, dass die BaFin die Einschlägigkeit übernahmerechtlicher Vorschriften auf die Regelung des § 35 WpÜG begrenzt sehen möchte.

C. Unmittelbare Anwendbarkeit Die Auswertung des Diskussionsstands hat gezeigt, dass insgesamt nur wenige Stimmen zu der hier aufgeworfenen Frage Stellung nehmen. Soweit die Thematik aufgegriffen und einer rechtlichen Betrachtung unterzogen wird, stehen die Ansichten isoliert und nahezu unbegründet nebeneinander, ein Diskurs findet in keiner Weise statt. Letztlich kann die rechtliche Beurteilung der Frage nach der Anwendbarkeit der verfahrensbezogenen Vorschriften des WpÜG auf das umwandlungsrechtliche Verfahren der Verschmelzung und Spaltung nur unter Auslegung der den Anwendungsbereich der §§ 29 ff. WpÜG regelnden Vorschriften erfolgen. Hierzu ist auf die allgemein anerkannten Auslegungskriterien,41 beginnend mit dem Wortlaut des Gesetzes,42 zurückzugreifen. § 29 Abs. 1 WpÜG definiert Übernahmeangebote als Angebote, die auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet sind. Mit dieser Legaldefinition legt das Gesetz zugleich den Anwendungsbereich der §§ 29 ff. WpÜG fest.43 Damit 38 Gem. § 8 des Verschmelzungsvertrags zwischen der Asclepion-Meditec AG und der Carl Zeiss Ophthalmic Systems AG wurde die Firma auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verschmelzung in Carl Zeiss Meditec AG geändert. 39 Zu dieser Transaktion aus Sicht der mitwirkenden Berater Blättchen/Götz, FB 2002, 660 (666); vgl. hierzu auch die Ausführungen unter Teil 4 C. II. 3., S. 162 f. 40 Vetter, WM 2002, 1999 (Fn. 3). 41 Zu diesen im Einzelnen Larenz, S. 320 ff.; siehe auch Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl. Rn. 41 ff. 42 Vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl. Rn. 41. 43 Süßmann, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 29 Rn. 1; Wackerbarth, in: MünchKomm-AktG, § 29 WpÜG Rn. 1. Darauf, dass sich der Anwendungsbereich des WpÜG primär aus seinen Einzelvorschriften und nicht schon alleine aus § 1 WpÜG ableiten lässt, wurde bereits hingewiesen; oben Teil 1 B. II. 1. a), S. 47 f.

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dieser eröffnet ist, muss es sich bei der zu qualifizierenden Handlung also zunächst um ein Angebot i. S. d. § 29 Abs. 1 WpÜG handeln.44 Hiermit steht und fällt die Anwendbarkeit der §§ 29 ff. WpÜG.45 Im Folgenden ist zu untersuchen, ob Verschmelzungen und Spaltungen nach dem UmwG als Angebote in diesem Sinne zu qualifizieren sind. Hierzu ist zunächst der Bedeutungsgehalt des in § 29 Abs. 1 WpÜG verwendeten Begriffs des Angebots zu ermitteln.

I. Begriffsbestimmungen Für die Ermittlung des Bedeutungsgehalts kommt der durch den Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 WpÜG vorgenommenen Begriffsbestimmung entscheidende Bedeutung zu.46 Indem der Gesetzgeber dort Angebote als „freiwillige oder auf Grund einer Verpflichtung nach dem WpÜG erfolgende öffentliche Kauf- oder Tauschangebote zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft“ definiert, weicht er von dem Begriffsverständnis der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre47 ab und begründet einen speziellen übernahmerechtlichen Angebotsbegriff.48 Dieser dient jedoch vorwiegend der begrifflichen Zusammenfassung der einzelnen Angebotsarten des WpÜG.49 Soweit das Gesetz in seinen Einzelvorschriften schlicht von „Angeboten“ spricht, ist daher auf die gesetzliche Definition des § 2 Abs. 1 WpÜG zu44 v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 29 Rn. 19. Für die Eröffnung des Anwendungsbereichs nicht zwingend erforderlich ist demgegenüber, dass ein Angebot bereits abgegeben wurde; auch hierzu bereits oben Teil 1 B. II. 1. a), S. 47. 45 Aufgrund der Verweisung in § 34 WpÜG hängt hiervon auch die Anwendbarkeit der Vorschriften des dritten Abschnitts des WpÜG ab; zur Verweisungstechnik des § 34 WpÜG oben Teil 1 B. III. 2. b), S. 52. 46 Allgemein zu den Begriffsbestimmungen des § 2 WpÜG oben Teil 1 B. II. 1. b), S. 48. 47 Nach dem Begriffsverständnis des Bürgerlichen Rechts ist unter einem Angebot – das BGB verwendet in §§ 145 ff. wohlgemerkt den Begriff des Antrags, wobei der des Angebots jedoch synonym verwendet wird – eine einseitige, empfangsbedürftige, auf den Abschluss eines Vertrags gerichtete Willenserklärung zu verstehen; vgl. Kramer, in: MünchKomm-BGB, § 145 Rn. 3; Wolf, in: Soergel, BGB, § 145 Rn. 3. 48 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 2 Rn. 5; Versteegen, in: KKWpÜG, § 2 Rn. 10 f. Dieses spezielle übernahmerechtliche Verständnis entspricht zwar nicht seinem Inhalt, aber seiner Konzeption nach dem Begriffsverständnis des Übernahmekodex, der dem Begriff des Angebots in seinen Begriffsbestimmungen ebenfalls ein kodex-spezifisches Verständnis zugrunde legte. Nach der Begriffsbestimmung des Übernahmekodex waren öffentliche Angebote „öffentliche Kaufund Umtauschangebote sowie Aufforderungen zur Abgabe von Angeboten [. . .]“. 49 Auch nach Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 2 Rn. 5, ist die Unterteilung in Erwerbs-, Übernahme- und Pflichtangebote unter dem „gemeinsamen Dach“ des speziellen übernahmerechtlichen Angebotsbegriffs rein technischer Natur.

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rückzugreifen, wonach unter Angeboten „öffentliche Kauf- oder Tauschangebote zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft“ zu verstehen sind.50 1. Angebot Es stellt sich die Frage, welches Verständnis der Gesetzgeber dieser Begrifflichkeit des Angebots zugrunde gelegt hat. In Betracht kommen im Wesentlichen die zwei folgenden Verständnismöglichkeiten: Einerseits könnte der Begriff in seinem ursprünglichen, der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre entlehnten Verständnis zu begreifen sein, wonach ein Angebot eine auf Abschluss eines Vertrags gerichtete Willenserklärung darstellt (§ 145 BGB).51 Hierfür spricht insbesondere die Tatsache, dass der Gesetzgeber den im Rahmen der Legaldefinition verwendeten Terminus einer weiteren gesetzlichen Konkretisierung gerade nicht zugeführt, sondern diesen vielmehr als bekannt vorausgesetzt hat.52 Andererseits, und dafür streitet möglicherweise der kapitalmarktrechtliche Charakter des WpÜG, könnte dem Angebotsbegriff ein eigenständiger kapitalmarktrechtlicher Sinngehalt zugrunde zu legen sein.53 Führt der Gesetzgeber jedoch Begrifflichkeiten in ein Gesetz ein, denen in der Rechtssprache ein spezifischer Sinngehalt zukommt, so spricht zunächst eine – wenn auch widerlegbare – Vermutung dafür, dass er diese mit dem ihnen durch den allgemeinen juristischen Sprachgebrauch zugewiesenen Bedeutungsgehalt gebraucht.54 Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber dem Begriff des Angebots im Rahmen der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 WpÜG einen anderen als den allgemein gültigen bürgerlich-rechtlichen Bedeutungsgehalt hat beimessen wollen, sind nicht ersichtlich.55 Vielmehr ergibt sich aus der ausdrücklichen Untersagung der Ausgestaltung 50

Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 2 Rn. 6. Zum Angebotsbegriff i. S. d. allgemeinen Rechtsgeschäftslehre siehe Kramer, in: MünchKomm-BGB, § 145 Rn. 3; Wolf, in: Soergel, BGB, § 145 Rn. 3. 52 So auch Versteegen, in: KK-WpÜG, § 2 Rn. 27. 53 So ist etwa auch der Angebotsbegriff des VerkProspG allgemeiner Ansicht nach jedenfalls insoweit nicht deckungsgleich mit demjenigen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre, als er auch die Fälle der invitatio ad offerendum erfasst; vgl. Hamann, in: Schäfer, WpHG/BörsG/VerkProspG, § 1 VerkProspG Rn. 6; Heidelbach, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 1 VerkProspG Rn. 8. 54 Larenz, S. 321. 55 Anders als etwa im VerkProspG, wo der Gesetzgeber zwar ebenfalls auf eine Legaldefinition des Angebotsbegriffs verzichtet, in der Gesetzesbegründung jedoch ausdrücklich auf das von der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre abweichende Verständnis hingewiesen hat; vgl. hierzu die Begründung zum RegE-VerkProspG, BTDrucks. 11/6340, S. 11. 51

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von Angeboten als invitatio ad offerendum in § 17 WpÜG, dass von dem Begriff des Angebots nur solche Offerten erfasst sein sollen, die eine entsprechende Bindungswirkung zu entfalten vermögen.56 Entsprechend weist der Gesetzgeber in der Begründung zu § 17 WpÜG auf Erfahrungen hin, wonach in Deutschland Angebote zum Erwerb von Wertpapieren mehrheitlich als rechtlich bindende Angebote ausgestaltet werden.57 Da es dem Gesetzgeber mit Erlass des WpÜG gerade darauf ankam, für die in der Praxis vorkommenden Angebote einen rechtlichen Rahmen bereitzustellen, führt im Ergebnis kein Weg daran vorbei, dem Begriff des Angebots den aus der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre bekannten Bedeutungsgehalt beizumessen.58 Angebot i. S. d. § 2 Abs. 1 WpÜG ist damit jede auf das Zustandekommen eines Vertrags gerichtete, rechtlich verbindliche Willenserklärung i. S. d. § 145 BGB. 2. Zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft Darüber hinaus muss das so verstandene Angebot ein solches „zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft“ sein. Was das Gesetz unter „Wertpapieren einer Zielgesellschaft“ versteht, ergibt sich aus den Legaldefinitionen des § 2 Abs. 2 und 3 WpÜG:59 Neben Aktien (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 WpÜG) und mit diesen vergleichbare Wertpapiere (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 WpÜG) und Zertifikate, die Aktien vertreten (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 WpÜG) sind vom Wertpapierbegriff des WpÜG auch solche Wertpapiere erfasst, die den Erwerb von Aktien, mit diesen vergleichbaren Wertpapieren oder Zertifikaten, die Aktien vertreten, zum Gegenstand haben (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 WpÜG). Um Wertpapiere „einer Zielgesellschaft“ handelt es sich, wenn die Papiere von einer AG oder KGaA mit Sitz im Inland ausgegeben wurden.60 Adressaten des Angebots müssen die Inhaber dieser Wertpapiere sein.61 Soweit § 2 Abs. 1 WpÜG fordert, dass das Angebot „zum Erwerb“ der Wertpapiere abgegeben wird, legt das Gesetz – anders als es der Wortlaut vermuten lässt – nicht etwa den Inhalt des Angebots dergestalt fest, dass 56

Versteegen, in: KK-WpÜG, § 2 Rn. 26. Begründung zu § 17 RegE-WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 47. 58 Allgemeine Ansicht; ausführlich hierzu Versteegen, in: KK-WpÜG, § 2 Rn. 25 ff.; ohne nähere Begründung Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 1 Rn. 4; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 2 Rn. 5; Busch, AG 2002, 145; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, §§ 1, 2 WpÜG Rn. 8; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 2 Rn. 1; Schüppen, in: FrankfKomm-WpÜG, § 2 Rn. 7; Wackerbarth, in: MünchKomm-AktG, § 1 WpÜG Rn. 4. 59 Siehe oben Teil 1 B. II. 1. b), S. 48. 60 Vgl. § 2 Abs. 3 WpÜG. 61 Versteegen, in: KK-WpÜG, § 2 Rn. 33. 57

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dieses den Übergang der rechtlichen Inhaberschaft an den Wertpapieren zum Gegenstand haben muss. Zwar verwendet das WpÜG den Begriff des Erwerbs grundsätzlich in diesem, dem allgemeinen juristischen Sprachgebrauch entsprechenden62 engen Sinne.63 Gleichwohl kommt der Formulierung in § 2 Abs. 1 WpÜG im Hinblick auf die inhaltliche Ausgestaltung des Angebots nur eingeschränkte Bedeutung zu. Dies ergibt sich aus folgender Überlegung: Nach den gesetzlichen Vorgaben in § 2 Abs. 1 WpÜG haben Angebote, sollen sie dem Regelungsbereich des Gesetzes unterfallen, als Kauf- oder Tauschangebote ausgestaltet zu sein. Hiermit bedient sich der Gesetzgeber zweier Begrifflichkeiten des Besonderen Schuldrechts, wodurch nicht der Abschluss eines dinglichen, sondern vielmehr der eines schuldrechtlichen Kauf- (§ 433 BGB) bzw. Tauschvertrags (§ 480 BGB) nahegelegt wird.64 Dass der Gesetzgeber unter Verstoß gegen das Trennungsprinzip als Magna Charta des Bürgerlichen Rechts Angebote, gerichtet auf den Abschluss eines dinglichen Rechtsgeschäfts, als Kauf- oder Tauschangebote bezeichnet, ist kaum anzunehmen.65 Auch die vom Gesetzgeber in § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 WpÜG gewählten Formulierungen sprechen für diese Einschätzung. Gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 WpÜG hat der Bieter Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass ihm die zur vollständigen „Erfüllung des Angebots“ notwendigen Mittel zur Verfügung stehen. Von der vollständigen „Erfüllung des Angebots“ spricht auch § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 WpÜG im Hinblick auf die in die Angebotsunterlage ergänzend aufzunehmenden Angaben. Wenn der Gesetzgeber hier – terminologisch unsauber – von der „Erfüllung des Angebots“ spricht, meint er ganz offensichtlich das Bewirken der infolge der Angebotsannahme geschuldeten Leistung.66 Hiermit jedoch macht der Gesetzgeber 62 Im Unterschied zum allgemeinen Sprachgebrauch, der nicht zwischen schuldrechtlichen und dinglichen Rechtsgeschäften differenziert, ist der Begriff „Erwerb“ in der Rechtssprache mit dem Bedeutungsgehalt der unmittelbaren Begründung der dinglichen Rechtsinhaberschaft belegt; Brox, Rn. 633; Tilch/Arloth, S. 1480, Stichwort „Erwerb“; Versteegen, in: KK-WpÜG, § 2 Rn. 34. 63 So ausdrücklich der Gesetzgeber in der Begründung zu § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 RegE-WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 54; siehe auch Versteegen, in: KKWpÜG, § 2 Rn. 34. 64 Versteegen, in: KK-WpÜG, § 2 Rn. 35. 65 Hierauf weist zutreffend Versteegen, in: KK-WpÜG, § 2 Rn. 35, im Hinblick auf die Regelung des § 11 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpÜG hin, wonach in die Angebotsunterlage neben den angebotsgegenständlichen Wertpapieren auch die Art und Höhe der für die Wertpapiere gebotenen Gegenleistung einzustellen sind. Dies stehe mit dem Abstraktionsprinzip – richtigerweise müsste es wohl „Trennungsprinzip“ heißen – nur dann im Einklang, wenn das Angebot als auf den Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrags interpretiert werde. 66 So auch das Verständnis des Gesetzgebers in § 362 Abs. 1 BGB, wonach Bezugspunkt der Erfüllung die den Parteien aus dem Schuldverhältnis erwachsenden

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unmissverständlich deutlich, dass Angebote, um dem Anwendungsbereich des WpÜG zu unterfallen, nicht auf den Abschluss des dinglichen, sondern vielmehr auf den des schuldrechtlichen Geschäfts gerichtet sein müssen. Im Übrigen folgt die Einordnung des zu schließenden Vertrags als schuldrechtliches Geschäft auch aus dem mit dem Gesetz verfolgten Zweck des Schutzes der Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft.67 Welchen Schutz würde ihnen das Gesetz – insbesondere im Rahmen der Durchführung des Pflichtangebots nach § 35 WpÜG – gewähren, würden die von ihm erfassten Angebote auf den dinglichen Erwerb der Wertpapiere gerichtet sein? Aus der Sicht der Wertpapierinhaber entscheidend ist einzig die für sie notfalls auch auf gerichtlichem Wege durchsetzbare Verpflichtung des Bieters zur Erbringung der gesetzlich festgeschriebenen Gegenleistung.68 Das dingliche Rechtsgeschäft ist nur insoweit Regelungsgegenstand des WpÜG, als das Gesetz durch die Vorschriften der § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, § 13 WpÜG sicherzustellen versucht, dass dem Bieter die zur vollständigen Erfüllung seiner durch die Angebotsannahme begründeten Verbindlichkeit notwendigen Mittel zur Verfügung stehen.69 Nach alldem ist davon auszugehen, dass Angebote i. S. d. § 145 BGB auf den Abschluss schuldrechtlicher Kauf- (§ 433 BGB) oder Tauschverträge (§ 480 BGB) gerichtet sein müssen, um dem Anwendungsbereich der §§ 29 ff. WpÜG zu unterfallen.70 Der in § 2 Abs. 1 WpÜG gewählten Formulierung „zum Erwerb“ kann für die Bestimmung des Angebotsinhalts lediglich eine finale Bedeutung in dem Sinne beigemessen werden, als am Ende des Gesamtvorgangs, d.h. nach Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags und dessen Erfüllung, der Erwerb der rechtlichen Inhaberschaft an den Wertpapieren durch den Bieter stehen muss.71

Leistungspflichten sind; siehe hierzu nur Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 362 Rn. 1 f. 67 Zu diesem mit dem WpÜG verfolgten Zweck siehe die Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034, S. 28. 68 Zutreffend Versteegen, in: KK-WpÜG, § 2 Rn. 35. 69 Zu dieser Funktion der § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, § 13 WpÜG siehe MarschBarner, in: Baums/Thoma, § 13 Rn. 10 ff.; Möllers, in: KK-WpÜG, § 13 Rn. 1; Seydel, in: KK-WpÜG, § 11 Rn. 58; Thoma, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 11 Rn. 56. 70 Zu diesem Ergebnis kommt auch Versteegen, in: KK-WpÜG, § 2 Rn. 34 ff., infolge seiner Analyse des Angebotsinhalts; wohl auch Baums/Hecker, in: Baums/ Thoma, § 2 Rn. 16; nicht eindeutig Busch, AG 2002, 145; a. A. Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 2 Rn. 14, wonach es der Normzweck und die Vermeidung von Umgehungen gebiete, unter „Erwerb“ sowohl die dingliche Verfügung wie auch den Abschluss von Kauf- oder Tauschverträgen zu verstehen. 71 Ähnlich Versteegen, in: KK-WpÜG, § 2 Rn. 34.

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II. Anwendung auf Verschmelzungen und Spaltungen An der gefundenen Begriffsbestimmung sind Verschmelzungen und Spaltungen im Folgenden zu messen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verschmelzungen und Spaltungen, die auf die (wirtschaftliche) Übernahme des übertragenden durch den übernehmenden Rechtsträger abzielen und solchen Verschmelzungen und Spaltungen, die auf die Übernahme des übernehmenden durch einen Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers gerichtet sind.72 1. Übernahme des übertragenden durch den übernehmenden Rechtsträger Verschmelzungen und Spaltungen stellen Fälle der Vermögensübertragung im Wege der (partiellen)73 Gesamtrechtsnachfolge dar.74 Während es bei der Verschmelzung zur Übertragung des gesamten Vermögens mindestens eines liquidationslos erlöschenden Rechtsträgers auf einen anderen Rechtsträger kommt,75 gehen bei der Spaltung lediglich Teile des Vermögens eines Rechtsträgers auf einen oder mehrere76 andere Rechtsträger über.77 Betreffend den übertragenden Rechtsträger haben Verschmelzungen und Spaltungen mithin nicht den Erwerb von Wertpapieren, sondern einen Vermögenserwerb zum Gegenstand.78 Damit jedoch muss eine unmittelbare Anwendung der §§ 29 ff. WpÜG von vornherein ausscheiden. Denn dass als Ergebnis eines erfolgreichen Angebots, d.h. nach Abschluss eines entsprechenden Kauf- oder Tauschvertrags und dessen Erfüllung, die Erlangung der rechtlichen Inhaberschaft der von den Anteilsinhabern der Zielge72 Zu dieser Unterscheidung bereits unter Teil 3 A., S. 81 sowie oben Einf. A., S. 24 f. 73 „Partiell“ deshalb, da bei der Spaltung – im Unterschied zur Verschmelzung – regelmäßig nicht das gesamte Vermögen, sondern nur ein im Spaltungs- und Übernahmevertrag spezifizierter Vermögensteil auf den übernehmenden Rechtsträger übertragen wird. Zu der Möglichkeit, im Rahmen der Ausgliederung auch das gesamte Vermögen zu übertragen (sog. Totalausgliederung), siehe Kallmeyer, in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rn. 12; Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 123 Rn. 22. 74 Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, § 2 Rn. 35, Stengel/Schwanna, in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rn. 6. 75 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 2 Rn. 20; Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, § 2 Rn. 34. 76 Im Rahmen der Abspaltung überträgt der übertragende Rechtsträger sein Vermögen auf mindestens zwei andere bestehende oder neu gegründete Rechtsträger, vgl. § 123 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UmwG „auf andere Rechtsträger“. 77 Stengel/Schwanna, in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rn. 2; Kallmeyer, in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rn. 1 ff. 78 So auch v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 29 Rn. 24.

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Teil 3: Die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG

sellschaft gehaltenen Wertpapiere stehen muss, setzt § 2 Abs. 1 WpÜG unabdingbar voraus.79 Wenn es aber im Rahmen von Verschmelzungen und Spaltungen bereits strukturbedingt zu einem (dinglichen) Erwerb von Anteilen an dem übertragenden Rechtsträger nicht kommen kann, da nur das Vermögen, nicht aber auch die Gesellschaftsanteile auf den übernehmenden Rechtsträger als neuen Eigentümer übergehen, so kann in der Umwandlungsmaßnahme ein Kauf- oder Tauschangebot i. S. d. § 2 Abs. 1 WpÜG zwangsläufig nicht liegen. Es fehlt insoweit bereits an einer an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers adressierten Willensäußerung mit dem von § 2 Abs. 1 WpÜG vorgegebenen Inhalt. Auf die Frage, ob den Aktionären eine individuelle Entscheidungsmöglichkeit über die Annahme oder Ablehnung des Angebots gewährt wird, wie dies die österreichische Übernahmekommission im Fall HVB/BA als entscheidend angesehen hat,80 kommt es demnach nicht an. 2. Übernahme des übernehmenden durch einen Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers Haben Verschmelzungen und Spaltungen im Hinblick auf den übertragenden Rechtsträger mithin nicht den Erwerb von Wertpapieren, sondern den des Vermögens zum Gegenstand, so erwerben die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 UmwG – im Fall der Spaltung gem. § 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 UmwG – mit Eintragung der Umwandlungsmaßnahme in das Handelsregister des Sitzes des übernehmenden bzw. übertragenden Rechtsträgers Anteile bzw. Mitgliedschaften an dem übernehmenden Rechtsträger.81 Handelt es sich bei diesem um eine börsennotierte AG oder KGaA, so kommt es mit Abschluss der Umwandlungsmaßnahme ohne weiteres zur Erlangung der rechtlichen Inhaberschaft an den durch den übernehmenden Rechtsträger ausgegebenen Aktien und damit zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft i. S. d. § 2 Abs. 1 WpÜG. Indes lässt sich dieser Erwerb – anders als von § 2 Abs. 1 WpÜG gefordert – nicht auf ein an die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers adressiertes Angebot i. S. d. § 145 BGB, gerichtet auf den Abschluss eines entsprechenden Kauf- (§ 433 BGB) oder Tauschvertrags (§ 480 BGB), zurückführen. Denn anders als bei einem rechtsgeschäftlichen Erwerb von Mehrheits- bzw. Kontrollbeteiligungen kommt es bei Verschmelzungen und 79

Oben Teil 3 C. I. 2., S. 92. Hierzu oben Teil 1 A. II. 2. a), S. 42. 81 Im Fall der Ausgliederung wird der übertragende Rechtsträger gem. § 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 UmwG selbst Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers. 80

C. Unmittelbare Anwendbarkeit

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Spaltungen zu keinem von den Anteilsinhabern des übernehmenden Rechtsträgers abgeleiteten Anteilserwerb.82 Die den Aktionären des übertragenden Rechtsträgers im Zuge der Umwandlung zu gewährenden Anteile stammen regelmäßig entweder aus einer Kapitalerhöhung oder aus einem Bestand an eigenen Aktien und werden daher von dem übernehmenden Rechtsträger selbst an die Aktionäre ausgegeben.83 Rechtsgrund für den Erwerb der Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger ist dementsprechend auch kein mit dessen Anteilsinhabern abgeschlossener Kauf- oder Tauschvertrag, sondern vielmehr der der Umwandlungsmaßnahme zugrunde liegende Verschmelzungs- bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrag.84 An dem Zustandekommen dieses Vertrags beteiligt sind die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers jedoch lediglich insoweit, als das Gesetz in § 13 Abs. 1 UmwG bzw. § 125 Satz 1, § 13 Abs. 1 UmwG für die Wirksamkeit des Vertrags die Zustimmung der Anteilseignerversammlungen der beteiligten Rechtsträger erfordert. Vertragsparteien sind demgegenüber nur der übertragende und übernehmende Rechtsträger.85 Seiner Rechtsnatur nach handelt es sich bei dem Verschmelzungs- bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrag auch nicht um einen Kaufoder Tauschvertrag i. S. d. § 433 bzw. § 480 BGB, sondern in erster Linie 82 Zwar ist es in der Literatur allgemein anerkannt, dass auch Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers ihre Anteile zur Gewährung an die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers zur Verfügung stellen können. In der Praxis – insbesondere bei AGen – stellt dieses Vorgehen jedoch den absoluten Ausnahmefall der Aktienbeschaffung dar und dürfte im Wesentlichen bei einem Alleingesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers in Betracht kommen. Zudem verlangt die h. M. in diesen Fällen, dass der betreffende Anteilsinhaber seine Aktien dem übernehmenden Rechtsträger vor der Gewährung an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers übereignet, so dass auch hier ein unmittelbarer Erwerb der Anteile von den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers ausscheidet; siehe zu alldem ausführlich Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 68 Rn. 2 mit Verweis auf § 54 Rn. 15. 83 In der Praxis stellt die Erhöhung des Grundkapitals des übernehmenden Rechtsträgers jedoch den absoluten Regelfall der Aktienbeschaffung dar; vgl. für die Verschmelzung Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 2 Rn. 18; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 2 Rn. 3; Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, § 2 Rn. 25, sowie für die Spaltung Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 123 Rn. 19 f.; Stengel/ Schwanna, in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rn. 12. 84 Ebenso wie der Übergang des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers beruht auch der Übergang der Anteile des übernehmenden Rechtsträgers auf die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers auf vertraglicher Grundlage. Dass der Erwerb schließlich kraft gesetzlicher Anordnung in § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, § 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 UmwG erfolgt, vermag hieran nichts zu ändern; vgl. Lutter/ Drygala, in: Lutter, UmwG, § 4 Rn. 2. 85 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 4 Rn. 7; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 4 Rn. 1; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 4 UmwG Rn. 11.

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Teil 3: Die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG

um einen gesellschaftsrechtlichen Organisationsakt.86 Nicht der Austausch von Anteilen, sondern die Umstrukturierung der beteiligten Rechtsträger steht im Vordergrund der Verschmelzung und Spaltung.87 Zwar löst der Umwandlungsvertrag insoweit schuldrechtliche Wirkungen aus, als sich der übertragende Rechtsträger zur Einbringung seines Vermögens in den übernehmenden Rechtsträger gegen Gewährung von Anteilen an diesem an seine Anteilsinhaber verpflichtet.88 Den Charakter eines selbständigen schuldrechtlichen Kauf- oder Tauschvertrags i. S. d. § 433 bzw. § 480 BGB erhält er hierdurch indes nicht.89 Endlich stellen die den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers zu gewährenden Anteile auch nicht den Gegenstand der Leistung, sondern die Gegenleistung innerhalb des Vertrags dar.90 Gegenstand der in dem Verschmelzungs- bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrag versprochenen Leistung ist vielmehr das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers, zu dessen Einbringung in die übernehmende Gesellschaft sich der übertragende Rechtsträger gegen die Gewährung von Anteilen an seine Anteilsinhaber verpflichtet.91 3. Ergebnis Verschmelzungen und Spaltungen stellen weder an die Anteilsinhaber des übertragenden noch an die des übernehmenden Rechtsträgers adressierte und auf den Abschluss eines schuldrechtlichen Kauf- oder Tauschvertrags gerichtete Angebote i. S. d. § 145 BGB dar. Damit handelt es sich bei ihnen 86

Allgemeine Ansicht; zur Rechtsnatur des Verschmelzungsvertrags siehe Lutter/ Drygala, in: Lutter, UmwG, § 4 Rn. 4; Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 4 UmwG Rn. 21 ff.; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 4 UmwG Rn. 7 je m. w. N. Im Hinblick auf den Spaltungs- und Übernahmevertrag siehe Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 126 UmwG Rn. 6; Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 7. 87 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 4 Rn. 4. 88 Allgemeine Ansicht; siehe nur Körner/Rodewald, BB 1999, 853 (854); Lutter/ Drygala, in: Lutter, UmwG, § 4 Rn. 5; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 4 Rn. 2; Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 4 UmwG Rn. 26; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 4 Rn. 3; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmStG, § 4 Rn. 9. 89 Als zumindest auch schuldrechtliche Vereinbarung finden auf den Verschmelzungs- bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrag die allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Rechts Anwendung; Körner/Rodewald, BB 1999, 853 (854); Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 4 UmwG Rn. 10. 90 Vgl. Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 2 Rn. 22; Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, § 2 Rn. 40. 91 Vgl. Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 4 Rn. 2; Mayer, in: Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht, § 4 UmwG Rn. 26.

D. Analoge Anwendbarkeit

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nicht um Kauf- oder Tauschangebote zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft i. S. d. § 2 Abs. 1 WpÜG.

III. Ergebnis Unabhängig davon, ob Verschmelzungen und Spaltungen auf die (wirtschaftliche) Übernahme einer übertragenden Zielgesellschaft oder auf die Erlangung der Kontrollmehrheit in einer übernehmenden Zielgesellschaft durch einen Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers gerichtet sind, finden die verfahrensbezogenen Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG auf das umwandlungsrechtliche Verfahren als solches unmittelbar keine Anwendung. Es handelt sich bei derartigen Transaktionen nicht um Angebote i. S. d. § 29 Abs. 1 WpÜG.

D. Analoge Anwendbarkeit Kommt eine unmittelbare Anwendung der §§ 29 ff. WpÜG nicht in Betracht, so stellt sich die Frage nach der Möglichkeit einer analogen Anwendung. Schon unter praktischen Gesichtspunkten ausscheiden muss indes eine pauschale analoge Anwendung der verfahrensbezogenen Vorschriften des WpÜG auf das umwandlungsrechtliche Verfahren.92 Dies ergibt sich bereits denknotwendig daraus, dass §§ 29 ff. WpÜG ganz überwiegend unmittelbar an die Handlungsform des Angebots anknüpfen, indem sie Regelungen betreffend dessen Abgabe, Änderung, Untersagung usw. treffen,93 in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung Angebote in diesem Sinne aber – wie soeben festgestellt wurde94 – gerade nicht vorliegen. Der Regelungsgehalt eines Großteils dieser Vorschriften liefe bei Verschmelzungen und Spaltungen daher schlicht leer. Zum Teil sind die Regelungen des Übernahmerechts den Vorgaben des UmwG aber auch nachgebildet,95 so dass ein 92

Irreführend insoweit Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 18, wenn sie darauf hinweist, dass die verfahrensbezogenen Vorschriften des WpÜG keinesfalls pauschal auf das umwandlungsrechtliche Verfahren angewendet werden „dürfen“. Nicht das „Dürfen“, sondern das praktische „Können“ ist vorliegend problematisch; so wie hier schon die österreichische Übernahmekommission in ihrer Stellungnahme v. 12. 9. 2000, S. 14, zum österreichischen Recht; siehe auch oben Teil 1 A. II. 2. a), S. 42 Fn. 70. 93 Vgl. insoweit nur den Regelungsgehalt der §§ 10 ff. und §§ 31 ff. WpÜG, die ganz überwiegend entweder an die Abgabe des Angebots durch den Bieter bzw. dessen Annahme durch die Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft oder aber an die inhaltliche Ausgestaltung der Angebotsunterlage anknüpfen. 94 Hierzu eingehend oben Teil 3 C. II., S. 93 ff. 95 Hierauf weist zutreffend Vetter, WM 2002, 1999 (2006), hin.

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Teil 3: Die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG

Bedürfnis für eine analoge Anwendung von vornherein nicht besteht. Dies gilt insbesondere für die Anforderungen des WpÜG an die Information und Transparenz für die betroffenen Wertpapierinhaber.96 Angewendet werden könnten jedoch den verfahrensbezogenen Vorschriften zugrunde liegende allgemeine Rechtsgrundsätze. In Betracht kommt insoweit vor allem eine Anwendung des übernahmerechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung der Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft.97 Denn hierbei handelt es sich um grundlegende Wertungen des Gesetzes,98 die nicht zur Disposition der Beteiligten stehen dürfen.99 Für eine Rechtsfortbildung im Wege der Analogie bedarf es zunächst einer Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes.100 Darüber hinaus erforderlich ist eine Vergleichbarkeit der Interessenlage in dem Sinne, dass der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem durch den Gesetzgeber geregelten Tatbestand vergleichbar sein muss, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, hätte er sich dabei von den gleichen Grundsätzen leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu demselben Abwägungsergebnis gekommen.101

I. Fehlende Regelungslücke Betreffend das Erfordernis einer gesetzlichen Regelungslücke ist zunächst festzuhalten, dass der Gesetzgeber die Anwendbarkeit der verfahrensbezogenen Vorschriften des WpÜG auf das umwandlungsrechtliche Verfahren 96

Siehe insoweit etwa § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2, Satz 3 Nr. 2 und 3 WpÜG einerseits und § 5 Abs. 1 Nr. 1, 8 und 9 UmwG andererseits. Weitgehend überein stimmt auch der Regelungsgehalt des § 2 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO mit dem des § 12 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1–3 UmwG; siehe im Einzelnen Vetter, WM 2002, 1999 (2006). 97 So auch die Überlegung von Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A Rn. 91; hierzu bereits oben Teil 3 B. I. 1., S. 83. 98 Der Gleichbehandlungsgrundsatz stellt das zentrale Prinzip des Übernahmerechts dar. Peltzer, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, S. 179 (187), spricht gar von der „Magna Charta des Übernahmerechts“; zum WpÜG siehe Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 3 Rn. 3; Versteegen, in: KK-WpÜG, § 3 Rn. 12. 99 So wohl auch die Überlegung der österreichischen Übernahmekommission in ihrer Stellungnahme v. 12. 9. 2000, S. 14. 100 Zu diesem Erfordernis etwa BGH, 16. 7. 2003 – VIII ZR 274/02, BGHZ 155, 380 (389) = NJW 2003, 2601 (2603); BGH, 13. 11. 2001 – X ZR 134/00, BGHZ 149, 165 (174) = GRUR 2002, 238 (241); Canaris, S. 16, 25; Larenz, S. 370 ff., 381. 101 So zuletzt BGH, 16. 7. 2003 – VIII ZR 274/02, BGHZ 155, 380 (389) = NJW 2003, 2601 (2603); vgl. auch BGH, 13. 7. 1988 – IVa ZR 55/87, BGHZ 105, 140 (143) = NJW 1988, 2734; zu dem Erfordernis der vergleichbaren Interessenlage siehe auch Bydlinski, S. 475 ff.; Larenz, S. 381 ff.

D. Analoge Anwendbarkeit

99

weder im WpÜG selbst noch im UmwG explizit ausgeschlossen hat. Andererseits enthält das Gesetz aber auch keine Regelung, wonach diese Vorschriften in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung ausdrücklich für anwendbar erklärt werden. Doch kann von einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke nicht schon dann gesprochen werden, wenn das Gesetz für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung bereit hält, es also schlichtweg schweigt.102 Gesetzeslücken sind vielmehr nur solche Lücken, die sich innerhalb des Regelungszusammenhangs des Gesetzes zeigen.103 Erforderlich ist insoweit eine planwidrige Unvollständigkeit des in dem fraglichen Bereich Vollständigkeit anstrebenden Gesetzes.104 Zur Feststellung der so verstandenen Lückenhaftigkeit ist auf den gesetzgeberischen Regelungsplan abzustellen.105 Zu fragen ist demnach, ausgehend vom Standpunkt des Gesetzes selbst, gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung:106 Muss nach der dem Gesetz zugrunde liegenden Regelungsabsicht, der mit ihm verfolgten Zwecke sowie nach seinem Gesamtzusammenhang eine Regelung auch der in Frage stehenden Fälle erwartet werden?107 Der dem Gesetz zugrunde liegende Regelungsplan ist dabei aus diesem selbst im Wege der historischen und teleologischen Auslegung zu ermitteln.108 Im Folgenden ist daher zu untersuchen, ob dem WpÜG unter Beachtung der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht, der mit ihm verfolgten Zwecke sowie nach seinem Gesamtzusammenhang eine zu erwartende Regelung fehlt. Nach dem soeben Gesagten ist hierbei nicht nur auf das WpÜG selbst, sondern auf das gesamte positive Recht und damit auch auf das UmwG abzustellen.

102

Engisch, S. 182; Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl. Rn. 55; Larenz, S. 370. Larenz, S. 373. 104 Der Begriff der „planwidrigen Unvollständigkeit“ geht auf Elze, S. 3 ff., zurück; vgl. zu dieser Voraussetzung auch BGH, 13. 11. 2001 – X ZR 134/00, BGHZ 149, 165 (174) = GRUR 2002, 238 (241); BGH, 4. 5. 1988 – VIII ZR 196/87, NJW 1988, 2109 (2110); Bydlinski, S. 473; Canaris, S. 31 ff.; Larenz, S. 373; äußerst plastisch auch Engisch, S. 182. 105 BGH, 16. 7. 2003 – VIII ZR 274/02, BGHZ 155, 380 (389) = NJW 2003, 2601 (2603); BGH, 13. 11. 2001 – X ZR 134/00, BGHZ 149, 165 (174) = GRUR 2002, 238 (241); Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl. Rn. 55; Larenz, S. 373. 106 Abzustellen ist auf das gesamte positive Recht, welches neben dem Gesetzesrecht auch das Gewohnheitsrecht umfasst, siehe Canaris, S. 39; Engisch, S. 181; Larenz, S. 373. Eine Regelungslücke liegt demnach nur vor, wenn weder das Gesetz noch das Gewohnheitsrecht eine Regelung enthalten, obwohl die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit eine solche fordert; Canaris, S. 39. 107 Larenz, S. 373. 108 Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl. Rn. 55; Larenz, S. 373. 103

100

Teil 3: Die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG

1. Historische Betrachtung a) Allgemeine Aussagen des historischen Gesetzgebers zum Verhältnis WpÜG/UmwG Im Rahmen der Nachzeichnung der Entwicklungslinien des WpÜG wurde aufgezeigt, dass das Verhältnis des Gesetzes zum Umwandlungsrecht zu Beginn der Arbeiten an dem Gesetzentwurf zum WpÜG keinerlei Rolle spielte. Erst infolge der Mitte des Jahres 2000 bekannt gewordenen Transaktion HVB/BA109 und der hierdurch ausgelösten Diskussion im österreichischen Schrifttum rückte die Problematik in das Blickfeld des deutschen Gesetzgebers. Sowohl in Reaktion auf die Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission als auch auf die Auseinandersetzung in der österreichischen Wissenschaft hat der deutsche Gesetzgeber dann auch in der Begründung zum WpÜG zu dem Verhältnis der beiden Rechtsmaterien Stellung genommen.110 aa) Unbewusste Lückenhaftigkeit Im Rahmen dieser Stellungnahme hat der Gesetzgeber es jedoch vermieden, sich ausdrücklich für oder gegen eine Anwendung des WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen nach dem UmwG auszusprechen.111 Vielmehr fühlte er sich mangels hinreichender Austragung der Kontroverse in der deutschen Wissenschaft112 sowie aufgrund des bestehenden Zeitdrucks im Gesetzgebungsverfahren113 außer Stande, eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung zu treffen. Dementsprechend formulierte er seine Unentschiedenheit in dieser Frage in der Begründung zum RegE-WpÜG, indem er darauf hinwies, dass mit den neuen Vorschriften des Gesetzes zunächst Erfahrungen gewonnen werden sollen. Ob und inwieweit für be109

Hierzu ausführlich oben Teil 1 A., S. 29 ff. Siehe insoweit die Ausführungen unter Teil 2 B. III. 2. b) und c), S. 74 ff. 111 Vgl. hierzu die Aussage des Bundesministeriums der Finanzen in der Begründung zum RefE-WÜG, Allgemeiner Teil, II., Ziff. 8 sowie die wortlautgleichen Ausführungen in der Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034, S. 31; vgl. auch oben Teil 2 B. III. 2. b) und c), S. 74 ff. 112 Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des WpÜG am 1. 1. 2002 waren zu dem vorliegenden Themenkomplex gerade einmal zwei Abhandlungen – jene von WeberRey/Schütz, AG 2001, 325 ff., und von Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 ff. –, zum Zeitpunkt der Verabschiedung des RegE-WpÜG am 11. 7. 2001 sogar lediglich die Erstgenannte, erschienen. 113 Das WpÜG sollte nicht später als die am 1. 1. 2001 mit dem Steuersenkungsgesetz (StSenkG) in Kraft gesetzten und ab dem 1. 1. 2002 erstmals anzuwendenden Steuererleichterungen für Anteilsverkäufe in Kraft treten; Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (396). 110

D. Analoge Anwendbarkeit

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stimmte Fallkonstellationen im Schnittbereich zwischen Unwandlungs- und Übernahmerecht in der Praxis besondere gesetzliche Regelungen erforderlich sind, bleibe daher abzuwarten.114 Aus alldem ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Frage nach der Anwendbarkeit des WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen zwar gesehen, von einer entsprechenden Regelung jedoch bewusst Abstand genommen hat.115 Das WpÜG regelt die Frage nach seiner Anwendbarkeit auf umwandlungsrechtliche Sachverhalte mithin weder positiv noch negativ, sondern klammert sie bewusst aus seinem Anwendungsbereich aus. Eine dem Gesetzgeber unbewusste Lückenhaftigkeit des Gesetzes scheidet demnach vorliegend aus.116 bb) Bewusste Lückenhaftigkeit Indes ist es für die Annahme einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes keineswegs erforderlich, dass dem Gesetzgeber die Lückenhaftigkeit seiner Regelung verborgen geblieben ist.117 Auch dort, wo der Gesetzgeber eine Rechtsfrage bewusst und willentlich offen gelassen hat, um deren Entscheidung Rechtsprechung und Wissenschaft zu überantworten, kann das Gesetz im oben dargelegten Sinne planwidrig unvollständig sein.118 Allein die Tatsache, dass der Gesetzgeber die Frage bewusst offen gelassen hat, ist zur Annahme einer Lücke jedoch nicht ausreichend. Auch hier muss sich die Unvollständigkeit, gemessen am Maßstab des dem Gesetz zugrunde liegenden Regelungsplans, als planwidrig erweisen.119 Dass der Gesetzgeber des WpÜG die Frage nach der Anwendbarkeit übernahmerechtlicher Vorschriften auf Verschmelzungen und Spaltungen be114

Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034,

S. 31. 115 A. A. insoweit Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 1 Rn. 104, der der Formulierung des Gesetzgebers entnehmen will, dass dieser sich gegen die Anwendbarkeit übernahmerechtlicher Vorschriften auf umwandlungsrechtliche Fallgestaltungen entschieden habe; wie hier Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 109; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 69 und 80; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 48; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 124. 116 In Abhängigkeit davon, ob der historische Gesetzgeber die Unvollständigkeit der von ihm geschaffenen Regelung erkannt hat oder nicht, spricht man von „bewussten“ oder „unbewussten Lücken“; siehe hierzu Larenz, S. 379. 117 Canaris, S. 134; Engisch, S. 181; ders., in: FS-Sauer, S. 85 (89); Larenz, S. 379. 118 Canaris, S. 134; Engisch, in: FS-Sauer, S. 85 (89), der zu Recht darauf hinweist, dass in der „bewussten Lücke“ kein innerer Widerspruch liegt. 119 Canaris, S. 134.

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Teil 3: Die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG

wusst offen gelassen hat, wurde soeben dargelegt.120 Dass jedoch mit der vom Gesetzgeber im Rahmen der Gesetzesbegründung getroffenen Aussage eine Überweisung der zu entscheidenden Frage an Rechtsprechung und Wissenschaft verbunden sein soll, kann nicht angenommen werden. Nach der klaren Aussage des Gesetzgebers sollen mit den neuen Vorschriften des Gesetzes zunächst Erfahrungen gewonnen werden, während die Erforderlichkeit gesetzlicher Regelungen im Schnittbereich von Umwandlungs- und Übernahmerecht abzuwarten bleibe.121 Dies kann nur so verstanden werden, dass sich der Gesetzgeber die Schaffung entsprechender Regelungen für einen späteren Zeitpunkt unter Beachtung der bis dahin gewonnenen Erkenntnisse vorbehalten wollte.122 Nicht von der möglichen Anwendung bestehender übernahmerechtlicher Vorschriften auf nicht geregelte Sachverhalte ist dort die Rede, sondern von der (durch den Gesetzgeber) de lege ferenda zu treffenden Entscheidung hinsichtlich der Neuschaffung von unter Umständen weiterhin erforderlichen gesetzlichen Regelungen. Unter Zugrundelegung der allgemeinen Aussagen des historischen Gesetzgebers zu dem Verhältnis von Übernahme- und Umwandlungsrecht in der Begründung zum RegE-WpÜG kann daher keinesfalls davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Frage der Erforderlichkeit gesetzlicher Regelungen im Schnittbereich der beiden Rechtsmaterien der (rechtsfortbildenden) Entscheidung durch Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen wollte. Aufgrund der mit einer solchen Überweisung verbundenen weitreichenden Konsequenzen hätte es hierfür jedenfalls einer ausdrücklichen und unmissverständlichen Aussage bedurft,123 an der es vorliegend jedoch fehlt. Auch eine bewusste planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes kann demnach nicht angenommen werden. b) Aussagen des historischen Gesetzgebers zum Verhältnis der verfahrensbezogenen Vorschriften Doch selbst dann, wenn man in der Aussage des Gesetzgebers in der Begründung zum RegE-WpÜG eine Überweisung der zu entscheidenden Frage an Rechtsprechung und Wissenschaft sähe, würde dies jedenfalls nicht zu einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes im Hinblick auf die An120

Oben Teil 3 D. I. 1. a) aa), S. 100 f. Vgl. hierzu die Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034, S. 31. 122 So insbesondere auch das Verständnis von Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 1 Rn. 104; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 35 Rn. 117; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 80. 123 Zu den Anforderungen an eine derartige Überweisung des Gesetzgebers siehe etwa Schnorbus, S. 79. 121

D. Analoge Anwendbarkeit

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wendbarkeit übernahmerechtlicher Vorschriften auf das umwandlungsrechtliche Verfahren als solches führen. Hierfür sprechen erneut eindeutige Aussagen des Gesetzgebers in den Materialien zum WpÜG. Betreffend das Verhältnis von übernahme- und umwandlungsrechtlichem Verfahren stellt der Gesetzgeber in der Begründung zum RegE-WpÜG klar, dass Übernahmen neben solchen, dem UmwG unterfallenden strukturändernden Maßnahmen nur eine Möglichkeit darstellen, um bestimmte unternehmerische Ziele durchzusetzen.124 Bereits hieraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber die Verfahren nach dem WpÜG und dem UmwG als alternative Methoden der Unternehmensübernahme begreift.125 Diesem Verständnis entspricht auch der weitergehende Hinweis in der Gesetzesbegründung, wonach umwandlungsrechtliche Maßnahmen sich stets nach den jeweils einschlägigen Rechtsvorschriften richten sollen.126 Dies bedeutet nichts anderes, als dass öffentliche Wertpapiererwerbsangebote nach den verfahrensbezogenen Vorschriften des WpÜG und Verschmelzungen sowie Spaltungen nach dem durch das UmwG vorgegebenen Verfahren durchzuführen sind. „Einschlägig“ in dem vom Gesetzgeber verwendeten Sinne sind demnach die verfahrensbezogenen Vorschriften derjenigen Rechtsmaterie, die der jeweiligen Erwerbstechnik vom Gesetzgeber originär zugewiesen sind. Hiermit muss richtigerweise aber nicht nur eine Verdrängung des umwandlungsrechtlichen durch das übernahmerechtliche Verfahren,127 sondern auch eine parallele Anwendbarkeit der beiden Rechtstechniken – wenn auch nur im Hinblick auf einzelne Vorschriften oder Grundsätze – ausscheiden. Vor dem Hintergrund dieser eindeutigen gesetzgeberischen Willensäußerung erscheint dann auch die bereits erwähnte Aussage des Gesetzgebers im Rahmen der Einleitung zur Gesetzesbegründung128 vernachlässigenswert, in 124 Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034, S. 31; so auch schon der österreichische Gesetzgeber in seinen Erläuterungen zur Regierungsvorlage des öÜbG (1276 BlgNR XX.GP), S. 2. Siehe hierzu auch die Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission v. 12. 9. 2000, S. 11, sowie die Ausführungen unter Teil 1 A. II. 2. a), S. 42. 125 Eine Art numerus clausus der zur Verfügung stehenden Übernahmetechniken in dem Sinne, dass die Kontrollübernahme bei börsennotierten Unternehmen nach Einführung des WpÜG nur noch durch Abgabe öffentlicher Angebote nach dem WpÜG möglich sein soll, wollte der Gesetzgeber demnach sicherlich nicht begründen. So auch die Feststellung der österreichischen Übernahmekommission in ihrer Stellungnahme v. 12. 9. 2000, S. 12, im Hinblick auf die Aussagen des österreichischen Gesetzgebers in den Materialien zum öÜbG. 126 Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034, S. 31. 127 So die österreichischen Übernahmekommission in ihrer Stellungnahme v. 12. 9. 2000, S. 11 f.

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Teil 3: Die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG

der neben Unternehmensübernahmen auch auf Fusionen Bezug genommen wird. Wenn es dort unter Hinweis auf die bestehende Notwendigkeit zur Schaffung eines verlässlichen Rechtsrahmens für die an Unternehmensübernahmen beteiligten Akteure heißt, Fusionen und Übernahmen hätten für die betroffenen Unternehmen, Aktionäre und Arbeitnehmer sowie für die Wirtschaftsregionen regelmäßig weitreichende Folgen,129 so kann dem nicht entnommen werden, der Gesetzgeber habe mit dem im WpÜG geregelten Verfahren einen entsprechenden Rechtsrahmen nicht nur für Unternehmensübernahmen im Wege des öffentlichen Erwerbsangebots, sondern auch für Fusionen im Sinne von Verschmelzungen und Spaltungen130 schaffen wollen. Zum einen würden die oben erläuterten Aussagen des Gesetzgebers zum Verhältnis von übernahme- und umwandlungsrechtlichem Verfahren einem solchen Verständnis diametral entgegenlaufen.131 Zum anderen ist aber auch nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Terminus „Fusion“ hier im engen Sinne der Verschmelzung bzw. Spaltung gebraucht hat. Hierauf deutet bereits eine im Vorfeld des DiskE-ÜG132 vom Deutschen Bundestag an die Bundesregierung gerichtete formelle Aufforderung betreffend die inhaltliche Ausgestaltung eines neu zu schaffenden Übernahmegesetzes133 hin, in deren Einleitung etwa auch die im Wege des öffentlichen Angebots erfolgte Übernahme der deutschen Mannesmann AG durch die englische Vodafone AirTouch plc134 als Fusion bezeichnet wird.135 Im Rahmen der Begründung dieser Aufforderung wird dann auch darauf hingewiesen, dass ein Unterschied zwischen den Begriffen „Fusion“ und „Übernahme“ grundsätzlich nicht bestehe und die Begrifflichkeiten in ökonomischer und 128 129

Oben Teil 2 B. III. 2. a) und c), S. 73 und S. 75 f. sowie Teil 3 A., S. 80 f. Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034,

S. 27. 130 Dazu, dass mit dem Begriff der „Fusion“ neben Verschmelzungen auch Spaltungen in Bezug genommen sein können, bereits oben Teil 3 A., S. 81 Fn. 6. 131 Erschwerend kommt hinzu, dass die nämlichen Aussagen zu einem späteren Zeitpunkt Eingang in die Materialien gefunden haben. Die Aussagen des Gesetzgebers in der Einleitung der Begründung zum RegE-WpÜG finden sich wortgleich auch schon im DiskE-ÜG v. 29. 6. 2000. Demgegenüber haben die Aussagen des Gesetzgebers zum Verhältnis des übernahme- und umwandlungsrechtlichen Verfahrens erstmals in den RefE-WÜG v. 12. 3. 2001 Eingang gefunden. Zu dieser zeitlichen Abfolge siehe oben Teil 2 B. III. 2. a)–c), S. 72 ff. 132 Zum DiskE-ÜG siehe ausführlich oben Teil 2 B. III. 2. a), S. 72 ff. 133 Antrag der Abgeordneten Ursula Lötzer, Rolf Kutzmutz, Eva-Maria BullingSchröter, Kersten Naumann, Gerhard Jüttemann, Dr. Winfried Wolf und der Fraktion der PDS, Gesetzliche Mitspracherechte bei Unternehmensübernahmen, BTDrucks. 14/3394 v. 17. 5. 2000. 134 Zu dieser Transaktion in rechtlicher Hinsicht etwa Burgard, WM 2000, 611 ff.; Riehmer/Schröder, NZG 2000, 820 ff. 135 BT-Drucks. 14/3394, S. 1.

D. Analoge Anwendbarkeit

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rechtlicher Hinsicht gleichbedeutend verwendet würden.136 Daher vermag die Tatsache, dass der Gesetzgebers im Rahmen der Einleitung der Begründung zum RegE-WpÜG auch auf Fusionen Bezug genommen hat, das zuvor ermittelte eindeutige Ergebnis betreffend den gesetzgeberischen Willen in der Frage der Anwendbarkeit verfahrensbezogener Vorschriften des WpÜG auf Umwandlungen nicht in Frage zu stellen.137 c) Ergebnis Als Ergebnis der entstehungsgeschichtlichen Untersuchung des WpÜG kann mithin festgehalten werden, dass nach der den Gesetzesmaterialien zu entnehmenden und im Ergebnis eindeutigen Intention des historischen Gesetzgebers den verfahrensbezogenen Vorschriften des WpÜG für das umwandlungsrechtliche Verfahren der Verschmelzung und Spaltung keine Bedeutung zukommen sollte. 2. Teleologische Betrachtung Hinweise auf den mit den verfahrensbezogenen Vorschriften des WpÜG verfolgten Regelungszweck lassen sich ebenfalls der Gesetzesbegründung entnehmen. Nach den dortigen Aussagen des Gesetzgebers sollen mit den Vorschriften Leitlinien für ein faires und geordnetes Angebotsverfahren geschaffen sowie die Information und Transparenz für die betroffenen Wertpapierinhaber verbessert werden.138 Darüber hinaus soll die rechtliche Stellung von Minderheitsaktionären bei Unternehmensübernahmen gestärkt werden.139 Hintergrund der Regelung des Übernahmeverfahrens im WpÜG war – dies wurde im Rahmen der Nachzeichnung der Entwicklungslinien des 136

BT-Drucks. 14/3394, S. 5. Selbiges gilt für die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen v. 27. 9. 2001, BR-Drucks. 574/01 v. 27. 9. 2001, S. 1, wo es heißt: „Gemäß §§ 10 ff., 2 Abs. 1 bis 3 WpÜG hat jeder, der öffentliche Kauf- oder Tauschangebote zum Erwerb von Wertpapieren [. . .] abgibt [. . .], umfangreiche Mitteilungspflichten zu erfüllen und [. . .] detaillierte Angebotsunterlagen zu erstellen und zu veröffentlichen. Der Gesetzgeber beabsichtigt hierdurch einen verlässlichen rechtlichen Rahmen für Fusionen und Unternehmensübernahmen zu schaffen [. . .].“. Hierzu bereits oben Teil 3 A., S. 81. 138 Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034, S. 28; hierzu allgemein oben Teil 1 B. I., S. 46. 139 Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034, S. 28; siehe auch hierzu oben Teil 1 B. I., S. 46. 137

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Teil 3: Die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG

WpÜG bereits dargelegt140 und darauf weist auch die Gesetzesbegründung ausdrücklich hin141 –, dass in Deutschland bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 1. 1. 2002 eine gesetzliche Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren nicht existierte. Unterfielen öffentliche Übernahmeangebote mangels Anerkennung durch die beteiligten Gesellschaften nicht dem Übernahmekodex, so war ein geordnetes und faires Angebotsverfahren in keiner Weise sichergestellt. Entsprechende Angebote erfolgten damit weitgehend im regelungsfreien Raum. Der hierdurch entstandenen Rechtsunsicherheit wollte der Gesetzgeber durch die Schaffung entsprechender Verfahrensregelungen im WpÜG begegnen.142 Ausgehend von dieser Feststellung lässt sich für die dem UmwG unterliegenden Sachverhalte der Verschmelzung und Spaltung konstatieren, dass von einer derartigen Rechtsunsicherheit mitnichten gesprochen werden kann. Verschmelzungen und Spaltungen erfolgten weder vor Inkrafttreten des WpÜG noch erfolgen sie heute in einem regelungsfreien Raum. Für sie sieht das UmwG – ebenso wie nunmehr das WpÜG für öffentliche Erwerbsangebote – detaillierte Regelungen vor, denen das Umwandlungsverfahren zu folgen hat.143 Zwar unterscheiden sich die Schutzsysteme von WpÜG und UmwG ganz offensichtlich in ihrer rechtlichen Ausgestaltung.144 Jedoch beruht dies ganz wesentlich darauf, dass die verfahrensbezogenen Vorschriften der Gesetze maßgeblich auf die sie jeweils regelnde Erwerbstechnik zugeschnitten sind. So bestehen für die Anteilseigner bei öffentlichen Übernahmeangeboten, resultierend aus der Möglichkeit zur individuellen Angebotsannahme und der hiermit verbundenen fehlenden Koordinierungsmöglichkeit, regelmäßig ganz andere Gefahren als im Rahmen von Verschmelzungen und Spaltungen, wo das Gesetz die Entscheidungs140 Oben Teil 2 B., S. 66 ff.; siehe insoweit vor allem auch die Ausführungen unter Teil 2 B. II., S. 68 f. 141 Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034, S. 27. 142 Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034, S. 27 f. 143 Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die arbeitnehmerschützenden Begleitvorschriften. Entsprechende Regelungen enthält das UmwG in § 5 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 3 UmwG für die Verschmelzung sowie in § 126 Abs. 1 Nr. 11, Abs. 3 UmwG für die Spaltung. 144 Dies allein genügt jedoch nicht, um von einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes sprechen zu können. Ein lediglich unterschiedliches Schutzniveau ist zur Begründung einer Analogie keinesfalls ausreichend, wenn das Gesetz nicht gleichzeitig auch nach seiner eigenen Regelungsabsicht sowie der ihm immanenten Teleologie unvollständig ist. Gerade hier verläuft die oft schwer zu ziehende Grenze zwischen der Lückenhaftigkeit und der aus rechtspolitischer Sicht gegebenen Verbesserungswürdigkeit des Gesetzes; siehe hierzu eingehend Larenz, S. 374.

D. Analoge Anwendbarkeit

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kompetenz nicht dem einzelnen Aktionär, sondern nach § 13 Abs. 1 UmwG dem Verband zuweist.145 Soweit der Gesetzgeber durch die verfahrensbezogenen Vorschriften des WpÜG zudem die rechtliche Stellung von Minderheitsaktionären bei Unternehmensübernahmen stärken wollte, kommt dem Zusammenspiel der Regelungen mit denen des Pflichtangebots entscheidende Bedeutung zu.146 Mit dem Schutz der Minderheitsaktionäre bei Kontrolltransaktionen verfolgen beide Regelungskomplexe letztlich dasselbe Anliegen. Sie müssen daher im Wesentlichen als funktionsgleich angesehen werden.147 Während die verfahrensbezogenen Vorschriften des WpÜG explizit an eine bestimmte Handlung des Bieters am Markt, namentlich an den Charakter von Übernahmeangeboten als besondere Kontrollerlangungsmethode anknüpfen,148 stellt § 35 WpÜG auf den Tatbestand der Kontrollerlangung als solchen ab.149 Nach ihrer grundsätzlichen Konzeption soll die Vorschrift damit gerade solche Handlungen des Bieters erfassen, die nicht schon in den Anwendungsbereich der §§ 29 ff. WpÜG fallen, mithin keine öffentlichen Angebote i. S. d. § 29 Abs. 1 WpÜG darstellen, indes gleichwohl auf Erlangung der Kontrolle in einer Zielgesellschaft gerichtet sind. Dies stellt auch der Gesetzgeber in der Begründung zum WpÜG klar, wenn er darauf hinweist, dass mit dem Pflichtangebot Minderheitsaktionären in solchen Fällen die Möglichkeit zu einer preislich angemessenen Beteiligungsveräußerung gegeben werden soll, in denen der Unternehmensübernahme kein öffentliches Übernahmeangebot vorausgegangen ist.150 Insbesondere aufgrund dieses Zusammenspiels der beiden Regelungskomplexe Übernahme- und Pflichtangebot verbietet sich die Annahme, dem Gesetz fehle eine nach seinem Zweck und Gesamtzusammenhang zu erwartende Regelung. Handlungen, die auf Kontrollerlangung gerichtet, jedoch nicht als öffentliches Angebot i. S. d. § 29 Abs. 1 WpÜG zu qualifizieren sind, unterliegen nach der Vorstellung des Gesetzgebers jedenfalls grundsätzlich dem Anwendungsbereich 145

Bereits aus diesem Grund kommt insbesondere dem in § 3 Abs. 1 WpÜG festgeschriebenen Grundsatz der Gleichbehandlung der Anteilsinhaber der Zielgesellschaft im Rahmen von öffentlichen Übernahmeangeboten eine viel weitreichendere Bedeutung als bei Verschmelzungen und Spaltungen zu; vgl. unten Teil 3 D. II., S. 110 f. 146 Zu dem Zusammenspiel der beiden Angebotsarten bereits oben Teil 1 B. III. 3., S. 53. 147 So insbesondere auch Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 5; im Ansatz auch schon Behrens, ZGR 1975, 433 (444 f.), zum Pennington-Entwurf von 1974; siehe auch oben Teil 1 B. III. 3., S. 53. 148 Hierzu oben Teil 1 B. III. 2., S. 50. 149 Ausführlich oben Teil 1 B. III. 3., S. 52. 150 Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034, S. 30.

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Teil 3: Die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG

des § 35 WpÜG. Indem das Gesetz in § 39 WpÜG die Regelungen betreffend Übernahmeangebote auch auf Pflichtangebote für anwendbar erklärt,151 kommt der mit den verfahrensbezogenen Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG bezweckte Schutz der an Unternehmensübernahmen Beteiligten diesen unabhängig davon zugute, ob die Übernahme mittels öffentlichem Angebot oder einer anderen Übernahmetechnik erfolgt.152 Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass es im Hinblick auf die für eine Analogie erforderliche planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes auch unter teleologischen Gesichtspunkten vorliegend an dem fehlt, was Engisch so treffend wie folgt formuliert hat: „Wir dürfen eine Regelung nicht bloß vermuten, wir müssen sie vermissen153, falls ihr Nichtvorhandensein sich als ‚Lücke‘ darstellen soll.“154 Aufgrund der im UmwG für die Rechtstechniken der Verschmelzung und Spaltung bestehenden Verfahrensregelungen sowie der Existenz des § 35 WpÜG, kann von einem „Vermissen“ der Anwendbarkeit auch nur einzelner verfahrensbezogener Vorschriften oder Grundsätze des WpÜG auf die umwandlungsrechtlichen Fallgestaltungen der Verschmelzung und Spaltung keine Rede sein. 3. Ergebnis Nach der dem WpÜG zugrunde liegenden Regelungsabsicht, der mit ihm verfolgten Zwecke sowie nach seinem Gesamtzusammenhang muss eine Anwendung auch nur einzelner verfahrensbezogener Vorschriften oder Grundsätze auf das umwandlungsrechtliche Verfahren der Verschmelzung und Spaltung nicht erwartet werden. Eine planwidrige Unvollständigkeit und damit eine Lückenhaftigkeit des Gesetzes liegen demnach nicht vor. Vielmehr ist das Gesetz gemessen an dem ihm zugrunde liegenden Regelungsplan als vollständig anzusehen. Damit muss vorliegend auch eine analoge Anwendung ausscheiden.

II. Vergleichbarkeit der Sachverhalte Trotz dieses eindeutigen Befunds ist es gleichwohl zweckmäßig, im Folgenden auch zu untersuchen, ob die hier zur Beurteilung stehenden Sachverhalte der Verschmelzung und Spaltung in den für die rechtliche Bewer151

Zu dieser Systematik des Gesetzes oben Teil 1 B. III. 3., S. 53. Siehe insoweit auch Steinmeyer/Häger, WpÜG, vor §§ 10 ff. Rn. 12, die insoweit zutreffend darauf hinweisen, dass der Gesetzgeber das Pflichtangebot offenbar als nachträgliches Übernahmeangebot auffasst. 153 Hervorhebung im Original. 154 Engisch, S. 182. 152

D. Analoge Anwendbarkeit

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tung maßgebenden Hinsichten mit dem im WpÜG geregelten Sachverhalt übereinstimmen. Bedeutung kommt dieser Frage insbesondere im Hinblick auf ein unter Umständen erforderliches Tätigwerden des Gesetzgebers de lege ferenda zu. Hat sich das Gesetz auch nicht als planwidrig unvollständig erwiesen, so kann es gleichwohl insoweit verbesserungswürdig sein, als das UmwG – anders als das WpÜG – für den Fall der (wirtschaftlichen) Übernahme einer börsennotierten Zielgesellschaft einen ausdrücklich normierten Grundsatz der Gleichbehandlung der Anteilsinhaber dieser Gesellschaft nicht kennt. Durch eine geschickte Wahl der Transaktionsstruktur ließe sich somit unter Umständen der im Zentrum des Übernahmerechts stehende Grundsatz der Gleichbehandlung umgehen. Um die Vergleichbarkeit der Sachverhalte bestimmen zu können, ist auf die in der gesetzlichen Regelung zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Grundgedanken und Wertungen zurückzugreifen.155 Entscheidende Bedeutung kommt insoweit der mit der Regelung verfolgten Zweckbestimmung, der ratio legis, zu.156 Im Folgenden ist daher zu fragen, ob die hinter dem übernahmerechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stehende Zweckbestimmung auch auf die hier zu beurteilenden Sachverhalte der Verschmelzung und Spaltung zutrifft. Nur dann, wenn dies der Fall ist, erfordert es das Prinzip der Gerechtigkeit, beide Sachverhalte rechtlich gleich zu behandeln.157 Die Bedeutung des übernahmerechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes liegt in der Sicherstellung der formalen und materiellen Gleichbehandlung der Anteilsinhaber der Zielgesellschaft durch den Bieter.158 Zurückführen lässt sich das Bedürfnis nach formaler und materieller Gleichbehandlung bei Übernahmen im Wege des öffentlichen Erwerbsangebots vor allem auf 155

Bydlinski, S. 474; Larenz, S. 381. Larenz, S. 382. 157 Dazu, dass sich die Ausfüllung von Gesetzeslücken im Wege der Analogie allgemein auf die Forderung der Gerechtigkeit, Gleichartiges gleich zu behandeln, zurückführen lässt, siehe Larenz, S. 381. 158 Versteegen, in: KK-WpÜG, § 3 Rn. 14. Nach a. A. richtet sich der übernahmerechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz neben dem Bieter auch an die Verwaltung der Zielgesellschaft; so etwa Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 3 Rn. 4 und 11 f.; noch weitergehend Wackerbarth, in: MünchKomm-AktG, § 3 WpÜG Rn. 5, der auch die BaFin mit in den Verpflichtetenkreis einbeziehen möchte; nicht eindeutig Schüppen, in: FrankfKomm-WpÜG, § 3 Rn. 4 („zumindest in erster Linie“); Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 3 Rn. 3 („jedenfalls auch und in erster Linie“). Ein Bedürfnis für eine besondere übernahmerechtliche Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Anteilsinhaber der Zielgesellschaft besteht indes ausschließlich im Hinblick auf den Bieter, denn nur er ist nicht auch schon aufgrund anderweitiger gesetzlicher Regelungen zur Gleichbehandlung der Anteilsinhaber der Zielgesellschaft verpflichtet. Für die Verwaltung der Zielgesellschaft folgt diese Verpflichtung aus § 53a AktG, für die BaFin aus Art. 3 Abs. 1 GG. 156

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Teil 3: Die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG

die mit der Möglichkeit zur individuellen Entscheidung über die Angebotsannahme einhergehenden strukturellen Defizite des Übernahmeverfahrens. Der Gleichbehandlungsgrundsatz dient dem Ausgleich dieser Defizite, indem er allen Wertpapierinhabern der Zielgesellschaft die Möglichkeit eröffnet, das Angebot unter und zu gleichen Bedingungen anzunehmen.159 Eine Etablierung des übernahmerechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auch im umwandlungsrechtlichen Verfahren der Verschmelzung und Spaltung kommt demzufolge nur dann in Betracht, wenn auch dort aus vergleichbaren Gründen eine Ungleichbehandlung der Anteilsinhaber der Zielgesellschaft durch den Bieter droht. Indes weist das UmwG die Entscheidungszuständigkeit über das Zustandekommen der Umwandlungsmaßnahme und damit auch der Übernahme nicht dem einzelnen Anteilsinhaber der Zielgesellschaft, sondern – hierauf wurde an anderer Stelle bereits hingewiesen160 – gem. § 13 Abs. 1 UmwG den Hauptversammlungen der beteiligten Rechtsträger zu.161 Einheitliche Informationsgrundlage der Anteilsinhaber aller beteiligten Rechtsträger sind der Verschmelzungs- bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrag, der von den Vertretungsorganen der beteiligten Rechtsträger nach § 8 UmwG zu erstattende Verschmelzungs- bzw. Spaltungsbericht sowie der nach § 60 i. V. m. § 12 UmwG zu erstattende Bericht der Umwandlungsprüfer. Gem. § 63 Abs. 1 UmwG sind die genannten Unterlagen zusammen mit den Lageberichten und Jahresabschlüssen der beteiligten Rechtsträger von der Einberufung der Hauptversammlungen an für alle Anteilsinhaber zugänglich in den Geschäftsräumen der beteiligten Rechtsträger auszulegen.162 Darüber hinaus hat der Vorstand eines jeden Rechtsträgers den Umwandlungsvertrag gem. § 64 Abs. 1 Satz 2 UmwG in der Beschluss fassenden Hauptversammlung mündlich zu erläutern.163 Hieraus wird deutlich, dass die Anteilsinhaber nicht nur der jeweiligen Zielgesellschaft, sondern aller beteiligten Rechts159 Vgl. hierzu die Begründung zu § 3 Abs. 1 RegE-WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 35; siehe auch Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 3 Rn. 6 und 9. 160 Oben Teil 3 D. I. 2., S. 106 f. 161 Damit trägt der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung, dass die Umwandlung für alle beteiligten Rechtsträger eine Grundlagenentscheidung von erheblicher Tragweite darstellt, die nicht von den Vertretungsorganen, sondern ausschließlich von den Anteilsinhabern der beteiligten Rechtsträger getroffen werden kann; siehe hierzu ausführlich Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 4. 162 Darüber hinaus ist gem. § 63 Abs. 3 UmwG jedem Aktionär auf Verlangen unverzüglich und kostenlos eine Abschrift der auszulegenden Unterlagen zu erteilen. Gem. § 64 Abs. 1 Satz 1 UmwG sind die genannten Unterlagen auch in der Hauptversammlung selbst auszulegen. 163 Für die Spaltung gelten die genannten Vorschriften über die Verweisung in § 125 Satz 1 UmwG entsprechend.

D. Analoge Anwendbarkeit

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träger ihre Entscheidung grundsätzlich auf der Basis gleicher Information treffen.164 Damit ist die formale Gleichbehandlung der Anteilsinhaber der Zielgesellschaft auch mit den bestehenden Mitteln des Umwandlungsrechts sichergestellt. Schließlich droht den Anteilsinhabern der Zielgesellschaft aber auch keine materielle Ungleichbehandlung durch den Bieter, und zwar unabhängig davon, ob Ziel der Übernahme der übertragende oder der übernehmende Rechtsträger ist.165 Für die Gleichbehandlung der Anteilsinhaber aller beteiligten Rechtsträgers sorgt das im Umwandlungsvertrag einheitlich festgelegte Umtauschverhältnis.166 Hiernach erhält jeder Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers, gemessen an seiner bisherigen Beteiligungsquote, eine verhältnismäßig gleich hohe Anzahl an Anteilen an dem übernehmenden Rechtsträger.167 Dadurch, dass die Ermittlung des Umtauschverhältnisses zudem auf der Basis der Wertrelation der beteiligten Rechtsträger bezogen auf die jeweiligen Nennwerte der Anteile erfolgt, ist weiterhin sichergestellt, dass die Anteilsinhaber aller Rechtsträger ihren bisherigen relativen Anteil an der Summe der verschmolzenen Vermögensmassen behalten.168 Die so vorgenommene Ermittlung des Umtauschverhältnisses dient gerade der Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung unter den Anteilsinhabern169 und stellt hierzu auch ein angemessenes und wirksames Mittel dar.170 Auch im Rahmen einer Verschmelzung oder Spaltung nicht auszuschließen ist es indes, dass einzelnen Anteilsinhabern durch den Bieter Sondervorteile gewährt werden, um diese zur Unterstützung der Umwandlungsmaßnahme oder jedenfalls zu wohlwollendem Stimmverhalten in der Hauptversammlung zu veranlassen. Das UmwG selbst schließt die Gewährung solcher Sondervorteile zwar nicht aus.171 Jedoch stellt das AktG in diesem Fall die Einhaltung der materiellen Gleichbehandlung der Anteils164

So in anderem Zusammenhang auch Weber-Rey/Schütz, AG 2001, 325 (329). Zu diesen beiden Möglichkeiten ausführlich oben Einf. A., S. 24 f. sowie unter Teil 3 A., S. 81. 166 Der Verschmelzungs- bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrag muss eindeutig bestimmen, wie viele Anteile des übernehmenden Rechtsträgers jeder Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers im Rahmen der Verschmelzung bzw. Spaltung erhält. Bei Kapitalgesellschaften ist dies bezogen auf den Nennbetrag der Anteile in einem zahlenmäßigen Verhältnis (z. B. 1 : 2 oder 2 : 3) auszudrücken; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 5 Rn. 19. 167 Hierzu eingehend Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 18; vgl. auch Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 5 UmwG Rn. 7. 168 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 18. 169 OLG Karlsruhe, 9. 8. 1991 – 15 U 127/90, AG 1992, 31; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 18. 170 Insoweit zutreffend Weber-Rey/Schütz, AG 2001, 325 (329). 165

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Teil 3: Die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG

inhaber sicher, indem es in § 243 Abs. 1 und 2 AktG die Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses ermöglicht.172 Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass unter teleologischen Gesichtspunkten ein Bedürfnis für die Normierung des übernahmerechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im Umwandlungsrecht nicht besteht. Das UmwG stellt sowohl die formale als auch die materielle Gleichbehandlung aller Anteilsinhaber der an einer Verschmelzung oder Spaltung beteiligten Rechtsträger in ausreichendem Maße sicher. Ein höheres Schutzniveau der Anteilsinhaber bei Übernahmen im Wege der Verschmelzung und Spaltung – und nur dies kann vorliegend das Ziel einer ergänzenden Normierung sein – ließe sich durch eine ausdrückliche Regelung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im UmwG nicht erreichen.

III. Ergebnis Die Voraussetzungen für eine Analogiebildung sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes liegt nicht vor. Auch fehlt es an der Vergleichbarkeit der zu beurteilenden Sachverhalte der Verschmelzung und Spaltung mit dem vom Gesetzgeber in §§ 29 ff. WpÜG geregelten Sachverhalt der Übernahme im Wege des öffentlichen Angebots. Eine analoge Anwendung auch nur des übernahmerechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung der Anteilsinhaber der Zielgesellschaft auf das umwandlungsrechtliche Verfahren der Verschmelzung und Spaltung scheidet damit aus.

E. Zusammenfassung Auf das umwandlungsrechtliche Verfahren der Verschmelzung und Spaltung sind §§ 29 ff. WpÜG weder unmittelbar noch analog anwendbar. Einer unmittelbaren Anwendung steht der Wortlaut der Vorschriften entgegen. Für eine analoge Anwendung fehlt es sowohl an einer planwidrigen Regelungslücke als auch an einer Vergleichbarkeit der zu beurteilenden Sachverhalte mit dem vom Gesetzgeber in §§ 29 ff. WpÜG geregelten Tatbestand. 171

In §§ 5 Abs. 1 Nr. 7, 126 Abs. 1 Nr. 7 UmwG sieht das Gesetz lediglich vor, dass Sonderrechte, die der übernehmende Rechtsträger einzelnen Anteilsinhabern gewährt, im Verschmelzungs- bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrag offen zulegen sind, womit den anderen, nicht begünstigten Anteilsinhabern die Überprüfung der Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Verhältnis zu Sonderrechtsinhabern ermöglicht wird; hierzu im Einzelnen Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 44, sowie Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 41 ff. 172 Vetter, WM 2002, 1999 (2002).

