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German Pages 804 [805] Year 2023
Schriften zum Prozessrecht Band 286
DNA-Analyse und Strafverfahren Zugleich ein Beitrag zum Verhältnis von Datenschutzund Strafverfahrensrecht
Von
Maximilian Schneider
Duncker & Humblot · Berlin
MAXIMILIAN SCHNEIDER
DNA-Analyse und Strafverfahren
Schriften zum Prozessrecht Band 286
DNA-Analyse und Strafverfahren Zugleich ein Beitrag zum Verhältnis von Datenschutzund Strafverfahrensrecht
Von
Maximilian Schneider
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Konstanz hat diese Arbeit im Jahre 2022 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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ISSN 0582-0219 ISBN 978-3-428-18766-9 (Print) ISBN 978-3-428-58766-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Die vorliegende, in den Jahren 2019 bis 2022 entstandene Arbeit wurde von der Universität Konstanz im Sommersemester 2022 als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung sind auf dem Stand Frühjahr 2022. Nicht mehr berücksichtigt werden konnte die Arbeit von Alina Gorstein, Die Erweiterung der DNA-Reihenuntersuchung auf „Beinahetreffer“, Diss. Universität Halle-Wittenberg 2021, Baden-Baden 2022. Mein vorderster Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Andreas Popp, M.A., dafür, dass er mir jede denkbare wissenschaftliche Freiheit zum Forschen ließ. Auch als sich abzeichnete, dass die Arbeit einen quantitativ überdurchschnittlichen Umfang annehmen wird, intervenierte er nicht, sondern bestärkte mich darin, einzelne Fragen nochmals unter einem anderen Gesichtspunkt zu bedenken. Für seine Ratschläge und Unterstützung, die nicht nur diese Arbeit betrafen, war und bin ich dankbar. Frau Professorin Dr. Liane Wörner, LL.M. (UW-Madison), danke ich insbesondere für die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Der Anstand und die Umstände, unter denen diese Arbeit wenigstens teilweise entstanden ist, verlangen auch ein Wort des Dankes an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität Konstanz. Als im Frühjahr 2020 aufgrund der CoronaPandemie nahezu der gesamte Lehr- und Bibliotheksbetrieb eingestellt werden musste, haben sie es durch eine nicht angemessen zu würdigende organisatorische Leistung ermöglicht, dass ich das Forschen und Verfassen dieser Arbeit innerhalb kürzester Zeit fortsetzen konnte – teilweise unter einfacheren Bedingungen, als dies vorher möglich war. Großer Dank gebührt Frau Nadja Lena Becker, die sicherlich die meisten, nicht immer angenehmen oder einfachen Phasen dieser Arbeit mit mir hat durchstehen müssen, für ihre Geduld und Bereitschaft, jederzeit einzelne Fragen oder Konzepte zu diskutieren und sich des Themas, wohl nicht nur akademischem Interesse geschuldet, anzunehmen. Die Unterstützung, die ich in den ca. drei Jahren der Anfertigung dieser Arbeit habe erfahren dürfen, hat maßgeblich zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landeskriminalamts Stuttgart, namentlich Herrn Dipl.-Biologen Dr. Rasmus Förster, danke ich für die Bereitschaft, auf naturwissenschaftliche und technische Fragen meinerseits stets eingegangen zu sein und damit gewissermaßen zu der „Grundsteinlegung“ dieser Arbeit beigetragen zu haben.
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Vorwort
Endlich muss und darf ich mich bei meiner Familie bedanken, die mir nicht nur das Studium und die Promotion ermöglicht hat. Durch ihren Rückhalt hat sie – haben insbesondere, ohne dass diese Aufzählung abschließende Geltung für sich beanspruchen kann, meine Mutter Frau Cornelia Karle-Schneider, mein Stiefvater Herr Mathias Karle und meine Großmutter Frau Christa Kohlen – zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Pforzheim, im August 2022
Maximilian Schneider
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung und Gang der Arbeit
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§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 § 2 Untersuchungsgegenstand und Gang der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Kapitel 2 Die DNA aus naturwissenschaftlicher Sicht und ihre Rolle im Prozess
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§ 1 Aufbau und Struktur von DNA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I.
Chemisch-biologische Zusammensetzung von DNA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
II. Chromosome als Träger der Erbinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 III. Codierende und nicht codierende Abschnitte der DNA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 1. Die Funktion von DNA im Organismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 a) Die Entstehung des Organismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b) Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 c) Transkription . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 d) Translation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Nicht codierende DNA als „evolutionärer Ballast“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 § 2 Geeignete Untersuchungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I.
Der „genetische Fingerabdruck“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
II. mt-DNA als Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 III. Beschaffenheit des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 § 3 Das Untersuchungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 I. DNA-Extraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 II. DNA-Amplifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 III. DNA-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. RFLP-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2. Modernes Analyse-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 § 4 Verwertung und Beweiswert von DNA-Analysen im Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . 65 I.
Systematische Einordnung der DNA-Analyse im Strafverfahrensrecht . . . . . . . . 65
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Inhaltsverzeichnis II. Inhalt des DNA-Gutachtens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 III. Grenze des Inhalts des DNA-Gutachtens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Der Weg der Spur oder secondary transfer, Verunreinigung und Vertauschung 66 2. Wahrscheinlichkeitsaussage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 IV. Beweiswert und Verwendung des DNA-Gutachtens im Strafverfahren . . . . . . . . 70
Kapitel 3 Datenschutzrechtliche Implikationen bei DNA-Analysen
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§ 1 Problemaufriss: Zusammenhang von Strafverfolgung und Datenschutzrecht . . . . . . . 73 § 2 Datenschutz auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 I.
Grundrechtsschutz gem. Art. 8 Abs. 1 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
II. Datenschutz auf Unionsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Grundrechte-Charta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Die JI-Richtlinie als maßgebliches Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 § 3 Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 I. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . 78 1. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Bestimmung des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 b) Informationen über unbekannte Spurenleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 aa) Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (1) Fehlender Personenbezug im Zeitpunkt der Erhebung . . . . . . . . . . . 81 (2) Absondern der Spur in der Öffentlichkeitssphäre . . . . . . . . . . . . . . 81 (3) Trennung von Erhebung und Verwendung des DNA-Identifikationsmusters und Grundrechtsschutz bei weiteren Ermittlungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (4) Folgen für die polizeiliche Ermittlungsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (1) Die Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Sprache und Systematik beim Verständnis des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (2) Die dogmatische Herleitung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der immanente Aspekt der Verhaltensfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (3) Grundrechtsschutz bei fehlenden weiteren oder zeitlich nachgelagerten Ermittlungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
Inhaltsverzeichnis
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(4) Vermischung von Materialerhebung und Analyse und von Schutzbereich, Eingriff und Verletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (6) Konsequenzen für das Verhältnis von Datenschutz- und Strafverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Allgemeine verfassungsrechtliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Die Sphärentheorie des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 c) Grundrechtsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (1) Begriffsbestimmung, Voraussetzungen und Rechtsfolge . . . . . . . . . 90 (2) Abgrenzung zu ähnlichen Grundrechtsinstituten . . . . . . . . . . . . . . . 91 (3) Grundrechtsverzicht und Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 bb) Verzicht auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung; zugleich Kritik an der Sphärentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 cc) Konsequenz für das Verhältnis von Datenschutz- und Strafverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 II. Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 § 4 Das Bundesdatenschutzgesetz und sein Verhältnis zur StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 I.
Anwendbarkeit des BDSG im Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
II. Das Verhältnis von BDSG und StPO zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 § 5 Einwilligung in DNA-Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I.
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Die Mitwirkung des Betroffenen im Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Nemo tenetur se ipsum accusare und Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Einwilligungsmöglichkeit bei DNA-Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Grundrechtsverzicht und strafprozessuale Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Unterscheidung von Grundrechtsverzicht und Einwilligung . . . . . . . . . . . . 103 b) Einwilligung als Unterfall des Grundrechtsverzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) Kritik zu Amelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (1) Das Verbot des Totalverzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (2) Ungeeignetheit des Einwilligungsbegriffs bei allen Verzichtskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 bb) Kritik zu Geiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
cc) Gleichlauf bei Rechtsfolge und Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 II. Begriff der strafverfahrensrechtlichen Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 III. Arten der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Differenzierung anhand gesetzlicher Normierung der Einwilligungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
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Inhaltsverzeichnis 2. Differenzierung anhand zwangsweiser Durchsetzungsmöglichkeit . . . . . . . . . 110 a) Einwilligung bei zwangsweiser Durchsetzungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . 110 b) Einwilligung als Durchführungsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 IV. Zulässigkeit der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Ausgangspunkt: Gesetzliche Normierung in einigen Normen der StPO . . . . . 113 2. Zulässigkeit und Unzulässigkeit von Einwilligungen im System der StPO . . . 113 3. Kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4. Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) Verankerung der Einwilligungsfreiheit in der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . 115 aa) Die Einwilligung als Verbürgung eines speziellen Grundrechts . . . . . . 115 bb) Die Einwilligungsfreiheit als Element der allgemeinen Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 cc) Verankerung im allgemeinen Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 dd) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Schranken der Einwilligungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 5. Vorgaben durch JI-Richtlinie und BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 a) Vorgaben der JI-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 aa) Grundsätzliche Unzulässigkeit der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 bb) Grundsätzliche Zulässigkeit der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 b) (Überschießende) Umsetzung durch den Gesetzgeber? . . . . . . . . . . . . . . . . 124 V. Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Disponibilität des beeinträchtigten Rechtsguts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Unklarheit in der juristischen Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Mehrdimensionalität des Begriffes der Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 c) Besonderheiten im Staat-Bürger-Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 d) Die Abwesenheit von Zwang und Irrtum als hinreichende Bedingungen von Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 aa) Das Erfordernis rechtlich relevanten Zwangs zur Verneinung der Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (1) Ungeeignetheit des Zwangsbegriffs des nemo-tenetur-Grundsatzes 128 (2) Freiwilligkeit als autonom zu verstehender, normativer Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (3) Zwischenergebnis: Beachtlichkeit nur staatlichen Zwangs . . . . . . . 130 (4) Die Abgrenzung von unzulässigem und zulässigem Zwang . . . . . . 130 (a) Unterscheidung anhand der Initiative zur Einwilligung? . . . . . . 130 (b) Die Rechtswidrigkeit der angedrohten staatlichen Alternativmaßnahme als erster Indikator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (c) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
Inhaltsverzeichnis
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(5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) Die Abwesenheit von Irrtümern in der Person des Einwilligenden – Die Belehrung als ausschlaggebendes Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4. Zeitpunkt der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 5. Die Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 6. Einwilligungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Verfassungsrechtliche Wurzel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Berücksichtigung strafrechtlicher Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 c) Keine Vorgaben durch Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 VI. Widerruflichkeit der Einwilligung und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 1. Möglichkeit eines Widerrufs und Anforderungen an denselben . . . . . . . . . . . . 139 2. Rechtsfolgen des Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 § 6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
Kapitel 4 DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
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§ 1 Die Gewinnung von Untersuchungsmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 I.
Gewinnung von Körperzellen am oder im menschlichen Körper . . . . . . . . . . . . . 141 1. Körperzellenentnahme gem. § 81a Abs. 1 StPO beim Beschuldigten . . . . . . . 142 a) Blutprobenentnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 b) Der Abstrich der Wangeninnenseite als anderer körperlicher Eingriff i. S. v. § 81a Abs. 1 S. 2 Alt. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Auslegung nach dem Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 bb) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (1) Vergleich mit der Entnahme einer Blutprobe gem. § 81a Abs. 1 S. 2 Alt. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (2) Vergleich mit der einfachen Untersuchung gem. § 81a Abs. 1 StPO 145 (3) Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 cc) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 dd) Verfassungskonforme Auslegung sub specie Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 ee) Gesamtwürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (1) Ergebnis der Auslegung und verfassungsrechtliche Problematik sub specie der allgemeinen Handlungsfreiheit und des Verhältnismäßigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
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Inhaltsverzeichnis (2) Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips durch Stützung des Wangenabstrichs auf andere Ermächtigungsgrundlagen . . . . . . 150 (a) Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (b) Beschlagnahme oder Sicherstellung gem. § 94 StPO . . . . . . . . . 151 (c) Generalklausel gem. §§ 161 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 163 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 ff) Eigener Lösungsansatz: Weite Auslegung des Eingriffsbegriffs bei gleichzeitiger teleologischer Reduktion der Eingriffsvoraussetzung . . . 153 gg) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2. Körperzellenentnahme gem. § 81c StPO beim Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 a) Parallelen zu und Unterschiede gegenüber § 81a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . 155 b) Die Problematik um den Vaginal- und Wangenabstrich . . . . . . . . . . . . . . . . 156 aa) Auslegung des § 81c StPO Abs. 2 S. 1 nach dem Wortlaut . . . . . . . . . . 156 bb) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (1) Vergleich mit der einfachen Untersuchung gem. § 81c Abs. 1 StPO 156 (2) Vergleich mit der Untersuchung zu Abstammungsfragen gem. § 81c Abs. 2 S. 1 Alt. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (3) Vergleich mit § 81a Abs. 1 S. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 cc) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 dd) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 ee) Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (1) Im Hinblick auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (2) Besonderheiten beim Vaginalabstrich im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 ff) Gesamtwürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 gg) Eigener Lösungsvorschlag: Analoge Anwendung des § 81c Abs. 2 S. 1 StPO auf die Konstellationen des Wangen- bzw. Vaginalabstriches . . . 164 hh) Ergebnis und Gesetzesvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 II. Vom Körper getrennte Körperzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 III. Heimlich erlangtes Material als Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. Vorgefundene Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 a) Das heimlich erlangte Material als Material i. S. v. § 81e Abs. 1 StPO . . . . 169 b) Das heimlich erlangte Material als Material i. S. v. § 81e Abs. 2 StPO . . . . 169 c) Keine Verwendung heimlich erlangten Materials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Auslegung des § 81e StPO nach dem Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 aa) Wortlaut des § 81e Abs. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (1) Ausschließlicher Verweis auf §§ 81a, 81c StPO . . . . . . . . . . . . . . . 173
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(2) Heimliches Erlangen von Zellen auf Grundlage der §§ 81a, 81c StPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (a) Wortlaut der §§ 81a, 81c StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (b) Umgehung der hoheitlichen Anordnungskompetenz . . . . . . . . . 174 (c) Umgehung des Untersuchungsverweigerungsrechts . . . . . . . . . 175 (d) Der Arztvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (e) Die Vorschrift des § 101 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 bb) Wortlaut des § 81e Abs. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 aa) Vergleich mit anderen heimlichen Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 bb) Vergleich des § 81e Abs. 2 StPO mit § 81e Abs. 1 StPO i. V. m. § 81a Abs. 3 Hs. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 cc) Verwendung in künftigen Verfahren, § 81g StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 c) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 aa) Entwicklung des § 81e StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (1) Fassung von 1997 bis 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (2) Novellierung durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens von 2017 und das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens von 2019 . . . . . . . . . . . . . . 181 bb) Entwicklung des § 101 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (1) Einfügung des § 81e StPO in den Katalog des § 101 StPO im Jahre 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (2) Tilgung des § 81e StPO aus dem Katalog des § 101 StPO im Jahre 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 d) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 e) Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 aa) Recht auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (1) Differenzierung von Zellgewinnung und DNA-Analyse – Vorwirkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . 187 (2) Keine Eingriffsintensivierung durch heimliches Vorgehen? – Der Ansatz von Beck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (3) Stellungnahme zu diesem Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 bb) Nemo-tenetur-Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 cc) Gebot der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 § 2 Untersuchungs- und Feststellungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 I.