Teil 4

Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen A. Einleitung In der Einführung wurde bereits darauf hingewiesen,1 dass eine Anwendung des übernahmerechtlichen Pflichtangebots auf Verschmelzungen und Spaltungen deshalb besonders nahe liegt, da § 35 WpÜG die Rechtsfolge der Angebotspflicht, anders als die verfahrensbezogenen Vorschriften des vierten Abschnitts des WpÜG, nicht an eine bestimmte Handlung des Bieters am Markt, sondern allein an den Tatbestand der Kontrollerlangung über eine Zielgesellschaft knüpft.2 Die Art und Weise des Anteilserwerbs scheint daher jedenfalls nach dem Wortlaut des § 35 WpÜG für das Auslösen der Angebotspflicht unerheblich zu sein. Im Übrigen sieht das Gesetz eine Anwendung des Pflichtangebots auf Verschmelzungen und Spaltungen weder ausdrücklich vor noch schließt es sie aus.3 In der Praxis hat die fehlende gesetzgeberische Klarstellung zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt.4 Hierzu beigetragen hat zum einen die relativ große Anzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen, in denen ein Auslösen der Angebotspflicht in der Literatur diskutiert wird,5 zum anderen aber auch die Tatsache, dass klarstellende Aussagen der BaFin zu der Frage der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG auf Sachverhalte der Verschmelzung und Spaltung weitgehend fehlen.6 Zwar hatte die Bundesanstalt im Jahr 2002 im Rahmen eines Befreiungsverfahrens nach § 37 Abs. 1 WpÜG die 1

Oben Einf. A., S. 25 f. Zu dieser grundlegenden Unterscheidung der beiden Regelungskomplexe oben Teil 1 B. III. 2. und 3., S. 50 und S. 52. 3 Es kann insoweit auf die im dritten Teil dieser Arbeit getroffenen Feststellungen verwiesen werden, wonach der Gesetzgeber die Frage nach der Anwendbarkeit des WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen zwar gesehen, von einer entsprechenden Regelung jedoch bewusst Abstand genommen hat. Das WpÜG regelt die Frage nach seiner Anwendbarkeit weder positiv noch negativ, sondern klammert sie bewusst aus seinem Anwendungsbereich aus; siehe hierzu ausführlich oben Teil 3 D. I. 1. a) aa), S. 100 f. 4 Grabbe/Fett, NZG 2003, 755. 5 Zu den einzelnen Fallkonstellationen unten Teil 4 C. I., S. 139 ff. 2

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Gelegenheit, zu der hier diskutierten Problematik Stellung zu beziehen.7 Zu der Beseitigung der bestehenden Rechtsunsicherheit konnte die Entscheidung jedoch schon deshalb nur in beschränktem Umfang beitragen, da sie naturgemäß nur eine der Sachverhaltsgestaltungen betraf, in denen eine Anwendung des § 35 WpÜG in Betracht kommt. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden untersucht, ob überhaupt und, wenn ja, in welchem Umfang Verschmelzungen und Spaltungen dem Anwendungsbereich des § 35 WpÜG unterliegen. In Betracht zu ziehen ist neben einer unmittelbaren auch eine analoge Anwendung der Vorschrift. Bevor jedoch auf den Diskussionsstand sowie die im Mittelpunkt der Untersuchung stehende Auslegung des § 35 WpÜG eingegangen wird, sollen in einem einführenden Grundlagenteil zunächst das mit dem Pflichtangebot verfolgte Regelungsanliegen untersucht sowie eine dogmatische Einordnung der Angebotspflicht vorgenommen werden. Beides ist für die Frage der korrekten Normanwendung von entscheidender Bedeutung.8

B. Grundlagen der Angebotspflicht nach § 35 WpÜG I. Gesetzgeberisches Regelungsanliegen Die mit dem übernahmerechtlichen Pflichtangebot verfolgten Regelungszwecke umschreibt ein führender englischer Lehrbuchautor wie folgt: „It should be noted that there are two aspects of the rule under discussion. The first is the opportunity for all shareholders to exit the company upon a change of control by selling their shares to the new controller, and the second is the opportunity to do so on the same terms as have obtained by those who sold to the holder of the 30 per cent block.“9 Ähnlich lautete schon die Begründung für die Angebotspflicht im Bericht Pennigtons aus 6

Zwar geht die Bundesanstalt in ihrem Jahresbericht aus dem Jahr 2002 auf die hier zu untersuchende Frage nach der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen ein; siehe insoweit den Jahresbericht der BaFin 2002, Teil A, S. 172; abrufbar unter http://www.bafin.de unter der Rubrik „Publikationen“, „Jahresberichte“. Indes begnügt sich die BaFin dort mit dem angesichts des Gesetzeswortlauts nur wenig hilfreichen Hinweis, dass das WpÜG neben den Vorschriften des UmwG anwendbar sei, „wenn die Kontrolle durch eine Umwandlung oder Verschmelzung erlangt wird“; hierzu bereits oben Teil 3 B. II., S. 85 f. 7 Zu dieser Entscheidung ausführlich unten Teil 4 C. II. 3., S. 162 f. 8 Insbesondere das mit dem Pflichtangebot verfolgte Regelungsanliegen hat in der bisherigen Diskussion zur Anwendbarkeit des § 35 WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen erstaunlicherweise kaum Berücksichtigung gefunden; Ansätze finden sich lediglich bei Vetter, WM 2002, 1999 (2001 f.). 9 Davies, S. 431. Diese beiden Regelungsaspekte des Pflichtangebots betont auch Lee, EWS 1990, 241 (243).

B. Grundlagen der Angebotspflicht nach § 35 WpÜG

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dem Jahre 1974.10 Eine Präzisierung der genannten Aspekte findet sich schließlich in den Motiven zu der Pflichtangebotsregelung im Richtlinienvorschlag von 1989, wo es heißt, dass die Übernahmepflicht zum einen vorgesehen sei, um die Gleichbehandlung der Aktionäre sicherzustellen, und zum anderen um auszuschließen, dass die Aktien der außenstehenden Aktionäre nach einem Wechsel der Kontrollmehrheit einen Wertverlust erleiden.11 Was die gesetzgeberischen Motive für die Einführung des Pflichtangebots in § 35 WpÜG anbelangt ist festzustellen, dass der Gesetzgeber trotz der jahrelangen Diskussion12 um das Für und Wider einer übernahmerechtlichen Pflichtangebotsregelung nur wenig Mühe auf eine entsprechende Begründung verwendet hat.13 Lediglich im Allgemeinen Teil der Begründung zum RegE-WpÜG wird darauf hingewiesen, dass den Minderheitsaktionären mit dem im fünften Abschnitt des Gesetzes geregelten Pflichtangebot im Falle einer Unternehmensübernahme, der kein öffentliches Übernahmeangebot vorausgegangen ist,14 die Möglichkeit eröffnet werden soll, ihre Beteiligung an dem Unternehmen zu einem angemessenen Preis zu veräußern.15 Ergänzend hierzu heißt es in der Einleitung der Gesetzesbegründung, dass eine Übernahme in vielen Fällen Auswirkungen auch für die Aktionäre habe, was insbesondere die geschäftspolitische Ausrichtung des Unternehmens und die Werthaltigkeit der Unternehmensanteile betreffe.16 Wenn damit die Begründung des Gesetzgebers zu der zentralen Vorschrift des WpÜG auch etwas knapp ausfallen mag, so zeichnen sich in den Hinweisen gleichwohl dieselben Begründungsmuster ab, wie sie auch das engli10 Pennigton, Report on Takeover and other Bids, Kom.-Dok. XI/56/74-E, Nr. 86, wo es insoweit heißt: „Alle vorerwähnten Regelungen (sc. des Pflichtangebots) wollen natürlich sicherstellen, daß die restlichen Aktionäre ebenfalls so günstig behandelt werden, wie die ihre Aktien im Wege freier Verhandlungen oder an der Börse veräußernden Aktionäre; ferner sollen die restlichen Aktionäre die Möglichkeit erhalten, ihre Aktien abzustoßen, wenn sie der Meinung sind, daß ein Aktionär über eine beherrschende oder fast beherrschende Aktienmehrheit verfügt.“ 11 Die Motive haben jedoch keinen Eingang in die Erwägungsgründe der Richtlinie gefunden; zu ihnen aber Baums, ZIP 1989, 1376 (1379). 12 Hierzu oben im Rahmen von Teil 2, S. 54 ff. 13 Diese Tatsache zu Recht kritisierend Hommelhoff/Witt, in: FrankfKommWpÜG, Vor §§ 35 bis 39 Rn. 30; Letzel, BKR 2002, 293 (295). 14 Wird die Kontrolle aufgrund eines öffentlichen Übernahmeangebots i. S. d. §§ 29 ff. WpÜG erworben, so bestehen gem. § 35 Abs. 3 WpÜG für den Kontrollerwerber die Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WpÜG nicht; vgl. oben Teil 1 B. III. 3., S. 53. 15 Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, II., 4., BT-Drucks. 14/7034, S. 30. 16 Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, I., 1., BT-Drucks. 14/7034, S. 27.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

sche und europäische Recht bereithalten. Entscheidend sind hiernach zwei Aspekte: Einerseits, dies geht aus der Begründung des Gesetzgebers eindeutig hervor, soll das Pflichtangebot den Minderheitsaktionären die Veräußerung ihrer Aktien zu einem angemessenen Preis ermöglichen, und andererseits, dies wird weniger deutlich, sollen die Aktionäre vor einer Entwertung ihrer Unternehmensanteile geschützt werden. Auf den ersten Blick scheinen damit die mit dem Pflichtangebot verfolgten Regelungszwecke eng beieinander zu liegen, sich praktisch zu überschneiden. Dass es letztlich zwei streng voneinander zu unterscheidende Regelungsanliegen sind, die der Gesetzgeber mit dem Pflichtangebot verfolgt, zeigen jedoch §§ 4 und 5 WpÜG-AngebotsVO.17 In diesen Vorschriften hat der Gesetzgeber als Ausprägung der hinter § 35 WpÜG stehenden Regelungszwecke zwei unterschiedliche Arten von Preisuntergrenzen für die den Minderheitsaktionären im Rahmen des Pflichtangebots anzubietende Gegenleistung vorgesehen. Dieser zwischen den Vorschriften der §§ 4 und 5 WpÜG-AngebotsVO und den mit dem Pflichtangebot verfolgten Regelungszwecken bestehende Zusammenhang soll im Folgenden näher erläutert werden. 1. Ermöglichung der Teilhabe an Paketzuschlägen Nach der Regelung des § 4 Satz 1 WpÜG-AngebotsVO muss der Wert der den Minderheitsaktionären im Rahmen eines Pflichtangebots für ihre Aktien anzubietenden Gegenleistung mindestens dem Wert der höchsten durch den Bieter, einer mit ihm gemeinsam handelnden Person oder deren Tochterunternehmen für den Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft innerhalb der letzten drei Monate vor der Veröffentlichung der Angebotsunterlage gewährten oder vereinbarten Gegenleistung entsprechen (sog. Gleichpreisregel). Die Vorschrift ist Ausfluss des in § 3 Abs. 1 WpÜG statuierten allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes18 und ist vor dem Hintergrund der Diskussion um die Beteiligung von Minderheitsaktionären an sog. Paketzuschlägen zu sehen.

17 §§ 4, 5 WpÜG-AngebotsVO finden über die Verweisung in §§ 39, 31 Abs. 7 WpÜG auf Pflichtangebote Anwendung. 18 So ausdrücklich die Begründung zu § 4 RegE-WpÜG-AngebotsVO, BTDrucks. 14/7034, S. 79 f.; siehe auch Kremer/Oesterhaus, in: KK-WpÜG, Anh. § 31 Rn. 1; Wackerbarth, in: MünchKomm-AktG, § 31 WpÜG Rn. 24.

B. Grundlagen der Angebotspflicht nach § 35 WpÜG

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a) Paketzuschläge als Gegenleistung für die Verschaffung von Einfluss auf die Geschäfts- und Gewinnverteilungspolitik Zu der Zahlung von Paketzuschlägen kommt es regelmäßig beim Erwerb kontrollierender Mehrheitsbeteiligungen sowie sonstiger größerer Aktienpakete, insbesondere in der Größenordnung von Sperrminoritäten.19 Wird der Zuschlag im Rahmen einer Kontrolltransaktion gezahlt, so wird auch von Kontrollzuschlägen oder Kontrollprämien gesprochen.20 Hintergrund der Zahlung eines solchen Premiums auf den Wert der einzelnen Gesellschaftsanteile ist die Tatsache, dass Minderheits- und Mehrheitsanteile an einer Gesellschaft aufgrund der durch sie vermittelten ungleichen Einflussmöglichkeiten auf die Geschäfts- und Gewinnverteilungspolitik für den Erwerber von unterschiedlich hohem inneren Wert sind.21 Vermittelt ein Aktienpaket dem Erwerber die Kontrollposition in einer Gesellschaft, sei es, dass das Paket allein aufgrund seiner eigenen Größe die Ausübung der Kontrolle ermöglicht oder sei es, dass das Paket lediglich den letzten noch fehlenden Schritt auf dem Weg zum Kontrollerwerb darstellt,22 so liegt der innere Wert des Pakets über der Summe seiner Teile, d.h. über der Marktbewertung der einzelnen Aktien.23 Der Mehrwert, der durch das Zusammenfügen der Gesellschaftsanteile und die damit verbundenen Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft geschaffen wird, schlägt sich bei der Veräußerung eines Kontrollpakets in einer entsprechenden Prämie auf den Anteilswert, bei börsennotierten Gesellschaften auf den Börsenkurs, nieder. Verkauft wird schließlich nicht nur eine Gewinnbeteiligung, sondern auch die Kontrolle über das Unternehmen, die einen selbständigen Vermögenswert darstellt.24 Stellen sich Paketzuschläge damit also als Gegenleistung für die Verschaffung von Einfluss auf die Geschäfts- und Gewinnverteilungspolitik ei19

Großfeld, S. 229; Lüttmann, S. 33; Lutter, ZHR 153 (1989), 446 (462). Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 39 Rn. 26. 21 Großfeld, S. 229. Besonders deutlich werden diese unterschiedlichen Nutzungsschätzungen von Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern, wenn für die einzelnen Gesellschaftsanteile laufend ermittelte Marktpreise, also Börsenkurse, bestehen und größere Beteiligungen den Besitzer wechseln. Denn in diesem Fall übersteigt der Wert der Anteile den Börsenkurs in der Regel erheblich; hierzu sowie zum umgekehrten Fall ausführlich Elmendorff, WPg 1966, 548 f. 22 Hierzu Lüttmann, S. 33. 23 Immenga, in: Kreuzer, S. 11 (17). Der Bündelung einzelner Anteile zu Paketen oder umgekehrt der Auflösung von Paketen in einzelne Anteile kommt daher nicht nur quantitative, sondern darüber hinaus auch qualitative Bedeutung zu; Elmendorff, WPg 1966, 548. 24 Vgl. Merkt/Göthel, S. 463 Rn. 933. 20

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

ner Gesellschaft dar25 und ist es einzig dem bisherigen Kontrollaktionär möglich, diese Gegenleistung am Markt durchzusetzen, da nur er über die entsprechende vermögenswerte Position verfügen kann, so liegt es auf den ersten Blick nahe, Paketzuschläge ausschließlich der Vermögenssphäre des Kontrollveräußerers zuzuordnen.26 b) Die Lehre von der anteilsmäßigen Verteilung von Paketzuschlägen Nach der von Berle im US-amerikanischen Recht entwickelten „control as a corporate asset-Theorie“ soll die Kontrolle über eine Gesellschaft indes nicht nur dem jeweiligen Kontrollaktionär zustehen, sondern vielmehr dem Vermögen der Gesellschaft zuzuschlagen sein.27 Zwar werde die Kontrolle aktiv nur durch den die Gesellschaft kontrollierenden Mehrheitsaktionär ausgeübt. Als Gemeinschaftsgut stehe sie jedoch der Gesellschaft selbst und damit allen an ihr beteiligten Aktionären zu.28 Hieraus folgert Berle, unter Zugrundelegung seiner These von der Kontrolle als „corporate asset“ nur konsequent, dass der sich in Paket- bzw. Kontrollzuschlägen widerspiegelnde Marktwert der Kontrolle nicht allein dem Kontrollveräußerer, sondern anteilsmäßig allen Aktionären gebühre.29 Für eine gleichmäßige Verteilung von Paketzuschlägen unter der Geltung US-amerikanischen Rechts hat sich im Anschluss an die berühmte, wenngleich vereinzelt gebliebene Entscheidung Perlman v. Feldman30, in der das Gericht allen Aktionären einen Anspruch auf Teilhabe an der Kontrollprä25

Baums, ZIP 1989, 1376 (1379); Lüttmann, S. 33. So insbesondere Wiedemann, S. 72, mit Verweis auf das Wesen eines jeden subjektiven Rechts: „Vermögenswerte, die einer Person zugeordnet sind, sind auch verfügbar“. 27 Berle/Means, S. 244: „[. . .] that the power going with control is an asset which belongs only to the corporation; and that payment for that power, if it goes anywhere, must go into the corporate treasury.“; siehe auch Berle, Colum.L.Rev. 58 (1958), 1212 (1221); hierzu ausführlich auch Merkt/Göthel, S. 469 Rn. 947 m. w. N. zum US-amerikanischen Recht. 28 Der von Berle begründeten Theorie liegt damit ein treuhänderisches Verständnis von Kontrolle und deren Ausübung im Gesellschaftsverband zugrunde; vgl. Andrews, Harv.L.Rev. 78 (1965), 505 (512). 29 Alternativ hierzu könnte man schlussfolgern, dass die Zahlung von Paketzuschlägen gänzlich zu unterbleiben hat. Dass dies jedoch praktisch kaum sicherzustellen ist, darauf weist zutreffend Lüttmann, S. 33, hin. 30 219 F.2d 173, 50 A.L.R.2d 1134 (2d Cir. 1955); zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt siehe Wiedemann, S. 35 f.; mit ausführlicher Darstellung der unterschiedlichen Einordnungsversuche im US-amerikanischen Schrifttum Herkenroth, S. 121 ff. 26

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mie eingeräumt hat, auch Andrews ausgesprochen. Nach dessen „equal opportunity rule“ soll jeder Gesellschafter die Möglichkeit erhalten, seine Aktien bzw. einen proportionalen Anteil derselben zu denselben Konditionen wie der die Kontrolle ausübende Mehrheitsaktionär zu veräußern.31 Ist der Erwerber willens, ein die Kontrolle vermittelndes Aktienpaket von einem einzelnen Aktionär zu erwerben, so kann er dies hiernach nur, wenn er sämtlichen anderen Aktionären ebenfalls ein Angebot auf den Erwerb ihrer gesamten Aktien zu denselben Konditionen macht. Will der Erwerber sicherstellen, dass er nur einen bestimmten Prozentsatz der Anteile erwerben muss – als Beispiel genannt sei hier ein beabsichtigter Erwerb von 30% –, so wäre ein Kontrollinhaber, der ein Aktienpaket in eben diesem Umfang hält, lediglich berechtigt, 9% seiner Anteile im Zuge des Angebots zu veräußern. Hinsichtlich der ausstehenden 21% wäre der Erwerber auf einen ebenfalls pro rata und zu gleichen Konditionen erfolgenden Ankauf der Aktien der übrigen Anteilsinhaber verwiesen.32 Da ein Paketaktionär mit einer nur anteiligen Veräußerung seines Aktienpakets jedoch in den seltensten Fällen einverstanden sein wird, wird die Kontrolltransaktion regelmäßig nur dann zustande kommen, wenn der Erwerber sich mit einem potentiellen Erwerb von bis zu 100% der Aktien zu einheitlichen Konditionen einverstanden erklärt.33 Im deutschen Schrifttum ist die Lehre von der gleichmäßigen Verteilung von Paketzuschlägen bei der überwiegenden Anzahl der Autoren unter den verschiedensten Gesichtspunkten auf Ablehnung gestoßen.34 Geltend gemacht wird vor allem, dass der Paketzuschlag nichts anderes als der korrekt gebildete Marktpreis für die mit dem Aktienbesitz verbundene Verwaltungsmacht in der Gesellschaft sei und daher allein dem Veräußerer des Aktienpakets gebühre.35 Damit spiegele der Paketzuschlag nicht etwa ungleiche 31

Andrews, Harv.L.Rev. 78 (1965), 505 (515). Beispiel in Anlehnung an Merkt/Göthel, S. 469 Rn. 948; vgl. auch Andrews, Harv.L.Rev. 78 (1965), 505 (516). 33 Lüttmann, S. 34. 34 Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, S. 1 (67); Baums, ZIP 1989, 1376 (1379); Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, 106 (108); Houben, WM 2000, 1873 (1880); Lutter, ZHR 153 (1989), 446 (462); Pietzke, in: FSFikentscher, 601 (610 f., 618), Wiedemann, S. 71 ff.; für eine anteilsgemäße Verteilung von Kontrollzuschlägen aber Behrens, ZGR 1975, 433 (446 f.). 35 Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, 106 (108); Lutter, ZHR 153 (1989), 446 (462); Wiedemann, S. 72. Mit ähnlichen Erwägungen hat letztlich auch das BVerfG in Sachen „DAT/Altana“ das Bestehen eines aus der Verfassung abzuleitenden Anspruchs auf Beteiligung von Minderheitsaktionären an Paketzuschlägen abgelehnt: In dem Preis, den ein Mehrheitsaktionär an die Minderheitsaktionäre zu zahlen bereit sei, komme der Grenznutzen zum Ausdruck, den der Mehrheitsaktionär aus eben diesen Aktien ziehen könne. Dass der Mehrheitsaktionär im Vorfeld einer gesellschaftsrechtlichen Maßnahme einen bestimmten (überhöhten) Preis für die ihm 32

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Vorteile, sondern die vom Erwerber antizipierten Synergieeffekte sowie im Börsenkurs nicht ausreichend berücksichtigte stille Reserven wider, an denen auch die Minderheitsgesellschafter beteiligt seien.36 Verwiesen wird weiterhin auf angeblich bestehende praktische Schwierigkeiten bei der Feststellung sowohl des Begünstigtenkreises als auch der quantitativen Höhe der Prämienzahlung.37 Dabei wird auch von den Kritikern der Gleichbehandlungspflicht nicht verkannt, dass Paketzuschläge im Einzelfall gerade deshalb gezahlt werden könnten, weil der Erwerber beabsichtigt, kraft seiner sodann erworbenen Kontrollmacht Sondervorteile in entsprechender Höhe zu ziehen, um auf diese Weise seine getätigte Investition auf Kosten der Gesellschaft und ihrer Minderheitsaktionäre zu finanzieren.38 In diesem Fall profitieren die Minderheitsaktionäre nicht von der Kontrollübernahme. In der Literatur wird jedoch die Ansicht vertreten, solchen Risiken über eine Schadensersatzpflicht des Mehrheitsaktionärs in ausreichendem Maße begegnen zu können.39 Ein genereller Anspruch der Minderheitsaktionäre auf Beteiligung an Kontrollprämien soll sich hieraus jedenfalls nicht ableiten lassen.40 c) Die gesetzgeberische Wertentscheidung in § 4 WpÜG-AngebotsVO Die Frage, ob der Vermögenswert der Kontrolle allein dem die Gesellschaft kontrollierenden Mehrheitsaktionär oder aber anteilig allen Aktionären der Gesellschaft zusteht, ist letzten Endes eine Wertungsfrage,41 die es im Hinblick auf ein erforderliches Quorum noch fehlenden Aktien akzeptiere, beruhe einzig darauf, dass ihm ansonsten die beabsichtigte Maßnahme unmöglich wäre. Diese Erwägung habe für Minderheitsaktionäre jedoch keine Bedeutung; aus ihrer Sicht sei der erhöhte Preis mithin nur zu erzielen, wenn es ihnen gelinge, gerade ihre Aktien an den Mehrheitsaktionär zu veräußern, worauf sie jedoch verfassungsrechtlich keinen Anspruch hätten; BVerfG, 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 (306 f.) = ZIP 1999, 1436 (1441). 36 Baums, ZIP 1989, 1376 (1379); Lutter, ZHR 153 (1989), 446 (462). 37 Assmann/Bozenhardt, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, S. 1 (67); siehe hierzu auch Wiedemann, S. 71, mit Verweis auf Bewertungsschwierigkeiten insbesondere in solchen Fällen, in denen die Gegenleistung nicht lediglich in Geld besteht. 38 Baums, ZIP 1989, 1376 (1379); zu diesem Risiko ausführlich Merkt/Göthel, S. 464 Rn. 933. 39 Baums, ZIP 1989, 1376 (1379), der in diesen Fällen von einer schuldhaften Treuepflichtverletzung ausgeht, ggf. auch auf §§ 117 AktG, 826 BGB zurückgreifen will. Skeptisch gegenüber einer Haftung aus §§ 117 AktG, 826 BGB Wiedemann, S. 53, der eine Analogie zu § 317 AktG befürwortet. 40 Baums, ZIP 1989, 1376 (1379). 41 So auch Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 3 Rn. 12; Stern, ÖBA 1992, 1065 (1071).

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hier jedoch nicht zu entscheiden gilt. Denn mit der Regelung in § 4 Satz 1 WpÜG-AngebotsVO hat sich der deutsche Gesetzgeber für eine Beteiligung auch der Minderheitsaktionäre an Paket- bzw. Kontrollzuschlägen ausgesprochen.42 Während sowohl der DiskE-ÜG43 als auch der RefE-WÜG44 noch vorsahen, dass die anzubietende Gegenleistung den Wert der vom Bieter in den letzten drei Monaten bei außerbörslichen Erwerben gezahlten höchsten Gegenleistung um bis zu maximal 15% unterschreiten durfte,45 geht das Gesetz nunmehr in § 4 Satz 1 WpÜG-Angebots-VO von einer vollständigen Berücksichtigung getätigter Vorerwerbe aus. Maßgebliche Untergrenze für die den Minderheitsaktionären anzubietende Gegenleistung ist hiernach der Wert der höchsten Gegenleistung, die der Bieter, eine mit ihm gemeinsam handelnde Person oder deren Tochterunternehmen innerhalb der letzten drei Monate vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage für den Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft gewährt oder vereinbart hat. Dass eine derartige zwangsweise Berücksichtigung von Vorerwerben ein ebenso sachgerechtes wie auch juristisch „elegantes“ Mittel zur angemessenen Verteilung der Kontrollprämie an alle Aktionäre der Zielgesellschaft ist, hat Behrens bereits 1975 in seiner Reaktion auf den Pennington-Entwurf festgestellt.46 Ist der Kontrollerwerber im Zuge eines zu unterbreitenden Zwangsangebots verpflichtet, als Gegenleistung mindestens den Wert der höchsten in einem bestimmten Zeitabschnitt vor Erlangung der Kontrolle gewährten oder vereinbarten Gegenleistung anzubieten, so wird er diesen 42

Vgl. insoweit die Begründung zu § 4 RegE-WpÜG-AngebotsVO, wo es ausdrücklich heißt: „Die Regelung ist Ausfluss des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes aller Aktionäre. Sie ermöglicht den Aktionären, die Adressaten eines Übernahme- oder Pflichtangebots sind, an Paketzuschlägen, die im Vorfeld von Übernahmen mit einzelnen Aktionären vereinbart wurden, zu partizipieren.“ 43 Vgl. § 16 Abs. 3 Satz 3 DiskE-ÜG; in der Begründung heißt es hierzu: „Hierbei findet auch Berücksichtigung, dass für den Erwerb großer Pakete, die einen Kontrollerwerb ermöglichen oder erleichtern, regelmäßig Zuschläge gezahlt werden. Der Zuschlag ist hier Ausdruck einer besonderen ökonomischen Leistung. [. . .] Gezahlt werden – soweit bekannt – Zuschläge von 10 bis 20 Prozent, ggf. aber auch erheblich höhere Zuschläge. [. . .] Vor diesem Hintergrund ist eine Regelung sachgerecht, die einen Paketzuschlag in Höhe von 15 Prozent erlaubt, ohne dass hieran die übrigen Aktionäre, die keine vergleichbare ökonomische Leistung erbringen, partizipieren.“ 44 Vgl. § 4 Satz 1 RefE-WÜG-AngebotsVO. 45 Einen entsprechenden Preisabschlag i. H. v. 15% sieht etwa auch das öÜbG in § 26 Abs. 1 Satz 1 vor. 46 Behrens, ZGR 1975, 433 (447). Nach Art. 7 Abs. 4 (i) des Pennington-Entwurfs hatte der Barpreis, den eine Person oder Gesellschaft für Wertpapiere einer Art, die sich bereits im Besitz der Person oder Gesellschaft befinden, im Rahmen eines allgemeinen Angebots bieten muss, mindestens so hoch zu sein wie der höchste Barpreis, der von ihr für Wertpapiere der gleichen Art während der letzten zwölf Monate gezahlt wurde.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Umstand schon bei den Verhandlungen mit dem Paketaktionär über die Höhe der Kontrollprämie berücksichtigen. Mit Blick auf die Angebotspflicht wird er eine entsprechend geringere Gegenleistung anzubieten bereit sein, womit die Kontrollprämie anteilig allen Aktionären zugute kommt.47 Wenn der Gesetzgeber in der Begründung zum WpÜG also darauf hinweist, dass mit der Einführung des Pflichtangebots den Minderheitsaktionären die Veräußerung ihrer Aktien zu einem angemessenen Preis ermöglicht werden soll, so nimmt er damit Bezug auf die Beteiligung von Minderheitsaktionären an im Vorfeld der Kontrollerlangung gezahlten Paketzuschlägen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers und der Regelung in § 4 Satz 1 WpÜG-AngebotsVO ist die durch einen Mehrheitsaktionär angebotene Gegenleistung nämlich nur dann als angemessen i. S. d. § 31 Abs. 1 Satz 1 WpÜG anzusehen, wenn bei ihrer Bemessung im Vorfeld der Kontrollerlangung gezahlte Paketzuschläge zu Gunsten der Minderheitsaktionäre Berücksichtigung finden. 2. Ermöglichung des Austritts aus der Gesellschaft zu angemessenen Konditionen Dass die Beteiligung von Minderheitsaktionären an Paketzuschlägen nicht das einzige Regelungsanliegen des § 35 WpÜG sein kann, wird bereits daran deutlich, dass – hierauf wurde bereits hingewiesen48 – sowohl der DiskE-ÜG als auch der RefE-WÜG eine derartige Partizipationsmöglichkeit nicht vorsahen, gleichwohl aber für die Fälle der Kontrollerlangung und des Kontrollwechsels in § 33 DiskE-ÜG respektive in § 35 RefE-WÜG die Verpflichtung zur Abgabe eines an die Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft gerichteten Angebotes statuierten. Als Preisuntergrenze für die durch den Kontrollerwerber im Rahmen des Pflichtangebots anzubietende Gegenleistung sah der DiskE-ÜG49 schon damals vor, dass diese mindestens dem gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft während der letzten sechs Monate50 vor der Veröffentlichung der Kontrollerlangung entsprechen muss (sog. Börsenpreisregel). Eine inhaltsgleiche Regelung enthält nunmehr § 5 Abs. 1 WpÜG-AngebotsVO, der, ebenso wie § 5 Abs. 1 RefE-WÜG-AngebotsVO, den gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs während der letzten drei 47

Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 39 Rn. 26. Oben Teil 4 B. I. 1. c), S. 121. 49 Vgl. §§ 39, 16 Abs. 3 Satz 1 DiskE-ÜG. 50 Der RefE-WÜG enthielt bereits eine verkürzte Referenzperiode von nur noch drei Monaten; vgl. §§ 39, 31 Abs. 7 RefE-WÜG i. V. m. § 5 Abs. 1 RefE-WÜG-AngebotsVO. 48

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Monate vor der Veröffentlichung der Kontrollerlangung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG als Bemessungsuntergrenze für maßgeblich erklärt.51 Indem das Gesetz auf den Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft abhebt, soll sichergestellt werden, dass den Minderheitsaktionären als Gegenleistung mindestens der Marktwert ihrer Aktien angeboten wird.52 Dabei dürfte der gewichtete Durchschnittskurs in etwa mit der Vorstellung übereinstimmen, die Minderheitsaktionäre vom Wert ihrer Aktien haben.53 Warum jedoch den Minderheitsaktionären für den Fall eines erstmaligen Kontrollerwerbs oder eines Kontrollwechsels in ihrer Gesellschaft überhaupt die Möglichkeit eingeräumt werden muss, zu Marktkonditionen aus der Gesellschaft auszuscheiden, erschließt sich allein anhand der gesetzlichen Regelung nicht unmittelbar. Dies schon deshalb nicht, da die Aktien von Zielgesellschaften im Anwendungsbereich des WpÜG aufgrund der Vorgaben in §§ 1, 2 Abs. 7 WpÜG zwingend börsennotiert sind. Damit scheint die Möglichkeit des Austritts aus der Gesellschaft zu Marktkonditionen bereits dadurch sichergestellt zu sein, dass die Aktionäre ihre Anteile jederzeit über die Börse veräußern können.54 Einen wichtigen Hinweis auf die hinter der Börsenpreisregel und damit auch hinter dem Pflichtangebot stehende Regelungsintention bieten die durch den Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 WpÜG-AngebotsVO gewählten zeitlichen Eckpunkte des dreimonatigen Referenzzeitraums. Entscheidend für die Mindesthöhe der den Aktionären anzubietenden Gegenleistung ist hiernach der gewichtete Durchschnittskurs während der letzten drei Monate vor der Veröffentlichung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG. Indem der Gesetzgeber den Stichtag der Veröffentlichung aus dem Referenzzeitraum herausgenommen hat,55 dieser mithin einen Tag vor Bekanntgabe der Kontrollerlangung abläuft,56 soll ganz offensichtlich vermieden werden, dass transaktionsbedingte Kursbewegungen Einfluss auf die den Minderheitsaktionären anzu51

Für den Fall, dass die Aktien der Zielgesellschaft zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch keine drei Monate zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, schreibt § 5 Abs. 2 WpÜG-AngebotsVO vor, dass der Wert der Gegenleistung mindestens dem gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs seit der Einführung der Aktien in den Handel entsprechen muss. 52 Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 31 Rn. 20. Damit liegt die Regelung auf einer Linie mit den Vorgaben des BVerfG zur Ausgestaltung gesetzlicher Abfindungsangebote bei Unternehmensverträgen und Mehrheitseingliederungen, bei denen Minderheitsaktionäre im Rahmen ihrer Abfindung jedenfalls nicht weniger erhalten dürfen, als sie bei einer freien Desinvestitionsentscheidung erlangt hätten; BVerfG, 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 (306) = ZIP 1999, 1436 „DAT/ Altana“. 53 Dörfler/Gahler/Unterstraßer/Wirichs, BB 1994, 156 (159). 54 Hierauf weisen zutreffend hin Grabbe/Fett, NZG 2003, 755 (757); Vetter, WM 2002, 1999 (2001).

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

bietende Gegenleistung gewinnen.57 Dass hiermit nur ein Schutz der Minderheitsaktionäre vor der Entwertung ihrer Aktien durch fallende Börsenkurse bezweckt sein kann,58 liegt auf der Hand. Dies entspricht auch der eingangs wiedergegebenen Aussage des Gesetzgebers in der Begründung zum RegE-WpÜG, wonach eine Übernahme in vielen Fällen Auswirkungen auf die Werthaltigkeit der Unternehmensanteile habe.59 Warum auch sollten die Minderheitsaktionäre des Schutzes vor steigenden Börsenkursen bedürfen, würde ihnen ein solcher Anstieg doch lediglich zum Vorteil gereichen, da sie ihre Aktien jederzeit über die Börse veräußern und damit den entsprechenden monetären Vorteil erlösen könnten? Für ein Absinken des Börsenkurses nach Bekanntwerden einer erstmaligen Kontrollerlangung oder eines Kontrollwechsels lassen sich im Wesentlichen zwei Gründe identifizieren: Zum einen führt bereits der Kontrollerwerb als solcher regelmäßig dazu, dass die Unternehmensanteile der Minderheitsaktionäre durch den Kapitalmarkt mit einem Bewertungsabschlag (sog. Minderheitsabschlag) versehen werden. Zum anderen besteht bei Kontrolltransaktionen für die Minderheitsaktionäre die Gefahr, dass es infolge einsetzender Verkaufsreaktionen zu einem Überangebot an Aktien und hierdurch bedingt zu Preisverfall am Kapitalmarkt kommt. a) Bewertungsabschlag auf Minderheitsbeteiligungen Aus denselben Gründen, aus denen Mehrheitsanteile, insbesondere Kontrollbeteiligungen, mehr wert sind als eine entsprechende Quote am Gesamtwert des Unternehmens,60 sind Minderheitsanteile regelmäßig weniger wert.61 In der betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertung entspricht 55 So die allgemeine Interpretation; vgl. Marsch-Barner, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 31 Rn. 36; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 31 Rn. 13; Wackerbarth, in: MünchKomm-AktG, § 31 WpÜG Rn. 39. 56 So ausdrücklich Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 31 Rn. 13. 57 Marsch-Barner, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 31 Rn. 36; Meyer, in: Geibel/ Süßmann, WpÜG, § 35 Rn. 1. 58 Vgl. Kleindiek, ZGR 2002, 546 (558 f.). Insoweit zumindest missverständlich Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 31 Rn. 13, der in diesem Zusammenhang lediglich darauf hinweist, dass mit Veröffentlichung der Kontrollerlangung die Gefahr der Spekulation gegen den Bieter ebenso bestehe wie auch die Möglichkeit der Einpreisung künftiger Synergieeffekte, die den Aktionären der Zielgesellschaft bei der Abfindung nicht zugute kommen sollen. Dies ist zwar richtig, aber sicher nicht das primäre Regelungsanliegen der Börsenpreisregel, welches darin zu sehen ist, die Minderheitsaktionäre vor dem Wertverlust ihrer Aktien zu schützen. 59 Oben Teil 4 B. I., S. 115. 60 Hierzu eingehend oben Teil 4 B. I. 1. a), S. 117.

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es daher allgemeiner Übung, Minderheitsanteile mit einem Abschlag vom quotalen Unternehmenswert zu bewerten.62 Im Wirtschaftsprüfer-Handbuch heißt es hierzu: „Es ist üblich, dass bei der Bewertung eines Anteils auch zu berücksichtigen ist, welcher Einfluss auf die Geschäfts- und Gewinnverteilungspolitik der Gesellschaft genommen werden kann. Je geringer derartige Einflussmöglichkeiten sind, umso größer ist üblicherweise der Abschlag, der bei einer Ableitung des Anteilswertes aus dem Gesamtwert des Unternehmens vorgenommen wird.“63 Auch aus dem für die AG speziell in § 53a AktG normierten gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt nur, dass die Bewertung für Mehrheits- wie für Minderheitsanteile im Verhältnis der Gesellschafter zueinander einheitlich zu erfolgen hat.64 Relevant wird das Gleichbehandlungsgebot des § 53a AktG damit nur, soweit die Gesellschaft selbst Verpflichtete ist.65 Anlässlich eines Verkaufs von Gesellschaftsanteilen an Dritte ist es daher rechtmäßige Praxis, Minderheitsanteile trotz der mit Mehrheitsanteilen hinsichtlich Nennbetrag, Stimmrecht und Gewinn übereinstimmenden nominellen Ausstattung mit dem oben beschriebenen Abschlag zu bewerten.66 Im Ergebnis ganz ähnlich verhält es sich mit den Börsenwerten eines Unternehmens.67 Aktien aus Mehrheitsbeteiligungen an börsennotierten Unternehmen werden an der Börse regelmäßig nicht gehandelt.68 Ihr Umsatz erfolgt normalerweise außerhalb der Börse, und zwar schon deshalb, da ein Verkauf am Kapitalmarkt in der Regel mit erheblichen Kursverlusten verbunden ist.69 Hieraus folgt, dass Börsenwerte in der Regel Minderheits61

Vgl. Helbling, S. 511. OLG Köln, 26. 3. 1999 – 19 U 108/96, NZG 1999, 1222 (1227); Großfeld, S. 229; Helbling, S. 506 ff.; Piltz/Wissmann, NJW 1985, 2673 (2680). 63 WP-Handbuch, 10. Aufl., Rn. A 40. 64 OLG Köln, 26. 3. 1999 – 19 U 108/96, NZG 1999, 1222 (1227); Bilda, in: MünchKomm-AktG, § 305 Rn. 86; Großfeld, S. 230; Hüffer, AktG, § 305 Rn. 24; Piltz/Wissmann, NJW 1985, 2673 (2680). 65 Normadressat und damit Schuldnerin der in § 53a AktG statuierten Gleichbehandlungspflicht ist nach allgemeiner Ansicht ausschließlich die AG; siehe hierzu nur Bungeroth, in: MünchKomm-AktG, § 53a Rn. 4; Hüffer, AktG, § 53a Rn. 4; Janssen, in: AnwKomm-Aktienrecht, § 53a AktG Rn. 20. 66 Piltz/Wissmann, NJW 1985, 2673 (2680). 67 Vgl. Helbling, S. 406, 511 (Fn. 13). 68 Elmendorff, WpG 1966, 548 (549 f.). 69 Die Folge eines Verkaufs größerer Aktienpakete über die Börse lassen sich unter anderem am Kursverfall der Aktie der Deutschen Telekom AG im Herbst 2001 ablesen, als nach der Übernahme der amerikanischen Mobilfunkgesellschaften Voicestream Wireless und Powertel, die zum Großteil mit eigenen Aktien bezahlt wurden, nach dem Auslaufen der vereinbarten Mindesthaltefristen deren ehemalige Aktionäre in großem Umfang Telekom-Aktien auf den Markt warfen; hierzu auch Kruse, S. 41 (Fn. 122). 62

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

aktienwerte sind, d.h. der Wert von Minderheitsanteilen an einem börsennotierten Unternehmen regelmäßig dem im Börsenkurs abgebildeten Wert entspricht.70 Hiermit diskontiert der Markt vor allem das mindere Herrschaftsrecht der außenstehenden Aktionäre, welches sich im faktischen Verlust des Stimmrechts ihrer Aktien widerspiegelt.71 Darüber hinaus ist der Bewertungsabschlag auf Minderheitsbeteiligungen aber auch Ausdruck des unvollkommenen Minderheitenschutzes im Konzern72 und der damit für die Aktionäre einhergehenden Gefahr der Ausbeutung durch den Kontrollerwerber.73 Als weitere Gründe sind die im faktischen Konzern nicht gesicherte gerechte Verteilung von Synergieeffekten, unter Umständen eintretende Marktenge sowie die nach einer Übernahme bestehende Gefahr eines going private zu nennen.74 All dies führt dazu, dass Aktien aus Anlegersicht tendenziell unattraktiv werden, was sich in ihrer geringeren Wertschätzung durch den Kapitalmarkt widerspiegelt. Dieser mit Bekanntwerden der Kontrollerlangung erfolgende Abschlag auf den Börsenkurs ist es, vor dem der Gesetzgeber die Minderheitsaktionäre mit der Börsenpreisregel des § 5 WpÜG-AngebotsVO schützen will.75 Während nämlich Anleger, die nach erfolgter Kontrollerlangung in Aktien der nunmehr kontrollierten Gesellschaft investieren, die mit dem Minderheitenstatus untrennbar verbundenen Nachteile antizipieren und in Form des genannten Preisabschlags berücksichtigen können,76 sind jene Anleger, die ihr Kapital dem im Zeitpunkt ihrer Anlageentscheidung noch nicht kontrol70

Helbling, S. 506, 511 (Fn. 13). Vgl. hierzu insbesondere Bartelt, S. 59 f.; siehe auch Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, Vor §§ 35 bis 39 Rn. 32. 72 Die Schwächen des Minderheitenschutzes im faktischen Konzern bestehen im Wesentlichen darin, dass das Schutzsystem der §§ 311 ff. AktG auf den Ausgleich von schädigenden Einzelmaßnahmen setzt, diese sich jedoch aufgrund der in der Regel erfolgenden Integration des abhängigen in die Konzernorganisation des herrschenden Unternehmens nur schwer festmachen und quantifizieren lassen. Darüber hinaus setzt das Recht des faktischen Konzerns mit dem in §§ 312 ff. AktG vorgesehenen Abhängigkeitsbericht auf ein Kontrollinstrument, dass sich in der Praxis als weitgehend ineffektiv erwiesen hat; siehe hierzu ausführlich Bartelt, S. 50 ff.; Herkenroth, S. 62 ff.; Kübler/Assmann, S. 443 ff.; ders./Schmidt, S. 85 ff.; Reul, S. 278 ff.; K. Schmidt, S. 958 f.; Timm, NJW 1992, 2185 (2191). 73 Herkenroth, S. 68; Kirchner, ZGR 1985, 214 (232); Mühle, S. 108; Rau-Bredow, DBW 59 (1999), 763 (765, 773); Schenk, S. 202. 74 Bartelt, S. 60 ff. 75 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, Vor § 35 Rn. 91; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 724 (725), jedoch ohne nähere Begründung zu den Ursachen der Wertminderung; so auch schon Schneider/Burgard, DB 2001, 963 (965), zum RefE-WÜG. 76 Hierzu ausführlich Kirchner, ZGR 1985, 214 (232); Rau-Bredow, DBW 59 (1999), 763 (773); Schenk, S. 202. 71

B. Grundlagen der Angebotspflicht nach § 35 WpÜG

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lierten Unternehmen zur Verfügung gestellt haben, ohne die entsprechende gesetzliche Regelung schutzlos gestellt. Sie erleiden durch die erstmalige Kontrollerlangung, die allein im Interesse des Mehrheitsaktionärs liegt, einen wirtschaftlichen Verlust. Ohne das Pflichtangebot verbliebe ihnen nur die Möglichkeit, ihre Aktien unmittelbar, jedoch verlustbringend, über den Kapitalmarkt zu veräußern oder aber als Minderheitsaktionäre mit den damit verbundenen verbandsrechtlichen Nachteilen und Risiken in der nunmehr kontrollierten Gesellschaft zu verbleiben und den Bewertungsabschlag auf Dauer hinzunehmen.77 b) Verkaufsreaktionen der Minderheitsaktionäre Dass der durch den Kapitalmarkt erfolgende Minderheitsabschlag bei der Bewertung von Aktien kontrollierter Gesellschaften nicht die einzige Erklärung dafür sein kann, dass es den Minderheitsaktionären aus Sicht des Gesetzgebers unmöglich ist, ihre Unternehmensanteile im Anschluss an das Bekanntwerden einer Kontrolltransaktion ohne Wertverlust über die Börse zu veräußern, ergibt sich unmittelbar aus der Regelung des § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG. Hiernach wird die Angebotspflicht nicht nur in den Fällen einer erstmaligen Kontrollerlangung in einer bisher kontrollfreien Gesellschaft, sondern vielmehr auch dann ausglöst, wenn die Gesellschaft bereits zuvor kontrolliert wurde und lediglich die Person des Kontrollinhabers wechselt.78 Mit den soeben angestellten Erwägungen zum Bewertungsabschlag auf Minderheitsbeteiligungen lässt sich die Angebotspflicht in den Fällen eines bloßen Wechsels der Kontrolle kaum begründen.79 Ursache des 77

Vgl. Schneider/Burgard, DB 2001, 963 (965). Dass § 35 WpÜG neben den Fällen erstmaliger Kontrollerlangung auch den bloßen Wechsel der Kontrolle erfasst, entspricht allgemeiner Ansicht und kommt auch in der Begründung des Gesetzgebers zu § 35 Abs. 2 Satz 2 RegE-WpÜG deutlich zum Ausdruck; BT-Drucks. 14/7034, S. 59. Aus der Literatur siehe nur Baums/ Hecker, in: Baums/Thoma, Vor § 35 Rn. 115 ff.; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 87; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 72; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 56, jeweils mit dem zutreffenden Hinweis auf § 9 Satz 2 Nr. 1 WpÜG-AngebotsVO, der die Anwendbarkeit des Pflichtangebots auf Sachverhalte des Kontrollwechsels voraussetzt, indem er die Möglichkeit der Befreiung von den in § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG statuierten Pflichten für den Fall vorsieht, dass ein Dritter über einen höheren Stimmrechtsanteil verfügt; im Ergebnis auch Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 19; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 28. 79 Houben, WM 2000, 1873 (1880), mit dem Hinweis, dass der Wert der Minderheitsaktien vor und nach einem Kontrollwechsel gleichermaßen einen Stimmrechtswert nicht beinhaltet; a. A., jedoch ohne nähere Begründung, Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, Vor § 35 Rn. 91, wo es heißt: „Der Austritt aus der Gesellschaft durch Verkauf der Aktien über den Kapitalmarkt ist deshalb nicht ohne Ver78

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Minderheitsabschlags ist allein das formale Bestehen der Kontrollposition in einer Gesellschaft, unabhängig von der konkreten Person des Kontrollinhabers. Zwar ist es denkbar, dass der Bewertungsabschlag je nach Umfang der Kontrollposition unterschiedlich hoch ausfällt,80 so dass sich der Wert der Minderheitsanteile nach einem Wechsel der Kontrolle unter Umständen weiter verringert. Für die in der Praxis weitaus häufiger anzutreffenden Fälle jedoch, in denen qualifizierte Mehrheitsverhältnisse nicht erreicht werden oder lediglich ein sich in der Hand des bisherigen Mehrheitsgesellschafters befindendes Kontrollpaket auf einen neuen Kontrollaktionär übergeht, ohne dass dieser weitere Anteile an der Gesellschaft hält oder hinzu erwirbt, versagt auch diese Argumentation. Nun liegt natürlich der Einwand nahe, die Börsenpreisregel des § 5 WpÜG-AngebotsVO habe für den Kontrollwechsels schlicht keine weitere Bedeutung, da es sich hierbei typischerweise zugleich um Fälle des Paketerwerbs handele und der Gesetzgeber den Kontrollwechsel allein deshalb erfasst sehen wollte, um den Minderheitsaktionären die Partizipation an gezahlten Paketzuschlägen zu ermöglichen.81 Indes würde eine solche Sichtweise die Tatsache unberücksichtigt lassen, dass sowohl der DiskE-ÜG82 als auch der RefE-WÜG83 eine Angebotspflicht nicht nur bei erstmaliger Kontrollerlangung, sondern auch für den Fall des Kontrollwechsels vorsahen, obschon eine Beteiligung der Minderheitsaktionäre an Paketzuschlägen zu diesen Zeitpunkten durch den Gesetzgeber noch nicht beabsichtigt war.84 Hieraus folgt: Das Pflichtangebot für den Fall des Kontrollwechsels in einer Gesellschaft muss sich zumindest auch mit dem durch die Börsenpreisregel des § 5 WpÜG-AngebotsVO verfolgten Regelungsanliegen begründen lassen. luste zu realisieren, weil die Abhängigkeit der Gesellschaft von den Marktteilnehmern mit einem Preisabschlag ‚bestraft‘ wird. War die Zielgesellschaft bereits ein abhängiges Unternehmen, so gilt nichts anderes.“ 80 Zu unterscheiden ist zwischen einfacher und qualifizierter Mehrheit; vgl. Elmendorff, WPg 1966, 548; Großfeld, S. 229; Helbling, S. 510. 81 Zu diesem Regelungsanliegen des § 35 WpÜG siehe ausführlich oben Teil 4 B. I. 1., S. 116 ff. 82 Ebenso wie § 9 Satz 2 Nr. 1 WpÜG-AngebotsVO sah § 3 Nr. 6 BefreiungsVO zum DiskE-ÜG die Möglichkeit zur Befreiung von der Angebotspflicht für den Fall vor, dass ein Dritter über einen höheren Stimmrechtsanteil verfügt, was die Anwendbarkeit des § 33 DiskE-ÜG auch auf Fälle des Kontrollwechsels impliziert; vgl. hierzu ausführlich Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, Vor § 35 Rn. 115 ff.; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 87; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 56. 83 Auch für den RefE-WÜG ergibt sich die Anwendbarkeit der Pflichtangebotsregelung in den Fällen des Kontrollwechsels aus einem arg. e § 9 Satz 2 Nr. 1 WÜG-AngebotsVO; hierfür spricht auch die Begründung des Gesetzgebers zu § 35 Abs. 2 Satz 2 RefE-WÜG, wo der Kontrollwechsel ausdrücklich erwähnt wird. 84 Hierzu bereits oben Teil 4 B. I. 1. c), S. 121.

B. Grundlagen der Angebotspflicht nach § 35 WpÜG

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Als Regelungsanliegen des § 5 WpÜG-AngebotsVO identifiziert wurde die Verhinderung eines Wertverlusts der Unternehmensanteile der Minderheitsaktionäre durch ein Absinken des Börsenkurses infolge des Bekanntwerdens der Kontrollerlangung.85 Neben dem oben genannten Bewertungsabschlag auf Minderheitsbeteiligungen kann ein Absinken des Börsenkurses nach Bekanntwerden eines Kontrollwechsels – für den Fall einer erstmaligen Kontrollerlangung gilt insoweit nichts anderes – vor allem darauf zurückzuführen sein, dass die Minderheitsaktionäre mehr oder weniger zeitgleich ihre Unternehmensanteile abzustoßen versuchen, wodurch es bei einer nicht ausreichenden Aufnahmefähigkeit des Kapitalmarkts zu einem Überangebot an Aktien und hierdurch bedingt zu Preisverfall kommen kann.86 Als besonders hoch einzuschätzen ist die Gefahr einsetzender Verkaufsreaktionen im Anschluss an Kontrolltransaktionen deshalb, da es mit dem Kontrollerwerb zu einer grundlegenden Veränderung der durch die Anleger ursprünglich getroffenen Investitionsentscheidung kommt.87 Peter Lee, Deputy Director General des englischen Takeover Panel, hat die Situation, in der sich die Minderheitsaktionäre nach einem erstmaligen Erwerb oder Wechsel der Kontrolle befinden, sehr plastisch wie folgt beschrieben: „[. . .] the company is now controlled by a new person where before it was controlled by another or not controlled at all. Shareholders should therefore be given the chance to sell out of the company, as they may have a low opinion of the new controller’s business ability or methods, or they might not wish to remain in a company which had, say, manufactured cars and was now to produce armaments.“88 Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Aktionäre als besonders prekär stellt sich die Lage der Minderheitsaktionäre regelmäßig dadurch dar, dass die nach einem erstmaligen Kontrollerwerb oder einem Kontrollwechsel einsetzenden Verkaufsreaktionen und der damit unter Umständen einhergehende Kursverfall auch den bis dahin untätig gebliebenen Aktionären nicht verborgen bleiben werden. Aus dem Bestreben heraus, größere Verluste zu vermeiden, werden auch diese Aktionäre ihre Anteile früher oder später auf den Markt werfen. Je länger die Anleger ihre Verkaufsentscheidung hinauszögern, umso größer stellt sich ihr Verlustrisiko dar. Der Ausstieg aus der Gesellschaft erfolgt damit nach dem Motto: „Den letzten beißen die Hunde“.89 Mit dem das gesamte Übernahmerecht durchziehenden Gedanken der Gleichbehandlung der Aktionäre bei Kontrolltrans85

Oben Teil 4 B. I. 2., S. 122 ff. Lüttmann, S. 27; Prantl, S. 73 f.; Schenk, S. 203 f. 87 Diesen Aspekt der Pflichtangebotsregelung ebenfalls herausstellend Baums/ Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, Vor § 35 Rn. 90; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (558). Ausführlich hierzu Lüttmann, S. 24 ff. 88 Lee, EWS 1990, 241 (243). 86

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

aktionen ist dies freilich nicht zu vereinbaren.90 Neben dem Schutz der Aktionäre vor Bewertungsabschlägen auf Minderheitsbeteiligungen ist es dann auch dieses allein durch den Kontrollerwerber ausgelöste Kursrisiko, dass der Gesetzgeber den Minderheitsaktionären mit Einführung der Börsenpreisregel in § 5 WpÜG-AngebotsVO durch das Pflichtangebot abnehmen wollte.91 3. Zusammenfassung Der Pflichtangebotsregelung des § 35 WpÜG liegt ein doppeltes Regelungsanliegen zugrunde, das seinen Ausdruck in den Preisuntergrenzen der §§ 4 und 5 WpÜG-AngebotsVO gefunden hat. Hiernach soll unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Aktionäre der Zielgesellschaft den Minderheitsaktionären einerseits die Möglichkeit eröffnet werden, an über den Marktwert der einzelnen Aktie hinausgehenden und durch den Minderheitsaktionär selbständig nicht zu realisierenden Paketzuschlägen zu partizipieren. Andererseits soll das Pflichtangebot gewährleisten, dass die Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft nach Bekanntwerden einer Kontrollerlangung oder eines Kontrollwechsels aus der kontrollierten Gesellschaft ausscheiden können, ohne eine Wertminderung ihrer Aktien hinnehmen zu müssen, die als Konsequenz eines durch den Markt auferlegten Bewertungsabschlags auf Minderheitsbeteiligungen sowie einsetzender Verkaufsreaktionen zu erwarten ist.

II. Rechtsdogmatische Einordnung Die rechtsdogmatische Einordnung des Pflichtangebots ist nach wie vor nicht vollständig geklärt. Im Wesentlichen stehen sich zwei Ansichten gegenüber: Eine Ansicht begreift das Pflichtangebot als Instrument des aktienrechtlichen Minderheitenschutzes. Nach einer anderen, in jüngster Zeit im 89 So die äußerst bildhafte Formulierung von Kallmeyer, ZHR 161 (1997), 435 (441), der in diesem Zusammenhang jedoch von dem in der Praxis eher untypischen Fall des Aufkaufs einer Kontrollbeteiligung über die Börse ausgeht, bei dem es naturgemäß zunächst – d.h. zumindest bis zu dem Zeitpunkt des Erlangens der Kontrolle – zu einem Anstieg des Börsenkurses der Aktien der Zielgesellschaft kommt, der freilich mit Bekanntgabe der Kontrollerlangung und der Einstellung weiterer Zukäufe wieder einbricht; vgl. hierzu auch Mühle, S. 433 ff. 90 Der Gleichbehandlungsgrundsatz stellt das zentrale Prinzip des Übernahmerechts dar; vgl. Peltzer, in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, S. 179 (187); Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 3 Rn. 3; Versteegen, in: KK-WpÜG, § 3 Rn. 12; Wackerbarth, in: MünchKomm-WpÜG, § 3 Rn. 4. 91 So insbesondere auch Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, Vor §§ 35 bis 39 Rn. 31; vgl. auch Fleischer, NZG 2002, 545 (546).

B. Grundlagen der Angebotspflicht nach § 35 WpÜG

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Vordringen befindlichen Ansicht soll das Pflichtangebot dem kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutz zuzuordnen sein. 1. Konzernrechtlicher Ansatz Ein Recht der außenstehenden Aktionäre, gegen Abfindung aus der Gesellschaft auszuscheiden, sieht das aktienrechtliche Konzernrecht in § 305 AktG lediglich für den Fall vor, dass es zwischen dem herrschenden und dem abhängigen Unternehmen zum Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags kommt. Durch das Abfindungsrecht soll den außenstehenden Aktionären die Möglichkeit eingeräumt werden, entweder – bei einer Abfindung in Aktien – ihre Herrschaftsrechte weiterhin in einer unabhängigen Gesellschaft auszuüben oder aber – für den Fall einer Barabfindung – über ihr ursprünglich getätigtes Investment erneut frei verfügen zu können.92 Für den Fall, dass ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag nicht besteht, die Beherrschung der abhängigen Gesellschaft mithin rein faktischer Natur ist, setzt der Gesetzgeber mit §§ 311 ff. AktG demgegenüber auf ein System des Einzelausgleichs der durch das herrschende Unternehmen vorgenommenen Nachteilszufügungen. Nach dieser Konzeption haben die außenstehenden Aktionäre die Begründung der Abhängigkeit und die einfache faktische Konzernierung ihrer Gesellschaft grundsätzlich hinzunehmen.93 Vorschriften, die die Gesellschaft und ihre Aktionäre schon vor einer Begründung der Abhängigkeit schützen, kennt das Aktienkonzernrecht nicht. Vor diesem Hintergrund ist das übernahmerechtliche Pflichtangebot im deutschen Schrifttum in rechtssystematischer Hinsicht bereits frühzeitig als Mittel des Konzerneingangsschutzes und damit als typisches Instrument des aktienrechtlichen Minderheitenschutzes identifiziert worden.94 Diese Auffassung entspricht auch der heute zu § 35 WpÜG im deutschen Schrifttum vorherrschenden Ansicht.95 Indem den Minderheitsaktionären mit der 92

Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 305 Rn. 1; vgl. hierzu auch Hüffer, AktG, § 305 Rn. 1; Koppensteiner, in: KK-AktG, § 305 Rn. 5. 93 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Vor § 311 Rn. 1; Krieger, in: MünchHdb Gesellschaftsrecht, § 69 Rn. 14. 94 So schon Behrens, ZGR 1975, 433 (440 ff.); Immenga, SAG 1975, 89 (91); Reul, S. 303 f. 95 Altmeppen, ZIP 2001, 1073 (1083); Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, Vor § 35 Rn. 93; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 4; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 768 (771); Fleischer/Kalss, S. 26 ff., 132; Harbarth, ZIP 2002, 321 (322); Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (386); Ihrig, ZHR 167 (2003), 315 (342); Kalss, in: Semler/Volhard, Bd. 2, § 51 Rn. 28; Letzel, BKR 2002, 293 (299); Mülbert, ZIP 2001, 1221 (1226); ders./Schneider, WM 2003, 2301 (2304); Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 35 Rn. 22 f.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Pflichtangebotsregelung die Möglichkeit eingeräumt wird, für den Fall einer erstmaligen Kontrollerlangung oder eines Kontrollwechsels die Gesellschaft zu angemessenen Konditionen zu verlassen, so wird geltend gemacht, habe der Gesetzgeber den mit dem Konzernrecht bezweckten Folgeschutz der außenstehenden Aktionäre im Sinne eines Konzerneingangsschutzes gleichsam nach vorne verlagert. Ebenso wie bei den Regelungen des konzernrechtlichen Minderheitenschutzes gehe es auch bei der Verpflichtung nach § 35 WpÜG um den Schutz der außenstehenden Aktionäre vor den Gefahren, die ihnen aus der Existenz eines herrschenden oder kontrollierenden Aktionärs erwüchsen.96 Während das Aktienkonzernrecht bisher einen Abfindungsanspruch der Minderheitsaktionäre in § 305 AktG erst für den Fall des Abschlusses eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags kannte, setze der mittels des Pflichtangebots gewährte Minderheitenschutz mit dem in § 35 WpÜG für maßgeblich erklärten Zeitpunkt bei einem schon niedrigeren Grad der Beherrschung an, wodurch die Aktionäre bereits davor bewahrt würden, in die für sie wenig komfortable Position der Minderheit zu geraten.97 Danach soll die Pflichtangebotsregelung den bisherigen konzernrechtlichen Folgeschutz zwar nicht ersetzen, ihn jedoch um eine präventive Komponente ergänzen.98 2. Kapitalmarktrechtlicher Ansatz Nach anderer Ansicht soll der mit dem Pflichtangebot gewährte Individualschutz kapitalmarktrechtlichen Ursprungs sein.99 Anders als der konzernrechtliche Minderheitenschutz ziele der Gesetzgeber mit der Angebotspflicht nicht auf den Schutz der Minderheitsaktionäre in ihrer Stellung als Verbandsmitglieder ab.100 Angesprochen würden die Aktionäre vielmehr in ihrer Eigenschaft als Anleger am Kapitalmarkt, deren Interesse vorrangig auf die Wahrung der Grundlagen ihrer ursprünglich getroffenen Investitionsentscheidung abziele. Die Chance, diese bei einer Veränderung ihrer 96 Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 768 (771), zu § 305 AktG; Mülbert, ZIP 2001, 1221 (1226). 97 Mülbert, ZIP 2001, 1221 (1226). 98 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, Vor § 35 Rn. 98; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 35 Rn. 22. 99 Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 5; Grabbe/ Fett, NZG 2003, 755 (760 f.); Habersack, in: Emmerich/Habersack, Vor § 311 Rn. 25; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, Vor §§ 35 bis 39 Rn. 37; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (558 ff.); Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 32 f.; Meyer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 35 Rn. 5; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 2 f.; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 8; wohl auch Vetter, WM 2002, 1999 (2002). 100 Meyer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 35 Rn. 5.

B. Grundlagen der Angebotspflicht nach § 35 WpÜG

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Voraussetzungen ohne eine finanzielle Einbuße neu treffen zu können, gelte es aus ihrer Sicht zu sichern.101 Dahinter steht die Überlegung, dass rational handelnde Anleger ohne die mit der Pflichtangebotsregelung geschaffenen Ausstiegs- und Reinvestitionsmöglichkeit entweder dem deutschen Kapitalmarkt den Rücken kehren oder aber von vornherein ihre Anlage auf solche Gesellschaften beschränken könnten, die als potentielle Übernahmeziele ausscheiden.102 Denn rational handelnde Anleger werden das mit ihrer Anlageentscheidung verbundene Risiko abschätzen und zur Grundlage ihrer konkreten Investitionsbereitschaft machen. Vor diesem Hintergrund sehen die Vertreter des kapitalmarktrechtlichen Ansatzes den durch das Pflichtangebot bezweckten Schutz der Minderheitsaktionäre dann auch nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zur Steigerung der Funktionsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts.103 Als solches diene das Pflichtangebot der Erhaltung und Verfestigung des langfristigen Vertrauens der Investoren in die Stabilität und Integrität des Kapitalmarkts, wodurch Anreize für die Investitionsbereitschaft der Anleger, und damit verbunden Vorteile für die Unternehmen im Wettbewerb um anlagesuchendes Kapital, geschaffen würden. Hierauf, und nicht auf den Interessenausgleich in einem individuellen Rechtsverhältnis, zielt das Pflichtangebot nach Ansicht der Verfechter des kapitalmarktrechtlichen Ansatzes seinem Regelungsgehalt nach ab.104 3. Stellungnahme Gegen eine konzernrechtliche Interpretation des Pflichtangebots wird von den Befürwortern des kapitalmarktrechtlichen Ansatzes insbesondere die Ausgestaltung des Anwendungsbereichs von § 35 WpÜG angeführt. Gleich in dreifacher Hinsicht, so wird geltend gemacht, sei dieser mit den tradierten konzernrechtlichen Begründungsmustern nicht in Einklang zu bringen:105 (1) Die Angebotspflicht treffe nicht nur Unternehmen i. S. d. 101

So insbesondere Kleindiek, ZGR 2002, 546 (558); vgl. auch Meyer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 35 Rn. 9, sowie Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 Rn. 3. Auf das ganz überwiegend bestehende Vermögensinteresse der Anleger weist auch Houben, WM 2000, 1873 (1877), hin. 102 Auf diesen Zusammenhang – trotz des von ihnen vertretenen konzernrechtlichen Ansatzes – hinweisend Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, Vor § 35 Rn. 92. 103 In diese Richtung vor allem Kleindiek, ZGR 2002, 546 (560); Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 8. Grundlegend zu den Auswirkungen des Pflichtangebots auf die institutionelle und allokative Effizienz des Kapitalmarkts Reul, S. 127 ff., 241 ff. Zu den genannten Aspekten siehe auch Heiser, S. 352 ff.; Houben, WM 2000, 1873 (1881 ff.); Krause, S. 156 ff.; Mülbert, S. 459 ff. 104 Kleindiek, ZGR 2002, 546 (560).

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

§§ 15 ff. AktG, sondern auch Privatpersonen.106 (2) Die Verpflichtung werde nur dann ausgelöst, wenn die Aktien der Zielgesellschaft i. S. d. § 2 Abs. 7 WpÜG börsennotiert sind.107 (3) Die Angebotspflicht bestehe nicht nur im Fall der erstmaligen Kontrollerlangung, sondern auch bei jedem Kontrollwechsel.108 Es lässt sich kaum bestreiten, dass die genannten Aspekte massiv für den kapitalmarktrechtlichen Charakter der in § 35 WpÜG geregelten Angebotspflicht streiten. So ist der Gesetzgeber im Vorfeld der Aktienrechtsreform von 1965 Vorschlägen, wonach einem zukünftigen Konzernrecht nicht nur Unternehmen, sondern grundsätzlich alle herrschenden Personen unterworfen werden sollten, gerade nicht gefolgt.109 Den konzernrechtlichen Regelungen liegt damit die Überlegung zugrunde, dass das besondere Schutzbedürfnis des abhängigen Unternehmens sowie seiner außenstehenden Aktionäre gerade aus der Unternehmenseigenschaft des herrschenden Gesellschafters herrührt, da hier – anders als bei Privatpersonen – aufgrund eigener unternehmerischer Interessen typischerweise die Gefahr besteht, dass die Rechte aus der Beteiligung zum Nachteil der Gesellschaft und zum Vorteil der eigenen Unternehmung ausgenutzt werden.110 Mit diesem Verständnis ist der weite Anwendungsbereich des § 35 WpÜG in der Tat nur schwer in Einklang zu bringen. Auch die Beschränkung auf börsennotierte Zielgesellschaften lässt sich mit dem konzernrechtlichen Begründungsansatz kaum erklären: Hätte der Gesetzgeber mit der Regelung in § 35 WpÜG tatsächlich einen sich im Minderheitenschutz erschöpfenden Konzerneingangsschutz statuieren wollen, so drängt sich unweigerlich die Frage auf, warum er hierbei Minderheitsaktionäre nicht börsennotierter Zielgesellschaften als offenbar weniger schutzwürdig erachtet hat. Dem Aktienkonzernrecht in seiner bisherigen Ausformung in §§ 291 ff. AktG ist eine solche Unterscheidung jedenfalls fremd. 105 Zusammenfassend Habersack, in: Emmerich/Habersack, Vor § 311 Rn. 25; vgl. hierzu auch Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301 (2304). 106 Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 5; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 Rn. 2. 107 Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 5; Meyer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 35 Rn. 5. 108 Kleindiek, ZGR 2002, 546 (559). 109 BGH, 13. 10. 1977 – II ZR 123/76, BGHZ 69, 334 (336) = JZ 1978, 279 „VEBA/Gelsenberg“; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 15 Rn. 6; Koppensteiner, in: KK-AktG, § 15 Rn. 10, jeweils m. w. N. 110 BGH, 13. 10. 1977 – II ZR 123/76, BGHZ 69, 334 (337) = JZ 1978, 279 „VEBA/Gelsenberg“; Bayer, in: MünchKomm-AktG, § 15 Rn. 13; Hüffer, AktG, § 15 Rn. 8; Koppensteiner, in: KK-AktG, § 15 Rn. 10.

B. Grundlagen der Angebotspflicht nach § 35 WpÜG

135

Dass die Angebotspflicht auch bei einem Wechsel der Kontrolle besteht, ist – wie oben dargelegt wurde111 – damit zu erklären, dass sich die Minderheitsaktionäre aufgrund der hiermit einhergehenden Veränderung der ursprünglichen Investitionsbedingungen der Gefahr einsetzender Verkaufsreaktionen ausgesetzt sehen, wodurch es zu einem Überangebot an Aktien am Markt und hierdurch ausgelöst zu Preisverfall kommen kann. Konzernrechtliche Erklärungsversuche müssen indes bereits daran scheitern, dass sich der Umfang der Mitgliedschaftsrechte (auch in tatsächlicher Hinsicht) allein durch einen Wechsel der Kontrolle nicht verändert.112 Dementsprechend knüpft der aktienkonzernrechtliche Minderheitenschutz auch allein an das Bestehen einer Minderheitsposition an, ohne dass es hierbei auf die Person des Mehrheitsaktionärs ankommt, sofern dieser nur die erforderliche Unternehmenseigenschaft aufweist.113 Einen Ausnahmefall bildet insoweit lediglich der Austausch des herrschenden Unternehmens im Vertragskonzern. Nach zutreffender Ansicht ist den Minderheitsaktionären hier zwar eine erneute Möglichkeit zum Ausscheiden aus der Gesellschaft einzuräumen.114 Jedoch hat dies weniger mit der Person des Mehrheitsaktionärs als vielmehr mit der schuldrechtlichen Wirkungsweise des Unternehmensvertrags zu tun und lässt sich auf die Fälle einfacher Abhängigkeit nicht ohne weiteres übertragen.115 Neben der Ausgestaltung des Anwendungsbereichs der Pflichtangebotsregelung sprechen aber vor allem die mit ihr verfolgten Regelungszwecke deutlich für eine kapitalmarktrechtliche Einordnung. Soweit dies die Beteiligung der Minderheitsaktionäre an im Vorfeld der Übernahme gezahlten Paketzuschlägen betrifft,116 wurde im Schrifttum unlängst darauf hingewiesen, dass sich die Einräumung einer derartigen Partizipationsmöglichkeit mit dem Gedanken des Konzerneingangsschutzes unter keinem erdenklichen Blickwinkel begründen lässt.117 Die Verfechter des konzernrecht111

Teil 4 B. I. 2. b), S. 127 ff. Houben, WM 2000, 1873 (1877). 113 Vgl. Heiser, S. 55. 114 So tendenziell auch der BGH in seinem obiter dictum vom 15. 6. 1992 – II ZR 18/91, BGHZ 119, 1 (9) = NJW 1992, 2760 (2762) „ASEA“; vgl. hierzu auch Bayer, ZGR 1993, 599 (606 f.); Hommelhoff, in: FS-Semler, S. 455 (461); Priester, ZIP 1992, 293 (297 f.). 115 So überzeugend Heiser, S. 59 ff.; a. A. Hommelhoff, in: FS-Semler, S. 455 (461), der das Auslösen des Pflichtangebots gerade mit dem Verweis auf die Situation im Vertragskonzern zu rechtfertigen versucht. 116 Zu diesem Regelungsanliegen des Pflichtangebots oben Teil 4 B. I. 1., S. 116 ff. 117 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Vor § 311 Rn. 25; wohl auch Meyer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 35 Rn. 7, jedoch unter Vermengung individual- und minderheitsschützender Aspekte. 112

136

Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

lichen Ansatzes hat dies freilich lediglich dazu veranlasst einzugestehen, dass die Pflichtangebotsregelung wohl nicht in toto als dem Konzernrecht zugehörig einzuordnen sei.118 Richtig verstanden, zielt das Pflichtangebot jedoch mit keinem seiner Regelungsanliegen auf einen präventiven Minderheitenschutz ab. Vielmehr sind die Zielsetzungen der Pflichtangebotsregelung und die des Aktienkonzernrechts – anders als etwa von Mülbert behauptet119 – schon vom Ansatz her höchst unterschiedlicher Natur. Das Konzernrecht mit seinen minderheitsschützenden Vorschriften will im Wesentlichen vor den Gefahren schützen, die den außenstehenden Aktionären durch die Ausübung von Mehrheitsmacht drohen. Bei §§ 311 ff. AktG ist dies der Schutz vor kompensationsloser Benachteiligung durch einzelne, die abhängige Gesellschaft schädigende Maßnahmen,120 bei §§ 304, 305 AktG die Sicherung gegen Beeinträchtigung von Vermögens- und Herrschaftsrechten, wie sie die Durchführung eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags typischerweise mit sich bringt.121 Einen gänzlich anderen Ansatz verfolgt indes die Pflichtangebotsregelung. Aufgabe des Pflichtangebots ist es, dies wurde ausführlich dargelegt,122 die Minderheitsaktionäre vor den Gefahren zu schützen, die sich unmittelbar durch die Kontrollerlangung, d.h. entweder zeitgleich mit oder unmittelbar nach ihr, verwirklichen und sich typischerweise in einer entsprechenden Reaktion des Kapitalmarkts manifestieren. Zeigleich mit ihr insofern, als der Kapitalmarkt auf die Tatsache einer erstmaligen Kontrollerlangung mit einem Bewertungsabschlag auf den Marktwert von Minderheitsanteilen reagieren wird,123 und unmittelbar nach ihr, da Verkaufsreaktionen der Aktionäre unter Umständen zu einem Angebotsmengenüberschuss an Anteilen und damit zu Preisverfall führen können.124 Der hierin liegende Unterschied zu dem Regelungsanliegen der konzernrechtlichen Schutzvorschriften kommt nicht zuletzt in der gesetzlichen Ausgestaltung der den Minderheitsaktionären im Rahmen eines Pflichtangebots anzubietenden Gegenleistung zum Ausdruck. Nach § 31 Abs. 2 WpÜG steht es dem Kontrollerwerber frei, den Minderheitsaktionären bei einem Tauschangebot Aktien einer ebenfalls kontrollierten Gesellschaft anzubie118

So jedenfalls Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301 (2304). Mülbert, ZIP 2001, 1221 (1227). 120 Vgl. Habersack, in: Emmerich/Habersack, § 311 Rn. 2; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 1; Kropff, in: MünchKomm-AktG, Vor § 311 Rn. 4 f. 121 BGH, 20. 5. 1997 – II ZB 9/96, BGHZ 135, 374 (378 ff.) = NJW 1997, 2242; Bilda, in: MünchKomm-AktG, § 305 Rn. 2; Hüffer, AktG, § 304 Rn. 1 sowie § 305 Rn. 1. 122 Oben Teil 4 B. I. 2., S. 122 ff. 123 Oben Teil 4 B. I. 2. a), S. 124 ff. 124 Oben Teil 4 B. I. 2. b), S. 127 ff. 119

B. Grundlagen der Angebotspflicht nach § 35 WpÜG

137

ten, sofern diese nur ausreichende Liquidität aufweisen.125 Ermöglicht es das Gesetz hiermit aber, dass die Minderheitsaktionäre in eine ebenfalls kontrollierte Gesellschaft transferiert werden, so muss – anders als bei § 305 AktG, der eine Abfindung in Aktien der herrschenden Gesellschaft nur zulässt, sofern diese nicht selbst in einem Abhängigkeitsverhältnis steht126 – als Regelungsanliegen des Pflichtangebots der Schutz vor Ausübung von Mehrheitsmacht und der damit einhergehenden Beeinträchtigung von Vermögens- und Herrschaftsrechten ganz offensichtlich ausscheiden.127 Nur dann, wenn man das Pflichtangebot, wie hier, als Mittel zum Schutz der Minderheitsaktionäre vor den negativen Reaktionen des Kapitalmarkts auf den Kontrollerwerb begreift, wird die hinter der Regelung des § 31 Abs. 2 WpÜG stehende gesetzgeberische Intention erkennbar. Die Tatsache, dass es sich bei den Tauschaktien um Anteile an einer kontrollierten Gesellschaft handelt, wird sich – ebenso wie bei der Herkunftsgesellschaft der Minderheitsaktionäre – in ihrem minderen Kapitalmarktwert niederschlagen.128 Dadurch, dass bei der Ermittlung ihrer Werthaltigkeit gem. § 7 WpÜG-AngebotVO – anders als bei einer unmittelbaren Anwendung der §§ 5, 6 WpÜG-AngebotsVO – der Börsenkurs nicht die Unter-, sondern die Obergrenze bildet,129 findet der Minderheitsabschlag bei der Ermittlung des Umtauschverhältnisses zwingend Berücksichtigung, wodurch die Minderheitsaktionäre gegebenenfalls eine verhältnismäßig größere Anzahl an Tauschaktien erhalten.130 Im Ergebnis werden sie damit Anlegern gleichgestellt, die nach erfolgter Kontrollerlangung in Aktien der nunmehr kontrollierten Gesellschaft investieren und so die mit dem Minderheitenstatus untrennbar verbundenen Nachteile antizipieren und in Form des genannten Preisabschlags berücksichtigen können.131 125 Ganz h. M.; siehe nur Haarmann, in: FrankfKomm-WpÜG, § 31 Rn. 82; Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 31 Rn. 45; Kremer/Oesterhaus, in: KK-WpÜG, § 31 Rn. 24; Marsch-Barner, in: Baums/Thoma, § 31 Rn. 61; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 31 WpÜG Rn. 23; Oechsler, in: Ehricke/ Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 31 Rn. 20; Technau, AG 2002, 260 (264 f.); Thun, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 31 Rn. 9; Vetter, WM 2002, 1999 (2002); ablehnend – soweit ersichtlich – nur Diregger/Winner, WM 2002, 1583 (1587), sowie Wackerbarth, in: MünchKomm-AktG, § 31 WpÜG Rn. 60 und 62. 126 Vgl. § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AktG. 127 So insbesondere auch Vetter, WM 2002, 1999 (2002). 128 Kremer/Oesterhaus, in: KK-WpÜG, § 31 Rn. 24; Marsch-Barner, in: Baums/ Thoma, WpÜG, § 31 Rn. 61; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 31 WpÜG Rn. 23 (Fn. 77). 129 So auch Haarmann, in: FrankfKomm-WpÜG, § 31 Rn. 65; Kremer/Oesterhaus, in: KK-WpÜG, Anh. § 31 Rn. 7; Marsch-Barner, in: Baums/Thoma, § 31 Rn. 53; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 31 WpÜG Rn. 19. 130 Hierzu auch noch einmal unten Teil 4 E. I. 5. c) dd) (1) (a), S. 226 f. 131 Hierzu bereits oben Teil 4 B. I. 2. a), S. 126 f.