Feststellungs- und Untersuchungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Stand bis zur Novellierung des § 81e Abs. 2 StPO durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
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Inhaltsverzeichnis 2. Erweiterung möglicher Feststellungen auf phänotypische Merkmale unbekannter Spurenleger durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 a) Vorgefundene Ansätze zur Möglichkeit der Feststellung phänotypischer Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 aa) Ansätze gegen die Feststellung phänotypischer Merkmale . . . . . . . . . . 194 (1) Unantastbarer Kernbereich und die Analyse codierender DNA-Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (2) Codierende DNA-Bereiche und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (3) Vermischung von Strafverfolgung und präventiv-polizeilicher Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (4) Verringerung des kriminalistischen Nutzens durch nachträgliche Veränderung des Aussehens, Fehlerquellen und bewusste Manipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (5) Die Gefahr der Diskriminierung von Minderheiten . . . . . . . . . . . . . 198 (6) Verstoß gegen Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (7) Subsidiäre Anwendung der erweiterten Feststellungsmöglichkeiten 198 bb) Ansätze für die Feststellung phänotypischer Merkmale . . . . . . . . . . . . 199 (1) Kein Eindringen in den absoluten geschützten Kernbereich der Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (2) Recht auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (3) Sinnlosigkeit der Trennung von codierender und nicht-codierender DNA für juristische Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (4) Die Analyse codierender DNA-Bereiche als naturwissenschaftliches und juristisches Gebot? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (5) Rechtsunsicherheit durch Trennung in codierende und nicht-codierende DNA-Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (6) Keine Verringerung des kriminalistischen Nutzens durch Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes; keine spezifische Missbrauchsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (7) Zur Gefahr einer Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 b) Stellungnahme zu § 81e Abs. 2 S. 2 StPO n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Codierende und nicht codierende DNA-Bereiche – ein unbrauchbares Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (1) Keine verfassungsgerichtliche Präjudiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (2) Naturwissenschaftliche Argumente gegen die Unterscheidung von codierenden und nicht-codierenden DNA-Abschnitten im Juristischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
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bb) Unantastbarer Kernbereich der Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (1) Die Bestimmung des Kernbereichs im Einzelfall – Augen-, Hautund Haarfarbe und Alter als Höchstpersönliches? . . . . . . . . . . . . . . 210 (a) Keine Totalerfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (b) Die Möglichkeit der Geheimhaltung am Beispiel des Beschlusses des BVerfG über Ehescheidungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (c) Höchstpersönlicher Charakter und der Wille zur Geheimhaltung unter besonderer Berücksichtigung des Vorliegens einer Straftat 211 (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (2) Die Sensibilität der festgestellten Information als allein entscheidendes Kriterium – Keine weitere Kategorisierung . . . . . . . . . . . . . 213 cc) Recht auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (1) Zur Eingriffsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (2) Zur Rechtfertigung des Eingriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 dd) Abgrenzung zur präventiv-polizeilichen Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 ee) Kriminalistischer Nutzen der neuen Merkmale und Diskriminierung – Ein Problem der Beweiswürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (1) Der kriminalistische Nutzen der neuen Feststellungsmöglichkeiten 218 (a) Naturwissenschaftliche Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (b) Äußerlich sichtbare Merkmale – Ein Ermittlungsansatz . . . . . . 219 (2) Unsicherheiten, Missbrauchsgefahr und Umgehungsversuche – Ein Problem der Beweiswürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (3) Der Einwand der Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (a) Das normative Phänomen der Diskriminierung aus juristischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (b) Die Möglichkeiten der Diskriminierung durch eine DNA-basierte Feststellung des Phänotyps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (c) Juristische Bewertung dieser Form der Diskriminierung . . . . . . 224 (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 ff) Implikationen der JI-Richtlinie bzw. des BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (1) Die Differenzierung von personenbezogenen Daten in Kategorien und die Anforderungen an ihre Verarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (2) Daten aus einer DNA-Analyse – eine besondere Kategorie personenbezogener Daten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (a) Verarbeitung genetischer Daten, §§ 48 i. V. m. 46 Nr. 13, 11 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (b) Verarbeitung herkunftsbezogener Daten, §§ 48 i. V. m. 46 Nr. 14 lit. a BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (3) Die Anforderungen an die Feststellung von Informationen molekulargenetischen Ursprungs im Unionsrecht und im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (a) Unbedingte Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
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Inhaltsverzeichnis (b) Geeignete Schutzgarantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (4) Zusammenfassung zu den europarechtlichen Implikationen . . . . . . 231 gg) Allgemeine Verhältnismäßigkeitsdogmatik statt Subsidiarität . . . . . . . . 231 hh) Zusammenfassung der Stellungnahme zu § 81e Abs. 2 S. 2 StPO . . . . 232 II. Überschießende Feststellungen kraft Einwilligung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 1. Vorgefundene Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 a) Keine überschießenden Feststellungen kraft Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . 233 b) Differenzierende Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 c) Überschießende Feststellungen kraft Einwilligung möglich . . . . . . . . . . . . 234 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 a) Die Einwilligungsfrage des § 81e StPO als allgemeine Frage . . . . . . . . . . . 235 b) Kritik an den Stimmen, die die Einwilligungsmöglichkeit ausschließen . . . 235 c) Grundsätzliche Zustimmung zur Einwilligungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . 236 d) Berücksichtigung der JI-RL und von § 51 BDSG – Zulassung der Einwilligung durch § 81f Abs. 1 S. 1 StPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
§ 3 Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 I.
Definition des Zwickbindungsgebotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
II. Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen für den Umgang mit den Körperzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Der Umgang mit Körperzellen, die gem. § 81e Abs. 1 StPO analysiert wurden 239 2. Der Umgang mit Körperzellen, die gem. § 81e Abs. 2 StPO analysiert wurden 239 a) Argumente, warum im Rahmen des § 81e Abs. 2 StPO kein Vernichtungsgebot besteht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Stellungnahme zu diesen Argumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 aa) Unwiederbringlicher Verlust und Wiederbeschaffbarkeit . . . . . . . . . . . 240 bb) Einsatz im Wiederaufnahmeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 cc) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 c) Der Grundsatz der Datensparsamkeit oder warum auch das Material i. S. v. § 81e Abs. 2 StPO vernichtet werden muss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 d) Vernichtung bei wiederbeschaffbarem Material gem. § 111n StPO . . . . . . . 246 e) Vernichtung unwiederbringlichen Materials im Wege einer Gesamtanalogie der die Rückgabe von Beweismittel und die Löschung von Daten betreffenden Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 aa) Rechtsgedanke der §§ 81a Abs. 3 Hs. 2, 111n StPO . . . . . . . . . . . . . . . 248 bb) Die Rechtsprechung des BVerfG zur Löschung qua Verfassung . . . . . . 248 cc) Rechtsgedanke der §§ 489 StPO, 58 Abs. 2, 75 Abs. 2 BDSG . . . . . . . 249 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 3. Die Begrenzung möglicher Feststellungen – Eine Frage der Zweckbindung? 250 4. Verwendung nur in bereits anhängigen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
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III. Zweckbindungsgebote für den Umgang mit den Feststellungen . . . . . . . . . . . . . . 252 1. Verwendung nur im laufenden und speziellen anhängigen Verfahren . . . . . . . 252 a) Keine Verwendungsbeschränkung expressis verbis – Einsatz im Anlassverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 b) Keine Verwendung in zukünftigen Strafverfahren vor dem Hintergrund des § 81g StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 c) Verwendung in bereits anhängigen, anderen Verfahren – Ein Täterscreening? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 2. Das Vorhandensein von Vergleichsmaterial als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der DNA-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 a) Material i. S. v. § 81e Abs. 2 StPO als Durchführungsvoraussetzung für eine DNA-Analyse gem. § 81e Abs. 1 StPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 b) Material i. S. v. § 81e Abs. 1 StPO als Durchführungsvoraussetzung für eine DNA-Analyse gem. § 81e Abs. 2 StPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 § 4 Formelle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 I.
Anordnungskompetenz und Einwilligung gem. § 81f Abs. 1 StPO . . . . . . . . . . . 258 1. Richtervorbehalt und anordnungsverdrängende Einwilligung bei Maßnahmen gegen bekannte Spurenleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 a) Richtervorbehalt und Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 b) Belehrung auch über eine mögliche Nutzung im Rahmen des § 81g StPO? 259 aa) Vorgefundene Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 (1) Qualifizierte Belehrung erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 (2) Keine weitergehende Belehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 2. Verzicht auf den Richtervorbehalt bei Maßnahmen gegen unbekannte Spurenleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
II. Anforderungen an die Durchführung der eigentlichen Analyse gem. § 81f Abs. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 1. Anforderungen an den Sachverständigen, § 81f Abs. 2 S. 1 StPO . . . . . . . . . . 264 2. Anforderung an die Übermittlung des Zellmaterials an den Sachverständigen, § 81f Abs. 2 S. 3 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 a) Kritik an § 81f Abs. 2 S. 3 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 b) Stellungnahme zur Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 aa) Pseudonymisierung statt Anonymisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 bb) Zur naturwissenschaftlichen Richtigkeit und Sorgfalt und anderen praktischen Problemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 cc) Das Gutachtenverweigerungsrecht des Sachverständigen . . . . . . . . . . . 270 dd) Wirkung der Pseudonymisierung im Hinblick auf die Anwesenheit des Sachverständigen in der Hauptverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
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Inhaltsverzeichnis ee) Der Vergleich mit der Gutachtenerstellung über hinsichtlich §§ 20, 21 StGB relevante Feststellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 ff) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 3. Anforderungen an die DNA-Analyse, § 81f Abs. 2 S. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . 279 4. Datenschutzrechtliche Kontrolle des Sachverständigen, der keine öffentliche Stelle ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
§ 5 Die Verwertbarkeit von rechtswidrig erlangtem Material im Hinblick auf die DNAAnalyse und von rechtswidrigen Analyse-Ergebnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 I.
Die Abwägungslehre des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 1. Im Hinblick auf rechtswidrig erlangtes Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 2. Im Hinblick auf rechtswidrige DNA-Analysen, insbesondere im Hinblick auf überschießende Feststellungen unter Verstoß gegen § 81e Abs. 1 S. 2 StPO 287
II. Datenschutzrechtliche Implikationen der Abwägungslehre und Auswirkungen der JI-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 1. Datenschutzrechtliche Problematik der Verwertung rechtswidrig erhobener Beweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 2. § 49 BDSG als Ermächtigungsgrundlage für die Verwertung . . . . . . . . . . . . . . 292 3. § 261 StPO als Ermächtigungsgrundlage für die Verwertung . . . . . . . . . . . . . . 294 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296
Kapitel 5 Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
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§ 1 Die Körperzellentnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 § 2 Feststellungs- und Untersuchungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 I. Explizit zugelassene Feststellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 II. Kein explizites Feststellungs- und Untersuchungsverbot – Ermöglichung der Abstammungsfeststellung über § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO? . . . . . . . . . . . . . . . 305 1. Zur Frage einer möglichen Feststellung der Abstammung via § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 2. Implizites Feststellungs- und Untersuchungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 § 3 Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 I.
Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen im Hinblick auf die Körperzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 1. Vernichtungsgebot, § 81h Abs. 3 S. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 2. Einsatz nur im Anlassverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 a) Normative Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 b) Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
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II. Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen im Hinblick auf das Analyseergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 1. Löschungsgebot, § 81h Abs. 3 S. 3 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 a) Konkretisierung anhand der Gesetzmaterialien: Ermittlung des Spurenlegers und Verjährung der Anlasstat als maßgebliche Zeitpunkte . . . . . . . . . . 314 b) Der Ansatz von Literatur und Rechtsprechung: Kritik an der Verjährung als maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 c) Stellungnahme zu den Ansätzen und eigener Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . 316 aa) Löschung bei Feststellung des Spurenlegers oder eines Beinahetreffers 317 (1) Der Wortlaut des Gesetzes und seine historische Entwicklung – zugleich zum Zweck der DNA-Reihenuntersuchung . . . . . . . . . . . . 317 (2) Verfassungsrechtliche Argumentation – zugleich zur Reichweite der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 (3) Keine Geltung beim Beinahetreffer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 (4) Keine Vorgaben für das Analyseverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 bb) Löschung, wenn kein Spurenleger ermittelt werden konnte . . . . . . . . . 321 2. Verwendung nur im Anlassverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 § 4 Materielle Anordnungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 I.
Qualifizierte Anlasstaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 1. Verbrechen gegen bestimmte Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 a) Der Verbrechensbegriff des materiellen Strafrechts als erstes Selektionskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 b) Das geschützte Rechtsgut als zweites Kriterium – Abschnittsbezogenes oder rechtsgutsbezogenes Verständnis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 aa) Abschnittsbezogener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 (1) Konsequenz und Inhalt eines abschnittsbezogenen Verständnisses 326 (2) Die DNA-Reihenuntersuchung als ultima ratio . . . . . . . . . . . . . . . . 326 (3) Die gesetzgeberische Intention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 (4) Vergleich mit der Rechtsprechung des BGH zur nachträglichen Sicherungsverwahrung gem. § 66b StGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 (5) Kriminalistische Ungeeignetheit der DNA-Reihenuntersuchung zur Aufklärung weiterer Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 (6) Abstumpfungseffekte bei der Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 (7) Der Ansatz Rogalls – Verlagerung der Eingrenzung auf Verhältnismäßigkeitsebene? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 (8) Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 bb) Rechtsgutsbezogener Ansatz – zugleich Stellungnahme . . . . . . . . . . . . 329 (1) Die gesetzgeberische Intention und Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . 329 (2) Kritik am abschnittsbezogenen Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 (a) Berücksichtigung des ultima-ratio-Charakters . . . . . . . . . . . . . . 330
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Inhaltsverzeichnis (b) Zur Gesetzgebungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 (c) Keine Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu § 66b StGB a. F. 332 (d) Eignung der DNA-Analytik als Kriterium der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 (e) Das Legalitätsprinzip als Absage an rein ökonomische und logistische Argumentation i. R. d. Gesetzesauslegung . . . . . . . . . . 332 (f) Keine „Abstumpfungserscheinungen“ bei der Bevölkerung . . . 334 (g) Das Argument der Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 (3) Argumentation pro Rechtsgutsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 (a) Der höchstpersönliche Charakter des angegriffenen Rechtsguts als gesetzgeberisches Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 (b) Fehlende Eignung der Abschnittseinteilung im StGB für die (strafverfahrensrechtliche) Gesetzesauflegung . . . . . . . . . . . . . . 335 (c) Besserstellung des brutaleren Täters im abschnittsbezogenen Verständnis aufgrund der Gesetzeskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . 337 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 c) Keine „Erweiterungsfähigkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 2. Verdachtsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 3. Stadium der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 4. Prognoseentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 II. Prüfungsmerkmale – Eingeschränkter Teilnehmerkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 III. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 1. Verhältnismäßigkeit der Maßnahme insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 2. Verhältnismäßigkeit der Durchführung im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348
§ 5 Formelle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 I.