138

Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass sowohl die Ausgestaltung des Anwendungsbereichs des Pflichtangebots als auch die mit ihm verfolgten Regelungszwecke keinerlei Anhaltspunkte dafür bieten, dass die Vorschrift materielles Konzernrecht im Sinne eines Konzerneingangsschutzes enthält. Vielmehr spricht alles dafür, dass das Pflichtangebot auf den Schutz der Minderheitsaktionäre in ihrer Eigenschaft als Anleger am Kapitalmarkt abzielt, womit die Vorschrift in funktionaler Hinsicht dem kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutz zuzuordnen ist. Als solche dient sie dem Schutz und der Stärkung der Funktionsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts und damit der Erhöhung seiner Attraktivität für institutionelle wie auch private Anleger.132 Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Minderheitsaktionäre durch das in § 35 WpÜG statuierte Abfindungsrecht – zumindest in den Fällen der Barabfindung bzw. der Abfindung in Aktien einer konzernfreien Gesellschaft – tatsächlich auch davor geschützt werden, in einem zukünftig konzernierten Rechtsträger mit den ihnen als Minderheitsaktionären drohenden verbandsrechtlichen Risiken verbleiben zu müssen. Jedoch handelt es sich hierbei lediglich um einen Rechtsreflex und nicht um das primäre Regelungsanliegen der Vorschrift.133

C. Stand der Diskussion Die wissenschaftliche Diskussion über die Frage der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen ist von einer inzwischen kaum noch zu überschauenden Anzahl von Stellungnahmen und Einzelmeinungen geprägt. Zusätzlich erschwert wird deren Einordnung dadurch, dass die Diskussion ganz überwiegend anhand einzelner, zum Teil unterschiedlich bezeichneter Fallkonstellationen geführt wird. Im Folgenden sollen zunächst die für die gegenständliche Untersuchung relevanten Fallkonstellationen herausgearbeitet und sodann ein entsprechender Überblick über das Meinungsspektrum gegeben werden.

132

Damit liegt der mit dem Pflichtangebot verfolgte Regelungzweck auf einer Linie mit der allgemeinen Zielsetzung des WpÜG; zu dieser oben Teil 1 B. I., S. 46. 133 Grabbe/Fett, NZG 2003, 755 (761).

C. Stand der Diskussion

139

I. Diskutierte Fallkonstellationen 1. Fallkonstellation I: Verschmelzung/Spaltung auf einen börsennotierten Rechtsträger bei veränderter Kontrollsituation Diskutiert wird die Anwendung des § 35 WpÜG zunächst in der aus dem dritten Teil134 dieser Arbeit bekannten Grundkonstellation, in der es als Folge einer Verschmelzung oder Spaltung zum Erwerb von 30% oder mehr der Stimmrechte in dem übernehmenden börsennotierten Rechtsträger durch einen Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft kommt.135 Denkbar ist dies in zwei Sachverhaltsgestaltungen: Zum einen kann es im Rahmen einer Verschmelzung oder Spaltung dazu kommen, dass ein die übertragende Gesellschaft bereits kontrollierender Aktionär unter Berücksichtigung des Wertverhältnisses beider Gesellschaften auch an dem übernehmenden Rechtsträger mehr als 30% der Stimmrechte erlangt.136 Zum anderen ist es vorstellbar, dass ein an beiden Gesellschaften mit jeweils weniger als 30% beteiligter Anteilsinhaber durch die Gewährung zusätzlicher Anteile im Zuge des Anteilstauschs in dem übernehmenden Rechtsträger die Schwelle von 30% der Stimmrechte überschreitet.137 Zur Veranschaulichung soll folgendes Fall-Beispiel dienen:138 134

Oben Teil 3 A. sowie Teil 3 C. II. 2., S. 81 und S. 94 ff. Zur dieser Fallkonstellation siehe auch Adolff, S. 241 f.; ders., ZGR 2002, 579 (584 f.); Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 112 und 122; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 74; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 768 (774); Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 31 und 34; Heckschen, in: Heckschen/Simon, § 6 Rn. 9 f. (Bsp. 1); Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 55; Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 17; dies., in: Semler/Volhard, Bd. 2, § 51 Rn. 67 (Fall II); Kleindiek, ZGR 2002, 546 (570, Fall 1); Kopp/v. Dryander, in: Apfelbacher/Barthelmess/Buhl/v. Dryander, Sec. 35 No. 3; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 142 ff. und 157; Lenz/Linke, AG 2002, 361 (367 f.); Lutter, in: Lutter, UmwG, Einl. Rn. 55 f.; Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 5 Rn. 267 ff.; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 25 (Fall 1); Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 140 und 147; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (478 ff., 489, Fall 1); Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A Rn. 86, 94 und 102; Süßmann, WM 2003, 1453 (1455 f.); Technau, AG 2002, 260 (261 f.); siehe hierzu auch die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2001, 420; aus der österreichischen Literatur siehe Kalss/Winner, ÖBA 2000, 51 (53, Fall 1); Zollner, S. 136 (Fall 2). 136 Von dieser Sachverhaltsgestaltung wird in der Literatur ganz allgemein ausgegangen; vgl. hierzu die Nachweise oben Fn. 135. 137 Diese Sachverhaltsvariante hat in der Literatur bisher so gut wie keine Erwähnung gefunden; Hinweise finden sich – soweit ersichtlich – ausschließlich bei Süßmann, WM 2003, 1453 (1455). 135

140

Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

K

Streubesitz

75%

100%

Ü-AG

A-AG

börsennotiert

börsennotiert

Streubesitz (Ü-AG)

Verschmelzung

Streubesitz (A-AG)

a) Ausgangssituation

K 50%

Streubesitz (Ü-AG/Alt)

A-AG

börsennotiert Streubesitz (A-AG/Alt)

b) Ergebnis der Verschmelzung Abbildung 5: Fallkonstellation I, a) Ausgangssituation, b) Ergebnis der Verschmelzung

Eine börsennotierte139 AG wird als übertragende Gesellschaft (Ü-AG) auf einen ebenfalls börsennotierten übernehmenden Rechtsträger (A-AG) verschmolzen. Während die Ü-AG zu 75% im Mehrheitsbesitz eines Kontrollaktionärs (K) steht – die restlichen 25% liegen im Streubesitz –, befinden sich die Anteile der A-AG zu 100% im Streubesitz. Unter Berücksichtigung des Wertverhältnisses der beteiligten Rechtsträger erhält K im Zuge des Anteilstauschs trotz eintretender Verwässerung seines Anteils noch 50% der Stimmrechte an der A-AG.140 138 Vgl. hierzu auch Abb. 5a) und 5b); in Anlehnung an Kalss, in: Semler/Volhard, Bd. 2, § 51 Rn. 67. 139 Ebenso kann es sich um eine nicht börsennotierte Gesellschaft oder um eine Gesellschaft anderer Rechtsform handeln; siehe Hommelhoff/Witt, in: FrankfKommWpÜG, § 35 Rn. 55. 140 Das Fall-Beispiel ist auf spaltungsrechtliche Sachverhalte (Abspaltung, Aufspaltung und Ausgliederung) ohne weiteres übertragbar, wobei die Aktien des übernehmenden Rechtsträgers bei der Ausgliederung entsprechend der Regelung in

C. Stand der Diskussion

141

2. Fallkonstellation II: Verschmelzung/Spaltung auf einen börsennotierten Rechtsträger bei unveränderter Kontrollsituation Weiterhin diskutiert wird die umgekehrte Sachverhaltskonstellation, die im Fall der Verschmelzung bei bloßer Umkehrung der Verschmelzungsrichtung eintritt. Verschmolzen, ab- bzw. aufgespalten oder ausgegliedert wird nunmehr auf einen mit über 30% der Stimmrechte bereits kontrollierten börsennotierten Rechtsträger, wobei auch nach Durchführung der Umwandlung die Kontrollposition von über 30% – wenn auch in verwässerter Form – aufrechterhalten bleibt.141 Auch hier soll zum besseren Verständnis das folgende Fall-Beispiel dienen, das für den Fall der Verschmelzung lediglich die Umkehrung der soeben geschilderten Fallkonstellation bedeutet:142 Während sich diesmal die Anteile der börsennotierten143 übertragenden AG (Ü-AG) zu 100% im Streubesitz befinden, wird der ebenfalls börsennotierte übernehmende Rechtsträger (A-AG) von einem Kontrollaktionär (K) mit einem Stimmrechtsanteil von 75% kontrolliert; auch hier stehen die restlichen 25% der Anteile im Streubesitz. Unter Berücksichtigung des Wertverhältnisses der beteiligten Rechtsträger hält K auch nach Wirksamwerden der Verschmelzung trotz eintretender Verwässerungseffekte noch 50% der Stimmrechte an der A-AG. Das Ergebnis ist damit dasselbe wie in Fallkonstellation I.144 § 123 Abs. 3 UmwG jedoch nicht an die Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers, sondern vielmehr an diesen selbst gewährt werden. 141 Hierzu Adolff, S. 242 f.; ders., ZGR 2002, 579 (585); Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 116; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 79 ff.; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 32 und 34; Heckschen, in: Heckschen/Simon, § 6 Rn. 12 f. (Bsp. 2); Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 55 und 57; Kalss, in: Semler/Volhard, Bd. 2, § 51 Rn. 67 (Fall I); Kleindiek, ZGR 2002, 546 (570, 572, Fall 2); Kopp/v. Dryander, in: Apfelbacher/Barthelmess/Buhl/v. Dryander, Sec. 35 No. 3; Krause/Pötzsch, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 147 ff. und 157; Lenz/Linke, AG 2002, 361 (367, Fn. 23); Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 26 (Fall 2); Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 138 f., 147; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (478, 481 ff., Fall 2); Süßmann, AG 2003, 1453 (1454 f.); Technau, AG 2002, 260 (262 ff., Fallalternative 1); siehe hierzu auch die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2001, 420; aus der österreichischen Literatur siehe Kalss/Winner, ÖBA 2000, 51 (53 f., Fall 2); Zollner, S. 137 (Fall 3). 142 Vgl. hierzu auch Abb. 6a) und 6b); in Anlehnung an Kalss, in: Semler/Volhard, Bd. 2, § 51 Rn. 67. 143 Auch hier kann es sich alternativ um eine nicht börsennotierte Gesellschaft oder eine Gesellschaft anderer Rechtsform handeln; siehe zu diesen Fällen Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 57. 144 Wie schon in Fallkonstellation I ist auch hier das Fall-Beispiel auf die Sachverhaltsgestaltungen der Spaltung (Abspaltung, Aufspaltung und Ausgliederung)

142

Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Streubesitz

K

100%

75%

A-AG

Ü-AG

börsennotiert

börsennotiert

Streubesitz (Ü-AG)

Verschmelzung

Streubesitz (A-AG)

a) Ausgangssituation

K 50%

Streubesitz (Ü-AG/Alt) Streubesitz (A-AG/Alt)

A-AG

börsennotiert

b) Ergebnis der Verschmelzung Abbildung 6: Fallkonstellation II, a) Ausgangssituation, b) Ergebnis der Verschmelzung

3. Fallkonstellation III: Verschmelzung/Spaltung auf einen nicht börsennotierten Rechtsträger bei (un-)veränderter Kontrollsituation Einen beachtenswerten Sonderfall der Fallkonstellationen I und II bildet die Verschmelzung bzw. Spaltung einer börsennotierten Gesellschaft auf einen nicht börsennotierten übernehmenden Rechtsträger, wobei es in diesem – wie in den Fallkonstellationen I und II – entweder zum Erwerb von 30% oder mehr der Stimmrechte durch einen Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft kommt145 oder eine bereits existierende Kontrollposition bestehen bleibt.146 Im ersten Fall sind drei Sachverhaltsvarianten zu unterscheiohne weiteres übertragbar; zur Ausgliederung gilt das unter Fn. 140 Angemerkte entsprechend. 145 Im Hinblick auf das Überschreiten der Kontrollschwelle sind auch hier wieder die bereits unter Fallkonstellation I geschilderten Sachverhaltsvarianten denkbar; im Einzelnen oben Teil 4 C. I. 1., S. 139.

C. Stand der Diskussion

143

den: (1) Als Grundfall die Verschmelzung bzw. Spaltung einer börsennotierten übertragenden Gesellschaft auf einen nicht börsennotierten Rechtsträger,147 (2) die Verschmelzung (nicht auch die Spaltung)148 zweier börsennotierter übertragender Rechtsträger auf eine bereits bestehende Mantelgesellschaft149 sowie (3) die Verschmelzung (nicht auch die Spaltung)150 zweier börsennotierter übertragender Rechtsträger auf einen uno actu neu gegründeten Rechtsträger.151 Ausgehend von dem soeben geschilderten Grundfall soll auch hier zur besseren Veranschaulichung folgendes Fall-Beispiel dienen:152 Eine börsennotierte AG (Ü-AG) wird auf einen übernehmenden Rechtsträger (A-AG) verschmolzen, dessen Aktien – anders als in den Fallkonstellationen I und II – nicht börsennotiert sind.153 Während die Ü-AG zu 75% 146 Zu dieser Sachverhaltsgestaltung – soweit ersichtlich – nur Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 32. 147 Zu dieser Fallkonstellation siehe Adolff, ZGR 2002, 579 (585 ff.); Ekkenga/ Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 34; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 52 f.; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (573 f.); Kopp/ v. Dryander, in: Apfelbacher/Barthelmess/Buhl/v. Dryander, Sec. 35 No. 5; Krause/ Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 153 ff. und 157; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 28; Schlitt, in: MünchKommAktG, § 35 WpÜG Rn. 144 und 147; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (485 ff., 489); Süßmann, WM 2003, 1453 (1455); aus der österreichischen Literatur siehe Kaindl, S. 120 ff.; Kalss/Winner, ÖBA 2000, 51 (56 f.); Karollus/Geist, NZG 2000, 1145 (1147). 148 Eine entsprechende Sachverhaltsgestaltung existiert bei der Spaltung nicht, da das UmwG – anders als bei der Verschmelzung – die Beteiligung mehrerer übertragender Rechtsträger an einem Umwandlungsvorgang nicht zulässt; vgl. hierzu ausführlich Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 123 UmwG Rn. 18; Schwarz, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 123 UmwG Rn. 9; Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 123 Rn. 28. 149 Siehe hierzu Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 119 f.; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 58; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 155; Nörr/Stiefenhofer, S. 84 ff.; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 145; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (478 ff., Fall 3); Süßmann, WM 2003, 1453 (1456); Technau, AG 2002, 260 (262 ff.). 150 Es gilt das in Fn. 148 Angemerkte entsprechend. 151 Vgl. zu dieser Konstellation Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 121; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 59; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 156; Schlitt, in: MünchKommAktG, § 35 WpÜG Rn. 146; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (488); Technau, AG 2002, 260 (262 ff.). 152 Siehe auch Abb. 7a) und 7b). 153 Neben einer nicht börsennotierten Zielgesellschaft kann es sich auch um einen Rechtsträger anderer Rechtsform handeln; siehe Hommelhoff/Witt, in: FrankfKommWpÜG, § 35 Rn. 52.

144

Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

K

Streubesitz 100%

75%

Ü-AG

A-AG

börsennotiert

nicht börsennotiert

Streubesitz (Ü-AG) Streubesitz (A-AG)

Verschmelzung

a) Ausgangssituation

K 50%

Streubesitz (Ü-AG/Alt)

A-AG

Streubesitz (A-AG/Alt)

nicht börsennotiert

b) Ergebnis der Verschmelzung Abbildung 7: Fallkonstellation III, a) Ausgangssituation, b) Ergebnis der Verschmelzung

im Mehrheitsbesitz eines Kontrollaktionärs (K) steht – die restlichen 25% liegen im Streubesitz –, befinden sich die Anteile der A-AG zu 100% im Streubesitz. Unter Berücksichtigung des Wertverhältnisses der beteiligten Rechtsträger erhält K im Zuge des Anteilstauschs trotz eintretender Verwässerung seines Anteils 50% der Stimmrechte an der nicht börsennotierten A-AG. Die angeführten Sachverhaltsvarianten werden weiter danach unterschieden, ob die Verschmelzung oder Spaltung für die Aktionäre der börsennotierten übertragenden Gesellschaft mit einem nur vorübergehenden oder aber einem endgültigen Verlust der Börsennotierung der von ihnen gehaltenen Aktien verbunden ist.154 154 Vgl. Kopp/v. Dryander, in: Apfelbacher/Barthelmess/Buhl/v. Dryander, Sec. 35 No. 3 und No. 5; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 144 f. und 147; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (478 f., 480 f., 485 ff., 489); Süßmann, WM 2003, 1453 (1455 f.).

C. Stand der Diskussion

145

a) Kaltes Delisting Von einem endgültigen oder jedenfalls auf nicht absehbare Zeit gegebenen Verlust der Börsennotierung ist insbesondere in den Fällen des sog. kalten Delistings auszugehen. Betreffend den Begriff des kalten Delistings hat sich in Literatur und Rechtsprechung ein einheitliches Begriffsverständnis bisher nicht herausbilden können.155 Im vorliegenden Zusammenhang sollen hierunter, in Abgrenzung zu den sogleich zu behandelnden Fällen des transaktionsbedingten, lediglich vorübergehenden Entfallens der Börsenzulassung,156 jene Sachverhalte verstanden werden, in denen mit der Verschmelzung oder Spaltung das Ziel eines sog. going private, d.h. der endgültigen Aufgabe der Börsenzulassung durch den Emittenten, verfolgt wird.157 Ausgehend von der Überlegung, dass sich die Aktionäre des börsennotierten übertragenden Rechtsträgers nach Abschluss der Transaktion in einem kontrollierten Rechtsträger wieder finden und dabei ihre Rechtsposition durch den Wegfall der Börsennotierung zusätzlich geschmälert sehen, wird in der Literatur auch für diese Sachverhaltsgestaltungen die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG diskutiert.158 b) Börsenwiederzulassung Nur vorübergehend ist der Verlust der Börsennotierung für die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft in solchen Fällen, in denen die Aktien des übernehmenden Rechtsträgers unmittelbar im Anschluss an die Verschmelzung bzw. Spaltung an die Börse gebracht werden, es mithin aus Sicht der Aktionäre der übertragenden Gesellschaft jedenfalls im Ergebnis zu einer „Börsenwiederzulassung“159 ihrer Aktien kommt. In der Praxis vergehen 155

Vgl. hierzu ausführlich Kruse, S. 19. Unten Teil 4 C. I. 3. b), S. 145 f. 157 Zum Begriff des going private siehe die Ausführungen bei Kruse, S. 17 f. In den Fällen der Spaltung kommt als Instrument für ein kaltes Delisting bzw. einen going private nur die Aufspaltung in Betracht, da nur hier die börsennotierte Gesellschaft zum Erlöschen gebracht wird. 158 Siehe Adolff, ZGR 2002, 579 (585 ff.); Hommelhoff/Witt, in: FrankfKommWpÜG, § 35 Rn. 52 f.; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (573 f.); Kopp/v. Dryander, in: Apfelbacher/Barthelmess/Buhl/v. Dryander, Sec. 35 No. 5; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 153 f.; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 28; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 144; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (485 ff., 489); Süßmann, WM 2003, 1453 (1455); aus dem österreichischen Schrifttum siehe Kaindl, S. 120 ff.; Kalss/ Winner, ÖBA 2000, 51 (56 f.); Karollus/Geist, NZG 2000, 1145 (1147). 159 Selbstverständlich handelt es sich bei den Aktien der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft, die im Anschluss an die Umwandlung an der Börse eingeführt werden, nicht um die ursprünglich an der übertragenden Gesellschaft gehalte156

146

Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

zwischen dem Zeitpunkt, in dem die Umwandlung wirksam wird, und der Börsenzulassung sowie der endgültigen Notizaufnahme regelmäßig nur wenige Tage.160 Vor dem Hintergrund, dass sich die Aktionäre der börsennotierten übertragenden Gesellschaft mit Beendigung der Gesamttransaktion in einer kontrollierten börsennotierten Zielgesellschaft wieder finden, stellt sich auch hier die Frage nach der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG.161 4. Fallkonstellation IV: Verschmelzung/Spaltung auf einen (nicht) börsennotierten Rechtsträger bei unverändert kontrollfreier Situation Die Frage nach der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG stellt sich weiterhin in der im dritten Teil162 dieser Arbeit bereits untersuchten Fallkonstellation der rein wirtschaftlichen Übernahme des übertragenden durch den übernehmenden Rechtsträger.163 Zwar sehen sich die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers in diesem Fall weder vor noch nach Durchführung der Umwandlung einem kontrollierenden Mehrheitsaktionär gegenüber.164 nen Anteile, sondern um die den Aktionären im Zuge der Umwandlung zugeteilten Aktien. Lediglich um deutlich zu machen, dass den Aktionären der übertragenden Gesellschaft die Börsennotierung ihrer Aktien im Ergebnis nicht verloren geht, soll hier von einer „Börsenwiederzulassung“ geprochen werden. 160 Betreffend die Einführung der Aktien in den Handel ist § 52 Abs. 1 BörsZulV zu beachten, wonach die Aktien frühestens an dem der Veröffentlichung der Zulassung folgenden Werktag eingeführt werden können. Für die Fristberechnung gilt § 187 Abs. 1 BGB, so dass zwischen der Zulassung und der Einführung ein Werktag frei bleiben muss; vgl. Heidelbach, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 52 BörsZulV Rn. 1 sowie § 43 BörsZulV Rn. 2; hierzu auch Technau, AG 2002, 260 (263). 161 Berücksichtigung findet diese Sachverhaltsgestaltung lediglich bei Baums/ Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 119 f.; Kopp/v. Dryander, in: Apfelbacher/Barthelmess/Buhl/v. Dryander, Sec. 35 No. 3; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 145 und 147; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (478 f., 480 f., Fall 3); Süßmann, WM 2003, 1453 (1456); Technau, AG 2002, 260 (262 ff., Fallalternative 3). 162 Oben Teil 3 A. sowie Teil 3 C. II. 1., S. 81 und S. 93 f. 163 Zu dieser Fallkonstellation v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 73; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 52; Krause/Pötzsch, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 151, 153 und 157; Mayer, in: Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht, § 5 Rn. 268; Technau, AG 2002, 260 (263); Weber-Rey/ Schütz, AG 2001, 325 (328), wobei die Autoren die Frage der Kontrollerlangung an der übertragenden Gesellschaft im Rahmen der bereits oben dargestellten Fallkonstellation II, d.h. bei bestehender Kontrolle in dem übernehmenden Rechtsträger, erörtern. Der Übersichtlichkeit halber bietet es sich jedoch an, dieser Frage wie hier eine eigene Fallkonstellation zu widmen. 164 Allerdings schadet das Bestehen einer Kontrollbeteiligung in dem übernehmenden Rechtsträger auch nicht; es stellt sich dann jedoch die Frage, wen die Angebotspflicht des § 35 WpÜG treffen würde, den Kontrollaktionär oder den über-

C. Stand der Diskussion

147

Streubesitz

Streubesitz 100%

100%

A-AG

Ü-AG

börsennotiert

börsennotiert

Streubesitz (Ü-AG) Streubesitz (A-AG)

Verschmelzung

a) Ausgangssituation

Streubesitz 100%

Streubesitz (Ü-AG/Alt)

A-AG

Streubesitz (A-AG/Alt)

börsennotiert

b) Ergebnis der Verschmelzung Abbildung 8: Fallkonstellation IV, a) Ausgangssituation, b) Ergebnis der Verschmelzung

Jedoch stellt sich jedenfalls dann, wenn es sich bei der übertragenden Gesellschaft um einen börsennotierten Rechtsträger handelt, die Frage, ob nicht der übernehmende Rechtsträger selbst aufgrund der Übernahme der wirtschaftlichen Kontrolle über die übertragende Gesellschaft deren Alt-Aktionären ein Pflichtangebot zu unterbreiten hat. Der Vollständigkeit halber soll auch hier folgendes Fall-Beispiel angeführt werden:165 Eine börsennotierte AG wird als übertragende Gesellschaft (Ü-AG) auf einen ebenfalls börsennotierten166 übernehmenden Rechtsträger (A-AG) verschmolzen. Die Aktien sowohl der Ü-AG als auch der A-AG befinden sich zu 100% im Streubesitz. An der kontrollfreien Aktionärsstruktur der A-AG ändert sich auch nach Durchführung der Verschmelzung nichts.167 nehmende Rechtsträger; zu dieser Frage für das österreichische Recht Gall, wbl 2000, 544 (548). 165 Siehe auch Abb. 8a) und 8b). 166 Ebenso kann es sich um eine nicht börsennotierte Zielgesellschaft oder um einen Rechtsträger anderer Rechtsform handeln.

148

Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

5. Fallkonstellation V: Nicht-verhältniswahrende Abspaltung in einem börsennotierten Rechtsträger bei veränderter Kontrollsituation In der bisher geführten Diskussion wenig Beachtung gefunden haben schließlich jene Fälle, in denen es in Folge einer Abspaltung zum Erwerb von 30% oder mehr der Stimmrechte in der börsennotierten übertragenden Gesellschaft durch einen Anteilsinhaber derselben kommt.168 Denkbar ist dies vor allem in den Fällen der nicht-verhältniswahrenden Spaltung.169 Auch hier soll zur besseren Veranschaulichung das folgende Fall-Beispiel dienen:170 Von einer bisher nicht kontrollierten börsennotierten Gesellschaft wird als übertragender Rechtsträger (Ü-AG) auf einen uno actu neu gegründeten Rechtsträger (N-AG) eine Betriebseinheit X (BE-X) abgespalten. Die Ü-AG verfügt über zwei Paketaktionäre (P1 und P2), die jeweils mit einem Stimmrechtsanteil von 25% an dem Rechtsträger beteiligt sind. Im Zuge der Abspaltung werden P2 sämtliche Anteile der neu gegründeten N-AG gewährt. Als Ausgleich erhält P1 die bisher von P2 gehaltenen Anteile an der Ü-AG, wodurch P1 die Stimmrechtsschwelle von 30% überschreitet und auf einen Gesamtstimmrechtsanteil von 50% kommt.171 167

Anders als in den bisherigen Fallkonstellationen ist das Fall-Beispiel auf spaltungsrechtliche Sachverhalte nicht ohne weiteres übertragbar. Von einer wirtschaftlichen Übernahme und damit einer Kontrollerlangung an der übertragenden Gesellschaft wird man in den Fällen der Spaltung höchstens dann ausgehen können, wenn es zur Dienstbarmachung von nahezu dem gesamten unternehmerischen Potential der übertragenden Gesellschaft kommt; vgl. hierzu oben Einf. A., S. 24 f. 168 Diese Möglichkeit lediglich andeutend, ohne hierfür jedoch Beispiele zu benennen Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (489); Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A Rn. 100; aus der österreichischen Literatur Kalss/Winner, ÖBA 2000, 51 (58). Spaltungen zur Neugründung demgegenüber generell für übernahmerechtlich irrelevant haltend Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 34; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 147. 169 Hierbei ist zu beachten, dass jedenfalls die praktische Relevanz dieser Fallkonstellation als eher gering einzuschätzen sein dürfte, was sich daraus ergibt, dass § 128 UmwG für die nicht-verhältniswahrende Spaltung die Zustimmung aller Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft fordert, womit die nicht-verhältniswahrende Spaltung bei Publikumsgesellschaften – was börsennotierte AGen zwangsläufig sind – praktisch ausscheidet; vgl. Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 128 UmwG Rn. 13 ff.; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 128 Rn. 3. 170 Siehe hierzu auch Abb. 9a) und 9b). 171 Damit handelt es sich im vorliegenden Fall um eine sog. Spaltung zu Null, bei der mindestens ein Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft an dem übernehmenden Rechtsträger überhaupt nicht beteiligt wird. Zwar sieht das Gesetz diese Möglichkeit nicht ausdrücklich vor, jedoch ist sie durch die Hinweise des Gesetzgebers in den Materialien hinreichend legitimiert. Hiernach soll mit der Vorschrift

C. Stand der Diskussion

P1

149

P2

25%

Ü-AG

börsennotiert

BE-X

25%

N-AG (BE-X)

Abspaltung (nicht-verhältniswahrend)

Streubesitz (Ü-AG)

a) Ausgangssituation

P1 50%

Ü-AG Streubesitz (Ü-AG/Alt)

börsennotiert

P2 50%

N-AG (BE-X)

b) Ergebnis der Abspaltung Abbildung 9: Fallkonstellation V, a) Ausgangssituation, b) Ergebnis der Abspaltung

II. Überblick über das Meinungsspektrum Mit der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG in den oben dargestellten Fallkonstellationen haben sich in der Literatur zahlreiche Stimmen auseinandergesetzt. Zu einzelnen Fallkonstellationen Stellung genommen haben auch der Handelsrechtsausschuss des DAV sowie die BaFin. 1. Die Literatur Das Meinungsspektrum in der Literatur reicht von der generellen Unanwendbarkeit des § 35 WpÜG bis hin zur Differenzierung nach einzelnen Fallkonstellationen. des § 128 UmwG insbesondere die Auseinandersetzung von Gesellschaftergruppen und Familienstämmen ermöglicht werden, was regelmäßig eine Spaltung zu Null erfordern wird; vgl. hierzu Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 128 UmwG Rn. 275 f.; Priester, in: Lutter, UmwG, § 128 Rn. 11; Schröer, in: Semler/ Stengel, UmwG, § 128 Rn. 6.

150

Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

a) Generelle Unanwendbarkeit Nicht wenige Stimmen im Schrifttum lehnen eine Anwendung des Pflichtangebots auf Sachverhaltsgestaltungen der Verschmelzung und Spaltung ganz allgemein, d.h. ohne dass nach einzelnen Fallkonstellationen differenziert würde, ab.172 Zur Begründung werden zum Teil unterschiedliche Argumentationsansätze verfolgt. Den Mittelpunkt fast aller Überlegungen bildet jedoch die These, die mit dem Pflichtangebot verfolgten Schutzzwecke fänden durch den vom Umwandlungsrecht gewährten Minderheitenschutz bereits in angemessenem und differenziertem Maße Berücksichtigung.173 Die Schutzmechanismen des UmwG gewährleisteten bereits im Vorfeld einen dem Pflichtangebot entsprechenden Minderheitenschutz, so dass es einer nachträglichen Angebotspflicht schlicht nicht mehr bedürfe.174 Darüber hinaus hat insbesondere Vetter aber auch auf teleologische Gesichtspunkte hingewiesen, die für die Nichtanwendbarkeit des Pflichtangebots auf Sachverhaltsgestaltungen der Verschmelzung und Spaltung streiten sollen.175 Mit der Regelung in § 35 WpÜG sei beabsichtig, den Minderheitsaktionären die Möglichkeit einzuräumen, für den Fall der Kontrollerlangung, der ein öffentliches Übernahmeangebot nicht vorausgegangen sei, ihre Beteiligung zu einem angemessenen Preis zu veräußern. Einer solchen Möglichkeit zum Ausscheiden aus der Gesellschaft bedürfe es jedoch nur in den Fällen, wo ein Ausstieg über den Kapitalmarkt zu angemessenen Konditionen nicht gewährleistet sei, etwa weil der durch den Markt gebildete Preis den tatsächlichen Wert der Anteile nicht korrekt widerspiegele. Im Rahmen von Verschmelzungen und Spaltungen seien die den Minderheitsaktionären im Hinblick auf die Preisbildung bei Unternehmensübernahmen typischerweise drohenden Gefahren indes nicht zu befürchten.176 Eine an Sinn und Zweck des § 35 WpÜG orientierte Auslegung müsse daher zur Nichtanwendbarkeit der Vorschrift führen. 172 Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 1 Rn. 103 ff.; Grabbe/Fett, NZG 2003, 755 (759 ff.); Heckschen, in: Heckschen/Simon, § 6 Rn. 16 ff.; Nörr/Stiefenhofer, S. 86; Vetter, WM 2002, 1999 ff.; Weber-Rey/Schütz, AG 2001, 325 (328 f.); so auch schon Wirth/Weiler, DB 1989, 117 (119 f.) zum Übernahmekodex. 173 So die Argumentation bei Heckschen, in: Heckschen/Simon, § 6 Rn. 20; Nörr/Stiefenhofer, S. 86; Vetter, WM 2002, 1999 (2001 ff.); Weber-Rey/Schütz, AG 2001, 325 (329); vgl. auch Wirth/Weiler, DB 1989, 117 (119 f.). 174 Heckschen, in: Heckschen/Simon, § 6 Rn. 21; Vetter, WM 2002, 1999 (2000); Weber-Rey/Schütz, AG 2001, 325 (328 f.); vgl. auch Wirth/Weiler, DB 1998, 117 (120). 175 Vetter, WM 2002, 1999 (2001 ff.). 176 Vetter, WM 2002, 1999 (2002).

C. Stand der Diskussion

151

b) Nach Fallkonstellationen differenzierende Auffassungen Die ganz herrschende Meinung im Schrifttum spricht sich demgegenüber im Grundsatz für die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen aus.177 Argumentiert wird auch hier mit dem Regelungszweck des Pflichtangebots. Nach seinem Sinn und Zweck schütze § 35 WpÜG die Erwartung der Aktionäre in die Kontinuität der bestehenden Mehrheitsverhältnisse und eröffne ihnen bei erstmaliger Kontrollerlangung oder einem Kontrollwechsels die Möglichkeit, zu einem angemessenen Preis aus der Gesellschaft auszuscheiden.178 Dieser Zweck würde missachtet, käme das Pflichtangebot in umwandlungsrechtlichen Sachverhaltsgestaltungen per se nicht zur Anwendung.179 Insbesondere soll ein § 35 WpÜG entsprechender Minderheitenschutz auch nicht schon durch die Bestimmungen des Umwandlungsrechts erreicht werden.180 Das den Aktionären nach § 29 UmwG eingeräumte Abfindungsrecht sei im Gegensatz zu der Austrittsmöglichkeit nach § 35 WpÜG an sehr enge Voraussetzungen gebunden.181 Auch bestünden im Hinblick auf die Preisbemessung und Preiskontrolle wesentliche Unterschiede zwischen beiden Gesetzen.182 Keinesfalls ausgeschlossen 177 Adolff, S. 241 f.; ders., ZGR 2002, 579 (585); Baums/Hecker, in: Baums/ Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 110 ff. und 122 ff.; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 69 und 74 ff.; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 768 (774); Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 30 f. und 34; Fleischer, NZG 2002, 545 (550); Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 48 ff.; Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (397); Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 17; dies., in: Semler/Volhard, Bd. 2, § 51 Rn. 66; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (570 ff.); Kopp/ v. Dryander, in: Apfelbacher/Barthelmess/Buhl/v. Dryander, Sec. 35 No. 3; Krause/ Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 136 ff.; Lenz/Linke, AG 2002, 361 (367 f.); v. Lingelsheim, in: AnwKomm-Aktienrecht, § 35 WpÜG Rn. 6; Lutter, in: Lutter, UmwG, Einl. Rn. 53 ff.; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 24 ff.; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 128 ff., 147; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (478 ff., 489); Semler/Stengel, in: Semler/ Stengel, UmwG, Einl. A Rn. 86, 94, 100 und 103; Süßmann, WM 2003, 1453 (1455 f.); Technau, AG 2002, 260 (262). 178 v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 75; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (568); Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 129. 179 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 111; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (570 ff.). 180 So Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 110; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 75; Fleischer/Kalss, S. 69; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 50; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (569); Krause/Pötzsch, in: Assman/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 139; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 129; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (477, 482). 181 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 111; v. Bülow, in: KKWpÜG, § 35 Rn. 75; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 129; vgl. insoweit auch Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 50; Krause/ Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 139.

152

Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

werde die Anwendbarkeit des Pflichtangebots schließlich aufgrund des Umstands, dass die Aktionäre der beteiligten Rechtsträger mit qualifizierter Mehrheit über das Zustandekommen der Verschmelzung oder Spaltung abzustimmen hätten.183 Als typisches Minderheitenrecht stehe das übernahmerechtliche Austrittsrecht nicht zur Disposition der übrigen Aktionäre.184 Zu einer sämtliche Fallkonstellationen umfassenden einheitlichen Bewertung kommt die herrschende Meinung trotz der gemeinsamen Grundüberzeugung jedoch nicht. Zwar wird die Anwendbarkeit des Pflichtangebots unter Berücksichtigung der mit ihm verfolgten Regelungszwecke ganz überwiegend von dem konkreten Schutzbedürfnis der betroffenen Minderheitsaktionäre abhängig gemacht. Jedoch wird dieses, abhängig von der jeweiligen Fallkonstellation, von den einzelnen Autoren höchst unterschiedlich bewertet. aa) Fallkonstellation I Führt die Verschmelzung oder Spaltung – wie in Fallkonstellation I – zum Erwerb von 30% oder mehr der Stimmrechte in dem übernehmenden börsennotierten Rechtsträger, so trifft den Kontrollerwerber nach der in der Literatur übereinstimmend vertretenen Auffassung im Grundsatz die Angebotspflicht nach § 35 WpÜG.185 Hiervon strikt zu trennen soll jedoch die Frage sein, welchen Anteilsinhabern der neue Kontrollaktionär das Pflichtangebot zu unterbreiten habe.186 182 v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 75; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKommWpÜG, § 35 Rn. 50; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 139; Lenz/Linke, AG 2002, 361 (368); Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (477). 183 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 112; v. Bülow, in: KKWpÜG, § 35 Rn. 75. 184 v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 75. 185 Adolff, S. 241 f.; ders., ZGR 2002, 579 (584 f.); Baums/Hecker, in: Baums/ Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 112 und 122; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 74; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 768 (774); Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/ Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 31, 34; Heckschen, in: Heckschen/Simon, § 6 Rn. 9 f. (Bsp. 1); Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 55; Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 17; dies., in: Semler/Volhard, Bd. 2, § 51 Rn. 67 (Fall II); Kleindiek, ZGR 2002, 546 (570, Fall 1); Kopp/v. Dryander, in: Apfelbacher/ Barthelmess/Buhl/v. Dryander, Sec. 35 No. 3; Krause/Pötzsch, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 143 und 157; Lenz/Linke, AG 2002, 361 (367 f.); Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 25 (Fall 1); Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 140 und 147; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (478 ff., 489, Fall 1); Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A Rn. 86, 94 und 102; Süßmann, WM 2003, 1453 (1455 f.); Technau, AG 2002, 260 (261 f.).

C. Stand der Diskussion

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Aufgeworfen ist hiermit die Frage nach der einheitlichen Schutzbedürftigkeit der beteiligten Gruppen von Minderheitsaktionären. Nach allgemeiner Ansicht sollen Adressaten des Pflichtangebots jedenfalls die Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers sein, die sich nunmehr einem neuen kontrollierenden Mehrheitsaktionär gegenübersehen.187 Ob eine Angebotspflicht auch gegenüber den Alt-Aktionären der übertragenden Gesellschaft besteht, wird demgegenüber davon abhängig gemacht, ob die Aktionäre bereits vor Durchführung der Umwandlung der Kontrolle des nunmehr den übernehmenden Rechtsträger beherrschenden Mehrheitsaktionärs ausgesetzt waren. Gegenüber solchen Aktionären, die sich sowohl vor als auch nach dem Wirksamwerden der Umwandlung ein und demselben Kontrollinhaber gegenüber sähen, könne die Angebotspflicht ihrem Sinn und Zweck nach nicht eingreifen.188 Nach der Auffassung einiger Autoren ergebe sich dies bereits aus den tatbestandlichen Anforderungen von § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG: Seien die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft vor und nach Durchführung der Umwandlung einer identischen Kontrollperson ausgesetzt, so fehle es ihnen gegenüber bereits an der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Kontrollerlangung.189 Nach anderer Ansicht sehe § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG eine solche Differenzierung nicht vor. Vielmehr erfordere die Vorschrift i. V. m. §§ 39, 32 WpÜG die Unterbreitung des Angebots an alle Aktionäre der Zielgesellschaft. Oben genannte Differenzierung sei daher nur im Wege einer teleologischen Reduktion190, einer analogen Anwendung des § 35 Abs. 2 Satz 3 WpÜG191 oder einer teilweisen Befreiung von der Angebotspflicht nach § 37 Abs. 1 Alt. 1 WpÜG192 zu erreichen.

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Kalss, in: Semler/Volhard, Bd. 2, § 51 Rn. 67. Allgemeine Meinung; vgl. hierzu die Nachweise oben Fn. 185. 188 v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 78; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (572); Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 143 und 157; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (479 f.); Technau, AG 2002, 260 (262). 189 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 113; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 31; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 25. 190 v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 78; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 768 (774); Kleindiek, ZGR 2002, 546 (572); Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (479 f.). 191 Hierfür sprechen sich Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 55, sowie Technau, AG 2002, 260 (262), aus. 192 Hierfür machen sich Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 145, stark. 187

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

bb) Fallkonstellation II Führt die Verschmelzung oder Spaltung – wie in Fallkonstellation II – dazu, dass die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft im Zuge der Umwandlung Aktien an einem bereits kontrollierten börsennotierten Rechtsträger erhalten und damit zu Minderheitsaktionären in diesem werden, so soll auch nach denjenigen Stimmen in der Literatur, die die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG in Umwandlungsfällen im Grundsatz bejahen, eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift ausscheiden.193 Zwar würden die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft infolge der Umwandlung in eine Minderheitenposition transferiert. Jedoch bleibe die Kontrollsituation in dem übernehmenden Rechtsträger hiervon unberührt, so dass von einer Kontrollerlangung i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG nicht auszugehen sei.194 Kontrovers diskutiert wird eine analoge Anwendung des § 35 WpÜG. Einig ist man sich insoweit lediglich darin, dass als potentielle Adressaten eines Pflichtangebots lediglich die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft in Betracht kommen können.195 Nur diese sähen sich als Folge der Transaktion einem neuen Kontrollaktionär ausgesetzt. Ausgehend von der hiermit für die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft verbundenen Veränderung der ursprünglichen Investitionsbedingungen haben einige Autoren auf die Schutzwürdigkeit dieser Aktionäre geschlossen und sich für eine analoge Anwendung der Pflichtangebotsregelung ausgesprochen.196 193 So Adolff, S. 242; ders., ZGR 2002, 579 (585); Baums/Hecker, in: Baums/ Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 116; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 79 ff.; Ekkenga/ Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 32 und 34; Hommelhoff/ Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 57; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (571); Kopp/v. Dryander, in: Apfelbacher/Barthelmess/Buhl/v. Dryander, Sec. 35 No. 3; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 149 und 157; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 26; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 139 und 147; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (481); Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A Rn. 88 f.; Technau, AG 2002, 260 (263); wohl auch Süßmann, WM 2003, 1453 (1454); das Vorliegen eines Kontrollwechsels in diesem Fall zumindest bezweifelnd Lenz/Linke, AG 2002, 361 (367, Fn. 23); unklar demgegenüber Kalss, in: Semler/Volhard, Bd. 2, § 51 Rn. 67. 194 Vgl. statt aller Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 116; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 149 und 157 sowie Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 139. 195 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 116; v. Bülow, in: KKWpÜG, § 35 Rn. 79; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 57; Kalss, in: Semler/Volhard, Bd. 2, § 51 Rn. 67; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (572); Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 148 und 157; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 26; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 139. 196 Kleindiek, ZGR 2002, 546 (570 f.); Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (481 f.); Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 57.

C. Stand der Diskussion

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Entscheide man anders, so würde der den Alt-Aktionären der übertragenden Gesellschaft gewährte Schutz im Fall der Verschmelzung von der Wahl der Verschmelzungsrichtung abhängig gemacht und damit der Gestaltungsfreiheit der Transaktionspartner überlassen, so der weit verbreitete Einwand.197 Die im Schrifttum vorherrschende Ansicht lehnt demgegenüber eine analoge Anwendung von § 35 WpÜG ab.198 Geltend gemacht werden insbesondere verfassungsrechtliche Bedenken.199 Neben den in §§ 38, 59 WpÜG angeordneten zivilrechtlichen Sanktionen200 sehe das Gesetz für den Fall der Nichterfüllung der in § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG normierten Verhaltenspflichten insbesondere die Möglichkeit belastender Anordnungen durch die Bundesanstalt vor,201 die zudem in § 60 WpÜG bußgeldbewehrt seien.202 Weiterhin verweisen einige Autoren auf die schwerwiegenden finanziellen Nachteile, die für den Bieter mit der Angebotspflicht verbunden seien und ohne eine ausdrückliche Regelung des Gesetzgebers nicht gerechtfertigt werden könnten.203 Nach ganz überwiegender Ansicht soll es über die genannten verfassungsrechtlichen Einwände hinaus aber auch an der planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes als unabdingbarer Voraussetzung einer Analogie197 So Kleindiek, ZGR 2002, 546 (571); Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (481). Auf diesen Aspekt weisen auch Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 117, hin, wenngleich sie im Ergebnis eine analoge Anwendung ablehnen. 198 Adolff, S. 242 f.; ders., ZGR 2002, 579 (585); Baums/Hecker, in: Baums/ Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 117; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 80; Krause/ Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 150 und 157; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 26; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 139; Süßmann, WM 2003, 1453 (1454); Technau, AG 2002, 260 (264 f.); Weber-Rey/Schütz, AG 2002, 325 (328 f.). 199 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 117; v. Bülow, in: KKWpÜG, § 35 Rn. 80; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 33; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 139; Süßmann, WM 2003, 1453 (1454); zustimmend Liebscher, ZIP 2002, 1005 (1016); unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten eine analoge Anwendung des § 35 WpÜG für zumindest nicht unproblematisch haltend Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 768 (774). 200 § 38 Nr. 1 und 2 WpÜG sehen eine Verzinsungspflicht der Gegenleistung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils Geltung beanspruchenden Basiszinssatz für die Dauer des Verstoßes gegen die Veröffentlichungs- und/oder Angebotspflicht des § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WpÜG vor. Nach § 59 WpÜG führt die Nichterfüllung selbiger Pflichten zum Verlust von Rechten des Bieters aus seinen Aktien. 201 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 117. 202 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 117; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 33; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 768 (774). 203 So vor allem Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 117; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 80.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

bildung fehlen.204 Dem Gesetzgeber sei die Problematik bei Verabschiedung des WpÜG bekannt gewesen, jedoch habe er von einer Regelung bewusst Abstand genommen und sich ergänzende gesetzliche Regelungen für die Zukunft vorbehalten.205 Während jedoch etwa Autoren wie Baums/Hecker206, aber auch von Bülow207 die Schutzbedürftigkeit der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft grundsätzlich anerkennen und den Gesetzgeber insoweit zum alsbaldigen Tätigwerden auffordern,208 weisen andere Stimmen darauf hin, dass das WpÜG einen Schutz der Aktionäre in derartigen Fallkonstellationen nicht bezwecke.209 So schütze das Gesetz Aktionäre grundsätzlich nicht davor, in einen bereits kontrollierten Rechtsträger transferiert zu werden. Sowohl im Zuge eines Übernahme- als auch eines Pflichtangebots sei es nach ganz herrschender Ansicht zulässig, den Aktionären gem. § 31 Abs. 2 WpÜG als Gegenleistung Aktien einer kontrollierten Gesellschaft anzubieten, solange diese nur ein ausreichendes Maß an Liquidität aufweisen.210 Ähnlich argumentiert Noack, wenn er darauf hinweist, dass die Angebotspflicht schließlich auch nicht dadurch ausgelöst werde, dass Neuaktionäre im Wege eines individuellen Aktienerwerbs in einen bereits kontrollierten Rechtsträger eintreten.211 Für einen kollektiven Beitritt im Zuge einer Verschmelzung oder Spaltung könne daher nichts anderes gelten. Schließlich verweisen einige Autoren auf die fehlende Schutzbedürftigkeit der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft. Diese könnten ihre im Zuge der Verschmelzung bzw. Spaltung erhaltenen Aktien jederzeit über 204 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 117; v. Bülow, in: KKWpÜG, § 35 Rn. 80; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 33; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 150 und 157; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 26; Süßmann, WM 2003, 1453 (1455); Technau, AG 2002, 260 (264 f.); Weber-Rey/Schütz, AG 2002, 325 (328 f.). 205 So Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 117; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 80; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 150 und 157; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 139. 206 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 117, die vorschlagen, das umwandlungsrechtliche Austrittsrecht nach § 29 UmwG auf die hier behandelte Fallkonstellation zu erstrecken; kritisch hierzu Krause/Pötzsch, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 150 und 157. 207 v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 81. 208 Wohl auch Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 150 und 157. 209 Süßmann, WM 2003, 1453 (1455); Technau, AG 2002, 260 (264 f.). 210 Süßmann, WM 2003, 1453 (1455); Technau, AG 2002, 260 (264 f.); vgl. hierzu auch Vetter, WM 2002, 1999 (2003 f.). 211 Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 26.

C. Stand der Diskussion

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die Börse veräußern.212 Zudem hätten sie ihre Aktien an dem übernehmenden Rechtsträger nicht im Vertrauen auf eine bestimmte, vor Durchführung der Transaktion bestehende Kontrollsituation erworben.213 cc) Fallkonstellation III Auch in Fallkonstellation III verneint die ganz herrschende Meinung eine Angebotsverpflichtung nach § 35 WpÜG, und zwar unabhängig davon, ob es sich in der konkreten Sachverhaltsgestaltung um den Grundfall der Verschmelzung und Spaltung einer börsennotierten Gesellschaft auf einen nicht börsennotierten Rechtsträger,214 die Verschmelzung zweier börsennotierter Gesellschaften auf eine bereits bestehende Mantelgesellschaft215 oder aber die Verschmelzung zweier börsennotierter Gesellschaften auf einen uno actu neu gegründeten Rechtsträger handelt.216 Zur Begründung wird auf die mangelnde Börsennotierung des übernehmenden Rechtsträgers im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Umwandlung verwiesen.217 Als unerheblich wird hierbei angesehen, ob es im Zuge der Umwandlung zu einem sog. kalten 212 Süßmann, WM 2003, 1453 (1455). Hierauf weisen auch Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 117, ausdrücklich hin, wobei es jedoch als inkonsequent erscheint, wenn im gleichen Atemzug ein Schutzbedürfnis der Aktionäre anerkannt und der Gesetzgeber zum Tätigwerden aufgefordert wird. 213 Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 139; Technau, AG 2002, 260 (262). 214 Adolff, ZGR 2002, 579 (585 ff.); Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/ Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 34; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 52 f.; Kopp/v. Dryander, in: Apfelbacher/Barthelmess/Buhl/v. Dryander, Sec. 35 No. 5; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 153 und 157; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 28; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 144 und 147; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (485 ff., 489); Süßmann, WM 2003, 1453 (1455). 215 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 119 f.; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 58; Nörr/Stiefenhofer, S. 84 ff.; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 155; Schlitt, in: MünchKommAktG, § 35 WpÜG Rn. 145; Süßmann, WM 2003, 1453 (1456); Technau, AG 2002, 260 (262 ff.); widersprüchlich Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 ff., die in dem von ihnen gebildeten Fall 3 eine Verpflichtung nach § 35 WpÜG zunächst bejahen (vgl. dort S. 480 f.), im weiteren Untersuchungsverlauf eine Angebotspflicht in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung auf eine nicht börsennotierte Zielgesellschaft jedoch ablehnen (vgl. dort S. 485 ff., 489). 216 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 121; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 59; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 156; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 146; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (488); Technau, AG 2002, 260 (262 ff.). 217 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 119 f.; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 58; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Delisting oder zu einer „Börsenwiederzulassung“ der Aktien der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft kommt.218 Dabei wird keineswegs verkannt, dass es in der Praxis bis zur Wiederaufnahme der Notierung im Anschluss an das Wirksamwerden der Verschmelzung bzw. Spaltung in der Regel einer Zeitspanne von nur wenigen Tagen bedarf.219 Dies, so die verbreitete Ansicht, könne nichts an der Tatsache ändern, dass sich die Kontrollerlangung in einer noch nicht börsennotierten Gesellschaft vollziehe, womit § 35 WpÜG bereits nach seinem Wortlaut nicht eingreife.220 Darüber hinaus soll aber auch bei einer am Normzweck orientierten Auslegung eine Anwendung des § 35 WpÜG nicht in Betracht kommen. Unter Berücksichtigung der mit der Regelung verfolgten Schutzzwecke sei ein Pflichtangebot nur dann zu unterbreiten, wenn bereits im Zeitpunkt des Kontrollerwerbs außenstehende Aktionäre in der Gesellschaft vorhanden seien.221 Hieran und damit auch an der Schutzwürdigkeit der Minderheitsaktionäre fehle es in den Fällen der Verschmelzung auf eine Mantelgesellschaft bzw. auf einen neu gegründeten Rechtsträger,222 da der Erwerb der Anteile hier zeitgleich mit der Begründung der kontrollierenden Beteiligung durch den Mehrheitsaktionär erfolge.223 Zu einer von der herrschenden Meinung abweichenden Beurteilung gelangen indes Kleindiek224 und Hommelhoff/Witt225 für den Fall des kalten Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 155; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 144 ff. 218 Vgl. Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 119 f.; Kopp/ v. Dryander, in: Apfelbacher/Barthelmess/Buhl/v. Dryander, Sec. 35 No. 3 und 5; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 154 f. und 157; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 145 f.; Süßmann, WM 2003, 1453 (1456); Technau, AG 2002, 260 (262 ff.). 219 Hierzu oben Teil 4 C. I. 3. b), S. 145 f. 220 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 119; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 145 f.; Süßmann, WM 2003, 1453 (1456); Technau, AG 2002, 260 (263). 221 So die Argumentation von Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 155; Technau, AG 2002, 260 (263) und Schlitt, in: MünchKommAktG, § 35 WpÜG Rn. 145 f.; vgl. auch Vetter, WM 2002, 1999. 222 Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 155; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 145 f., sowie Technau, AG 2002, 260 (263), beschränken ihre Argumentation auf diese beiden Sachverhaltsgestaltungen. Für den Grundfall der Verschmelzung bzw. Spaltung einer börsennotierten Gesellschaft auf einen nicht börsennotierten Rechtsträger kann bei Zugrundelegung ihrer Argumentation jedoch nichts anderes gelten, denn auch hier erfolgt der Erwerb der Aktien durch die Minderheitsaktionäre der übertragenden Gesellschaft zeitgleich mit dem Erwerb der kontrollierenden Beteiligung durch den Mehrheitsaktionär. 223 Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 155; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 145 f.; Technau, AG 2002, 260 (263).

C. Stand der Diskussion

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Delistings. Nach Kleindiek sollen bei einer am Normzweck orientierten Auslegung die besseren Gründe für eine Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 35 WpÜG auch auf die Fälle des Verlusts der Börsennotierung sprechen.226 Der Wegfall der Börsennotierung verkürze die Rechtsposition der Aktionäre gerade zusätzlich. Er könne daher nicht die Legitimation dafür bieten, dass die Aktionäre auch noch des von § 35 WpÜG gewährten Schutzes verlustig gingen. Anders zu entscheiden, hieße die Minderheitsaktionäre der übertragenden Gesellschaft auf einen nach wie vor rechtlich unsicheren Abfindungsanspruch in den Fällen des kalten Delistings zu verweisen,227 was mit Sinn und Zweck des § 35 WpÜG kaum zu vereinbaren sei. Nach Hommelhoff/Witt sei in den Fällen des kalten Delistings aus Sicht der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft jedenfalls dann eine Schutzlücke zu beklagen, wenn es sich bei dem übernehmenden Rechtsträger ebenfalls um eine Zielgesellschaft handele.228 Aufgrund der fehlenden Börsennotierung des übernehmenden Rechtsträgers sei in diesem Fall nicht nur § 35 WpÜG, sondern mangels Vorliegens seiner Anwendungsvoraussetzungen auch § 29 UmwG nicht anwendbar, so dass die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft keine Möglichkeit zum Austritt aus der Gesellschaft hätten. Problematisch sei eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Pflichtangebotsregelung gleichwohl deshalb, da der Kontrollbegriff des § 29 Abs. 2 WpÜG ausschließlich auf börsennotierte Gesellschaften zugeschnitten und daher auf nicht börsennotierte Rechtsträger nicht ohne weiteres übertragbar sei.229

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Kleindiek, ZGR 2002, 546 (574). Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 53. 226 Die Fälle des lediglich transaktionsbedingten und damit nur vorübergehenden Verlusts der Börsenzulassung finden in den Ausführungen Kleindieks keine Berücksichtigung. 227 Zur Diskussion um einen Abfindungsanspruch in den Fällen des kalten Delistings siehe die Urteile des OLG München, 14. 2. 2001 – 7 U 6019/99, NZG 2001, 519 ff. und des LG München I, 4. 11. 1999 – 5 HKO 10580/99, BB 1999, 2634 (2636 f.), die zusammen mit der im Schrifttum h. M. einen Abfindungsanspruch der betroffenen Aktionäre im Falle des kalten Delistings verneinen; zur h. M. im Schrifttum siehe Bungert, BB 2000, 53 (57); Gross, ZHR 165 (2001), 141 (160); Mülbert, ZHR 165 (2001), 104 (137 f.); a. A. etwa Kruse, S. 117 ff.; Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739 (765). 228 Handele es sich bei dem übernehmenden Rechtsträger nicht um eine Zielgesellschaft, so stehe den Minderheitsaktionären der übertragenden Gesellschaft das Austrittsrecht nach § 29 UmwG zu, das im Vergleich zu § 35 WpÜG zwar keinen äquivalenten Schutz gewährleiste, de lege lata jedoch als ausreichend anzusehen sei; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 53. 229 Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 53. 225

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

dd) Fallkonstellation IV In Fallkonstellation IV, in der der übernehmende Rechtsträger die wirtschaftliche Kontrolle über die übertragende Gesellschaft erlangt, wird eine Angebotspflicht ebenfalls abgelehnt.230 Zur Begründung wird auf das liquidationslose Erlöschen der übertragenden Gesellschaft im Zuge der Umwandlung verwiesen, wodurch ein Anteils- und damit auch ein Kontrollerwerb i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG jedenfalls an diesem Rechtsträger nicht in Betracht komme.231 Nichts anderes ergebe sich auch aus dem Prinzip der Universalsukzession. Dieses bewirke lediglich, dass das Vermögen der übertragenden Gesellschaft auf den übernehmenden Rechtsträger übergehe, womit es aber nicht zu einem Erwerb der Kontrolle über die übertragende Gesellschaft, sondern lediglich zu einem Erwerb ihres Vermögens durch den übernehmenden Rechtsträger komme.232 ee) Fallkonstellation V Fallkonstellation V, in der es zum Erwerb von 30% oder mehr der Stimmrechte in der börsennotierten übertragenden Gesellschaft aufgrund einer nicht-verhältniswahrenden Abspaltung kommt, hat im Schrifttum bislang kaum Beachtung gefunden.233 Lediglich Semler/Stengel234 und Seibt/ Heiser235 sowie aus dem österreichischen Schrifttum Kalss/Winner236 haben darauf hingewiesen,237 dass es bei Spaltungssachverhalten angezeigt sein kann, neben der übernehmenden auch die übertragende Gesellschaft auf einen Kontrollerwerb bzw -wechsel hin zu untersuchen.238

230 Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 52; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 151, 153 und 157; Technau, AG 2002, 260 (263); Weber-Rey/Schütz, AG 2001, 325 (328). 231 Vgl. die Nachweise oben Fn. 230. 232 Technau, AG 2002, 260 (263); Weber-Rey/Schütz, AG 2001, 325 (328). 233 Zurückzuführen sein dürfte dies auf die geringe praktische Relevanz dieser Fallkonstellation; siehe hierzu die Ausführungen oben Fn. 169. 234 Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A Rn. 100. 235 Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (489). 236 Kalss/Winner, ÖBA 2000, 51 (58). 237 Freilich ohne in der Sache Stellung zu beziehen. 238 Andere Autoren halten Spaltungen zur Neugründung demgegenüber generell für übernahmerechtlich irrelevant; so ausdrücklich Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 34; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 147.

C. Stand der Diskussion

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2. Die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV Eine nach Fallkonstellationen differenzierende Auffassung vertritt auch der Handelsrechtsausschuss des DAV.239 Nach seiner Stellungnahme zum RefE-WÜG240 vom April 2001 soll § 35 WpÜG241 jedenfalls jene Fälle des Anteilserwerbs im Zuge von Verschmelzungen und Spaltungen erfassen, in denen es – wie in Fallkonstellation I – zu einem Erwerb von 30% oder mehr der Stimmrechte in dem übernehmenden börsennotierten Rechtsträger kommt. Daher müsse der neue kontrollierende Aktionär ein Pflichtangebot an die Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers abgeben, wenn etwa durch eine Verschmelzung erstmals eine kontrollierende Beteiligung an diesem erworben werde oder es dort zu einem Wechsel der Kontrolle komme.242 Dies folge ohne weiteres aus der unmittelbaren Anwendung der Pflichtangebotsregelung.243 Zu einer hiervon abweichenden Beurteilung kommt der Handelsrechtsausschuss für den umgekehrten Fall, in dem die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft durch die Verschmelzung oder Spaltung – wie in Fallkonstellation II – zu Anteilsinhabern in einem bereits kontrollierten börsennotierten Rechtsträger werden. Zwar habe die Übernahmekommission in Österreich in den Gründen ihrer Entscheidung in der Sache HVB/BA244 in diesem Fall eine analoge Anwendung der Pflichtangebotsregelung befürwortet. Anders als dort, so die Auffassung des Handelsrechtsausschusses, 239 Jedoch hat sich der Handelsrechtsausschuss in seiner Stellungnahme vom April 2001 – abgedruckt in: NZG 2001, 420 ff. – lediglich mit den Fallkonstellationen I und II auseinandergesetzt; eine Stellungnahme zu den Fällen der Verschmelzung bzw. Spaltung auf einen nicht – bzw. noch nicht – börsennotierten Rechtsträger, der wirtschaftlichen Übernahme des übertragenden durch den übernehmenden Rechtsträger sowie der nicht-verhältniswahrenden Spaltung erfolgte demgegenüber nicht. 240 Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2001, 420 ff. 241 Die Stellungnahme bezieht sich insgesamt auf den RefE-WÜG vom 12. 03. 2001 und damit auch betreffend die Pflichtangebotsregelung auf § 35 RefEWÜG, der jedoch im Verhältnis zu der aktuellen Regelung des § 35 WpÜG insoweit keine signifikanten Regelungsunterschiede aufweist, so dass die vom Handelsrechtsausschuss zu § 35 RefE-WÜG vertretene Auffassung ohne weiteres auf die aktuelle Regelung in § 35 WpÜG übertragen werden kann. 242 Nicht auseinandergesetzt hat sich der Handelsrechtsausschuss demgegenüber mit der in der Literatur weiterhin erörterten Frage, ob das Pflichtangebot in diesen Fällen an sämtliche Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers oder aber nur an die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft zu richten ist; zu dieser Frage oben Teil 4 C. II. 1. b) aa), S. 153 f. 243 Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2001, 420. 244 Zu dieser Transaktion sowie zu der Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission siehe ausführlich oben Teil 1 A., S. 29 ff. und Teil 1 A. II., S. 40 ff.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

soll sich in Deutschland eine Barabfindungspflicht in dieser Konstellation jedoch allenfalls aus einer analogen Anwendung von § 29 UmwG, nicht aber aus § 35 WpÜG, ergeben können.245 3. Die Rechtsansicht der BaFin In der Einleitung wurde bereits darauf hingewiesen,246 dass die BaFin Anfang des Jahres 2002 im Rahmen eines Befreiungsverfahrens nach § 37 Abs. 1 WpÜG zum ersten und bisher einzigen Mal über die Frage der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG auf Umwandlungssachverhalte zu entscheiden hatte. Gegenstand des Verfahrens war eine in Aussicht gestellte247 Kontrollerlangung i. S. d. § 29 Abs. 2 WpÜG an der Carl Zeiss Meditec AG248 durch die Carl-Zeiss-Stiftung respektive deren 100%ige Tochtergesellschaften Carl Zeiss Jena GmbH und Carl Zeiss Beteiligungs-GmbH in Folge der Verschmelzung deren Tochter Carl Zeiss Ophthalmic Systems AG auf besagte Asclepion-Meditec AG.249 Geplant war, die gesamten Aktivitäten der Carl Zeiss Gruppe im Bereich Ophthalmologie in der Carl Zeiss Ophthalmic Systems AG zusammenzufassen.250 Zu diesem Zweck sollte die Carl Zeiss Jena GmbH zunächst ihren Geschäftsbetrieb Ophthalmologie gem. § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG in die Carl Zeiss Ophthalmic Systems AG ausgliedern. Zeitgleich sollte die Carl Zeiss Beteiligungs-GmbH ihre ebenfalls im Bereich der Ophthalmologie tätige Tochtergesellschaft Carl Zeiss Opthalmic Systems Inc., USA, im Wege einer Sacheinlage gegen Anteilsgewährung in die Carl Zeiss Ophthalmic Systems AG einbringen, die im Anschluss hieran auf die am Neuen Markt der Frankfurter Wertpapierbörse notierende Asclepion-Meditec AG (mit Eintragung der Verschmelzung fir245

Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2001, 420. Oben Teil 4 A., S. 113 f. 247 Der Befreiungsantrag nach § 37 Abs. 1 WpÜG wurde bereits im Vorfeld der Transaktion und damit zeitlich vor der tatsächlichen Kontrollerlangung gestellt, was nach § 37 Abs. 3 WpÜG i. V. m. § 8 WpÜG-AngebotsVO unproblematisch möglich und in vielen Fällen schon aufgrund der mit der Verpflichtung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG einhergehenden finanziellen Belastung zu empfehlen ist. 248 Zuvor firmierend unter Asclepion-Meditec AG; gem. § 8 des Verschmelzungsvertrags zwischen der Asclepion-Meditec AG und der Carl Zeiss Ophthalmic Systems AG wurde die Firma auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verschmelzung in Carl Zeiss Meditec AG geändert. 249 Zu diesem Fall siehe auch die Ausführungen bei Blättchen/Götz, FB 2002, 660 (666) sowie bei Vetter, WM 2002, 1999 (Fn. 3). Aus Sicht der BaFin vgl. Lenz/ Linke, AG 2002, 361 (367 f.). 250 Vgl. insoweit den gemeinsamen Verschmelzungsbericht der Vorstände der Asclepion-Meditec AG und der Carl Zeiss Ophthalmic Systems AG zur Verschmelzung der Carl Zeiss Ophthalmic Systems AG mit der Asclepion-Meditec AG, S. 14 ff. 246

C. Stand der Diskussion

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mierend als Carl Zeiss Meditec AG) verschmolzen werden sollte.251 Im Zuge der Verschmelzung hätte sowohl die Carl Zeiss Jena GmbH als auch die Carl Zeiss Beteiligungs-GmbH mehr als 30% der Stimmrechte an der übernehmenden Carl Zeiss Meditec AG erlangt. Gleichzeitig hätte auch die Carl-Zeiss-Stiftung aufgrund ihrer 100%igen Beteiligung an beiden Gesellschaften mittelbar mehr als 30% der Stimmrechte an der Carl Zeiss Meditec AG erworben.252 Der von der Carl Zeiss Gruppe gem. § 37 Abs. 1 WpÜG aufgrund des oben dargestellten Sachverhalts bei der BaFin gestellte Befreiungsantrag wurde von der Bundesanstalt negativ beschieden.253 Die BaFin ging davon aus, dass in Verschmelzungssachverhalten, in denen es – wie in Fallkonstellation I – zu einem Erwerb von 30% oder mehr der Stimmrechte in dem übernehmenden börsennotierten Rechtsträger kommt, zwingend ein Pflichtangebot nach § 35 WpÜG zu unterbreiten ist. Bestätigt wurde die Entscheidung schließlich im sodann durchgeführten Widerspruchsverfahren nach § 41 WpÜG.254 Nochmals bekräftigt hat die Bundesanstalt ihre Rechtsansicht in ihrem Jahresbericht aus 2002. Dort heißt es in diesem Zusammenhang: „Die Regelungen des WpÜG finden nach Auffassung der BaFin neben denen des Umwandlungsrechts Anwendung, wenn die Kontrolle durch eine Umwandlung oder Verschmelzung erlangt wird. [. . .] Der Anwendungsbereich des WpÜG mit seinen verschiedenen Schutzinstrumenten würde erheblich eingeschränkt, wenn es der Bieter selbst bestimmen könnte, ob die von ihm gewählte Art der Kontrollerlangung darunter fällt oder nicht.“255

251 Mit Eintragung der Verschmelzung firmierend als Carl Zeiss Meditec AG; siehe hierzu die Präambel des Verschmelzungsvertrags zwischen der Asclepion-Meditec AG und der Carl Zeiss Ophthalmic Systems AG sowie den gemeinsamen Verschmelzungsbericht der Vorstände der Asclepion-Meditec AG und der Carl Zeiss Ophthalmic Systems AG zur Verschmelzung der Carl Zeiss Ophthalmic Systems AG mit der Asclepion-Meditec AG, S. 8 ff. und 14 ff. 252 Nach Abschluss der Verschmelzung hätte die Carl Zeiss Gruppe 76% der Anteile und Stimmrechte an der Carl Zeiss Meditec AG gehalten; siehe hierzu im Einzelnen die im Anschluss an den nicht erfolgreichen Befreiungsantrag veröffentlichte Angebotsunterlage der Carl Zeiss Jena GmbH v. 19. 7. 2002, S. 6; die Angebotsunterlage ist abrufbar unter http://www.bafin.de unter der Rubrik „Datenbanken“, Bereich „Wertpapieraufsicht“, „Veröffentlichte Angebote nach § 14 WpÜG“. 253 Vetter, WM 2002, 1999 (Fn. 3). 254 Vetter, WM 2002, 1999 (Fn. 3), wonach gegen den Widerspruchsbescheid aus Gründen der Praktikabilität keine Beschwerde gem. § 48 ff. WpÜG eingelegt wurde, da eine Verschiebung des nach § 5 WpÜG-AngebotsVO für die Berechnung des Drei-Monats-Referenzzeitraums maßgeblichen Zeitpunktes vermieden werden sollte.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

D. Rechtsvergleichende Betrachtung Nachdem die für den Untersuchungsgegenstand relevanten Fallkonstellationen nunmehr herausgearbeitet sowie vorhandene Meinungen und Stellungnahmen geordnet sind, soll im Folgenden zunächst ein Blick auf den rechtlichen Umgang mit der hier untersuchten Problematik in anderen Rechtsordnungen geworfen werden. Zweckmäßig ist eine solche rechtsvergleichende Umschau weniger im Hinblick auf die Auslegung des § 35 WpÜG256 als vielmehr darauf, dass der Gesetzgeber mit dem WpÜG eine Angleichung an international übliche Regelungsstandards erreichen wollte.257 Vor diesem Hintergrund ist es von Interesse, ob der Gesetzgeber mit der Regelung in § 35 WpÜG seiner eigenen Zielvorgabe gerecht geworden oder aber hinter dieser zurückgeblieben ist.258

I. Österreich In Österreich fehlt es ebenso wie in Deutschland an einer ausdrücklichen Regelung der vorliegend untersuchten Frage. Insbesondere enthalten weder das österreichische Aktien- (öAktG) bzw. Spaltungsgesetz (öSpaltG) noch das öÜbG eine Aussage darüber, ob Verschmelzungen und Spaltungen die Angebotspflicht nach § 22 Abs. 1 öÜbG auslösen. § 22 Abs. 1 öÜbG erlegt jedem, der eine kontrollierende Beteiligung an einer Zielgesellschaft erlangt, die Verpflichtung zur Herauslegung eines Angebots für alle Beteiligungspapiere auf.259 Unter dem Begriff der kontrollierenden Beteiligung versteht das Gesetz in Abs. 2 der Vorschrift solche Beteiligungen, die es dem Bieter allein oder gemeinsam mit anderen Rechts255 Jahresbericht der BaFin 2002, Teil A, S. 172; abrufbar unter http://www. bafin.de unter der Rubrik „Publikationen“, „Jahresberichte“; zum Aussagegehalt dieser Stellungnahme vgl. die Ausführungen unter Teil 3 B. II., S. 85 f. 256 Zur Auslegung des § 35 WpÜG herangezogen werden kann die Rechtslage in ausländischen Rechtsordnungen schon deshalb nicht, da der Gesetzgeber mit den Regelungen des WpÜG zwar eine Angleichung an international übliche Regelungsstandards erreichen wollte, sich jedoch – soweit ersichtlich – bei der konkreten Ausgestaltung einzelner Vorschriften nicht an bestimmten ausländischen Parallelregelungen orientiert hat; gleichsinnig Koch, S. 226. 257 Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034, S. 28; siehe hierzu auch bereits oben Teil 1 B. I., S. 46 Fn. 86. 258 Abschließend beantwortet werden kann diese Frage naturgemäß erst im Anschluss an die Klärung der Rechtslage unter dem WpÜG; siehe zu den Folgerungen daher unten Teil 4 H., S. 286. 259 Zur übernahmerechtlichen Angebotspflicht im österreichischen Recht siehe die umfassenden Bearbeitungen von Kaindl und Zollner; siehe aber auch Diregger/ Winner, WM 2002, 1583 ff.; Kalss, NZG 1999, 421 (423 ff.).

D. Rechtsvergleichende Betrachtung

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trägern ermöglichen, einen beherrschenden Einfluss auf die Zielgesellschaft auszuüben. Damit liegt dem öÜbG – anders als dem WpÜG in § 29 Abs. 2 WpÜG260 – ein materieller Kontrollbegriff zugrunde.261 Neben die allgemeine Kontrolldefinition des § 22 Abs. 2 öÜbG treten in § 22 Abs. 4 öÜbG i. V. m. § 244 Abs. 2 Nr. 1–3 öHGB sowie in § 22 Abs. 5 öÜbG i. V. m. §§ 1–3 1. ÜbV262 diverse gesetzliche Kontrollvermutungen. Gem. § 22 Abs. 5 öÜbG i. V. m. § 2 Abs. 1 1. ÜbV wird das Bestehen einer kontrollierenden Beteiligung widerleglich vermutet, wenn jemand allein oder gemeinsam mit anderen Rechtsträgern mindestens 30% der auf ständig stimmberechtigte Aktien entfallenden Stimmrechte erlangt.263 Wird eine kontrollierende Beteiligung im oben genannten Sinne erreicht, so hat der Kontrollerwerber für alle Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft ein Angebot zu unterbreiten. Als Gegenleistung sieht § 22 Abs. 8 Satz 1 öÜbG zwingend eine Geldleistung vor. Lediglich ergänzend kann ein Tauschangebot unterbreitet werden.264 Reine Tauschangebote sind damit – anders als im deutschen Recht – unzulässig.265 Die Angebotspflicht besteht grundsätzlich für jeden Kontrollerwerber, unabhängig davon, auf welche Art die kontrollierende Beteiligung erlangt wird.266 Nach der im Fall HVB/BA von der österreichischen Übernahmekommission vertretenen Ansicht vermögen daher auch Umgründungsmaßnahmen wie Verschmelzungen und Spaltungen die Angebotspflicht auszulösen.267 Über den Wortlaut des § 22 Abs. 1 öÜbG hinaus soll dies selbst dann gelten, wenn es zu einer Kontrollerlangung an dem übernehmenden Rechtsträger zwar nicht kommt, die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft sich jedoch – wie in der hier untersuchten Fallkonstellation II268 – 260

Hierzu unten Teil 4 E. I. 1. a) aa) (1), S. 178 f. Diregger/Winner, WM 2002, 1583 (1584); Kalss, NZG 1999, 421 (423). 262 1. Verordnung der Übernahmekommission v. 9. 3. 1999 zum Übernahmegesetz (1. Übernahmeverordnung – 1. ÜbV), Veröffentlichungsblatt der Wiener Börse AG vom 11. 3. 1999, Veröffentlichung Nr. 115. 263 Neben den widerleglichen Vermutungen in § 22 Abs. 5 öÜbG i. V. m. § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 1. ÜbV enthält das österreichische Recht in § 22 Abs. 4 öÜbG die unwiderlegliche Vermutung beherrschender Beteiligungsverhältnisse bei Vorliegen einer der handelsrechtlichen Kontroll-Tatbestände des § 244 Abs. 2 Nr. 1–3 öHGB. 264 Siehe § 22 Abs. 8 Satz 2 öÜbG; näher hierzu Diregger/Winner, WM 2002, 1583 (1584). 265 Vgl. hierzu Diregger/Winner, WM 2002, 1583 (1586). 266 So ausdrücklich die österreichische Übernahmekommission in ihrer Stellungnahme v. 12. 9. 2000, oben Teil 1 A. II. 2. b), S. 43 f.; siehe auch Diregger/Ullmer, wbl 2002, 97 (100); Gall, wbl 2000, 544 (548); Kaindl, S. 114; Kalss/Winner, ÖBA 2000, 51 (52); Zollner, S. 101 ff. 267 Oben Teil 1 A. II. 2. b), S. 43 f. 268 Vgl. oben Teil 4 C. I. 2., S. 141 f. 261

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mit Abschluss der Transaktion in einem bereits kontrollierten Rechtsträger wieder finden.269 Als unerheblich sieht es die Übernahmekommission hierbei sogar an, ob es sich bei dem übernehmenden Rechtsträger um eine börsennotierte Gesellschaft handelt.270 Entscheidend sei, ob sich die übernahmerechtlich zu schützenden Minderheitsaktionäre nach Durchführung der Transaktion einem neuen kontrollierenden Aktionär gegenübersähen. Das österreichische Schrifttum hat der Entscheidung der Übernahmekommission in Sachen HVB/BA ganz überwiegend zugestimmt.271 Lediglich vereinzelt wird das öÜbG neben den umwandlungsrechtlichen Regelungen des öAktG bzw. öSpaltG für unanwendbar gehalten.272 Entsprechend den Aussagen der Übernahmekommission soll es auch nach überwiegender Ansicht in der Literatur für die Frage der Kontrollerlangung ausschließlich auf die Sicht der zu schützenden Minderheitsaktionäre ankommen.273 Daher könne die Anwendung der Pflichtangebotsregelung auch nicht davon abhängig gemacht werden, ob die Zielgesellschaft im Zeitpunkt des Kontrollerwerbs die nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 öÜbG erforderliche Börsennotierung aufweise. Entscheidend sei vielmehr allein, dass die betreffende Gesellschaft vor Beginn der Transaktion börsennotiert gewesen sei; allein hieraus resultiere das Schutzbedürfnis der Anleger.274

II. Schweiz Seit dem 1. 7. 2004 unterliegen Verschmelzungen und Spaltungen in der Schweiz den Regelungen des neu geschaffenen Fusionsgesetzes (FusG).275 Ersetzt wurden damit die bisher Geltung beanspruchenden, die Tatbestände 269 So die Sachverhaltsgestaltung im Fall HVB/BA, wo die österreichische Übernahmekommission zu einer analogen Anwendung von § 22 Abs. 1 öÜbG gelangt wäre, hätte in der HVB nach Abschluss der Transaktion eine kontrollierende Beteiligung bestanden, vgl. insoweit die Ausführungen unter Teil 1 A. II. 2. b), S. 43 f. 270 Oben Teil 1 A. II. 2. b), S. 44 Fn. 75. 271 Diregger/Ullmer, wbl 2002, 97 (98 ff.); Fleischer/Kalss, S. 160; Gall, wbl 2000, 544 (548 f.); Huber/Löber, ÜbG, § 22 Rn. 93; Kaindl, S. 114 ff.; Karollus/ Geist, NZG 2000, 1145 ff.; Zollner, S. 131 ff. Kalss/Winner, ÖBA 2000, 51 ff., liegen mit dem Ergebnis ihrer bereits im Vorfeld der Transaktion HVB/BA durchgeführten Untersuchung ebenfalls auf einer Linie mit der Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission. 272 Nowotny, wbl 2001, 379 (381 ff.); ders., RdW 2000, 330 f.; Szep, in: Jabornegg/Strasser, AktG, § 219 Rn. 24. 273 Kaindl, S. 121; Kalss/Winner, ÖBA 2000, 51 (56 f.); Zollner, S. 134. 274 So etwa Kaindl, S. 121; Karollus/Geist, NZG 2000, 1145 (1147). 275 Bundesgesetz vom 3. 10. 2003 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz, FusG); in Kraft getreten am 1. 7. 2004, SR 221.301 – AS 2004 2617.