Freiwillige Teilnahme – Einwilligung und Belehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 1. Zweifel an der Möglichkeit einer freiwilligen Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 a) Sozialer Druck zur Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 b) Die Folgen der verweigerten Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 aa) Unwirksamkeit der Einwilligung, wenn aus der Verweigerung ein Tatverdacht geschlussfolgert wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 bb) Unwirksamkeit der Einwilligung, wenn die Verweigerung bereits mittelbar mit anderen Beweisen zur Verdachtsbegründung führt . . . . . . . . 354 cc) Die Kenntnis des Betroffenen von der Verdachtsneutralität . . . . . . . . . . 354 dd) Nemo tenetur se ipsum accusare und Einwilligungsverweigerung . . . . 355 ee) Unbeachtlichkeit eines Irrtums über die Tatverdachtsneutralität . . . . . . 356 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 a) Zur Beachtlichkeit rein sozialen Drucks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357
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b) Die Folgen der Einwilligungsverweigerung – Problem und Lösung auch anhand der Belehrungsvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 aa) Verdachtsbegründung alleine aufgrund der Verweigerung . . . . . . . . . . . 359 (1) Unzulässigkeit der Verdachtsbegründung nur aufgrund der Verweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 (2) Kenntnis der Unzulässigkeit – Defizite bei der Belehrung nach § 81h Abs. 4 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 (a) Die Belehrung über die Freiwilligkeit gem. § 81h Abs. 4 S. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 (b) Qualifizierte Belehrung auch über die Verdachtsneutralität der Belehrung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 bb) Verdachtsbegründung trotz der Verweigerung mit anderen Momenten – zugleich zu Selbstbelastungsfreiheit und Unschuldsvermutung und den Ermittlungen nach der Reihenuntersuchung gem. §§ 81a, 81e StPO . . 365 (1) Zur Notwendigkeit der Weiterermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 (2) Problemstellung hinsichtlich der Verdachtsbegründung . . . . . . . . . 367 (3) Die Zugehörigkeit zur Gruppe der Merkmalsträger nach Durchführung der Reihenuntersuchung – Inkulpation durch Dritte . . . . . 367 (a) Zur weiteren Benutzung der Merkmale – Voraussetzungen und Begründung der Inkulpation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 (b) Teilnahme und Verweigerung im Lichte negativer und positiver Selbstbelastungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 (c) Die Einwilligung in die DNA-Reihenuntersuchung – Eine „Einwilligung zu Lasten Dritter“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 (d) Die Unschuldsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 (e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 (4) Weitere Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 cc) Vorgehen gegen den Verweigerer auf Grundlage des § 81c StPO i. V. m. § 81e StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 (1) Voraussetzungen des § 81c Abs. 2 StPO für die Zellgewinnung im Lichte der DNA-Reihenuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 (a) Die Zumutbarkeitsgrenze des § 81c Abs. 4 StPO . . . . . . . . . . . 379 (b) Das Untersuchungsverweigerungsrecht des § 81c Abs. 3 StPO 384 (c) Der historische Wille des Gesetzgebers als Anhaltspunkt für einen individualbezogenen Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 (2) Voraussetzungen des § 81e StPO im Lichte der Reihenuntersuchung 393 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 dd) Zusammenfassung zu den Folgen der Einwilligungsverweigerung . . . . 394 3. Die Belehrungsvorschrift des § 81h Abs. 4 StPO im Gefüge der allgemeinen Einwilligungs- und Freiwilligkeitsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
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Inhaltsverzeichnis 4. Belehrungserfordernisse jenseits von § 81h StPO i. R. d. DNA-Reihenuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 a) Weitergehende Erklärungen über den Sinngehalt der Belehrung . . . . . . . . . 397 b) Belehrung über die Widerrufsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 c) Weitere Belehrungserfordernisse nach dem BDSG, insbesondere zur Löschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 5. Zur Reformbedürftigkeit der Vorschrift – zugleich Kritik zu bereits geforderten Reformvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 a) Zum Nebeneinander von BDSG und StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 b) Zur sprachlichen Gestaltung der Belehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 II. Gebot richterlicher Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 III. Die Kopplung von Einwilligung und richterlicher Anordnung – eine Kritik . . . . 413 1. Kritik in der Literatur an § 81h StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 a) Ansätze für eine Streichung des Richtervorbehalts bei gleichzeitiger Beibehaltung des Freiwilligkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 b) Ansätze für die Streichung des Freiwilligkeitserfordernisses bei gleichzeitiger Beibehaltung des Gebotes richterlicher Anordnung – § 81h StPO als Zwangsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 2. Alternative Möglichkeiten und deren Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 a) Zwangsweise Reihenuntersuchung – Durchführung auch ohne Einwilligung 424 aa) Zwangsweise Reihenuntersuchungen de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 (1) Reihenuntersuchungen gem. §§ 81a, 81e StPO . . . . . . . . . . . . . . . . 425 (2) Reihenuntersuchungen gem. §§ 81c, 81e StPO . . . . . . . . . . . . . . . . 426 (3) Zusammenfassung zur Möglichkeit zwangsweiser DNA-Reihenuntersuchungen de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 bb) Zwangsweise Reihenuntersuchung im eigentlichen Sinne de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 (1) Entgegenstehen der Menschenwürde? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 (2) Entgegenstehen der Unschuldsvermutung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 (3) Entgegenstehen der Selbstbelastungsfreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 (4) Verhältnismäßigkeit einer entsprechenden Regelung . . . . . . . . . . . . 436 (5) Die zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung als grundrechtsberührende Maßnahme gegen eine Mehrzahl bis dahin Nichtbeschuldigter zur Begründung eines Tatverdachtes – Ein (weiteres) Unikum innerhalb der StPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 (a) Allgemeiner Vergleich mit Maßnahmen gegen Nichtbeschuldigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 (b) Vergleich mit der Rasterfahndung nach §§ 98a f. StPO und dem Datenabgleich nach § 98c StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 (c) Vergleich mit der Errichtung von Kontrollstellen gem. § 111 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 (d) Vergleich mit der Schleppnetzfahndung gem. § 163d StPO . . . 450
Inhaltsverzeichnis
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(e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 (6) Argumente pro und contra zwangsweiser DNA-Reihenuntersuchungen i. R. d. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 (a) Opferschutz als Rechtfertigungsargument – Zum Ansatz Trücks 454 (b) Angemessenheit durch Straftatenkatalog? . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 (c) Angemessenheit durch Einführung der Subsidiaritätsklausel . . 461 (d) Explizite Erwähnung der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . 462 (e) Zur Notwendigkeit eines Weigerungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . 463 (f) Zur Beibehaltung oder Ausweitung des Richtervorbehaltes und zur Einführung von Rechtsschutzmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . 466 (g) Steigerung der Eingriffsintensität durch Vorbereitungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 (h) Vernichtungs- und Löschungsvorschriften als eingriffsmildernde Verfahrenssicherung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 (7) Systematik der Regelungen betreffend die DNA-Analytik im Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 (8) Der Ansatz Boschs und Giesens – Zur Notwendigkeit eines Zwangsmodelles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 (9) Ergebnis, Zusammenfassung und rechtspolitischer Ausblick . . . . . 476 b) Verzicht auf die richterliche Anordnung – reines Freiwilligkeitsmodell . . . 477 aa) Notwendigkeit und Zweck präventiver richterlicher Kontrolle aus verfassungs- und strafrechtlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 (1) Zur verfassungsrechtlichen Notwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 (a) Spezielle verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 (b) Allgemeine verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . 480 (2) Grundrechtssicherung als Zweck des Richtervorbehaltes . . . . . . . . 482 (3) Doppelbelastung bei strafprozessualen Grundrechtseingriffen . . . . 484 bb) Der Richtervorbehalt des § 81h Abs. 2 StPO als individualschützende Verfahrensvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 (1) Grundrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 (a) Zur Bedeutung der Einwilligung und zum richterlichen Prüfungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 (b) Richterliche Anordnung als Kompensation für fehlende Freiwilligkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 (c) Gebot richterlicher Anordnung trotz Einwilligung wegen der hypothetischen Eingriffsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 (2) Vorgezogener Rechtsschutz wegen Heimlichkeit oder Überraschungseffekten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 (3) Doppelfunktion strafprozessualer Zwangsmaßnahmen . . . . . . . . . . 490 cc) Der Richtervorbehalt des § 81h Abs. 2 StPO als Mittel der Verfahrensregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 (1) Regulierung der Teilnehmerzahl durch Kontrolle der Merkmale . . 490
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Inhaltsverzeichnis (2) Regulierung des Anwendungsbereiches – zugleich zum Bedeutungswandel des § 81h StPO durch die JI-RL und § 51 BDSG . . . . 492 (3) Erhöhte Teilnahmebereitschaft durch Richtervorbehalt . . . . . . . . . . 493 dd) Der Richtervorbehalt des § 81h Abs. 2 StPO als verfahrensschützende Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 ee) Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 3. Konsequenz aus der Kritik und den alternativen Möglichkeiten . . . . . . . . . . . . 496
§ 6 Beweisverwertungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 I. Einwilligungsmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 1. Fehlerfolgen von Einwilligungsmängeln bei anderen Zwangsmaßnahmen am Beispiel des § 81f Abs. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 2. Vorgefundene Ansätze zu den Fehlerfolgen von Einwilligungsmängeln i. R. d. § 81h StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 a) Keine Unterscheidung nach spezifischen und allgemeinen Einwilligungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 b) Zur Schutzrichtung der Normen bei Familienbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . 502 c) Unterscheidung in echte und unechte Einwilligungsvoraussetzungen . . . . . 503 aa) Echte Einwilligungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 bb) Unechte Einwilligungsvoraussetzungen, insb. zur Belehrungs- und Formproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 (1) Fehler bei der Erteilung der Belehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 (2) Verstöße gegen die Schriftlichkeitsgebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 (a) Sinn und Zweck von Formerfordernissen im Zivilrecht und öffentlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 (b) Sinn und Zweck des Schriftlichkeitsgebots in § 81h StPO . . . . 511 (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 d) Zur hypothetischen Beweisgewinnung nach Durchführung der Untersuchung gem. §§ 81a, 81e StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 II. Fehler bei den Anordnungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 1. Vorgefundene Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 a) Zur Konnexität von Einwilligung und Anordnungsvoraussetzung . . . . . . . . 516 b) Konsequenzen für Fehler i. R. d. Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518
Kapitel 6 DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
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§ 1 Zur Notwendigkeit einer speziellen Ermächtigungsgrundlage aus datenschutzrechtlicher Perspektive und zur Geschichte der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521
Inhaltsverzeichnis
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§ 2 Körperzellentnahme nach § 81g Abs. 1 S. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 § 3 Feststellungs- und Untersuchungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 § 4 Zweckbindung und Verwendungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 I. Im Umgang mit den Körperzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 II. Im Umgang mit dem DNA-Identifikationsmuster – Speicherung und konkretes Einsatzfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 1. Speicherung beim BKA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 a) Gesetzliche Grundlage zur Einrichtung und Unterhaltung der sog. DNAAnalyse-Datei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 aa) DNA-Identifikationsmuster als erkennungsdienstliche Daten i. S. v. § 16 Abs. 5 S. 1 BKAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 bb) Sammlung von DNA-Identifikationsmustern als Aufgabe des BKA nach § 2 Abs. 4 BKAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 cc) Informationssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 dd) Weiterverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 ee) Erlaubnis durch § 81g StPO i. V. m. § 16 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 BKAG . . . . 530 b) Funktionsweise der DNA-Analyse-Datei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 2. Verwendung gem. § 81g Abs. 5 S. 1 Alt. 2 StPO nach Maßgabe des BKAG 532 a) Abgleich von Spurenmaterial mit gespeicherten DNA-Identifikationsmustern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 aa) Besonderheiten des § 81g StPO im Vergleich zu §§ 81e, 81h StPO im Hinblick auf den Abgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 bb) Abgleich auf Grundlage des BKAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 (1) Durch das BKA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 (2) Durch die Verbundteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 cc) Anforderungen an das künftige Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 b) Manuelle Übermittlung der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 aa) Zur Übermittlungsmöglichkeit des BKAG nach §§ 25 ff. BKAG . . . . . 541 bb) Einschränkung der Übermittlungsbefugnisse durch § 81g Abs. 5 S. 3 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 cc) Zur Vereinbarkeit des § 81g Abs. 5 S. 3 StPO mit dem Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 dd) Das Verhältnis von § 81g Abs. 5 S. 3 StPO zu den Übermittlungsverboten des § 28 BKAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 3. Der Vertrag von Prüm – Zum grenzüberschreitenden Abgleich gespeicherter DNA-Identifikationsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 a) Der Vertrag von Prüm als völkerrechtliches Novum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 b) Verfahren nach dem Vertrag von Prüm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 c) Europäisierung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 d) Konsequenzen für datenschutzrechtliche Belange des Betroffenen . . . . . . . 549 aa) Zur Reichweite des Verfahrens nach dem Prümer Vertrag . . . . . . . . . . 549
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Inhaltsverzeichnis bb) Datenschutzrechtliche Schutzvorkehrungen i. R. d. Prümer Vertrages
551
4. Speicherung ad infinitum? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 a) Löschung nach BKAG und BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 aa) Löschungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 (1) Unzulässigkeit der Verarbeitung, § 75 Abs. 2 Var. 1 BDSG . . . . . . 553 (2) Zum Sonderfall des § 16 Abs. 5 S. 2 i. V. m. § 18 Abs. 5 BKAG . . 554 (a) Speicherung trotz Freispruchs beim Eingreifen von Entschuldigungsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 (b) Nicht nur vorläufige Einstellung – Zur Unzulässigkeit der Speicherung bei Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO . . . . . . . . 556 (c) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 (3) Fehlende Erforderlichkeit, § 75 Abs. 2 Var. 3 BDSG . . . . . . . . . . . . 561 (a) Nachträglicher Wegfall der Negativprognose . . . . . . . . . . . . . . . 562 (b) Tod des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 (4) Speicherung trotz Nichtverurteilung – Ein Resümee . . . . . . . . . . . . 566 (a) Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 (b) Zur systematischen Inkongruenz der Speicherung am Beispiel der Entschuldigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 (c) Zur Grenze der Aufklärungspflicht der Staatsanwaltschaft . . . . 567 (5) Speicherung bei Verurteilung wegen einer Tat, die nicht Anlasstat ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 bb) Prüfungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 b) Löschungsverfahren nach dem Prümer Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 § 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 I.
Anlasstaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 1. Straftat erheblicher Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 a) Unzulänglichkeit der allgemeinen Definition des Begriffes . . . . . . . . . . . . . 575 b) Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 aa) Verwendung an anderen Stellen der StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 bb) Historischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 (1) § 81g Abs. 1 StPO in der Fassung von 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 (2) Anlage zu § 2c DNA-IFG a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 cc) Systematischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 (1) Fahrlässigkeitsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 (2) Täterschaft und Teilnahme; Versuch; Vollrausch . . . . . . . . . . . . . . . 585 dd) Einzelfallbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 (1) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 (2) Zu berücksichtigende Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 (3) Nicht zu berücksichtigende Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590
Inhaltsverzeichnis
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c) Gleichstellungsklausel, § 81g Abs. 1 S. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 2. Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 a) Eigenständige Kategorie von Anlasstaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 b) Rechtsgutsbezogenes oder abschnittsbezogenes Verständnis . . . . . . . . . . . . 596 aa) Keine Einbeziehung von Straftaten außerhalb des 13. Abschnittes des StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 bb) Enges oder weites Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 (1) Vorgefundene Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 (a) Entwicklung des § 81g StPO im Bezug auf das Sexualstrafrecht 603 (b) Der Wille des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604 (c) Zum Sonderproblem des neuen Sexualstrafrechts der §§ 184i – 184l StGB sowie die Straferhöhung insbesondere im Rahmen der Pornographiedelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 c) Verfassungsrechtliche Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610 II. Gleichstellungsklausel, § 81g Abs. 4 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 III. Negativprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 1. Prognosegegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 a) Noch nicht entdeckte Straftaten als Prognosegegenstand . . . . . . . . . . . . . . . 617 aa) Vorgefundene Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 (1) Pro Einbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 (2) Contra Einbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 (1) Das fehlende Problembewusstsein bei Gesetzgeber und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 620 (2) Verfassungsrechtliche Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 (3) Das Verhältnis des § 81g StPO zu den §§ 81a, 81c, 81e StPO auch im Hinblick auf die Zweckbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 (4) Die Löschungsvorschrift wegen mangelnder Erforderlichkeit . . . . . 623 (5) Der Wortlaut im Vergleich zu §§ 63 ff. StGB, § 112a StPO . . . . . . 624 (6) Der Wortlaut im Vergleich zu § 16 BKAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 (7) Der Wortlaut im Vergleich zu § 484 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 (8) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 b) Anzahl der Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 2. Prognosekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 a) Art oder Ausführung der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 b) Persönlichkeit des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 c) Sonstige Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 d) Grenzen der Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635
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Inhaltsverzeichnis 3. Prognosemaßstab und das Verhältnis ausgewählter Prognosen zu der des § 81g StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 a) Maßstab für die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung, § 56 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 636 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 636 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640 (1) Prognosegegenstand und Prognosemaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640 (2) Regel-Ausnahmeverhältnis in §§ 81g StPO, 56 StGB . . . . . . . . . . . 640 (3) Keine unterschiedlichen Prognosekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 (4) Zur denkbaren Divergenz der Ergebnisse der Prognosen aufgrund des Prognosemaßstabes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 (5) Besserstellung desjenigen, dessen Strafe vollstreckt wird? . . . . . . . 642 (6) Prognosemaßstab des § 56 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644 (7) Prognosemaßstab des § 81g StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645 (8) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646 cc) Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bei gleichzeitiger Verneinung der Negativprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646 b) Maßstab der §§ 63 ff. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646 c) Maßstab für den Erlass eines Haftbefehls wegen Wiederholungsgefahr, § 112a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 d) Maßstab des § 8 Abs. 6 i. V. m. Abs. 2 BKAG a. F. oder Maßstab sui generis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 IV. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653 1. Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653 2. Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656 a) Vorhandenes DNA-Identifikationsmuster gleicher Qualität . . . . . . . . . . . . . 657 b) Vorhandenes DNA-Identifikationsmuster minderer Qualität – Auftypisierungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 658 aa) Auftypisierung ablehnende Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659 bb) Auftypisierung befürwortende Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 660 cc) Erfordernis einer neuerlichen Anlasstat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 662 dd) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664 (1) Kein gesetzgeberischer Wille und keine verfassungsgerichtliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664 (2) Kein Erfordernis einer neuerlichen Anlasstat . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667 (3) Keine Frage der Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 668 (a) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 668 (b) Gleiche Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669 (c) Einzelfallbetrachtung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 670 c) Subsidiarität der DNA-Identitätsfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 671 d) Vorratsbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673
Inhaltsverzeichnis
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3. Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674 a) Einschränkung der Auftypisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674 b) Allgemeine Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676 § 6 Formelle Anordnungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676 I.
Zwangsweises Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 677 1. Anordnungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 677 a) Zuständigkeit in Zwischen- und Hauptverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 678 b) Eilzuständigkeit der Staatsanwaltschaft bei der Körperzellentnahme . . . . . 681 2. Begründungsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 682
II. Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683 1. Belehrung nach § 81g Abs. 3 S. 3 StPO und allgemeine Voraussetzungen der Einwilligung im Lichte der DNA-Identitätsfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683 a) Belehrung gem. § 81g Abs. 3 S. StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683 b) Zur Einwilligungsfähigkeit der in § 81g Abs. 4 Nr. 1 – 3 StPO Genannten
684
c) Weitergehende Belehrungserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685 d) Folgen des Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 687 e) Zur Notwendigkeit des Vorliegens der materiellen Voraussetzungen . . . . . . 694 2. Zum Sonderfall der Einwilligung in die Auftypisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 § 7 Die Verwendung bereits vorhandener DNA-Identifikationsmuster – Umwidmungsfälle gem. § 81g Abs. 5 S. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 696 I.
Die Verwendung bereits gewonnener Daten als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 696
II. Verwendung von Daten des Beschuldigten oder von Spurenmaterial . . . . . . . . . . 697 1. Vorgaben des § 81g Abs. 5 S. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697 2. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 698 III. Verwendung von Daten Nichtbeschuldigter – zugleich zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschuldigteneigenschaft in § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO . . . . . . . . . . 704 1. Umwidmung von gem. §§ 81c, 81e Abs. 1 StPO gewonnenen DNA-Identifikationsmustern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704 2. Keine Umwidmung von DNA-Identifikationsmustern aus Reihenuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705 IV. Die Benachrichtigungspflicht des § 81g Abs. 5 S. 4 StPO zur Sicherung des Charakters der Umwidmung als milderes Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 706 1. Zur Benachrichtigung verpflichtete Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 707 2. Unterlassen des Antrages auf gerichtliche Entscheidung als Einwilligung? . . 709 V. Umwidmung von Körperzellen analog § 81g Abs. 5 S. 2 StPO? . . . . . . . . . . . . . 711 § 8 Beweisverwertungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 713 I.
Verstöße gegen die formellen Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 713 1. Einwilligungsmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714 2. Keine oder formell fehlerhafte richterliche Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 715
30
Inhaltsverzeichnis II. Verstöße gegen die materiellen Anordnungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 716 1. Verdacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 717 2. Negativprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 718 3. Anlasstat und Tat des Prognoseverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 719 a) Straftat von erheblicher Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 719 b) Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 720 4. Unterscheidung nach Tatsachen- oder Wertungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . 721 III. Fernwirkungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723 IV. Nachträglicher Wegfall der materiellen Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724
Kapitel 7 Fazit und Schlussbemerkungen
726
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 730 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 802
Abkürzungsverzeichnis A. A./a. A. a. a. O. Abb. Abg. ABl. abl. Abs. Abt. AcP a. E. AEUV a. F. AfP AG AG Strafrecht al. Amtl. Anm. AnwBl. AO AöR ArchKrim Art. ASOG AsylG Aufl. ÄZ B’90/Grüne BA BayJMBl. BayObLG BayObLGSt BayVBl. Bd. BDSG BeckRS Begr.
Andere Ansicht/anderer Ansicht am angegebenen Ort Abbildung Abgeordneter/Abgeordneten Amtsblatt der Europäischen Union ablehnend Absatz/Absätze Abteilung Archiv für die civilistische Praxis am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Archiv für Presserecht – Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht Amtsgericht Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des DAV alii Amtliche/r/s Anmerkung(en) Anwaltsblatt Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Archiv für Kriminologie unter besonderer Berücksichtigung der gerichtlichen Physik, Chemie und Medizin Artikel Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz Asylgesetz Auflage Ärzte-Zeitung Bündnis 90/Die Grünen Blutalkohol – Wissenschaftliche Zeitschrift für die medizinische und juristische Praxis Bayerisches Justizministerialblatt Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Bayerische Verwaltungsblätter Band Bundesdatenschutzgesetz Beck’sche Rechtsprechungssammlung Begründer
32 Beschl. BewHi BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BKA BKADV BKAG BP BPolG BRD BR-Drucks. BR-Plen.-Prot. BSGE bspw. BT BT-Drucks. BT-Fraktion BtMG BT-Plen.-Prot. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE BW bzgl. BZRG bzw. ca. CDU CR CSU DANA DAR DAV ders. d. h. dies. Diss. Diss. med.
Abkürzungsverzeichnis Beschluss Bewährungshilfe: Soziales, Strafrecht, Kriminalpolitik (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeskriminalamt Verordnung über die Art der Daten, die nach den §§ 8 und 9 des Bundeskriminalamtgesetzes gespeichert werden dürfen (BKADaten-Verordnung) Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten Bayernpartei Bundespolizeigesetz Bundesrepublik Deutschland Bundesratsdrucksache(n) Plenar-Protokoll des Bundesrats Entscheidungen des Bundessozialgerichts beispielsweise Besonderer Teil Bundestagsdrucksache(n) Bundestags-Fraktion Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) Plenar-Protokoll des Bundestags Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Baden-Württemberg bezüglich Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz) beziehungsweise circa Christlich Demokratische Union Deutschlands Computer und Recht (Zeitschrift) Christlich-Soziale Union in Bayern e. V. Datenschutz-Nachrichten Deutsches Autorecht (Zeitschrift) Deutscher Anwaltsverein derselbe(n) das heißt dieselbe(n) (Juristische) Dissertation medizinische Dissertation
Abkürzungsverzeichnis DJT DNA-IFG DNP DÖV Dr. DRiZ DSGVO
DVBl. DVJJ DVO DVP e. A. ebd. Ed. Eds. Edt. EG EGGVG EGMR EGStGB Einf. Einl. EL EMRK engl. ErmR Erw.-Gr. etc. EU EuGH EuGRZ EuR EUV EuZW e. V. F. f., ff. FamRZ FAZ FG FGPrax FIN Fn.
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Deutscher Juristentag DNA-Identitätsfeststellungsgesetz Die neue Polizei (Zeitschrift) Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Doktor Deutsche Richterzeitung Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG, ABl. L 119/1 v. 04. 05. 2016) Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e. V. Durchführungsverordnung Deutsche Verwaltungspraxis (Zeitschrift) einstweilige Anordnung ebenda Editor (lat./engl. Hrsg.) Editors (engl. Hrsg.) Edition Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Einführung Einleitung Ergänzungslieferung Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten englisch Ermittlungsrichter Erwägungsgrund/-gründe et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht (Zeitschrift) Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eingetragener Verein Fach folgende Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Frankfurter Allgemeine Zeitung Festgabe Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zeitschrift) Finnland Fußnote(n)
34 FPPK FS GA GBA GBl. BW GBR gem. GewO ggf. GmbH GRCh GS GSZ GVG Habil. Hess. GVBl. HGB h. M. HRRS Hrsg. Hs./Halbs. HSOG i. d. F. i. d. R. i. d. S. i. E. i. H. v. insb. InsO i. R. d. i. R. v. i. S. d. i. S. e. ISO i. S. v. i. V. m. i. Ü. JA JBd. JbFStR JGG
Abkürzungsverzeichnis Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie (Zeitschrift) Festschrift Generalanwalt/Goltdammer’s Archiv für Strafrecht/Archiv für Strafrecht Generalbundesanwalt Gesetzesblatt für Baden-Württemberg Großbritannien gemäß Gewerbeordnung gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gedächtnisschrift/Der Gerichtssaal. Zeitschrift für Strafrecht und Strafprozeß; auch: Zeitschrift für Strafrecht, Strafprozeß, Gerichtliche Medizin, Gefängniskunde und ausländische Literatur Zeitschrift für das gesamte Sicherheitsrecht Gerichtsverfassungsgesetz Habilitation Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht (Online-Zeitschrift) Herausgeber Halbsatz Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Fassung in der Regel in dem/diesem Sinne im Ergebnis in Höhe von insbesondere Insolvenzordnung im Rahmen des/der im Rahmen von im Sinne des/der im Sinne eines/einer International Organization for Standardization im Sinne von in Verbindung mit im Übrigen Juristische Arbeitsblätter Jahresband Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Jugendgerichtsgesetz
Abkürzungsverzeichnis JI-RL
jM JMBl. BB JMBl. NRW JR JRE JSG KA jurisPR-StrafR JuS JVBl. JW JZ Kap. KastG KFZ KG KJ KommP BY Kriminalistik KriPoZ krit. KritV LA lat. LDSG LG lit. LKA LS LT-DrucksLV LVwG m. (…) Anm. v. m. (zahlr.) w. N. MDR MedR MiStra MSchrKrim NdsRPfl. NdsVBl.
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Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates, Abl. L 119/89 v. 04. 05. 2016. juris – Die Monatszeitschrift Justizministerialblatt für das Land Brandenburg Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Juristische Rundschau Jahrbuch für Recht und Ethik Juristische Studiengesellschaft Karlsruhe juris PraxisReport Strafrecht Juristische Schulung Justizverwaltungsblatt Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kapitel Gesetz über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden Kraftfahrzeug Kammergericht Kritische Justiz (Zeitschrift) Kommunalpraxis Bayern (Zeitschrift) Zeitschrift für die gesamte kriminalistische Wissenschaft und Praxis Kriminalpolitische Zeitschrift kritisch(en) Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Liber amicorum latein Landesdatenschutzgesetz Landgericht litera(e) Landeskriminalamt Leitsatz Landtags-Drucksache Landesverfassung Landesverwaltungsgesetz mit (…) Anmerkungen von mit (zahlreichen) weiteren Nachweisen Monatsschrift für deutsches Recht Medizinrecht (Zeitschrift) Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Niedersächsische Rechtspflege (Zeitschrift) Niedersächsische Verwaltungsblätter
36 n. F. NJ NJOZ NJW NK North Carolina Law Rev. NPOG Nr. NStZ NStZ-RR NVwZ NVwZ-RR NZI NZS NZV NZWiSt o. o. ä. OGHSt ÖJZ OLG OVG PAG PAuswG POG PolG PolSpiegel Prof. RdA RdJB RDV RG RGBl. RGSt RGZ RiStBV RL Rn. Rs. RuP RW S. SächsPVDG Schlussantr.
Abkürzungsverzeichnis neue Fassung/neue Folge Neue Justiz (Zeitschrift) Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Neue Kriminalpolitik (Zeitschrift) North Carolina Law Review (Zeitschrift) Niedersächsisches Polizei- und Ordnungsbehördengesetz Nummer(n) Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht – Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht oben oder ähnliche Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Besatzungszone in Strafsachen Österreichische Juristen-Zeitung Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Polizeiaufgabengesetz Personalausweisgesetz Polizei- und Ordnungsbehördengesetz Polizeigesetz Polizeispiegel (Zeitschrift) Professor Recht der Arbeit (Zeitschrift) Recht der Jugend und des Bildungswesens (Zeitschrift) Recht der Datenverarbeitung (Zeitschrift) Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren Richtlinie Randnummer(n) Rechtssache(n) Recht und Politik (Zeitschrift) Rechtswissenschaft. Zeitschrift für rechtswissenschaftliche Forschung Satz/Sätze/Seite(n)/Siehe Gesetz über die Aufgaben, Befugnisse, Datenverarbeitung und Organisation des Polizeivollzugsdienstes im Freistaat Sachsen Schlussantrag
Abkürzungsverzeichnis SchwurGer. SJZ Slg. SOG sog. SOG LSA SOG M-V SPD StGB StPÄG StPO StraFo StRR st. Rspr. StV/StrVert s. v. SVR Tab. u. u. a. UAbs. UFITA Urt. USA u. U. v. v. a. Var. VerfGH VerpflG VerwArch VG VGH vgl. Vol. Vorb. VRS VStGB VVDStRL VwGO VwVfG WaffG WAV
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Schwurgericht Süddeutsche Juristenzeitung Sammlung Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sogenannte(m/n/r/s) Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern Sozialdemokratische Partei Deutschlands Strafgesetzbuch Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPÄG) vom 19. Dezember 1964, BGBl. I, S. 1067 ff. Strafprozessordnung Strafverteidiger Forum (Zeitschrift) Strafrechtsreport ständige Rechtsprechung Strafverteidiger (Zeitschrift) sub voce Straßenverkehrsrecht (Zeitschrift) Tabelle und unter anderem Unterabsatz Archiv für Urheber- und Medienrecht Urteil Vereinigte Staaten von Amerika unter Umständen vom/von vor allem Variante(n) Verfassungsgerichtshof Verpflichtungsgesetz Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Band (engl.) Vorbemerkung(en) zu/vor Verkehrsrechts-Sammlung Völkerstrafgesetzbuch Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Waffengesetz Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (Partei)
38 wistra WM WRV WStG Z ZAP ZAR z. B. ZBR ZD ZEuS ZfS ZG Ziff. ZIP ZIS zit. ZJS ZPO ZRP ZSR ZStaatsw ZStrR ZStW ZUM zust. ZZP
Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Wertpapier-Mitteilungen. Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Weimarer Reichsverfassung Wehrstrafgesetz Zentrum (Partei) Zeitschrift für die Anwaltspraxis Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik zum Beispiel Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für Datenschutz Zeitschrift für europarechtliche Studien Zeitschrift für Schadensrecht Zeitschrift für Gesetzgebung Ziffer(n) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik zitiert als Zeitschrift für das juristische Studium Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Schweizer Recht Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht zustimmend(en) Zeitschrift für Zivilprozess
Im Übrigen sei, hauptsächlich für die in den Titeln der verwendeten Literatur gebrauchten Abkürzungen, auf Böttcher, Eike/Kirchner, Hildebert (Begr.), Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 9. Aufl., Berlin/Boston 2019 verwiesen. Für nicht regelmäßig wiederkehrende Abkürzungen s. auch die sich unmittelbar an die zitierte Publikation anschließende Erläuterung im Literaturverzeichnis. Nicht in vorstehenden oder anderen Publikationen veröffentlichte, sondern mit Aktenzeichen zitierte Gerichts- oder Behördenentscheidungen sind, soweit sie mit Randnummern zitiert wurden und nichts anderen angegeben ist, nach juris zitiert.
Kapitel 1
Einleitung und Gang der Arbeit § 1 Einleitung Die molekulargenetische Untersuchung nach §§ 81e ff. StPO ist ein relativ neues Instrument strafrechtlicher Ermittlung und Beweisführung. Zwar bereits 1988 gerichtlich anerkannt1, wurde mit § 81e StPO erst im Jahre 1997 eine explizite Ermächtigungsgrundlage für DNA-Analysen geschaffen. Seitdem haben die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften zahlreiche Änderungen erfahren2. Zuletzt wurde am 26. Juni 2019 ein Gesetz beschlossen3, dass den Datenschutz bei der DNAAnalyse durch einen Sachverständigen gem. § 81f Abs. 2 StPO an neue unionsrechtliche Vorgaben anpasst; das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 20194 erweiterte noch im selben Jahr den Kreis möglicher Feststellungen im Rahmen der DNA-Analyse um Augen, Haar-, und Hautfarbe sowie das Alter eines unbekannten Spurenlegers. Die Verfahren zur Einführung und zu den sich anschließenden Änderung und Erweiterung der Normen waren begleitet von kriminalistischen und juristischen Reaktionen jedweder Couleur5. Sie reichten von erheblichem Misstrauen gegen die 1
LG Berlin, NJW 1989, 787 f.; vgl. dazu auch Steinke, MDR 1989, 407; ferner LG Darmstadt, NJW 1989, 2338 f. 2 Vgl. nur Strafverfahrensänderungsgesetz – DNA-Analyse vom 17. 03. 1997, BGBl. I, S. 534; Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung (DNA-Identitätsfeststellungsgesetz) vom 07. 09. 1998, BGBl. I, S. 2646; Gesetz zur Änderung des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes v. 02. 06. 1999, BGBl. I, S. 1242; Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften (SexStrÄndG) vom 27. 12. 2003, BGBl. I, S. 3007; Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse vom 12. 08. 2005, BGBl. I, S. 2360; Gesetz zur Änderung der forensischen DNA-Analyse vom 12. 08. 2015, BGBl. I, S. 2360; Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. 08. 2017, BGBl. I, S. 3202; Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. 12. 2019, BGBl. I, S. 2121; krit. zur Entwicklung Bauch, Der Kriminalist 2004, 286. Überblicke bei Beck, S. 27 ff. und Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 123. 3 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung (EU) 2016/679 vom 20. November 2019, BGBl. I, S. 1724. 4 BGBl. I, S. 2121. 5 Rademacher, NJW 1991, 735 (736) hielt einerseits die damalige Ermächtigungsgrundlage des § 81a StPO für ungenügend, will anderseits aber eine unzulässige Selbstbezichtigung bei
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Kap. 1: Einleitung und Gang der Arbeit
neuen Möglichkeiten der Ermittlungsorgane bis hin zu schier grenzenloser Euphorie6. Bereits acht Jahre nach der Verankerung des § 81e in der StPO nahm Rogall dies zum Anlass, von einer „endlosen Geschichte“ zu sprechen7. Die „endlose Geschichte“ hat indes ihr Ende noch nicht gefunden; ein solches scheint auch in mittelfristiger Zukunft nicht in Sicht. Aufgrund des Mordes an der Freiburger Medizinstudentin Maria L. im Jahre 20168 hatten sich die Länder Bayern und Baden-Württemberg entschlossen, den Strafverfolgungsbehörden zu ermöglichen, mittels DNA-Analyse künftig neben bisher bereits zulässigen Feststellungen auch Augen-, Haut und Haarfarbe sowie Größe und biogeographische Herkunft unbekannter Tatverdächtiger ermitteln zu können9. Ferner sollte das Ermittlungsverfahren durch formelle Änderungen beschleunigt werden10. Gesetz wurden die Vorschläge einstweilen noch nicht. Ein Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 16. Mai 201911 griff die aber Vorschläge auf. Demnach sollten Augen, Haar- und Hautfarbe eines unbekannten Spurenlegers festgestellt werden können12. Dies war bereits im Entwurf von 2017 vorgesehen. Eine inhaltliche Änderung hat sich jedoch insoweit ergeben, als dass auf die Merkmale Größe und biogeographische Herkunft verzichtet wurde, dafür aber die das neue Merkmal des Alters in die Liste möglicher Feststellungen hinzugefügt wurde13. Formelle Änderungen sah das Eckpunktepapier nicht vor. zwangsweiser DNA-Analyse erkennen und spricht von einer Analyse des Intimbereichs, einem Eingriff in den unantastbaren Kernbereich der Persönlichkeit und sieht gar die Subjektqualität des Betroffenen in Frage gestellt, vgl. auch dies., S. 127; Vesting/Müller, KJ 29 [1996], 466 (467) und Vogt, StV 1993, 174 (175). Ebenso krit. Keller, NJW 1989, 2289 (2296). 6 Burghard, Kriminalistik 1994, 307 erblickte in möglichen Begrenzungen der DNAAnalyse „Fehlleistungen“, die „hinter ideologischen Scheuklappen gesucht werden“ müssten; Harbort, Kriminalistik 1994, 350 bezeichnete die Einführung eines speziellen, den Umfang der DNA-Analyse begrenzenden Gesetzes als „Täterschutzgesetz […] erster Güte“; Huber, Kriminalistik 1997, 733 hielt eine Beschränkung der zulässigen Feststellungen für „völlig unnötig“ (733), sprach von einem „unsinnigen Verbot“ (735) und von „Schwachsinn“ (735); Newnham, Kriminalistik 1996, 646 sprach sogar von der DNA- Analyse als „bedeutendste[n] Fortschritt in der Verbrechensbekämpfung seit Einführung der Daktyloskopie“ und von einem „brillante[n] und geschliffene[n] Ermittlungs- und Informationsbeschaffungsinstrument“. 7 Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691; vgl. auch Lippert, Kriminalistik 2001, 355, der betont, wenige Gesetze seien so oft geändert worden wie die §§ 81e und 81f StPO. 8 S. dazu nur Becker, in: FS-Graf-Schlicker, 429 (431) m. w. N.; Geuther, DRiZ 2017, 220; Jahn, ZRP 2017, 1; Lipphardt et al., Offener Brief v. 08. 12. 2016, S. 1; Rath, GSZ 2018, 67 (68); Stenger, Kriminalistik 2017, 491; Truscheit, FAZ v. 14. 12. 2016; Wolf, NJW-aktuell 2017, 16; ders./Deckers, DRiZ 2017, 88 f.; Zöller/Thörnich, ZIS 2017, 331 (332, 334). 9 BR-Drucks. 117/17; 117/1/17; vgl. für derartige Erweiterungen bereits Huber, Kriminalistik 1997, 733 (735); krit. zu diesem Entwurf Geuther, DRiZ 2017, 220. 10 BR-Drucks. 231/17. 11 BT-Drucks. 19/10388. 12 BT-Drucks. 19/10388, S. 4; 19/114747, S. 6. 13 BT-Drucks. 19/10388, S. 4; 19/114747, S. 6.