D. Rechtsvergleichende Betrachtung

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der Verschmelzung und Spaltung jedoch nur äußerst rudimentär bzw. überhaupt nicht regelnden Vorschriften des schweizerischen Obligationenrechts (OR) aus dem Jahre 1936.276 Eine Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots, vergleichbar der Regelung in § 35 WpÜG, sieht das schweizerische Recht in Art. 32 BEHG277 für den Fall vor, dass jemand direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwirbt und damit zusammen mit den Papieren, die er bereits besitzt, den Grenzwert von 33 1/3 % der Stimmrechte einer Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, überschreitet.278 Entsprechend dem deutschen Recht enthalten auch in der Schweiz weder das FusG noch die öffentliche Kaufangebote kodifizierenden Regelwerke (Börsengesetz – BEHG; Börsenverordnung – BEHV279; Börsenverordnung-EBK – BEHV-EBK280, Übernahmeverordnung – UEV-UEK281) eine ausdrückliche Regelung der Anwendbarkeit des Pflichtangebots auf umwandlungsrechtliche Fallgestaltungen. Die gem. Art. 23 Abs. 3 Satz 1 BEHG, Art. 24, 35 BEHV-EBK für die Überwachung sämtlicher Angebotsverfahren zuständige schweizerische Übernahmekommission setzte sich bislang dreimal – davon zweimal in ein und derselben Sache – mit der Frage der Kontrollerlangung im Wege der Verschmelzung auseinander:282 Erstmals befasst war die Übernahmekommission mit dieser Frage im Zuge des geplanten Zusammenschlusses der Flughafen-Direktion Zürich (FDZ) mit der Flughafen-Immobilien-Gesell276 Gesetzlich geregelt waren in Art. 748 f., 770 Abs. 3, 914 OR lediglich die Verschmelzung von AGen, KGaAen und zwischen Genossenschaften sowie in Art. 750, 770 Abs. 3 OR die rechtsformübergreifende Übernahme einer AG durch eine KGaA. Das rechtliche Institut der Spaltung war dem schweizerischen Recht bis dato unbekannt; siehe hierzu v. Büren/Kindler, SZW 1998, 1 (2). 277 Bundesgesetz v. 24. 3. 1995 über die Börsen und den Effektenhandel (Börsengesetz, BEHG); in Kraft getreten am 1. 2. 1997, SR 954.1 – AS 1997 68, abgedruckt in: Baums/Thoma, Takeover Laws, CH 1 sowie abrufbar unter http://www. copa.ch unter der Rubrik „Gesetzestexte“. 278 Im Gegensatz zum deutschen Recht stellt es das schweizerische Recht den Gesellschaften in Art. 32 Abs. 1 BEHG jedoch frei, durch entsprechende Festlegung in der Satzung den Schwellenwert für die Angebotspflicht auf bis zu maximal 49% anzuheben (sog. opting up). Gem. Art. 22 Abs. 2 und 3 BEHG sowie Art. 53 BEHG können die Gesellschaften die Angebotspflicht in ihrer Satzung auch vollumfänglich abbedingen (sog. opting out). Zu diesem System des opting up und opting out ausführlich Frei, S. 237 ff.; Hofstetter, in: Vogt/Watter, Kapitalmarktrecht, Art. 32 Rn. 22 ff.; Köpfli, S. 127 ff. 279 Verordnung über die Börsen und den Effektenhandel v. 2. 12. 1996, SR 954.11 – AS 1997 85. 280 Verordnung der Eidgenössischen Bankenkommission über die Börsen und den Effektenhandel v. 25. 6. 1997, SR 954.193 – AS 1997 2045. 281 Verordnung der Übernahmekommission über öffentliche Kaufangebote v. 21. 7. 1997; von der Eidgenössischen Bankenkommission genehmigt am 11. 8. 1997, SR 954.195.1 – AS 1997 2061.

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schaft (FIG) im Jahre 1999.283 Anfang desselben Jahres hatte die FIG eine schriftliche Anfrage an die Übernahmekommission gerichtet, ob der – damals noch im Wege der Fusion geplante – Zusammenschluss eine Angebotspflicht des Kantons Zürich, das Haupt- nicht jedoch Kontrollaktionär der FIG war, gegenüber den Aktionären der FIG infolge Überschreitens des Schwellenwerts von 33 1/3 % der Stimmrechte auslösen würde. Mit – gem. Art. 57 Abs. 2 UEV-UEK die Übernahmekommission nicht bindender – Auskunft vom 25. 2. 1999 teilte der Präsident der Übernahmekommission dem Antragsteller mit, dass Art. 748, 749 OR den Sachverhalt der Fusion abschließend regele, das Überschreiten des Stimmrechtsschwellenwerts mithin keine Angebotspflicht i. S. d. Art. 32 BEHG auszulösen vermöge.284 Mit Antrag vom 11. 2. 2000 begehrte die FIG schließlich eine bindende Auskunft durch die Übernahmekommission. Gegenstand des Antrags war nunmehr jedoch die Frage, ob die Einbringung der FDZ im Wege einer Sachkapitalerhöhung unter den Tatbestand von Art. 32 BEHG falle. Hierzu stellte die Kommission in ihrer Empfehlung vom 23. 2. 2000 fest, dass das Gesetz in Art. 32 BEHG von einem weiten Begriff des Erwerbs ausgehe.285 Dieser sei weder beschränkt auf Sachverhalte des entgeltlichen Erwerbs noch auf solche des Erwerbs gegen Barzahlung. Daher sei es auch keineswegs selbstverständlich, dass ein Überschreiten des Schwellenwerts im Zuge einer Fusion nicht tatbestandsmäßig sei. Ob solche Sachverhalte von den Regelungen in Art. 748, 749 OR abschließend erfasst seien, wie noch in der Auskunft vom 25. 2. 1999 mitgeteilt, wurde offen gelassen, da die zum damaligen Zeitpunkt in Aussicht gestellt Fusion nicht Gegenstand des aktuellen Antrags war. Den Wechsel ihres Standpunkts in der Frage der Anwendbarkeit des Art. 32 BEHG auf Fusionstatbestände vollständig vollzogen hat die schweizerische Übernahmekommission schließlich in ihrer Stellungnahme 282 Insoweit zum Teil unrichtig, zum Teil überholt Fleischer, NZG 2002, 545 (549), sowie Fleischer/Kalss, S. 69, wo es jeweils heißt, dass es an einschlägiger Spruchpraxis bislang fehle. 283 Die durch den Präsidenten der schweizerischen Übernahmekommission gem. Art. 57 Abs. 2 UEV-UEK erteilte Auskunft ist – soweit ersichtlich – nicht veröffentlicht; vgl. hierzu jedoch die Ausführungen der schweizerischen Übernahmekommission in ihrer Empfehlung v. 23. 2. 2000 in Sachen Flughafen-Direktion Zürich/Flughafen-Immobilien-Gesellschaft, S. 1 f.; die Empfehlung ist abrufbar unter http://www.copa.ch unter der Rubrik „Empfehlungen“, „Pflichtangebote“. 284 So der Hinweis der schweizerischen Übernahmekommission in ihrer Empfehlung v. 23. 2. 2000 in Sachen Flughafen-Direktion Zürich/Flughafen-ImmobilienGesellschaft, S. 1 f. 285 Empfehlung der schweizerischen Übernahmekommission vom 23. 2. 2000 in Sachen Flughafen-Direktion Zürich/Flughafen-Immobilien-Gesellschaft, S. 2.

D. Rechtsvergleichende Betrachtung

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vom 15. 4. 2004 in Sachen Compagnie Industrielle et Commerciale du Gaz SA (CICG)/Société du Gaz de la Plaine du Rhône SA (SGPRh).286 In der Sache ging es in diesem Fall um die Zusammenführung der genannten Gesellschaften unter dem Dach einer neu zu schaffenden Holdinggesellschaft, die letztlich jeweils 100%ige Beteiligungen an beiden Gesellschaften halten sollte. Hierzu war geplant, dass jeweils eigens zu diesem Zweck von der CICG, respektive der SGPRh gegründete Tochtergesellschaften öffentliche Tauschangebote auf die Aktien der jeweiligen Muttergesellschaft abgeben und in einem sodann folgenden weiteren Schritt im Wege der Verschmelzung zu einer gemeinsamen Holding zusammengeführt werden sollten.287 Infolge der Transaktion wäre es zwar nicht zum Überschreiten des in Art. 32 BEHG festgelegten Schwellenwerts durch einen einzelnen Aktionär gekommen, jedoch stand ein gemeinschaftliches Handeln der Hauptaktionäre beider Gesellschaften gem. Art. 27 BEHV-EBK im Raum.288 Zwar verneinte die Übernahmekommission in ihrer Empfehlung vom 15. 4. 2004 im konkreten Fall das Bestehen einer Angebotspflicht nach Art. 32 BEHG.289 Jedoch stellte sie ausdrücklich klar, dass es für die Frage des Überschreitens des in Art. 32 BEHG festgelegten Schwellenwerts auf eine bestimmte Art und Weise der Stimmrechtserlangung nicht ankomme. Allein entscheidend sei das Ergebnis der Transaktion. Werde daher im Zuge einer Fusion der Schwellenwert von 33 1/3 % der Stimmrechte überschritten, so unterliege der Kontrollerwerber der Angebotspflicht des Art. 32 BEHG.290 286 Recommandation de la Commission des Opa du 15. 4. 2004 „Compagnie Industrielle et Commerciale du Gaz SA/Société du Gaz de la Plaine du Rhône SA“; ebenfall abrufbar – jedoch ausschließlich in französischer Sprache – unter http:// www.copa.ch unter der Rubrik „Empfehlungen“, „Freiwillige Angebote“. 287 Recommandation de la Commission des Opa du 15. 4. 2004 „Compagnie Industrielle et Commerciale du Gaz SA/Société du Gaz de la Plaine du Rhône SA“, S. 1 f. 288 Ähnlich der deutschen Regelung in § 30 WpÜG sieht das schweizerische Recht in Art. 27 i. V. m. Art. 15 Abs. 1, 2 BEHV-EBK in bestimmten Fällen die Zurechnung von Stimmrechten vor. 289 Dies im Wesentlichen deshalb, da es nach Auffassung der schweizerischen Übernahmekommission im Ergebnis dahinstehen konnte, ob von einer Stimmrechtszurechnung nach Art. 27 i. V. m. Art. 15 Abs. 1, 2 BEHV-EBK auszugehen war, da die in Frage stehenden Absprachen (Stimmrechtsbeschränkungen sowie Absprachen betreffend die Besetzung des Verwaltungsrats) zwischen den relevanten Aktionärsgruppen bereits vor Durchführung der Transaktion Bestand hatten und somit die Minderheitsaktionäre bei Bejahung des Zurechnungstatbestands vor und nach der Verschmelzung von denselben Aktionären kontrolliert worden wären. Damit hätte es jedenfalls an einem Kontrollwechsel gefehlt. 290 Recommandation de la Commission des Opa du 15. 4. 2004 „Compagnie Industrielle et Commerciale du Gaz SA/Société du Gaz de la Plaine du Rhône SA“, S. 3.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Auch in der schweizerischen Literatur wird ganz überwiegend davon ausgegangen, dass das Tatbestandsmerkmal des „Überschreitens durch Erwerb“ denkbar weit zu verstehen sei.291 Obwohl es der Gesetzestext nahe lege, dass der letzte entscheidende, zur Grenzwertüberschreitung führende Schritt durch einen „Erwerb“ von Beteiligungspapieren vollzogen werden müsse, ergebe sich bereits aus der weiteren Systematik des Gesetzes, dass der Gesetzgeber auch andere Formen der Stimmrechtserlangung habe erfassen wollen.292 Hierzu zähle insbesondere auch die Verschmelzung. Jedoch beschränke sich die Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots regelmäßig auf die Aktionäre derjenigen Gesellschaft, die vor Durchführung der Transaktion nicht bereits durch den angebotspflichtigen Aktionär kontrolliert wurde.293

III. Großbritannien Nach Rule 9.1294 des City Code on Takeovers and Mergers295 ist zur Herauslegung eines Angebots jeder verpflichtet, der, allein oder zusammen mit anderen Personen, die mit ihm gemeinsam handeln, unter Berücksichti291 Hofstetter, in: Vogt/Watter, Kapitalmarktrecht, Art. 32 BEHG Rn. 7; vgl. auch Gruber, S. 49; Köpfli, S. 159 f.; Meier-Schatz, in: Meier-Schatz, S. 93 (125), der darauf hinweist, dass es unerheblich sei, wie der Schwellenwert erreicht und überschritten werde; für eine enge Auslegung wohl nur von der Crone, in: Nobel, SZW 1997, 44 (55). 292 Verwiesen wird insoweit auf Art. 32 Abs. 2 lit. b) BEHG, wonach die Aufsichtsbehörde eine Ausnahme von der Angebotspflicht gewähren kann, wenn die Überschreitung des Schwellenwerts aus einer Verringerung der Gesamtzahl der Stimmrechte der Gesellschaft resultiert. Bereits hieraus ergebe sich, dass der Gesetzgeber auch andere Formen des Stimmrechtszuwachses habe erfassen wollen; so Hofstetter, in: Vogt/Watter, Kapitalmarktrecht, Art. 32 BEHG Rn. 7. Ähnlich auch die Argumentation der Übernahmekommission in ihrer Empfehlung v. 23. 2. 2000 in Sachen Flughafen-Direktion Zürich/Flughafen-Immobilien-Gesellschaft, S. 2, wo auf die privilegierten Tatbestände in Art. 32 Abs. 3 BEHG (Schenkung, Erbgang, Erbteilung, eheliches Güterrecht und Zwangsvollstreckung) verwiesen wird, die praktisch überflüssig wären, wäre der Begriff des Erwerbs eng auszulegen. 293 Hofstetter, in: Vogt/Watter, Kapitalmarktrecht, Art. 32 BEHG Rn. 7. 294 Rule 9.1 lautet wie folgt: Except with the consent of the Panel, when: (a) any person acquires, whether by a series of transactions over a period of time or not, shares which (taken together with shares held or acquired by persons acting in concert with him) carry 30% or more of the voting rights of a company; or (b) any person who, together with persons acting in concert with him, holds not less than 30% but not more than 50% of the voting rights and such person, or any person acting in concert with him, acquires additional shares which increase his percentage of the voting rights, such person shall extend offers, on the basis set out in Rules 9.3, 9.4 and 9.5, to the holders of any class of equity share capital whether voting or non-voting and also to the holders of any class of voting non-equity share capital in which such person or persons acting in concert with him holds shares.

D. Rechtsvergleichende Betrachtung

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gung bereits gehaltener Anteile entweder 30% oder mehr der Stimmrechte und damit die Kontrolle296 an einer Zielgesellschaft erwirbt [Rule 9.1 (a)] oder aber zwischen 30% und 50% der Stimmrechte an einer solchen Gesellschaft besitzt und weitere Stimmrechte – ein stimmberechtigter Anteil genügt297 – hinzu erwirbt [Rule 9.1 (b)].298 Die Angebotspflicht des City Code besteht dabei unabhängig von der Art und Weise des Anteils- bzw. Stimmrechtserwerbs.299 Beabsichtigt ist ein Schutz der Minderheitsaktionäre in grundsätzlich allen Fällen, in denen es zu einem Erwerb oder einer Konsolidierung der Kontrolle im oben genannten Sinne kommt. Auch der Stimmrechtserwerb im Zuge von Kapitalerhöhungen bei Verschmelzungen und Spaltungen in Form sog. schemes of arrangement300 vermag die in Rule 9.1 niedergelegte Angebotspflicht daher grundsätzlich auszulösen.301 Offers for different classes of equity share capital must be comparable; the Panel should be consulted in advance in such cases. 295 Der City Code on Takeovers and Mergers ist abgedruckt in: Baums/Thoma, Takeover Laws, UK 1 sowie abrufbar unter http://www.thetakeoverpanel.org.uk unter der Rubrik „Code/SARs“. 296 Der City Code definiert den Begriff der Kontrolle dementsprechend als „holding, or aggregate holdings, of shares carrying 30% or more of the voting rights of a company, irrespective of whether the holding or holdings gives de facto control“; vgl. City Code on Takeovers and Mergers, Definitions, „Control“. 297 Der City Code v. 16. 12. 1996 sah insoweit noch einen Erwerb von 1% der Stimmrechte innerhalb einer Zeitspanne von zwölf Monaten vor. 298 Zu Funktion und Ausgestaltung von Rule 9 City Code siehe etwa Boyle & Birds’ Company Law, S. 640 f.; Davies, S. 427 ff.; Hannigan, S. 879 ff.; Palmer’s Company Law, Bd. 2, S. 12114 ff. Rn. 12.329 ff.; aus der deutschsprachigen Literatur Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, Vor § 35 Rn. 4 ff.; v. Bülow, in: KKWpÜG, § 35 Rn. 17 ff.; Stern, ÖBA 1992, 1065 (1069 ff.); Zinser, S. 124 ff.; ders., NZG 2000, 573 (574); ders., RIW 2001, 481 (484 f.). 299 Davies, S. 430 f.; so auch Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, Vor § 35 Rn. 4; Kaindl, S. 116; Stern, ÖBA 1992, 1065 (1069); Zinser, S. 124; ders., NZG 2000, 573 (574). 300 Anders als das deutsche Recht, kennt die englische Rechtsordnung kein eigenständiges rechtliches Institut der Verschmelzung und Spaltung (statutory merger or division). Ein der Verschmelzung und Spaltung jeweils entsprechendes Ergebnis lässt sich unter englischem Recht jedoch mittels sog. schemes of arrangement erzielen, die ihre Regelung im 13. Teil des Companies Act 1985 in sec. 425 ff. unter dem Titel „Arrangements and Reconstructions“ erfahren haben. Hierbei handelt es sich, abweichen vom deutschen Recht, wo es zur Durchführung von Verschmelzungen und Spaltungen einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung zwischen den beteiligten Gesellschaften in Form eines Verschmelzungs- bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrags bedarf, um eine Vereinbarung (arrangement) allein zwischen der übertragenden Gesellschaft und ihren Anteilseignern. Ausführlich zu dem Instrument des scheme of arrangement unter englischem Recht Davies, S. 793 ff.; Hannigan, S. 902 ff.; Palmer’s Company Law, Bd. 2, S. 12009 ff. Rn. 12.001 ff.; Scott/Lewis, P. L. C. 1992, 3(1), 17 ff.; Wilkinson/Sutherland, Int. I. L. R. 1993, 1(2), 30 (32 ff.).

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Auch nach dem City Code besteht die Angebotspflicht jedoch nicht ausnahmslos. Möglichkeiten zur Befreiung durch das Takeover Panel sieht der Code in den Notes on Dispensation from Rule 9302 i. V. m. Appendix 1 (Whitewash Guidance Note) vor.303 Nach Note 1304 der Notes on Dispensation from Rule 9 befreit das Takeover Panel von der Angebotspflicht regelmäßig in dem auch für Verschmelzungen und Spaltungen relevanten Fall, wo der die Verpflichtung auslösende Stimmrechtszuwachs auf dem Erwerb junger Aktien im Zuge einer Kapitalerhöhung der Zielgesellschaft beruht, und die betroffenen Minderheitsaktionäre in einem unter Ausschluss des potentiellen Kontrollerwerbers zustande gekommenen Hauptversammlungsbeschluss der Befreiung mit einfacher Mehrheit zugestimmt haben (sog. whitewash-Beschluss).305 Hinter der Befreiungsmöglichkeit steht die Überlegung, dass der Stimmrechtszuwachs in den Fällen der Kapitalerhöhung allein auf dem Erwerb neu ausgegebener Aktien beruht, es zu Verkaufsaktivitäten einzelner Aktionäre mithin nicht kommt, wodurch eine Ungleichbehandlung der Aktionäre nicht zu besorgen ist.306 Dass Note 1 der Notes on Dispensation from Rule 9 trotz dieser nicht gegebenen Gefahr einen Zustimmungsbeschluss der Minderheitsktionäre voraussetzt, lässt sich mit der 301 Hiervon zu Recht ausgehend Kaindl, S. 116; Stern, ÖBA 1992, 1065 (1069); Vetter, WM 2002, 1999 (2009). Zustimmung lediglich im Ergebnis, nicht jedoch in der Begründung verdienen Fleischer, NZG 2002, 545 (549), sowie ders./Kalss, S. 69, die wenig nachvollziehbar in der Einbeziehung von schemes of arrangement in die Angebotsdefinition des City Code ein Argument für die Anwendung der Pflichtangebotsregelung auf Verschmelzungen und Spaltungen erblicken wollen. Ebenso wie im deutschen Recht sieht auch der City Code die Verpflichtung zur Unterbreitung eines Angebots als Rechtsfolge eines näher bezeichneten Kontrollerwerbstatbestands vor, für dessen Erfüllung die Angebotsdefinition ohne jeden Belang ist. 302 Die dort erfolgende Aufzählung von Befreiungstatbeständen ist keineswegs abschließend; das Takeover Panel ist mithin nicht daran gehindert, nach seinem Ermessen sonstige Befreiungen zu erteilen; Davies, S. 428. 303 Hierzu ausführlich Davies, S. 428 f.; aus dem deutschsprachigen Schrifttum siehe Zinser, S. 127 ff.; ders., NZG 2000, 573 (574 f.); ders., RIW 2001, 481 (484 f.); überblicksartig Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, Vor § 35 Rn. 24. 304 Note 1 der Notes on Dispensation from Rule 9 lautet wie folgt: When the issue of new securities as consideration for an acquisition or a cash subscription would otherwise result in an obligation to make a general offer under this rule, the Panel will normally waive the obligation if there is an independent vote at a shareholders’ meeting. [. . .]. 305 Zu diesem als whitewash bezeichneten Ausnahmetatbestand siehe Davies, S. 429; Palmer’s Company Law, Bd. 2, S. 12115 Rn. 12.329.1; aus der deutschsprachigen Literatur siehe Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, Vor § 35 Rn. 24; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 19; Zinser, S. 127 ff.; ders., NZG 2000, 573 (574 f.); ders., RIW 2001, 481 (484 f.). 306 Vgl. Palmer’s Company Law, Bd. 2, S. 12115 Rn. 12.329.1.

D. Rechtsvergleichende Betrachtung

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doppelten Schutzrichtung des Pflichtangebots erklären. Das Pflichtangebot soll den Minderheitsaktionären nicht nur die Beteiligung an Paketzuschlägen sichern, sondern ihnen darüber hinaus den Austritt aus der Gesellschaft zu angemessenen Konditionen ermöglichen.307 Die Einzelheiten der Befreiung von der Angebotspflicht – insbesondere im Hinblick auf das einzuhaltende Verfahren – ergeben sich aus Appendix 1 (Whitewash Guidance Note). Danach sind die Minderheitsaktionäre vor Durchführung der Beschlussfassung in einem Circular unter anderem über das die Angebotspflicht auslösende Ereignis, die entstehende Kontrollposition sowie die damit verbundenen Auswirkungen auf ihre Aktionärsstellung zu informieren.308 Weiterhin dürfen in den letzten zwölf Monaten vor der Information der Minderheitsaktionäre, frühestens jedoch ab dem Zeitpunkt der Aufnahme von Verhandlungen mit der Zielgesellschaft über den Bezug der jungen Aktien, durch den potentiellen Kontrollerwerber keine Aktien der Zielgesellschaft mehr erworben worden sein (sog. disqualifying transactions). Ist ein solcher Erwerb zu verzeichnen, scheidet eine Befreiung durch das Takeover Panel in der Regel aus.309 Dies folgt zwingend daraus, dass hier erneut eine Ungleichbehandlung der Aktionäre droht.310 In diesem Fall vermag auch ein entsprechender Beschluss der freien Aktionäre die Angebotspflicht nach Rule 9.1 City Code nicht zu überwinden.

IV. Gesamtbild Als Ergebnis der rechtsvergleichenden Untersuchung ergibt sich ein grundsätzlich einheitliches Bild. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Anwendbarkeit des übernahmerechtlichen Pflichtangebots auf Verschmelzungen und Spaltungen enthalten die Rechtsordnungen Österreichs, der Schweiz wie auch Großbritanniens – ebenso wie das deutsche Recht – nicht. Gleichwohl besteht in den untersuchten Rechtsordnungen Einigkeit, dass es für das Auslösen des Pflichtangebots auf eine bestimmte Art und Weise des Kontrollerwerbs nicht ankommt. In Österreich, in der Schweiz wie auch in Großbritannien besteht die Angebotspflicht daher auch dann, wenn 307 Zu diesem doppelten Regelungszweck von Rule 9 City Code siehe die Ausführungen bei Davies, S. 431; Lee, EWS 1990, 241 (243); hierzu auch bereits oben Tei 4 B. I., S. 114 f. 308 Appendix 1 (Whitewash Guidance Note), sec. 4 (a). Zu den darüber hinaus bestehenden umfassenden Informationspflichten siehe sec. 4 (b)–(m) der Whitewash Guidance Note. 309 Appendix 1 (Whitewash Guidance Note), sec. 3 (a). 310 Palmer’s Company Law, Bd. 2, S. 12115 Rn. 12.329.1.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

es im Rahmen einer Verschmelzung oder Spaltung – wie in Fallkonstellation I311 – zu einem Kontrollwerb an dem börsennotierten übernehmenden Rechtsträger durch einen Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft kommt. In Österreich wird das Pflichtangebot darüber hinaus auch dann ausgelöst, wenn es zu einer Kontrollerlangung an dem übernehmenden Rechtsträger zwar nicht kommt, die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft sich jedoch – wie in Fallkonstellation II312 – mit Wiksamwerden der Umwandlung in einem bereits kontrollierten Rechtsträger wieder finden. In diesem Fall ist der Kontrollinhaber selbst dann angebotspflichtig, wenn es sich bei dem übernehmenden Rechtsträger – wie in Fallkonstellation III313 – um eine nicht börsennotierte Gesellschaft handelt. Eine Möglichkeit der Befreiung von der Angebotspflicht bei Verschmelzungen und Spaltungen sieht – jedenfalls ausdrücklich – lediglich der englische City Code vor. Stimmen die Minderheitsaktionäre im Rahmen eines sog. whitewash-Verfahrens durch Mehrheitsbeschluss einer Befreiung von der Angebotspflicht zu, so kann das Takeover Panel den potentiellen Kontrollerwerber von seiner Verpflichtung entbinden.

V. Folgerungen für die Handhabung der Problematik im deutschen Recht Im deutschen Schrifttum ist mitunter angezweifelt worden, dass insbesondere die Rechtslage in Österreich ein ausreichendes Maß an Ähnlichkeit zu der Regelung in § 35 WpÜG aufweise, als dass aus ihr Erkenntnisse auch für die Handhabung der Problematik im deutschen Recht gezogen werden könnten. Auch soll die Regelung im englischen Recht eher gegen als für die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen sprechen. 1. Die Ansicht Vetters Nach der Ansicht Vetters soll ein wesentlicher Unterschied zu der Regelung in Österreich darin bestehen, dass § 22 Abs. 8 öÜbG im Gegensatz zum deutschen Recht zwingend ein Barangebot vorsehe, welches lediglich durch ein Tauschangebot ergänzt werden könne.314 In Abweichung zum 311 312 313 314

Zu dieser Fallkonstellation oben Teil 4 C. I. 1., S. 139 f. Zu dieser Fallkonstellation oben Teil 4 C. I. 2., S. 141 f. Zu dieser Fallkonstellation oben Teil 4 C. I. 3., S. 142 ff. Vetter, WM 2002, 1999 (2008).

D. Rechtsvergleichende Betrachtung

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deutschen Recht, wo den Minderheitsaktionären gem. § 31 Abs. 2 WpÜG auch reine Tauschangebote unterbreitet werden könnten, bestehe daher für die Minderheitsaktionäre in Österreich eine tatsächliche Möglichkeit zum Ausstieg aus der kontrollierten Gesellschaft. Dem Pflichtangebot im österreichischen Recht komme daher – anders als in § 35 WpÜG – die Funktion eines effektiven Konzerneingangsschutzes zu, was insoweit von besonderer Bedeutung sei, als die österreichische Rechtsordnung ein den Regelungen der §§ 291 ff. AktG vergleichbares materielles Konzernrecht im Übrigen nicht kenne.315 Allein vor diesem Hintergrund sei das Bestreben nach einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Pflichtangebotsregelung auf Verschmelzungen und Spaltungen zu rechtfertigen.316 Ähnlich argumentiert Vetter im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Rechtslage in Deutschland und Großbritannien. Ebenso wie unter österreichischem Recht seien reine Tauschangebote auch nach dem City Code ausgeschlossen, so dass auch dort für die Minderheitsaktionäre eine echte Ausstiegsmöglichkeit gegen Barabfindung bestehe. Vor allem aber sei zu beachten, dass das Takeover Panel den Angebotsverpflichteten in Fällen des Kontrollerwerbs im Rahmen einer Kapitalerhöhung gem. Note 1 der Notes on Dispensation from Rule 9 regelmäßig von seiner nach Rule 9.1 bestehenden Angebotspflicht befreie, sofern nur die Minderheitsaktionäre dem Kontrollerwerb mit der erforderlichen Mehrheit zugestimmt hätten. Aus der diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugrunde liegenden Interessenabwägung soll nach der Ansicht Vetters nunmehr folgender Schluss zu ziehen sein: Wenn bereits das Pflichtangebot nach dem City Code, das im Gegensatz zu der Regelung in § 35 WpÜG den Minderheitsaktionären eine echte Ausstiegsmöglichkeit eröffne, für regelmäßig nicht erforderlich gehalten werde, so müsse diese Wertung erst Recht Platz greifen, wenn der durch das Pflichtangebot gewährte Schutz deutlich geringer ausfalle, wie dies im deutschen Recht aufgrund der bestehenden Möglichkeit zur Gewährung von Tauschaktien der Fall sei.317 2. Stellungnahme Die Ausführungen Vetters vermögen weder in der Argumentation noch im Ergebnis zu überzeugen. Zwar ist es zutreffend, dass sowohl das österreichische als auch das englische Recht von dem Kontrollerwerber zwingend ein Barangebot einfordern,318 reine Tauschangebote, wie sie der deut315

Siehe zu diesem Aspekt auch Karollus/Geist, NZG 2000, 1145 (1146). Vetter, WM 2002, 1999 (2008 f.). 317 Vetter, WM 2002, 1999 (2009). 318 Im Hinblick auf das österreichische Recht vgl. § 22 Abs. 8 Satz 1 und 2 öÜbG; siehe hierzu auch Diregger/Winner, WM 2002, 1583 (1586). Betreffend das 316

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sche Gesetzgeber auch im Rahmen eines Pflichtangebots gem. § 31 Abs. 2 WpÜG grundsätzlich für zulässig erachtet, mithin ausgeschlossen sind. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass es den Rechtslagen an einer hinreichenden Vergleichbarkeit fehlt. Denn trotz der bestehenden Regelungsunterschiede liegen die Wurzeln des Pflichtangebots in Österreich und Großbritannien – ebenso wie in Deutschland319 – im Kapitalmarkt- und nicht im Gesellschaftsrecht.320 Für das österreichische Recht findet die hier vertretene Ansicht ihre Bestätigung letztlich auch in der Entscheidung der österreichischen Übernahmekommission in Sachen HVB/BA,321 wo der von Vetter als entscheidend erachtete Aspekt des Konzerneingangsschutzes trotz ausführlicher teleologischer Erwägungen keinerlei Beachtung fand. Dass das Fehlen eines materiellen Konzernrechts, verbunden mit der Unzulässigkeit reiner Tauschangebote keine tragfähige Argumentationsgrundlage für die Auffassung Vetters bietet, zeigt weiterhin ein Blick auf die schweizerische Rechtslage. Auch dort fehlt es an konzernspezifischen Minderheitsschutzvorschriften. Gleichwohl sehen Art. 32 Abs. 6 BEHG i. V. m. Art. 39 Abs. 1 BEHV-EBK die Möglichkeit eines reinen Tauschangebots vor.322 Und gleichwohl besteht im schweizerischen Recht weitgehende Einigkeit darüber, dass den Minderheitsaktionären der durch das Pflichtangebot vermittelte Schutz auch in Fällen der Umwandlung zu gewähren ist. Auch soweit Vetter ausgehend von der Rechtslage unter dem englischen City Code schlussfolgern will, dass die dortige Regelung eher gegen als für eine Anwendbarkeit des Pflichtangebots auf Tatbestände der Verschmelzung und Spaltung spreche, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen ist es widersprüchlich, wenn Vetter auf bestehende Regelungsunterschiede im Verhältnis zu der Rechtslage unter dem WpÜG hinweist, hieraus jedoch – anders als bei § 22 öÜbG – nicht auf die fehlende Vergleichbarkeit der Rechtslagen, sondern auf die Nichtanwendbarkeit des Pflichtangebots auf Verschmelzungen und Spaltungen schließen will. Zum anderen geht die Argumentation aber auch in der Sache fehl: Allein aus der Tatsache, dass der City Code mit dem in Note 1 der Notes on Dispensation from Rule 9 vorenglische Recht vgl. Rule 9.5 (a) City Code: „Offers made under this rule (sc. Rule 9: the mandatory offer) must, in respect of each class of share capital involved, be in cash or be accompanied by a cash alternative [. . .].“ 319 Hierzu eingehend oben Teil 4 B. II. 3., S. 133 ff. 320 Für Großbritannien weist hierauf zu Recht hin Fleischer, NZG 2002, 545 (547) „[. . .] ursprünglich aus dem Kapitalmarktrecht stammend [. . .]“. 321 Oben Teil 1 A. II., S. 40 ff. 322 Vgl. zu dieser Möglichkeit auch Bernet, S. 230; Gruber, S. 102 f.; Hofstetter, in: Vogt/Watter, Kapitalmarktrecht, Art. 32 BEHG Rn. 56.

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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gesehenen whitewash-Verfahren eine Möglichkeit zur Befreiung von der Angebotspflicht in den Fällen der Kontrollerlangung durch Kapitalerhöhung vorsieht, kann auf eine Nichtanwendbarkeit des Pflichtangebots kaum geschlossen werden, würde dies im Ergebnis doch gerade die Umkehrung des in den dortigen Regelungen zum Ausdruck kommenden Regel-AusnahmeVerhältnisses bedeuten. Endlich geht es vorliegend aber auch nicht darum, die in ausländischen Rechtsordnungen bestehende Rechtslage sowie die dort vorgebrachten Argumente auf das deutsche Recht zu übertragen.323 Zu sehen ist die hier erfolgte rechtsvergleichende Untersuchung vielmehr vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Bestrebens, das deutsche Recht im Bereich der Unternehmensübernahmen an international übliche Regelungsstandards anzugleichen und den Wirtschaftsstandort und Finanzplatz Deutschland im internationalen Wettbewerb zu stärken. Für den vor einer Investitionsentscheidung stehenden Anleger allein entscheidend ist insoweit, ob ihm als potentiellen Minderheitsaktionär im Zuge einer Verschmelzung oder Spaltung derselbe Schutz gewährt wird wie bei einer auf Rechtsgeschäft beruhenden Kontrolltransaktion. In Österreich, der Schweiz und Großbritannien ist dies jedenfalls im Grundsatz der Fall. Gerade deshalb ist es entscheidend, ob das WpÜG mit dem Pflichtangebot als zentraler Regelung des Übernahmerechts hinter seiner eigenen Zielvorgabe unter Umständen zurück bleibt. Im Wesentlichen hierin liegt der eigentliche Wert der vorgenommenen rechtsvergleichenden Untersuchung.324

E. Unmittelbare Anwendbarkeit Ob und gegebenenfalls in welchen der oben dargestellten Fallkonstellationen Verschmelzungen und Spaltungen die Angebotspflicht des § 35 WpÜG auszulösen vermögen, kann letztlich nur unter Berücksichtigung der allgemein anerkannten Kriterien der Auslegung beantwortet werden. Nach dem klassischen Auslegungskanon sind hierbei neben dem Wortlaut des Gesetzes und der Regelungsabsicht des Gesetzgebers systematische, entstehungsgeschichtliche sowie teleologische Gesichtspunkte zu berücksichtigen.325

323

Hierauf wurde bereits einleitend hingewiesen; oben Teil 4 D., S. 164. Hierzu bereits einleitend Teil 4 D., S. 164. 325 Larenz, S. 320 ff.; siehe hierzu auch Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl. Rn. 41 ff. 324

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I. Auslegung des § 35 WpÜG 1. Wortlaut Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG hat derjenige, der unmittelbar oder mittelbar die Kontrolle über eine Zielgesellschaft erlangt, dies unter Angabe der Höhe seines Stimmrechtsanteils unverzüglich, spätestens innerhalb von sieben Kalendertagen, gem. § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 WpÜG zu veröffentlichen. Gem. § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG hat der Bieter innerhalb von vier Wochen nach dieser Veröffentlichung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine Angebotsunterlage zu übermitteln und nach § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Angebot zu veröffentlichen.326 a) Begriffsbestimmung Kern der Vorschrift ist der Tatbestand der „Kontrollerlangung über eine Zielgesellschaft“. Hieran knüpft der Gesetzgeber die Rechtsfolge der Veröffentlichungs- und Angebotspflicht. Hier muss folglich die Untersuchung des Anwendungsbereichs des § 35 WpÜG ansetzen. Im Folgenden soll daher zunächst der Frage nachgegangen werden, was das Gesetz unter „Kontrollerlangung über eine Zielgesellschaft“ versteht. aa) Kontrollerlangung (1) Legaldefinition des Kontrollbegriffs in § 29 Abs. 2 WpÜG Was das Gesetz unter Kontrolle i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG versteht, ergibt sich aus § 29 Abs. 2 WpÜG, der unmittelbar zwar nur für Übernahmeangebote nach § 29 Abs. 1 WpÜG Geltung beansprucht, über die Verweisung in § 39 WpÜG für Pflichtangebote jedoch sinngemäß zur Anwendung gelangt.327 Nach der Legaldefinition des § 29 Abs. 2 WpÜG ist Kontrolle das Halten von mindestens 30% der Stimmrechte an einer 326 Die Pflicht zur Angebotsunterbreitung ergibt sich mithin ausschließlich aus § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG. Jedoch ist die nach § 35 Abs. 1 Satz 1 bestehende Pflicht zur Veröffentlichung der Kontrollerlangung letztlich auslösendes Moment für das Veröffentlichungsverfahren nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG; vgl. v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 29 sowie 137 f. Dies rechtfertigt es, im Rahmen der folgenden Auslegung primär an § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG anzuknüpfen. 327 Unter Zugrundelegung des Wortlauts von § 39 WpÜG gilt die Anordnung der sinngemäßen Anwendung der Vorschriften des 3. und 4. Abschnitts lediglich für Pflichtangebote nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG, nicht jedoch für die Veröffentlichungspflicht des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG. Dass die Vorschriften des 3. und 4. Abschnitts – insbesondere §§ 20, 29 Abs. 2 und § 30 WpÜG – auch hier Anwen-

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Zielgesellschaft. Damit legt das Gesetz dem Kontrollbegriff einen rein abstrakten Maßstab zugrunde: Entscheidend ist allein das Halten eines mindestens 30%igen Stimmrechtsanteils, nicht aber, ob dieser Anteil auch die tatsächliche Ausübung von Kontrolle ermöglicht.328 Jedoch kann aufgrund aktuell üblicher durchschnittlicher Hauptversammlungspräsenzen von knapp unter 50%329 davon ausgegangen werden, dass das Halten eines solchen Stimmrechtsanteils regelmäßig zur Begründung einer (einfachen) Hauptversammlungsmehrheit ausreichend sein wird.330 Weiterhin setzt § 29 Abs. 2 WpÜG das „Halten“ eines solchen Stimmrechtsanteils voraus. Für die Angebotspflicht nach § 35 WpÜG ist dieses Tatbestandsmerkmal jedoch ohne weitere Bedeutung, da es nach der insoweit eindeutigen Formulierung in § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WpÜG nicht auf das Halten, sondern vielmehr auf das „Erlangen“ der Kontrolle ankommt.331 Damit ersetzt § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WpÜG das statische Moment des Haltens in § 29 Abs. 2 WpÜG durch ein dynamisches.332 Unter anderem hierin äußert sich die von § 39 WpÜG angeordnete (lediglich) sinngemäße Anwendung der Vorschrift.333 dung finden, entspricht jedoch allgemeiner Ansicht; siehe nur v. Bülow, in: KKWpÜG, § 39 Rn. 20 m. w. N. 328 v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 29 Rn. 69; Diekmann, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 29 Rn. 37; Thoma, NZG 2002, 105 (111). 329 Auch schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des WpÜG lag die durchschnittliche Hauptversammlungspräsenz der DAX 30-Unternehmen bei nur knapp über 50%; vgl. hierzu, wie auch zu den aktuellen Präsenzen, die Erhebungen der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V.; abrufbar unter http://www.dswinfo.de unter der Rubrik „Hauptversammlung“, „Hauptversammlungspräsenzen“. 330 So auch Diekmann, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 29 Rn. 5; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 29 Rn. 13; Pötzsch/Möller, WM 2000, SBeil. Nr. 2, S. 17; Süßmann, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 29 Rn. 14; kritisch zu der normativen Aussagekraft dieses Schwellenwerts jedoch Mülbert, ZIP 2001, 1221 (1225). 331 Insoweit zu Unrecht nicht differenzierend die h. M.; vgl. nur Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 16; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 44; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 35 Rn. 13; Harbarth, ZIP 2002, 321 (322 f.); Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 53; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 35 Rn. 6. 332 So verstanden, lassen sich auch die nach der Begründung zu § 35 Abs. 1 RegE-WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 59, nicht erfassten Altfälle sowie die Fälle erstmaliger Börsenzulassung bei schon bestehender 30%iger Stimmrechtsmehrheit bereits rein sprachlich aus dem Anwendungsbereich der Norm eindeutig ausklammern. 333 Zu Recht darauf hinweisend, dass trotz der pauschalen Verweisung auf die Vorschriften des 3. und 4. Abschnitts der Inhalt einzelner Bezugsnormen den Besonderheiten des Pflichtangebots angepasst werden muss, Ekkenka, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 39 Rn. 2.

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Entsprechendes gilt es festzustellen für das weitere Tatbestandsmerkmal der „Zielgesellschaft“ als das von § 29 Abs. 2 WpÜG angesprochene Kontrollobjekt. Nach § 29 Abs. 2 WpÜG handelt es sich bei dem Merkmal der Zielgesellschaft zwar um einen Definitionsbestandteil schon des Kontrollbegriffs. Aus gesetzgeberischer Sicht erforderlich war die Aufnahme des Kontrollobjekts in die Kontrolldefinition des § 29 Abs. 2 WpÜG jedoch nur deshalb, da § 29 Abs. 1 WpÜG es unterlässt, dieses zu benennen.334 Anders jedoch die Vorschrift des § 35 WpÜG: Dass der Stimmrechtsanteil an einer Zielgesellschaft erlangt werden muss, ergibt sich hier unmittelbar aus § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG. „Sinngemäß“ i. S. d. § 39 WpÜG bedeutet im Hinblick auf die Anwendung von § 29 Abs. 2 WpÜG folglich nur, dass auch im Rahmen von § 35 WpÜG die Kontrollschwelle von 30% Geltung beansprucht.335 Ein Anwendungsbefehl für die übrigen Definitionsmerkmale des § 29 Abs. 2 WpÜG ist aufgrund der – zum Teil ohnehin spezielleren – selbständigen Nennung in § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG damit weder erforderlich noch im Ergebnis verbunden. (2) Das Merkmal des „Erlangens“ Wie vorstehend bereits erwähnt, kommt es nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG – anders als im Rahmen von § 29 Abs. 2 WpÜG – nicht auf das Halten, sondern vielmehr auf das „Erlangen“ des vom Gesetz als maßgeblich erklärten 30%igen Stimmrechtsanteils an. Auf das in der Begrifflichkeit enthaltene dynamische Moment wurde bereits hingewiesen.336 Dieses indiziert, dass es zur Tatbestandsverwirklichung auf einen Zuwachs an Stimmrechten ankommen soll.337 Offen lässt die Formulierung indes, auf welche Art und Weise der Zuwachs zu erfolgen hat. Unstreitig ist, dass hierfür nur auf den dinglichen Erwerb der stimmberechtigten Anteile in entsprechendem Umfang abzustellen sein kann.338 Über die konkrete Erwerbstechnik sagt dies jedoch nichts aus. Mit dem Begriff des Erlangens hat der Gesetzgeber einen Terminus gewählt, der gerade nicht an eine bestimmte Er334 Hätte der Gesetzgeber – unter systematischen Gesichtspunkten sauberer – das Kontrollobjekt Zielgesellschaft bereits in die Definition des § 29 Abs. 1 WpÜG aufgenommen – diese hätte dann gelautet „[. . .], die auf den Erwerb der Kontrolle an einer Zielgesellschaft gerichtet sind.“ –, so hätte der Begriff der Kontrolle in Abs. 2 lediglich als „das Halten von mindestens 30% der Stimmrechte“ definiert werden können, was zu weniger Friktionen im Hinblick auf § 35 WpÜG geführt hätte. 335 A. A. insoweit offenbar Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 26, wonach auch im Rahmen von § 35 WpÜG die vollständige Definition des § 29 Abs. 2 WpÜG Geltung beanspruchen und das Innehaben von 30% der Stimmrechte spezifisch für börsennotierte Zielgesellschaften gelten soll. 336 Oben Teil 4 E. I. 1. a) aa) (1), S. 179. 337 v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 64.

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werbstechnik, sondern vielmehr an das Erreichen bzw. Überschreiten eines bestimmten Schwellenwerts anknüpft. Auch im Schrifttum wird ganz überwiegend davon ausgegangen, dass die Art und Weise der Kontrollerlangung nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG grundsätzlich unerheblich sei.339 Der Begriff sei denkbar weit zu verstehen und umfasse neben dem rechtsgeschäftlichen auch den gesetzlichen Erwerb,340 etwa im Wege einer gesetzlich angeordneten Gesamtrechtsnachfolge.341 Dieser Sichtweise ist uneingeschränkt zuzustimmen. Durch das Abstellen auf das „Erlangen“ der Kontrolle ist der Wortlaut von § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG ohne Zweifel weit genug gefasst, um neben rechtsgeschäftlichen auch gesetzliche Erwerbstatbestände zu erfassen.342 Dass es zur Tatbestandsverwirklichung nicht auf eine bestimmte Akquisitionstechnik ankommen soll, davon geht auch der Gesetzgeber in den Materialien aus, wo es insoweit heißt: „Sowohl der rechtsgeschäftliche börsliche und außerbörsliche Erwerb von stimmberechtigten Aktien als auch der Erwerb solcher Aktien von Todes wegen sowie Verhaltensweisen, die zu einer Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 führen, können daher grundsätzlich die Verpflichtung nach § 35 auslösen.“343 Für eine denkbar weite Auslegung im oben genannten Sinne spricht schließlich auch ein Vergleich mit dem Wortlaut des § 21 WpHG.344 Hiernach hat ein Gesellschafter unverzüglich sowohl der Gesellschaft als auch der BaFin Mitteilung zu erstatten, sobald er durch Erwerb, Veräußerung oder auf sonstige Weise eine Stimmrechtsschwelle in näher bestimmter Höhe erreicht, über- oder unterschreitet. Damit knüpft § 21 WpHG, ebenso 338 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 57; v. Bülow, in: KKWpÜG, § 35 Rn. 51; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 15; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 17. 339 Altmeppen, ZIP 2001, 1073 (1081); Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 59 ff.; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 48; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 14; Grabbe/Fett, NZG 2003, 755; Harbarth, ZIP 2002, 321 (323); Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 17; Lenz/Linke, AG 2002, 361 (367); Meyer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 35 Rn. 26; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 68; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (467 f.); Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A Rn. 90; Technau, AG 2002, 260 (261). 340 Vgl. die Nachweise oben Fn. 339. 341 Altmeppen, ZIP 2001, 1073 (1081); Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 63; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 52; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 15; Harbarth, ZIP 2002, 321 (323); Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 17; Schlitt, in: MünchKommAktG, § 35 WpÜG Rn. 73 ff.; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (467 f.). 342 So auch ausdrücklich Fleischer, NZG 2002, 545 (549). 343 Begründung zu § 35 Abs. 1 RegE-WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 59. 344 Vgl. zum österreichischen Recht Zollner, S. 103 f.

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wie § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG, seine Rechtsfolge an das Überschreiten eines bestimmten Stimmrechtsschwellenwerts. Während die Begriffe „Erwerb“ und „Veräußerung“ – ebenso wie im WpÜG345 – als auf die dingliche Übertragung der Aktien gerichtete Rechtsgeschäfte verstanden werden,346 entspricht es allgemeiner Ansicht, dass von der Formulierung „auf sonstige Weise“ die Fälle der gesetzlich angeordneten Gesamtrechtsnachfolge erfasst werden sollen.347 Hätte der Gesetzgeber mit § 35 WpÜG lediglich rechtsgeschäftliche Erwerbstatbestände erfassen wollen, so hätte es nahe gelegen, statt auf die sprachlich deutlich weiter gefasste Begrifflichkeit des „Erlangens“ auch hier auf den Terminus des „Erwerbs“ zurückzugreifen. Dadurch, dass der Gesetzgeber sich für den Begriff der Kontrollerlangung entschieden hat, wird deutlich, dass er über die Erfassung des reinen rechtsgeschäftlichen Erwerbs gerade hinaus gehen wollte, wozu es – wollte er nicht wie in § 21 WpHG mit der Unterteilung in „Erwerb“ und „auf sonstige Weise“ arbeiten – eines sämtliche Tatbestände umfassenden Oberbegriffs bedurfte. Der Ausdruck „Erlangen“ in § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG ist daher, ähnlich wie der zusammengesetzte Tatbestand des § 21 WpHG, denkbar weit zu verstehen. bb) Über eine Zielgesellschaft Gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG wird die Veröffentlichungs- und damit auch die Angebotspflicht nur dann ausgelöst, wenn die Kontrolle über eine Zielgesellschaft i. S. d. Gesetzes erlangt wird. Durch das Gesetz konkretisiert wird hiermit das Bezugsobjekt der Kontrolle. Zielgesellschaften sind gem. der Legaldefinition des § 2 Abs. 3 WpÜG AGen oder KGaAen mit Sitz im Inland.348 Legt man ausschließlich den Wortlaut des § 2 Abs. 3 WpÜG zugrunde, so scheint es nicht darauf anzukommen, dass das Kontrollobjekt börsennotiert ist.349 Dass nur solche AGen und KGaAen als taugliche Kontrollobjekte in Betracht kommen, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt i. S. d. § 2 Abs. 7 WpÜG zugelassen sind, ergibt sich jedoch ohne Zweifel aus der abstrakten Umschreibung des Anwen345 Zum Erwerbsbegriff des WpÜG siehe ausführlich oben Teil 3 C. I. 2., S. 90 ff. 346 Hüffer, AktG, Anh. § 22, § 21 WpHG Rn. 8; Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 21 WpHG Rn. 12; vgl. auch Schneider, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 21 Rn. 40 ff., der Kaufverträge jedoch von § 22 Abs. 1 Nr. 5 WpHG erfasst sehen will. 347 Hüffer, AktG, Anh. § 22, § 21 WpHG Rn. 8; Bayer, in: MünchKomm-AktG, Anh. § 22, § 21 WpHG Rn. 26; Koppensteiner, in: KK-AktG, Anh. § 22, §§ 21 ff. WpHG Rn. 13; Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 21 WpHG Rn. 13. 348 Vgl. auch oben Teil 1 B. II. 1. b) und 2., S. 48 f. 349 Hierauf zutreffend hinweisend v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 28.

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dungsbereichs des Gesetzes in § 1 WpÜG sowie aus dem Gesamtzusammenhang,350 insbesondere aus dem kapitalmarktrechtlichen Charakter des Gesetzes.351 Erklären lässt sich der fehlende Hinweis auf die Notwendigkeit der Börsennotierung in § 2 Abs. 3 WpÜG wohl nur damit, dass der Gesetzgeber bei der Ausarbeitung der einzelnen Regelungen des Gesetzes davon ausgegangen ist, mit der in § 1 WpÜG vorangestellten abstrakten Definition einen subsumtionsfähigen Tatbestand geschaffen zu haben, durch den der Anwendungsbereich des Gesetzes vollständig und lückenlos umschrieben wird. Dass dies nicht der Fall ist, wurde bereits ausführlich dargelegt.352 In Fällen wie dem Vorliegenden lässt es sich daher nicht vermeiden, auf die abstrakte Definition des § 1 WpÜG zumindest ergänzend zurückzugreifen.353 Zielgesellschaft i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG sind AGen und KGaAen folglich nur dann, wenn sie an einem organisierten Markt börsennotiert sind. Im Anschluss an die Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission in Sachen HVB/BA wird im deutschen Schrifttum in Übereinstimmung mit den Aussagen der Übernahmekommission354 jedoch zunehmend bezweifelt, dass es im Rahmen des § 35 WpÜG tatsächlich auf die Kontrollerlangung über eine Zielgesellschaft ankommen könne.355 Entsprechend der Schutzrichtung des Pflichtangebots – geschützt werden sollen die Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft356 – könne letztlich nur entscheidend sein, dass diese sich einem neuen Kontrollaktionär gegenüber sähen. Für die Frage nach dem Vorliegen einer Kontrollerlangung sei daher ausschließlich auf die Sicht der Minderheitsaktionäre abzustellen.357 Die aufgeworfene Streitfrage bedarf jedoch in dem hier erörterten Zusammenhang, in 350

So auch v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 28 sowie § 39 Rn. 24 ff. Zu diesem oben Teil 1 B. I., S. 46. 352 Oben Teil 1 B. II. 1. a), S. 47 f. 353 Vgl. Versteegen, in: KK-WpÜG, § 1 Rn. 3; auf diese Notwendigkeit wurde bereits im Rahmen der Absteckung des sachlichen Anwendungsbereichs des WpÜG hingewiesen; oben Teil 1 B. II. 1. a), S. 48 Fn. 96. 354 Hierzu oben Teil 1 A. II. 2. b), S. 43 f. 355 Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A Rn. 94 und 102; Kalss, in: Semler/Volhard, Bd. 2, § 51 Rn. 67; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (571); nach Ansicht von Seibt/Heiser, ZHR 2001, 466 (482), soll es zumindest in Ausnahmefällen geboten sein, auf die Sicht der Aktionäre abzustellen; zum österreichischen Recht siehe Fleischer/Kalss, S. 160; Gall, wbl 2000, 544 (548); Kaindl, S. 121; Kalss/ Winner, ÖBA 2000, 51 (53 f.); Zollner, S. 137. 356 Zu den einzelnen Regelungszwecken ausführlich oben Teil 4 B. I., S. 114 ff. 357 Vgl. die Nachweise oben Fn. 355. Besondere Bedeutung kommt diesem Ansatz insbesondere in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung zu, in denen die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft – wie in Fallkonstellation II – in eine vor und nach Durchführung der Transaktion gleichermaßen kontrollierte Zielgesellschaft transferiert werden. 351

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dem es ausschließlich um die Wortlautinterpretation von § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG geht, keiner abschließenden Bewertung. Auf wessen Sicht bei der Frage nach dem Vorliegen einer Kontrollerlangung abzustellen ist, kann nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht wirklich zweifelhaft sein.358 Der Gesetzgeber stellt in § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG ausdrücklich auf die Zielgesellschaft als einzig relevantes Kontrollobjekt ab.359 Dass hiermit die Aktionäre in Bezug genommen sein könnten, ist bereits rein sprachlich, insbesondere auch aufgrund des im Recht der Kapitalgesellschaften Geltung beanspruchenden Trennungsprinzips,360 nahezu ausgeschlossen. Zwar geht es vorliegend, anders als bei diesem, nicht um die Frage der Zuweisung von Rechten und Pflichten an die Zielgesellschaft. Gleichwohl muss unterstellt werden, dass sich der Gesetzgeber der grundsätzlichen Unterscheidung von Gesellschaft und Gesellschaftern im Recht der AG bzw. KGaA bei Schaffung der Regelung bewusst war. Dieses Verständnis liegt erkennbar auch der sonstigen Verwendung des Begriffs der Zielgesellschaft im WpÜG zugrunde. Lag es in der Absicht des Gesetzgebers, die Aktionäre der Zielgesellschaft in Bezug zu nehmen, so hat er dies regelmäßig hinreichend deutlich gemacht und diese als „Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft“ bezeichnet.361 Insoweit ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber dem Begriff der Zielgesellschaft an den verschiedenen Stellen innerhalb des WpÜG einen einheitlichen Sinngehalt zugrunde gelegt hat. cc) Ergebnis Unter Zugrundelegung des Wortlauts von § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG bedarf es zum Auslösen der Veröffentlichungs- und Angebotsverpflichtung des dinglichen Erwerbs von mindestens 30% der Stimmrechte an einer Zielgesellschaft. Auf welche Art und Weise der so verstandene Stimmrechtserwerb herbeigeführt wird, ist grundsätzlich unerheblich. Erfasst ist neben dem rechtsgeschäftlichen auch der gesetzliche Erwerb. Zielgesellschaft und damit Kontrollobjekt können ausschließlich AGen oder KGaAen sein, sofern sie an einem organisierten Markt i. S. d. § 2 Abs. 7 WpÜG börsennotiert sind. 358

Hiervon gehen ganz offensichtlich auch die Vertreter oben genannter Ansicht aus, denn eine unmittelbare Anwendung von § 35 WpÜG wird in Fallkonstellation II – soweit ersichtlich – von niemandem vertreten. 359 So ausdrücklich auch Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 21. 360 Hiernach ist ausschließlich die Kapitalgesellschaft selbst Zuordnungsobjekt von Rechten und Pflichten, nicht auch ihre Anteilsinhaber; für die AG und KGaA vgl. Hüffer, AktG, § 1 Rn. 4. 361 So etwa in § 3 Abs. 1 und 2 WpÜG.

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b) Anwendung auf Verschmelzungen und Spaltungen Die gefundenen Begriffsbestimmungen sind im Folgenden auf die oben dargestellten Fallkonstellationen der Verschmelzung und Spaltung anzuwenden. aa) Kontrollerlangung über eine börsennotierte Zielgesellschaft (1) Fallkonstellation I In Fallkonstellation I362 werden die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft im Fall der Verschmelzung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 UmwG sowie im Fall der Spaltung gem. § 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 UmwG mit Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister des Sitzes des übernehmenden bzw. übertragenden Rechtsträgers kraft gesetzlich angeordneter (partieller) Gesamtrechtsnachfolge Anteilsinhaber an dem übernehmenden Rechtsträger.363 Kommt es dabei, vermittelt über den Anteilserwerb, zu einem die 30%ige Kontrollschwelle überschreitenden Zuwachs der Stimmrechte an dem übernehmenden Rechtsträger durch einen Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft, und handelt es sich bei dem übernehmenden Rechtsträger um eine an einem organisierten Markt i. S. d. § 2 Abs. 7 WpÜG börsennotierte AG oder KGaA, so erlangt dieser Anteilsinhaber nach dem oben Gesagten mit Eintragung der Verschmelzung bzw. Spaltung ohne weiteres die Kontrolle über eine Zielgesellschaft i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG.364 Die Tatsache, dass die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft ihre Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger kraft gesetz362

Oben Teil 4 C. I. 1., S. 139 f. Im Fall der Ausgliederung wird die übertragende Gesellschaft gem. § 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 UmwG selbst Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers. 364 Allgemeine Ansicht; vgl. Adolff, S. 241; ders., ZGR 2002, 579 (584 f.); Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 112; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 74; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 768 (774); Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 31; Heckschen, in: Heckschen/Simon, § 6 Rn. 10 (Bsp. 1); Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 28; Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 17; dies., in: Semler/Volhard, Bd. 2, § 51 Rn. 67 (Fall II); Kleindiek, ZGR 2002, 546 (570, Fall 1); Kopp/v. Dryander, in: Apfelbacher/Barthelmess/Buhl/v. Dryander, Sec. 35 No. 3; Krause/Pötzsch, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 143 und 157; Lenz/Linke, AG 2002, 361 (367); Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 25 (Fall 1); Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 140; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (479, Fall 1); Süßmann, AG 2003, 1453 (1455); Technau, AG 2002, 260 (261); hiervon gehen ganz offensichtlich auch der Handelsrechtsausschuss des DAV in seiner Stellungnahme sowie die BaFin in ihrer Entscheidung in Sachen Carl Zeiss Meditec AG aus; vgl. oben Teil 4 C. II. 2. und 3., S. 161 f. und S. 162 f. 363

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licher Anordnung erlangen, steht einer Anwendung des § 35 WpÜG aufgrund seines weiten Wortlauts nicht entgegen. Bezugsobjekt der Kontrollerlangung ist dabei nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG die Zielgesellschaft als solche, nicht deren einzelne Aktionäre. Hieraus, wie auch aus dem Verbot von Teilangeboten in § 32 WpÜG, folgt, dass das Pflichtangebot grundsätzlich an alle Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers zu adressieren ist. Nichts anderes kann nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG i. V. m. § 32 WpÜG für den Fall gelten, dass sich die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft sowohl vor als auch nach Durchführung der Umwandlung ein und demselben Kontrollaktionär gegenübersehen.365 Eine Differenzierung zwischen einzelnen Aktionärsgruppen lässt § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG seinem Wortlaut nach nicht zu. Will man also in diesem Fall aufgrund teleologischer Erwägungen zu einem Teilangebot nur an die Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers gelangen, so lässt sich dieses Ergebnis auf Tatbestandsebene allenfalls mittels teleologischer Reduktion des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG bzw. teleologischer Weiterung des § 35 Abs. 3 Satz 1 WpÜG erreichen.366 (2) Fallkonstellation V In Fallkonstellation V367 werden die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft gem. § 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 UmwG mit Eintragung der Abspaltung in das Handelsregister des Sitzes der übertragenden Gesellschaft kraft Gesetzes Anteilsinhaber an den an der Spaltung beteiligten Rechtsträgern.368 Kommt es hierbei zum Erwerb von 30% oder mehr der Stimmrechte an der übertragenden Gesellschaft durch einen Anteilsinhaber derselben und handelt es sich bei dieser um eine an einem organisierten Markt 365

A. A. insoweit Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 113; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 31; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 25. 366 So insbesondere auch v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 78; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 768 (774); Kleindiek, ZGR 2002, 546 (572); Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (479 f.); Technau, AG 2002, 260 (262). Darüber hinaus könnte eine teilweise Befreiung von der Angebotspflicht gem. § 37 Abs. 1 Alt. 1 WpÜG in Betracht zu ziehen sein; vgl. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 145. 367 Oben Teil 4 C. I. 5., S. 148 f. 368 In § 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 UmwG heißt es nunmehr – ebenso wie in § 126 Abs. 1 Nr. 10 UmwG – ausdrücklich „beteiligte Rechtsträger“. In der Fassung des UmwBerG von 1994 war noch von „übernehmenden Rechtsträgern“ die Rede, was jedoch überwiegend als Redaktionsversehen angesehen wurde; vgl. hierzu Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 56 m. w. N.

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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i. S. d. § 2 Abs. 7 WpÜG börsennotierte AG oder KGaA, so erlangt der Anteilsinhaber mit Eintragung der Abspaltung die Kontrolle über eine Zielgesellschaft i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG. Unter Zugrundlegung des Wortlauts von § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG hat der Kontrollerwerber damit auch hier allen Aktionären der übertragenden Gesellschaft ein Pflichtangebot zu unterbreiten. bb) Keine Kontrollerlangung über eine börsennotierte Zielgesellschaft (1) Fallkonstellation II Grundlegend anders stellt sich die Situation demgegenüber in Fallkonstellation II369 dar. Zwar werden die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft auch hier im Fall der Verschmelzung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 UmwG sowie im Fall der Spaltung gem. § 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 UmwG mit Eintragung der Umwandlungsmaßnahme in das Handelsregister des Sitzes des übernehmenden bzw. übertragenden Rechtsträgers kraft Gesetzes Anteilsinhaber an dem übernehmenden Rechtsträger.370 Jedoch kommt es dabei nicht zu einem die Kontrollschwelle von 30% überschreitenden Zuwachs an Stimmrechten. Die Kontrollsituation an dem übernehmenden Rechtsträger stellt sich vor und nach der Verschmelzung bzw. Spaltung vielmehr als unverändert dar. Zwar übt auch hier nach dem Wirksamwerden der Umwandlung ein Mehrheitsaktionär die Kontrolle über den übernehmenden Rechtsträger aus, jedoch hat er diese Kontrollposition nicht im Zuge der Transaktion erlangt, sondern lediglich beibehalten. Ein Zuwachs an Stimmrechten findet – anders als von § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG gefordert – nicht statt. Selbst wenn es sich also bei dem übernehmenden Rechtsträger um eine an einem organisierten Markt börsennotierte AG oder KGaA handelt, so ist insoweit jedenfalls das Tatbestandsmerkmal der Kontrollerlangung als nicht erfüllt anzusehen.371 Zu keinem anderen Ergebnis führte es, sähe man als Kontrollobjekt nicht die Zielgesellschaft, sondern deren Minderheitsaktionäre an.372 Denn auch hierdurch würde der nach dem 369

Oben Teil 4 C. I. 2., S. 141 f. Im Fall der Ausgliederung wird der übertragende Rechtsträger gem. § 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 UmwG selbst Anteilsinhaber des aufnehmenden Rechtsträgers. 371 So auch Adolff, S. 242; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 116; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 79; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 32; Heckschen, in: Heckschen/Simon, § 6 Rn. 13 (Bsp. 2); Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 57; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 WpÜG Rn. 148 und 157; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 139; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (478, 481, Fall 2). 370

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG erforderliche Stimmrechtszuwachs nicht entbehrlich. (2) Fallkonstellation III Unter Zugrundelegung seines Wortlauts ist § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG auch in Fallkonstellation III373 nicht anwendbar.374 Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um den Grundfall der Verschmelzung oder Spaltung einer börsennotierten Gesellschaft auf einen nicht börsennotierten Rechtsträger oder um die Sachverhaltsvarianten der Verschmelzung zweier börsennotierter Gesellschaften auf eine bestehende Mantelgesellschaft bzw. einen neu gegründeten Rechtsträger handelt. Von untergeordneter Bedeutung ist dabei, ob es in dem übernehmenden Rechtsträger infolge der Umwandlung zu einer Kontrollerlangung kommt. Die Frage ist letztlich aber auch nicht anders zu beurteilen als in den Fallkonstellationen I und II.375 Insbesondere steht der Annahme einer Kontrollerlangung in den Fällen, in denen es zu einem Erwerb von 30% oder mehr der Stimmrechte in dem übernehmenden Rechtsträger kommt, nicht entgegen, dass die Aktien dieses Rechtsträgers im Zeitpunkt des Anteilserwerbs (noch) nicht börsenzugelassen i. S. d. § 2 Abs. 7 WpÜG sind. Denn wie oben dargelegt wurde,376 ist das Merkmal der Börsennotierung377 im Rahmen des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG – anders als bei § 29 Abs. 2 WpÜG – kein Definitionsbestandteil schon des Kontrollbegriffs. „Erlangen der Kontrolle“ ist hier lediglich als Überschreiten der 30%igen Stimmrechtsschwelle zu verstehen, ohne dass es hierbei bereits auf die Qualifizierung des Kontrollobjekts ankommt. Die Anwendung des § 35 WpÜG scheitert in der vorliegenden Fallkonstellation vorrangig daran, dass sich die Kontrollerlangung378 – anders als 372 Was jedoch mit dem Wortlaut von § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG nicht in Einklang zu bringen ist; vgl. oben Teil 4 E. I. 1. a) bb), S. 183 f. 373 Oben Teil 4 C. I. 3., S. 142 ff. 374 Technau, AG 2001, 260 (263); vgl. auch Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 119; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 153 und 155 f.; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 144 ff.; Süßmann, WM 2003, 1453 (1455). 375 Oben Teil 4 E. I. 1. b) aa) (1) und bb) (1), S. 185 f. und S. 187 f. Anders als in den dortigen Fällen der Verschmelzung bzw. Spaltung durch/zur Aufnahme werden die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaften bei der Verschmelzung durch Neugründung gem. §§ 36 Abs. 1, 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 WpÜG mit Eintragung des neuen Rechtsträgers in das Handelsregister kraft Gesetzes Anteilsinhaber an dem neu gegründeten Rechtsträger. 376 Siehe Teil 4 E. I. 1. a) aa) (1), S. 180. 377 Ebenso wie das Merkmal der Zielgesellschaft.

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von § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG gefordert – nicht an einer börsennotierten Zielgesellschaft vollzieht. (a) Kaltes Delisting Eindeutig ist dies in den Fällen des sog. kalten Delistings. Der übernehmende Rechtsträger ist hier zu keinem Zeitpunkt, d.h. weder vor noch im Anschluss an das Wirksamwerden der Umwandlung, börsenzugelassen i. S. d. § 2 Abs. 7 WpÜG. Unter Zugrundelegung seines Wortlauts kann § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG daher nicht eingreifen.379 Entsprechendes gilt für den Fall, dass der übernehmende Rechtsträger keine AG oder KGaA ist. Hier fehlt es neben der erforderlichen Börsennotierung auch an dem Merkmal der Zielgesellschaft i. S. d. § 2 Abs. 3 WpÜG.380 (b) Börsenwiederzulassung Weniger eindeutig stellt sich die Situation in jenen Fällen dar, in denen es im unmittelbaren Anschluss an das Wirksamwerden der Umwandlung zu einer Börsenzulassung der Aktien des übernehmenden Rechtsträgers kommt. Hier finden sich die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft mit Beendigung der Gesamttransaktion in einer börsennotierten Zielgesellschaft wieder. Indes kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich auch hier die Kontrollerlangung an einem (noch) nicht börsennotierten Rechtsträger vollzieht.381 Für den Fall der Verschmelzung zweier börsennotierter Zielgesellschaften auf eine Mantelgesellschaft folgt dies aus § 9 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV. Hiernach ist die ausreichende Streuung der zuzulassenden Aktien Voraussetzung für deren Zulassung zum Börsenhandel. Hierzu bedarf es gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 BörsZulV regelmäßig eines Anteils von mindestens 25% des Gesamtnennbetrags,382 der sich in den Händen des Publikums befinden 378 In dem Fall, dass eine in dem übernehmenden Rechtsträger bereits bestehende Kontrollbeteiligung auch nach Wirksamwerden der Umwandlung aufrechterhalten bleibt, fehlt es indes auch hieran; siehe oben Teil 4 E. I. 1. b) bb) (1), S. 187 f. 379 Allgemeine Meinung; vgl. nur Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 53; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 153; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 144; Süßmann, WM 2003, 1453 (1455). 380 Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 144. 381 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 119; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 58 f.; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 155 f.; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 145 f.; Technau, AG 2001, 260 (263).

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

muss. Da die Aktien einer Mantelgesellschaft in der Praxis jedoch regelmäßig von einem Treuhänder – meist einer Anwaltskanzlei – gehalten werden, scheidet eine Börsenzulassung vor Eintragung und damit vor Wirksamwerden der Verschmelzung aus.383 Zwar erfolgt die Börsenzulassung der im Zuge der Verschmelzung ausgegebenen Aktien des übernehmenden Rechtsträgers in der Praxis nur innerhalb weniger Tage nach Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister.384 Indes ändert dies nichts daran, dass zu dem nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG für relevant erklärten Zeitpunkt der Kontrollerlangung eine börsennotierte AG bzw. KGaA (noch) nicht existiert.385 Vergleichbares lässt sich in den Fällen der Kontrollerlangung an einem neu gegründeten Rechtsträger konstatieren. Auch hier fehlt es im Zeitpunkt der Kontrollerlangung an der Börsennotierung der neu gegründeten Gesellschaft. Verantwortlich hierfür ist die von der BörsZulV zwingend vorgesehene zeitliche Abfolge im Hinblick auf die Entstehung und Börsenzulassung der auszugebenden Aktien. Die Aktien des neu gegründeten Rechtsträgers entstehen gem. §§ 36 Abs. 1, 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG mit Eintragung des Rechtsträgers in das nach dessen Gründungsvorschriften zuständige Handelsregister.386 In diesem Zeitpunkt vollzieht sich die Kontrollerlangung 382

Bei nennwertlosen Aktien ist auf die Stückzahl abzustellen. Missverständlich insoweit Krause/Pötzsch, in: Assman/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 155; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 145 sowie Technau, AG 2002, 260 (263), die hier darauf verweisen, dass die im Zuge der Verschmelzung ausgegebenen Aktien erst mit Wirksamwerden der Verschmelzung entstehen, wodurch die Börsenzulassung der Eintragung der Verschmelzung zwingend zeitlich nachfolgen müsse. Dies ist zwar richtig, betrifft jedoch offensichtlich nur den Fall der Verschmelzung durch Neugründung, nicht aber auch die Verschmelzung auf eine bereits bestehende Mantelgesellschaft. Hier liegt der Grund für die fehlende Börsennotierung im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Umwandlung einzig in den Vorgaben des § 9 Abs. 1 Satz 2 BörsZulV; wie hier Baums/Hecker, in: Baums/ Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 119; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 58. 384 Betreffend die Einführung der Aktien in den Handel ist § 52 Abs. 1 BörsZulV zu beachten, wonach die Aktien frühestens an dem der Veröffentlichung der Zulassung folgenden Werktag eingeführt werden können. Für die Fristberechnung gilt § 187 Abs. 1 BGB, so dass zwischen der Zulassung und der Einführung ein Werktag frei bleiben muss, vgl. Heidelbach, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 52 BörsZulV Rn. 1 sowie § 43 BörsZulV Rn. 2; siehe auch Technau, AG 2002, 260 (263). 385 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 119; Technau, AG 2002, 260 (263). 386 Bei der AG und der KGaA ist dies gem. §§ 36 Abs. 1, 14 AktG das Handelsregister am Sitz der Gesellschaft; abweichend Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 121, wonach es für die Entstehung der Aktien auf die Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister des Sitzes der übertragenden Rechtsträger ankommen soll. 383

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i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG. Nach § 4 BörsZulV ist es jedoch erforderlich und von der Zulassungsstelle im Rahmen des Zulassungsantrags zu überprüfen, dass die zuzulassenden Wertpapiere in Übereinstimmung mit dem für den Emittenten geltenden Recht ausgegeben werden und den für das Wertpapier geltenden Vorschriften entsprechen. Dies bedeutet nichts anderes, als dass die zuzulassenden Wertpapiere rechtswirksam entstanden sein müssen.387 Nach dieser Maßgabe kann die Börsenzulassung der Aktien der Eintragung des neu gegründeten Rechtsträgers zeitlich nur nachfolgen,388 so dass sich die Kontrollerlangung auch in den Fällen der Verschmelzung durch Neugründung bei späterer „Börsenwiederzulassung“ immer nur an einer (noch) nicht börsennotierten Gesellschaft vollziehen kann.389 (3) Fallkonstellation IV Nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG ist für das Auslösen des Pflichtangebots ein Stimmrechtserwerb an einer AG oder KGaA erforderlich. In der Literatur ist insoweit zu Recht darauf hingewiesen worden, dass es nach den Vorschriften des UmwG über die Verschmelzung und Spaltung zu einem Stimmrechtserwerb an der übertragenden Gesellschaft jedenfalls im Regelfall nicht kommen kann.390 Vielmehr führt die Eintragung der Verschmelzung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG – entsprechendes gilt gem. § 131 Abs. 1 Nr. 2 UmwG für die Aufspaltung – zum liquidationslosen Erlöschen der übertragenden Gesellschaft.391 Auf den übernehmenden Rechtsträger über geht gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG – für die Spaltung folgt dies aus § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG – lediglich das Vermögen der übertragenden Gesellschaft einschließlich ihrer Verbindlichkei387 388

Vgl. Heidelbach, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 4 BörsZulV Rn. 1. Stephan, AG 2002, 3 (5); Technau, AG 2002, 260 (263); ders., AG 1998, 445

(447). 389 Allgemeine Ansicht; siehe nur Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 121; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 34; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, § 35 Rn. 155 f.; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 146; Technau, AG 2002, 260 (263). 390 Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 52; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 151, 153 und 157; Technau, AG 2002, 260 (263); Weber-Rey/Schütz, AG 2001, 325 (328); abweichendes gilt lediglich für den Fall der nicht-verhältniswahrenden Abspaltung; vgl. hierzu oben Teil 4 C. I. 5., S. 148 f. 391 Anders ist dies zwar bei der Abspaltung wie auch bei der Ausgliederung, wo die übertragende Gesellschaft bestehen bleibt; ein Anteils- und damit ein Stimmrechtserwerb an dieser ist gleichwohl auch in diesen Fällen nach den Vorgaben des UmwG nicht möglich; vgl. § 123 UmwG, der die Spaltung grundsätzlich nur gegen Gewährung von Anteilen an den übernehmenden Rechtsträgern zulässt.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

ten. Unter Zugrundelegung des Wortlauts von § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG fehlt es mithin in Fallkonstellation IV sowohl im Hinblick auf den übernehmenden als auch den übertragenden Rechtsträger an dem Tatbestandsmerkmal der Kontrollerlangung. c) Ergebnis Der Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG lässt eine Anwendung des übernahmerechtlichen Pflichtangebots bei Verschmelzungen und Spaltungen nur in den Fallkonstellationen I und V zu. Allerdings bildet der Wortlaut nur die äußerste Grenze der Auslegung.392 Einschränkungen können sich sowohl aus der Systematik des Gesetzes, der Regelungsabsicht des Gesetzgbers, der Entstehungsgeschichte sowie insbesondere aus dem Sinn und Zweck des § 35 WpÜG ergeben. In den Fallkonstellationen II, III und IV wird nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG kein Pflichtangebot ausgelöst. Es fehlt insoweit an der Kontrollerlangung über eine börsennotierte Zielgesellschaft. In Betracht kommt in diesen Fällen jedoch eine analoge Anwendung des § 35 WpÜG.393 2. Systematik Bei den in der Literatur bislang für bzw. gegen die Anwenbarkeit des Pflichtangebots auf Verschmelzungen und Spaltungen vorgebrachten Argumenten haben systematische Erwägungen so gut wie keine Berücksichtigung gefunden. Lediglich vereinzelt wurde im Schrifttum darauf hingewiesen, dass weder dem äußeren noch dem inneren Bezugssystem des WpÜG durchschlagende Argumente gegen eine Einbeziehung von Umwandlungen in den Anwendungsbereich des § 35 WpÜG entnommen werden könnten.394 In dieser Negativerklärung scheint zugleich die Aussage mitzuschwingen, die Systematik des WpÜG lasse auch keine Rückschlüsse darauf zu, dass Verschmelzungen und Spaltungen vom Anwendungsbereich des § 35 WpÜG erfasst seien. Dieser Einschätzung soll hier entgegengetreten werden. Maßgeblich für die Einbeziehung verschmelzungs- und spaltungsrechtlicher Sachverhaltsgestaltungen in den Anwendungsbereich des § 35 WpÜG spricht das nach der gesetzlichen Konzeption bestehende – in der Literatur bislang jedoch kaum beachtete – Zusammenspiel der Regelungen von Übernahme- und 392

Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl. Rn. 48; Larenz, S. 324. Hierzu eingehend unten Teil 4 F., S. 260 ff. 394 v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 68; Fleischer, NZG 2002, 545 (549); Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 5 Rn. 268. 393

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Pflichtangebot. Im dritten Teil dieser Arbeit wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Vorschriften der §§ 29 ff. WpÜG betreffend Übernahmeangebote und die Pflichtangebotsregelung mit dem Schutz der Minderheitsaktionäre grundsätzlich demselben Reglungsanliegen dienen.395 Sie müssen daher als funktionsgleich angesehen werden.396 Während die Regelungen der §§ 29 ff. WpÜG explizit an eine bestimmte Handlung des Bieters am Markt anknüpfen,397 stellt § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG auf den Tatbestand der Kontrollerlangung als solchen ab.398 Damit soll die Vorschrift gerade solche Handlungen des Bieters erfassen, die nicht schon in den Anwendungsbereich der §§ 29 ff. WpÜG fallen. Erst diese Interdependenz der beiden Regelungskomplexe Übernahme- und Pflichtangebot ermöglicht es, jede Art der Kontrollerlangung unter Nichtberücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Minderheitsaktionäre auszuschließen.399 Hierzu ist es jedoch erforderlich, dass das Pflichtangebot – anders als §§ 29 ff. WpÜG – grundsätzlich jegliches Verhalten erfasst, dass zum Überschreiten der Kontrollschwelle führt. Ausnahmen kommen nur insoweit in Betracht, als den Minderheitsaktionären im Verfahren der Kontrollerlangung bereits jener Schutz gewährt wird, den auch das Pflichtangebot bereitstellt. Diesem Verständnis entspricht es, dass der Gesetzgeber in § 35 Abs. 3 WpÜG als einzige generelle Ausnahme von der Angebotspflicht jenen Fall geregelt hat, in dem die Kontrolle aufgrund eines Übernahmeangebots erlangt wird.400 Ermöglicht wird dies dadurch, dass der Gesetzgeber sich – aufgrund oben beschriebener Funktionsgleichheit nur konsequent – dafür entschieden hat, beide Angebotsarten grundsätzlich denselben Vorschriften zu unterwerfen.401 Für die Einbeziehung von Verschmelzungen und Spaltungen in den Anwendungsbereich des § 35 WpÜG spricht in systematischer Hinsicht weiterhin das Verhältnis des § 35 WpÜG zu den Befreiungstatbeständen der §§ 36, 37 WpÜG i. V. m. §§ 8 und 9 WpÜG-AngebotsVO. In §§ 36, 37 395

Oben Teil 3 D. I. 2., S. 107. So im Ansatz schon Behrens, ZGR 1975, 433 (444 f.), zur Systematik des Pennington-Entwurfs von 1974; auf der Grundlage der geltenden Rechtslage wohl auch Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 5. 397 Hierzu oben Teil 1 B. III. 2., S. 50. 398 Oben Teil 1 B. III. 3., S. 52. 399 Vgl. Behrens, ZGR 1975, 433 (445). 400 In diesem Fall sind die Aktionäre der Zielgesellschaft nicht mehr schutzbedürftig, weil sie bereits Gelegenheit hatten, ihre Anteile nach Maßgabe der minderheitsschützenden Vorschriften zu veräußern; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 67; Meyer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 35 Rn. 51; vgl. insoweit auch die Begründung zu § 35 Abs. 3 RegE-WpÜG, BTDrucks. 14/7034, S. 60. 401 Zu diesem Regelungsgleichlauf bei Übernahme- und Pflichtangebot oben Teil 1 B. III. 3., S. 53. 396

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

WpÜG hält das Gesetz ein differenziertes System zur Nichtberücksichtigung von Stimmrechten bzw. zur Befreiung von der Angebotspflicht nach § 35 WpÜG bereit. Zu einem nicht unerheblichen Teil knüpfen die Regelungen dabei an die Art und Weise des Überschreitens der 30%igen Kontrollschwelle an. So sieht etwa § 36 Nr. 1 WpÜG die Möglichkeit der Nichtberücksichtigung von Stimmrechten für den Fall vor, dass der relevante Stimmrechtserwerb im Wege des Erbgangs erfolgt; § 36 Nr. 2 WpÜG betrifft den Anteilserwerb durch Rechtsformwechsel.402 § 37 Abs. 1 WpÜG i. V. m. §§ 8 und 9 WpÜG-AngebotsVO sehen im Einzelfall die Möglichkeit zur Befreiung von der Angebotspflicht ausdrücklich im Hinblick auf die Art der Erlangung des relevanten Stimmrechtsanteils vor. Wollte man den Anwendungsbereich des § 35 WpÜG nun trotz des vom Gesetzgeber offenbar bewusst gewählten weiten Wortlauts per se auf bestimmte Erwerbstechniken beschränken, so würde das in §§ 35, 36 und 37 WpÜG i. V. m. §§ 8 und 9 WpÜG-AngebotsVO zum Ausdruck kommende RegelAusnahme-Verhältnis praktisch in sein Gegenteil verkehrt.403 Diese Überlegungen zeigen, dass neben dem Wortlaut auch die Systematik des Gesetzes grundsätzlich für die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen spricht. 3. Regelungsabsicht des Gesetzgebers Anhaltspunkte für die Regelungsabsicht des Gesetzgebers lassen sich der Gesetzesbegründung zum WpÜG entnehmen. Ausgelöst durch die Entscheidung der österreichischen Übernahmekommission sowie die Diskussion im österreichischen Recht hat der Gesetzgeber im allgemeinen Teil der Begründung zum RegE-WpÜG zu dem Verhältnis von Übernahme- und Umwandlungsrecht Stellung genommen.404 a) Allgemeine Aussagen des Gesetzgebers zum Verhältnis WpÜG/UmwG Soweit die Materialien zum WpÜG allgemeine Aussagen des historischen Gesetzgebers zum Verhältnis von WpÜG und UmwG enthalten, wurde auf sie an anderer Stelle bereits ausführlich eingegangen.405 Als Ergebnis der 402 Rechtsformwechsel meint in diesem Zusammenhang nur die Fälle außerhalb des Anwendungsbereichs des 5. Buchs des UmwG, da bei den dort geregelten Tatbeständen ein Übertragungsvorgang nicht stattfindet und die rechtliche Identität des Rechtsträgers fortbesteht; so ausdrücklich die Begründung zu § 36 Nr. 2 RegEWpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 60. 403 Ähnlich Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 14. 404 Zu den dortigen Aussagen oben Teil 2 B. III. 2. b) und c), S. 74 ff.