§ 1 Einleitung
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Das Eckpunktepapier wurde mit Wirkung zum 13. 12. 2019 Gesetz, sodass gem. dem neuen § 81e Abs. 2 S. 2 StPO nun erstmals phänotypische Merkmale mittels DNA-Analyse zu Strafverfolgungszwecken festgestellt werden dürfen. Nicht weniger endlos erscheint die Geschichte des Datenschutzrechtes. Angestoßen durch das Volkszählungsurteil des BVerfG14 aus dem Jahre 198315 hat es durch das Inkraftreten der Datenschutz-Grundverordnung16 am 25. 05. 2018 seinen vorläufigen Höhepunkt in Sachen öffentlicher Beachtung17 gefunden. Die DSGVO findet gem. Art. 2 Abs. 2 lit. d DSGVO in Strafsachen18 indes keine Anwendung. In diese Lücke stößt die zeitgleich in Kraft getretene JI-Richtlinie19. Durch diese zwei Rechtsakte verfolgt die EU ihr in den Erw.-Gr. 9 und 10 der DSGVO zum Ausdruck kommendes Ziel, innerhalb der EU ein einheitliches Datenschutzniveau zu gewährleisten20. Dieser ambitionierte Anspruch zeigt, dass mit Blick auf Gesetzgebung und öffentliches Interesse ein Rückgang im Bereich des Datenschutzrechts nicht zu erwarten ist. Insofern gilt heute noch, was das BVerfG bereits 25 Jahre vor Inkraftreten der DSGVO konstatierte; nämlich, dass es in Zeiten moderner Informationstechnologie kein belangloses Datum mehr geben kann21. Schon heute existieren nicht nur um achten Buch der StPO Normen, die sich eher wie datenschutzrechtliche Normen lesen und nicht den Standardtyp an Normen darstellen, den man in der StPO zu finden vermuten mag. Explizit § 81f Abs. 2 StPO stellt eine solche dar und wird deswegen auch als „Fremdkörper im System der Strafprozessordnung“22 bezeichnet. Die steigende Anzahl von Vorschriften inner14
BVerfGE 65, 1. Datenschutzrechtliche Entwicklungen gab es freilich schon früher. Erwähnenswert erscheint v. a. das Hessische Datenschutzgesetz, das bereits 1970 in Kraft trat (Hess. GVBl. I, S. 625) und von Leeb/Liebhaber, JuS 2018, 534 als erstes Datenschutzgesetz weltweit bezeichnet wird. Das Volkszählungsurteil als Beginn einer breiteren öffentlichen Diskussion zumindest in der Bundesrepublik Deutschland zu bezeichnen, erscheint gleichwohl angemessen. 16 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. 04. 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG, ABl. L 119/1 v. 04. 05. 2016. 17 Vgl. Basar/Hiéramente, HRRS 2018, 336; El-Ghazi, ZIS 2019, 110; von einem „Hype“ sprechen zutreffend auch Veil, NVwZ 2018, 686 und – in Anlehnung an diesen – immer noch Lamsfuß, NZWiSt 2021, 98. 18 Vgl. zum i. S. d. Unionsrechts autonom zu verstehenden Begriff der Strafsachen Bäcker, in: BeckOK-DatenschutzR, Art. 2 DSGVO, Rn. 25 ff.; El-Ghazi, ZIS 2019, 110 (112). 19 Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27. 04. 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates, Abl. L 119/89 v. 04. 05. 2016. 20 Vgl. dazu Stief, StV 2017, 470 (473). 21 BVerfGE 65, 1 (45). 22 Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 2. 15
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Kap. 1: Einleitung und Gang der Arbeit
und außerhalb der StPO, die die Frage betreffen, wie angefallene Daten im Strafverfahren und außerhalb desselben verwendet werden dürfen und was danach zu geschehen hat, zeugt von der Wichtigkeit des Datenschutzrechts auch für das Strafverfahrensrecht. Freilich hat das Datenschutzrecht einen Anwendungsbereich außerhalb der Strafverfolgung; das Strafverfahrensrecht seinerseits dient primär nicht dem Schutz von Daten, sondern der Gestaltung des Strafprozesses im weiteren Sinne. Die erwähnte Vielzahl datenschutzrechtlicher Regeln in der StPO lässt jedoch erahnen, dass Datenschutz- und Strafverfahrensrecht keineswegs vollständig isoliert betrachtet werden können. Soweit aber das Thema Datenschutz im Strafverfahren angesprochenen wird, ist auch der interessierte Beobachter geneigt, anzunehmen, es gehe etwa um Äußerungen von Prozessbeteiligten über ein Strafverfahren oder ähnliches. Der Fall Metzelder23 ist hierfür ein gutes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit. Allenfalls kann es auch noch darum gehen, was mit im Zuge eines Strafverfahrens angefallenen Daten zu geschehen hat. Um dem Bedürfnis nach Datenschutzkontrolle in diesem Bereich Rechnung zu tragen, wurden die §§ 474 ff. bereits 2000 in die StPO implementiert24, nachdem zuvor entsprechende Regelungen allenfalls und hauptsächlich in den RiStBV zu finden waren25. Das allgemeine Datenschutzrecht beeinflusst das Strafverfahren aber nicht erst, wenn es um Berichterstattung geht und das Verfahren abgeschlossen ist. Es spielt bereits eine Rolle im Ermittlungsverfahren, wenn angezeigt ist, zu bestimmen, welche Daten die Ermittlungsbehörden sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht erheben und weiter nutzen dürfen. Neben expliziten Regelungen ist eine Ausstrahlung des deutschen und europäischen bzw. europäisierten Datenschutzrechtes auf einzelne Ermittlungsmaßnahmen festzustellen. Bei klassischen Informationseingriffen wie der Telekommunikationsüberwachung und ähnlichen Ermittlungsmaßnahmen leuchtet dies prima vista ein. Jedoch ist auch die DNA-Analyse von derartigen Einflüssen durch das Datenschutzrecht besonders betroffen – sowohl durch das allgemeine als auch durch das in StPO und im dritten Teil des BDSG zu findende bereichsspezifische Datenschutzrecht. Die Tatsache, dass seit 1997 zahlreiche Gesetzesänderungen im Bereich der §§ 81e ff. StPO erfolgt sind, und dass die DNA-Analytik schon vor 1997 zu forensischen Zwecken Einsatz fand, lässt erahnen, dass bereits zahlreiche Monographien über die DNA-Analytik im Strafprozess angefertigt wurden26, einige davon auch 23
OVG Münster, DVBl. 2021, 610 ff. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts – Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 (StVÄG 1999) v. 02. 08. 2000, BGBl. I, S. 1253. 25 Zur Genese der §§ 474 ff. StPO ausführlich s. etwa Weßlau/Puschke, in: SK-StPO VIII, Vorb. § 474, Rn. 23 ff. 26 Etwa die Arbeiten von Altendorfer, Beck, Burr, Foldenauer, Hasselbach, Hero, Hother, Klumpe, Kopf, Krieglstein, Latotzky, Lee, Oberwetter, Rademacher, Ritter, Stadler-Brehm, U. Wagner und West. 24
§ 2 Untersuchungsgegenstand und Gang der Arbeit
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beschränkt zu den besonderen Ermächtigungsgrundlagen der §§ 81g27 oder 81h StPO28 ; ganz zu schweigen von solchen, die das Thema DNA-Analytik nur am Rande behandeln.
§ 2 Untersuchungsgegenstand und Gang der Arbeit Eine neue, zusätzliche Arbeit muss deshalb begründen, warum es ihrer überhaupt bedarf. Der Verweis auf neue Gesetzgebung seit 2015, als mit Becks Arbeit zum letzten Mal eine Monographie zum Thema DNA-Analytik erschien, erscheint zu pauschal, um ein Bedürfnis nach einer Arbeit zu begründen, die sich vollumfänglich dem Recht der forensischen DNA-Analyse widmet. Wären nur die Neuerungen einer Untersuchung wert, dürfte sich die Arbeit auf diese beschränken, wie dies Hasselbach weiland getan hat. Freilich soll aber nicht verschwiegen werden, dass die vorliegende Arbeit zum ersten Mal die Möglichkeit, äußerlich sichtbare Merkmale unbekannter Personen für strafverfahrensrechtliche Zwecke festzustellen, nicht abstrakt als ein vages Zukunftsszenario, sondern anhand eines konkreten Gesetzes – § 81e Abs. 2 S. 2 StPO – untersuchen kann und untersucht. Dasselbe gilt für die in § 81h StPO nun expressis verbis zulässige Feststellung sog. Beinahetreffer; dasselbe gilt für die Auswirkungen des novellierten BKAG auf § 81g StPO. Eine neuere, das gesamte Recht der DNA-Analyse in den Blick nehmende Arbeit scheint darüber hinaus aus drei Gründen lohnend: (1) Einerseits gibt es auch nach nunmehr über 30 Jahren Rechtsprechung und Literatur immer noch einzelne Fragen, die eine tiefergehende oder befriedigende Untersuchung noch nicht erfahren haben. Das betrifft z. B. die Entnahme von Körperzellen. Niemand wird leugnen, dass der Schwerpunkt einer DNA-Analyse auf der Untersuchung der DNA liegt und nicht auf der Gewinnung des Ausgangsmaterials. Das Herbeischaffen von Untersuchungsmaterial zu einer Vorarbeit zu degradieren, die einer näheren Betrachtung nicht bedarf, ist gleichwohl ungerechtfertigt, weil es ohne Material keine DNA-Analyse gibt. In dieser Arbeit soll deshalb ein Schwerpunkt auch hierauf gelegt werden29. Daneben fehlt etwa bis heute eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den sog. Auftypisierungsfällen i. R. d. DNA-Analyse – ganz im Gegensatz zur Situation bei § 81b StPO30. Es geht hierbei um Konstellationen, in denen ein DNA-Identifikationsmuster bereits gem. § 81g StPO erhoben wurde und in der DNA-Analyse27
Etwa Limbeck, Neuser, Rackow und Vath. Etwa die Untersuchungen von Ademi und Wickert; zur Reihenuntersuchung zuvor schon Hombert, Sauter und Wüsteney. 29 S. dazu insb. Kap. 4 § 1, daneben auch Kap. 5 und 6, jeweils § 1. 30 Vgl. dazu m. w. N. nur Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81b, Rn. 12a. 28
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Kap. 1: Einleitung und Gang der Arbeit
Datei beim BKA gespeichert ist, dieses aber den heutigen Qualitätsstandards nicht mehr entspricht und deshalb ein neues Muster gewonnen werden soll. Soweit ersichtlich hat sich in der Literatur nur Lellmann31 im Jahr 2013 tiefergehend mit der Zulässigkeit der Auftypisierung befasst. Je größer der Zeitraum zwischen der Einspeisung eines Musters in die DNA-Analyse-Datei und dem aktuellen Zeitpunkt, je älter ein gespeichertes Muster mithin ist, desto eher kommt eine Auftypisierung in Betracht. Es ist daher nicht verfehlt, davon zu sprechen, dass mit der Zeit der Frage nach der Zulässigkeit sog. Auftypisierungsbeschlüsse immer mehr an Bedeutung gewinnt. Daher widmet sich diese Untersuchung der Frage gesondert32. (2) Eine wirkliche Rechtfertigung für diese Arbeit liefert andererseits die Tatsache, dass zwar das Verhältnis von Datenschutz- und Strafverfahrensrecht bisher in abstrakter Weise Gegenstand einer vertieften juristischen Diskussion gewesen ist33, aber die konkreten Auswirkungen auf einzelne Ermächtigungsgrundlagen, zumindest auf die §§ 81e ff. StPO, nicht untersucht wurden34. Allzu häufig blieb es dabei, einen restriktiven Umgang mit datenschutzrechtlich relevanten Ermächtigungsgrundlagen mit Verweis auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung anzumahnen und einzufordern. „Datenschutz“ verkommt damit zu einem bloßen Argumentationstopos, warum eine Norm restriktiv oder weit auszulegen sein soll. (3) Mehr als dieser sicherlich auch richtige Ansatz hat das Datenschutzrecht aber Auswirkungen auf die ganz konkrete Rechtsanwendung. Das wird sich, um nur einige Beispiele zu nennen, im Bereich der Frage nach den Auswirkungen der JI-RL auf die Erhebung phänotypischer Merkmale35 ebenso zeigen wie bei der Frage nach Konsequenzen von Fehlern i. R. d. DNA-Reihenuntersuchung36. Eine unmittelbare Folge der JI-RL ist weiter eine komplette Überarbeitung des BKAG. Relevanz gewinnt dieses durch den Verweis in § 81g Abs. 5 StPO, den der Gesetzgeber bei der Novellierung des BKAG ebenso wie die Literatur bei der Kommentierung des § 81g StPO bisher weitgehend unberücksichtigt ließen. Die Untersuchung soll daher auch aufzeigen, welche Änderungen sich im Bereich der DNA-Analytik aufgrund der Novelle ergeben haben, obschon die Norm des § 81g StPO scheinbar nur geringfügige Änderungen erfahren hat37.
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Kriminalistik 2013, 112; aus dem Kommentar- und Handbuchliteratur aber inzwischen wenigstens rudimentär auch Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1709; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 1; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 39; Schmitt, in: MeyerGoßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 9; aus naturwissenschaftlicher Perspektive vgl. aber Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 275. 32 S. insb. Kap. 6 § 5 IV. 2. b) und a. a. O. 3. a). 33 Etwa in den Arbeiten von Ernst und Weichert. 34 Die Arbeit von Stumper verknüpft zwar datenschutzrechtliche Fragen mit dem Recht der DNA-Analyse, dies aber vor Einführung der §§ 81e ff. StPO. 35 S. dazu Kap. 4 § 2 I. 2. b) ff). 36 Dazu Kap. 5 § 6. 37 Dazu insb. Kap. 6 § 4.
§ 2 Untersuchungsgegenstand und Gang der Arbeit
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Vor dem Hintergrund der eingangs erwähnten Reformvorschläge und Gesetzesnovellierungen soll die vorliegende Untersuchung der Frage nachgehen, unter welchen Voraussetzungen und in welchen Grenzen DNA-Analytik im Strafverfahrensrecht de lege lata Verwendung findet. Datenschutzrechtliche Implikationen finden dabei besondere Berücksichtigung, sei es, weil sie in der JI-RL bzw. deren Umsetzung begründet sind, sei es, weil sie aus allgemeineren, datenschutzrechtlichen Erwägungen gespeist werden. Beachtung findet weiter der Aspekt des kriminalistischen Nutzens entsprechender Analysen. Freilich soll aber auch zu solchen gesetzlichen Unklarheiten Stellung genommen werden, die zwar schon Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung sind, gleichwohl aber noch nicht in befriedigender Weise durch diese beseitigt oder geklärt wurden. Nur am Rande gestreift werden soll allerdings die Bedeutung der DNA-Analyse im Wiederaufnahmeverfahren, das erst zum Ende der 19. Legislaturperiode im Jahr 2021 einer neuerlichen gesetzgeberischen Behandlung unterzogen wurde38, wenngleich die Reform insbesondere mit dem Beweiswert der DNA-Analyse begründet wurde39. Dies liegt daran, dass die Wiederaufnahme zugunsten eines Verurteilten (§ 359 Nr. 5 StPO) soweit als Argument für das laufende Strafverfahren von Bedeutung in dieser Arbeit behandelt wird40 und die Wiederaufnahme zuungunsten des Betroffenen (§ 362 Nr. 5 StPO n. F.) hiervon nur hinsichtlich der Voraussetzungen abweicht, sodass es eine gesonderte, ausführliche Behandlung nicht notwendig erscheint. Dasselbe gilt für die DNA-Analyse bei Toten, § 88 Abs. 1 S. 3 StPO. Jenseits der Tatsache, dass bei Toten Grundrechte naturgemäß zwar nicht keine, aber eine untergeordnete Rolle nur spielen, enthält § 88 Abs. 1 S. 3 StPO keine solche Besonderheiten, die es rechtfertigen würden, die Norm neben den §§ 81e ff. StPO gesondert zu beleuchten. Auch die datenschutzrechtliche Aufsicht bleibt außen vor, weil sie keine mit der DNA-Analyse zusammenhängenden Spezifika aufweist. Um die juristische Brisanz der Verwendung von DNA zu forensischen Zwecken ermitteln zu können, ist zunächst eine naturwissenschaftliche Betrachtung angezeigt. Dies wird sich als unerlässliche Vorarbeit erweisen, um später datenschutzrechtliche Belange bei der Untersuchung der §§ 81e ff. StPO angemessen berücksichtigen zu können. Denn nur, wenn aus naturwissenschaftlicher Sicht hinreichend bekannt ist, was Gegenstand des juristischen Instrumentes der DNA-Analyse ist, können eben jene datenschutzrechtlichen Belange kategorisiert, u. U. mit den Interessen der Strafverfolgung abgewogen und in das rechtliche System der Strafverfolgung eingebettet werden. In Kapitel 2 der Arbeit soll daher zunächst dargestellt werden, was Gegenstand einer molekulargenetischen Untersuchung ist und wie Erkenntnisse aus 38 Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung – Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten zuungunsten des Verurteilten gemäß § 362 StPO und zur Änderung der zivilrechtlichen Verjährung (Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit) v. 21. 12. 2021 (BGBl. I, S. 5252); ausführlich hierzu etwa Kubiciel, GA 2021, 380 ff.; Singelnstein, NJW 2022, 1058 ff. 39 Vgl. BT-Drucks. 19/30399, S. 1, 2, 9, 10. 40 Dazu Kap. 4 § 3 II. 2. b) bb).
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Kap. 1: Einleitung und Gang der Arbeit
der DNA gewonnen werden. Um einzelne Probleme bei der DNA-Analyse später beleuchten zu können, werden die allgemeinen datenschutzrechtlichen Implikationen beim Einsatz von DNA-Analysen für die Strafverfolgung in Kapitel 3 untersucht. Hierbei werden innerhalb der verschiedenen Rechtssysteme und Rechtsebenen die Vorgaben ermittelt, die es in concreto bei der Anwendung der strafprozessualen Regelungen zu beachten gilt. Sodann widmet sich Kapitel 4 der Frage, wie DNA in einem laufenden Strafverfahren Verwendung findet. Die Möglichkeit einer Untersuchung einer Gruppe von Personen, die noch gar nicht Beschuldigte zu sein brauchen41 (sog. Reihenuntersuchung nach § 81h StPO), weist Eigenheiten auf, die es rechtfertigen, diese in einer gesonderten Betrachtung zu analysieren (Kapitel 5). Sodann ist der Frage nachzugehen, DNA-Analysen in einem zukünftigen Strafverfahren fruchtbar gemacht werden können (Kapitel 6). Eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse und ein Ausblick schließen in Kapitel 7 die Arbeit.
41 Vgl. hier Jahn, JuS 2013, 470; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 2, 6 m. w. N.; Saliger/ Ademi, JuS 2008, 193 (195); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 1.
Kapitel 2
Die DNA aus naturwissenschaftlicher Sicht und ihre Rolle im Prozess Desoxyribonukleinsäure (engl. desoxyribonucleinacid, kurz DNA) wurde erstmals im Jahre 1944 durch MacLeod, Avery und McCarty als Träger der Erbinformation an Bakterien nachgewiesen1. Dass die DNA Trägerin der Erbinformation ist, bedeutet im Ergebnis nicht weniger, als dass sie für das gesamte Sein eines Lebewesens verantwortlich ist. Man könnte sie demnach auch als Grundbaustein des Lebens bezeichnen. Die Struktur der DNA wurde 1953 von Watson und Crick in einem Artikel graphisch dargestellt2. Diese Forschung war rein naturwissenschaftlich geprägt; Intentionen, die neuen Erkenntnisse zukünftig im forensischen Bereich verwenden zu können, fehlten. Für strafrechtliche Zwecke wurde erstmals 1984/85 in Großbritannien ein „genetischer Fingerabdruck“ durch den Genetikforscher Jeffreys eingesetzt3 : Er hatte entdeckt, dass mittels DNA die Identität einer Person mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann4. So gelang es zwar noch nicht, den gesuchten Mörder und Vergewaltiger als solchen festzustellen, gleichwohl konnte ein bisher Tatverdächtiger als Spurenverursacher ausgeschlossen werden5: Die Strafverfolgungsbehörden gingen aufgrund der Tatumstände zutreffend davon aus, dass zwei aufzuklärende Morde von demselben Mann begangen worden sein mussten; der Tatverdächtige gestand indes nur einen der Morde. Ein Vergleich der genetischen Fingerabdrücke der Spuren an den Opfern bestätigte, dass der Täter in beiden Fällen derselbe war. Ein zweiter Vergleich zwischen der Tatortspur und der DNA des
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Graw, S. 15, dort Tab. 1.1; Rademacher, StV 1989, 546; Renneberg/Renneberg, S. 146. Watson/Crick, Nature Vol. 171 [1953], 737 (737 f.); dazu Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 204; Karp, S. 502 ff.; Knippers, in: Nordheim/Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 29; Renneberg/Renneberg a. a. O.; Schmidt/Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 280. 3 Hohoff/Brinkmann, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 29; Pieper/Oesterreich, in: FS Wirth, 309; Schmidt/Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 283; Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (492). 4 Jeffreys/Wilson/Thein, Nature Vol. 314 [1985], 67 (67 ff.). 5 Renneberg/Renneberg, S. 171, Box 6.5; Satzger, JZ 2001,639 (640); Swoboda, StV 2013, 461, zum Fall ferner u. a. Klumpe, S. 49. 2
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Kap. 2: DNA aus naturwissenschaftlicher Sicht und ihre Rolle im Prozess
Tatverdächtigen ließ wegen zu großer Unterschiede den Tatverdächtigen als Täter trotz seines Geständnisses ausscheiden. Seitdem sind nicht nur die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von DNA-Analysen geändert worden, vielmehr ist auch die Naturwissenschaft fortgeschritten. Daher sollen im Folgenden die molekulargenetischen Grundlagen dargestellt werden, die benötigt werden, um die gesetzlichen Regelungen sachgerecht rechtlich untersuchen analysieren zu können.
§ 1 Aufbau und Struktur von DNA I. Chemisch-biologische Zusammensetzung von DNA DNA ist ein Molekül, welches die gesamte Erbinformation eines Lebewesens enthält6. Sie besteht aus zwei spiralförmig angeordneten Strängen aus Phosphat und Desoxyribose (sog. Doppelhelix)7. Desoxyribose ist ein Zuckermolekül, welches aus fünf Kohlenstoffatomen besteht (C1’ bis C5’)8. Am C5’-Atom ist die Desoxyribose mit Phosphat verknüpft9. Vier Basen sind an diesen Strängen angeordnet: Adenin und Guanin (Purinbasen), sowie Cytosin und Thymin (Pyrimidinbasen)10. Dabei verlaufen die jeweiligen Stränge antiparallel11. Dies hat zur Folge, dass eine Base am C3’-Atom angesiedelt ist, die verbundene Base aber am C5’-Atom12. Adenin korrespondiert dabei verbunden über zwei Wasserstoffbrücken mit Thymin, Cytosin bildet verknüpft über drei Wasserstoffbrücken ein Basenpaar mit Guanin13. Die Tatsache, dass stets Adenin und Thymin, sowie Cytosin und Guanin, also immer eine Purin- und eine Pyrimidinbase korrespondieren, nennt man komplementäre Ba6 Bär, Kriminalistik 1989, 313; Klumpe, S. 7; Penning, S. 167; Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 7; Schaaf/Zschocke, S. 7; Schneider, Kriminalistik 2005, 303. 7 Bär, Kriminalistik 1989, 313; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (64); Kotsoglou/Biedermann/ Vuille, ZStW 134 [2020], 891 (912, Fn. 111); Pommer, JA 2007, 621 (622); Schaaf/Zschocke, S. 8; Watson, S. 127; Wirth/Schmeling, S. 338. 8 Vgl. dazu Abb. 14.1. bei Schmidt/Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 281; Watson, S. 129. 9 Schmidt/Hummel a. a. O. 10 Bär, Kriminalistik 1989, 313; Beck, S. 50; Graw, S. 25; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (64); Kotsoglou/Biedermann/Vuille, ZStW 134 [2020], 891 (912, Fn. 111); Penning, S. 167; Poeggel/ Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 2; Teufel, S. 4; U. Wagner, S. 11. 11 Karp, S. 502; Müller-Esterl, S. 195; Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 5; Teufel, S. 4; Watson, S. 130. 12 Karp, S. 502; Müller-Esterl, S. 194; Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 5; Watson, S. 130. 13 Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (64); Schmidt/Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 281; Watson, S. 131.
§ 1 Aufbau und Struktur von DNA
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senpaarung14. Werden Zucker und eine Base am Strang verknüpft, spricht man von einem Nukleosid15. Die Verknüpfung des Nukleosids mit Phosphat bezeichnet man als Nukleotid16. Die Nukleotidabfolge an der Seite des Stranges stellt den „genetischen Code“ dar17. Durch jene Verknüpfungen entsteht das Bild einer Strickleiter18, einer Wendeltreppe19 oder eines Reisverschlusses20, wobei die verknüpften Basen die Sprossen der Leiter, die Stufen der Treppe bzw. die Zähne des Verschlusses darstellen. Aus diesen Informationen lassen sich zwei Feststellungen schließen: Zum einen ist die Adenin-Thymin-Verbindung aufgrund der geringeren Anzahl an Wasserstoffbrücken schwächer als die Cytosin-Guanin-Verknüpfung. Zweitens genügt zur Entschlüsselung die Kenntnis eines DNA-Stranges. Wegen des Prinzips der „komplementären Basenpaarung“ lässt der zweite sich aus dem ersten schlussfolgern21.
II. Chromosome als Träger der Erbinformation DNA ist in jeder menschlichen Zelle zu finden, die einen Zellkern besitzt22. Dies sind grundsätzlich alle menschlichen Zellen; eine Ausnahme bilden lediglich rote Blutkörperchen23. Die gesamte DNA befindet sich dabei u. a. in jedem Zellkern24 in Form der dort befindlichen Chromosome25. 14
Schaaf/Zschocke, S.8; Watson, S. 130 f. Horn, S. 78; Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 1; Watson, S. 128. 16 Horn, S. 79; Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 1; Teufel, S. 4; Watson, S. 128. 17 Müller-Esterl, S. 217, dort Abb. 18. 1; Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 5; Teufel, S. 4. 18 Beck, S. 49; Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 7; Kronberg/Soppa/Schultze, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 89; Rath/Brinkmann, NJW 1999, 2697; Schmitter/Herrmann/Pflug, MDR 1989, 402; Wirth/Schmeling, S. 338 f. 19 Knippers, in: Nordheim/Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 30. 20 Renneberg/Renneberg, S. 146. 21 Beck, S. 51; Teufel, S. 4; West, S. 26; Wirth/Schmeling, S. 339. 22 Bär, Kriminalistik 1989, 313; Burr, S. 18; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (64); Hother, S. 6; Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 8; Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 7; Schraml, S. 31. 23 Schneider, DuD 1998, 330; Teufel, S. 2; a. A. noch Foldenauer, S. 23. 24 Altendorfer, S. 3; Schmitter/Herrmann/Pflug, MDR 1989, 402; Wolf/Soppa, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 3. Daneben gibt es DNA ebenso in den Mitochondrien, anderen Bestandteilen der Zelle, DNA, vgl. Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 7; Schneider, Kriminalistik 2005, 303; Wolf/Soppa, a. a. O., S. 3 f. 25 Anslinger/Rolf/Eisenmenger, DRiZ 2005, 165, Henke/Hoffmann/Henke, in: Taschke/ Breidenstein (Hrsg.), Genomanalyse, 13 (17); Horn, S. 280; Kotsoglou/Biedermann/Vuille, ZStW 134 [2020], 891 (912). 15
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Kap. 2: DNA aus naturwissenschaftlicher Sicht und ihre Rolle im Prozess
Der gesamte DNA-Faden hätte aneinandergereiht eine Länge ca. von zwei Metern26. Um Platz zu sparen, wird er auf die Chromosome aufgewickelt27. Chromosome sind damit Träger des Erbguts. Der Mensch hat 23 Chromosomenpaare, insgesamt also 46 Chromosome28. Dabei entstammt ein Chromosom eines Paares von der Mutter, das andere vom Vater29. Von den 23 Chromosomenpaaren sind 22 geschlechtsunspezifisch (sog. Autosome), lediglich ein Paar unterscheidet sich bei Mann und Frau (sog. Gonosome oder Heterosome)30. Der Mann hat hier ein XChromosom und ein Y-Chromosom, die Frau zwei X-Chromosome31. Mittels einer Analyse der Chromosome kann damit das Geschlecht analysiert werden. Außerdem können Verwandtschaftsbeziehungen zurückverfolgt werden.
III. Codierende und nicht codierende Abschnitte der DNA Nicht nur im naturwissenschaftlichen Bereich, sondern auch in der juristischen Diskussion wird zwischen codierender und nicht codierender DNA unterschieden32. Der Anteil codierender Abschnitte – sog. Exons33 – an der gesamten DNA ist äußerst gering34. Im codierenden Bereich liegen die Informationen, die vererbt 26
Buselmaier/Tariverdian, S. 11; Horn, S. 280; Penning, S. 167; Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 9. 27 Horn, S. 282; Müller-Esterl, S. 26. 28 Buselmaier/Tariverdian, S. 96; Kollek, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 15; Kotsoglou/Biedermann/Vuille, ZStW 134 [2020], 891 (912); Schmidt/Hummel, in: Herrmann/ Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 283; Teufel, S. 2. 29 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 223; Horn, S. 282; Teufel, S. 2; Kotsoglou/Biedermann/ Vuille, ZStW 134 [2020], 891 (912); Schneider, DuD 1998, 330 (331). 30 Buselmaier/Tariverdian, S. 106; Horn, S. 282; Müller-Esterl, S. 197; Schmidt/Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 283; Schraml, S. 29. 31 Teufel, S. 2; Wirth/Schmeling, S. 338. 32 Vgl. hier nur BVerfG, NJW 1996, 771 (772 f.); NJW 1996, 3071 (3072); Altendorfer, S. 104 ff.; Burr, S. 107 ff.; Karioth, Die Polizei 1997, 195 (196); Klumpe, S. 131 ff.; Pommer, JA 2007, 621 (622); Warntjen, S. 182. Eine Beschränkung der Untersuchung auf nicht codierende Abschnitte verlangte die SPD-Fraktion, vgl. BT-Drucks. 12/3981, S. 2; ebenso Schaar, in: BTFraktion B’90/Grüne (Hrsg.), Genetischer Fingerabdruck, 17 (18). Ausführlich dazu unten Kap. 4 § 2 I. 2. 33 Buselmaier/Tariverdian, S. 8; Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 10; Schulz, JRE 7 [1999], 195 (205). 34 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 205; Hohoff/Brinkmann, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 29; Horn, S. 283; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 367; Patzelt/Baur/ Bertrams, in: Hdb. gerichtliche Medizin II, S. 992 und Penning, S. 167 gehen von einem Anteil i. H. v. 2 – 3 % aus, Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 9 weisen einen Anteil i. H. v. ca. 1,1 % aus; den größten Anteil i. H. v. 5 – 10 % skizzieren Foldenauer, S. 38; Jansen, ZIS 2020, 233; Kimmich/Spyra/Steinke, NStZ 1990, 318 (319); Precht, in: BTFraktion B’90/Grüne (Hrsg.), Genetischer Fingerabdruck, 29; Schmitter/Herrmann/Pflug, MDR 1989, 402 (403) und Satzger, JZ 2001, 639 (641).