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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dortigen Untersuchung konnte festgehalten werden, dass der Gesetzgeber sich ausdrücklich weder für noch gegen eine Anwendung des WpÜG auf umwandlungsrechtliche Sachverhalte ausgesprochen hat, das WpÜG die Frage nach seiner Anwendbarkeit auf Verschmelzungen und Spaltungen mithin weder positiv noch negativ regelt. Vielmehr sollen mit den neuen Vorschriften des Gesetzes erst Erfahrungen gewonnen werden. Ob und inwieweit für bestimmte Fallkonstellationen im Schnittbereich zwischen Umwandlungs- und Übernahmerecht in der Praxis besondere gesetzliche Regelungen erforderlich sind, bleibt nach Ansicht des Gesetzgebers abzuwarten.406 Im dritten Teil dieser Arbeit wurde festgestellt, dass diese Aussagen in der Gesetzesbegründung einer analogen Anwendung des WpÜG auf umwandlungsrechtliche Sachverhalte entgegenstehen.407 Um eine solche geht es vorliegend jedoch nicht. Gegenstand der Untersuchung ist hier vielmehr die unmittelbare – d.h. vom Wortlaut des Gesetzes gedeckte – Anwendung des § 35 WpÜG. Eine unmittelbare Anwendung des § 35 WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen schließen die oben genannte Aussagen des Gesetzgebers jedoch nicht aus.408 Denn insoweit geht es nicht um in Zukunft gegebenenfalls erforderliche und durch den Gesetzgeber zu treffende – bislang vom Gesetz nicht bereitgehaltene – Regelungen, sondern um die Frage der korrekten Anwendung geltenden Rechts. b) Aussagen des Gesetzgebers zur Anwendbarkeit des § 35 WpÜG Hinsichtlich des Verhältnisses von WpÜG und UmwG enthält die Regierungsbegründung weiterhin den Hinweis, dass die Zulässigkeit strukturändernder Maßnahmen, die sich nach aktienrechtlichen und umwandlungsrechtlichen Vorschriften richten, stets nach den jeweils einschlägigen Rechtsvorschriften zu beurteilen sei.409 Im Schrifttum wird ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass sich diese Aussage zur Beurteilung der hier untersuchten Frage der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen fruchtbar machen lasse.410 Angerer411 und Heckschen412 wollen ihr gar die Unanwendbarkeit von § 35 WpÜG auf Sachver405

Oben Teil 3 D. I. 1. a), S. 100 ff. Vgl. insoweit die Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, II., Ziff. 8, BT-Drucks. 14/7034, S. 31; siehe hierzu auch oben Teil 2 B. III. 2. b) und c), S. 74 ff. sowie Teil 3 D. I. 1. a) aa), S. 100 f. 407 Oben Teil 3 D. I. 1. a), S. 100 ff. 408 Gleichsinnig Technau, AG 2002, 260 (261). 409 Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 14/7034, S. 31; siehe hierzu auch oben Teil 2 B. III. 2. b) und c), S. 74 ff. 406

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

haltsgestaltungen nach dem UmwG entnehmen. Andere gehen demgegenüber davon aus, dass die Aussage in dem Sinne zu verstehen sei, dass der Gesetzgeber jedenfalls keinen Vorrang der umwandlungsrechtlichen Bestimmungen habe begründen wollen.413 Richtig verstanden, kann den Hinweisen in der Gesetzesbegründung weder eine Aussage in die eine noch in die andere Richtung entnommen werden. Schon nach ihrem eindeutigen Wortlaut betreffen die Ausführungen lediglich die Zulässigkeit aktien- und umwandlungsrechtlicher Maßnahmen. Wenn der Gesetzgeber insoweit darauf hinweist, dass diese sich ausschließlich nach den jeweils einschlägigen Rechtsvorschriften beurteile, so ist damit ganz offensichtlich ausschließlich das im dritten Teil dieser Arbeit behandelte Verhältnis der verfahrensbezogenen Vorschriften der beiden Rechtsmaterien angesprochen.414 Denn § 35 WpÜG enthält keinerlei Zulässigkeitsvoraussetzungen, deren Anwendung auf strukturändernde Maßnahmen in Erwägung gezogen werden könnte. Dass der Gesetzgeber bei seiner Aussage auch § 35 WpÜG im Blick gehabt haben soll, ist hiernach praktisch ausgeschlossen. Eine ausdrückliche Stellungnahme des Gesetzgebers zu der Frage der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG auf umwandlungsrechtliche Sachverhalte enthalten die Materialien zum WpÜG mithin nicht. Bereits diese Tatsache spricht jedoch dafür, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sein muss, dass Umwandlungen, und damit auch Verschmelzungen und Spaltungen, die Angebotspflicht grundsätzlich auszulösen vermögen. Wäre der Gesetzgeber anderer Ansicht gewesen, so hätte es nahe gelegen – entsprechend den Aussagen betreffend das Verhältnis der verfahrensbezogenen Regelungen von WpÜG und UmwG – einen klarstellenden Hinweis in die Gesetzesbegründung aufzunehmen. Mit diesem Befund im Einklang stehen schließlich weitere Äußerungen des Gesetzgebers im Rahmen der Begründung zu § 36 Nr. 2 WpÜG. Im Hinblick auf die dort geregelte Nichtberücksichtigung von Stimmrechten in Fällen des Rechtsformwechsels wird in der Begründung zum RegE-WpÜG 410 So Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 1 Rn. 104; v. Bülow, in: KKWpÜG, § 35 Rn. 69; Heckschen, in: Heckschen/Simon, § 6 Rn. 24; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 128; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (469); Vetter, WM 2002, 1999 (2000). 411 Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 1 Rn. 104. 412 Heckschen, in: Heckschen/Simon, § 6 Rn. 24. 413 v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 69; Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (396); Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 137; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 128; Technau, AG 2002, 260 (261). 414 Zu diesem oben Teil 3, S. 80 ff.; zu der Bewertung der Aussagen des Gesetzgebers in diesem Zusammenhang oben Teil 3 D. I. 1. a), S. 100 ff.

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klargestellt, dass die Vorschrift nur die Fälle des Formwechsels außerhalb des Anwendungsbereichs des 5. Buchs des UmwG erfasse, da es bei den dort geregelten Tatbeständen zu keinem Übertragungsvorgang komme und die rechtliche Identität des Rechtsträgers fortbestehe.415 Sollten Kontrollerlangungen im Zuge von Verschmelzungen und Spaltungen nach dem UmwG nach der Ansicht des Gesetzgebers nicht in den Anwendungsbereich von § 35 WpÜG fallen, so hätte es deutlich näher gelegen, schlicht auf die generelle Unanwendbarkeit von § 35 WpÜG auf Maßnahmen nach dem UmwG zu verweisen.416 Eines isolierten Hinweises auf den fehlenden Übertragungsvorgang, verbunden mit dem Fortbestehen des Rechtsträgers bei Formwechseln nach §§ 190 ff. UmwG, hätte es dann nicht bedurft. c) Ergebnis Nach den Hinweisen in der Gesetzesbegründung muss dem Gesetzgeber die Absicht unterstellt werden, Verschmelzungen und Spaltungen in den Anwendungsbereich des § 35 WpÜG einzubeziehen. Die in den Materialien enthaltenen allgemeinen Aussagen zu dem Verhältnis übernahme- und umwandlungsrechtlicher Vorschriften stehen einer unmittelbaren Anwendung von § 35 WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen nicht entgegen. Zwar fehlt eine ausdrückliche Stellungnahme des Gesetzgebers speziell zu der Frage der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG auf umwandlungsrechtliche Sachverhalte. Jedoch lassen sowohl das Schweigen des Gesetzgebers als auch die Gesetzesbegründung zu § 36 Nr. 2 WpÜG den Schluss darauf zu, dass der Gesetzgeber von der Anwendbarkeit des Pflichtangebots auf derartige Tatbestände ausgegangen ist. 4. Entstehungsgeschichte Im Rahmen der Nachzeichnung der Entwicklungslinien des WpÜG wurde aufgezeigt, dass der Gesetzesentwurf der SPD für ein Transparenz- und Wettbewerbsgesetz aus dem Jahr 1995417 im Ansatz Regelungen zur Auflösung des Spannungsverhältnisses übernahme- und umwandlungsrecht415

Begründung zu § 36 Nr. 2 RegE-WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 60. Gleichsinnig v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 69; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 137; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 128. 417 Anders als der Entwurf von 1995 enthielt der SPD-Entwurf eines Übernahmegesetzes aus dem Jahr 1997 keine entsprechende Ausnahmeregelung mehr; nach der Begründung des Entwurfs sollte die Anwendung des Pflichtangebots aber ebenfalls ausgeschlossen sein, wenn der Stimmrechtserwerb auf einer Spaltung beruht; siehe hierzu im Einzelnen oben Teil 2 B. III. 1. b), S. 71. 416

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licher Vorschriften bereithielt.418 Insbesondere sah der Entwurf für den Fall, dass der für das Überschreiten der Kontrollschwelle entscheidende Stimmrechtserwerb aus einer Spaltung i. S. d. UmwG resultierte, eine Ausnahme von der Angebotspflicht dergestalt vor, dass das Bundesaufsichtsamt auf schriftlichen Antrag die Nichtberücksichtigung dieser Stimmrechte zuließ. Fraglich ist jedoch, ob sich hieraus sowie aus dem Fehlen einer entsprechenden Regelung im WpÜG Rückschlüsse auf die Auslegung des § 35 WpÜG ziehen lassen. Hiervon wäre nur dann auszugehen, wenn dem Gesetzgeber unterstellt werden könnte, dass er die entsprechende Regelung des Entwurfs bei Erlass des WpÜG kannte und bewusst von einer Aufnahme in das Gesetz abgesehen hat. Dass jedenfalls letzteres nicht der Fall ist, machen aber gerade die Aussagen des Gesetzgebers in der Begründung zum RegE-WpÜG deutlich.419 Danach hat der Gesetzgeber die Frage nach der Anwendbarkeit des WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltunge zwar gesehen, von einer entsprechenden Regelung in die eine oder andere Richtung jedoch gezielt Abstand genommen.420 Aus der Entstehungsgeschichte lassen sich damit für die Auslegung des § 35 WpÜG keine weiteren Erkenntnisse gewinnen. 5. Sinn und Zweck Der Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG, die Systematik des Gesetzes sowie die Regelungsabsicht des Gesetzgebers sprechen damit für eine Angebotspflicht des Kontrollerwerbers in den Fallkonstellationen I und V. Über die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG entscheiden kann letztlich aber nur der Sinn und Zweck des Pflichtangebots. Denn erst unter Berücksichtigung teleologischer Gesichtspunkte lässt sich eine abschließende Aussage darüber treffen, ob eine Vorschrift gemäß ihrem Wortlaut anzuwenden oder aber entgegen diesem in ihrem Anwendungsbereich zu reduzieren ist.421 Maßgebliche Bedeutung für das Auslegungsergebnis kommt damit den mit § 35 WpÜG verfolgten und zu Beginn dieses Teils herausgearbeiteten Regelungszwecken zu.422 Im Folgenden soll zunächst untersucht werden, ob und gegebenenfalls inwieweit die mit § 35 WpÜG verfolgten Regelungszwecke im Rahmen von Verschmelzungen und Spaltungen überhaupt relevant werden können. Für 418

Oben Teil 2 B. III. 1. a), S. 70. Insoweit wird die Entstehungsgeschichte durch die Regelungsabsicht des Gesetzgebers überlagert. 420 Oben Teil 3 D. I. 1. a) aa), S. 100 f. 421 Vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl. Rn. 46, wonach ein Primat der teleologischen Auslegung gegenüber den anderen Auslegungsmethoden besteht. 422 Zu diesen oben Teil 4 B. I., S. 114 ff. 419

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den Fall, dass ein entsprechendes Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre dem Grunde nach auch in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung anzuerkennen ist, ist weiter zu untersuchen, inwieweit die Minderheitsaktionäre im jeweiligen Einzelfall konkret schutzwürdig erscheinen. Soweit ein Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre im Einzelfall zu bejahen ist, stellt sich weiterhin die Frage, ob diesem Schutzbedürfnis nicht bereits durch die im Umwandlungsrecht angelegten Schutzmechanismen in angemessenem Maße Rechnung getragen wird. In diesem Fall würde die Anwendung des § 35 WpÜG lediglich zu einer quantitativen, nicht aber auch zu einer qualitativen Anhebung der für die Minderheitsaktionäre bei Kontrolltransaktionen geltenden Schutzstandards führen, womit eine Steigerung der Attraktivität des Finanzplatzes Deutschland nicht erreicht würde.423 a) Grundsätzliche Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre bei Verschmelzungen und Spaltungen Wie bereits dargelegt wurde,424 verfolgt der Gesetzgeber mit dem Pflichtangebot ein doppeltes Regelungsanliegen: Zum einen soll den Minderheitsaktionären die Teilhabe an Paketzuschlägen ermöglicht werden, die im Rahmen von Kontrolltransaktionen an Mehrheitsaktionäre gezahlt werden. Zum anderen soll den Minderheitsaktionären die Möglichkeit eröffnet werden, im Falle einer erstmaligen Kontrollerlangung oder eines Kontrollwechsels zu angemessenen Konditionen aus der Gesellschaft auszuscheiden. aa) Teilhabe an Paketzuschlägen Zunächst soll untersucht werden, ob im Rahmen von Verschmelzungen und Spaltungen auf Seiten der Minderheitsaktionäre ein Bedürfnis nach einer Teilhabe an Paket- bzw. Kontrollzuschlägen besteht.425 Paket- und Kontrollzuschläge stellen sich als Gegenleistung für die Verschaffung von Einfluss auf die Geschäfts- und Gewinnverteilungspolitik einer Gesellschaft dar.426 Ein Bedürfnis der Minderheitsaktionäre, auch bei Verschmelzungen und Spaltungen an derartigen Leistungen beteiligt zu werden, kann nur be423 An einer lediglich quantitativen Steigerung des Schutzniveaus, verbunden mit der Verpflichtung des Kontrollaktionärs, ein für ihn aufwendiges und vor allem kostenintensives Angebotsverfahren durchzuführen, kann dem Finanzplatz Deutschland nicht gelegen sein. 424 Oben Teil 4 B. I., S. 114 ff. 425 Zu diesem, mit § 35 WpÜG verfolgten Regelungszweck oben Teil 4 B. I. 1., S. 116 ff. 426 Oben Teil 4 B. I. 1. a), S. 117 f.

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stehen, wenn es im Zuge dieser Umwandlungsmaßnahmen zur Zahlung derartiger Zuschläge kommt. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass bei Verschmelzungen und Spaltungen – anders als bei einem rechtsgeschäftlichen Erwerb von Mehrheits- bzw. Kontrollbeteiligungen – ein von den Anteilsinhabern des übernehmenden Rechtsträgers abgeleiteter Anteilserwerb nicht stattfindet.427 Die den Aktionären der übertragenden Gesellschaft im Zuge der Umwandlung zu gewährenden Anteile stammen regelmäßig entweder aus einer Kapitalerhöhung oder aus einem Bestand an eigenen Aktien und werden daher von dem übernehmenden Rechtsträger selbst an die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft ausgegeben.428 Soweit es infolge von Verschmelzungen und Spaltungen zu einer Kontrollerlangung in dem übernehmenden Rechtsträger kommt, beruht dies allein auf dem Wertverhältnis der beteiligten Rechtsträger und dem hieraus resultierenden Umtauschverhältnis der Anteile und nicht auf einem entsprechenden Anteilserwerb von einem bisherigen Kontroll- oder Paketaktionär. Zahlungen des Kontrollerwerbers an einzelne Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers sind damit von vornherein entbehrlich und kommen in der Praxis üblicherweise auch nicht vor.429 Gegenleistung für die Gewährung von Anteilen an dem übernehmenden Rechtsträger ist einzig das Gesellschaftsvermögen der übertragenden Gesellschaft. Und dieses fließt nicht etwa einzelnen Anteilsinhabern, sondern dem übernehmenden Rechtsträger als solchem und hierdurch vermittelt allen Anteilsinhabern gleichermaßen zu.430 Eine Ungleichbehandlung der Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers durch die Gewährung von 427

Zwar ist es in der Literatur allgemein anerkannt, dass auch Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers ihre Anteile zur Gewährung an die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft zur Verfügung stellen können. In der Praxis – insbesondere bei AGen – stellt dieses Vorgehen jedoch den absoluten Ausnahmefall der Aktienbeschaffung dar und dürfte im Wesentlichen bei einem Alleingesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers in Betracht kommen. Zudem verlangt die h. M. in diesen Fällen, dass der betreffende Anteilsinhaber seine Aktien dem übernehmenden Rechtsträger übereignet, so dass auch hier ein unmittelbarer Erwerb der Anteile von den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers ausscheidet. Vgl. hierzu ausführlich Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 68 Rn. 2, mit Verweis auf § 54 Rn. 15. 428 In der Praxis stellt die Erhöhung des Grundkapitals des übernehmenden Rechtsträgers den absoluten Regelfall der Aktienbeschaffung dar; vgl. für die Verschmelzung Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 2 Rn. 18; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 2 Rn. 3; Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, § 2 Rn. 25, sowie für die Spaltung Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 123 Rn. 19 f.; Stengel/ Schwanna, in: Semler/Stengel, UmwG, § 123 Rn. 12. In den Fällen der Verschmelzung und Spaltung zur Neugründung handelt es sich bei den zu gewährenden Anteilen denknotwendig um neue Anteile; vgl. Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 2 UmwG Rn. 14. 429 Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (479); Vetter, WM 2002, 1999 (2002).

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Paket- oder Kontrollzuschlägen an einzelne Aktionäre ist daher bei Verschmelzungen und Spaltungen nicht zu befürchten.431 Im Ergebnis nichts anderes gilt im Hinblick auf eine etwaige Ungleichbehandlung der Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft durch die Zahlung von Paketzuschlägen an einzelne Aktionäre. Zum einen würden Mehrvergütungen, die an den Kontrollaktionär oder an einzelne Paketaktionäre der übertragenden Gesellschaft geleistet würden, schon keine Paketzuschläge im hier erörterten Sinne darstellen, da es sich bei ihnen nicht um eine Gegenleistung für die Verschaffung von Einfluss auf die Geschäftsund Gewinnverteilungspolitik der Gesellschaft handelt. Denn zu einem Erwerb von Anteilen an der übertragenden Gesellschaft kommt es im Regelfall weder bei der Verschmelzung noch bei der Spaltung.432 Zum anderen stellt aber auch das Umwandlungsrecht mit seinen zwingenden Vorgaben sicher, dass ein Kontroll- bzw. Paketaktionär für seine Anteile an der übertragenden Gesellschaft im Verhältnis nicht mehr erhält als ein Minderheitsaktionär.433 Das Verfahren zur Ermittlung des Umtauschverhältnisses ist vom Grundsatz der Gleichbehandlung sämtlicher Anteilsinhaber geprägt.434 Hiernach ergibt sich das Umtauschverhältnis für die Anteile der übertragenden Gesellschaft aus dem Verhältnis der Unternehmenswerte der beteiligten Rechtsträger zueinander, bezogen auf die jeweiligen Nennwerte der Anteile.435 Schon aus der Tatsache, dass das Umtauschverhältnis aus der Relation der Unternehmenswerte abgeleitet wird, folgt, dass – anders als bei einer isolierten Bewertung von Gesellschaftsanteilen – Zuschläge für Mehrheitsbeteiligungen keine Berücksichtigung finden dürfen.436 Die von dem Gesamtunternehmenswert abgeleitete Bewertung der einzelnen Anteile kann 430 Gleichsinnig Vetter, WM 2002, 1999 (2002), der insoweit zutreffend darauf hinweist, dass unmittelbar zwischen den Anteilsinhabern der beteiligten Rechtsträger ein Kapitalfluss gerade nicht stattfindet. 431 Vetter, WM 2002, 1999 (2002). 432 Siehe hierzu ausführlich oben Teil 4 E. I. 1. b) bb) (3), S. 191. Einen Ausnahmefall stellt insoweit lediglich die unter Fallkonstellation V behandelte nicht-verhältniswahrende Abspaltung dar. Jedoch erfolgt der Anteilserwerb auch hier nicht unmittelbar von einem Aktionär der übertragenden Gesellschaft, sondern über die Ausgabe der Anteile durch die übertragende Gesellschaft selbst, so dass eine Zahlung von Paketzuschlägen ebenso wie auf Seiten der Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers ausscheidet. 433 Vgl. Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A Rn. 93. 434 Hierzu ausführlich Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 18. 435 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 36; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 8 Rn. 12; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 5 UmwG Rn. 6. 436 Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 5 UmwG Rn. 6 und 54.

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hier nur einheitlich erfolgen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers stellt sich das Umtauschverhältnis für alle Aktionäre, d.h. unabhängig von ihrem Status als Mehrheits- oder Minderheitsgesellschafter, gleich dar.437 Damit scheidet die Gewährung von Mehrvergütungen in Form von Paket- bzw. Kontrollzuschlägen und hiermit verbunden die Gefahr einer Ungleichbehandlung der Aktionäre der übertragenden Gesellschaft aus.438 Ein Bedürfnis zur Anwendung des § 35 WpÜG unter dem Aspekt der Beteiligung von Minderheitsaktionären an Paketzuschlägen lässt sich daher in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung nicht begründen.439 bb) Austritt aus der Gesellschaft zu angemessenen Konditionen Damit kommt es darauf an, ob bei Kontrolltransaktionen im Zuge von Verschmelzungen und Spaltungen in der Person der Minderheitsaktionäre ein Bedürfnis nach einer Austrittsmöglichkeit zu angemessenen Konditionen entstehen kann.440 Sollte dies nicht der Fall sein, so müsste eine Anwendung des § 35 WpÜG in den hier untersuchten Fallkonstellationen gemessen am Sinn und Zweck der Pflichtangebotsregelung ausscheiden. (1) Die Ansicht Vetters Nach einer von Vetter441 vertretenen Ansicht sollen die den Minderheitsaktionären im Hinblick auf die Preisbildung typischerweise drohenden Gefahren im Rahmen von Verschmelzungen und Spaltungen gerade nicht zu befürchten sein.442 Als bei einer Übernahme denkbare Gefahren nennt Vetter neben der mit dem Aufkauf von Aktien typischerweise einhergehenden Verringerung des free floats die unter Umständen durch den Markt erfolgende negative Bewertung des neuen Kontrollaktionärs.443 Durch den im Zuge einer Übernahme gezielt erfolgenden Aufkauf von Aktien komme es zwangsläufig zu einer Verringerung des free floats in absoluten Zahlen, wo437 Dies zeigt bereits die Formulierung in § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 126 Abs. 1 Nr. 3 UmwG, wonach der Verschmelzungs- bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrag oder deren Entwurf „das Umtauschverhältnis“ der Anteile – es gibt also nur eines – enthalten muss. 438 So wohl auch Vetter, WM 2002, 1999 (2002, r. Sp. a. E.). 439 Gleichsinnig Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (479); Vetter, WM 2002, 1999 (2002). 440 Zu diesem zweiten, mit § 35 WpÜG verfolgten Regelungszweck siehe ausführlich oben Teil 4 B. I. 2., S. 122 ff. 441 Vetter, WM 2002, 1999 (2001 f.). 442 Hierzu bereits im Überblick oben Teil 4 C. II. 1. a), S. 150. 443 Vetter, WM 2002, 1999 (2001).

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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durch der Handel in Aktien der Zielgesellschaft illiquide werden könne. Regelmäßige Folge hiervon sei, dass der Ausgleich von Angebot und Nachfrage über die Börse eine angemessene Preisbildung nicht mehr gewährleiste, wodurch den Minderheitsaktionären die Veräußerung ihrer Anteile zu einem angemessenen Preis praktisch unmöglich gemacht werde. Dass der Markt den Erwerber einer Zielgesellschaft negativ bewerte, was in der Regel mit einem Absinken des Marktwerts der Gesellschaft verbunden sei, könne etwa darauf beruhen, dass man ihm eine professionelle Leitung des Unternehmens nicht zutraue oder eine Ausrichtung der Geschäftspolitik allein an den Interessen des neuen Mehrheitsgesellschafters, unter Umständen gar die Ausplünderung der Gesellschaft, befürchte.444 Dass es infolge einer Verschmelzung oder Spaltung zu einer Verengung des Markts im oben genannten Sinne kommt, hält Vetter bereits deshalb für ausgeschlossen, da die bei dem übernehmenden Rechtsträger zur Finanzierung der Umwandlung regelmäßig erforderliche Erhöhung des Grundkapitals eine Verringerung des free floats denknotwendig ausschließe. In absoluten Zahlen jedenfalls bleibe dieser unverändert.445 Auch die für die Minderheitsaktionäre von einer negativen Bewertung des Erwerbers durch den Kapitalmarkt normalerweise ausgehende Gefahr sei bei Verschmelzungen und Spaltungen in vergleichbarem Maße nicht gegeben. Denn anders als die Anteilsinhaber einer Gesellschaft, die durch den Aufkauf ihrer Aktien übernommen werde, könnten sich die Aktionäre bei einer Umwandlung vor einem für die Gesellschaft schädlichen neuen Mehrheitsaktionär selbst schützen. Schließlich seien die Aktionäre nach dem UmwG dazu berufen, mit qualifizierter Mehrheit über das Zustandekommen der Umwandlungsmaßnahme abzustimmen. Insoweit sei es praktisch ausgeschlossen, dass sich die Aktionäre in dem zu fassenden Hauptversammlungsbeschluss freiwillig für einen für sie bzw. die Gesellschaft schädlichen Kontrollaktionär entschieden.446

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Vetter, WM 2002, 1999 (2001). Vetter, WM 2002, 1999 (2002). 446 Etwas anderes könne nach der Ansicht Vetters höchstens dann gelten, wenn der zukünftige Kontrollaktionär bereits Einfluss auf die Hauptversammlung der betreffenden Gesellschaft habe und somit auf die Fassung des Verschmelzungs- bzw. Spaltungs- und Übernahmebeschlusses hinwirken könne. Als Beispiel nennt Vetter hier das Halten von Stimmrechten durch einen Treuhänder oder das Bestehen von Stimmbindungsvereinbarungen. Im selben Atemzug weist er jedoch zutreffend darauf hin, dass dies aufgrund der Zurechnungsregelungen in § 30 WpÜG bereits zum Bestehen einer Kontrollposition führen würde; vgl. Vetter, WM 2002, 1999 (2002). 445

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

(2) Stellungnahme Während nach der Ansicht Vetters die Gefahr für das Absinken der Marktbewertung im Zuge von Kontrolltransaktionen im Wesentlichen auf einer Verringerung des free floats sowie einer unter Umständen negativen Bewertung des Kontrollerwerbers durch den Kapitalmarkt beruhen soll, wurden im Rahmen der vorliegenden Untersuchung als insoweit maßgebliche Gründe ein durch den Kapitalmarkt erfolgender Bewertungsabschlag auf Minderheitsbeteiligungen sowie ein durch Verkaufsreaktionen der Minderheitsaktionäre drohendes Überangebot an Aktien identifiziert.447 Als Ursache für den erfolgenden Minderheitsabschlag ermittelt wurde dabei zwar auch die von Vetter angeführte Gefahr einer eintretenden Marktenge durch eine Verringerung des free floats. Jedoch handelt es sich hierbei nach den oben getroffenen Feststellungen lediglich um einen der Gründe, die dazu führen, dass Minderheitsbeteiligungen aus Anlegersicht tendenziell unattraktiv werden, was sich vorrangig in ihrer geringeren Wertschätzung durch den Kapitalmarkt widerspiegelt. Als maßgebliche weitere Ursachen sind vor allem der unvollkommene Minderheitenschutz im Konzern, die nicht gesicherte gerechte Verteilung von Synergieeffekten, die Gefahr eines going private sowie insbesondere das mit der Minderheitsposition als solcher verbundene mindere Herrschaftsrecht der Aktionäre zu nennen.448 Vor diesem Hintergrund ist es für die Frage der Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre letztlich ohne Belang, dass es im Rahmen von Verschmelzungen und Spaltungen zu einer Verringerung des free floats schon deshalb nicht kommen kann, da die an die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft auszugebenden Tauschaktien regelmäßig aus einer bei dem übernehmenden Rechtsträger durchgeführten Kapitalerhöhung stammen.449 Vielmehr folgt bereits aus der Tatsache, dass der Kapitalmarkt den Bewertungsabschlag auf Minderheitsbeteiligungen aus den weiteren hier genannten Gründen allein an das formale Bestehen einer entsprechenden Minderheitsposition knüpft,450 dass im Hinblick auf das Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung jedenfalls im Grundsatz nichts anderes gelten kann, als bei einer Kontrollerlangung im Wege des rechtsgeschäftlichen Anteilserwerbs. Hier wie dort diskontiert der Markt allein die Tatsache, dass sich die Aktionäre nunmehr in der Position von Minderheitsgesellschaftern befinden mit einem entsprechenden Abschlag auf den Börsenwert der Gesellschaft, und zwar unabhän447 448 449 450

Oben Teil 4 B. I. 2., S. 122 ff. Siehe hierzu ausführlich oben Teil 4 B. I. 2. a), S. 126. Vgl. auch die Ausführungen unter Teil 4 E. I. 5. a) aa), S. 200. Hierzu oben Teil 4 B. I. 2. a), S. 124 ff.

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gig davon, auf welche Art und Weise die Aktionäre in diese Position gelangt sind. Wenn Vetter als weitere mögliche Ursache für das Absinken der Marktbewertung einer Gesellschaft nach erfolgter Kontrollerlangung die negative Bewertung des neuen Kontrollaktionärs durch den Kapitalmarkt anführt, so ist damit letztlich nichts anderes gemeint, als die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung herausgearbeitete Gefahr, dass es infolge einsetzender Verkaufsreaktionen zu einem Überangebot an Aktien und hierdurch bedingt zu Preisverfall am Kapitalmarkt kommt. Denn hervorgerufen wird die Gefahr eines Angebotsmengenüberschusses durch das gesteigerte Verkaufsverhalten der Minderheitsaktionäre auf der einen sowie der fehlenden Aufnahmefähigkeit des Markts auf der anderen Seite,451 wobei sich hierin regelmäßig auch die Bewertung des Kontrollerwerbers widerspiegeln wird. Im Hinblick auf die von Vetter insoweit geltend gemachten Einwände ist zunächst anzumerken, dass dieser, den Minderheitsaktionären unter dem Gesichtspunkt preislicher Gleichbehandlung drohenden Gefahr im Wesentlichen Bedeutung für die Fälle des Kontrollwechsels zukommt. Bei erstmaliger Kontrollerlangung ergibt sich ein Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre bereits aus der Tatsache der geringeren Bewertung von Minderheitsbeteiligungen durch den Kapitalmarkt.452 Auf die gegebenenfalls zusätzliche Gefahr, dass der Kontrollerwerber eine negative Bewertung durch den Kapitalmarkt erfährt, kommt es in den Fällen erstmaliger Kontrollerlangung – jedenfalls entscheidend – nicht an. Aber auch in den Fällen des Kontrollwechsels, in denen der durch den Kapitalmarkt erfolgende Bewertungsabschlag auf Minderheitsbeteiligungen eine hinreichende Argumentationsgrundlage nicht bietet,453 verfängt der von Vetter erhobene Einwand, wonach es ausgeschlossen sein soll, dass sich die Aktionäre bei dem im Rahmen der Umwandlung zu fassenden Hauptversammlungsbeschluss freiwillig für einen schädlichen neuen Kontrollaktionär entscheiden, nicht. Denn einer negativen Bewertung in dem Sinne, dass der neue Kontrollaktionär als für die Gesellschaft oder die Minderheitsaktionäre schädlich eingestuft wird, braucht es zum Auslösen entsprechender Verkaufsreaktionen nicht. Als insoweit entscheidender Faktor ist vielmehr anzusehen, dass es aus Sicht der Minderheitsaktionäre durch den Kontrollwechsel zu einer grundlegenden Veränderung der ur451 Zu diesem Aspekt des mit § 35 WpÜG bezweckten Minderheitsschutzes siehe die Ausführungen unter Teil 4 B. I. 2. b), S. 129. 452 Vgl. insoweit oben Teil 4 B. I. 2. a), S. 124 ff. 453 Denn Ursache des Bewertungsabschlags ist allein das formale Bestehen der Kontrollposition in einer Gesellschaft, unabhängig von der konkreten Person des Kontrollinhabers; siehe oben Teil 4 B. I. 2. a), S. 124 ff.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

sprünglich getroffenen Investitionsentscheidung kommt.454 Allein die Tatsache, dass sich die Minderheitsaktionäre nach Durchführung der Umwandlung in einer Situation wieder finden, die ihre ursprüngliche Investitionsentscheidung im Hinblick auf den neuen Kontrollaktionär als überholt erscheinen lässt, begründet die Gefahr einsetzender Verkaufsreaktionen und damit verbunden auch die Gefahr der Ungleichbehandlung der Minderheitsaktionäre. Dass die Aktionäre der an der Verschmelzung bzw. Spaltung beteiligten Rechtsträger bereits aus diesem Grund von einer Zustimmung zu der Umwandlung absehen würden, kann kaum angenommen werden. Dass dies letztlich nicht der Fall ist, beweist schon die Tatsache, dass es in der Praxis bereits zu Kontrollerlangungen auch in Umwandlungsfällen gekommen ist.455 cc) Ergebnis Als Ergebnis ist festzuhalten, dass ein Bedürfnis der Minderheitsaktionäre nach einer Beteiligung an Paketzuschlägen bei Verschmelzungen und Spaltungen generell nicht besteht. Jedoch können die mit § 35 WpÜG verfolgten Regelungszwecke im Rahmen von Verschmelzungen und Spaltungen insoweit relevant werden, als sich die Minderheitsaktionäre in der Folge einer erstmaligen Kontrollerlangung oder eines Kontrollwechsels auch dort der Gefahr eines Absinkens der Marktbewertung ihrer Gesellschaft und damit ihrer Aktien ausgesetzt sehen. Ein Bedürfnis nach einer Austrittsmöglichkeit zu angemessenen Konditionen ist daher jedenfalls im Grundsatz auch bei Verschmelzungen und Spaltungen anzuerkennen. b) Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre im Einzelfall Dieser Befund schließt es freilich nicht aus, dass der Anwendungsbereich des § 35 WpÜG im Einzelfall nicht doch teleologisch zu reduzieren ist, sollte sich erweisen, dass die Minderheitsaktionäre aufgrund der konkreten Sachverhaltsgestaltung nicht schutzwürdig sind.456

454

Vgl. hierzu oben Teil 4 B. I. 2. b), S. 129 f. Verwiesen sei hier nur auf den von der BaFin im Jahr 2002 entschiedenen Fall der Verschmelzung der Carl Zeiss Ophthalmic Systems AG auf die AsclepionMeditec AG; siehe hierzu ausführlich oben Teil 4 C. II. 3., S. 162 f. 456 So i. E. auch Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 130; ähnlich Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 51. 455

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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aa) Fallkonstellation I Kommt es – wie in Fallkonstellation I457 – infolge der Verschmelzung oder Spaltung zu einem erstmaligen Kontrollerwerb oder zu einem Wechsel der Kontrolle in dem börsennotierten übernehmenden Rechtsträger durch einen Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft, so besteht die Besonderheit, dass sich die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers im Zeitpunkt der Kontrollerlangung aus Alt-Aktionären sowohl der übernehmenden als auch der übertragenden Gesellschaft zusammensetzen.458 Daher ist es zweckmäßig, für die Frage der Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre zwischen den einzelnen Aktionärsgruppen zu unterscheiden.459 (1) Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers Die Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers sehen sich mit Wirksamwerden der Umwandlung einem neuen kontrollierenden Mehrheitsaktionär gegenüber. Im Hinblick auf ihre Schutzbedürftigkeit soll nach ganz überwiegender Ansicht im Schrifttum daher nichts anderes gelten können, als in jenen Fallgestaltungen, in denen die Kontrollerlangung auf einem rechtsgeschäftlichen Anteilserwerb beruht.460 Von der Schutzbedürftigkeit der Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers gehen auch der Handelsrechtsausschuss des DAV in seiner Stellungnahme zum Ref-WÜG461 sowie die BaFin in ihrer Entscheidung in Sachen Carl Zeiss Meditec AG462 aus. Bemerkenswert ist hierbei jedoch, dass keine der genannten Stimmen aus Literatur und Praxis eine am Sinn und Zweck des § 35 WpÜG orientierte Begründung für dieses Ergebnis zu liefern vermag.463 457

Oben Teil 4 C. I. 1., S. 139 f. Die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft werden im Fall der Verschmelzung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 UmwG sowie im Fall der Spaltung gem. § 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 UmwG mit Eintragung der Umwandlung und damit zeitgleich mit dem Akt der Kontrollerlangung Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers. 459 So im Ausgangspunkt auch die h. M. in der Literatur; oben Teil 4 C. II. 1. b) aa), S. 153 f. 460 Vgl. oben Teil 4 C. II. 1. b) aa), S. 153. 461 Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2001, 420 ff.; hierzu im Einzelnen oben Teil 4 C. II. 2., S. 161 f. 462 Oben Teil 4 C. II. 3., S. 162 f. 463 Hieran krankt die in der Literatur bisher geführte Diskussion im Allgemeinen. So begnügen sich die inzwischen doch zahlreichen Stimmen in aller Regel mit allgemeinen Aussagen, die über eine Subsumtion unter den Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG in den seltensten Fällen hinausgehen; vgl. insoweit etwa Kleindiek, ZGR 2002, 546 (570) „[. . .] hat dann ein Pflichtangebot gegenüber den bisherigen 458

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Letztlich folgt die Schutzbedürftigkeit der Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers in Fallkonstellation I ohne weiteres aus den soeben angestellten grundsätzlichen Überlegungen zum Sinn und Zweck des Pflichtangebots in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung.464 Wie bereits ausgeführt wurde, knüpft der Markt den Minderheitsabschlag in den Fällen erstmaliger Kontrollerlangung allein an das formale Bestehen einer Minderheitsposition.465 Unter teleologischen Gesichtspunkten ist es daher unerheblich, auf welche Art und Weise die Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers in die Minderheitsposition gelangt sind. Denn der Markt diskontiert allein die Tatsache, dass die Aktionäre mit Wirksamwerden der Umwandlung in die Position von Minderheitsgesellschaftern geraten, mit einem entsprechenden Abschlag auf den Börsenwert ihrer Anteile. Hierdurch wird es den Aktionären unmöglich, aus der Gesellschaft auszuscheiden, ohne die in Form des Bewertungsabschlags bestehende Wertminderung ihrer Aktien hinnehmen zu müssen. Ihnen ist daher mittels des Pflichtangebots die Möglichkeit zum Austritt aus dem nunmehr kontrollierten Rechtsträger zu angemessenen Konditionen einzuräumen. Anders stellt sich die Situation lediglich dann dar, wenn es in dem übernehmenden Rechtsträger nicht zu einer erstmaligen Kontrollerlangung, sondern zu einem Wechsel in der Person des Kontrollinhabers kommt. In diesem Fall setzt sich der bereits bestehende Bewertungsabschlag unter dem für die Aktionäre neuen Kontrollinhaber regelmäßig unverändert fort,466 ohne dass den Aktionären hierdurch in vermögensrechtlicher Hinsicht ein weiterer Schaden entstünde. Unter dem Gesichtspunkt des Bewertungsabschlags auf Minderheitsbeteiligungen lässt sich ein Schutzbedürfnis der Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers in diesem Fall daher nicht begründen.467 Dass die Aktionäre gleichwohl auch bei einem KontrollwechGesellschaftern des übernehmenden Rechtsträgers abzugeben. Denn mit dem Vollzug der Verschmelzung hat er über diesen die Kontrolle erlangt.“ oder Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (479) „[. . .] erlangt ein neuer Gesellschafter mit Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister die Kontrolle an einem börsennotierten Unternehmen. Das WpÜG verlangt daher die Abgabe eines Pflichtangebots an alle Aktionäre.“; ähnlich Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 31 „Führt die Verschmelzung zum Erwerb einer Kontrollposition in der aufnehmenden AG gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG, so hat der Erwerber den Aktionären ein Kaufangebot nach § 35 Abs. 2 zu unterbreiten.“, um hier nur einige wenige Beispiele zu nennen. 464 Oben Teil 4 E. I. 5. a) bb) (2), S. 204 ff. 465 Hierzu oben Teil 4 B. I. 2. a), S. 124 ff. 466 Zu den – bei der Verschmelzung und Spaltung aufgrund des Verwässerungseffekts zugegebenermaßen eher theoretisch – denkbaren Ausnahmen oben Teil 4 B. I. 2. b), S. 128. 467 Hierzu allgemein oben Teil 4 B. I. 2. b), S. 127 f.

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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sel als schutzbedürftig anzusehen sind, beruht darauf, dass sie sich der Gefahr einsetzender Verkaufsreaktionen ausgesetzt sehen, wodurch es zu einem Überangebot an Aktien und hierdurch bedingt zu Preisverfall am Kapitalmarkt kommen kann.468 Denn jedenfalls die Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers werden von einem für sie neuen Mehrheitsaktionär kontrolliert, wodurch die von ihnen ursprünglich getroffene Investitionsentscheidung weitgehend überholt ist.469 Unter dem Gesichtspunkt preislicher Gleichbehandlung ist es daher auch hier erforderlich, den Aktionären die Möglichkeit zu einem geordneten Rückzug aus ihrem Investment zu gleichen Konditionen einzuräumen. (2) Alt-Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers (a) Der in der Literatur vorherrschende Lösungsansatz Betreffend die Schutzbedürftigkeit der Alt-Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers soll es nach dem in der Literatur ganz überwiegend vertretenen Lösungsansatz entscheidend auf eine aus Sicht der Aktionäre materiell veränderte Kontrollsituation in dem übernehmenden Rechtsträger ankommen.470 Nur dann, wenn die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft nicht auch schon vor Durchführung der Umwandlung von dem nunmehrigen Kontrollaktionär des übernehmenden Rechtsträgers kontrolliert wurden, seien diese als schutzbedürftig anzusehen.471 Im Hinblick auf jene Sachverhaltsgestaltungen, in denen der Kontrollaktionär des übernehmenden Rechtsträgers bereits auch die übertragende Gesellschaft kontrollierte,472 wird in der Literatur demgegenüber darauf hingewiesen, dass sich in diesem Fall zwar die formelle Kontrollsituation in der Zielgesellschaft ändere, die Umwandlung für die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft unter Kontrollgesichtspunkten jedoch ohne materielle Auswirkungen 468 Die Gefahr einsetzender Verkaufsreaktionen besteht für die Aktionäre nicht nur in dem Fall eines Kontrollwechsels, sondern auch bei einer erstmaligen Kontrollerlangung. Anders als bei einem Kontrollwechsel tritt diese Gefahr in den Fällen erstmaliger Kontrollerlangung jedoch neben den durch den Markt erfolgenden Bewertungsabschlag auf Minderheitsbeteiligungen. 469 Zu diesem Aspekt oben Teil 4 B. I. 2. b), S. 129 f. 470 Oben Teil 4 C. II. 1. b) aa), S. 153. 471 Eine Anwendung des § 35 WpÜG auch zugunsten der Alt-Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers würde hiernach praktisch nur dann in Betracht kommen, wenn ein an beiden Rechtsträgern jeweils unterhalb der 30%-Schwelle beteiligter Anteilsinhaber durch die Gewährung zusätzlicher Anteile im Zuge des Anteilstauschs in dem übernehmenden Rechtsträger die Stimmrechtsschwelle von 30% überschreitet; zu dieser Sachverhaltsvariante oben Teil 4 C. I. 1., S. 139. 472 Vgl. auch hierzu oben Teil 4 C. I. 1., S. 139.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

bleibe.473 Dass das Gesetz die Angebotspflicht in § 35 WpÜG aber gerade an eine für die Aktionäre materiell veränderte Kontrollsituation knüpfe, zeige schon die Ausnahmeregelung des § 36 Nr. 3 WpÜG.474 Wenn die BaFin hiernach auf schriftlichen Antrag zulasse, dass Stimmrechte aus Aktien der Zielgesellschaft bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils in solchen Fällen unberücksichtigt bleiben, in denen die Aktien durch Umstrukturierungen innerhalb eines Konzerns erlangt wurden,475 so beruhe dies auf der Überlegung, dass sich hier zwar die formelle, nicht aber auch die materielle Kontrollsituation in der Zielgesellschaft ändere.476 (b) Stellungnahme Anlass zu Kritik gibt der in der Literatur vorherrschende Lösungsansatz bereits unter formaljuristischen Gesichtspunkten. Denn anders, als seine Vertreter glauben machen wollen, handelt es sich bei dem Kriterium der materiell (un-)veränderten Kontrollsituation mitnichten um das Ergebnis einer an Sinn und Zweck des § 35 WpÜG orientierten Auslegung. Hierfür erforderlich gewesen wäre eine Auseinandersetzung mit den dem Pflichtangebot zugrunde liegenden Regelungszwecken, die in der bisherigen Diskussion jedoch nicht erfolgt ist.477 Abgeleitet hat die in der Literatur vor473

So insbesondere v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 78; i. E. auch Baums/ Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 113; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/ Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 31; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKommWpÜG, § 35 Rn. 55; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 145; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 25; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (572); Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 141; Technau, AG 2002, 260 (262). 474 v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 78. 475 Der in § 36 Nr. 3 WpÜG verwandte Begriff der Umstrukturierung ist denkbar weit zu verstehen und erfasst sämtliche Vorgänge, die zum Erwerb von stimmberechtigten Aktien einer Zielgesellschaft oder zum Erwerb von Rechten, die einen Zurechnungstatbestand nach §§ 39, 30 WpÜG begründen, führen; siehe hierzu ausführlich v. Bülow/Bücker, Konzern 2003, 185 (194 f.), sowie Hecker, in: Baums/ Thoma, WpÜG, § 36 Rn. 60. 476 Im hier erörterten Zusammenhang vor allem v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 78; vgl. allgemein aber auch Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 36 Rn. 9 und 11; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 36 WpÜG Rn. 33. 477 Zwar finden sich in der Literatur Aussagen, die auf eine an Sinn und Zweck des § 35 WpÜG orientierte Auslegung hindeuten; siehe insoweit nur v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 77 f. „Schutzzweck des § 35 ist [. . .]“; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 55 „ist [. . .] nicht schutzbedürftig“; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (572) „[. . .] kann die Angebotspflicht ihrem Zweck nach nicht greifen“; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 145 „[. . .] angesichts des fehlenden Schutzbedürfnisses [. . .]“; Technau, AG 2002, 260 (262) „unter Berücksichtigung des Schutzzweckes der Regelungen über das Pflichtangebot [. . .]“.

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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herrschende Ansicht das Kriterium der materiell (un-)veränderten Kontrollsituation vielmehr ganz offensichtlich aus dem in § 35 WpÜG und § 36 Nr. 3 WpÜG zum Ausdruck kommenden Regel-Ausnahme-Verhältnis,478 ohne hierbei jedoch den hinter den Vorschriften stehenden Regelungszweck zu hinterfragen. (aa) Börsennotierte Gesellschaft als übertragender Rechtsträger Nach den oben getroffenen Feststellungen soll das Pflichtangebot gewährleisten, dass die Minderheitsaktionäre einer Zielgesellschaft nach Bekanntwerden einer Kontrollerlangung oder eines Kontrollwechsels aus der kontrollierten Gesellschaft ausscheiden können, ohne eine Wertminderung ihrer Aktien hinnehmen zu müssen, die als Konsequenz eines durch den Markt auferlegten Bewertungsabschlags auf Minderheitsbeteiligungen sowie einsetzender Verkaufsreaktionen zu erwarten ist.479 Soweit den Minderheitsaktionären durch das Pflichtangebot die Möglichkeit eröffnet werden soll, nach einer erstmaligen Kontrollerlangung zu angemessenen Konditionen aus dem nunmehr kontrollierten Rechtsträger auszuscheiden, wurde im Rahmen der hier angestellten Untersuchung aufgezeigt, dass der Markt den Bewertungsabschlag auf Minderheitsbeteiligungen allein an das formale Bestehen einer entsprechenden Minderheitsposition und nicht an die Person des Kontrollinhabers knüpft.480 Damit steht zugleich fest, dass in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung auch die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft von dem auf den Börsenwert des übernehmenden Rechtsträgers erfolgenden Bewertungsabschlag grundsätzlich nicht unberührt bleiben können. Denn für ihre bislang an der übertragenden Gesellschaft gehaltene BeBei genauerem Hinsehen handelt es sich hierbei jedoch um inhaltsleere Phrasen, da eine Bestimmung der mit § 35 WpÜG verfolgten Regelungszwecke entweder von vornherein unterbleibt – so etwa bei v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 77 f.; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 133 ff.; Technau, AG 2002, 260 (262) – oder aber ihr Eingreifen in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung schlicht nicht untersucht wird; letzteres ist bei Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 55, sowie bei Kleindiek, ZGR 2002, 546 (572), der Fall. Verwiesen sei an dieser Stelle insbesondere auf v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 77 f., der sich mit der lapidaren und zudem inhaltlich zweifelhaften Feststellung begnügt, Schutzzweck des § 35 WpÜG sei „das Austrittsrecht der Aktionäre der Zielgesellschaft, die sich einem neuen kontrollierenden Aktionär gegenüber sehen“. 478 So vor allem v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 78; mit Verweis auf denselben Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 113; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 31; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 25; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 141. 479 Siehe hierzu ausführlich oben Teil 4 B. I. 2., S. 122 ff. 480 Oben Teil 4 B. I. 2. a), S. 124 ff.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

teiligung erhalten die Aktionäre im Zuge der Umwandlung und der hiermit einhergehenden Kontrollerlangung letztendlich Minderheitsanteile an dem übernehmenden Rechtsträger. Dabei werden die den Alt-Aktionären der übertragenden Gesellschaft angebotenen Tauschaktien – ebenso wie die Aktien der Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers – mit einem der Minderheitsposition Rechnung tragenden Bewertungsabschlag versehen.481 Hierzu kommt es unabhängig davon, ob sich die Aktionäre einem aus ihrer Sicht neuen oder aber dem bereits die übertragende Gesellschaft kontrollierenden Mehrheitsaktionär gegenübersehen. Betreffend ihre Schutzbedürftigkeit kommt es daher auf eine für sie materiell veränderte Kontrollsituation nicht an. Ohne Bedeutung ist es für die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft weiterhin, ob die Verschmelzung oder Spaltung in dem übernehmenden Rechtsträger erstmals zu einer kontrollierenden Beteiligung oder aber zu einem Wechsel in der Person des Kontrollinhabers führt. Zwar setzt sich der Bewertungsabschlag im Fall des Kontrollwechsels unter dem neuen Kontrollinhaber in der Regel482 unverändert fort.483 Jedoch bleibt dies nur für die Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers ohne Auswirkung auf die Werthaltigkeit ihrer Anteile, da nur sie im Besitz ihrer bereits abgewerteten Aktien verbleiben. Für die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft hingegen wirkt sich auch ein Kontrollwechsel in dem übernehmenden Rechtsträger aufgrund des mit der Umwandlung verbundenen Rechtsträgerwechsels und dem damit einhergehenden Aktientausch im Hinblick auf den erfolgenden Bewertungsabschlag stets wie eine erstmalige Kontrollerlangung aus. Damit steht zugleich fest, dass es auch unter Berücksichtung der Regelungszwecke und der Schutzrichtung des Pflichtangebots für die Frage der Kontrollerlangung und des Auslösens der Angebotspflicht nicht auf die Sicht der Minderheitsaktionäre ankommen kann.484 Diese sind – wie auf481 Bei erstmaliger Kontrollerlangung erfolgt der Bewertungsabschlag erstmals mit Bekanntwerden der neuen Kontrollsituation, im Fall des Kontrollwechsels in dem übernehmenden Rechtsträger setzt sich der dort bereits vorgenommene Abschlag unter dem neuen Kontrollinhaber fort. 482 Zu den denkbaren, aber eher seltenen Ausnahmen oben Teil 4 B. I. 2. b), S. 128. 483 Dies ist der Grund dafür, dass der Minderheitsabschlag in den Fällen des Kontrollwechsels im Normalfall keine tragfähige Argumentationsgrundlage für das Auslösen der Angebotspflicht bildet; siehe hierzu oben Teil 4 B. I. 2. b), S. 127 f. 484 So aber Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A Rn. 94 und 102; Kalss, in: Semler/Volhard, Bd. 2, § 51 Rn. 67; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (571); in Ausnahmefällen auch Seibt/Heiser, ZHR 2001, 466 (482); aus dem österreichischen Schrifttum siehe Fleischer/Kalss, S. 160; Gall, wbl 2000, 544 (548); Kaindl, S. 121; Kalss/Winner, ÖBA 2000, 51 (53 f.); Zollner, S. 137.

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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gezeigt wurde – vielmehr auch dann schutzbedürftig, wenn sie sich keinem neuen Kontrollaktionär gegenübersehen. Entsprechend dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG ist und bleibt Kontrollobjekt damit ausschließlich die Zielgesellschaft.485 Während der Person des Kontrollaktionärs, und damit einhergehend, der materiellen Kontrollsituation hinsichtlich des durch den Markt erfolgenden Bewertungsabschlags auf Minderheitsbeteiligungen also von vornherein keine weitere Bedeutung zukommt, knüpft das Gesetz den Schutz der von den Aktionären ursprünglich getroffenen Investitionsentscheidung in der Tat an eine für die Aktionäre materiell veränderte Kontrollsituation.486 Denn nur dann, wenn sich die Minderheitsaktionäre einem für sie neuen Kontrollaktionär gegenübersehen, besteht nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Gefahr, dass in großem Umfang Unternehmensanteile abgestoßen werden, wodurch es zu einem Überangebot an Aktien am Kapitalmarkt und hierdurch bedingt zu Preisverfall kommen kann.487 Werden die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft aber sowohl vor als auch nach Durchführung der Umwandlung von ein und demselben Mehrheitsaktionär kontrolliert, so lässt sich ein Schutzbedürfnis dieser Aktionäre im Hinblick auf unter Umständen einsetzende Verkaufsreaktionen jedenfalls insoweit sicherlich nicht begründen, als eine materiell veränderte Kontrollsituation nicht besteht.488 Zwar kann es auch hier ohne Zweifel dazu kommen, dass größere Teile der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft in dem übernehmenden Rechtsträger nicht verbleiben wollen und daher ihre Aktien zum Verkauf anbieten. Indes wären derartige Verkaufsreaktionen nicht darauf zurückzuführen, dass sich die Aktionäre einem neuen Mehrheitsaktionär gegenübersehen. Allein die Tatsache, dass sich die Aktionäre in einem anderen Rechtsträger wieder finden, vermag das Pflichtangebot seinem Sinn und Zweck nach indes nicht auszulösen.489 Denn jedenfalls insoweit unterscheidet sich die Situation in keiner Weise von den Gegebenheiten einer 485 Betreffend den Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG siehe die Ausführungen unter Teil 4 E. I. 1. a) bb), S. 183 f. 486 Sei es, dass die Gesellschaft zuvor kontrollfrei war, oder, dass diese von einem anderen Mehrheitsaktionär kontrolliert wurde. In beiden Fällen stellt sich die von den Aktionären ursprünglich getroffene Investitionsentscheidung als überholt dar; siehe oben Teil 4 B. I. 2. b), S. 129 f. 487 Siehe hierzu ausführlich oben Teil 4 B. I. 2. b), S. 129 f. 488 Insoweit jedenfalls i. E. zutreffend v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 78; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 31; Hommelhoff/ Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 55; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider, § 35 Rn. 145; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 25; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (572); Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (479 f.); Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 141; Technau, AG 2002, 260 (262).

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

kontrollfreien Verschmelzung oder Spaltung. Auch hier müssen es die AltAktionäre der übertragenden Gesellschaft grundsätzlich hinnehmen, dass sie in eine andere Gesellschaft transferiert werden, ohne dass ihnen allein aus diesem Grund ein Pflichtangebot zu unterbreiten wäre.490 Bei diesem Ergebnis stehen zu bleiben,491 hieße indes eine wesentliche Besonderheit der Verschmelzung und Spaltung unberücksichtigt zu lassen, auf die es im vorliegenden Zusammenhang entscheidend ankommt: Es ist dies die Tatsache, dass sich die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers im Zeitpunkt der Kontrollerlangung nicht nur aus Alt-Aktionären des übertragenden, sondern auch aus solchen des übernehmenden Rechtsträgers zusammensetzen.492 Dies führt dazu, dass die Alt-Aktionäre des übertragenden mit den Alt-Aktionären des übernehmenden Rechtsträgers im Hinblick auf die den Minderheitsaktionären drohende Gefahr am Markt einsetzender Verkaufsreaktionen bildlich gesprochen „in einem Boot sitzen“. Denn die Bewertung der an der Börse gehandelten (Minderheits-)Aktien des übernehmenden Rechtsträgers durch den Kapitalmarkt erfolgt denknotwendig einheitlich mittels Feststellung eines für alle ausgegebenen Anteile gleichermaßen Geltung beanspruchenden Börsenkurses. Die Gefahr, dass es im Fall der Kontrollerlangung zu Verkaufsreaktionen jedenfalls der Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers und hierdurch bedingt zu Preisverfall kommt, trifft daher sämtliche Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers gleichermaßen, eingeschlossen die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft. Die Vorstellung, wonach diese Gefahr den Minderheitsaktionären nur bei einer materiell veränderten Kontrollsituation droht, erweist sich damit zumindest in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung als unzutreffend. Nichts anderes ergibt sich schließlich aus der in der Literatur angeführten Wertung des § 36 Nr. 3 WpÜG. Zwar lässt sich der zitierten Regelung ohne weiteres entnehmen, dass in den Fällen konzerninterner Umstrukturierung und hiermit verbundener Kontrollerlangung unterhalb ein und dersel489

Gleichsinnig v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 78; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 31; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 141. 490 Vgl. insoweit auch unten Teil 4 F. III. 3., S. 279 f. Ein Recht der Aktionäre zum Austritt aus der Gesellschaft kann sich hier höchstens aus § 29 UmwG ergeben, der diese Möglichkeit jedoch an die Voraussetzung knüpft, dass es sich entweder um eine sog. Mischverschmelzung handelt oder aber die Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger Verfügungsbeschränkungen unterworfen sind; vgl. unten Teil 4 E. I. 5. c) cc), S. 222. 491 So aber der in der Literatur vorherrschende Lösungsansatz; vgl. insoweit die Nachweise oben Fn. 473. 492 Hierauf wurde bereits eingangs hingewiesen; oben Teil 4 E. I. 5. b) aa), S. 207.

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ben Konzernobergesellschaft, d.h. bei materiell unveränderter Kontrollsituation,493 ein Pflichtangebot nicht abzugeben ist.494 Indes kann hieraus nicht – wie in der Literatur geschehen495 – der Schluss gezogen werden, dass es zum Auslösen der Angebotspflicht des § 35 WpÜG ausnahmslos einer für die Aktionäre der Zielgesellschaft materiell veränderten Kontrollsituation bedürfe. Entscheidend für das Auslösen der Angebotspflicht kann unter teleologischen Gesichtspunkten allein die Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre im Hinblick auf jene Gefahren sein, vor denen das Pflichtangebot schützen soll. Allgemeingültigkeit kann das Kriterium der materiell (un-)veränderten Kontrollsituation also nur dann erlangen, wenn die § 36 Nr. 3 WpÜG zugrunde liegende gesetzgeberische Wertung – diese liegt offensichtlich in der fehlenden Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre bei konzerninternen Umstrukturierungen496 – für alle Fälle materiell unveränderter Kontrollsituation Gültigkeit besäße. Dass dies nicht der Fall ist, zeigt jedoch gerade die hier untersuchte Sachverhaltsgestaltung der Verschmelzung und Spaltung, in der, wie soeben aufgezeigt wurde, ein Schutzbedürfnis der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft unabhängig davon besteht, ob mit der Umwandlung eine materielle Veränderung der Kontrollsituation einhergeht.

493 Dem liegt der Gedanke der überlagernden Kontrollposition der Konzernspitze zugrunde; siehe v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 36 Rn. 39; ders./Bücker, Konzern 2003, 185 (191 ff., 196); Meyer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 36 Rn. 13; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 36 WpÜG Rn. 33. 494 v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 36 Rn. 39; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 36 Rn. 25; Meyer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 36 Rn. 12; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 36 WpÜG Rn. 33. 495 So vor allem v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 78. 496 Die fehlende Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre beruht hierbei einmal darauf, dass eine ursprünglich kontrollfreie Gesellschaft, bei der die Kontrollerlangung erstmals zu einem durch den Kapitalmarkt auferlegten Minderheitsabschlag führt, im Anwendungsbereich des § 36 Nr. 3 WpÜG niemals vorliegt, da die Umstrukturierung gerade konzernintern erfolgt, wodurch die Untergesellschaft, in der sich die Kontrollerlangung vollzieht, aufgrund der Stimmrechtszurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpÜG sowohl vor als auch nach Durchführung der Umstrukturierung mittelbar durch die Konzernobergesellschaft kontrolliert wird. Dass die Minderheitsaktionäre auch im Hinblick auf drohende Verkaufsreaktionen keines Schutzes bedürfen, lässt sich auf die im Konzern erfolgende einheitliche Willensbildung durch die Konzernobergesellschaft zurückführen, wodurch Kontrollübertragungen auf der Ebene von Untergesellschaften (sog. Umhängen von Kontrollbeteiligungen) schlicht keine Auswirkung auf die ursprüngliche Investitionsentscheidung der Anteilsinhaber haben.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

(bb) Nicht börsennotierte Gesellschaft als übertragender Rechtsträger Fraglich ist, ob die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft auch dann in das Pflichtangebot einzubeziehen sind, wenn es sich bei dem übertragenden Rechtsträger um eine nicht börsennotierte Zielgesellschaft oder um eine Gesellschaft anderer Rechtsform handelt. Hommelhof/Witt haben dies jedenfalls für den Fall bejaht, dass es sich bei dem übertragenden Rechtsträger um eine nicht börsennotierte AG handelt und sich deren AltAktionäre in dem übernehmenden Rechtsträger einer materiell veränderten Kontrollsituation ausgesetzt sehen.497 Diese Auffassung vermag vor dem Hintergrund der rechtsdogmatischen Einordnung des § 35 WpÜG als Vorschrift des kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes nicht zu überzeugen. Im Rahmen der rechtsdogmatischen Einordnung des Pflichtangebots wurde aufgezeigt, dass die Bedeutung der Vorschrift im Schutz und in der Stärkung der Funktionsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts liegt.498 Durch das Pflichtangebot sollen Anreize für die Investitionsbereitschaft institutioneller wie auch privater Anleger geschaffen werden. Diese spezifisch kapitalmarktrechtliche Wirkungsweise bedingt es, dass das Pflichtangebot seinem Sinn und Zweck nach nur zugunsten von Aktionären zur Anwendung gelangen kann, die vor Eintritt des die Verpflichtungen nach § 35 WpÜG auslösenden Tatbestands Anteilsinhaber einer börsennotierten Zielgesellschaft waren.499 Denn nur diese Aktionäre haben ihre Aktien im Vertrauen auf die zukünftige Austrittsmöglichkeit erworben. Hieraus folgt, dass die Alt-Aktionäre einer nicht börsennotierten übertragenden Gesellschaft als potentielle Adressaten des Pflichtangebots von vornherein ausscheiden.500

497

Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 55 (Fn. 76). Oben Teil 4 B. II. 3., S. 133 ff. 499 Im Normalfall bedarf dies keiner gesonderten Erwähnung, da der Anwendungsbereich des § 35 WpÜG auf börsennotierte Gesellschaften beschränkt ist und ein Rechtsträgerwechsel – anders als bei Verschmelzungen und Spaltungen – nicht stattfindet. 500 In der Praxis ist in diesen Fällen darauf zu achten, dass den Aktien des übernehmenden Rechtsträgers, die im Rahmen der Umwandlung an die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft ausgegeben werden, eine gesonderte International Securities Identification Number (ISIN) bzw. Wertpapierkennnummer (WKN) zugewiesen wird, um die Angebotsadressaten eindeutig identifizieren zu können; vgl. Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 35 Rn. 113; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 78; kritisch zur praktischen Umsetzbarkeit Süßmann, WM 2003, 1453 (1456). 498

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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bb) Fallkonstellation V Für die Fälle der nicht-verhältniswahrenden Spaltung, in denen es – wie in Fallkonstellation V501 – in Folge einer Abspaltung zum Erwerb von 30% oder mehr der Stimmrechte in der börsennotierten übertragenden Gesellschaft durch einen Anteilsinhaber desselben kommt, lässt sich die Frage nach der Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre nunmehr verhältnismäßig leicht beantworten. Denn dadurch, dass die Minderheitsaktionäre bereits vor Kontrollerlangung Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft sind, ein mit der Spaltung einhergehender Wechsel des Rechtsträgers für sie mithin nicht stattfindet, folgt ihre Schutzbedürftigkeit – ebenso wie im Fall der Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers in Fallkonstellation I – ohne weiteres aus den oben angestellten grundsätzlichen Überlegungen zum Sinn und Zweck der Pflichtangebotsregelung in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung.502 Auf die dortigen Ausführungen sowie auf die zur Schutzbedürftigkeit der Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers in Fallkonstellation I angestellten Überlegungen soll daher an dieser Stelle verwiesen sein.503 cc) Ergebnis Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Minderheitsaktionäre in den Fallkonstellationen I und V gleichermaßen schutzbedürftig sind. Das Schutzbedürfnis besteht unabhängig davon, ob es sich bei den Minderheitsaktionären um Alt-Aktionäre des übernehmenden oder des übertragenden Rechtsträgers handelt. Insbesondere ist es unzulässig, in Fallkonstellation I das Schutzbedürfnis der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft von einer für sie materiell veränderten Kontrollsituation abhängig zu machen. Vielmehr sind die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft auch dann als schutzbedürftig anzusehen, wenn sie sich vor und nach Wirksamwerden der Umwandlung ein und demselben Kontrollaktionär gegenübersehen. Jedoch bedingt es die spezifisch kapitalmarktrechtliche Wirkungsweise des § 35 WpÜG, dass das Pflichtangebot nur zugunsten von Aktionären zur Anwendung gelangen kann, die vor Eintritt des die Verpflichtungen nach § 35 WpÜG auslösenden Tatbestands Anteilsinhaber einer börsennotierten Zielgesellschaft waren.

501 502 503

Oben Teil 4 C. I. 5., S. 148 f. Siehe hierzu oben Teil 4 E. I. 5. a) bb) (2), S. 204 ff. Hierzu oben Teil 4 E. I. 5. b) aa) (1), S. 207 ff.

218

Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

c) Fehlen gleichwertiger Schutzmechanismen im Umwandlungsrecht Steht damit fest, dass die Minderheitsaktionäre in den hier untersuchten Fallkonstellationen I und V jenen Gefahren ausgesetzt sind, vor denen § 35 WpÜG die Aktionäre schützen soll, so stellt sich die Frage, ob diesen Gefahren nicht bereits durch die im Umwandlungsrecht angelegten Schutzmechanismen in angemessener Weise Rechnung getragen wird. Zwar sind die Vorschriften des UmwG zum Schutz der Anteilsinhaber primär verbandsrechtlicher Natur, während das Pflichtangebot als Instrument des kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes zu begreifen ist.504 Jedoch können auch dem Gesellschaftsrecht zuzuordnende Normen kapitalmarktrechtliche Funktionen übernehmen und somit im Verhältnis zu kapitalmarktrechtlichen Regelungen substituierend wirken.505 Der verbandsrechtliche Charakter der im Umwandlungsrecht angelegten Schutzmechanismen steht der Annahme einer von ihnen ausgehenden substituierenden Wirkung damit im Grundsatz nicht entgegen.506 Als umwandlungsrechtliches Substitut der Angebotspflicht nach § 35 WpÜG sind im Schrifttum in Erwägung gezogen worden das Recht der Anteilsinhaber, gem. §§ 13 Abs. 1, 65 Abs. 1 Satz 1 UmwG507 mit einer qualifizierten Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals über das Wirksamwerden des Verschmelzungs- bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrags abzustimmen,508 die Festschreibung eines für alle Aktionäre gleichen Umtauschverhältnisses im Umwandlungsvertrag509 sowie das in § 29 UmwG statuierte Austrittsrecht der Anteilsinhaber.510

504

Oben Teil 4 B. II. 3., S. 133 ff. Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 495 ff.; ders., BB 1975, 1591 (1596 f.). 506 A. A. offenbar Kleindiek, ZGR 2002, 546 (568 f.); im Ergebnis wie hier Grabbe/Fett, NZG 2003, 755 (758). 507 Gem. § 125 Satz 1 UmwG gelten §§ 13 Abs. 1, 65 Abs. 1 Satz 1 UmwG für die Spaltung entsprechend. 508 Heckschen, in: Heckschen/Simon, § 6 Rn. 21; in diesem Sinne wohl auch Weber-Rey/Schütz, AG 2001, 325 (328 f.); so auch schon Wirth/Weiler, DB 1989, 117 (120), zum Übernahmekodex. 509 Weber-Rey/Schütz, AG 2001, 325 (329); Vetter, WM 2002, 1999 (2002). 510 Vetter, WM 2002, 1999 (2006). 505

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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aa) Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung Gem. §§ 13 Abs. 1, 65 Abs. 1 Satz 1 UmwG haben die Hauptversammlungen der an einer Verschmelzung oder Spaltung511 beteiligten Rechtsträger mit einer qualifizierten Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals512 – im Fall der nicht-verhältniswahrenden Spaltung gem. § 128 Satz 1 UmwG einstimmig – über das Zustandekommen der Umwandlung abzustimmen.513 Bleibt das Stimmverhalten der Anteilsinhaber in einer der Hauptversammlungen hinter den genannten Anforderungen zurück, so wird der Verschmelzungs- bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrag nicht wirksam.514 Den mit einer erstmaligen Kontrollerlangung oder einem Kontrollwechsel am Kapitalmarkt einhergehenden Gefahren können die Anteilsinhaber der an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger mithin dadurch entgehen, dass sie die Kontrollerlangung selbst verhindern, indem sie der Verschmelzung bzw. Spaltung die erforderliche Zustimmung versagen.515 Indes vermag allein der Umstand, dass die Entscheidung über das Zustandekommen der Umwandlung den Hauptversammlungen der beteiligten Rechtsträger vorbehalten ist, keinen hinreichenden Schutz der Minderheitsaktionäre zu gewährleisten.516 Ein solcher ist nur dann sichergestellt, wenn den Minder511 Gem. § 125 Satz 1 UmwG gelten §§ 13 Abs. 1, 65 Abs. 1 Satz 1 UmwG für die Spaltung entsprechend. 512 Gem. § 65 Abs. 1 Satz 2 UmwG können in der Satzung auch eine größere Kapitalmehrheit sowie weitere Erfordernisse vorgesehen werden. So kann etwa Einstimmigkeit oder auch ein bestimmtes Beschlussquorum, d.h. die Anwesenheit eines bestimmten Bruchteils des gesamten Grundkapitals verlangt werden; zu den Einzelheiten siehe Diekmann, in: Semler/Stengel, UmwG, § 65 Rn. 13 ff.; Rieger, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 65 UmwG Rn. 6. 513 Streng genommen entscheiden die Anteilsinhaber nicht über das Zustandekommen der Umwandlung, sondern über das Wirksamwerden des Verschmelzungsbzw. Spaltungs- und Übernahmevertrags; vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 UmwG. Wird die erforderliche Zustimmung jedoch verweigert, so kann die Umwandlung mangels wirksamer vertraglicher Grundlage nicht zur Durchführung gelangen. 514 Vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 UmwG. Solange die Zustimmung mit der gesetzlich vorgeschriebenen oder gesellschaftsvertraglich zulässig festgelegten abweichenden Mehrheit nicht erteilt ist, ist der Umwandlungsvertrag schwebend unwirksam; vgl. Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 13 Rn. 235; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 8; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 4 Rn. 12; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 13 UmwG Rn. 8. 515 So die Argumentation von Heckschen, in: Heckschen/Simon, § 6 Rn. 21; Wirth/Weiler, DB 1989, 117 (120); in diese Richtung auch Mayer, in: Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht, § 5 Rn. 269; Weber-Rey/Schütz, AG 2001, 325 (328 f.). 516 So jedenfalls im Ergebnis auch v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 75; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 50; Lenz/Linke, AG 2002, 361 (367 f.); Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 129.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

heitsaktionären der bei einer Kontrollerlangung drohende Wertverlust ihrer Aktien ausgeglichen wird. Für den Fall der von § 65 Abs. 1 Satz 1 UmwG geforderten qualifizierten Mehrheitsentscheidung ergibt sich dies bereits daraus, dass stets eine überstimmte Minderheit von Aktionären verbleiben wird, die sich der Durchführung der Umwandlung nicht zu erwehren vermag. Als Recht der Minderheit darf das übernahmerechtliche Pflichtangebot aber nicht zur Disposition der Mehrheit der Anteilsinhaber stehen.517 Fraglich ist jedoch, ob von einem ausreichenden Schutz der Minderheitsaktionäre nicht zumindest dann ausgegangen werden muss, wenn das Gesetz – wie in § 128 Satz 1 UmwG für die nicht-verhältniswahrende Spaltung – die Einstimmigkeit des Zustimmungsbeschlusses fordert. In diesem Fall ist es jedem einzelnen Aktionär vorbehalten, durch sein Stimmverhalten die Durchführung der Umwandlung und damit auch die Kontrollerlangung zu verhindern. Gleichwohl kann auch hierin kein gleichwertiges Substitut zu der Regelung in § 35 WpÜG gesehen werden.518 Das Einstimmigkeitserfordernis des § 128 Satz 1 UmwG dient allein dem Schutz der Anteilsinhaber vor Mehrheitseingriffen in ihre Mitgliedschaft zugunsten anderer Gesellschafter.519 Ein weitergehender Schutz ist mit der Vorschrift weder beabsichtigt noch im Ergebnis verbunden. Dass hiervon auch der Gesetzgeber ausgeht, wird bereits daran deutlich, dass den Anteilsinhabern der übertragenden Gesellschaft bei einer nicht-verhältniswahrenden Spaltung auch das Austrittsrecht nach § 29 UmwG zusteht.520 Insoweit wäre es widersprüchlich, den Minderheitsaktionären das Pflichtangebot nach § 35 WpÜG unter Hinweis auf die notwendig einstimmige Beschlussfassung zu verweigern. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Zustimmung der Anteilsinhaber zu der Umwandlung gerade auch wegen der hieraus resultierenden übernahmerechtlichen Austrittsmöglichkeit erfolgen kann.

517 Gleichsinnig v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 75 a. E. Besonders deutlich wird dies in dem Fall, wo der die übertragende Gesellschaft kontrollierende Mehrheitsaktionär einen Stimmrechtsanteil auf sich vereinigt, der ihn in die Lage versetzt, den Umwandlungsbeschluss allein durch das eigene Stimmverhalten herbeizuführen. Erlangt der Mehrheitsaktionär hierdurch die Kontrolle in dem übernehmenden Rechtsträger, so können die Minderheitsaktionäre kaum darauf verwiesen werden, dass sie über die Durchführung der Umwandlung abstimmen konnten. 518 A. A. Lenz/Linke, AG 2002, 361 (367 f.), die in diesem Fall von einem ausreichenden Schutz der Minderheitsaktionäre ausgehen. 519 Priester, in: Lutter, UmwG, § 128 Rn. 2; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 128 Rn. 3. 520 Die Verweisung in § 125 Satz 1 UmwG auf die Vorschriften des zweiten Buchs des UmwG gilt ohne Ausnahme auch für die nicht-verhältniswahrende Spaltung.

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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bb) Einheitlichkeit des Umtauschverhältnisses Verfehlt ist weiterhin die Annahme, den mit § 35 WpÜG verfolgten Schutzzwecken werde bereits durch die im Umwandlungsrecht erfolgte Festschreibung eines für alle Aktionäre einheitlichen Umtauschverhältnisses ausreichend Rechnung getragen.521 Zu unterscheiden ist insoweit zwischen der Situation der Anteilsinhaber im Umwandlungsverfahren und nach Abschluss desselben durch Eintragung der Verschmelzung bzw. Spaltung in das Handelsregister und Bekanntwerden der Kontrollerlangung. Dass die Anteilsinhaber der an der Verschmelzung oder Spaltung beteiligten Rechtsträger im Umwandlungsverfahren selbst aufgrund der Vorgaben des UmwG sowohl formell als auch materiell gleichbehandelt werden, war bereits im dritten Teil dieser Arbeit Gegenstand der Erörterung und bedarf daher an dieser Stelle keiner weiteren Erläuterung.522 Indes kann das im Umwandlungsvertrag für die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft einheitlich festgelegte Umtauschverhältnis lediglich ein Zweifaches gewährleisten: erstens, dass jeder Anteilsinhaber, gemessen an seiner bisherigen Beteiligungsquote, eine verhältnismäßig gleichhohe Anzahl an Anteilen an dem übernehmenden Rechtsträger erhält523 und zweitens, dass die Anteilsinhaber aller beteiligten Rechtsträger ihren bisherigen relativen Anteil an der Summe der (teil-)verschmolzenen Vermögensmassen behalten.524 Nicht sicherzustellen vermag die Einheitlichkeit des Umtauschverhältnisses demgegenüber, dass die nach Wirksamwerden der Umwandlung von den Anteilsinhabern gehaltenen Aktien aufgrund des Bekanntwerdens der Kontrollerlangung der Gefahr drohender Wertminderungen ausgesetzt sind, die als Konsequenz eines durch den Markt auferlegten Bewertungsabschlags auf Minderheitsbeteiligungen sowie einsetzender Verkaufsreaktionen zu erwarten sind.525 Dieser Gefahr kann auch in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung nur mit dem übernahmerechtlichen Pflichtangebot wirksam begegnet werden.

521 So vor allem Weber-Rey/Schütz, AG 2001, 325 (329); Vetter, WM 2002, 1999 (2002). 522 Oben Teil 3 D. II., S. 110 ff. 523 Siehe zu diesem Aspekt Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 18; Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 5 Rn. 95; Stratz, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 5 UmwG Rn. 7. 524 Dies wird dadurch erreicht, dass die Ermittlung des Umtauschverhältnisses auf der Basis der Wertrelation der beteiligten Rechtsträger erfolgt; vgl. hierzu Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 18. 525 Im Ergebnis wie hier Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 50.

222

Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

cc) Austrittsrecht des § 29 UmwG Schließlich kann das Bestehen der übernahmerechtlichen Angebotspflicht auch nicht mit Hinweis auf die Vorschrift des § 29 UmwG verneint werden. Das von § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwG gewährte Austrittsrecht ist an enge formelle wie auch materielle Voraussetzungen geknüpft, was dazu führt, dass die Möglichkeit zum Austritt aus der Gesellschaft nur in den seltensten Fällen des verschmelzungs- und spaltungsbedingten Kontrollerwerbs überhaupt gegeben sein wird.526 So kommt ein Austritt nach § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwG überhaupt nur dann in Betracht, wenn es sich bei der übernehmenden Gesellschaft um einen Rechtsträger anderer Rechtsform handelt (sog. Mischverschmelzung) oder aber die Anteile der übernehmenden Gesellschaft Verfügungsbeschränkungen unterworfen sind.527 Darüber hinaus steht das umwandlungsrechtliche Abfindungsrecht lediglich den Anteilsinhabern der übertragenden Gesellschaft und nur unter der weiteren Voraussetzung zu, dass diese gem. § 29 Abs. 2 UmwG gegen den Umwandlungsbeschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt haben.528 Weiterhin müssen die Anteilsinhaber nach überwiegender und richtiger Ansicht gegen den Verschmelzungs- bzw. Spaltungsbeschluss gestimmt haben, um in den Genuss des Austrittsrechts zu kommen.529 Demgegenüber ist das übernahmerechtliche Austrittsrecht nach § 35 WpÜG für die Minderheitsaktionäre an keine weiteren Voraussetzungen als die Kontrollerlangung gebunden. Aber auch in den seltenen Fällen, in denen § 29 UmwG einmal einschlägig sein wird, vermag die Vorschrift das Schutzniveau des § 35 WpÜG nicht zu erreichen. Im Rahmen des § 35 WpÜG werden die Minderheitsaktionäre hinsichtlich der Preisbemessung insoweit besser gestellt, als nach § 39 WpÜG i. V. m. § 31 Abs. 1, 4 und 5 WpÜG auch solche Erwerbe Berücksichtigung finden, die innerhalb der letzten drei Monate vor der Veröffentlichung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG, parallel zu Veröffentlichung 526 So mit Recht Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 114; vgl. insoweit auch v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 75; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 50. 527 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 29 Rn. 2 f.; Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 6 f.; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 29 Rn. 2 ff. 528 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 29 Rn. 10; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 29 Rn. 1; Vollrath, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 29 Rn. 2. 529 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 29 Rn. 10; Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 21, jeweils m. w. N.; zur Gegenansicht siehe Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 29 Rn. 13 m. w. N. Hierzu, sowie zu der Frage, ob ein entsprechendes Widerspruchserfordernis in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung auch für das Pflichtangebot nach § 35 WpÜG zu fordern ist, eingehend unten Teil 4 E. II. 2., S. 244 ff.

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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der Angebotsunterlage oder in einem Zeitraum von bis zu einem Jahr nach der Veröffentlichung gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG getätigt werden.530 Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass ein nach § 35 WpÜG unterbreitetes Pflichtangebot die Interessen der Minderheitsaktionäre an einer angemessenen Abfindungsleistung stets ausreichend berücksichtigen wird, da die BaFin der Veröffentlichung der Angebotsunterlage nur dann zustimmt, wenn die gesetzlichen Mindestpreisbestimmungen eingehalten sind.531 Demgegenüber wären die Minderheitsaktionäre bei einem Austritt nach § 29 UmwG auf die regelmäßig langwierige Überprüfung der Abfindung im Spruchverfahren angewiesen.532 Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass das übernahmerechtliche Pflichtangebot, gemessen an seinen Voraussetzungen und seiner rechtlichen Reichweite, deutlich über den von § 29 UmwG gewährten Schutz hinausgeht.533 dd) Ausgestaltung der Gegenleistung Keine Berücksichtigung hat bei der im Schrifttum bislang geführten Diskussion die Überlegung gefunden, den mit dem Pflichtangebot verfolgten Regelungszwecken könnte bereits durch die Ausgestaltung der den Aktionä530 Zu den unterschiedlichen Anforderungen an die Gegenleistung siehe ausführlich v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 75; vgl. auch Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 50; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, § 35 Rn. 139; Lenz/Linke, AG 2002, 361 (368). 531 Vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG, wonach die BaFin das Angebot untersagt, wenn die in der Angebotsunterlage enthaltenen Angaben offensichtlich gegen Vorschriften des WpÜG oder der WpÜG-AngebotsVO verstoßen. Hierunter fallen insbesondere Verstöße gegen die Preisbemessungsvorschriften der § 31 WpÜG, §§ 4–6 WpÜG-AngebotsVO; vgl. Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 15 Rn. 18; Scholz, in: FrankfKomm-WpÜG, § 15 Rn. 38; Seydel, in: KK-WpÜG, § 15 Rn. 32. 532 Weiterhin hätten die Minderheitsaktionäre im Spruchverfahren auch nach neuer Rechtslage ein – wenn auch eingeschränktes – Kostenrisiko zu tragen. Zwar ist Kostenschuldner gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG grundsätzlich nur der Antragsgegner, im Fall der Verschmelzung oder Spaltung also der übernehmende bzw. neu gegründete Rechtsträger. Jedoch können die Kosten gem. § 15 Abs. 2 Satz 2 SpruchG auch weiterhin, sofern dies der Billigkeit entspricht, ganz oder jedenfalls zum Teil dem Antragsteller auferlegt werden. Entsprechendes gilt gem. § 15 Abs. 4 SpruchG für die außergerichtlichen Kosten. Vgl. hierzu ausführlich Volhard, in: MünchKomm-AktG, § 15 SpruchG Rn. 9 und 12 ff. 533 Widersprüchlich insoweit Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 50 und 52 ff., die wie hier in § 29 UmwG kein gleichwertiges Substitut zu der Angebotspflicht nach § 35 WpÜG sehen, die Anwendbarkeit des Pflichtangebots in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung aber gleichwohl davon abhängig machen wollen, ob im Einzelfall ein Austrittsrecht nach § 29 UmwG besteht. Worin die Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung der Minderheitsaktionäre trotz identischer Gefährdungslage liegen soll, ist nicht ersichtlich.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

ren im Rahmen der Verschmelzung bzw. Spaltung anzubietenden Gegenleistung Rechnung getragen werden. Dass diesem Aspekt erhebliche Bedeutung jedenfalls für die Frage der Schutzbefürftigkeit der Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft zukommt, zeigt die Vorschrift des § 31 Abs. 2 WpÜG. Hiernach ist der Bieter im Rahmen eines Übernahme- oder Pflichtangebots verpflichtet, den Aktionären der Zielgesellschaft als Gegenleistung für ihre Aktien eine Geldleistung in Euro oder aber liquide Aktien anzubieten, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Entscheidet sich der Bieter für eine Abfindung in liquiden Aktien, so steht es ihm nach ganz überwiegender Ansicht grundsätzlich frei, den Aktionären Aktien einer ebenfalls kontrollierten Gesellschaft anzubieten.534 Nehmen die Aktionäre ein solches Angebot an, so erhalten sie im Austausch für die von ihnen an der Zielgesellschaft gehaltene Beteiligung Minderheitsanteile entweder an der Bietergesellschaft oder an einem dritten Rechtsträger, dessen Aktien der Bieter offeriert hat.535 Eine (erneute) Verpflichtung nach § 35 WpÜG wird hierdurch allerdings nicht ausgelöst.536 Der Grund hierfür liegt darin, dass den mit § 35 WpÜG verfolgten Regelungszwecken im Anwendungsbereich des § 31 Abs. 2 WpÜG durch die Ausgestaltung der Gegenleistung, namentlich durch die gesetzlichen Anforderungen an die Ermittlung des Umtauschverhältnisses sowie die Liquidität der Tauschaktien, angemessen Rechnung getragen wird. In nahezu derselben Situation befinden sich die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung, wenn sie im Zuge der Umwandlung Minderheitsanteile an dem übernehmenden 534

Haarmann, in: FrankfKomm-WpÜG, § 31 Rn. 82, Kremer/Oesterhaus, in: KK-WpÜG, § 31 Rn. 24; Marsch-Barner, in: Baums/Thoma, § 31 Rn. 61; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 31 WpÜG Rn. 23; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 31 Rn. 20; Technau, AG 2002, 260 (264 f.); Thun, in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 31 Rn. 9; Vetter, WM 2002, 1999 (2002); nach der Gegenansicht soll eine Abfindung in Aktien eines ebenfalls kontrollierten Rechtsträgers unzulässig sein; so Diregger/Winner, WM 2002, 1583 (1587), sowie Wackerbarth, in: MünchKomm-AktG, § 31 WpÜG Rn. 60, 62. Siehe hierzu auch oben Teil 4 B. II. 3., S. 136 f. 535 Typischerweise wird es sich bei den als Gegenleistung angebotenen Aktien um eigene Anteile des Bietes handeln, jedoch können auch Aktien einer anderen Gesellschaft angebotenen werden; siehe nur Haarmann, in: FrankfKomm-WpÜG, § 31 Rn. 82; Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 31 Rn. 44; Kremer/Oesterhaus, in: KK-WpÜG, § 31 Rn. 22 f.; Krieger, in: RWS-Forum Gesellschaftsrecht, S. 289 (295); Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 31 WpÜG Rn. 23; Wackerbarth, in: MünchKomm-AktG, § 31 WpÜG Rn. 58. 536 Insoweit zutreffend Technau, AG 2002, 260 (264 f.); vgl. auch Vetter, WM 2002, 1999 (2003 f.), die aus dieser Tatsache jedoch die falschen Schlüsse ziehen, wenn sie hierin einen Beleg dafür sehen wollen, dass auch das WpÜG den Aktionären der Zielgesellschaft in dieser Situation keinen Schutz gewähre.

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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Rechtsträger erhalten. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Frage, ob den Gefahren, denen die Aktionäre in dem übernehmenden Rechtsträger ausgesetzt sind, bei Verschmelzungen und Spaltungen durch die Anforderungen an die den Aktionären anzubietende Gegenleistung Rechnung getragen wird. Welchen Anforderungen die Gegenleistung hierfür gerecht werden muss, lässt sich der gesetzlichen Ausformung des § 31 Abs. 2 WpÜG entnehmen. Sie soll daher im Folgenden näher untersucht werden. Sodann ist zu fragen, ob die Anforderungen des UmwG an die den Aktionären zu gewährende Gegenleistung den Vorgaben des § 31 Abs. 2 WpÜG entsprechen. Sollte dies der Fall sein, so wären die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft gemessen an den mit § 35 WpÜG verfolgten Regelungszwecken nicht schutzbedürftig. Eine Anwendung des Pflichtangebots auch zu ihren Gunsten bedürfte es dann im Grundsatz nicht. (1) Vorgaben des § 31 Abs. 2 WpÜG In § 31 Abs. 2 WpÜG trifft das Gesetz Vorgaben hinsichtlich der Art der den Aktionären bei einem Übernahme- oder Pflichtangebot vom Bieter zu gewährenden Gegenleistung.537 Als taugliche Gegenleistung in Betracht kommen hiernach entweder eine Geldleistung in Euro oder aber liquide Aktien, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind.538 Stets gilt dabei, dass die den Aktionären angebotene Gegenleistung angemessen i. S. d. § 31 Abs. 1 WpÜG sein muss. Konkretisiert werden die Vorschriften über die Gegenleistung durch §§ 3–7 WpÜG-AngebotsVO. (a) Berücksichtigung des Bewertungsabschlags im Rahmen der Ermittlung der Umtauschrelation Entscheidet sich der Bieter im Rahmen eines Übernahme- oder Pflichtangebots für eine Abfindung der Aktionäre in Aktien der Bieter- oder einer Drittgesellschaft, so bringt es ein solches Angebot mit sich, dass neben den 537 Insoweit ergänzt § 31 Abs. 2 WpÜG den in § 31 Abs. 1 WpÜG niedergelegten allgemeinen Grundsatz, wonach die den Aktionären anzubietende Gegenleistung angemessen sein muss. 538 Eine Einschränkung erfährt das Wahlrecht des Bieters im Hinblick auf die Art der Gegenleistung lediglich in den Fällen des § 31 Abs. 3 Nr. 1 und 2 WpÜG. Hiernach muss der Bieter den Aktionären der Zielgesellschaft zumindest auch eine Geldleistung in Euro anbieten, sofern er oder mit ihm gemeinsam handelnde Personen oder deren Tochterunternehmen in zeitliche Nähe zu dem Übernahme- oder Pflichtangebot oder während des Angebotsverfahrens Aktien der Zielgesellschaft gegen Geld erwerben; siehe hierzu ausführlich Kremer/Oesterhaus, in: KK-WpÜG, § 31 Rn. 35 ff.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Aktien der Zielgesellschaft auch jene Anteile zu bewerten sind, die den Aktionären als Gegenleistung angeboten werden. Bei der Bewertung dieser Aktien kommen grundsätzlich dieselben Bewertungsvorschriften zur Anwendung wie bei den Aktien der Zielgesellschaft. § 7 WpÜG-AngebotsVO erklärt insoweit §§ 5 und 6 WpÜG-AngebotsVO für entsprechend anwendbar.539 Nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 und 3 WpÜG-AngebotsVO ist damit sowohl für die angebotenen Tauschaktien als auch für die Aktien der Zielgesellschaft ein gewichteter durchschnittlicher inländischer Börsenkurs zu bilden. Die so ermittelten Kurse sind dann in ein Verhältnis zu setzen und ergeben schießlich das Umtauschverhältnis.540 Handelt es sich nunmehr bei den angebotenen Tauschaktien um Anteile eines kontrollierten Rechtsträgers, so schlägt sich diese Tatsache – nicht anders als bei der Zielgesellschaft – unweigerlich in dem minderen Kapitalmarktwert der Anteile nieder.541 Anders als bei der Bewertung der Aktien der Zielgesellschaft ordnet § 7 WpÜG-AngebotsVO daher auch nur die entsprechende Anwendung von §§ 5 und 6 WpÜG-AngebotsVO an.542 „Entsprechend“ deshalb, da bei der Bewertung der Tauschaktien deren durchschnittlicher Börsenkurs nicht die Unter-, sondern vielmehr die Obergrenze für ihren Wert darstellt.543 Auf diese Weise findet der Bewertungsabschlag bei der Ermittlung des Umtauschverhältnisses zwingend Berücksichtigung, was sich dahingehend auswirkt, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft eine verhältnismäßig größere Anzahl an Tauschaktien erhalten. Hierdurch wird der Bewertungsabschlag im Ergebnis eliminiert und dem Schutzbedürfnis 539 § 7 WpÜG-AngebotsVO verweist für die Ermittlung des Werts der angebotenen Tauschaktien nur auf §§ 5, 6 WpÜG-AngebotsVO, nicht auch auf die Vorschrift des § 4 WpÜG-AngebotsVO. Dies hat zur Folge, dass die von dem Bieter im Rahmen etwaiger Vorerwerbe gezahlten Preise bei der Wertermittlung außer Betracht bleiben. Anderenfalls hätte es der Bieter in der Hand, durch den Erwerb eigener Aktien zu überhöhten Preisen den bei der Ermittlung des Umtauschverhältnisses zu berücksichtigenden Wert der angebotenen Aktien künstlich nach oben zu treiben und dadurch den Wert der Gegenleistung für die Aktionäre der Zielgesellschaft zu verringern; vgl. die Begründung zu § 7 RegE-WpÜG-AngebotsVO, BT-Drucks 14/7034, S. 80. 540 Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 31 Rn. 21. 541 Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 31 Rn. 45; Kremer/Oesterhaus, in: KK-WpÜG, § 31 Rn. 24; Marsch-Barner, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 31 Rn. 61; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 31 WpÜG Rn. 23 (Fn. 77). Zu den Gründen für den Bewertungsabschlag auf Minderheitsbeteiligungen siehe ausführlich oben Teil 4 B. I. 2. a), S. 124 ff. 542 Hierzu sowie zu dem Folgenden in anderem Zusammenhang bereits oben Teil 4 B. II. 3., S. 136 f. 543 Zutreffend Kremer/Oesterhaus, in: KK-WpÜG, Anh. § 31 Rn. 7; Marsch-Barner, in: Baums/Thoma, § 31 Rn. 53; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 31 WpÜG Rn. 19.

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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der in den kontrollierten Rechtsträger eintretenden Aktionäre in ausreichendem Maße Rechnung getragen. (b) Berücksichtigung drohender Verkaufsreaktionen im Rahmen der Liquiditätsprüfung Wirksam vorgebeugt hat der Gesetzgeber im Anwendungsbereich des § 31 Abs. 2 WpÜG schließlich auch der den Aktionären drohenden Gefahr, dass es in dem kontrollierten Rechtsträger infolge einsetzender Verkaufsreaktionen zu einem Überangebot an Aktien und hierdurch bedingt zu Preisverfall am Kapitalmarkt kommt.544 Entscheidende Bedeutung kommt hierbei dem in § 31 Abs. 2 WpÜG angeordneten Liquiditätserfordernis zu. Dadurch, dass die den Aktionären angebotenen Tauschaktien nicht nur an einem organisierten Markt zugelassen, sondern darüber hinaus auch liquide sein müssen, soll es den Aktionären ermöglicht werden, die im Wege des Anteilstauschs erhaltenen Aktien ohne weiteres über den Kapitalmarkt wieder veräußern zu können.545 Zwar ist dem Gesetz nicht unmittelbar zu entnehmen, was unter einer liquiden Aktie zu verstehen ist.546 Insbesondere kann in der Regelung des § 5 Abs. 4 WpÜG-AngebotsVO nicht mehr als eine Umschreibung dessen gesehen werden, was das Gesetz unter Liquidität versteht.547 Jedoch muss vor dem Hintergrund des mit dem Liquiditätserfor544

Zu dieser Gefahr ausführlich oben Teil 4 B. I. 2. b), S. 127 ff. Haarmann, in: FrankfKomm-WpÜG, § 31 Rn. 83; Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (413); Krause, NJW 2002, 705 (710); Kremer/Oesterhaus, in: KK-WpÜG, § 31 Rn. 26; Krieger, in: RWS-Forum Gesellschaftsrecht, S. 289 (295); Marsch-Barner, in: Baums/Thoma, § 31 Rn. 66; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 31 WpÜG Rn. 25; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 31 Rn. 49; Thun, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 31 Rn. 10. 546 Die hiermit verbundene Rechtsunsicherheit ist im Gesetzgebungsverfahren zu Recht kritisiert worden; vgl. zur Kritik die Stellungnahmen des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2000, 420 (428) und NZG 2001, 1003 (1006), sowie Krieger, in: RWS-Forum Gesellschaftsrecht, S. 289 (296). 547 Die Regelung des § 5 Abs. 4 WpÜG-AngebotsVO enthält insbesondere keine Legaldefinition des Liquiditätsbegriffs, die auch und ausschließlich für § 31 Abs. 2 WpÜG heranzuziehen wäre; Haarmann, in: FrankfKomm-WpÜG, § 31 Rn. 84; Krieger, in: RWS-Forum Gesellschaftsrecht, S. 289 (296); Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 31 WpÜG Rn. 25. Indes spricht nichts dagegen, die Wertung des § 5 Abs. 4 WpÜG-AngebotsVO auch im Rahmen des § 31 Abs. 2 WpÜG heranzuziehen, soweit es sich bei den angebotenen Aktien um bereits an der Börse notierende Anteile handelt; so auch Haarmann, in: FrankfKomm-WpÜG, § 31 Rn. 84; MarschBarner, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 31 Rn. 67; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 31 WpÜG Rn. 25; Kremer/Oesterhaus, in: KK-WpÜG, § 31 Rn. 26 f. Jedoch kann es sich bei den in § 5 Abs. 4 WpÜG-AngebotsVO genannten Kriterien insoweit nur um die Markierung der Untergrenze des Liquiditätserfordernisses handeln; so zutreffend Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 31 Rn. 49; 545

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

dernis verfolgten Regelungszwecks davon ausgegangen werden, dass eine ausreichende Liquidität jedenfalls dann nicht gewahrt ist, wenn sich die Aktionäre von den ihnen gewährten Anteilen nicht zu angemessenen Konditionen sofort wieder trennen können.548 Dies ist aber dann der Fall, wenn der Kapitalmarkt im Hinblick auf die den Aktionären angebotenen Tauschaktien keine ausreichende Aufnahmefähigkeit aufweist, es also an der erforderlichen Markttiefe fehlt.549 Denn dann besteht für die Aktionäre die Gefahr, dass es infolge einsetzender Verkaufsreaktionen zu einem Überangebot an Aktien und hierdurch bedingt zu Preisverfall kommt. Für die Frage, ob die angebotenen Tauschaktien im Hinblick auf ihre Liquidität so beschaffen sind, dass für die Aktionäre der Zielgesellschaft ohne weiteres die Möglichkeit besteht, diese ohne Vermögenseinbußen über den Kapitalmarkt zu veräußern, kommt es daher im Anwendungsbereich des § 31 Abs. 2 WpÜG entscheidend darauf an, ob der Kapitalmarkt auch für den Fall, dass sich alle Aktionäre der Zielgesellschaft für eine unmittelbare Veräußerung ihrer Tauschaktien entscheiden, in der Lage ist, die angebotene Menge an Aktien ohne Probleme aufzunehmen.550 Sind diese Voraussetzungen zur Überzeugung der BaFin nicht erfüllt, so ist die Bundesanstalt gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG angehalten, das Tauschangebot zu untersagen.551 Hierdurch ist ein effektiver Schutz der Aktionäre im Anwendungsbereich des § 31 Abs. 2 WpÜG also auch dann sichergestellt, wenn es sich bei den vom Bieter angebotenen Aktien um solche eines ebenfalls kontrollierten Rechtsträgers handelt. a. A. Kremer/Oesterhaus, in: KK-WpÜG, § 31 Rn. 26, die die Kriterien des § 5 Abs. 4 WpÜG-AngebotsVO zum alleinigen Bewertungsmaßstab erheben wollen. 548 Marsch-Barner, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 31 Rn. 66; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 31 WpÜG Rn. 25; siehe auch Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/ Oechsler, WpÜG, § 31 Rn. 49. 549 Haarmann, in: FrankfKomm-WpÜG, § 31 Rn. 87; Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (413); Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 31 Rn. 48; MarschBarner, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 31 Rn. 66; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/ Oechsler, WpÜG, § 31 Rn. 49; in diesem Sinne wohl auch Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 31 Rn. 50, wenn sie freie Handelbarkeit und tatsächlich stattfindenden Handel, d.h. Angebot und Nachfrage verlangen. 550 Gleichsinnig Haarmann, in: FrankfKomm-WpÜG, § 31 Rn. 87; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 31 Rn. 49; siehe auch Kremer/Oesterhaus, in: KK-WpÜG, § 31 Rn. 26, die die Bedeutung der Aufnahmefähigkeit des Kapitalmarkts in diesem Zusammenhang zwar anerkennen, aufgrund der hierdurch erforderlichen einzelfallbezogenen Prüfung aber gleichwohl nicht neben den Kriterien des § 5 Abs. 4 WpÜG-AngebotsVO in die Bewertung miteinbeziehen wollen. 551 Die Tatsache, dass die den Minderheitsaktionären angebotene Gegenleistung nicht den Vorgaben des § 31 Abs. 2 WpÜG entspricht, stellt ohne Zweifel einen offensichtlichen Gesetzesverstoß i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG dar; vgl. Scholz, in: FrankfKomm-WpÜG, § 15 Rn. 38; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 15 Rn. 4; Seydel, in: KK-WpÜG, § 15 Rn. 32.

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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(2) Anforderungen des UmwG an die Gegenleistung Die in der gesetzlichen Ausgestaltung des § 31 Abs. 2 WpÜG zum Ausdruck kommenden Wertungen zeigen, dass den mit § 35 WpÜG verfolgten Regelungszwecken im Fall eines Rechtsträgerwechsels unter zwei Voraussetzungen in angemessener Weise Rechnung getragen wird: Es muss sichergestellt sein, dass (1) der für die Ermittlung des Umtauschverhältnsisses anzusetzende Wert der Tauschaktien maximal mit deren Börsenwert veranschlagt wird und (2) der Rechtsträgerwechsel nur dann zustande kommt, wenn der Kapitalmarkt im Hinblick auf die angebotenen Tauschaktien eine ausreichende Aufnahmefähigkeit aufweist. Fraglich ist, ob in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung das UmwG diesen Anforderungen gerecht wird. (a) Bewertung der Tauschaktien maximal zum Börsenwert? Die Ermittlung des Umtauschverhältnisses orientiert sich im UmwG an dem Grundsatz, dass den Anteilsinhabern der übertragenden Gesellschaft für den Verlust (bei Verschmelzung und Aufspaltung) bzw. die Wertminderung (bei Abspaltung) ihrer Anteile eine vermögensmäßig entsprechende Beteiligung an dem übernehmenden Rechtsträger zu gewähren ist.552 Damit ist die Zielsetzung im UmwG im Grundsatz keine andere als im WpÜG: Sichergestellt werden soll die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses.553 Ein wesentlicher Unterschied zwischen UmwG und WpÜG besteht jedoch darin, dass die Unternehmensbewertung nach dem UmwG nicht mit dem Ziel der Abfindung einzelner Anteilsinhaber erfolgt.554 Im Vordergrund der Bewertung nach dem UmwG steht daher auch nicht die exakte Berechnung der Unternehmens- bzw. Anteilswerte, sondern allein die richtige Ermittlung des Wertverhältnisses der beteiligten Rechtsträger.555 Dies ist ein wesentlicher Grund dafür, dass das UmwG – anders als das WpÜG i. V. m. der WpÜG-AngebotsVO – für die Ermittlung der Unternehmenswerte keine ausdrückliche Regelung vorsieht.556 Denn im Hinblick auf die 552 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 18; Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 5 Rn. 95; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 5 Rn. 10; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 5 UmwG Rn. 7. 553 Vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwG; zu diesem Ziel ausführlich Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 18 ff.; siehe auch Bungert/Eckert, BB 2000, 1845 (1846); WP-Handbuch, Rn. D 39. 554 Vgl. Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 19. 555 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 19. 556 Vgl. BGH, 13. 3. 1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40 (51) = WM 1978, 401 (405); OLG Frankfurt/M., 24. 1. 1989 – 20 W 477/86, AG 1989, 442.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Ermittlung des richtigen Wertverhältnisses kommt es weniger auf die Anwendung einer bestimmten Bewertungsmethode als vielmehr darauf an, dass für die Bewertung der beteiligten Rechtsträger die gleichen Grundsätze (Methoden und Maßstäbe) zugrunde gelegt werden.557 Eine Regelung, vergleichbar mit der des § 7 WpÜG-AngebotsVO, kennt das UmwG nicht. In der Praxis wird zur Ermittlung der Unternehmenswerte in erster Linie die sog. Ertragswertmethode herangezogen.558 Die nach dieser Methode ermittelten Unternehmenswerte können jedoch sowohl unter- als auch oberhalb des Börsenwerts der zu bewertenden Gesellschaft liegen.559 Auch ein allgemeiner Grundsatz, wonach der Unternehmenswert des übernehmenden Rechtsträgers maximal mit dessen Börsenwert anzusetzen ist, existiert im Umwandlungsrecht nicht. Zwar wird in Literatur560 und Rechtsprechung561 557 Vgl. OLG Düsseldorf, 17. 2. 1984 – 19 W 1/81, AG 1984, 216; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 19; Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 5 UmwG Rn. 101; Piltz, ZGR 2001, 185 (204); Weiler/Meyer, ZIP 2001, 2153 (2155); WP-Handbuch, Rn. D 52. 558 BGH, 16. 12. 1991 – II ZR 58/91, WM 1992, 264 (268); OLG Düsseldorf, 14. 4. 2000 – 19 W 6/98, AG 2001, 189; BayOblG, 19. 10. 1995 – 3Z BR 17/90, DB 1995, 2590 ff.; OLG Zweibrücken, 9. 3. 1995 – 3 W 133 und 145/92, WM 1995, 980 (981); OLG Frankfurt, 24. 1. 1989 – 20 W 477/86, AG 1989, 442; OLG Düsseldorf, 13. 4. 1988 – 19 W 5/88, DB 1988, 1109 ff.; aus der Literatur Großfeld, S. 39 ff.; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 29; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 8 Rn. 13; Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 5 UmwG Rn. 98; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 5 UmwG Rn. 13; WP-Handbuch, Rn. D 48. 559 Siehe insoweit nur die empirische Untersuchung von Dörfler/Gahler/Unterstraßer/Wirichs, BB 1994, 156 (158 f.). 560 Für eine Übertragung der DAT/Altana-Grundsätze auf die Ermittlung des Wertverhältnisses bei Verschmelzungen und Spaltungen sprechen sich aus Behnke, NZG 1999, 934; Piltz, ZGR 2001, 185 (205 ff.); Reuter, DB 2001, 2483 ff.; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 5 UmwG Rn. 47; Vetter, AG 1999, 569 (572); ders., ZIP 2000, 561 (566 f.); Weiler/Meyer, ZIP 2001, 2153 (2155 ff.), WP-Handbuch, Rn. D 49; unter dem Vorbehalt allseitiger Börsennotierung sowie unter Beschränkung auf die Konzernverschmelzung Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 25 f.; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 8 Rn. 14; Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 5 Rn. 100 f.; unter Beschränkung auf die Konzernverschmelzung Kruse, S. 102 ff.; Paschos, ZIP 2003, 1017 (1024); Wilsing/Kruse, DStR 2001, 991 (993 ff.); so wohl auch Erb, DB 2001, 523 f.; eine Übertragung der Grundsätze ablehnend Bungert/Eckert, BB 2000, 1845 ff.; Hüffer/ Schmidt-Assmann/Weber, S. 98 ff.; Hüttemann, ZGR 2001, 454 (465); Kirchner/Sailer, NZG 2002, 305 (311 f.); Riegger, DB 1999, 1889 (1890 f.); Wilm, NZG 2000, 234 (235 ff.). 561 Die Übertragbarkeit der DAT/Altana-Grundsätze des BVerfG jedenfalls auf die Verschmelzung zweier AGen, von denen keine beherrschenden Einfluss auf die andere auszuüben vermag („merger of equals“), ablehnend BayObLG, 18. 12. 2002 – 3Z BR 116/00, ZIP 2003, 253 (255 ff.); die Frage noch offenlassend die Vorinstanz, LG München I, 27. 3. 2000 – 5 HKO 19156/98, AG 2001, 99 f.; so im Er-

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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seit der Entscheidung des BVerfG in Sachen DAT/Altana562 kontrovers diskutiert, ob der Börsenwert nicht auch bei der Ermittlung des Umtauschverhältnisses im Rahmen von Verschmelzungen und Spaltungen zu berücksichtigen sei.563 Im Anschluss an die DAT/Altana-Entscheidung des BGH564 wird mitunter sogar angenommen, dass für die Ermittlung des Umtauschverhältnisses allein der Börsenwert der beteiligten Rechtsträger entscheidend sei.565 Danach wäre der Bewertungsabschlag auf die Anteile des übernehmenden Rechtsträgers auch im Umwandlungsrecht grundsätzlich berücksichtigungsfähig. Indes müssen im vorliegenden Zusammenhang eine entsprechende Anwendung der DAT/Altana-Grundsätze und damit eine Berechnung der Unternehmenswerte auf der Grundlage der Börsenkurse der an der Verschmelzung bzw. Spaltung beteiligten Rechtsträger von vornherein ausscheiden. Der Grund hierfür liegt in Folgendem: Abweichend von § 31 Abs. 2 WpÜG und auch abweichend von §§ 304, 305 AktG sowie § 320b AktG gebnis auch LG Frankfur/M., 8. 8. 2001 – 3/8 O 69/97, AG 2002, 357 (358); unklar, da die Frage im Ergebnis ebenfalls offenlassend OLG Düsseldorf, 20. 11. 2001 – 19 W 2/00, AG 2002, 398 (400). 562 BVerfG, 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 ff. = AG 1999, 566 ff. m. Anm. Vetter = NZG 1999, 931 ff. m. Anm. Behnke. Zu dieser grundlegenden Entscheidung siehe etwa auch Hüffer/Schmidt-Assmann/Weber, S. 32 f.; Hüttemann, ZGR 2001, 454 (458 ff.); Riegger, DB 1999, 1889 f. 563 In DAT/Altana hat das BVerfG klargestellt, dass der Börsenwert eines Unternehmens bei der Bestimmung des Abfindungsangebots und der Ausgleichszahlung bei Unternehmensverträgen (§§ 304, 305 AktG) sowie bei der Eingliederung (§ 320b AktG) nicht außer Betracht bleiben dürfe, sondern regelmäßig die Untergrenze der Abfindung bilde, da die von Art. 14 GG geforderte volle Entschädigung nicht unter dem Verkehrswert liegen dürfe, der im Regelfall mit dem Börsenwert identisch sei; BVerfGE 100, 289 (305 ff.). Als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen wurde es demgegenüber, den Börsenwert zugunsten der außenstehenden Aktionäre zu überschreiten; BVerfGE 100, 289 (306 ff.). Auch sei es verfassungsrechtlich nicht geboten, bei einer Abfindung der Aktionäre in Aktien der Hauptgesellschaft (§ 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AktG) einen etwa existierenden Börsenwert dieses Rechtsträgers als Obergrenze der Bewertung heranzuziehen; BVerfGE 100, 289 (310). 564 BGH, 12. 3. 2001 – II ZB 15/00, BGHZ 147, 108 ff. = AG 2001, 417 ff. = ZIP 2001, 734 ff. Im Zuge der Konkretisierung der vom BVerfG aufgestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben hat es der BGH in seiner Entscheidung, der eine Abfindung im Rahmen eines Unternehmensvertrags zugrunde lag, grundsätzlich für geboten gehalten, bei allen beteiligten Gesellschaften dieselbe Bewertungsmethode heranzuziehen und dabei den Börsenkurs der beherrschten Gesellschaft als Mindestwert anzusetzen und mit dem Börsenkurs des herrschenden Unternehmens als Obergrenze zu vergleichen; BGHZ 147, 108 (121 f.). In der Literatur hat die Entscheidung überwiegend Kritik erfahren; siehe nur Hüffer/Schmidt-Assmann/Weber, S. 38 f., 66 f.; Reuter, DB 2001, 2483 (2485 ff.), jeweils m. w. N. 565 So vor allem Weiler/Meyer, ZIP 2001, 2153 (2155 ff.).

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

erfolgt die Unternehmens- bzw. Anteilsbewertung im Rahmen der Ermittlung des Umtauschverhältnisses nach dem UmwG nicht mit dem Ziel der Abfindung einzelner Anteilsinhaber.566 Vielmehr geht es darum, im Interesse aller Anteilsinhaber sämtlicher beteiligten Rechtsträger ein angemessenes Umtauschverhältnis zu ermitteln.567 „Angemessen“ in diesem Sinne ist das Umtauschverhältnis daher stets, aber auch nur dann, wenn kein Anteilsinhaber der beteiligten Rechtsträger durch die Umwandlung einen vermögensrechtlichen Nachteil erleidet.568 Daher ist es auch (unstreitig) unstatthaft, bei der Ermittung des Umtauschverhältnisses Zu- oder Abschläge für Mehrheits- oder Minderheitsbeteiligungen zu berücksichtigen.569 Genau hierzu käme es aber, legte man bei der Bewertung einer kontrollierten Gesellschaft deren Börsenkurs zugrunde. Dies folgt unmittelbar daraus, dass Börsenwerte einer kontrollierten Gesellschaft zwangsläufig Minderheitsaktienwerte sind. Der Wert von Minderheitsanteilen an einem börsennotierten Rechtsträger entspricht regelmäßig dem im Börsenkurs abgebildeten Wert.570 Würde nun in die Bewertung einer kontrollierten Gesellschaft der den Wert von Minderheitsanteilen widerspiegelnde Börsenkurs als maßgeblicher Bewertungsfaktor einfließen, so würde hierdurch in die vermögensrechtliche Position des Mehrheitsaktionärs insoweit eingegriffen, als das auch für seine Mehrheitsbeteiligung Geltung beanspruchende Umtauschverhältnis auf dem Wert von Minderheitsanteilen beruht. Bei der Verschmelzung und Spaltung kontrollierter Rechtsträger, die in keinem Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen,571 kann aber auch der Mehrheitsgesellschafter den Schutz seines Anteilseigentums nach Art. 14 GG beanspruchen. Daher ist es in diesen Fällen von Verfassungs wegen gebo566

Vgl. Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 19. Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 27. 568 Allgemeine Ansicht; siehe nur Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 18; Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 5 UmwG Rn. 95; Piltz, ZGR 2001, 185 (205); Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 5 UmwG Rn. 7, der anschaulich von einem „Nullsummenspiel“ spricht; WP-Handbuch, Rn. D 39. 569 Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 5 UmwG Rn. 54; zur Festlegung von Zuschlägen für Mehrheitsbeteiligungen siehe auch oben Teil 4 E. I. 5. a) aa), S. 201 f. 570 Ausführlich oben Teil 4 B. I. 2. a), S. 125 f. 571 Stehen die an der Verschmelzung bzw. Spaltung beteiligten Rechtsträger demgegenüber in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander, so ist die Situation insoweit anders zu bewerten, als hier ein Interessenwiderstreit zwischen den außenstehenden Aktionären und dem herrschenden Unternehmen besteht. Insbesondere lässt das Umtauschverhältnis das herrschende Unternehmen jedenfalls insoweit unberührt, als die Aktien des herrschenden Unternehmens bei einem „upstream-merger“ nur den außenstehenden Aktionären der beherrschten Gesellschaft zufließen; vgl. hierzu Paschos, ZIP 2003, 1017 (1023). 567

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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ten, das Umtauschverhältnis unabhängig vom Börsenwert der beteiligten Gesellschaften zu ermitteln. Vor diesem Hintergrund kommt es weder in Frage, den Börsenwert als Untergrenze bei der Bewertung der übertragenden Gesellschaft noch als Obergrenze bei der Bewertung des übernehmenden Rechtsträgers anzusetzen. Wenn damit aber bei kontrollierten Gesellschaften eine Ermittlung des Unternehmenswerts auf der Basis des Börsenkurses a priori ausscheidet, so kommt in der hier untersuchten Fallkonstellation I572 eine Bewertung des übernehmenden Rechtsträgers exakt zu seinem Börsenwert schon deshalb nicht in Betracht, da es sich jedenfalls bei dem übertragenden Rechtsträger um einen solchen mit bestehender Kontrollbeteiligung handelt. Dadurch, dass bei der Ermittlung des Umtauschverhältnisses bei allen beteiligten Rechtsträgern die gleiche Bewertungsmethode zur Anwendung zu bringen ist,573 kann auch der übernehmende Rechtsträger nur mit einer von seinem Börsenwert unabhängigen Methode bewertet werden. Damit ist für die Bewertung der Rechtsträger insgesamt weiterhin auf die in der Praxis allgemein übliche Ertragswertmethode zurückzugreifen, die jedoch, hierauf wurde bereits hingewiesen,574 sowohl zu Werten unter- als auch oberhalb des Börsenwerts führen kann. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass es das UmwG – anders als das WpÜG in § 31 Abs. 2 WpÜG – nicht sicherzustellen vermag, dass die Bewertung der Anteile des übernehmenden Rechtsträgers maximal zu deren Börsenwert erfolgt. Dem bei Kontrolltransaktionen bestehenden Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre wird daher insoweit nicht schon durch die Mittel des UmwG Rechnung getragen. (b) Sicherstellung ausreichender Aufnahmefähigkeit des Kapitalmarkts? Auf die weitere Frage, ob das UmwG sicherstellt, dass der Rechtsträgerwechsel nur dann zustande kommt, wenn der Kapitalmarkt im Hinblick auf die angebotenen Tauschaktien eine ausreichende Aufnahmefähigkeit aufweist, kommt es damit jedenfalls entscheidend nicht mehr an. Auf sie soll an dieser Stelle gleichwohl kurz eingegangen werden. 572 In Fallkonstellation II würde insoweit nichts anderes gelten, da hier jedenfalls der übernehmende Rechtsträger eine entsprechende Kontrollbeteiligung aufweist. 573 BayOblG, 18. 12. 2002 – 3Z BR 116/00, ZIP 2003, 253 (257); Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 19; Piltz, ZGR 2001, 185 (204); Weiler/Meyer, ZIP 2001, 2153 (2155); Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 5 UmwG Rn. 101; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 5 Rn. 6 und 51; WP-Handbuch, Rn. D 52. 574 Oben Teil 4 E. I. 5. c) dd) (2) (a), S. 230 f.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Im Rahmen der soeben angestellten Überlegungen wurde bereits darauf hingewiesen, dass das UmwG – ander als das WpÜG i. V. m. der WpÜGAngebotsVO – für die Ermittlung des Umtauschverhältnisses keine ausdrücklichen Vorschriften bereithält.575 Eine Regelung, wonach die Gegenleistung der Aktionäre der übertragenden Gesellschaft in liquiden Aktien zu bestehen hat, kennt das UmwG daher nicht.576 Hiervon einmal abgesehen, muss aber auch bezweifelt werden, dass dem insoweit bestehenden Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre mit einer entsprechenden Regelung im UmwG genüge getan wäre. Denn anders als im Anwendungsbereich des WpÜG, fehlt es im UmwG an einer begleitenden Überwachung der Transaktion durch eine Aufsichtsbehörde. Wie im dritten Teil dieser Arbeit aufgezeigt wurde, finden die verfahrensbezogenen Vorschriften des WpÜG auf die Durchführung der Umwandlung keine Anwendung,577 so dass von einer Zuständigkeit der BaFin insoweit nicht ausgegangen werden kann. Damit aber wären die Aktionäre bei einem Verstoß gegen ein § 31 Abs. 2 WpÜG entsprechendes Liquiditätserfordernis auf eine Anfechtung des Umwandlungsbeschlusses angewiesen.578 Schon aufgrund des mit einer Anfechtung verbundenen Kostenrisikos könnte hierin ein gleichwertiges Substitut zum übernahmerechtlichen Pflichtangebot kaum gesehen werden. Insgesamt lässt sich festhalten, dass das UmwG den Anforderungen des § 31 Abs. 2 WpÜG auch insoweit nicht gerecht wird. ee) Ergebnis Dem bestehenden Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre bei Kontrolltransaktionen im Wege der Verschmelzung und Spaltung wird nicht schon durch die im Umwandlungsrecht angelegten Schutzmechanismen Rechnung getragen. Zwar steht der verbandsrechtliche Charakter des Umwandlungsrechts der Annahme einer substituierenden Wirkung nicht von vornherein entgegen. Jedoch vermögen die umwandlungsrechtlichen Schutzmechanismen einen dem übernahmerechtlichen Pflichtangebot gleichwertigen Schutz der Minderheitsaktionäre nicht zu gewährleisten.

575

Oben Teil 4 E. I. 5. c) dd) (2) (a), S. 229 f. Hierauf weisen auch Grabbe/Fett, NZG 2003, 755 (757 f.), hin. 577 Oben Teil 3, S. 80 ff. 578 Die Anfechtung des Umwandlungsbeschlusses wäre in diesem Fall wohl nicht nach § 14 Abs. 2 UmwG ausgeschlossen, da die fehlende Liquidität der Aktien keine Frage der Höhe des Umtauschverhältnisses darstellt. 576

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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d) Ergebnis Die mit dem Pflichtangebot verfolgten Regelungszwecke sprechen sowohl in Fallkonstellation I als auch in Fallkonstellation V für die Angebotspflichtigkeit des Kontrollerwerbers. Gemessen an den mit § 35 WpÜG verfolgten Regelungszwecken sind die Minderheitsaktionäre ebenso schutzbedürftig wie bei einem rechtsgeschäftlichen Kontrollerwerb. Dem bestehenden Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre wird auch nicht schon durch den im Umwandlungsrecht angelegten Minderheitenschutz Rechnung getragen. Von der fehlenden Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre der übertragenden Gesellschaft ist lediglich dann auszugehen, wenn es sich bei dieser um eine nicht börsennotierte Zielgesellschaft oder um einen Rechtsträger anderer Rechtsform handelt. In diesen Fällen erfordern es die mit § 35 WpÜG verfolgten spezifisch kapitalmarktrechtlichen Regelungszwecke, die Angebotspflicht nur gegenüber den Alt-Aktionären des übernehmenden Rechtsträgers entstehen zu lassen. 6. Zusammenfassung Der Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG lässt eine Anwendung des Pflichtangebots in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung in den Fallkonstellationen I und V zu. Aus der Entstehungsgeschichte des § 35 WpÜG ergeben sich weder Argumente für noch gegen die Anwendbarkeit des Pflichtangebots. Sowohl die Systematik des Gesetzes als auch die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Regelungsabsicht des Gesetzgebers lassen jedoch den Schluss zu, dass Verschmelzungen und Spaltungen vom Anwendungsbereich des § 35 WpÜG erfasst sein sollen. Für die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG sprechen auch der Sinn und Zweck des Pflichtangebots. An der Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre fehlt es lediglich dann, wenn diese vor Eintritt des die Angebotspflicht auslösenden Tatbestands nicht Anteilsinhaber einer an einem organisierten Markt börsennotierten Zielgesellschaft waren. In den Fallkonstellationen II, III und IV wird nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG ein Pflichtangebot nicht ausgelöst. In Betracht kommt in diesen Fällen jedoch eine analoge Anwendung der Vorschrift.579

579

Hierzu unten Teil 4 F., S. 260 ff.

236

Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

II. Kein Ausschluss der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG durch Beteiligung der Aktionäre am Umwandlungsbeschluss Bei der bisherigen Untersuchung weitgehend unberücksichtigt geblieben ist die Tatsache, dass sich der Kontrollerwerb im Zuge der Verschmelzung und Spaltung unter Beteiligung der Minderheitsaktionäre vollzieht.580 Im Gegensatz zu anderen Kontrollerlangungsmethoden, wie etwa dem börslichen oder außerbörslichen rechtsgeschäftlichen Anteilserwerb, stimmen die Aktionäre des übertragenden und übernehmenden Rechtsträgers im Fall der Verschmelzung und Spaltung gem. §§ 13 Abs. 1, 65 Abs. 1 UmwG581 mit einer qualifizierten Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals – im Fall der nicht-verhältniswahrenden Spaltung gem. § 128 Satz 1 UmwG einstimmig – über das Wirksamwerden des Verschmelzungs- bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrags ab. Damit kommt den Minderheitsaktionären nicht nur eine Mitentscheidungskompetenz über das Zustandekommen der Strukturmaßnahme, sondern inzidenter auch ein Mitspracherecht über die hierdurch entstehenden Mehrheitsverhältnisse in dem übernehmenden – im Fall der nicht-verhältniswahrenden Spaltung unter Umständen auch in dem übertragenden – Rechtsträger zu. Können die Aktionäre der beteiligten Rechtsträger aber durch ihre Stimmabgabe das Zustandekommen des Kontrollerwerbs bzw. -wechsels mit beeinflussen, so stellt sich die Frage, ob eine erteilte Zustimmung nicht zum Ausschluss der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG führen muss. Denkbare Anknüpfungspunkte für einen solchen Ausschluss sind zum einen der mehrheitlich bzw. einstimmig gefasste Umwandlungsbeschluss, zum anderen das individuelle Stimmverhalten des einzelnen Aktionärs in der Hauptversammlung.

580

Berücksichtigung gefunden hat diese Tatsache bisher nur im Zusammenhang mit der Frage, ob das Umwandlungsrecht dem übernahmerechtlichen Pflichtangebot gleichwertige Schutzmechnismen bereithält; siehe oben Teil 4 E. I. 5. c) aa), S. 219 f. Im Unterschied zu den dort angestellten Erwägungen soll es im Folgenden jedoch nicht um die Frage der Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre, sondern vielmehr um die Interpretation des Zustimmungsbeschlusses bzw. des individuellen Abstimmungsverhaltens vor dem Hintergrund der hierdurch mittelbar ausgelösten Verpflichtungen nach § 35 WpÜG gehen. 581 §§ 13 Abs. 1, 65 Abs. 1 UmwG kommen gem. § 125 Satz 1 UmwG bei der Spaltung entsprechend zur Anwendung.

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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1. Verzicht der Minderheitsaktionäre In der Literatur ist vereinzelt erwogen worden, ob in dem mit qualifizierter Mehrheit – im Fall der nicht-verhältniswahrenden Spaltung einstimmig – gefassten Zustimmungsbeschluss nicht ein Verzicht auf das Pflichtangebot gesehen werden muss.582 Von Bülow hat dies mit Verweis auf den minderheitsschützenden Charakter der Angebotspflicht abgelehnt. Als Minderheitenrecht stehe das übernahmerechtliche Austrittsrecht nicht zur Disposition der Mitaktionäre.583 Seibt/Heiser haben geltend gemacht, dass es praktisch einer Willensfiktion gleichkomme, wollte man in der Zustimmung zum Umwandlungsvertrag einen Verzicht auf das Pflichtangebot sehen.584 Der argumentative Anknüpfungspunkt beider Ansichten ist damit ein unterschiedlicher: Während nach der Ansicht von Seibt/Heiser der erforderliche Verzichtswille der Minderheitsaktionäre in dem Zustimmungsbeschluss schlicht keine ausreichende Manifestation erfährt, zieht von Bülow bereits in Zweifel, dass das Pflichtangebot zur Disposition der Beschlussmehrheit steht. Gleichwohl liegt beiden Ansichten ganz offensichtlich die Vorstellung von der Disponibilität der übernahmerechtlichen Angebotspflicht zugrunde. Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber die Frage der Zulässigkeit eines Verzichts im WpÜG nicht geregelt hat, erscheint dies nicht selbstverständlich. In der wissenschaftlichen Diskussion hat die Frage der Verzichtbarkeit des Pflichtangebots bisher kaum Beachtung gefunden.585 Da die Frage den durch von Bülow und Seibt/Heiser geltend gemachten Aspekten jedoch gedanklich vorgelagert ist, soll ihr im Folgenden zunächst nachgegangen werden. Erwiese sich das Pflichtangebot als für die Aktionäre unverzichtbar, so käme es auf die Überlegungen von Bülows und Seibt/ Heisers nicht an. Da der Gesetzgeber von einer ausdrücklichen Regelung im Gesetz abgesehen hat, kann die Frage der Verzichtbarkeit letztlich nur unter der Anwendung allgemein anerkannter Auslegungsgrundsätze sowie der allgemeinen Vorschriften über den Verzicht beantwortet werden. Im Folgenden soll da582 v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 75; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 37 Rn. 22; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (483), die jedoch nicht sauber zwischen der Frage des Verzichts und jener der Verknüpfung von Abstimmungsverhalten und Austrittsberechtigung unterscheiden; zu letzterer Frage siehe ausführlich unten Teil 4 E. II. 2., S. 244 ff. Für das österreichische Recht siehe Kalss/Winner, ÖBA 2000, 51 (55 f.); Karollus/Geist, NZG 2000, 1145 (1149). 583 v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 75. 584 Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (483). 585 Soweit ersichtlich, äußern sich hierzu lediglich Baums/Hecker, in: Baums/ Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 206; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 72. Zum österreichischen Recht siehe Kalss/Winner, ÖBA 2000, 51 (55 f.); Stockenhuber, in: FS-Krejci, S. 893 ff.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

her zunächst untersucht werden, ob sich aus dem Gesetz selbst im Wege der Auslegung Argumente für oder gegen eine Verzichtbarkeit des Pflichtangebots ergeben. Im Anschluss hieran ist auf die allgemeinen Verzichtsvoraussetzungen einzugehen. a) Systematische, entstehungsgeschichtliche und teleologische Argumente Bei der Auslegung sind systematische, entstehungsgeschichtliche und teleologische Gesichtspunkte zu berücksichten. aa) Systematik Gegen die Verzichtbarkeit des Pflichtangebots könnte bereits die Tatsache sprechen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit eines Verzichts im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt hat. Indes ist es auch in anderen Bereichen anerkannt, dass auf den Schutz bestimmter Vorschriften verzichtet werden kann, obwohl es an einer dahingehenden ausdrücklichen Regelung durch den Gesetzgeber fehlt. So entspricht es etwa für das Austrittsrecht nach § 29 UmwG ganz allgemeiner Ansicht, dass die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft auf den mit der Vorschrift bezweckten Schutz verzichten können.586 Jedoch ist hierbei zu berücksichtigen, dass dem UmwG ein zur Disposition der Anteilsinhaber stehender Schutz insgesamt nahe liegt,587 so dass eine systemkonforme Auslegung eher für als gegen eine Verzichtbarkeit auch des in § 29 UmwG geregelten Austrittsrechts spricht.588 Dies lässt sich für das WpÜG jedoch gerade nicht feststellen. Die Möglichkeit, auf den durch einzelne Vorschriften gewährten Schutz zu verzichten, sieht das Gesetz an keiner Stelle vor. Eine systemkonforme Auslegung spricht daher hier – anders als im UmwG – eher für die Unverzichtbarkeit des Pflichtangebots. Unterstützung findet diese Sichtweise durch das in § 37 WpÜG i. V. m. §§ 8 ff. WpÜG-AngebotsVO etablierte System zur Befreiung von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 und Abs. 2 WpÜG. Hiernach ist die Befreiungskompetenz – entsprechendes gilt für den Fall der Nichtberücksichtigung von Stimmrechten gem. § 36 WpÜG – ausschließlich der BaFin zuge586 Eilers/Müller-Eising, WiB 1995, 449 (451); Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 29 Rn. 17; dies., in: FS-Boujong, S. 175 (183); Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 26; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 29 Rn. 17; Schaub, NZG 1998, 626 (629). 587 Vgl. nur §§ 8 Abs. 3, 9 Abs. 3, 12 Abs. 3, 30 Abs. 2 UmwG. 588 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 29 Rn. 17; Schaub, NZG 1998, 626 (629).

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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wiesen. Die Befreiung kann nur auf Antrag des Bieters in einem durch die BaFin erlassenen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt erteilt werden.589 Der Erlass der Befreiungsverfügung steht im Ermessen der Bundesanstalt.590 Durchbrochen wird dieses auf Befreiung im Einzelfall angelegte System lediglich durch die Regelung in § 35 Abs. 3 WpÜG in Fällen, in denen die Kontrollerlangung in einem durch die BaFin überwachten Übernahmeverfahren nach §§ 29 ff. WpÜG erfolgt.591 Hieraus lässt sich die Intention des Gesetzgebers ableiten, dass eine wie auch immer geartete Freistellung von der Angebotspflicht ohne vorherige Prüfung durch die BaFin nicht zulässig sein soll. Zu einer solchen Freistellung ohne Beteiligung der BaFin käme es aber, hielte man das Pflichtangebot für im Voraus verzichtbar. bb) Entstehungsgeschichte Unter entstehungsgeschichtlichen Gesichtspunkten könnte sich ein Argument gegen die Verzichtbarkeit des Pflichtangebots aus der Tatsache herleiten lassen, dass der Übernahmekodex592 die Möglichkeit eines Verzichts noch ausdrücklich vorsah. Art. 16 Satz 3 HS. 3 Var. 5 Übernahmekodex593 ermöglichte es der Hauptversammlung der Zielgesellschaft, einen Beschluss über die Befreiung des Bieters von der Angebotspflicht des Art. 16 Satz 1 Übernahmekodex herbeizuführen.594 Ob sich aus dem Fehlen einer entspre589 Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 37 Rn. 1; Schlitt, in: MünchKommAktG, § 37 WpÜG Rn. 65. 590 Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 37 Rn. 42; Meyer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 37 Rn. 21; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 37 WpÜG Rn. 2; Versteegen, in: KK-WpÜG, § 37 Rn. 60; vgl. insoweit auch den Wortlaut von § 37 Abs. 1 WpÜG „kann [. . .] befreien“. 591 Zu dem Zusammenspiel der beiden Angebotsarten Übernahme- und Pflichtangebot siehe oben Teil 1 III. 3., S. 53 f. Zur funktionalen Gleichwertigkeit von Übernahme- und Pflichtangebot siehe oben Teil 1 III. 3., S. 53, Teil 3 D. I. 2., S. 107 f. sowie Teil 4 E. I. 2., S. 193. 592 Zum Übernahmekodex siehe oben Teil 2 B. II., S. 68 f. 593 Vor der Novellierung vom Januar 1998 sah der Übernahmekodex eine entsprechende Regelung in Art. 16 Satz 2 Var. 3 vor. 594 Die Regelung in Art. 16 Satz 3 HS. 3 Var. 5 Übernahmekodex war an das sog. whitewash-Verfahren im englischen City Code angelehnt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Regelung im Übernahmekodex und dem Verfahren nach dem City Code lag jedoch darin, dass es unter dem City Code zur Befreiung von der Angebotspflicht einer abschließenden Entscheidung durch das Takeover Panel bedarf, während nach Art. 16 Satz 3 HS. 3 Var. 5 Übernahmekodex die Angebotspflicht allein durch die Vornahme des Befreiungsbeschlusses entfiel. Darüber hinaus ist die Regelung im City Code insoweit wesentlich enger ausgestaltet, als das whitewashVerfahren auf einige wenige Kontrollerlangungstatbestände beschränkt ist. Zur whitewash-procedure unter dem City Code siehe auch oben Teil 4 D. III., S. 172 f.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

chenden Regelung im WpÜG jedoch ohne weiteres auf die Unverzichtbarkeit des Pflichtangebots schließen lässt, erscheint gleichwohl zweifelhaft. Nach Art. 16 Satz 3 HS. 3 Var. 5 Übernahmekodex war ein Pflichtangebot dann nicht abzugeben, wenn beabsichtigt war, innerhalb von 18 Monaten nach der Kontrollerlangung einen entsprechenden Befreiungsbeschluss zu fassen. Erst mit der tatsächlichen Beschlussfassung entfiel die Angebotspflicht endgültig.595 Eröffnet war damit im Ergebnis lediglich eine Verzichtsmöglichkeit nach erfolgter Kontrollerlangung. Die hier aufgeworfene Frage der Zulässigkeit eines Vorabverzichts auf das Pflichtangebot war damit auch unter dem Übernahmekodex nicht ausdrücklich geregelt. Gleichwohl zeigt die Regelung in Art. 16 Satz 3 HS. 3 Var. 5 Übernahmekodex, dass dem Übernahmekodex ein zur Disposition der Anteilsinhaber stehender Schutz jedenfalls nicht fremd war. Dass der Gesetzgeber des WpÜG von Verzichtsmöglichkeiten generell abgesehen hat, spricht daher unter entstehungsgeschichtlichen Gesichtspunkten eher gegen als für eine Verzichtbarkeit übernahmerechtlichen Schutzes. cc) Sinn und Zweck Während die Systematik und Entstehungsgeschichte des WpÜG damit eher gegen die Verzichtbarkeit des Pflichtangebots sprechen, lassen Sinnund Zweckerwägungen einen solchen Schluss nicht zwingend zu. Durch das Pflichtangebot soll den Minderheitsaktionären für den Fall der Kontrollerlangung das Ausscheiden aus der Gesellschaft zu angemessenen und für alle Aktionäre gleichen Konditionen ermöglicht werden.596 Durch die Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Angebotsunterlage soll zudem sichergestellt werden, dass die Minderheitsaktionäre über ausreichende Informationen verfügen, um in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können.597 Zwar begeben sich die Aktionäre dieser vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsfreiheit durch einen vorzeitigen Verzicht auf das Pflichtangebot.598 Unter teleologischen Gesichtspunkten könnte die Verzichtbarkeit daher durchaus in Zweifel zu ziehen sein. Nur, nach der gesetzlichen Konzeption steht es den Minderheitsaktionären ohnehin frei, das An595

Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 207. Oben Teil 4 B. I., S. 114 ff. 597 Geibel, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 11 Rn. 1; Seydel, in: KK-WpÜG, § 11 Rn. 2; Wackerbarth, in: MünchKomm-AktG, § 11 WpÜG Rn. 1; siehe insoweit auch die Begründung zu § 11 Abs. 1 RegE-WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 41. 598 Hierauf weist auch v. Riegen, ZHR 167 (2003), 702 (708), im Zusammenhang mit der Frage nach der Zulässigkeit sog. irrevocable untertakings hin, in denen sich Anteilsinhaber vor Unterbreitung eines öffentlichen Angebots rechtsverbindlich zu dessen (Nicht-)Annahme verpflichten. 596

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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gebot anzunehmen. Auch können sie sich für dessen Annahme entscheiden, ohne die Angebotsunterlage auch nur gelesen zu haben. Warum sollte es den Minderheitsaktionären also nicht gestattet sein, vorab auf die Unterbreitung des Pflichtangebots zu verzichten? Allerdings greift eine solche Argumentation möglicherweise insoweit zu kurz, als hierbei nicht ausreichend berücksichtigt wird, dass das Pflichtangebot über den so verstandenen Anlegerschutz hinaus den kapitalmarktrechtlichen Funktionenschutz im Auge hat.599 Dieser mit den Vorschriften des WpÜG vorrangig verfolgte Regelungszweck entspringt einem dem Individualschutz der Anteilsinhaber übergeordneten öffentlichen Interesse an der Steigerung der Attraktivität des deutschen Kapitalmarkts und steht damit nicht zur Disposition der Aktionäre. Indes würde sich ein tragfähiges Argument hieraus nur dann ergeben, wenn die Unverzichtbarkeit des Pflichtangebots für die Gewährleistung des kapitalmarktrechtlichen Funktionenschutzes unabdingbare Voraussetzung wäre. Dies muss jedoch aus den folgenden Gründen bezweifelt werden: Entscheidend für die Erreichung des kapitalmarktrechtlichen Funktionenschutzes ist allein der Zeitpunkt der Investitionsentscheidung potentieller Anleger. Beeinflusst wir deren Entscheidung insoweit allein durch die einmal erfolgte gesetzliche Statuierung kapitalmarktrechtlicher Schutzmechanismen, nicht aber durch die bestehende Möglichkeit, sich des gesetzlich garantierten Schutzes im Einzelfall später zu begeben.600 Hiervon geht ganz offensichtlich auch die BaFin aus. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Bundesanstalt rechtsgeschäftliche Vereinbarungen über die (Nicht-)Annahme öffentlicher Erwerbsangebote (sog. irrevocable undertakings)601 in zahlreichen Fällen unbeanstandet gelassen hat.602 Wären hierdurch der mit dem WpÜG verfolgte kapitalmarktrechtliche Funktionenschutz in Frage gestellt und damit nachteilige Auswirkun599

Oben Teil 4 B. II. 3., S. 133 ff. Gleichsinnig v. Riegen, ZHR 167 (2003), 702 (708), betreffend die Zulässigkeit sog. irrevocable untertakings; vgl. auch Stockenhuber, in: FS-Krejci, S. 893 (897, Fn. 17), zu der Frage der Verzichtbarkeit des Pflichtangebots im österreichischen Recht. 601 Hierzu ausführlich v. Riegen, ZHR 167 (2003), 702 ff. 602 So etwa im Rahmen des Übernahmeangebots der Finba Bakery Europe AG an die Aktionäre der Kamps AG, Angebotsunterlage v. 23. 5. 2002, S. 11; des Übernahmeangebots der AWD Holding AG an die Aktionäre der tecis Holding AG, Angebotsunterlage v. 5. 6. 2002, S. 10; des Übernahmeangebots der DB Sechste Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH an die Aktionäre der Stinnes AG, Angebotsunterlage v. 6. 8. 2002, S. 9, des Übernahmeangebots der Continental AG an die Aktionäre der Phoenix AG, Angebotsunterlage v. 26. 4. 2004, S. 9 f., sowie im Rahmen des Pflichtangebots von Ludwig Fresenius an die Aktionäre der Eichborn AG, Angebotsunterlage v. 24. 1. 2005, S. 7 f. Weitere Beispiele finden sich bei v. Riegen, ZHR 167 (2003), 702 (703 f., Fn. 2). Sämtliche Angebotsunterlagen sind abrufbar unter http://www.bafin.de unter der Rubrik „Datenbanken & Statisti600

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

gen auf den deutschen Kapitalmarkt zu befürchten gewesen, so ist davon auszugehen, dass die BaFin im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit gegen derartige Absprachen vorgegangen wäre.603 dd) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass sowohl die Systematik als auch die Entstehungsgeschichte des WpÜG eher für die Unverzichtbarkeit des Pflichtangebots sprechen. Der Sinn und Zweck des Pflichtangebots stehen einer Verzichtbarkeit demgegenüber nicht entgegen. b) Vorliegen der allgemeinen Verzichtsvoraussetzungen Welchen Erwägungen im vorliegenden Fall der Vorrang einzuräumen ist kann dahinstehen, wenn sich die Unverzichtbarkeit des Pflichtangebots aus den allgemeinen Vorschriften über den Verzicht ergeben würde. Unter Anwendung der zu § 1444 öABGB entwickelten zivilrechtlichen Verzichtsregeln haben Stockenhuber604 und Kalss/Winner605 eine Verzichtbarkeit des übernahmerechtlichen Pflichtangebots im österreichischen Recht indes bejaht. Das in § 22 Abs. 1 öÜbG statuierte Pflichtangebot vermittele den Gesellschaftern einen letztlich auch gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Vertragsabschluss bzw. einen Erfüllungsanspruch auf Zahlung des gesetzlichen Mindestpreises gegen Hingabe der Beteiligungspapiere, auf den die Minderheitsaktionäre nach allgemeinen Regeln verzichten könnten.606 Auch nach deutschem Rechts kann der Gläubiger dem Schuldner gem. § 397 Abs. 1 BGB – die Vorschrift entspricht in ihrem Regelungsgehalt § 1444 öABGB – seine Schuld erlassen mit der Folge, dass das Schuldverhältnis erlischt. § 397 Abs. 1 BGB hat dabei – ebenso wie die Parallelregelung im österreichischen Recht – einen Anspruch des Gläubigers auf eine Leistung des Schuldners im Blick.607 Der Erlass ist damit Verzicht auf eine ken“, „Datenbanken“, „Wertpapieraufsicht“, „Veröffentlichte Angebote nach § 14 WpÜG“. 603 Gem. der Generalklausel in § 4 Abs. 1 Satz 2 WpÜG hat die BaFin im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben Missständen entgegenzuwirken, welche die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für den Wertpapiermarkt bewirken können. Gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 WpÜG kann die BaFin schließlich Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, diese Missstände zu beseitigen oder zu verhindern. 604 Stockenhuber, in: FS-Krejci, S. 893 (897). 605 Kalss/Winner, ÖBA 2000, 51 (55 f.). 606 So ausdrücklich Stockenhuber, in: FS-Krejci, S. 893 (897). 607 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 397 Rn. 55.

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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einzelne Forderung, also auf ein Schuldverhältnis im engeren Sinne.608 Auch im deutschen Schrifttum wird teilweise angenommen, dass den einzelnen Minderheitsaktionären Individualansprüche gegen den Kontrollerwerber auf Abgabe des Pflichtangebots bzw. unmittelbar auf Abnahme ihrer Aktien gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung zustehen.609 Erkenne man das Bestehen individueller Erfüllungsansprüche der Minderheitsaktionäre an, so könnten diese ohne weiteres Gegenstand eines Verzichts i. S. d. § 397 Abs. 1 BGB sein. Zu der Verzichtbarkeit der Angebotspflicht als solcher ist damit indes noch keine Aussage getroffen.610 Entfallen würde die Angebotspflicht aufgrund eines solchen Verzichts nämlich nur dann, wenn diese sich in der schuldrechtlichen Verpflichtung gegenüber den Minderheitsaktionären erschöpfen würde. Dass dies jedoch nicht der Fall ist, wird auch von den Befürwortern individueller Erfüllungsansprüche nicht bestritten.611 Als kapitalmarktrechtliche Ordnungsvorschrift ist die Regelung des § 35 WpÜG dem aufsichtsrechtlichen Teil des WpÜG zuzuordnen und damit in ihrem Ursprung öffentlich-rechtlicher Natur.612 Dies zeigt sich nicht zuletzt an der Rechtsnatur der Befreiung von der Angebotspflicht nach § 37 Abs. 1 WpÜG, die durch rechtsgestaltenden begünstigenden Verwaltungsakt i. S. v. § 35 Abs. 1 Satz 1 VwVfG erfolgt.613 In Anlehnung an die Argumentationsfigur des actus contrarius sind damit auch die vom Gesetz in § 35 Abs. 1 und Abs. 2 WpÜG angeordneten Verpflichtungen als öffentlichrechtlich zu qualifizieren. Damit entzieht sich die übernahmerechtliche Angebotspflicht jedoch einem rechtsgeschäftlichen Verzicht i. S. d. § 397 BGB.614 Dass den Minderheitsaktionären unter Umständen zusätzlich zu 608

Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 397 Rn. 2; Schulze, in: Hk-BGB, § 397 Rn. 2. So jedenfalls Ihrig, ZHR 167 (2003), 315 (348 f.); Schlitt, in: MünchKommAktG, § 35 WpÜG Rn. 245; Seibt, ZIP 2003, 1865 (1876 f.); Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 35 Rn. 28; Wagner, NZG 2003, 718 (719); a. A. Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 296 und 303; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 77; Habersack, ZHR 166 (2002), 619 (621 f.); v. Lingelsheim, in: AnwKomm-Aktienrecht, § 35 WpÜG Rn. 1; Schnorbus, WM 2003, 657 (663); die Frage offen lassend OLG Frankfurt, 27. 5. 2003 – WpÜG 1/03, DB 2003, 1371 (1373) „ProSiebenSat.1“. 610 Dies verkennen insbesondere auch Stockenhuber und Kalss/Winner für das österreichische Recht. 611 Vgl. etwa Mülbert/Schneider, WM 2003, 2301 „aufsichtsrechtliche Pflichten aus §§ 35 ff. WpÜG“. 612 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 303; Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 6. 613 Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 37 Rn. 1; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 37 Rn. 29. 614 So wohl auch Ekkenga/Schulz, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 35 Rn. 72. 609

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

der unmittelbar aus § 35 WpÜG folgenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtung des Kontrollerwerbers individuelle (zivilrechtliche) Ansprüche gegen diesen zustehen, erweist sich damit unter Verzichtbarkeitsgesichtspunkten als irrelevant. c) Ergebnis Das übernahmerechtliche Pflichtangebot ist für die Aktionäre nicht verzichtbar. Zwar stehen Sinn und Zweck der Angebotspflicht einer Verzichtbarkeit nicht entgegen. Jedoch ergibt sich diese aus dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Angebotspflicht. Gestützt wird dieses Ergebnis durch systematische und entstehungsgeschichtliche Argumente. Damit kann in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung weder in den durch die Aktionäre gefassten Umwandlungsbeschlüssen ein wirksamer Verzicht auf das Pflichtangebot gesehen werden noch kann der Kontrollerwerber über einen solchen Verzicht in einem gesonderten Hauptversammlungsbeschluss wirksam abstimmen lassen. Auf die in der Literatur durch von Bülow und Seibt/Heiser aufgeworfenen Fragen nach der Zulässigkeit eines Verzichts durch Mehrheitsbeschluss bzw. den an eine Verzichtserklärung zu stellenden Anforderungen kommt es demnach nicht an. 2. Individuelle Zustimmung zum Umwandlungsbeschluss Noch keine Aussage ist hiermit jedoch darüber getroffen, ob ein Pflichtangebot auch denjenigen Aktionären zu unterbreiten ist, die dem Verschmelzungs- bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrag in der Hauptversammlung individuell zugestimmt haben. Zu erwägen ist insoweit, ob das Pflichtangebot nach § 35 WpÜG nicht nur denjenigen Aktionären den Austritt aus der Gesellschaft ermöglichen soll, die sich in der Hauptversammlung gegen die Umwandlung und die hieraus resultierenden Mehrheitsverhältnisse ausgesprochen haben.615 Für den Fall der nicht-verhältniswahrenden Spaltung, bei der gem. § 128 Satz 1 UmwG die Zustimmung aller Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft erforderlich ist, würde dies freilich bedeuten, dass die Angebotspflicht insgesamt hinfällig ist. Eine derartige Verknüpfung von Abstimmungsverhalten und Berechtigung zum Austritt aus der Gesellschaft sehen etwa auch §§ 29 Abs. 1, 207 Abs. 1 UmwG vor.616 Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem 615

Vgl. Kaindl, S. 119 f.; Kalss/Winner, ÖBA 2000, 51 (55), die diese Frage für das österreichische Recht verneinen. 616 Insbesondere bedarf es gem. § 194 Abs. 1 Nr. 6 UmwG eines Abfindungsangebots im Fall des Formwechsels dann von vornherein nicht, wenn der Umwand-

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Wortlaut der Vorschriften, wonach der austrittswillige Anteilsinhaber der übertragenden bzw. formwechselnden Gesellschaft gegen den Umwandlungsbeschluss lediglich Widerspruch zur Niederschrift erklären muss.617 Jedoch entsprach es bereits zu § 375 Abs. 1 AktG a. F., der die Umwandlung einer AG in eine GmbH betraf und mittels Verweisung in § 33 Abs. 3 KapErhG auch für die Verschmelzung einer AG auf eine GmbH galt, ganz allgemeiner Ansicht, dass Widerspruch zur Niederschrift nur derjenige Aktionär erklären konnte, der zuvor auch gegen die Umwandlung gestimmt hatte.618 Nach ganz überwiegender Meinung im Schrifttum soll für §§ 29 Abs. 1, 207 Abs. 1 UmwG nichts anderes gelten.619 Hiervon geht ganz offensichtlich auch der Gesetzgeber in der Begründung zu § 29 UmwG aus, wonach das Austrittsrecht davon abhängig sein soll, dass der Anteilsinhaber sich durch Widerspruch „gegen die Verschmelzung“ gewehrt hat.620 Diese Voraussetzung wird man kaum als gegeben ansehen können bei einem Gesellschafter, der der Transaktion ausdrücklich zugestimmt hat.621 Wenn §§ 29 Abs. 1, 207 Abs. 1 UmwG damit also zusätzlich eine negative Stimmabgabe zur Voraussetzung für den Widerspruch und damit für das Ausscheiden aus der Gesellschaft machen, so ist die hinter diesem Erfordernis stehende rechtliche Wertung auf das übernahmerechtliche Pflichtangebot des § 35 WpÜG dennoch kaum übertragbar. Dass im Rahmen von §§ 29 Abs. 1, 207 Abs. 1 UmwG nur derjenige Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft anspruchsberechtigt sein soll, der bei der Beschlussfassung gegen die Umwandlung gestimmt hat, erklärt sich aus dem Interesse des übernehmenden Rechtsträgers heraus, den Umfang potentieller Abfinlungsbeschluss zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung aller Anteilsinhaber bedarf. Unter anderem aus der Existenz dieser Vorschrift wird in der Literatur geschlossen, dass auch im Rahmen von §§ 29 Abs. 1, 207 Abs. 1 UmwG für die Geltendmachung des Austrittsrechts die vorherige negative Stimmabgabe erforderlich sei; siehe Zimmermann, in: FS-Brandner, S. 167 (180). 617 Der Wortlaut von §§ 29 Abs. 1, 207 Abs. 1 UmwG ist in dieser Hinsicht ebenso ungenau wie derjenige der Vorgängerregelung in § 375 Abs. 1 AktG a. F. 618 Vgl. Dehmer, Umwandlungsrecht/Umwandlungssteuerrecht, § 375 AktG Anm. 3; Semler/Grunewald, in: Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, AktG, § 375 Rn. 4; Zöllner, in: KK-AktG, § 375 Rn. 5. 619 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 29 Rn. 10; dies., in: FS-Boujong, S. 175 (183); Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 21; Schaub, NZG 1998, 626 (628); Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 29 UmwG Rn. 12 f.; Vollrath, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 29 UmwG Rn. 24; Zimmermann, in: FS-Brandner, S. 167 (179 f.); zustimmend, jedoch kritisch gegenüber der bestehenden Rechtslage Hommelhoff, ZGR 1993, 452 (470 f.); ablehnend Decher, in: Lutter, UmwG, § 207 Rn. 10; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 29 Rn. 13; Meister/Klöcker, in: Kallmeyer, § 207 Rn. 15. 620 Begründung zum RegE-UmwBerG, BR-Drucks. 75/94, S. 94. 621 So ausdrücklich auch Zimmermann, in: FS-Brandner, S. 167 (179).

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dungsansprüche zu beschränken und damit einer unter Umständen drohenden Existenzgefährdung vorzubeugen.622 Mit dem Gleichlauf von Widerspruch und Abstimmungsverhalten wird sichergestellt, dass der denkbare Liquiditätsabfluss auf einen Maximalwert beschränkt ist. Bedingt durch das in § 65 Abs. 1 Satz 1 UmwG für AGen angeordnete Mehrheitserfordernis von mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals bleibt die Anzahl potentiell austrittsberechtigter Anteilsinhaber überschaubar und damit das finanzielle Risiko kalkulierbar.623 Im Rahmen des § 35 WpÜG ist Schuldner des Abfindungsangebots jedoch nicht der übernehmende Rechtsträger, sondern der die Kontrolle ausübende Mehrheitsaktionär. Dass dieser vor übermäßigen Abfindungszahlungen geschützt werden soll, ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist das Pflichtangebot gem. §§ 35, 39, 32 WpÜG vom Gesetzgeber bewusst als Vollangebot ausgestaltet worden.624 Hinzu kommt, dass § 35 WpÜG die Angebotspflicht – anders als §§ 29 Abs. 1, 207 Abs. 1 UmwG, die das Austrittsrecht von der individuellen Erklärung des Widerspruchs abhängig machen – an das objektive Moment der Kontrollerlangung knüpft. Hiermit ist für den Mehrheitsaktionär regelmäßig vor Fassung des Verschmelzungsbzw. Spaltungsbeschlusses aufgrund der bestehenden Mehrheitsverhältnisse erkennbar, ob es mit Wirksamwerden der Umwandlung zu einer Kontrollerlangung i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG und damit zu einer gegenüber allen Aktionären bestehenden Angebotspflicht kommen wird.625 Verfügt der Bieter nicht über die zur Durchführung des Pflichtangebots erforderlichen Mittel (Barmittel oder liquide Aktien), so kann er die Angebotspflicht vermeiden, indem er auf die Durchführung der Verschmelzung bzw. Spaltung verzichtet. Darüber hinaus kommt dem Aspekt der Liquiditätssicherung im Rahmen der §§ 29 Abs. 1, 207 Abs. 1 UmwG schon deshalb eine andere Bedeutung zu, da der angebotspflichtige übernehmende Rechtsträger im Zuge der Abwicklung des Gesellschafteraustritts eigene Anteile erwirbt.626 Handelt es 622 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 29 Rn. 10; dies., in: FS-Boujong, S. 175 (183); Decher, in: Lutter, UmwG, § 207 Rn. 10; Hommelhoff, ZGR 1993, 452 (471); Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 29 UmwG Rn. 12. 623 Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 29 UmwG Rn. 12. 624 Begründung zu § 35 Abs. 2 RegE-WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 60. 625 So auch Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (483). 626 Das Gesetz geht in §§ 29 Abs. 1, 207 Abs. 1 UmwG davon aus, dass auch der Anteilsinhaber, der Widerspruch zur Niederschrift erklärt und gegen die Umwandlung gestimmt hat, zunächst einmal Anteilsinhaber in dem übernehmenden Rechtsträger bzw. in dem Rechtsträger neuer Rechtsform wird, so dass es sich bei dem Erwerb der Anteile um eigene Anteile dieses Rechtsträgers handelt; vgl. Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 29 Rn. 23.

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sich bei dem übernehmenden Rechtsträger um eine AG, so ist der Erwerb eigener Anteile gem. § 71 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AktG, § 272 Abs. 4 HGB nur unter engen Voraussetzungen zulässig. § 71 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 AktG beschränkt den Anteilserwerb auf insgesamt höchstens 10% des Grundkapitals. Jedoch ist das Erwerbsgeschäft – und darüber hinaus aufgrund der Anordnung in §§ 29 Abs. 1 Satz 1 HS. 2, 207 Abs. 1 Satz 1 HS. 2 UmwG auch das schuldrechtliche Geschäft – trotz Verstoßes gegen diese gesetzliche Höchstgrenze gem. § 71 Abs. 4 Satz 1 AktG nicht unwirksam. Aufgrund der in §§ 29 Abs. 1 Satz 1 HS. 2, 207 Abs. 1 Satz 1 HS. 2 UmwG durch Ausschluss des § 71 Abs. 4 Satz 2 AktG angeordneten Wirksamkeit auch des Grundgeschäfts liegt in der Erbringung der Gegenleistung durch die Gesellschaft auch keine verbotene Einlagenrückgewähr i. S. d. § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG, die damit auch nicht nach § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG auszugleichen ist.627 Anderenfalls käme die Erleichterung der §§ 29 Abs. 1 Satz 1 HS. 2, 207 Abs. 1 Satz 1 HS. 2 UmwG einem Danaergeschenk gleich. Der Kapitalerhaltung wird insoweit lediglich durch § 71c AktG Rechnung getragen, wonach Aktien, die unter Verstoß gegen § 71 Abs. 2 Satz 1 AktG erworben wurden, innerhalb eines Jahres wieder zu veräußern sind.628 Trotz der damit bestehenden umwandlungsrechtlichen Erleichterung ist der übernehmende Rechtsträger bzw. der Rechtsträger neuer Rechtsform jedoch gem. § 272 Abs. 4 HGB verpflichtet, die für eigene Anteile vorgeschriebene Rücklage aus freiem Vermögen zu bilden.629 Verfügt der übernehmende Rechtsträger nicht über genügend freies Vermögen, so ist die Rücklage gleichwohl zu bilden und ein entsprechender Bilanzverlust aus627 Wie hier Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 29 Rn. 27; Vetter, ZHR 168 (2004), 8 (21 f.); Vollrath, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 29 Rn. 29; a. A. Petersen, S. 178. 628 Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 29 UmwG Rn. 10. Zwar ist ein Verschmelzungs- bzw. Spaltungsbeschluss nach h. M. rechtswidrig und damit anfechtbar, wenn sich vor Beschlussfassung aufgrund einer Vielzahl erwarteter Widerspruchserklärungen ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsregeln abzeichnet; Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 29 Rn. 24; Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 32; Marsch/Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 29 Rn. 27; Vollrath, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 29 UmwG Rn. 32; a. A. Stratz, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 29 UmwG Rn. 10. Jedoch bietet dies für den übernehmenden Rechtsträger in den Fällen keine Sicherheit, wo die große Anzahl von Widersprüchen erst zum Zeitpunkt ihrer Erklärung zur Niederschrift der Hauptversammlung erkennbar wird; hierauf weist zu Recht Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 29 Rn. 25, hin. 629 § 272 Abs. 4 HGB stützt § 71 AktG, indem er durch das Erfordernis der Rücklagenbildung sicherstellt, dass der Erwerb und die Aktivierung der eigenen Anteile nicht zur Ausschüttung an die Gesellschafter führt; vgl. ausführlich Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 272 Rn. 10.

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zuweisen.630 Wird die Rücklage dagegen im Jahr des Erwerbs der Anteile nicht oder nicht in voller Höhe gebildet, so ist der Jahresabschluss regelmäßig nach § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG nichtig.631 Vor diesem Hintergrund kommt der Beschränkung des von §§ 29 Abs. 1, 207 Abs. 1 UmwG gewährten Austrittsrechts auf maximal 25% des Grundkapitals zusätzlich eine die Einhaltung des § 272 Abs. 4 HGB fördernde Wirkung zu.632 Dieser Sicherung bedarf es im Rahmen der übernahmerechtlichen Angebotspflicht jedoch schon deshalb nicht, da Angebotsschuldner hier nicht der übernehmende Rechtsträger, sondern der Kontrollerwerber ist, wodurch es zu einem Erwerb eigener Aktien nicht kommen kann. Ein Verstoß gegen § 272 Abs. 4 HGB steht damit nicht zu befürchten. Zusammenfassend lässt sich daher folgendes feststellen: Der im Rahmen von §§ 29 Abs. 1, 207 Abs. 1 UmwG geltende Grundsatz, wonach nur derjenige Anteilsinhaber zum Austritt aus der Gesellschaft berechtigt sein soll, der zuvor gegen die Umwandlung gestimmt hat, ist nicht auf das übernahmerechtliche Pflichtangebot übertragbar. Die Angebotsverpflichtung nach § 35 WpÜG besteht damit auch gegenüber denjenigen Anteilsinhabern, die bei der Beschlussfassung für die Verschmelzung bzw. Spaltung gestimmt haben. 3. Rechtsmissbräuchlichkeit der Angebotsannahme Von der soeben erörterten Frage des Ausschlusses der Angebotspflicht infolge positiven Abstimmungsverhaltens eines einzelnen Minderheitsaktionärs zu unterscheiden ist die Frage, ob sich ein Minderheitsaktionär, der der Verschmelzung bzw. Spaltung in der Hauptversammlung zugestimmt hat, mit einer späteren Annahme des Pflichtangebots in Widerspruch zu seinem früheren Abstimmungsverhalten begibt und sich damit dem Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens aussetzt.633 Zu beachten ist jedoch, dass widersprüchliches Verhalten die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung nicht in jedem Fall begründet. Vielmehr lässt die Rechtsordnung auch widersprüchliches Verhalten grundsätzlich zu.634 Überschritten wird die 630 Förschle/Hoffmann, in: Beck’scher Bil-Komm., § 272 Rn. 120; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 29 UmwG Rn. 12. 631 Förschle/Hoffmann, in: Beck’scher Bil-Komm., § 272 Rn. 124; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 29 Rn. 27; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 272 Rn. 10; Vetter, ZHR 168 (2004), 8 (22). 632 Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 29 UmwG Rn. 12; so wohl auch Decher, in: Lutter, UmwG, § 207 Rn. 11. 633 Verbot des venire contra factum proprium. 634 BGH, 5. 7. 1997 – X ZR 73/95, NJW 1997, 3377 (3379); Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 55.

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Grenze zum Rechtsmissbrauch erst dann, wenn durch das frühere Verhalten für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde oder aber besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen.635 Stets erforderlich ist es jedoch, dass sich das zu beurteilende Verhalten als objektiv widersprüchlich darstellt. Fraglich ist, ob hiervon vorliegend ausgegangen werden kann. Dies wäre nur dann der Fall, wenn mit dem positiven Stimmverhalten eines Aktionärs in der über die Verschmelzung bzw. Spaltung abstimmenden Hauptversammlung objektiv eine Aussage auch über das spätere Verbleiben des Aktionärs in der Gesellschaft verbunden wäre. Gegenstand der Beschlussfassung ist gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 UmwG jedoch ausschließlich der von den beteiligten Rechtsträgern vereinbarte Verschmelzungs- bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrag, gegebenenfalls ein Entwurf desselben.636 Zwar entscheiden die Aktionäre hiermit gleichsam über die mit Wirksamwerden der Umwandlung entstehenden Mehrheitsverhältnisse in dem übernehmenden – bei der nicht-verhältniswahrenden Spaltung gegebenfalls auch in dem übertragenden – Rechtsträger. Hieraus jedoch den Schluss zu ziehen, der einer Verschmelzung oder Spaltung zustimmende Aktionär billige die entstehenden Mehrheitsverhältnisse dergestalt, dass er auch unter einem neuen Kontrollaktionär in der Gesellschaft verbleiben werde, ginge entschieden zu weit. In der Literatur wird vereinzelt sogar angezweifelt, dass die Aktionäre zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die bestehenden Mehrheitsverhältnisse sowie über die bevorstehende Kontrollerlangung und die damit verbundene Möglichkeit zum Ausscheiden aus der Gesellschaft informiert sein werden.637 Unter Zugrundelegung der gesetzlichen Mindestanforderungen müsse weder der Verschmelzungs- bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrag noch der den Aktionären vorzulegende Verschmelzungs- bzw. Spaltungsbericht entsprechende Informationen enthalten.638

635 BGH, 9. 5. 1960 – III ZR 32/59, BGHZ 32, 274 (279) = NJW 1960, 1522 (1524); BGH, 5. 7. 1997 – X ZR 73/95, NJW 1997, 3377 (3380); Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 55; Schulze, in: Hk-BGB, § 242 Rn. 36. 636 Dazu, dass der Verschmelzungs- bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrag zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch nicht abgeschlossen sein muss, die Versammlung vielmehr auch dessen Entwurf billigen kann, siehe Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 17; Zimmermann, in: Kallmeyer, UmwG, § 13 Rn. 7. 637 So Süßmann, WM 2003, 1453 (1455 f.). Nichts anderes ergibt sich nach der Ansicht Süßmanns aus den Veröffentlichungspflichten in §§ 21, 41 Abs. 2 WpHG, wonach Großaktionäre das Erreichen, Über- bzw. Unterschreiten der Stimmrechtsschwellen von 5%, 10%, 25%, 50% und 75% offenzulegen haben. Aufgrund der erheblichen Spannen zwischen den einzelnen Schwellenwerten seien hieraus die exakten Beteiligungsverhältnisse bei einer Gesellschaft letztlich nicht ableitbar. 638 Süßmann, WM 2003, 1453 (1455).

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Zwar kann dieser Ansicht so nicht gefolgt werden. Gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 UmwG ist im Umwandlungsbericht unter anderem auf die Folgen der Verschmelzung und Spaltung639 für die Beteiligung der Anteilsinhaber einzugehen. Hiervon erfasst sind insbesondere mögliche Änderungen der Beteiligungs- und Herrschaftsverhältnisse, wie etwa das Entstehen von Sperrminoritäten bzw. Mehrheitsbeteiligungen.640 Aufgrund der für die Minderheitsaktionäre aus kapitalmarktrechtlicher Sicht überragenden Bedeutung des Kontrollerwerbs bzw. -wechsels ist daher ohne weiteres davon auszugehen, dass auf den mit Wirksamwerden der Umwandlung erfolgenden Kontrollerwerb oder -wechsel im Umwandlungsbericht einzugehen ist.641 Jedoch kann selbst dann, wenn man eine entsprechende Kenntnis der Aktionäre unterstellt, von einem widersprüchlichen Verhalten nicht ausgegangen werden. Schließlich ist es denkbar, dass gerade die durch das Pflichtangebot den Minderheitsaktionären gebotene Möglichkeit zum Ausscheiden aus der Gesellschaft der für sie entscheidende Beweggrund für ihre Zustimmung war.642 Auch kann das positive Stimmverhalten Ausdruck der Rücksichtnahme auf das Gesellschaftsinteresse sein, zu der der Aktionär aufgrund seiner Treuebindung unter Umständen sogar verpflichtet sein kann. Vor diesem Hintergrund kann in einer späteren Angebotsannahme kein objektiver Widerspruch zu der vorausgegangenen positiven Stimmabgabe gesehen werden. Wollte man anders entscheiden, so wäre dies insbesondere auch unter rechtspolitischen Gesichtspunkten wenig sinnvoll. Aktionäre, die im Zuge des späteren Pflichtangebots aus der Gesellschaft ausscheiden wollen, würden hierdurch gezwungen, gegen die Umwandlung zu stimmen, und zwar selbst dann, wenn sie diese aus Sicht der Gesellschaft für wirtschaftlich sinnvoll oder gar erforderlich erachten, sich aber dennoch aus ihrem bishe639

§ 8 UmwG kommt gem. § 125 Satz 1 UmwG bei der Spaltung entsprechend zur Anwendung. 640 Vgl. hierzu die Entscheidung des LG Essen, 8. 2. 1999 – 44 O 249/98, AG 1999, 329 (331); siehe auch Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 8 Rn. 53; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 8 Rn. 33; Marsch/Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 8 Rn. 25; Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 8 UmwG Rn. 41. 641 So auch für das österreichische Recht Kalss/Winner, ÖBA 2000, 51 (55 f.), die eine Information der Aktionäre aufgrund der Angaben im Verschmelzungsvertrag und im Verschmelzungsbericht sowie durch die mündlichen Erläuterungen des Vorstands in der Hauptversammlung für gegeben halten. Im Umwandlungsbericht und in den ergänzenden Erläuterungen sei jeweils auf die Rechtsfolgen der Umwandlung einzugehen, wozu jedenfalls der Kontrollwechsel, die Abgabe des Pflichtangebots samt dessen wesentlichen Bedingungen bzw. die Begründung der Abhängigkeit zähle. 642 Gleichsinnig Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 37 Rn. 22, sowie Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (483); zu diesem Gesichtspunkt auch bereits oben Teil 4 E. I. 5. c) aa), S. 220.

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rigen Investment zurückziehen wollen.643 Aufgrund des in §§ 13 Abs. 1, 65 Abs. 1 UmwG angeordneten Mehrheitserfordernisses von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals könnte so die Durchführung der gesamten Strukturmaßnahme gefährdet werden. Aus Sicht der beteiligten Rechtsträger kann dies nur schwerlich gewollt sein. 4. Ergebnis Die Beteiligung der Minderheitsaktionäre am Umwandlungsbeschluss führt nicht zum Ausschluss der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung. Insbesondere kann in dem Umwandlungsbeschluss kein Verzicht auf das Pflichtangebot gesehen werden. Die Angebotspflicht ist öffentlich-rechtlicher Natur und steht damit nicht zur Disposition der Aktionäre. Die Angebotspflicht entsteht nicht nur gegenüber den Aktionären, die in der Hauptversammlung gegen die Verschmelzung bzw. Spaltung gestimmt haben. Zwar sehen §§ 29 Abs. 1, 207 Abs. 1 UmwG eine solche Verknüpfung von Abstimmungsverhalten und Berechtigung zum Austritt aus der Gesellschaft vor. Jedoch sind die dortigen Wertungen auf das übernahmerechtliche Pflichtangebot nicht übertragbar. Die Annahme des Pflichtangebots ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Aktionär in der Hauptversammlung für die Umwandlung gestimmt hat. Mit der Zustimmung ist keine Aussage über das spätere Verbleiben in der Gesellschaft verbunden. Damit fehlt es an der für einen Rechtsmissbrauch erforderlichen objektiven Widersprüchlichkeit des Verhaltens.

III. Befreiung von der Angebotspflicht nach § 37 WpÜG Ist der Kontrollerwerber damit nach den Ergebnissen der bisherigen Untersuchung de lege lata in den Fallkonstellationen I und V zur Abgabe eines Angebots nach § 35 WpÜG verpflichtet, so stellt sich gleichwohl die Frage, ob der Verpflichtete im Einzelfall eine Befreiung von der Angebotspflicht erlangen kann. § 37 Abs. 1 WpÜG ermöglicht es dem Bieter, bei der BaFin förmlich eine Befreiung von den Verpflichtungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG zu beantragen. Nach § 37 Abs. 1 Var. 1 WpÜG kommt eine 643 Vgl. hierzu auch die ähnliche Kritik an der Verknüpfung von Stimmverhalten und Austrittsrecht bei §§ 29, 207 UmwG; vgl. Decher, in: Lutter, UmwG, § 207 Rn. 10; Hommelhoff, ZGR 1993, 452 (470 f.); Meister/Klöcker, in: Kallmeyer, UmwG, § 207 Rn. 15.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Befreiung unter anderem dann in Betracht, wenn dies im Hinblick auf die Art der Kontrollerlangung gerechtfertigt erscheint. Hierunter lassen sich insbesondere solche Fallgestaltungen subsumieren, in denen ein zu schützendes Interesse der Minderheitsaktionäre als potentielle Angebotsadressaten aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Erwerbsvorgangs nicht oder nur vermindert anzuerkennen ist.644 Im Schrifttum645 sowie im näheren Umfeld der BaFin646 ist die Frage aufgeworfen worden, ob unter den genannten Befreiungstatbestand auch die hier untersuchten Fallkonstellationen der Verschmelzung und Spaltung zu fassen sind. Diskutiert wird eine Befreiungsmöglichkeit unter zwei Gesichtspunkten: dem des anderweitigen Schutzes der Minderheitsaktionäre sowie dem des Schutzverzichts. 1. Anderweitiger Schutz der Minderheitsaktionäre Ein fehlendes oder vermindertes Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre könnte in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung immer dann anzunehmen sein, wenn die schutzwürdigen Interessen der Minderheitsaktionäre bereits im Umwandlungsverfahren ausreichend berücksichtigt wurden.647 Zwar wurde vorliegend aufgezeigt, dass eine substituierende Wirkung der Schutzmechanismen des Umwandlungsrechts im Verhältnis zu der Angebotspflicht des § 35 WpÜG nicht besteht.648 Dieser Befund schließt es indes nicht aus, dass den schutzwürdigen Interessen der Minderheitsaktionäre im Umwandlungsverfahren im Einzelfall ausreichend Rechnung getragen wird. Fraglich ist jedoch, unter welchen Voraussetzungen hiervon ausgegangen werden kann. Zum Teil wird angenommen, dass ein ausreichender Schutz der Minderheitsaktionäre jedenfalls dann gewährleistet sei, wenn eine Austrittsmöglichkeit der Aktionäre nach § 29 UmwG tat644 Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 37 Rn. 18; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 37 WpÜG Rn. 24; vgl. auch Versteegen, in: KK-WpÜG, § 37 Rn. 24. 645 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 114 f. und 206; v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 82; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 37 Rn. 21 f.; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 37 Rn. 16; Krause/ Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, § 37 Rn. 35 und 37; Lutter, in: Lutter, WpÜG, Einl. Rn. 58; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 148; Versteegen, in: KK-WpÜG, § 37 Rn. 33 f. 646 Lenz/Linke, AG 2002, 361 (368). Die Autoren sind Regierungsdirektor bzw. Regierungsrat bei der BaFin, wenngleich der Beitrag lediglich die persönliche Ansicht der Verfasser wiedergibt. 647 So insbesondere Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 114 f.; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 37 Rn. 21; Lenz/Linke, AG 2002, 361 (368); Versteegen, in: KK-WpÜG, § 37 Rn. 33 f. 648 Oben Teil 4 E. I. 5. c), S. 218 ff.

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sächlich bestehe.649 Dem ist von anderer Seite jedoch zu Recht entgegengehalten worden, dass das Austrittsrecht des § 29 UmwG seinem Inhalt nach einen der übernahmerechtlichen Angebotspflicht gleichwertigen Schutz nicht zu gewährleisten vermag.650 Unter welchen Voraussetzungen das WpÜG die Minderheitsaktionäre vor dem Hintergrund der mit § 35 WpÜG verfolgten Regelungszwecke als ausreichend geschützt ansieht, lässt sich wie gesehen § 31 Abs. 2 WpÜG, § 7 WpÜG-AngebotsVO entnehmen.651 Nach der dortigen Wertung ist von einem fehlenden Schutzbedürfnis der Aktionäre dann auszugehen, wenn der für die Ermittlung des Umtauschverhältnisses anzusetzende Wert der Tauschaktien maximal mit deren gewichtetem durchschnittlichem Börsenwert der letzten drei Monate vor der Veröffentlichung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG veranschlagt wurde und zudem sichergestellt ist, dass die den Aktionären gewährten Tauschaktien liquide i. S. d. § 31 Abs. 2 WpÜG sind.652 Eine Befreiung des Bieters von der Angebotspflicht des § 35 WpÜG kommt daher allenfalls dann in Betracht, wenn den Vorgaben der § 31 Abs. 2 WpÜG, § 7 WpÜG-AngebotsVO im Umwandlungsverfahren entsprochen wurde. a) Fallkonstellation I Liegen die Voraussetzungen der § 31 Abs. 2 WpÜG, § 7 WpÜG-AngebotsVO im Einzelfall vor, so kann in Fallkonstellation I653 gleichwohl nur eine Befreiung von der Angebotspflicht gegenüber den Alt-Aktionären der übertragenden Gesellschaft in Betracht kommen. In den Fällen einer erstmaligen Kontrollerlangung in dem übernehmenden Rechtsträger scheidet eine Befreiung von der Angebotspflicht gegenüber den Alt-Aktionären des übernehmenden Rechtsträgers bereits deshalb aus, da die Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers im Rahmen der Umwandlung – anders als die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft – keine Tauschaktien erhalten. Damit besteht keine Möglichkeit, den drohenden Bewertungsabschlag im Umwandlungsverfahren bei der Ermittlung des Umtauschverhältnisses auszugleichen. 649 Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 148; enger Lenz/Linke, AG 2002, 361 (368), die eine Befreiung nach § 37 Abs. 1 Var. 1 WpÜG von vornherein nur dann für möglich halten, wenn § 29 UmwG einschlägig ist. 650 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 114 f.; Ehricke/Ekkenga/ Oechsler, WpÜG, § 37 Rn. 21; so wohl im Ergebnis auch Lenz/Linke, AG 2002, 361 (368); vgl. auch oben Teil 4 E. I. 5. c) cc), S. 222 f. 651 Siehe oben Teil 4 E. I. 5. c) dd), S. 223 ff. 652 Zu diesen Anforderungen oben Teil 4 E. I. 5. c) dd) (1), S. 225 ff. 653 Siehe zu dieser Fallkonstellation oben Teil 4 C. I. 1., S. 139 f.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Im Fall des Kontrollwechsels, wo das Schutzbedürfnis der Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers allein aus der Gefahr resultiert, dass es infolge einsetzender Verkaufsreaktionen zu einem Überangebot an Aktien und hierdurch bedingt zu Preisverfall am Kapitalmarkt kommt,654 könnte dem Schutzbedürfnis der Aktionäre zwar bei einer ausreichenden Aufnahmefähigkeit des Kapitalmarkts Genüge getan sein. Gleichwohl sprechen auch in diesem Fall die besseren Argumente gegen eine Befreiungsmöglichkeit. Nach § 37 Abs. 1 Var. 1 WpÜG muss es aufgrund der Art der Kontrollerlangung gerechtfertigt erscheinen, den Bieter von der Angebotspflicht zu befreien. Mit der Art der Kontrollerlangung hätte eine Befreiung im vorliegenden Fall aber nichts zu tun. Denn es ginge nicht um die Frage der Liquidität der den Aktionären im Rahmen der Umwandlung gewährten Tauschaktien,655 sondern ganz allgemein um die Überprüfung der Aufnahmefähigkeit des Kapitalmarkts im Hinblick auf die von den Alt-Aktionären des übernehmenden Rechtsträgers gehaltenen Aktien. Damit unterscheidet sich die Situation der Aktionäre aber in keiner Weise von dem Regelfall der Kontrollerlangung. Auch dort würde der Bieter in einem Befreiungsverfahren nach § 37 Abs. 1 WpÜG, § 8 ff. WpÜG-AngebotsVO nicht mit dem Vorbringen gehört, der Markt weise im konkreten Fall eine ausreichende Aufnahmefähigkeit auf, wodurch die Minderheitsaktionäre des Schutzes der Angebotspflicht insoweit nicht bedürften. Allein die Tatsache, dass der Markt sich im Einzelfall als ausreichend aufnahmefähig erweist, hat mit der Art der Kontrollerlangung nichts zu tun und rechtfertigt nicht eine Befreiung von der Angebotspflicht nach § 37 Abs. 1 Var. 1 WpÜG. Damit stellt sich die Frage, ob für den Bieter die Möglichkeit besteht, sich gem. § 37 Abs. 1 Var. 1 WpÜG von der Angebotspflicht nur gegenüber den Alt-Aktionären der übertragenden Gesellschaft befreien zu lassen, wenn den Vorgaben der § 31 Abs. 2 WpÜG, § 7 WpÜG-AngebotsVO im Umwandlungsverfahren entsprochen wurde. Dem steht nicht schon entgegen, dass das Gesetz in § 37 Abs. 1 WpÜG eine Teilbefreiung von der Angebotspflicht nicht vorsieht. Wenn die BaFin gem. § 37 Abs. 1 WpÜG ermächtigt ist, den Bieter komplett von der Angebotspflicht zu befreien, so muss ihr erst Recht die Möglichkeit einer teilweisen Befreiung des Bieters zustehen. Dass eine Teilbefreiung im vorliegenden Fall gleichwohl ausscheiden muss, folgt aus dem Schutzbedürfnis der Alt-Aktionäre der über654

Oben Teil 4 E. I. 5. b) aa) (1), S. 208 f. Die Schutzbedürftigkeit der Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers besteht hier unabhängig von der Liquidität der den Alt-Aktionären der übertragenden Gesellschaft im Rahmen der Umwandlung gewährten Tauschaktien; sie beruht allein auf den drohenden Verkaufsreaktionen der Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers. Vgl. insoweit auch die Ausführungen oben Teil 4 E. I. 5. b) aa) (1), S. 208 f. 655

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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tragenden Gesellschaft. Zwar wird dem Schutzbedürfnis der Aktionäre im Umwandlungsverfahren bei Einhaltung der Vorgaben der § 31 Abs. 2 WpÜG, § 7 WpÜG-AngebotVO ohne weiteres Rechnung getragen.656 Indes würde das Schutzbedürfnis der Aktionäre durch die Teilbefreiung des Bieters von der Angebotspflicht wieder aufleben. Befreite die BaFin den Bieter von der Angebotspflicht gegenüber den Alt-Aktionären der übertragenden Gesellschaft, so wären die Aktionäre erneut dem Risiko eines sinkenden Börsenwerts des übernehmenden Rechtsträgers ausgesetzt. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Verkauf der freien Anteile der Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers an den Kontrollaktionär im Zuge des Pflichtangebots eine weitere Verringerung des free floats mit sich bringt, wodurch die Gefahr besteht, dass der Handel in Aktien des übernehmenden Rechtsträgers illiquide wird, was sich in einer nochmals geringeren Marktbewertung niederschlagen würde.657 Von einem weiteren Absinken des Börsenwerts des übernehmenden Rechtsträgers betroffen wären aufgrund der Teilbefreiung des Bieters von der Angebotspflicht allein die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft, während die Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers aufgrund der ihnen gegenüber weiterhin bestehenden Angebotspflicht die Möglichkeit hätten, zu angemessenen Konditionen aus der Gesellschaft auszuscheiden.658 Der Schutz der Alt-Aktionäre des überneh656

Dabei ist zu beachten, dass für die Frage der Aufnahmefähigkeit des Kapitalmarkts und damit der Liquidität der den Alt-Aktionären der übertragenden Gesellschaft gewährten Tauschaktien ein von § 31 Abs. 2 WpÜG abweichender Bewertungsmaßstab gilt. Während im unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschrift das potentielle Verkaufsverhalten der Aktionäre der Zielgesellschaft maßgebliche Bezugsgröße ist, kann es im vorliegenden Zusammenhang nur auf die potentiellen Verkaufsreaktionen entweder der Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers oder der Alt-Aktionäre des übernehmenden und übertragenden Rechtsträgers ankommen. Ersteres ist der Fall, wenn sich die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft in dem übernehmenden Rechtsträger einer für sie materiell unveränderten Kontrollsituation ausgesetzt sehen. Hier beruht das Schutzbedürfnis der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft allein auf dem Umstand, dass sich die Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers einem neuen Kontrollaktionär gegenübersehen, wodurch es zu Verkaufsreaktionen und hierdurch bedingt zu Preisverfall kommen kann; siehe oben Teil 4 E. I. 5. b) aa) (2) (b) (aa), S. 213 ff. Auf die potentiellen Verkaufsreaktionen der Alt-Aktionäre des übertragenden und übernehmenden Rechtsträgers kommt es demgegenüber an, wenn zusätzlich zu den AltAktionären des übernehmenden Rechtsträgers auch die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft einer materiell veränderten Kontrollsituation ausgesetzt sind. Denn in diesem Fall drohen Verkaufsreaktionen aller Minderheitsaktionäre des übernehmenden Rechtsträgers. 657 Vgl. Vetter, WM 2002, 1999 (2001). 658 Anders als bei einem Vollangebot würde dieses Risiko einseitig zu Lasten der Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers gehen. Selbst wenn man – wie zum Teil in der Literatur – von vornherein nur von der Schutzbedürftigkeit der AltAktionäre der übertragenden Gesellschaft ausgeht, ist nicht ersichtlich, womit sich

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

menden Rechtsträgers würde damit unmittelbar zu Lasten der übrigen Minderheitsaktionäre gehen. Hieraus folgt, dass auch eine Teilbefreiung von der Angebotspflicht nur gegenüber den Alt-Aktionären der übertragenden Gesellschaft nicht in Betracht kommt. b) Fallkonstellation V In Fallkonstellation V659 scheidet eine Befreiung des Bieters von der Angebotspflicht nach § 37 Abs. 1 Var. 1 WpÜG ebenfalls aus. Dies folgt ohne weiteres daraus, dass sich die Kontrollerlangung in der übertragenden Gesellschaft vollzieht, wodurch für die Aktionäre ein Rechtsträgerwechsel nicht stattfindet. Damit ist es von vornherein ausgeschlossen, dass die den Aktionären mit der Kontrollerlangung drohenden Gefahren im Umwandlungsverfahren angemessen Berücksichtigung finden. 2. Schutzverzicht der Minderheitsaktionäre (sog. whitewash) Der englische City Code sieht die Möglichkeit der Befreiung von der übernahmerechtlichen Angebotspflicht in dem auch für Verschmelzungen und Spaltungen relevanten Fall vor, wo der die Verpflichtung auslösende Stimmrechtszuwachs auf dem Erwerb junger Aktien im Zuge einer Kapitalerhöhung beruht und die betroffenen Minderheitsaktionäre in einem unter Ausschluss des Bieters zustande gekommenen Hauptversammlungsbeschluss der Befreiung mit einfacher Mehrheit zugestimmt haben (sog. whitewashBeschluss).660 Entsprechend den im englischen Recht geltenden Grundsätzen soll nach zum Teil in der Literatur vertretener Ansicht eine Befreiung nach § 37 Abs. 1 WpÜG dann von der BaFin zu gewähren sein, wenn die Aktionäre mit einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals nicht nur der Umwandlung, sondern ausdrücklich auch der Befreiung des Bieters von der Angebotspflicht zugestimmt haben, wobei der die Kontrolle ausübende Mehrheitsaktionär nicht stimmberechtigt sein soll.661 Zum Teil wird sogar noch weitergehend ein gesonderter whitewash-Beschluss für nicht erforderlich gehalten. Vielmehr sei es ausreichend, wenn eine qualifizierte Mehrheit von Minderheitsaktionären der Umwandlung zugestimmt habe und zuvor nach den einschlädiese einseitige Schlechterstellung der Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers rechtferigen lassen könnte. 659 Siehe zu dieser Fallkonstellation oben Teil 4 C. I. 5., S. 148 f. 660 Siehe ausführlich oben Teil 4 D. III., S. 172 f. 661 v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 82; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 148 sowie § 37 Rn. 26.

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

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gigen Bestimmungen des Umwandlungsrechts offen gelegt worden sei, dass der Bieter infolge der Umwandlung die Kontrolle über die Zielgesellschaft erwerben werde und von der Verpflichtung nach § 35 WpÜG gem. § 37 Abs. 1 WpÜG befreit sei.662 Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das WpÜG – anders als Art. 16 Satz 2 Übernahmekodex663 – ein entsprechendes whitewash-Prozedere nicht vorsieht.664 Diese Tatsache allein spricht zwar noch nicht zwingend gegen eine Befreiung des Bieters nach § 37 Abs. 1 WpÜG. Insbesondere ist es aufgrund des nicht abschließenden Charakters der Befreiungstatbestände des § 9 WpÜG-AngebotsVO unschädlich,665 dass die Norm einen speziellen whitewash-Tatbestand nicht enthält. Nur, im Verhältnis zu § 37 Abs. 1 WpÜG schafft § 9 WpÜG-AngeobtsVO keine zusätzlichen Befreiungsgründe.666 Die Ermächtigung an den Verordnungsgeber in § 37 Abs. 2 WpÜG umfasst keine Befugnis zu einer derartigen Erweiterung.667 Hieraus folgt, dass sich sämtliche in Betracht kommenden Befreiungstatbestände in dem von § 37 Abs. 1 WpÜG vorgegebenen Rahmen zu halten haben, denn – anders als in § 9 WpÜG-AngbotsVO – ist die Aufzählung der abstrakten Befreiungsgründe in § 37 Abs. 1 WpÜG abschließender Natur.668 Von den dort genannten Gründen kommt im vorliegenden Zusammenhang allein die in § 37 Abs. 1 Var. 1 WpÜG genannte Art der Kon662

Versteegen, in: KK-WpÜG, § 37 Rn. 34. Nach Art. 16 Satz 2 Übernahmekodex konnte die Hauptversammlung der Zielgesellschaft den Mehrheitsaktionär innerhalb von 18 Monaten nach Überschreiten der Kontrollschwelle von der Pflicht zur Abgabe eines Angebots befreien, wobei der Mehrheitsaktionär jedoch nicht stimmberechtigt war. Einer zusätzlichen Befreiungsentscheidung durch die Übernahmekommission bedurfte es unter dem Übernahmekodex nicht. 664 Wie hier Süßmann, WM 2003, 1353 (1354). 665 Dass die in § 9 WpÜG-AngebotsVO aufgezählten Befreiungstatbestände nicht abschließender Natur sind, entspricht allgemeiner Ansicht; siehe nur Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 768 (772); Harbarth, ZIP 2002, 321 (323); Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (418); Lenz/Linke, AG 2002, 361 (366); Meyer, in: Geibel/Süßmann, § 37 Rn. 23; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, Anh. § 37 WpÜG Rn. 3; Versteegen, in: KK-WpÜG, Anh. § 37 Erl. zu § 9 Rn. 3; vgl. auch den Wortlaut von § 9 WpÜG AngebotsVO „insbesondere“. 666 Wie hier Meyer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 37 Rn. 35; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, Anh. § 37 WpÜG Rn. 5; Versteegen, in: KK-WpÜG, Anh. § 37 Erl. zu § 9 Rn. 2; a. A. offenbar Assmann, AG 2002, 114 (118) „darüber hinaus“. 667 Vgl. insoweit den Wortlaut des § 37 Abs. 2 WpÜG „nähere Bestimmungen über die Befreiung“; gleichsinnig Versteegen, in: KK-WpÜG, Anh. § 37 Erl. zu § 9 Rn. 2. 668 Ganz überwiegende Ansicht; siehe etwa Harbarth, ZIP 2002, 321 (330); Meyer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 37 Rn. 24; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/ Oechsler, WpÜG, § 37 Rn. 16; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 37 WpÜG Rn. 2; 663

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

trollerlangung als Auslöser für eine Befreiung in Betracht, und dies auch nur dann, wenn man mit Versteegen669 den whitewash-Beschluss zusammen mit der Abstimmung über die Verschmelzung bzw. Spaltung durchführen will. Denn unter Art der Erlangung ist lediglich die Gesamtheit der Umstände zu verstehen, die dem Kontrollerwerb als solchem zugrunde liegen.670 Ein dem Zustimmungsbeschluss oder gar dem Kontrollerwerb nachfolgender und von den Minderheitsaktionären isoliert, d.h. unabhängig von der Abstimmung über das Zustandekommen der Umwandlung, zu fassender whitewash-Beschluss kann hierunter schwerlich subsumiert werden. Mit den Umständen, die zu der Kontrollerlangung geführt haben, hat dieser nichts zu tun. Es handelt sich vielmehr um ein selbständiges Verfahren, mit dem die Minderheitsaktionäre ihren Schutzverzicht gegenüber dem Verpflichteten und gegenüber der BaFin erklären. Auf eine bestimmte Art des vorangehenden Kontrollerwerbs sind sie hierbei grundsätzlich nicht festgelegt. Anders könnte dies möglicherweise dann zu beurteilen sein, wenn der whitewash-Beschluss zusammen mit der Abstimmung über die Umwandlung durchgeführt wird. Jedoch kann diese Frage hier bereits deshalb offen bleiben, da eine derartige Verknüpfung von Zustimmungs- und whitewashBeschluss für rechtlich unzulässig zu erachten ist. Alleiniger Gegenstand des Zustimmungsbeschlusses ist nach § 13 Abs. 1 UmwG der den Anteilsinhabern vorzulegende Verschmelzungs- bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrag.671 Eine inzidente Abstimmung über einen Schutzverzicht der Minderheitsaktionäre ist insoweit unzulässig und würde den Hauptversammlungsbeschluss gem. § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar machen. Auch wäre es bei einer inzidenten Abstimmung unmöglich, den die Kontrolle ausübenden Mehrheitsaktionär von der Abstimmung auszuschließen, wodurch das Pflichtangebot als Minderheitenrecht zu dessen Disposition stünde. Darüber hinaus dürfte es aber auch bereits unzulässig sein, den Anteilsinhabern im Vorfeld der Abstimmung offen zu legen, dass der Bieter von den Verpflichtungen nach § 35 WpÜG gem. § 37 Abs. 1 WpÜG befreit sei. Denn dies ist im Zeitpunkt der Abstimmung offensichtlich (noch) nicht der Fall, soll doch gerade die Abstimmung selbst Grundlage für die Befreiung durch die BaFin sein.

Versteegen, in: KK-WpÜG, § 37 Rn. 54; a. A. wohl Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 37 Rn. 2. 669 Versteegen, in: KK-WpÜG, § 37 Rn. 34. 670 Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 37 WpÜG Rn. 22; vgl auch Versteegen, in: KK-WpÜG, § 37 Rn. 24. 671 Gleichsinnig Süßmann, WM 2003, 1453 (1454); siehe auch Gehling, in: Semler/Stengel, § 13 Rn. 44; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 17; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 13 Rn. 17.

E. Unmittelbare Anwendbarkeit

259

3. Ergebnis Eine Befreiung von der Angebotspflicht nach § 37 Abs. 1 Var. 1 WpÜG wegen der Art der Kontrollerlangung kommt in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung weder unter dem Gesichtspunkt des anderweitigen Schutzes der Minderheitsaktionäre noch unter dem Gesichtspunkt des Schutzverzichts (sog. whitewash) in Betracht. Zwar kann dem Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre, die im Rahmen der Umwandlung Tauschaktien an dem übernehmenden Rechtsträger erhalten, im Einzelfall dadurch entsprochen sein, dass die Vorgaben der § 31 Abs. 2 WpÜG, § 7 WpÜG-AngebotVO im Umwandlungsverfahren eingehalten wurden. Jedoch kommt eine Teilbefreiung von der Angebotspflicht nur gegenüber den AltAktionären der übertragenden Gesellschaft nicht in Betracht, da das Schutzbedürfnis der Aktionäre hierdurch wieder aufleben würde. Die Möglichkeit, eine Befreiung von der Angebotspflicht aufgrund eines von den Minderheitsaktionären erklärten Schutzverzichts (sog. whitewash) zu erlangen scheitert daran, dass das Gesetz einen entsprechenden Befreiungstatbestand in § 37 Abs. 1 WpÜG nicht vorsieht. Insbesondere kann eine Befreiung in diesem Fall nicht auf § 37 Abs. 1 Var. 1 WpÜG gestützt werden.

IV. Zusammenfassung In den Fallkonstellationen I und V ist § 35 WpÜG unmittelbar anwendbar. Hierfür sprechen neben dem Wortlaut und der Gesetzessystematik die Regelungsabsicht des Gesetzgebers sowie der Sinn und Zweck des übernahmerechtlichen Pflichtangebots. Die Beteiligung der Minderheitsaktionäre am Umwandlungsbeschluss führt ebenfalls nicht zum Ausschluss der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG. Eine Befreiung von der Angebotspflicht nach § 37 Abs. 1 Var. 1 WpÜG ist weder unter dem Gesichtspunkt des anderweitigen Schutzes der Minderheitsaktionäre noch unter dem Gesichtspunkt des Schutzverzichts (sog. whitewash) möglich. Damit hat der Kontrollerwerber in den Fallkonstellationen I und V die Tatsache der Kontrollerlangung unter der Angabe der Höhe seines Stimmrechtsanteils gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG zu veröffentlichen und gem. § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG den Aktionären der Zielgesellschaft ein Pflichtangebot zu unterbreiten. Adressaten des Pflichtangebots sind alle Aktionäre, die vor Eintritt des die Verpflichtungen nach § 35 WpÜG auslösenden Tatbestands Anteilsinhaber einer an einem organisierten Markt börsennotierten Zielgesellschaft waren.

260

Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

In den Fallkonstellationen II, III und IV wird de lege lata ein Pflichtangebot nicht ausgelöst. Der Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG lässt eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift in diesen Fällen nicht zu.

F. Analoge Anwendbarkeit Kommt in den Fallkonstellationen II, III und IV eine unmittelbare Anwendung des § 35 WpÜG aufgrund des eng formulierten Wortlauts der Vorschrift nicht in Betracht,672 so stellt sich die Frage nach einer analogen Anwendung. Neben einer Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes ist es hierfür erforderlich, dass der jeweils zu beurteilende Sachverhalt mit dem durch den Gesetzgeber geregelten Tatbestand in den maßgeblichen rechtlichen Hinsichten vergleichbar ist.673

I. Fehlende Regelungslücke Von einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes kann lediglich dann ausgegangen werden, wenn das Gesetz in dem in Frage stehenden Bereich Vollständigkeit anstrebt, diese tatsächlich aber nicht erreicht.674 Ausgangspunkt der insoweit anzustellenden Untersuchung ist der dem Gesetz zugrunde liegende Regelungsplan, wobei dieser wiederum aus dem Gesetz selbst im Wege der Auslegung zu ermitteln ist.675 An dieser Stelle kann auf die im dritten Teil dieser Arbeit getroffenen Feststellungen verwiesen werden.676 Die dortige Untersuchung des dem WpÜG zugrunde liegenden Regelungsplans hat gezeigt, dass der Gesetzgeber die Regelungen des WpÜG im Schnittbereich von Umwandlungsund Übernahmerecht als zumindest vorläufig abschließend begreift. Nach der eindeutigen Aussage des Gesetzgebers in den Materialien zum WpÜG sollen mit den Vorschriften des Gesetzes zunächst Erfahrungen gewonnen und die Erforderlichkeit gesetzlicher Regelungen im Schnittbereich der genannten Rechtsmaterien abgewartet werden.677 Hiermit hat der Gesetzgeber 672

Im Einzelnen oben Teil 4 E. I. 1. b) bb), S. 187 ff. BGH, 16. 7. 2003 – VIII ZR 274/02, BGHZ 155, 380 (389) = NJW 2003, 2601 (2603); Larenz, S. 381; zu den Anforderungen an eine Rechtsfortbildung im Wege der Analogie auch bereits oben Teil 3 D., S. 98. 674 BGH, 13. 11. 2001 – X ZR 134/00, BGHZ 149, 165 (174) = GRUR 2002, 238 (241); BGH, 4. 5. 1988 – VIII ZR 196/87, NJW 1988, 2109 (2110); Bydlinski, S. 473; Canaris, S. 31 ff.; Larenz, S. 373. 675 Zu dieser Vorgehensweise Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl. Rn. 55, Larenz, S. 373; siehe auch schon oben Teil 3 D. I., S. 99. 676 Oben Teil 3 D. I. 1. a), S. 100 ff. 673

F. Analoge Anwendbarkeit

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die Frage auch der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG auf umwandlungsrechtliche Sachverhalte bewusst offen gelassen, ohne diese gleichsam zur (rechtsfortbildenden) Klärung an Rechtsprechung und Wissenschaft zu überweisen.678 Eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes liegt demnach nicht vor.679 Damit muss eine analoge Anwendung des § 35 WpÜG in den Fallkonstellationen II, III und IV bereits mangels Regelungslücke ausscheiden.

II. Verfassungsrechtliche Einwände Darüber hinaus könnten einer analogen Anwendung von § 35 WpÜG aber auch verfassungsrechtliche Einwände entgegenstehen. Grenzen für eine analoge Rechtsanwendung könnten sich sowohl aus den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes als auch aus dem ordnungswidrigkeitsrechtlichen Analogieverbot ergeben. 1. Verwaltungsrechtliches Analogieverbot Gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 WpÜG ist die Überwachung von öffentlichen Angeboten nach dem WpÜG der BaFin zugewiesen.680 Während § 4 Abs. 1 Satz 1 WpÜG eine allgemeine Aufgabenzuweisung zum Inhalt hat,681 nimmt § 4 Abs. 1 Satz 2 WpÜG eine Konkretisierung dahingehend vor, dass die BaFin Missständen entgegenzuwirken hat, welche die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für den Wertpapiermarkt bewirken können. Zur Missstandsbehebung hält Abs. 1 Satz 3 derselben Vorschrift schließlich eine Generalermächti677 Vgl. insoweit die Begründung zum RegE-WpÜG, Allgemeiner Teil, BTDrucks. 14/7034, S. 31. 678 So auch schon die Feststellung im Hinblick auf die verfahrensbezogenen Vorschriften des WpÜG; siehe oben Teil 3 D. I. 1. a) bb), S. 101 f. 679 So wie hier v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 80; Krause/Pötzsch, in: Assman/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 150; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 39; das Vorliegen einer Regelungslücke als zumindest zweifelhaft bezeichnend Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 117; a. A. indes Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 57; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (571); Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (482); die die Möglichkeit einer analogen Anwendung von § 35 WpÜG bejahen, ohne auf das Erfordernis der planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes näher einzugehen. 680 Als bundesunmittelbare rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ist die BaFin dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen zugeordnet, gem. § 2 FinDAG untersteht sie dessen Rechts- und Fachaufsicht; Giesberts, in: KK-WpÜG, § 4 Rn. 11; Ritz, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 4 Rn. 1. 681 Giesberts, in: KK-WpÜG, § 4 Rn. 12; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 4 Rn. 3; Ritz, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 4 Rn. 4 ff.

262

Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

gung bereit.682 Daneben kennt das Gesetz eine Reihe von Spezialermächtigungen, auf die die BaFin ihr Handeln stützen kann.683 Würde man nun in den Fallkonstellationen II, III und IV mittels Analogie zu einer Anwendung des § 35 WpÜG gelangen, so wäre das vom Bieter einzuhaltende Angebotsverfahren automatisch der Aufsicht durch die BaFin unterstellt. Diese könnte aufgrund der Generalermächtigung des § 4 Abs. 1 Satz 3 WpÜG, aber auch aufgrund der zahlreichen Spezialermächtigungen des Gesetzes in grundgesetzlich garantierte Freiheits- und Eigentumsrechte des Bieters eingreifen.684 Nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes bedürfen Akte der Exekutive jedoch grundsätzlich des Stützungsgrunds in einem formellen Gesetz.685 Das Fehlen eines solchen schließt nach allgemeiner Ansicht – jedenfalls für den weiten Bereich der Eingriffsverwaltung686 – ein Tätigwerden der Verwaltung aus.687 Zwar folgt dies nicht unmittelbar aus den Vorgaben des Art. 20 Abs. 3 GG,688 denn ausdrücklich normiert ist dort nur der Vorrang der Gesetzes,689 wo682 Auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 3 WpÜG kann die BaFin Anordnungen in Form schlichten oder informellen Verwaltungshandelns wie auch in Gestalt von Verwaltungsakten i. S. d. § 35 Satz 1 und 2 VwVfG treffen; vgl. Giesberts, in: KK-WpÜG, § 4 Rn. 18 ff.; Ritz, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 4 Rn. 18. Zur Möglichkeit der BaFin zum Erlass von Rechtsverordnungen siehe Giesberts, in: KKWpÜG, § 4 Rn. 21; Ritz, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 4 Rn. 19. 683 Im Anwendungsbereich bestehender spezieller Eingriffsermächtigungen nach dem WpÜG ist der Bundesanstalt nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen ein Rückgriff auf die Generalermächtigung des § 4 Abs. 1 Satz 3 WpÜG verwehrt; so auch Giesberts, in: KK-WpÜG, § 4 Rn. 14; Schwennicke, in: Geibel/ Süßmann, WpÜG, § 4 Rn. 9 f.; Ritz, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 4 Rn. 13; ausführlich zum Verhältnis des § 4 Abs. 1 Satz 3 WpÜG zu den speziellen Eingriffsermächtigungen Cahn, ZHR 167 (2003), 262 (265 ff.). 684 Hierauf weist zutreffend hin Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 1 Rn. 65. Zur Parallelproblematik im WpHG siehe van Aerssen, WM 2000, 391 (396). 685 BVerfG, 14. 8. 1996 – 2 BvR 2088/93, NJW 1996, 3146; BVerfG, 14. 7. 1998 – 1 BvR 1640/97, BVerfGE 98, 218 (251) = NJW 1998, 2515 (2520); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 44; Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 20 Rn. 46. Nach allgemeiner Auffassung genügen Gesetze im materiellen Sinne dem Gesetzesvorbehalt, wenn und soweit sie auf einer formell gesetzlichen Grundlage beruhen; vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 58; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 118. 686 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 III Rn. 55 und 64; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 47; Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 20 Rn. 54. Im Übrigen ist die Reichweite des Gesetzesvorbehalts umstritten; dies gilt insbesondere für seine Ausdehnung auf den Bereich der Leistungsverwaltung, hier vor allem für die Gewährung von Subventionen; vgl. BVerwG, 27. 3. 1992 – BVerwG 7 C 21.90, BVerwGE 90, 112 (126) = JZ 1993, 33 (37); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 49; Maurer, § 6 Rn. 12 ff. 687 Detterbeck, § 7 Rn. 259; Maurer, § 6 Rn. 3.

F. Analoge Anwendbarkeit

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nach Maßnahmen der Verwaltung nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen dürfen.690 Jedoch lässt sich der allgemeine Gesetzesvorbehalt aus den verfassungsrechtlich verankerten Prinzipien der parlamentarischen Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit sowie mittelbar aus dem durch Art. 2 Abs. 1 GG und den Spezialgrundrechten umfassend gewährleisteten und nur für gesetzlich legitimierte Einwirkungen begrenzten Grundrechtsschutz ableiten.691 Dem Vorbehalt des Gesetzes kommt damit sowohl kompetenzals auch freiheitswahrende Funktion zu. Kompetenzwahrende Funktion insoweit, als der Gesetzesvorbehalt die von ihm erfassten Angelegenheiten grundsätzlich dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber „vorbehält“, freiheitswahrende Funktion dadurch, dass das Handeln der Verwaltung für den Bürger voraussehbar und berechenbar gemacht wird.692 Hieraus folgt, dass es staatlichen Stellen zumindest im Bereich der Eingriffsverwaltung verwehrt sein muss, eine aus ihrer Sicht bestehende Unvollständigkeit des Gesetzes im Wege der Analogie zu ergänzen und sich damit gleichsam an die Stelle des Gesetzgebers zu setzen.693 Dies hat jüngst, erstmals in dieser Allgemeinheit, auch das BVerfG mit dem Hinweis anerkannt, dass die Verwaltungsbehörde nicht über dem Gesetz stehe und daher nicht befugt sei, sich selbst neue Eingriffstatbestände zu schaffen.694

688 Das BVerfG hingegen sieht den Gesetzesvorbehalt in st. Rspr. als denknotwendige Voraussetzung der in Art. 20 Abs. 3 GG normierten Gesetzesbindung, die sonst ihren Sinn verliere; siehe BVerfG, 28. 10. 1975 – 2 BvR 883/73; 379, 479, 526/74, BVerfGE 40, 237 (248); BVerfG, 8. 8. 1978 – 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89 (126); BVerfG, 29. 10. 1987 – 2 BvR 624, 1080, 2029/83, BVerfGE 77, 170 (230) = NJW 1988, 1651 (1657). 689 Maurer, § 6 Rn. 4; Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 20 Rn. 46. 690 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 39; Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 20 Rn. 46. 691 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 44; Maurer, § 6 Rn. 4; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 46; zu den einzelnen in der Literatur vertretenen Ansätzen siehe insbesondere Stern, Bd. I, § 20 IV 4, S. 805. 692 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 54; Maurer, § 6 Rn. 5 f. 693 So im Ergebnis auch Bleckmann, § 12 Rn. 60; Caspar, AöR 2000, 131 (148); Ennuschat, JuS 1998, 905 (908); Felix, S. 389 f.; Konzak, NVwZ 1997, 872 (873); Zuleeg, JuS 1985, 106 (109); wohl auch Ehlers, Verwaltung 1998, 53 (79 f.); ablehnend Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, Art. 20 Rn. 611; Sachs, in: Sachs, GG, vor Art. 1 Rn. 112 sowie Art. 20 Rn. 121; Schwabe, DVBl. 1997, 352 f.; Stern, Bd. III/2, § 80 IV 3, S. 436; grundlegend zur Analogie im Verwaltungsrecht Gern, DÖV 1985, 558 ff. 694 BVerfG, 14. 8. 1996 – 2 BvR 2088/93, NJW 1996, 3146 f. Zuvor bereits KG, 4. 11. 1988 – Kart 11/88, ZIP 1989, 332 (336) sowie für den Bereich des Steuerrechts BVerfG, 30. 1. 1985 – 1 BvR 279/83, NJW 1985, 1891. Anders aber noch BVerfG, 3. 4. 1990 – 1 BvR 1186/89, BVerfGE 82, 6 (11 ff.) = NJW 1990, 1593 f.; BVerfG, 6. 12. 1988 – 2 BvL 18/84, BVerfGE 80, 269 (279) = NJW 1989, 2611.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen, verlangen doch die Grundsätze des Rechtsstaats, dass durch den Gesetzgeber an die Exekutive adressierte Ermächtigungen zur Vornahme belastender Verwaltungsakte durch das ermächtigende Gesetz selbst nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sind, so dass die Eingriffe messbar und in gewissem Umfang für den Einzelnen voraussehbar und berechenbar sind.695 Diesen Anforderungen kann eine Rechtsfortbildung im Wege der Analogie nicht gerecht werden, setzt diese doch gerade voraus, dass das Gesetz für den zu beurteilenden Sachverhalt eine Regelung gerade nicht bereithält.696 Damit fehlt es an der für den Bürger geforderten und dort, wo es um Eingriffe in dessen Freiheit und Eigentum geht, rechtsstaatlich zwingend gebotenen Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit staatlichen Handelns. In grundlegenden normativen Bereichen, insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung, ist der Gesetzgeber verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen.697 Eingriffe der Verwaltung, die ohne entsprechende gesetzliche Ermächtigung erfolgen, verletzen den Bürger jedenfalls in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip.698 Soweit in Literatur699 und Rechtsprechung700 vereinzelt davon ausgegangen wird, die Rechtsfortbildung im Wege der Analogie werde den genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht, werde hierbei doch aus den Wertungen des Gesetzes selbst auf das Bestehen einer Gesetzeslücke und die Art und Weise ihrer Ausfüllung geschlossen, so kann dem nicht gefolgt werden. Zwar stellt die Analogie, darauf weisen die genannten Stimmen zu Recht hin, nicht die Äußerung unzulässiger richterlicher Eigenmacht dar, durch die der erkennbare Wille des Gesetzgebers beiseite ge695 BVerfG, 12. 11. 1958 – 2 BvL 4, 26, 40/56, 1, 7/57, BVerfGE 8, 274 (325) = NJW 1959, 475 (477); BVerfG, 10. 10. 1961 – 2 BvL 1/59, BVerfGE 13, 153 (160); BVerfG, 12. 6. 1979 – 1 BvL 19/76, BVerfGE 52, 1 (41) = NJW 1980, 985 (990); BVerfG, 14. 8. 1996 – 2 BvR 2088/93, NJW 1996, 3146; siehe auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 54; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 48 ff. 696 Zu diesem Erfordernis BGH, 16. 7. 2003 – VIII ZR 274/02, BGHZ 155, 380 (389) = NJW 2003, 2601 (2603); BGH, 13. 11. 2001 – X ZR 134/00, BGHZ 149, 165 (174) = GRUR 2002, 238 (241); Canaris, S. 16, 25; Larenz, S. 370 ff., 381. 697 BVerfG, 8. 8. 1978 – 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89 (126) = JZ 1979, 178 (179); BVerfG, 2. 3. 1993 – 1 BvR 1213/85, BVerfGE 88, 103 (116) = NJW 1993, 1379 (1380); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 54; Schnapp, in: v. Münch/ Kunig, GG, Art. 20 Rn. 56. 698 BVerfG, 14. 8. 1996 – 2 BvR 2088/93, NJW 1996, 3146. 699 Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, Art. 20 Rn. 611; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 121; Stern, Bd. III/2, § 80 IV 3, S. 436. 700 BVerfG, 3. 4. 1990 – 1 BvR 1186/89, BVerfGE 82, 6 (11 ff.) = NJW 1990, 1593 f.; BVerfG, 6. 12. 1988 – 2 BvL 18/84, BVerfGE 80, 269 (279) = NJW 1989, 2611; BGH, 22. 2. 2001 – IX ZR 357/99, NJW 2001, 1569 (1570 f.).

F. Analoge Anwendbarkeit

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schoben und durch eine autark getroffene richterliche Entscheidung ersetzt wird. Rechnung getragen wird mit dieser Feststellung jedoch ausschließlich der kompetenz- nicht aber auch der freiheitswahrenden Funktion des Gesetzesvorbehalts. Insoweit muss es dabei bleiben, dass staatliches Handeln für den Einzelnen voraussehbar und berechenbar sein muss. Nach alledem muss eine analoge Anwendung des § 35 WpÜG in den Fallkonstellationen II, III und IV also auch aus rechtsstaatlichen Gründen ausscheiden.701 2. Ordnungswidrigkeitsrechtliches Analogieverbot Neben dem der BaFin zur Verfügung stehenden verwaltungsrechtlichen Instrumentarium wird die Einhaltung und Durchsetzung der sich aus aus dem WpÜG ergebenden Verhaltenspflichten auch durch das Ordnungswidrigkeitenrecht sichergestellt.702 Je nach Verwirklichungstatbestand kann die Bundesanstalt Verstöße gegen zwingende Vorgaben des Gesetzes mit Geldbußen von bis zu zweihunderttausend, fünfhunderttausend oder einer Million Euro ahnden.703 Zwar enthält § 35 WpÜG selbst keinerlei Sanktionsandrohungen. Jedoch hält das Gesetz in § 60 Abs. 1 WpÜG einen Ordnungswidrigkeitenkatalog bereit, dessen Tatbestände in nicht unerheblichem Umfang auch an Verstöße gegen die Veröffentlichungs- und Angebotspflichten des § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG anknüpfen.704 So handelt etwa gem. § 60 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) WpÜG ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig entgegen § 35 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 WpÜG eine Veröffentlichung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig vornimmt. Damit aber könnte einer analogen Anwendung von § 35 WpÜG das in Art. 103 Abs. 2 GG niedergelegte Gebot der Bestimmtheit gesetzlicher Strafvorschriften entgegenstehen, welches, über den Bereich des Kriminalstrafrechts hinaus, Geltung auch für das Ordnungswidrigkeitenrecht beansprucht.705 Gemäß seiner einfachgesetzlichen Festschreibung in § 3 OWiG706 kann eine Handlung als Ordnungswidrigkeit nur dann geahndet 701

So auch Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 1 Rn. 65; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 117. 702 Schäfer, in: KK-WpÜG, § 60 Rn. 1. Daneben sieht das WpÜG eine Reihe weiterer Rechtsinstitute vor, mit denen den Ge- und Verboten des Gesetzes zur Durchsetzung verholfen werden soll. Zu nennen sind hier etwa die zivilrechtliche Haftung, der Rechtsverlust nach § 59 WpÜG sowie der Zinsanspruch nach § 38 WpÜG; siehe Ehricke, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 60 Rn. 1; Schäfer, in: KK-WpÜG, § 60 Rn. 1. 703 Vgl. § 60 Abs. 3 WpÜG. 704 Vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 1 lit. a), Nr. 2 lit. a) und b) sowie Nr. 3, 4 und 5 WpÜG.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

werden, wenn die Möglichkeit der Ahndung gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde. Vergleichbar dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt verfolgt das Bestimmtheitsgebot der Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG einen doppelten Zweck:707 In seiner freiheitsgewährleistenden Funktion begründet es die Verpflichtung des Gesetzgebers, den zur Sanktion ermächtigenden Tatbestand nach Inhalt, Zweck und Ausmaß so konkret zu umschreiben, dass für den Bürger Tragweite und Anwendungsbereich der sanktionsbegründenden Norm zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen.708 Darüber hinaus soll das Bestimmtheitsgebot sicherstellen, und insoweit kann ihm eine kompetenzwahrende Funktion beigemessen werden, dass nur der Gesetzgeber selbst über die Sanktionswürdigkeit und Sanktionsbedürftigkeit eines Verhaltens entscheidet und nicht etwa Exekutive oder Judikative an seine Stelle treten.709 Aus der freiheitsgewährleistenden Dimension der Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG folgt nach allgemeiner Auffassung auch das Verbot sanktionsbegründender und sanktionsverschärfender Analogie.710 Ausgeschlossen ist danach jede Rechtsanwendung, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht.711 Der 705 Allgemeine Ansicht; siehe nur BVerfG, 3. 2. 1959 – 2 BvL 10/56, BVerfGE 9, 137 (144); BVerfG, 4. 2. 1975 – 2 BvL 5/74, BVerfGE 38, 348 (371); BVerfG, 23. 10. 1985 – 1 BvR 1053/82, BVerGE 71, 108 (114) = NJW 1986, 1671; BVerfG, 1. 12. 1992 – 1 BvR 88, 576/91, BVerfGE 87, 399 (411) = NJW 1993, 581 (583); Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 2; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Rn. 195. 706 Die Vorschriften des OWiG finden über § 2 OWiG auf die Ordnungswidrigkeitstatbestände des § 60 WpÜG ergänzende Anwendung; vgl. Schäfer, in: KKWpÜG, § 60 Rn. 1. 707 Zum allgemeinen Gesetzesvorbehalt oben Teil 4 F. II. 1., S. 261 ff. 708 St. Rspr.; siehe nur BVerfG, 26. 2. 1969 – 2 BvL 15, 23/68, BVerfGE 25, 269 (285) = NJW 69, 1059 (1061); BVerfG, 21. 6. 1977 – 2 BvL 2/76, BVerfGE 45, 346 (351) = NJW 1978, 101; BVerfG, 23. 10. 1985 – 1 BvR 1053/82, BVerfGE 71, 108 (114) = NJW 1986, 1671; aus der verfassungsrechtlichen Literatur siehe Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 67; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 103 Rn. 29; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Rn. 184; zu § 3 OWiG siehe Ferner, OWiG, § 3 Rn. 4; König, in: Göhler, OWiG, § 3 Rn. 5. 709 BVerfG, 6. 5. 1987 – BvL 11/85, BVerfGE 75, 329 (341) = NJW 1987, 3175; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 67; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Rn. 178 ff. 710 BVerfG, 3. 7. 1962 – 2 BvR 15/62, BVerfGE 14, 174 (185) = NJW 1962, 1339 f.; BVerfG, 6. 5. 1987 – 2 BvL 11/85, BVerfGE 75, 341 = NJW 1987, 3175; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 70; Ferner, OWiG, § 3 Rn. 3; Nolte, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 155 f.; Rogall, in: KK-OWiG, § 3 Rn. 51; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Rn. 178; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 103 Rn. 7c. 711 BVerfG, 23. 10. 1985 – 1 BvR 1053/82, BVerfGE 71, 108 (115) = NJW 1986, 1671 (1672); BVerfG, 10. 1. 1995 – 1 BvR 718, 719, 722, 723/89, BVerfGE 92, 1 (12) = NJW 1995, 1141; Nolte, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Art. 103 Rn. 157;

F. Analoge Anwendbarkeit

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mögliche Wortsinn des Gesetzes bildet hiernach zwingend die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation.712 Dass § 35 WpÜG selbst keinerlei Sanktionsandrohung ausspricht, ist dabei nach Sinn und Zweck des ordnungswidrigkeitsrechtlichen Analogieverbots unerheblich. Bedient sich der Gesetzgeber einer Regelungstechnik, bei der, wie in §§ 35, 60 WpÜG, Sanktions- und Gebots- bzw. Verbotsnorm dergestalt auseinander fallen, dass nur durch Hineinlesen des Ausfüllungstatbestands in den ansonsten unvollständigen Sanktionstatbestand ein der Subsumtion zugänglicher Gesamttatbestand zu gewinnen ist,713 so ergeben sich im Hinblick auf den Ausfüllungstatbestand dieselben verfassungsrechtlichen Anforderungen, die es auch hinsichtlich der Sanktionsnorm selbst einzuhalten gilt.714 Damit kann sich der Gesetzgeber nicht etwa dadurch der von Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG auferlegten freiheitsgewährleistenden Verantwortung entziehen, dass er den straf- bzw. ordnungswidrigkeitsrechtlichen Tatbestand im Hinblick auf das ge- bzw. verbotene Verhalten unausgefüllt lässt und mittels Verweisung auf die Voraussetzungen einer nicht dem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht zugehörenden Norm Bezug nimmt. Unterliegt damit auch der die Sanktionsnorm des § 60 WpÜG ausfüllende Tatbestand des § 35 WpÜG den Anforderungen der Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG, so muss seine analoge Anwendung jedenfalls insoweit ausscheiden, als es um eine Strafbewehrung geht.715 Anderenfalls wäDegenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 70; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Rn. 226. 712 BVerfG, 23. 10. 1985 – 1 BvR 1053/82, BVerfGE 71, 108 (115) = NJW 1986, 1671 (1672); BVerfG, 10. 1. 1995 – 1 BvR 718, 719, 722, 723/89, BVerfGE 92, 1 (12) = NJW 1995, 1141; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 70; König, in: Göhler, OWiG, § 3 Rn. 6; Rogall, in: KK-OWiG, § 3 Rn. 53; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Rn. 226. 713 Derartige Tatbestände werden gemeinhin als Blankettgesetze bezeichnet; grundlegend Tiedemann, S. 239 ff.; siehe auch BVerfG, 25. 7. 1962 – 2 BvL 4/62, BVerfGE 14, 245 (252) = NJW 1962, 1563 (1564); BVerfG, 1. 12. 1992 – 1 BvR 88, 576/91, BVerfGE 87, 399 (407) = NJW 1993, 581; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 60; Enderle, S. 173; Ferner, OWiG, § 3 Rn. 6; König, in: Göhler, OWiG, vor § 1 Rn. 17; Lohberger, S. 4, 14; Rogall, in: KK-OWiG, Vorbem. Rn. 15; Schmidt-Assmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Rn. 199. 714 BVerfG, 25. 7. 1962 – 2 BvL 4/62, BVerGE 14, 245 (252) = NJW 1962, 1563 (1564); BVerfG, 11. 2. 1976 – 2 BvL 2/73; BVerfGE 41, 314 (318); BVerfG, 18. 5. 1988 – 2 BvR 579/84, BVerfGE 78, 205 (213) = NJW 1988, 2593 (2594); dies gilt auch für Bußgeldtatbestände; vgl. BVerfG, 4. 2. 1975 – 2 BvL 5/74, BVerfGE 38, 348 (371 f.); Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 60; Enderle, S. 173, 205; König, in: Göhler, OWiG, § 3 Rn. 5; Rogall, in: KK-OWiG, Vorbem. Rn. 15; Schmidt-Assmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Rn. 201 und 208. 715 Achenbach, in: Baums/Thoma, WpÜG, vor § 60 Rn. 8; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 35 Rn. 117; wohl auch Angerer, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 1 Rn. 102, mit Verweis auf Rn. 66, wobei jedoch jeweils unklar beibt, ob eine analoge

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

ren für den Bieter durch bloßes Hineinlesen der Gebotsanordnungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG in die Blanketttatbestände des § 60 Abs. 1 WpÜG Tragweite und Anwendungsbereich der sanktionsbegründenden Norm nicht erkennbar und ließen sich auch nicht durch Auslegung ermitteln. Ob unter Verweis auf das ordnungswidrigkeitsrechtliche Analogieverbot darüber hinaus eine analoge Anwendung der Regelungen über das Pflichtangebot auch dann ausscheiden muss, wenn es lediglich um die zivilrechtlichen Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die in § 35 WpÜG normierten Verhaltenspflichten geht, wird in der Literatur in vergleichbaren Fällen unter dem Stichwort der „gespaltenen Auslegung“ diskutiert und unterschiedlich beantwortet.716 Die Rechtsprechung geht in derartigen Fällen im Interesse der Rechtsklarheit und damit der Rechtssicherheit jedoch zu Recht von einer einheitlich engen, d.h. die Möglichkeit einer Analogie ausschließenden, Rechtsanwendung aus.717 Hierfür spricht nicht zuletzt, dass die Strafbewehrung den Inhalt der Gebots- bzw. Verbotsnorm selbstverständlich auch dann mitprägt, wenn es lediglich um die zivilrechtlichen Folgen eines Rechtsverstoßes geht.718 Zudem weisen auch die zivilrechtlichen Rechtsfolgen primär Sanktionscharakter auf und sollen gesetzmäßiges Verhalten sicherstellen, so dass dieses nicht gespalten beurteilt werden kann.719 Für den Untersuchungsgegenstand bedeutet dies, dass eine Anwendung des § 35 WpÜG im Wege rechtsfortbildender Analogie aufgrund der Grenzen, die Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG einer analogen Rechtsanwendung setzen, ausscheiden muss. Dies gilt unabhängig davon, ob es im konkreten Fall um die ordnungswidrigkeits- oder auch nur die zivilrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen die Verhaltenspflichten des § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG geht.

Anwendung nur für den Fall abgelehnt wird, dass eine Strafbewehrung in Frage steht. 716 Gegen eine gespaltene Auslegung im Anwendungsbereich des WpHG wenden sich Assman, in: Assmann/Schneider, WpHG, Einl. Rn. 67; Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, Einl. WpHG Rn. 19; a. A. Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (9 ff.); ders., AG 1997, 502 (503); zur Parallelproblematik im GWB siehe ausführlich Dannecker/Biermann, in: Immmenga/Mestmäcker, GWB, Vor § 81 Rn. 35, mit umfassenden Nachweisen zu den dort vertretenen Ansichten. 717 BVerfG, 11. 4. 1967 – 1 BvL 25/64, BVerfGE 21, 292 (305) = NJW 1967, 1459 (1462); BGH, 24. 2. 1978 – I ZR 79/76, NJW 1978, 1856 f.; die Frage offenlassend in BGH, NJW 1967, 391 (392); zustimmend für das WpÜG Liebscher, ZIP 2002, 1005 (1009); Rönnau, in: FrankfKomm-WpÜG, vor § 60 Rn. 58. 718 Dannecker/Biermann, in: Immmenga/Mestmäcker, GWB, Vor § 81 Rn. 35. 719 Liebscher, ZIP 2002, 1005 (1009).

F. Analoge Anwendbarkeit

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III. Vergleichbarkeit der Sachverhalte Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass eine analoge Anwendung des § 35 WpÜG in den Fallkonstellationen II, III und IV sowohl mangels Vorliegens einer Regelungslücke als auch mit Blick auf zwingende verfassungsrechtliche Vorgaben nicht in Betracht kommt. Trotz dieses Befunds soll im Folgenden gleichwohl noch untersucht werden, ob die den hier behandelten Fallkonstellationen zugrunde liegenden Sachverhalte mit dem in § 35 WpÜG geregelten Tatbestand vergleichbar sind. Bedeutung kommt dieser Frage aufgrund der soeben getroffenen Feststellungen weniger für die analoge Anwendung des § 35 WpÜG als vielmehr im Hinblick auf einen unter Umständen bestehenden Regelungsbedarf und damit ein Tätigwerden des Gesetzgebers de lege ferenda zu. Sollten sich die den Fallkonstellationen II, III und IV zugrunde liegenden Sachverhalte als mit dem durch den Gesetzgeber in § 35 WpÜG geregelten Tatbestand vergleichbar erweisen, so wäre der Gesetzgeber aufgefordert, die insoweit bestehende Ungleichbehandlung zu beseitigen. Von einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte ist indes nur dann auszugehen, wenn der zu beurteilende und der gesetzlich geregelte Sachverhalt gerade in den für die gesetzliche Bewertung maßgebenden Hinsichten übereinstimmen.720 Erforderlich ist insoweit, dass die Sachverhalte einander derart „ähnlich“ sind, dass ihre unterschiedliche Behandlung als sachlich nicht begründete Verletzung der Gerechtigkeitsgleichheit anzusehen wäre.721 Dabei bestimmt sich die „Ähnlichkeit“ nach den Zwecken und Grundgedanken der gesetzlichen Regelung.722 Im Folgenden ist daher zu fragen, ob die mit dem Pflichtangebot verfolgten Regelungszwecke eine Anwendung des § 35 WpÜG auch in den hier zu beurteilenden Fallkonstellationen II, III und IV fordern. 1. Fallkonstellation II In Fallkonstellation II723 erhalten die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft im Zuge der Verschmelzung bzw. Spaltung Aktien an einem bereits kontrollierten börsennotierten Rechtsträger. Ebenso wie in Fallkonstellation I besteht auch hier die Besonderheit, dass sich die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Umwandlung aus Alt-Aktionären sowohl der übernehmenden als auch der über720 721 722 723

Larenz, S. 381. Bydlinski, S. 474; vgl. auch Larenz, S. 382. Larenz, S. 381 f. Siehe zu dieser Fallkonstellation oben Teil 4 C. I. 2., S. 141 f.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

tragenden Gesellschaft zusammensetzen. Daher ist es auch hier zweckmäßig, für die Frage der Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre zwischen den einzelnen Aktionärsgruppen zu unterscheiden. a) Alt-Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers Fraglich ist, ob es unter Schutzgesichtspunkten für die Alt-Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers eine Rolle spielt, ob der übernehmende Rechtsträger bereits vor Wirksamwerden der Umwandlung eine kontrollierende Beteiligung aufweist oder diese erst mit Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister entsteht. In dem einen wie auch in dem anderen Fall erhalten die Aktionäre für ihre bislang an der übertragenden Gesellschaft gehaltene Beteiligung Minderheitsanteile an dem übernehmenden Rechtsträger. Damit sind die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft den Auswirkungen des Bewertungsabschlags auf Minderheitsbeteiligungen724 in Fallkonstellation II ebenso ausgesetzt wie in Fallkonstellation I.725 Weiterhin besteht für die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft die Gefahr, dass es in dem übernehmenden Rechtsträger infolge einsetzender Verkaufsreaktionen zu einem Überangebot an Aktien und hierdurch bedingt zu Preisverfall kommt.726 Denn die Aktionäre werden in dem übernehmenden Rechtsträger von einem für sie neuen Mehrheitsaktionär kontrolliert, wodurch sich die von ihnen ursprünglich am Kapitalmarkt getroffene Investitionsentscheidung als weitgehend überholt darstellt.727 Unter dem Gesichtspunkt preislicher Gleichbehandlung ist es daher auch hier erforderlich, den Alt-Aktionären der übertragenden Gesellschaft die Möglichkeit zu einem geordneten Rückzug aus ihrem Investment zu gleichen Konditionen einzuräumen.728 In Zweifel ziehen lässt sich die Schutzbedürftigkeit der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft und damit auch die Vergleichbarkeit der Sachverhalte insbesondere nicht mit einem Verweis auf die Vorschrift des § 31 724 Zu den Gründen für den Minderheitsabschlag siehe ausführlich oben Teil 4 B. I. 2. a), S. 124 ff. 725 Hierzu im Einzelnen oben Teil 4 E. I. 5. b) aa) (2) (b) (aa), S. 211 ff. 726 Zu dieser für die Minderheitsaktionäre bestehenden Gefahr eingehend oben Teil 4 B. I. 2. b), S. 127 ff. 727 Zu diesem Aspekt oben Teil 4 B. I. 2. b), S. 129 f. 728 So jedenfalls im Ergebnis auch v. Bülow, in: KK-WpÜG, § 35 Rn. 81; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 57; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (570 f.); Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (481 f.). Der von Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 117, sowie von Krause/Pötzsch, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 150, ins Spiel gebrachten analogen Anwendung von § 29 UmwG ist damit zugleich eine Absage zu erteilen.

F. Analoge Anwendbarkeit

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Abs. 2 WpÜG.729 Zwar ist es richtig, dass den Aktionären einer Zielgesellschaft im Zuge eines Übernahme- oder Pflichtangebots gem. § 31 Abs. 2 WpÜG als Gegenleistung Aktien einer ebenfalls kontrollierten Gesellschaft angeboten werden können.730 Auch ist es zutreffend, dass eine (erneute) Angebotspflicht nach § 35 WpÜG in diesem Fall nicht ausgelöst wird. Jedoch beruht dies – wie oben dargelegt731 – allein darauf, dass das Gesetz in § 31 Abs. 2 WpÜG, § 7 WpÜG-AngebotsVO im Unterschied zu den Vorschriften des UmwG Schutzmechanismen bereithält, die den schutzwürdigen Interessen der Minderheitsaktionäre ausreichend Rechnung tragen. Insoweit muss die Vorschrift des § 31 Abs. 2 WpÜG und deren inhaltliche Ausgestaltung gerade als Beleg für die bestehende Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre auch in Fallkonstellation II angesehen werden.732 Verfehlt ist es auch, die Situation der Alt-Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers mit den Verhältnissen bei einem individuellen Beitritt zu einem kontrollierten Rechtsträger zu vergleichen.733 Zwar ist es offensichtlich zutreffend, dass in diesem Fall ein Pflichtangebot nicht ausgelöst wird. Jedoch kann hieraus mitnichten der Schluss gezogen werden, bei einem „kollektiven Beitritt“ im Wege der Verschmelzung und Spaltung habe Gleiches zu gelten. Dies folgt bereits daraus, dass bei einem Beitritt eines einzelnen Aktionärs jene Gefahren, vor denen § 35 WpÜG die Minderheitsaktionäre schützen soll,734 von vornherein nicht bestehen. So ist es einem einzelnen Anleger, der seine Aktien über die Börse erwirbt – anders als den Alt-Aktionären der übertragenden Gesellschaft im Rahmen einer Verschmelzung oder Spaltung – ohne weiteres möglich, die mit dem Minderheitenstatus untrennbar verbundenen Nachteile zu antizipieren und bei seinem Beitritt in Form des Bewertungsabschlags auf den Börsenwert der Aktien zu berücksichtigen.735 Weiterhin wird bei einem individuellen Beitritt zu einer kontrollierten Gesellschaft auch die durch den Anleger getroffene Investitions729 So aber Süßmann, WM 2003, 1453 (1455); Technau, AG 2002, 260 (264 f.); wohl auch Vetter, WM 2002, 1999 (2003 f.). 730 Ganz überwiegende Ansicht; siehe hierzu bereits oben Teil 4 B. II. 3., S. 136 f. sowie Teil 4 E. I. 5. c) dd), S. 224. 731 Siehe Teil 4 E. I. 5. c) dd) (1), S. 225 ff. 732 Dies gilt umso mehr, als die Situation der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft dem Fall, dass den Aktionären einer Zielgesellschaft bei einem Übernahme- oder Pflichtangebot Anteile einer kontrollierten Gesellschaft angebotenen werden, noch näher als in Fallkonstellation I kommt. In Fallkonstellation I entsteht die Kontrollposition in dem übernehmenden Rechtsträger nämlich erst mit Wirksamwerden der Umwandlung, während die Aktionäre in Fallkonstellation II, wie auch im Anwendungsbereich des § 31 Abs. 2 WpÜG, in einen bereits kontrollierten Rechtsträger transferiert werden. 733 So aber Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 26. 734 Zu diesen Gefahren im Einzelnen oben Teil 4 B. I. 2., S. 122 ff.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

entscheidung in keiner Weise berührt. Vielmehr ist der Beitritt gerade Ausdruck derselben. Auch gilt es keine frühere Investitionsentscheidung des individuell beitretenden Anlegers zu schützen. Die Gefahr, dass infolge veränderter Investitionsbedingungen Verkaufsreaktionen einsetzen, die zu einem Überangebot an Aktien und hierdurch bedingt zu Preisverfall führen können, besteht daher bei einem individuellen Beitritt nicht. Aus diesen Gründen vermag der Vergleich mit einem individuellen Beitritt zu einer kontrollierten Gesellschaft im vorliegenden Zusammenhang bereits im Ansatz nicht zu überzeugen. Schließlich können die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft auch nicht auf die Möglichkeit verwiesen werden, die ihnen im Zuge der Umwandlung gewährten Aktien an dem übernehmenden Rechtsträger über die Börse zu veräußern.736 Dass diese Möglichkeit in der vorliegenden Fallkonstellation de facto ebenso wenig besteht wie in den Fallkonstellationen I und V, folgt bereits daraus, dass den Aktionären bei einer Veräußerung am Kapitalmarkt jene Wertverluste drohen, vor denen der Gesetzgeber die Aktionäre mit der übernahmerechtlichen Angebotspflicht schützen will.737 Die Veräußerung der Aktien über die Börse scheidet damit – wie auch sonst im Anwendungsbereich des § 35 WpÜG – als Handlungsalternative für die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft aus. b) Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers Für die Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers stellt sich die Situation zunächst insoweit anders dar, als diese sich mit Wirksamwerden der Umwandlung keinem neuen Kontrollaktionär ausgesetzt sehen. Hieraus ist in der Literatur ganz überwiegend auf die fehlende Schutzbedürftigkeit der Aktionäre geschlossen worden.738 Diese Sichtweise verdient zunächst insoweit Zustimmung, als die Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers aufgrund der für sie materiell unveränderten Kontrollsituation von dem Be735

Das Pflichtangebot will insoweit gerade eine Gleichstellung für jene Aktionäre erreichen, die ihr Kapital der damals noch nicht kontrollierten Gesellschaft zur Verfügung gestellt haben; siehe oben Teil 4 B. I. 2. a), S. 126 f. 736 So der vor dem Hintergrund der mit § 35 WpÜG verfolgten Regelungszwecke kaum nachvollziehbare Einwand von Süßmann, WM 2003, 1453 (1455); ähnlich Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 117. 737 Hierzu ausführlich oben Teil 4 B. I. 2. b), S. 127 ff. 738 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 35 Rn. 116; v. Bülow, in: KKWpÜG, § 35 Rn. 79; Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 57; Kalss, in: Semler/Volhard, Bd. 2, § 51 Rn. 67; Kleindiek, ZGR 2002, 546 (572); Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn. 148; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 35 WpÜG Rn. 26; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 35 WpÜG Rn. 138.

F. Analoge Anwendbarkeit

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wertungsabschlag auf Minderheitsbeteiligungen – anders als die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft739 – nicht berührt werden. Vergleichbar der Situation bei einem Kontrollwechsel setzt sich der Bewertungsabschlag auch bei unveränderten Kontrollbedingungen mit Wirksamwerden der Umwandlung unverändert fort.740 Dadurch, dass die Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers im Besitz ihrer bereits abgewerteten Aktien verbleiben, erleiden sie allein durch die Verschmelzung bzw. Spaltung keine Werteinbuße. Nach seinem Sinn und Zweck greift das Pflichtangebot daher insoweit richtigerweise nicht ein. Allein mit Hinweis auf die insoweit fehlende Beeinträchtigung der AltAktionäre des übernehmenden Rechtsträgers lässt sich deren Schutzbedürftigkeit jedoch nicht verneinen. Denn der Gefahr, dass es infolge einsetzender Verkaufsreaktionen zu einem Überangebot an Aktien und hierdurch bedingt zu Preisverfall kommt, sehen sich die Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers ebenso ausgesetzt wie die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft. Zwar sind entsprechende Verkaufsreaktionen nur auf Seiten der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft zu erwarten, da nur diese sich einer materiell veränderten Kontrollsituation ausgesetzt sehen.741 Indes kann hieraus schon deshalb nicht auf die fehlende Schutzbedürftigkeit der Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers geschlossen werden, da sich die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Umwandlung nicht nur aus Alt-Aktionären der übernehmenden, sondern auch aus solchen der übertragenden Gesellschaft zusammensetzen.742 Vergleichbar mit der Situation der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft in Fallkonstellation I743 führt dies auch hier dazu, dass die Alt-Aktionäre der übernehmenden mit den Alt-Aktionären der übertragenden Gesellschaft im Hinblick auf die den Minderheitsaktionären drohende Gefahr am Markt einsetzender Verkaufsreaktionen „in einem Boot sitzen“. Die Gefahr, dass es mit Wirksamwerden der Umwandlung zu Verkaufsreaktionen jedenfalls der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft und hierdurch bedingt zu Preisverfall kommt, trifft daher sämtliche Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers gleichermaßen. 739

Oben Teil 4 F. III. 1. a), S. 270 ff. Dies ist auch der Grund dafür, dass der Minderheitsabschlag in den Fällen des Kontrollwechsels im Normalfall keine tragfähige Argumentationsgrundlage für das Auslösen der Angebotspflicht bildet; vgl. oben Teil 4 B. I. 2. b), S. 127 f. 741 Vgl. hierzu die Ausführungen zu Fallkonstellation I unter Teil 4 E. I. 5. b) aa) (2) (b) (aa), S. 211 ff., wo die Situation der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft keine andere ist. 742 Hierauf wurde bereits eingangs hingewiesen; oben Teil 4 F. III. 1., S. 269 f. 743 Oben Teil 4 E. I. 5. b) aa) (2) (b) (aa), S. 213 ff. 740

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Anders als in Fallkonstellation I, wo die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft zusätzlich zu der Gefahr einsetzender Verkaufsreaktionen auch dem Bewertungsabschlag auf ihre Minderheitsbeteiligung ausgesetzt sind,744 stellt sich vorliegend jedoch die Frage, ob der Gefahr einsetzender Verkaufsreaktionen auf Seiten der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft nicht gerade dadurch wirksam begegnet wird, dass den Alt-Aktionären der übertragenden Gesellschaft ein Pflichtangebot zu unterbreiten ist.745 Hierdurch würde den Alt-Aktionären der übertragenden Gesellschaft ein geordneter Rückzug aus ihrem Investment ermöglicht und uno actu die für die Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers bestehende Gefahr einsetzender Verkaufsreaktionen beseitigt. Wie auch schon bei der Frage nach der Möglichkeit einer Teilbefreiung746 von der Angebotspflicht sprechen gleichwohl auch hier die besseren Gründe für eine Angebotspflicht gegenüber allen Aktionären des übernehmenden Rechtsträgers. Der Verkauf freier Anteile an den Kontrollaktionär im Rahmen des Pflichtangebots brächte unweigerlich eine weitere Verringerung des free floats mit sich, wodurch der Handel in Aktien des übernehmenden Rechtsträgers illiquide werden kann, was sich in einer nochmals geringeren Marktbewertung niederschlagen würde.747 Der Schutz der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft würde damit auch hier unmittelbar zu Lasten der übrigen Minderheitsaktionäre gehen. Dies macht deutlich, dass ein an die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft gerichtetes Teilangebot dem Schutzbedürfnis der AltAktionäre des übernehmenden Rechtsträgers nicht gerecht werden kann. 2. Fallkonstellation III Fallkonstellation III stellt einen Sonderfall der bereits untersuchten Fallkonstellationen I und II dar.748 Die Sachverhaltsgestaltungen unterscheiden sich durch die fehlende Börsennotierung des übernehmenden Rechtsträgers im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Umwandlung. Fraglich ist daher allein, ob und gegebenenfalls inwieweit sich diese Tatsache auf die Schutz744 Vgl. oben Teil 4 E. I. 5. b) aa) (2) (b) (aa), S. 211 ff. Die folgende Frage stellte sich daher in Fallkonstellation I mangels Entscheidungserheblichkeit nicht. 745 Hierzu oben Teil 4 F. III. 1. a), S. 270 ff. 746 Oben Teil 4 E. III. 1. a), S. 254 ff. 747 Vgl. Vetter, WM 2002, 1999 (2001). 748 Hierüber darf die relativ hohe Anzahl möglicher Sachverhaltsgestaltungen in Fallkonstellation II nicht hinwegtäuschen. Je nachdem, ob die Verschmelzung bzw. Spaltung durch/zur Aufnahme oder durch/zur Neugründung erfolgt, kommt es – wie in den Fallkonstellationen I und II – entweder zur Erlangung von 30% oder mehr der Stimmrechte in dem übernehmenden Rechtsträger oder aber zur Aufrechterhaltung einer dort bereits bestehenden Mehrheitspostion.

F. Analoge Anwendbarkeit

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bedürftigkeit der Minderheitsaktionäre auswirkt. Da sich die Anteilsinhaber des übernehmenden bzw. neu gegründeten Rechtsträgers auch hier im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Umwandlung aus Alt-Aktionären sowohl der übernehmenden als auch der übertragenden Gesellschaft zusammensetzen, soll für die Frage der Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre im Folgenden erneut zwischen den einzelnen Aktionärsgruppen unterschieden werden. a) Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers Im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit der Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers in den Fällen der Verschmelzung bzw. Spaltung durch/zur Aufnahme gilt nichts anderes als in jenen Fällen, in denen es an der Börsennotierung der übertragenden Gesellschaft fehlt.749 Hier wie dort bedingt es die spezifisch kapitalmarktrechtliche Wirkungsweise des Pflichtangebots, dass das Austrittsrecht nur zugunsten von Aktionären zur Anwendung gelangen kann, die vor Eintritt des die Verpflichtungen nach § 35 WpÜG auslösenden Tatbestands Anteilsinhaber einer börsennotierten Zielgesellschaft waren. Damit steht fest, dass die Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers in der vorliegenden Fallkonstellation als potentielle Adressaten des Pflichtangebots ausscheiden, und zwar unabhängig davon, ob es im Anschluss an die Umwandlung zu einer Börsenzulassung der von dem übernehmenden Rechtsträger ausgegebenen Aktien kommt. b) Alt-Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers Der Schutzbedürftigkeit der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft steht die spezifisch kapitalmarktrechtliche Wirkungsweise des Pflichtangebots nicht entgegen. Anders als die Alt-Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers haben die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft ihre ursprüngliche Beteiligung im Vertrauen auf die zukünftige Austrittsmöglichkeit erworben.750 Fraglich kann insoweit nur sein, ob die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft unter Beachtung der mit § 35 WpÜG ver749

Siehe hierzu oben Teil 4 E. I. 5. b) aa) (2) (b) (bb), S. 216. Im Hinblick auf ihre Beteiligung an dem übernehmenden Rechtsträger kann ein Schutzbedürfnis der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft von vornherein nicht bestehen, da der Anteilserwerb zeitgleich mit dem Erwerb der Beteiligung durch den Kontrollaktionär statttindet bzw. im Fall der Aufrechterhaltung einer bereits bestehenden Kontrollbeteiligung diesem nachfolgt; insoweit zutreffend Technau, AG 2002, 260 (263), der jedoch abweichend von der hier vertretenen Ansicht ein Schutzbedürfnis der Aktionäre auch im Hinblick auf ihre ursprüngliche Beteiligung an dem übertragenden Rechtsträger verneint. 750

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

folgten Regelungszwecke zulässigerweise darauf vertrauen dürfen, dass ihnen ein Pflichtangebot auch dann unterbreitet wird, wenn es sich bei dem übernehmenden Rechtsträger um eine nicht börsennotierte Zielgesellschaft handelt. Hiervon ist dann auszugehen, wenn die Aktionäre auch in diesen Fällen den durch § 35 WpÜG entgegenzuwirkenden Gefahren ausgesetzt sind. Maßgebliche Ursachen für den Bewertungsabschlag auf Minderheitsbeteiligungen sind der unvollkommene Minderheitenschutz im Konzern, die nicht gesicherte gerechte Verteilung von Synergieeffekten, die Gefahr eines going private sowie insbesondere das mit der Minderheitsposition als solcher verbundene mindere Herrschaftsrecht der Anteilsinhaber.751 Während die Gefahr eines going private das Bestehen einer Börsennotierung zwingend voraussetzt, weisen die übrigen Ursachen einen Kapitalmarktbezug nicht auf. Diesem Befund entspricht es, dass Minderheitsanteile in der betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertung unabhängig von der Börsennotierung mit einem Abschlag vom quotalen Unternehmenswert bewertet werden.752 Die Gefahr, dass die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft aufgrund der Umwandlung einen Wertverlust in Höhe des Bewertungsabschlags erleiden, besteht daher in den unter Fallkonstellation III zusammengefassten Sachverhaltsgestaltungen gleichermaßen,753 und zwar unabhängig davon, ob die Aktien des übernehmenden Rechtsträgers im Anschluss an das Wirksamwerden der Umwandlung an der Börse eingeführt werden.754 Darauf, ob der Marktwert der Aktien zusätzlich dadurch gemindert wird, dass ihre Handelbarkeit an einem organisierten Markt verloren geht, kommt es insoweit nicht an.755 Das Schutzbedürfnis der Aktionäre resultiert allein aus der geringeren Bewertung von Minderheitsbeteiligungen, zu der es unabhängig von etwaigen Fungibilitätsverlusten kommt. Zwar mag es sein, dass in diesen Fällen 751

Siehe oben Teil 4 B. I. 2. a), S. 126. Vgl. Großfeld, S. 229; Helbling, S. 506 ff.; Piltz/Wissmann, NJW 1985, 2673 (2679 f.), sowie oben Teil 4 B. I. 2. a), S. 124 f. 753 Die oben unter Teil 4 E. I. 5. b) aa) (2) (b) (aa), S. 211 ff. sowie unter Teil 4 F. III. 1. a), S. 270 ff. getroffenen Feststellungen betreffend die Schutzbedürftigkeit der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft gelten für die Sachverhaltsgestaltungen der Fallkonstellation III entsprechend. 754 In den Fällen der „Börsenwiederzulassung“ setzt sich der Wertverlust in Höhe des Minderheitsabschlags in dem sodann börsennotierten Rechtsträger lediglich fort, was darauf zurückzuführen ist, dass sich der Bewertungsabschlag in geringeren Emmissionserlösen widerspiegeln wird; zu den Auswirkungen des Minderheitsabschlags auf die Höhe des Emmissionspreises siehe Fleischer/Kalss, S. 39; Rau-Bredow, DBW 59 (1999), 763 (773). 755 Diesen Aspekt im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit der Aktionäre jedoch für entscheidend haltend Kleindiek, ZGR 2002, 546 (547), wodurch es jedoch zu einer unzulässigen Vermischung der Pflichtangebots- mit der Delisting-Problematik kommt. 752

F. Analoge Anwendbarkeit

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für die Aktionäre der Verlust der Börsennotierung ihrer Aktien im Vordergrund steht.756 Nur, warum sollten die Aktionäre auf einen – de lege lata ohnehin unsicheren – Anspruch verwiesen werden, der im Hinblick auf die Preisbildung hinter den Vorgaben der § 31 WpÜG, §§ 3 ff. WpÜG-AngebotsVO zurückbleibt,757 wenn über die Regelung in § 35 WpÜG auch etwaige Fungibilitätsverluste ausgeglichen werden können?758 Kapitalmarktunabhängig ist schließlich auch die Gefahr, dass es aufgrund der für die Aktionäre veränderten Kontrollsituation zu Verkaufsreaktionen und hierdurch bedingt zu Preisverfall kommt.759 Dadurch, dass die Veräußerungmöglichkeit nicht börsennotierter Aktien aufgrund der fehlenden Handelbarkeit an einem organisierten Markt ohnehin eingeschränkt ist, besteht die Gefahr eines Angebotsmengenüberschusses sogar in noch größerem Maße als in den von § 35 WpÜG unmittelbar erfassten Sachverhalten. Insgesamt bedeutet dies, dass die Gefahren, vor denen das Pflichtangebot die Minderheitsaktionäre schützen soll, unabhängig von der Börsennotierung des übernehmenden Rechtsträgers im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Umwandlung bestehen. Ob es im Anschluss an die Eintragung der Verschmelzung bzw. Spaltung zu einer Börsenzulassung der Aktien des übernehmenden bzw. neu gegründeten Rechtsträgers kommt, ist dabei unerheblich. Zweifel an der Vergleichbarkeit der hier zu beurteilenden Sachverhalte mit dem in § 35 WpÜG geregelten Tatbestand könnten sich gleichwohl daraus ergeben, dass für das Auslösen der Angebotspflicht gem. § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, §§ 39, 29 Abs. 2 WpÜG auf das Überschreiten der 30%igen Stimmrechtsschwelle abzustellen ist. Mit der Regelung in § 29 Abs. 2 WpÜG hat sich der Gesetzgeber bewusst in einer generalisierenden und typisierenden Betrachtungsweise für eine Kontrollschwelle von 30% der Stimmrechte ausgesprochen.760 Begründet hat der Gesetzgeber seine Entscheidung unter anderem mit rechtsvergleichenden Überlegungen.761 756

So Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (486). Ein Recht zum Austritt aus der Gesellschaft nach § 29 UmwG bejahend OLG Düsseldorf, 30. 12. 2004 – I-19 W 3/04 AktE, ZIP 2005, 300 (301); für eine Analogie zu den umwandlungsrechtlichen Austrittsrechten der §§ 29, 207 UmwG Kruse, S. 117 ff.; lediglich de lege ferenda Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), 466 (487 f.). Ein Austrittsrecht demgegenüber allgemein ablehnend OLG München, 14. 2. 2001 – 7 U 6019/99, NZG 2001, 519 ff.; LG München I, 4. 11. 1999 – 5 HKO 10580/99, BB 1999, 2634 (2636 f.). 758 Im Ergebnis ähnlich Kleindiek, ZGR 2002, 546 (574). 759 Zu dieser Gefahr oben Teil 4 B. I. 2. b), S. 127 ff. 760 Süßmann, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 29 Rn. 14. 761 Siehe insoweit die Begründung zu § 29 Abs. 2 RegE-WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 53, wo der Gesetzgeber auf entsprechende Regelungen in Frankreich, Italien, Österreich, der Schweiz sowie dem Vereinigten Königreich verweist. 757

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Ausschlaggebend für die Höhe des Schwellenwerts war jedoch die Praxis der Präsenzen in den Hauptversammlungen börsennotierter Unternehmen in Deutschland in den Jahren vor Erlass des WpÜG.762 Zu dieser Zeit lag die durchschnittliche Hauptversammlungspräsenz bei den DAX 30-Unternehmen bei einem Wert von deutlich unter 60%.763 Vor diesem Hintergrund ist der Gesetzgeber zutreffend davon ausgegangen, dass bei einem Anteil von 30% der Stimmrechte regelmäßig eine (einfache) Hauptversammlungsmehrheit erreicht wird, wodurch der Mehrheitsaktionär bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben kann.764 Hieran wird deutlich, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf den Schwellenwert des § 29 Abs. 2 WpÜG maßgeblich von den bei börsennotierten Gesellschaften bestehenden Verhältnissen ausgegangen ist. Anders als etwa Hommelhoff/Witt765 meinen, spricht dies jedoch nicht zwingend gegen eine Übertragung des 30%igen Schwellenwerts auf nicht börsennotierte Zielgesellschaften.766 Denn Hintergrund der niedrigen Hauptversammlungspräsenzen ist weniger die Börsennotierung der Gesellschaften als vielmehr die breite Streuung der von ihnen ausgegebenen Anteile. Je mehr Anteile sich in der Hand des Publikums befinden, umso niedriger fallen in der Regel die Hauptversammlungspräsenzen aus.767 Da börsennotierte Rechtsträger aber immer auch Publikumsgesellschaften sind, kann der Schwellenwert des § 29 Abs. 2 WpÜG ohne weiteres auf solche Gesellschaften Anwendung finden, die zwar auf eine breite Beteiligung des Publikums angelegt, jedoch nicht an der Börse notiert sind. 762 Vgl. die Begründung zu § 29 Abs. 2 RegE-WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 53; siehe auch Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrecht, § 29 Rn. 17; Wackerbarth, in: MünchKomm-AktG, § 29 WpÜG Rn. 43. 763 Siehe hierzu, wie auch zu den aktuellen Präsenzen, die Erhebungen der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V.; abrufbar unter http://www.dswinfo.de unter der Rubrik „Hauptversammlung“, „Hauptversammlungspräsenzen“. 764 Diekmann, in: Baums/Thoma, WpÜG, § 29 Rn. 5; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 29 Rn. 13; Pötzsch/Möller, WM 2000, SBeil. Nr. 2, S. 17; Süßmann, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, § 29 Rn. 14; kritisch zu der normativen Aussagekraft des 30%igen Schwellenwerts Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, 106 (107); Grunewald, WM 1991, 1361 (1362); Mülbert, ZIP 2001, 1221 (1225). 765 Hommelhoff/Witt, in: FrankfKomm-WpÜG, § 35 Rn. 53. 766 Anders wird dies unter Umständen dann zu beurteilen sein, wenn es sich bei dem übernehmenden Rechtsträger um eine Gesellschaft anderer Rechtsform handelt; für die Praxis hat diese Frage jedoch schon deshalb kaum Relevanz, da dort jedenfalls von der Möglichkeit der Verschmelzung börsennotierter Rechtsträger auf Gesellschaften anderer Rechtsform in der Regel kein Gebrauch gemacht wird; zu den Gründen siehe Kruse, S. 129 f. 767 Vgl. den Bericht der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V. zur Hauptversammlungssaison 2005; abrufbar unter http://www.dsw-info.de unter der Rubrik „Hauptversammlung“, „Hauptversammlungssaison 2005“.

F. Analoge Anwendbarkeit

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Insgesamt bedeutet dies für die vorliegende Fallkonstellation, dass trotz der fehlenden Börsennotierung des übernehmenden bzw. neu gegründeten Rechtsträgers von einer Vergleichbarkeit mit dem in § 35 WpÜG geregelten Sachverhalt auszugehen ist. Denn zu Publikumsgesellschaften werden der übernehmende bzw. neu gegründete Rechtsträger aufgrund der Aufnahme der Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft(en) spätestens mit Wirksamwerden der Umwandlung. Daher sollte der Gesetzgeber de lege ferenda sicherstellen, dass den Aktionären auch hier ein Pflichtangebot zu unterbreiten ist. 3. Fallkonstellation IV In Fallkonstellation IV768 erlangt der übernehmende Rechtsträger die wirtschaftliche Kontrolle über die übertragende Gesellschaft. Einem kontrollierenden Mehrheitsaktionär sehen sich die Aktionäre in dem übernehmenden Rechtsträger demgegenüber nicht ausgesetzt. Nach seinem Sinn und Zweck knüpft § 35 WpÜG die Schutzbedürftigkeit der Aktionäre jedoch gerade an das Bestehen oder Entstehen einer solchen Kontrollbeteiligung. Ausgehend von den mit der Angebotspflicht verfolgten Regelungszwecken sind die Alt-Aktionäre der übertragenden Gesellschaft nur dann schutzbedürftig, wenn ihnen in dem übernehmenden Rechtsträger aufgrund einer dort bestehenden Kontrollbeteiligung ein Bewertungsabschlag auf ihre Minderheitsanteile droht oder aber die Gefahr besteht, dass es infolge einer materiell veränderten Kontrollsituation zu Verkaufsreaktionen und hierdurch bedingt zu Preisverfall kommt.769 Handelt es sich bei dem übernehmenden Rechtsträger aber um eine nicht kontrollierte Gesellschaft und entsteht auch mit Wirksamwerden der Verschmelzung bzw. Spaltung eine solche Kontrollbeteiligung nicht, so sehen sich die Aktionäre der an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger diesen Gefahren nicht ausgesetzt. Einen Bewertungsabschlag auf ihrer Aktien müssen die Aktionäre deshalb nicht befürchten, da es sich bei den ihnen gewährten Tauschaktien nicht um Minderheitsanteile handelt. Zwar kann es auch im vorliegenden Fall dazu kommen, dass ein Großteil der Aktionäre in dem übernehmenden Rechtsträger nicht verbleiben will und es infolge einsetzender Verkaufsreaktionen zu einem Überangebot an Aktien und damit zu Preisverfall kommt. Jedoch handelt es sich hierbei um ein allgemeines Investmentrisiko, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers der Anleger zu tragen hat.770 Aufgabe des Pflichtangebots ist es nicht, den Aktionären sämtliche mit ihrem Investment verbundenen Risiken abzunehmen. Aus 768 769

Zu dieser Fallkonstellation oben Teil 4 C. I. 4., S. 146 f. Oben Teil 4 B. I. 2., S. 122 ff.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

alledem folgt, dass von einer Vergleichbarkeit einer nur wirtschaftlichen Übernahme des übertragenden durch den übernehmenden Rechtsträger mit dem in § 35 WpÜG geregelten Tatbestand nicht ausgegangen werden kann.

IV. Ergebnis Die den Fallkonstellationen II und III zugrunde liegenden Sachverhalte sind mit dem in § 35 WpÜG geregelten Tatbestand in den maßgeblichen rechtlichen Hinsichten vergleichbar. Jedoch fehlt es an der planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes, mithin an einer wesentlichen Analogievoraussetzung. Nach der Aussage des Gesetzgebers in den Materialien zum WpÜG sollen mit dem Gesetz zunächst Erfahrungen gewonnen werden. Ergänzende Regelungen im Schnittbereich von WpÜG und UmwG hat der Gesetzgeber sich ausdrücklich für die Zukunft vorbehalten. Darüber hinaus stehen einer analogen Anwendung von § 35 WpÜG verfassungsrechtliche Einwände in Form des verwaltungs- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Analogieverbots entgegen. Lediglich de lege ferenda ist der Gesetzgeber daher aufgerufen, den Anwendungsbereich des Pflichtangebots auf die hier behandelten Fallkonstellationen II und III zu erstrecken.

G. Überlegungen de lege ferenda Ausgehend von den gefundenen Untersuchungsergebnissen zeichnet sich die Notwendigkeit gesetzgeberischen Tätigwerdens in zweifacher Hinsicht ab. Dabei ist zwischen der Anwendbarkeit des § 35 WpÜG in den Fallkonstellationen I und V und in den Fallkonstellationen II und III zu unterscheiden.

I. Bestehender Regelungsbedarf 1. Gesetzgeberische Klarstellung in den Fallkonstellationen I und V Die Untersuchung hat gezeigt, dass § 35 WpÜG in den hier behandelten Fallkonstellationen I und V unmittelbar anwendbar ist.771 Gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG ist damit derjenige, der aufgrund einer Verschmelzung oder 770

Zu der gebotenen Unterscheidung zwischen allgemeinen und speziellen Investment- bzw. Marktrisiken, die durch gezielte Maßnahmen des Kontrollaktionärs entstehen, siehe ausführlich Lutter, JZ 1976, 225 (229 ff.). 771 Oben Teil 4 E., S. 177 ff.

G. Überlegungen de lege ferenda

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Spaltung die Kontrolle über eine börsennotierte Zielgesellschaft erlangt, verpflichtet, dies unter Angabe der Höhe seines Stimmrechtsanteils unverzüglich, spätestens innerhalb von sieben Kalendertagen, gem. § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 WpÜG zu veröffentlichen. Weiterhin hat der Kontrollerwerber gem. § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG innerhalt von vier Wochen nach dieser Veröffentlichung der BaFin eine Angebotsunterlage zu übermitteln und nach § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Angebot zu veröffentlichen. Wie die Untersuchung gezeigt hat, ist das Pflichtangebot dabei nur an solche Aktionäre der Zielgesellschaft zu richten, die vor Eintritt des die Verpflichtungen nach § 35 WpÜG auslösenden Ereignisses Anteilsinhaber eines börsennotierten Rechtsträgers waren.772 Gleichwohl herrscht in der Praxis beträchtliche Rechtsunsicherheit.773 Zwar hat die BaFin in ihrer Entscheidung in Sachen Carl Zeiss Meditec AG aus dem Jahr 2002 in Übereinstimmung mit der hier vertretenen Auffassung klargestellt, dass in Sachverhaltsgestaltungen, in denen es infolge einer Verschmelzung zu einem Erwerb von 30% oder mehr der Stimmrechte in einer börsennotierten Zielgesellschaft kommt, die Angebotspflicht des § 35 WpÜG ausgelöst wird.774 Indes wurde die Entscheidung der BaFin nicht veröffentlicht,775 so dass die ihr zugrunde liegenden rechtlichen Erwägungen weitgehend im Verborgenen geblieben sind. Insbesondere bestand für die BaFin auch keine Verlanlassung, im Rahmen ihrer Entscheidung zu der Frage Stellung zu nehmen, welche Aktionäre für den Fall, dass es sich bei der übertragenden Gesellschaft um einen nicht börsennotierten Rechtsträger handelt, Adressaten des Pflichtangebots sind.776 Schließlich fehlt es im Hinblick auf Sachverhaltsgestaltungen entsprechend der hier untersuchten Fallkonstellation V, wo es zur Kontrollerlangung in der übertragenden Gesellschaft kommt, an einer bestehenden Spruchpraxis der BaFin. Vor diesem Hintergrund sollte der Gesetzgeber aus Gründen der Rechtssicherheit die 772

Oben Teil 4 E. I. 5. b) aa) (2) (b) (bb), S. 216. Grabbe/Fett, NZG 2003, 755. 774 Vgl. oben Teil 4 C. II. 3., S. 162 f. 775 Anders als etwa das österreichische Recht sieht das WpÜG eine Pflicht zur Veröffentlichung von Entscheidungen der BaFin nicht vor. Zur österreichischen Rechtslage vgl. § 32 öÜbG, wonach der Vorsitzende der Übernahmekommission allgemeine Stellungnahmen, die einer im Einzelfall ergangenen Stellungnahme zugrundeliegende Rechtsauffassung sowie Entscheidungen in geeigneter Weise zu veröffentlichen hat, soweit diese über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung haben. 776 In dem von der BaFin entschiedenen Fall stellte sich diese Frage nicht, obwohl die Carl Zeiss Ophthalmic Systems AG als übertragender Rechtsträger nicht börsennotiert war. Der Grund hierfür lag darin, dass die Carl Zeiss Ophthalmic Systems AG im jeweils 50%igen Eigentum der Carl Zeiss Jena GmbH und der Carl Zeiss Ophthalmic Systems, Inc., USA, stand und somit keine Minderheitsaktionäre hatte. 773

282

Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

Anwendbarkeit des § 35 WpÜG in den Fallkonstellationen I und V im Gesetz klarstellen. 2. Erweiterung des Anwendungsbereichs in den Fallkonstellationen II und III Für die Fallkonstellationen II und III hat die Untersuchung ergeben, dass eine Anwendung von § 35 WpÜG de lege lata weder unmittelbar noch im Wege einer Analogie in Betracht kommt.777 Gezeigt hat die Untersuchung aber auch, dass die den Fallkonstellationen II und III zugrunde liegenden Sachverhalte mit dem durch den Gesetzgeber in § 35 WpÜG geregelten Tatbestand in den rechtlich maßgeblichen Hinsichten vergleichbar sind.778 Schon das verfassungsrechtliche Gebot, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln macht es daher erforderlich, den Anwendungsbereich des § 35 WpÜG auf die den Fallkonstellationen II und III zugrunde liegenden Sachverhalte auszudehnen. Auch insoweit ist der Gesetzgeber aufgefordert, eine entsprechende gesetzliche Regelung zu schaffen.

II. Umsetzungsvorschläge Fraglich ist, wie dem bestehenden Regelungsbedarf im Einzelnen Rechnung getragen werden kann. In Betracht kommt eine Ergänzung des § 35 WpÜG verbunden mit einer Neufassung des § 1 WpÜG. 1. Ergänzung des § 35 WpÜG Wie aufgezeigt wurde, bedarf es im Hinblick auf den Anwendungsbereich des § 35 WpÜG sowohl einer gesetzgeberischen Klarstellung als auch einer Erweiterung. Im Interesse der Normklarheit und vor dem Hintergrund, dass es in beiden Fällen um Aussagen zu dem Verhältnis von WpÜG und UmwG geht, erscheint es zweckmäßig, die erforderlichen Ergänzungen komprimiert in einem eigenen Absatz des § 35 WpÜG vorzunehmen. Insoweit würde es sich anbieten, im Anschluss an die Regelung in § 35 Abs. 2 WpÜG einen neuen Abs. 3 einzufügen,779 dessen Satz 1 wie folgt gefasst sein könnte: „Die Abs. 1 und 2 gelten entsprechend, wenn die Kontrollerlangung auf einer Verschmelzung oder Spaltung nach dem Umwandlungsgesetz beruht oder die Ak777 778 779

Oben Teil 4 E. I. 1. b) bb), S. 187 ff. sowie Teil 4 F., S. 260 ff. Oben Teil 4 F. III. 1. und 2., S. 269 ff. und S. 274 ff. Der aktuelle Abs. 3 würde damit zu Abs. 4 n. F. werden.

G. Überlegungen de lege ferenda

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tionäre aufgrund einer solchen Maßnahme zu Anteilsinhabern einer bereits kontrollierten Zielgesellschaft werden.“

Damit wäre zum einen die gewünschte Klarstellung im Hinblick auf die Fallkonstellationen I und V erreicht und zum anderen der Anwendungsbereich des § 35 WpÜG betreffend Fallkonstellation II erweitert. Die zudem erforderliche Erweiterung des Anwendungsbereichs für Sachverhaltsgestaltungen der Fallkonstellation III könnte sodann mit einem hieran anschließenden Satz 2 vorgenommen werden. Dieser könnte wie folgt formuliert sein: „Dies gilt auch dann, wenn die von der Zielgesellschaft ausgegebenen Aktien nicht an einem organisierten Markt zugelassen oder sonst börsennotiert sind.“

Damit wäre die Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 35 WpÜG auf übernehmende,780 nicht börsennotierte Zielgesellschaften bzw. Zielgesellschaften, deren Wertpapiere nicht an einem organisierten Markt zugelassen sind, erreicht. Einschränkend zu den Sätzen 1 und 2 ist es schließlich erforderlich, die Angebotspflicht781 nur gegenüber solchen Aktionären der Zielgesellschaft entstehen zu lassen, die vor Eintritt des die Angebotspflicht auslösenden Tatbestands Anteilsinhaber einer an einem organisierten Markt börsennotierten Zielgesellschaft waren. Fraglich ist, ob eine derartige Einschränkung der Angebotspflicht anstatt in § 35 WpÜG nicht besser in § 37 WpÜG, § 9 WpÜG-AngebotsVO geregelt werden sollte.782 Unangemessen ist dies jedoch deshalb, da die Befreiung nach § 37 WpÜG im Ermessen der BaFin steht.783 Zweckmäßig ist die Einräumung von Ermessen aber nur dann, wenn es für die Befreiung von der Angebotspflicht auf die Umstände des Einzelfalls ankommt.784 Dass hiervon auch der Gesetzgeber ausgeht, zeigen 780 Zwar sind durch diese Formulierung auch Sachverhaltsgestaltungen der Fallkonstellation V erfasst, in denen es zu einer Kontrollerlangung in der übertragenden Gesellschaft kommt. Dass die Angebotspflicht in diesen Fällen aber zu Recht nur dann entsteht, wenn die übertragende Gesellschaft an einem oganisierten Markt börsennotiert ist, wird durch die sogleich erfolgende Einschränkung der Angebotspflicht sichergestellt. 781 Nicht auch die Verpflichtung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG, die unabhängig davon besteht, wer Adressat des Pflichtangebots ist. 782 Von vornherein ausscheiden muss demgegenüber eine Regelung in § 36 WpÜG, da die Nichtberücksichtigung von Stimmrechten auf den Tatbestand der Kontrollerlangung zurückwirkt und damit die Angebotspflicht bei unterschreiten der Kontrollschwelle in ihrer Gesamtheit entfallen lässt; zu der Wirkungsweise des § 36 WpÜG siehe Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, § 36 Rn. 13; Schlitt, in: MünchKomm-AktG, § 36 WpÜG Rn. 71. 783 Vgl. insoweit den Wortlaut von § 37 Abs. 1 WpÜG „kann [. . .] befreien“. 784 § 37 WpÜG dient damit der Einzelfallgerechtigkeit und schafft einen Ausgleich zu der stark typisierenden Regelung des § 35 WpÜG; vgl. Krause/Pötzsch,

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

unter anderem die Regelungen des § 35 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 WpÜG, die die Angebotspflicht aus teleologischen Gründen ipso iure einschränken bzw. ausschließen.785 Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten, in dem die Aktionäre der Zielgesellschaft vor Eintritt des die Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG auslösenden Tatbestands nicht Anteilsinhaber einer an einem geregelten Markt börsennotierten Zielgesellschaft waren. Entsprechend der vom Gesetzgeber vorgegebenen Systematik ist die Einschränkung der Angebotspflicht des § 35 Abs. 3 Satz 1 und 2 n. F. daher unmittelbar im Anschluss an die dortige Regelung vorzunehmen. Im Anschluss an die Sätze 1 und 2 könnte daher ein Satz 3 mit folgendem Inhalt eingefügt werden: „Die Verpflichtung nach Abs. 2 Satz 1 besteht im Anwendungsbereich der Sätze 1 und 2 nur gegenüber solchen Aktionären der Zielgesellschaft, die vor Eintritt des die Verpflichtung auslösenden Tatbestands Anteilsinhaber einer an einem organisierten Markt zugelassen Zielgesellschaft waren.“

Die Vorschrift des § 35 Abs. 3 n. F. könnte demnach insgesamt wie folgt gefasst werden: „Die Abs. 1 und 2 gelten entsprechend, wenn die Kontrollerlangung auf einer Verschmelzung oder Spaltung nach dem Umwandlungsgesetz beruht oder die Aktionäre aufgrund einer solchen Maßnahme zu Anteilsinhabern einer bereits kontrollierten Zielgesellschaft werden. Dies gilt auch dann, wenn die von der Zielgesellschaft ausgegebenen Aktien nicht an einem organisierten Markt zugelassen oder sonst börsennotiert sind. Die Verpflichtung nach Abs. 2 Satz 1 besteht im Anwendungsbereich der Sätze 1 und 2 nur gegenüber solchen Aktionären der Zielgesellschaft, die vor Eintritt des die Verpflichtung auslösenden Tatbestands Anteilsinhaber einer an einem organisierten Markt zugelassen Zielgesellschaft waren.“

2. Neufassung des § 1 WpÜG Aufgrund der erforderlichen Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 35 WpÜG sollte weiterhin eine Neufassung von § 1 WpÜG erwogen werden, der den Anwendungsbereich des Gesetzes auf Angebote zum Erwerb von Wertpapieren beschränkt, die von einer Zielgesellschaft ausgegeben wurden und zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Zwar könnte die Notwendigkeit einer Änderung des § 1 WpÜG insoweit in Zweifel gezogen werden, als sich der Anwendungsbereich des Gesetzes primär aus seinen Einzelnormen ergibt.786 Indes hat die vorliegende Unterin: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 37 Rn. 5; Meyer, in: Geibel/Süßmann, § 37 Rn. 2; Versteegen, in: KK-WpÜG, § 37 Rn. 5. 785 Gleichsinnig Grabbe/Fett, NZG 2003, 755 (758). 786 Hierzu oben Teil 1 B. II. 1. a), S. 47 f.

H. Zusammenfasung

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suchung aufgezeigt, dass § 1 WpÜG gerade im Hinblick auf die Börsennotierung der Zielgesellschaft eine Ergänzungsfunktion zukommt, da weder § 35 WpÜG noch § 29 Abs. 2 oder § 2 Abs. 3 WpÜG diese Voraussetzung in ihren Tatbestand aufnehmen.787 Zugleich könnte eine Neufassung von § 1 WpÜG allgemein dazu genutzt werden, den grundsätzlichen Vorrang der Einzelnormen des WpÜG im Hinblick auf die Festlegung des Anwendungsbereichs des Gesetzes stärker zu betonen. § 1 WpÜG könnte demnach wie folgt neu gefasst werden: „Soweit sich aus den folgenden Vorschriften nichts anderes ergibt, findet dieses Gesetz Anwendung auf Angebote zum Erwerb von Wertpapieren, die von einer Zielgesellschaft ausgegeben wurden und zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind.“

H. Zusammenfassung In den Fallkonstellationen I und V ist § 35 WpÜG unmittelbar anwendbar. Der Kontrollerwerber ist in diesen Fällen gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG verpflichtet, die Tatsache der Kontrollerlangung unter der Angabe der Höhe seines Stimmrechtsanteils unverzüglich gem. § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 WpÜG zu veröffentlichen. Nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG hat der Kontrollerwerber den Aktionären der Zielgesellschaft ein Pflichtangebot zu unterbreiten. Adressaten des Angebots sind alle Aktionäre, die vor Eintritt des die Verpflichtungen nach § 35 WpÜG auslösenden Tatbestands Anteilsinhaber einer an einem organisierten Markt börsennotierten Zielgesellschaft waren. Eine Befreiung von der Angebotspflicht nach § 37 Abs. 1 Var. 1 WpÜG kommt für den Bieter weder unter dem Gesichtspunkt des anderweitigen Schutzes der Minderheitsaktionäre noch unter dem Gesichtspunkt des Schutzverzichts (sog. whitewash) in Betracht. In den Fallkonstellationen II, III und IV ist § 35 WpÜG weder unmittelbar noch analog anwendbar. Eine unmittelbare Anwendung lässt der Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG nicht zu. Die analoge Anwendbarkeit scheitert am Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke. Darüber hinaus stehen einer analogen Anwendung verfassungsrechtliche Einwände entgegen. Gleichwohl sind die den Fallkonstellationen II und III zugrunde liegenden Sachverhalte mit dem in § 35 WpÜG geregelten Tatbestand in den maßgeblichen rechtlichen Hinsichten vergleichbar. Das verfassungsrechtliche Gebot, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, macht die Anwendung des § 35 WpÜG de lege ferenda daher auch hier erforderlich. Handlungsbedarf besteht für den Gesetzgeber damit in zweifacher Hinsicht: Zum einen sollte die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG in den Fallkon787

Oben Teil 4 E. I. 1. a) bb), S. 182 f.

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Teil 4: Die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG

stellationen I und V aufgrund der in der Praxis bestehenden Rechtsunsicherheit im Gesetz klargestellt werden. Zum anderen ist der Anwendungsbereich des § 35 WpÜG auf die Fallkonstellationen II und III zu erstrecken. Erreichen lässt sich dies mit einer tatbestandlichen Ergänzung des § 35 WpÜG sowie einer Neufassung von § 1 WpÜG. Sein Ziel, das deutsche Recht im Bereich der Unternehmensübernahmen an international übliche Regelungsstandards anzugleichen, hat der Gesetzgeber mit der Regelung in § 35 WpÜG jedenfalls im Grundsatz erreicht. Gemessen an der Rechtslage in der Schweiz und in Großbritannien gewährt das Pflichtangebot de lege lata einen zumindest gleichwertigen Schutz der Minderheitsaktionäre bei Verschmelzungen und Spaltungen. Lediglich in Österreich wird den Minderheitsaktionären ein weitergehender Schutz gewährt, der in Deutschland mit der hier vorgeschlagenen tatbestandlichen Erweiterung des § 35 WpÜG sowie der Neufassung von § 1 WpÜG ebenfalls erreicht würde.

Zusammenfassung der Ergebnisse Insgesamt lassen sich die im Rahmen der voranstehenden Untersuchung erzielten Ergebnisse wie folgt zusammenfassen: 1. Mit Wirkung zum 1. 1. 2002 ist das WpÜG in Kraft getreten. Damit besteht in Deutschland erstmals eine rechtlich verbindliche Regelung für öffentliche Wertpapiererwerbs- und Übernahmeangebote. Mit dem WpÜG sollen Leitlinien für ein faires und geordnetes Angebotsverfahren geschaffen, die Information und Transparenz für die an Unternehmensübernahmen und anderen öffentlichen Wertpapiererwerbsangeboten Beteiligten verbessert sowie die rechtliche Stellung von Minderheitsaktionären gestärkt werden. Damit bezweckt das WpÜG den Schutz und die Stärkung der Funktionsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts und dient der Erhöhung seiner Attraktivität für institutionelle und private Anleger. 2. Im Wesentlichen enthält das WpÜG zwei Regelungskomplexe: in §§ 10 ff. WpÜG und §§ 29 ff. WpÜG das bei öffentlichen Wertpapiererwerbs- und Übernahmeangeboten einzuhaltende Verfahren. Die Anwendung dieser Vorschriften macht das Gesetz von einer bestimmten Handlungsweise des Bieters am Markt abhängig. Anknüpfungspunkt ist die Abgabe eines öffentlichen Angebots zum Erwerb von Wertpapieren. Als zweiten Komplex regelt das Gesetz in §§ 35 ff. WpÜG das sog. Pflichtangebot. Anders als die verfahrensbezogenen Regelungen knüpft das Pflichtangebot nicht an eine bestimmte Handlungsweise des Bieters am Markt, sondern allein an den Tatbestand der Kontrollerlangung an. Übernahme- und Pflichtangebot müssen als funktionsgleich angesehen werden. Beide Angebotsarten dienen der materiellen Gleichbehandlung der Aktionäre und damit dem Schutz der Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft. 3. Eine vom Gesetzgeber bei Erlass des WpÜG bewusst offen gelassene Frage betrifft das Verhältnis übernahmerechtlicher Regelungen zu den Vorschriften des Umwandlungsrechts. Die Regelungskonkurrenz beider Rechtsmaterien wurde erstmals im Zuge der zu wesentlichen Teilen dem österreichischen (Übernahme-)Recht unterliegenden Fusion der Bayerischen Hypotheken- und Vereinsbank AG mit der Bank Austria AG aus dem Jahr 2000 offenbar. Zwar stellt die Fusion in ihrer Gesamtheit keinen typischen Anwendungsfall für die Regelungskonkurrenz von Übernahme- und Umwandlungsrecht dar. Vielmehr handelt es sich um eine verschmelzungsähnliche Konstruktion. Gleichwohl sah sich die österreichische Übernahmekommis-

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Zusammenfassung der Ergebnisse

sion infolge des großen öffentlichen Interesses sowie bestehender Rechtsunsicherheiten zu der Abgabe einer Stellungnahme nach dem öÜbG veranlasst, in der sie sich erstmals ausführlich mit dem Verhältnis der beiden Rechtsmaterien, insbesondere mit der Frage nach dem Auslösen des übernahmerechtlichen Pflichtangebots, auseinandersetzte. 4. In Reaktion auf die Stellungnahme der österreichischen Übernahmekommission vom 12. 9. 2000 hat der Gesetzgeber des WpÜG im Rahmen der Gesetzesbegründung zu dem Verhältnis von Übernahme- und Umwandlungsrecht Stellung genommen. Nach den dortigen Aussagen stellen Übernahmen neben strukturändernden Maßnahmen, die sich nach umwandlungsrechtlichen Vorschriften richten, nur eine Möglichkeit dar, um bestimmte unternehmerische Ziele durchzusetzen. Die Zulässigkeit derartiger Maßnahmen soll sich stets nach den jeweils einschlägigen Rechtsvorschriften richten. Ob und inwieweit für bestimmte Fallkonstellationen im Schnittbereich zwischen Umwandlungs- und Übernahmerecht in der Praxis besondere gesetzliche Regelungen erforderlich sind, bleibe abzuwarten, da zunächst mit den neuen Vorschriften des WpÜG Erfahrungen gewonnen werden sollen. Über die Aussagen des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung hinaus hat in der langjährigen Entstehungsgeschichte europäischer und deutscher Übernahmeregelungen eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Übernahme- und Umwandlungsrecht weder auf der Seite des europäischen noch auf der Seite des nationalen Gesetzgebers stattgefunden. Im Rahmen der europäischen Rechtsentwicklung verstellten über Jahre hinweg die Diskussionen über die Notwendigkeit einer Rechtsangleichung im Bereich der Unternehmensübernahmen den Blick für das Zusammenspiel mit den Vorschriften anderer Rechtsgebiete. Darüber hinaus waren die Mitgliedstaaten nach dem Scheitern des Richtlinienentwurfs von 1996/97 im Wesentlichen auf die Sicherung bereits erzielter Einigungserfolge sowie das Ausräumen bestehender Unstimmigkeiten bedacht, wodurch kein Raum für die Einführung wesentlich neuer und zudem national ungeklärter Gesichtspunkte blieb. Auf nationaler Ebene enthielten die Gesetzentwürfe der SPDFraktion aus den Jahren 1995 und 1997 im Ansatz Regelungen zur Auflösung des Spannungsverhältnisses von Übernahme- und Umwandlungsrecht. Indes haben diese niemals Gesetzeskraft erlangt. 5. Auf das umwandlungsrechtliche Verfahren als solches sind §§ 29 ff. WpÜG unabhängig davon, ob Verschmelzungen und Spaltungen auf die wirtschaftliche Übernahme einer übertragenden börsennotierten Zielgesellschaft oder auf die Erlangung der Kontrolle in einem übernehmenden börsennotierten Rechtsträger durch einen Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft gerichtet sind, weder unmittelbar noch analog anwendbar. Einer unmittelbaren Anwendung steht der Wortlaut der Vorschriften entgegen.

Zusammenfassung der Ergebnisse

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Verschmelzungen und Spaltungen stellen keine Kauf- oder Tauschangebote zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft i. S. d. § 2 Abs. 1 WpÜG und damit keine Angebote i. S. d. § 29 Abs. 1 WpÜG dar. Schon unter praktischen Gesichtspunkten ausscheiden muss eine pauschale analoge Anwendung der §§ 29 ff. WpÜG auf das Verfahren der Verschmelzung und Spaltung. Die verfahrensbezogenen Vorschriften des WpÜG knüpfen überwiegend unmittelbar an die Handlungsform des Angebots an, indem sie Regelungen betreffend dessen Abgabe, Änderung, Untersagung usw. treffen. In den Fällen der Verschmelzung und Spaltung liegen Angebote in diesem Sinne nicht vor. Der Regelungsgehalt von §§ 29 ff. WpÜG liefe daher bei Verschmelzungen und Spaltungen größtenteils leer. Zum Teil sind die verfahrensbezogenen Vorschriften des WpÜG den Vorgaben des UmwG aber auch nachgebildet, so dass ein Bedürfnis für eine analoge Anwendung von vornherein nicht besteht. Ebenfalls ausscheiden muss eine analoge Anwendung des übernahmerechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Eine Analogie scheitert sowohl an dem Fehlen einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes als auch an der Vergleichbarkeit der zu beurteilenden Sachverhalte mit dem durch den Gesetzgeber in §§ 29 ff. WpÜG geregelten Tatbestand. Nach der dem WpÜG zugrunde liegenden Regelungsabsicht, der mit ihm verfolgten Zwecke sowie nach seinem Gesamtzusammenhang liegen eine planwidrige Unvollständigkeit und damit eine Lückenhaftigkeit des Gesetzes nicht vor. Gemessen an seinem eigenen Regelungsplan ist das Gesetz als abschließend und vollständig anzusehen. Mit dem in §§ 29 ff. WpÜG geregelten Tatbestand sind die zu beurteilenden Sachverhalte deshalb nicht vergleichbar, da das UmwG sowohl die formale als auch die materielle Gleichbehandlung aller Anteilsinhaber der an einer Verschmelzung oder Spaltung beteiligten Rechtsträger sicherstellt. Ein höheres Schutzniveau der Anteilsinhaber bei Übernahmen im Wege der Verschmelzung und Spaltung ließe sich durch eine ausdrückliche Regelung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im UmwG daher nicht erreichen. Ein Tätigwerden des Gesetzgebers de lege ferenda ist somit nicht erforderlich. 6. Dem übernahmerechtlichen Pflichtangebot nach § 35 WpÜG liegt ein doppeltes Regelungsanliegen zugrunde, das seinen Ausdruck in den Preisuntergrenzen der §§ 4 und 5 WpÜG-AngebotsVO gefunden hat. Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Aktionäre der Zielgesellschaft soll den Minderheitsaktionären einerseits die Möglichkeit eröffnet werden, an sog. Paketzuschlägen zu partizipieren. Andererseits soll das Pflichtangebot gewährleisten, dass die Minderheitsaktionäre nach Bekanntwerden einer Kontrollerlangung aus dem kontrollierten Rechtsträger ausscheiden können, ohne eine Wertminderung ihrer Aktien hinnehmen zu müssen, die als Kon-

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Zusammenfassung der Ergebnisse

sequenz eines durch den Markt auferlegten Bewertungsabschlags auf Minderheitsbeteiligungen sowie einsetzender Verkaufsreaktionen zu erwarten ist. 7. In funktionaler Hinsicht zielt das übernahmerechtliche Pflichtangebot auf den Schutz der Minderheitsaktionäre in ihrer Eigenschaft als Anleger am Kapitalmarkt ab. Rechtsdogmatisch ist die Regelung des § 35 WpÜG damit dem kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutz zuzuordnen. Als solche dient sie dem Schutz und der Stärkung der Funktionsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts und damit der Erhöhung seiner Attraktivität für institutionelle und private Anleger. Dafür, dass die Regelung in § 35 WpÜG materielles Konzernrecht im Sinne eines Konzerneingangsschutzes enthält, bestehen keine Anhaltspunkte. Soweit die Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft im Einzelfall davor geschützt werden, in einem zukünftig konzernierten Rechtsträger mit den ihnen drohenden verbandsrechtlichen Risiken verbleiben zu müssen, handelt es sich lediglich um einen Rechtsreflex. 8. De lege lata ist § 35 WpÜG auf Verschmelzungen und Spaltungen unmittelbar anwendbar, wenn es infolge der Umwandlung zum Überschreiten der Kontrollschwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG in dem börsennotierten übertragenden (Fallkonstellation V) oder übernehmenden (Fallkonstellation I) Rechtsträger kommt. Der Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG ist weit genug gefasst, um auch den Anteils- bzw. Stimmrechtserwerb im Wege der gesetzlichen Gesamtrechtsnachfolge zu erfassen. Für die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG sprechen neben dem Wortlaut auch die Gesetzessystematik, die Regelungsabsicht des Gesetzgebers sowie der Sinn und Zweck des Pflichtangebots. Insbesondere wird dem bestehenden Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre nicht schon durch die im Umwandlungsrecht angelegten Schutzmechanismen in angemessener Weise Rechnung getragen. Auch wird die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG nicht durch die Beteiligung der Minderheitsaktionäre am Umwandlungsbeschluss ausgeschlossen. Gem. § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG i. V. m. §§ 39, 32 WpÜG besteht die Angebotspflicht im Grundsatz gegenüber allen Aktionären der Zielgesellschaft. Insbesondere ist es unzulässig, das Bestehen der Angebotspflicht gegenüber den Alt-Aktionären der übertragenden Gesellschaft von einer für sie materiell veränderten Kontrollsituation abhängig zu machen, wenn die Kontrolle in dem übernehmenden Rechtsträger erlangt wird. Beschränkungen der Angebotspflicht ergeben sich jedoch aus der spezifisch kapitalmarktrechtlichen Wirkungsweise des § 35 WpÜG. Danach kann das Pflichtangebot nur zugunsten von Aktionären zur Anwendung gelangen, die vor Eintritt des die Verpflichtungen nach § 35 WpÜG auslösenden Tatbestands Anteilsinhaber einer an einem organisierten Markt börsennotierten Zielgesellschaft waren. De lege lata lässt sich die Beschränkung mit einer teleolo-

Zusammenfassung der Ergebnisse

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gischen Reduktion von §§ 35 Abs. 2 Satz 1, 39, 32 WpÜG oder mittels Analogie zu § 35 Abs. 2 Satz 3 WpÜG erreichen. Eine (Teil-)Befreiung von der Angebotspflicht im Rahmen eines Befreiungsantrags nach § 37 Abs. 1 WpÜG kommt in den Fällen der Verschmelzung und Spaltung nicht in Betracht. Eine Befreiung kann insbesondere nicht nach § 37 Abs. 1 Var. 1 WpÜG wegen der Art der Kontrollerlangung gewährt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Interessen der Minderheitsaktionäre im Umwandlungsverfahren entsprechend den Vorgaben der § 32 Abs. 2 WpÜG, § 7 WpÜG-AngebotsVO berücksichtigt wurden, da das Schutzbedürfnis der Aktionäre durch eine teilweise Befreiung von der Angebotspflicht wieder auflebt. Ebenfalls ausscheiden muss eine Befreiung aufgrund eines von den Minderheitsaktionären erklärten Schutzverzichts (sog. whitewash). Einen entsprechenden Befreiungstatbestand sieht das Gesetz in § 37 Abs. 1 WpÜG nicht vor. Insbesondere kann eine Befreiung in diesem Fall nicht auf § 37 Abs. 1 Var. 1 WpÜG gestützt werden. Werden den Aktionären der übertragenden Gesellschaft im Zuge der Verschmelzung oder Spaltung Aktien an einem kontrollierten (börsennotierten) Rechtsträger zugeteilt (Fallkonstellation II und III), ist § 35 WpÜG de lege lata weder ummittelbar noch analog anwendbar. Gleiches gilt in sämtlichen Sachverhaltsgestaltungen, in denen die Kontrollerlangung in einer nicht börsennotierten Zielgesellschaft oder in einem Rechtsträger anderer Rechtsform erfolgt (Fallkonstellation III) oder es zur Erlangung der wirtschaftlichen Kontrolle über die übertragende Gesellschaft durch den übernehmenden Rechtsträger kommt (Fallkonstellation IV). Eine unmittelbare Anwendung lässt der Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG nicht zu. Für eine Analogie fehlt es an der planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes. Darüber hinaus begegnen ihr verfassungsrechtliche Einwände in Gestalt des verwaltungs- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Analogieverbots. Gleichwohl sind die Sachverhalte, in denen den Aktionären der übertragenden Gesellschaft Aktien an einem kontrollierten (börsennotierten) Rechtsträger zugeteilt werden (Fallkonstellation II und III) bzw. die Kontrollerlangung in einer nicht börsennotierten Zielgesellschaft oder in einem Rechtsträger anderer Rechtsform erfolgt (Fallkonstellation III), mit dem in § 35 WpÜG geregelten Tatbestand in den maßgeblichen rechtlichen Hinsichten vergleichbar. Dies gilt unabhängig davon, ob es im Anschluss an das Wirksamwerden der Umwandlung zu einer Börsenzulassung der Aktien des übernehmenden Rechtsträgers kommt. De lege ferenda ist der Gesetzgeber aufgrund der in der Praxis bestehenden Rechtsunsicherheit aufgefordert, die Anwendbarkeit des § 35 WpÜG in den Fällen der Kontrollerlangung im Wege der Verschmelzung und Spaltung im Gesetz klarzustellen. Darüber hinaus macht es die nach Art. 3

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Zusammenfassung der Ergebnisse

Abs. 1 GG bestehende Verpflichtung, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, erforderlich, den Anwendungsbereich des § 35 WpÜG auf jene Sachverhalte zu erstrecken, in denen die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft in dem übernehmenden (börsennotierten) Rechtsträger in eine Minderheitsposition gelangen oder die Kontrollerlangung in einer nicht börsennotierten übernehmenden Zielgesellschaft oder in einem übernehmenden Rechtsträger anderer Rechtsform erfolgt. Erreichen lässt sich dies mit einer tatbestandlichen Ergänzung des § 35 WpÜG sowie einer Neufassung von § 1 WpÜG. Dabei hat der Gesetzgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Angebotspflicht nur gegenüber solchen Aktionären entsteht, die vor Eintritt des die Verpflichtungen nach § 35 WpÜG auslösenden Tatbestands Anteilsinhaber einer börsennotierten Zielgesellschaft waren.

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Sachregister 2. Finanzmarktförderungsgesetz 57 Aktien – Entwertung durch fallende Börsenkurse 124 – Überangebot 127, 204, 208, 213, 227, 254, 270, 273, 279 – Zulassung zum Börsenhandel 146, 189 Aktienrechtsreform von 1965 134 Aktionäre – Informationsinteresse 83 – Investitionsentscheidung 129, 132, 177, 206, 209, 213, 241, 270–272 – minderes Herrschaftsrecht 126, 204, 276 – Ungleichbehandlung 110–112, 172–173, 200, 206 Allgemeine öffentliche Erwerbsangebote 51 – Aufstockungsangebote 51 – Einstiegsangebote 51 Analogie – planwidrige Regelungslücke 84, 98, 260 – Vergleichbarkeit der Sachverhalte 108, 269 Analogieverbot – ordnungswidrigkeitsrechtliches 265 – verwaltungsrechtliches 261 Angebot, allgemeine Rechtsgeschäftslehre 88–89 Angebotspflicht siehe Pflichtangebot Angebotsverfahren 46, 51, 105, 262 Anteilserwerb – rechtsgeschäftlicher 94, 181, 200, 204, 207, 235–236

– Rechtsgrund 95 Anteilsverwässerung 140–141, 144 Arbeitsgruppe „Gesellschaften – Übernahmeangebote und andere Angebote“ 55 ASEA 135 Auslegung, gespaltene 268 Außenstehende Aktionäre siehe Minderheitsaktionäre Austrittsrecht, nach § 35 WpÜG siehe Pflichtangebot BA siehe Bank Austria AG BaFin siehe Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bank Austria AG 33 – Beteiligungsstruktur 34 Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG 32 – Beteiligungsstruktur 33, 39, 44 Beherrschungsvertrag siehe Unternehmensverträge Beschleunigungsgrundsatz 49 Betriebswirtschaftliche Unternehmensbewertung 124, 276 Blanketttatbestand 268 Börsenausschuss 67 Börsenkurs – fallender 124 – steigender 124 Börsennotierung, Verlust siehe kaltes Delisting Börsensachverständigenkommission 67–69, 72 Börsenwert, als Minderheitsaktienwert 125, 232 Börsenwiederzulassung 145, 158, 189

316

Sachregister

BSK siehe Börsensachverständigenkommission Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Entscheidung in Sachen Carl Zeiss Meditec AG 85, 162, 207, 281 – Jahresbericht 2002 85, 163 City Code siehe London City Code on Takeovers and Mergers Commission des Opa siehe Schweizerische Übernahmekommission Compagnie Industrielle et Commerciale du Gaz SA (CICG)/Société du Gaz de la Plaine du Rhône SA (SGPRh), Zusammenführung 168 DAT/Altana Rechtsprechung, Übertragung auf Verschmelzungen und Spaltungen 231 DAV siehe Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltsvereins Doppel- und Mehrfachstimmrechte 64 Durchbruchsregel 64–65, 77 Erwerb eigener Aktien – Beschränkungen 246 – Rücklage 247 Expertenkommission Unternehmensübernahmen 69 – Empfehlungen 72 Fallkonstellationen – Nicht-verhältniswahrende Abspaltung in einem börsennotierten Rechtsträger bei veränderter Kontrollsituation 148, 160, 186, 217, 256 – Verschmelzung/Spaltung auf einen (nicht) börsennotierten Rechtsträger bei unverändert kontrollfreier Situation 146, 160, 191, 279 – Verschmelzung/Spaltung auf einen börsennotierten Rechtsträger bei unveränderter Kontrollsituation 141, 154, 187, 269

– Verschmelzung/Spaltung auf einen börsennotierten Rechtsträger bei veränderter Kontrollsituation 139, 152, 185, 207, 253 – Verschmelzung/Spaltung auf einen nicht börsennotierten Rechtsträger bei (un-)veränderter Kontrollsituation 142, 157, 188, 274 Flughafen-Direktion Zürich/FlughafenImmobilien-Gesellschaft, Zusammenschluss 167 Free Float, Verringerung 202, 204, 255, 274 Freiwillige Selbstregulierung 66, 68 Fusion – Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG/Bank Austria AG 29 – Gesetzesbegründung WpÜG 80, 104 Gegenleistung – Aktien einer kontrollierten Gesellschaft 136, 156, 226 – Anforderungen des UmwG 229 – Ausgestaltung 136, 223 – Barabfindung 131, 138, 162, 175 – Börsenpreisregel 122 – Geldleistung 165, 224–225 – Gleichpreisregel 116 – liquide Aktien 224–225, 246 – Preisuntergrenzen 116 – Vorgaben des § 31 Abs. 2 WpÜG 225 Gemeinsamer Standpunkt des Rates von 2000 61 Generaldirektion Binnenmarkt, Bericht über Übernahmeangebote und andere Angebote 54 Gesamtrechtsnachfolge – gesetzlich angeordnete 181, 185 – partielle 93, 185 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich 64

Sachregister Gewährung von Sondervorteilen, durch den Bieter 111 Gewinnabführungsvertrag siehe Unternehmensverträge Gibraltarfrage 61 Gleichbehandlung – formale 109, 111 – materielle 109, 111 Gleichbehandlungsangebot siehe Gleichbehandlungsgrundsatz Gleichbehandlungsgrundsatz – gesellschaftsrechtlicher 125 – übernahmerechtlicher 49, 83, 109, 116 Going private 126, 145, 204, 276

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Insiderhandels-Richtlinie 68 Invitatio ad offerendum 90 Irrevocable Undertakings 241

– Sicherstellung ausreichender Aufnahmefähigkeit 233 Kaufangebot, Begriffsverständnis des WpÜG 91 KonTraG siehe Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Kontrollbeteiligung, Umhängen 215 Kontrolle – als corporate asset 118 – als selbständiger Vermögenswert 117 – Begriff 52, 178 – Objekt 183 – Wechsel 115, 122, 127, 134–135, 205, 208, 212, 254, 273 Kontrollerlangung, Sicht der Minderheitsaktionäre 43, 166, 183, 209, 212 Kontrollprämie siehe Kontrollzuschlag Kontrollsituation – formelle 209 – materielle 210, 272, 279 Kontrollzuschlag 117 – Teilhabe 118, 121 Konzern – Eingangsschutz 131, 134–135, 138, 175 – faktischer 126, 131 – unvollkommener Minderheitenschutz 126, 204, 276 Kursrisiko 130

Kaltes Delisting 145, 189 – Abfindungsanspruch 159 Kapitalerhaltung 247 Kapitalerhöhung, bei Verschmelzung/ Spaltung 95, 200 Kapitalmarkt – nicht ausreichende Aufnahmefähigkeit 129, 228 – Preisverfall 124, 129, 205, 209, 213–214, 227, 254, 270, 272–273, 277, 279

Leitsätze für Übernahmeangebote von 1979 67 Level playing field for takeovers 58 Liquiditätsprüfung, Berücksichtigung drohender Verkaufsreaktionen 227 London City Code on Takeovers and Mergers 170, 175–176, 256 – Disqualifying transactions 173 – General Principles 49 – Notes on Dispensation from Rule 9 172, 175–176

Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltsvereins, Stellungnahme 161 Hauptversammlung – Präsenz 179, 278 – Stimmverhalten der Anteilsinhaber 111, 219, 236, 249 Hochrangige Expertengruppe für das Gesellschaftsrecht siehe WinterKommission HVB siehe Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG

318

Sachregister

– Whitewash 256 – Whitewash Guidance Note 172 LS-Übernahmeangebote siehe Leitsätze für Übernahmeangebot von 1979 Mantelgesellschaft 143, 157, 188 Marktenge 126, 204 Mehrheitsanteile, innerer Wert 117 Mehrheitseingliederung 123 Mehrheitsmacht, Ausübung 136–137 Minderheitsaktionäre – gesteigertes Verkaufsverhalten 205 – Schutzbedürftigkeit 199, 206 – Schutzverzicht 256 Minderheitsbeteiligung, Bewertungsabschlag 124 Mischverschmelzung 222 Neutralitätspflicht 65, 77 Österreichische Übernahmekommission, Stellungnahme in Sachen Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG/ Bank Austria AG 40 Optionsmodell 65, 77 Paketzuschlag – Control as a corporate asset-Theorie 118 – Equal opportunity rule 119 – gesetzgeberische Wertentscheidung 120 – Lehre von der anteilmäßigen Verteilung 118 – Perlman v. Feldman 118 Pennington, Robert Roland 54 Pennington-Entwurf von 1974 54 Pflichtangebot – aktienrechtlicher Minderheitenschutz 131, 133 – als nachträgliches Übernahmeangebot 108 – Altfälle 179

– Anwendung auf Verschmelzungen und Spaltungen 113 – Ausnahmen 53, 193 – Ausschluss der Anwendbarkeit 236 – Ausstiegs- und Reinvestitionsmöglichkeit 133 – Befreiung 87, 153, 172, 177, 194, 238, 243, 251, 256, 283 – Disponibilität siehe Verzicht der Minderheitsaktionäre – doppeltes Regelungsanliegen 116, 199 – Entstehungsgeschichte 197 – Gleichbehandlung der Aktionäre 53, 115, 129 – Grundlagen 114 – Individualanpruch auf Abgabe 242 – kapitalmarktrechtlicher Anlegerschutz 132 – kapitalmarktrechtlicher Funktionenschutz 46, 133, 241 – Nichtberücksichtigung von Stimmrechten 194, 196, 198, 238 – rechtsdogmatische Einordnung 130 – Rechtsmissbräuchlichkeit der Annahme 248 – Rechtsunsicherheit 113 – Systematik 192 – Teilbefreiung 254 – Teleologische Reduktion 153 – Verhältnis zu den Befreiungstatbeständen 193 – Verzicht der Minderheitsaktionäre 237 – Wortlaut 178 Rechtsformwechsel, Anwendungsbereichs des § 36 Nr. 2 WpÜG 196 Rechtsvergleichende Betrachtung 164 – Großbritannien 170 – Österreich 164 – Schweiz 166 Richtlinie 2004/25/EG – Ausblick und Umsetzung 77

Sachregister – Verabschiedung 65 – Verfahrensgang 64 Schemes of arrangement 171 Schweizerische Übernahmekommission 167 Sell-Out 77 Sondervorteile, Ziehung durch den Erwerber 120 Spaltung zu Null 148 Spaltungs- und Übernahmebericht siehe Umwandlungsbericht Spaltungs- und Übernahmevertrag siehe Umwandlungsvertrag Squeeze-Out 77 Statutory merger/division 171 Steuersenkungsgesetz 100 StSenkG siehe Steuersenkungsgesetz Synergieeffekte – antizipierte 120 – Verteilung im faktischen Konzern 126 Tauschaktien – einer kontrollierten Gesellschaft 136, 156, 226 – Liquiditätserfordernis des § 31 Abs. 2 WpÜG 224, 227 Tauschangebot, Begriffsverständnis des WpÜG 91 Teilverschmelzung 81 Totalausgliederung 93 Transparenz- und Wettbewerbsgesetz 70 Transparenzgebot 49 Transparenzrichtlinie 57 Trennungsprinzip, Verstoß 91 Übernahme- und Pflichtangebot, Funktionsgleichheit 53, 192 Übernahmeangebot 52 – als besondere Kontrollerlangungsmethode 107

319

– Angemessenheit der Gegenleistung 52 Übernahmekodex 68 Übernahmerichtlinie – geänderter Vorschlag von 1990 59 – Vorentwurf von 1987 56 – Vorschlag von 1989 57 – Vorschlag von 2002 siehe Richtlinie 2004/25/EG – Vorschläge von 1996 und 1997 59 Übernahmeverfahren – Hintergrund der Regelung im WpÜG 105 – strukturelle Defizite 110 Umstrukturierung, konzerninterne 214 Umwandlungsbeschluss – Beteiligung der Minderheitsaktionäre 236 – Individuelle Zustimmung der Minderheitsaktionäre 244 Umwandlungsvertrag – als Informationsgrundlage 110 – Rechtsnatur 95 UmwG – Anforderungen an die Gegenleistung 229 – Austrittsrecht nach § 29 UmwG 222 – Einheitlichkeit des Umtauschverhältnisses 111, 201, 221 – Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung 219, 236 – Schutzmechanismen 218 Universalsukzession siehe Gesamtrechtsnachfolge Unternehmensbewertung 124, 276 – Börsenwert 230 – Ertragswertmethode 230 – nach dem UmwG 229 Unternehmensverträge 135 – Abfindungsrecht 131–132, 136 – schuldrechtliche Wirkungsweise 135

320

Sachregister

VEBA/Gelsenberg 134 Verbot der Schaffung von Marktverzerrungen 49 Verfahrensbezogene Vorschriften des WpÜG, Anwendbarkeit auf Verschmelzungen und Spaltungen 80 Verhältnis übernahme- und umwandlungsrechtlicher Vorschriften, Gesetzesbegründung 74 Verkaufsprospektgesetz, Angebotsbegriff 89 Verkaufsreaktionen der Minderheitsaktionäre 127 – Berücksichtigung im Rahmen von § 31 Abs. 2 WpÜG 227 VerkProspG siehe Verkaufsprospektgesetz Vermögensübertragung, im Wege der Gesamtrechtsnachfolge 93 Verschmelzungsvertrag siehe Umwandlungsvertrag Verwaltungssitz – statuarischer 49 – tatsächlicher 49 Vodafone AirTouch plc, Übernahme der Mannesmann AG 69 Wertpapiere, einer Zielgesellschaft 48, 90 Winter-Kommission 63 Wirtschaftliche Übernahme 93, 146, 160, 191, 279 Wohlverhaltensregeln von 1977 56 WpÜG – allgemeine Grundsätze 49 – analoge Anwendbarkeit 97, 260

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Anwendungsbereich 47 Aufbau 49 Baukastenprinzip 49 Diskussionsentwurf 72 Empfehlungen der Expertenkommission von 2000 72 Entwicklungslinien 54 Gesetzentwurf der SPD-Fraktion von 1995 70 Gesetzentwurf der SPD-Fraktion von 1997 71 Grundlagen 29 Inhalt 49 Lückenhaftigkeit 98, 260 Ministerielle Vorarbeiten 72 Politische und wissenschaftliche Vorarbeiten 70 Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene 54 Rechtsentwicklung auf nationaler Ebene 66 Referentenentwurf 74 Regelungsbedarf 280 Regierungsentwurf 75 Überlegungen de lege ferenda 280 Unmittelbare Anwendbarkeit 87, 177 Verfahrensbezogene Vorschriften 24, 50, 80 Ziel 46

Zielgesellschaft – Abwehrmaßnahmen 64 – Verhaltenspflichten der Verwaltung 49, 52, 155, 265