§ 1 Aufbau und Struktur von DNA
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werden und den Menschen kennzeichnen, bspw. also Haar- oder Augenfarbe35. Dies liegt daran, dass für das Erscheinungsbild des Menschen die Gestaltung durch Proteine36 verantwortlich ist37. Die Herstellung von Proteinen, die sog. Proteinbiosynthese38 erfolgt im codierenden Bereich39. Informationen waren im nicht codierenden Bereich (sog. Introns40) bisher unbekannt. Ihm wurde keine Funktion zugewiesen41. Lediglich wurde festgestellt, dass der nicht codierende Bereich von Mensch zu Mensch höchst verschieden ist42. 1. Die Funktion von DNA im Organismus a) Die Entstehung des Organismus Das menschliche Leben entsteht durch Verschmelzung einer Spermazelle mit einer Eizelle, die so befruchtet wird43. Ausgangspunkt des Lebens ist also lediglich eine einzige Zelle. Ein erwachsener Mensch hat aber mehrere Billionen Zellen44. Der menschliche Organismus entsteht mithin durch Zellvermehrung. Dies geschieht durch Zellteilung45. Innerhalb dieses Vermehrungsprozesses spielt die DNA eine zentrale Rolle. Die DNA-Abschnitte, die letztendlich für die Herstellung neuer
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Beck, S. 54; Jansen, ZIS 2020, 233. Aus chemischer Sicht sind Proteine Moleküle, die aus Aminosäuren bestehen, vgl. Beck, S. 56; Buselmaier/Tariverdian, S. 32; Knippers, in: Nordheim/Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 57. 37 Beck, S. 57; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 205; Kaefer, Kriminalistik 2000, 210 (213). 38 Müller-Esterl, S. 217. 39 Kollek, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 15 (20); Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 21. 40 Buselmaier/Tariverdian, S. 8; Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 10; Schulz, JRE 7 [1999], 195 (205). 41 Satzger, JZ 2001, 639 (641) vergleicht diese Abschnitte mit „weißen, unbeschriebenen Flächen der Zeichnung“ eines Konstruktionsplans; Schneider, DuD 1998, 330 (331) spricht von „evolutionärem Ballast“ und hält es für ausgeschlossen, dass dort Informationen belegen sein könnten (DuD 1998, 460); vgl. auch Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 1, Rn. 93; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (64); Hombert, S. 39; Kollek, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 15 (20); Lorenz, JZ 2013, 1121 (1123); Menzel, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 4 (5); Rademacher, StV 1989, 546 (548); krit. dagegen bereits Hamm, DuD 1998, 457 (458). Zurückhaltender Eisenberg, Rn. 1683, der lediglich von DNA-Abschnitten spricht, denen bisher keine Funktion zugewiesen wurde; i. E. ebenso Wellbrock, CR 1989, 204 (207). 42 Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 269; Keil, S. 74 f.; Madea/Mußhoff/Tag, S. 317 f.; Menzel, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 4 (5); Rath, GSZ 2018, 67; Wellbrock, CR 1989, 204 (207). 43 Altendorfer, S. 2; Müller-Esterl, S. 423. 44 Altendorfer, S. 2; Burr, S. 18; Teufel, S. 2. 45 Horn, S. 298; Karp, S. 6; Kronberg/Soppa/Schultze, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 89. 36
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Kap. 2: DNA aus naturwissenschaftlicher Sicht und ihre Rolle im Prozess
Zellen in Form von Proteinen sind, nennt man Gene46. Der Mensch hat insgesamt 20.000 – 35.000 Gene, welche u. a. aus ca. drei Milliarden Basen bestehen47. Alle Gene zusammen bilden das Genom48. Um zu verdeutlichen, wie persönlichkeitsrelevant eine Analyse im codierenden DNA-Bereich sein könnte, soll im Folgenden die Funktion codierender DNA skizziert werden. b) Replikation Die DNA wird bei der Zellteilung dupliziert; diesen Prozess nennt man Replikation49. Dabei wird die Doppelhelix durch ein Enzym zunächst entwunden50 und dann durch ein anderes Enzym in zwei Einzelstränge aufgelöst51. Es entstehen sog. „Replikationsgabeln“52. Die Einzelstränge werden sodann durch das Enzym DNAPolymerase kopiert und die Kopien zu einer neuen Doppelhelix zusammengefügt53. Dabei wird je ein alter Strang mit einem neuen kombiniert54. Deshalb spricht man von einer semikonservativen Verdopplung55.
46 Müller-Esterl, S. 25; Nordheim, in: Nordheim/Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 286; Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 10; ausführlich zum Gen-Begriff Graw, S. 6 f. 47 Buselmaier/Tariverdian, S. 4; Hohoff/Brinkmann, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 29; Keil, S. 74; Kollek, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 15; Menzel, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 4 (5); Patzelt/Baur/Bertrams, in: Hdb. gerichtliche Medizin II, S. 991; Penning, S. 167; Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 9; Precht, in: BT-Fraktion B’90/Grüne (Hrsg.), Genetischer Fingerabdruck, 29; Schneider, DuD 1998, 330 (331); Teufel, S. 7; vgl. auch Tab. 2.7 bei Nethe-Jaenchen, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 87. Kollek, a. a. O., 15 (17 f.) geht von bis zu 45.000 Genen aus; Neuhaus, in: GS Schlüchter, 535 (541) von 50.000 Genen; Schneider, DuD 1998, 330 (331) von 100.000 Genen; Rogall, in: SKStPO I, § 81a StPO, Rn. 105 gar von bis zu 150.000 Genen. 48 Graw, S. 5; Horn, S. 280; Knippers, in: Nordheim/Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 1; Menzel, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 4 (5); Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 9; Schraml, S. 28; Teufel, S. 7, Wünschiers, S. 1. 49 Karp, S. 679; Kronberg/Soppa/Schultze, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 89; Schaaf/ Zschocke, S. 10; Teufel, S. 5. 50 Horn, S. 342; Teufel, S. 5. 51 Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 16; Teufel, S. 5. 52 Horn, S. 341; Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 18. 53 Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 16; Watson, S. 231. 54 Dröge, in: Nordheim/Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 164; Karp, S. 680; Kronberg/Soppa/Schultze, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 91. 55 Dröge, in: Nordheim/Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 164; Horn, S. 342; Kronberg/Soppa/Schultze, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 91; Teufel, S. 5.
§ 1 Aufbau und Struktur von DNA
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c) Transkription Sodann muss die neue DNA aber in die neue Zelle gelangen. Diesen Übertragungsvorgang nennt man Transkription56. Dabei wird die DNA zunächst in Ribonukleinsäure (RNA) umgeschrieben57. RNA ist Molekül, dass strukturell DNA ähnelt, sich aber in Struktur und chemischer Zusammensetzung unterscheidet58. Sie bringt die Informationen von der Ursprungszelle in die neue. Deshalb spricht man auch von Boten- bzw. m(essenger)-RNA59. d) Translation Aus den Informationen auf den Exons werden Proteine hergestellt (sog. Translation)60. Nicht benötigt werden dabei die Introns, sie werden nach der Umschreibung durch sog. Spleißen (engl. Splicing) abgetrennt61. Wie bereits erwähnt, sind Proteine Ketten aus Aminosäuren62. Der Charakter des Proteins bestimmt sich nach der Anzahl und der Reihenfolge der Aminosäuren63. Um also Proteine herzustellen, müssen Aminosäuren codiert werden. Dies geschieht durch die Basen an drei aufeinander folgenden Nukleotiden64. Man bezeichnet diese drei Basen als Triplett oder Codon65. Da es insgesamt vier Basen gibt und diese im Triplett an drei unterschiedlichen Stellen angeordnet sein können, gibt es mithin 43, insgesamt 64 Möglichkeiten66.
56 Vgl. Meister, in: Nordheim/Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 51; Poeggel/ Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 21. 57 Buselmaier/Tariverdian, S. 21; Schaaf/Zschocke, S. 10. 58 Im Gegensatz zu DNA bildet RNA eine Sauerstoff-Wasserstoffbrücke am C2’-Atom. Ferner enthält RNA nicht die Base Thymin, sondern Uracil. Außerdem liegt RNA nicht als Doppel-, sondern als Einzelstrang vor. Vgl. dazu Buselmaier/Tariverdian, S. 21; Müller-Esterl, S. 197. 59 Daneben gibt es noch weitere Formen von RNAwie z. B. tRNA oder rRNA, die nach ihrer Funktion benannt sind, s. dazu Buselmaier/Tariverdian, S. 29; Müller-Esterl, S. 25; Poeggel/ Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 6 f. und ausführlich zu allen RNAFormen Horn, S. 318 ff. 60 Schaaf/Zschocke, S. 11. 61 Buselmaier/Tariverdian, S. 9; Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 10, 24. 62 S. Fn. 36 (Kap. 2). 63 Vgl. Buselmaier/Tariverdian, S. 2; Knippers, in: Nordheim/Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 57. 64 Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 7 f.; Teufel, S. 4. 65 Müller-Esterl, S. 25; Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 7; Schaaf/Zschocke, S. 20. 66 Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 8; Teufel, S. 4.
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Kap. 2: DNA aus naturwissenschaftlicher Sicht und ihre Rolle im Prozess
Zusammengefasst codieren also drei Basen eine Aminosäure67. Insgesamt gibt es aber nur 20 Aminosäuren68. Daraus folgt, dass die letzte Base im Triplett variabel ist69. Variabel heißt, dass unabhängig von der letzten Base dieselbe Aminosäure codiert wird70. Kommt es zu Veränderungen an nicht variablen Stellen des Tripletts, wirkt sich dies auf die Aminosäuren aus; es entstehen Erkrankungen71. 2. Nicht codierende DNA als „evolutionärer Ballast“72 ? Weiter stellt sich die Frage, welche Funktion die Introns erfüllen. Der Ansicht, diese seien letzten Endes nichts anderes als ein unnützes Replik aus vergangenen Existenzformen des Menschen, ist entgegen getreten worden: Beck fragt zu Recht, wieso sich die Natur der beschriebenen komplizierten Verpackungstechnik bedienen sollte, wenn doch mindestens 90 Prozent des zu verpackenden Stoffes ohne Nutzen sind73 ? Teilweise wird spekuliert, diese Abschnitte böten Vorteile für evolutionäre Veränderungen74 ; teilweise wird angenommen, sie spielten eine Rolle bei dem Transport der RNA i. R. d. Transkription75. Gegen die Annahme, die nicht codierenden Abschnitte seien im Hinblick auf die Evolution vorteilhaft, wird aber vorgebracht, dass bei der Evolution nur solche Bestandteile des Organismus nicht verändert werden, die der Überlebensfähigkeit des Organismus dienten76. Wo aber soll bei kompletter Funktionslosigkeit der Vorteil liegen? Obschon die Funktion der Introns bis heute nicht befriedigend geklärt ist, kann von „unbeschriebenen Flächen einer Zeichnung“77 keine Rede mehr sein: 67 Z. B. codiert das Triplett Uracil, Guanin und Guanin (UGG) die Aminosäure Tryptophan, vgl. dazu Abb. 1.14. bei Buselmaier/Tariverdian, S. 29 und Abb. 1.5 bei Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 8 sowie Tab. 2.3 bei Schaaf/Zschocke, S. 21. 68 Buselmaier/Tariverdian, S. 1; Knippers, in: Nordheim/Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 57; Müller-Esterl, S. 25; Schaaf/Zschocke, S. 21; Teufel, S. 4. Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 8 gehen von 21 Aminosäuren aus. 69 Teufel, S. 5. Deutlich wird dies in Tab. 2.3 bei Schaaf/Zschocke, S. 21: Die ersten beiden Spalten sind hier stets feststehend, während in der dritten Spalte häufig mehrere oder gar alle Basen zu finden sind. 70 So codieren sowohl das Triplett Thymin, Thymin und Thymin (TTT) als auch das Triplett Thymin, Thymin und Cytosin (TTC) die Aminosäure Phenylalanin; s. Teufel, S. 5. 71 Teufel, S. 4. 72 Schneider, DuD 1998, 330 (331). 73 Beck, S. 59; krit. auch bereits Hamm, DuD 1998, 457 (458); Ronellenfitsch, NJW 2006, 32 (324); Schewe; JR 2006, 181 (182). Schmitter/Herrmann/Pflug, MDR 1989, 402 (403) sprechen diesbezüglich von einer „oberflächliche[n] Betrachtung“. 74 Buselmaier/Tariverdian, S. 9. 75 Horn, S. 284. 76 Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 13; ähnlich Watson, S. 177. 77 Satzger, JZ 2001, 639 (641).
§ 1 Aufbau und Struktur von DNA
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Vorweggenommen sei, dass die DNA-Analyse in Deutschland bis Ende des Jahres 2019 nur im nicht codierenden Bereich erfolgte, obschon der Gesetzeswortlaut dies nicht gebot78. In diesem werden spezielle Abschnitte eines Genes i. R. d. DNAAnalyse betrachtet, die man Marker nennt79. Unter anderem wird in Deutschland der sog. TH01-Marker analysiert80. Der Defekt des Gens, auf dem er liegt, löst Erkrankungen aus81. Als Krankheiten kommen insbesondere der plötzliche Kindstod und das überproportionale Risiko, einen Herzinfarkt in einem Alter von unter 60 Jahren zu erleiden, in Betracht82. Darüber hinaus könnten möglicherweise auch andere, nicht codierende Genbereiche Aufschluss über Krankheiten liefern83. Dies kann dadurch geschehen, dass von einem nicht codierenden Bereich auf ein benachbartes Gen geschlossen werden kann. Man spricht dann von „Kopplung“84. Wenngleich also immer noch Unklarheit über die Funktion der Introns besteht, die es legitimiert, von „evolutionärem Ballast“85 zu sprechen, so geht die Annahme fehl, von „weißen, unbeschriebenen Flächen einer Zeichnung“86 auszugehen. Hamms 78 BT-Drucks. 13/667, S. 6; Krause in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 25; Rogall in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 6. Anslinger/Rolf/Eisenmenger, DRiZ 2005, 165 meinen aber ein solches Gebot § 81 StPO entnehmen zu können, obwohl § 81 StPO in seiner damaligen Fassung diesen Rechtskomplex nicht behandelte; i. E. ebenso Penning, S. 167; widersprüchlich auch Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (64 f.), die hinsichtlich § 81g StPO auf S. 64 vertritt, es gäbe eine gesetzliche Normierung eines Verbots einer entsprechenden Untersuchung, während sie auf S. 65 bemerkt, eine Beschränkung läge gerade nicht vor. 79 Müller-Esterl, S. 315; Precht, in: BT-Fraktion B’90/Grüne (Hrsg.), Genetischer Fingerabdruck, 29; Renneberg/Renneberg, S. 173; Siemens/Soppa, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 498; Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (493). 80 Altendorfer, S. 180; Beck, S. 114 ff.; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 218; de Vries, Kriminalistik 2013, 169 (170), dort Tab. 1; Hohoff/Brinkmann, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 29 (35); Madea/Mußhoff/Tag, S. 320; Rath/Brinkmann, NJW 1999, 2697 (2701); Schmidt/Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 288; Schneider, Kriminalistik 2005, 303 (304); Weihser/Gerhard, Kriminalistik 1996, 648 (649); Wirth/Schmeling, S. 342; explizit anders noch Schneider, DuD 1998, 330 (332). 81 Beck, S. 115 f.; dies., KriPoZ 2017, 50 (55) m. w. N. 82 Beck, S. 115 f. 83 Nach Härtel, ZG 2005, 300 (305 f.); Hero, S. 55; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (64); Krehl/ Kolz, StV 2004, 447 (448); Vath, S. 33 könnten Anhaltspunkte für die Krankheit Trisomie 21 (sog. Down-Syndrom) im nicht codierenden DNA-Bereich gefunden werden. Schubert/Gerlach, RuP 2005, 79 (82) weisen auf Anzeichen für Trisomie 21, Diabetes und das Klinefelter Syndrom hin; Vesting/Müller, KJ 29 [1996], 466 (478) wollen myotone Dystrophie (sog. Muskelschwund) im nicht codierenden Bereich erkennen; Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (37) verweist auf Diabetes, Schizophrenie und numerische Chromosomenanomalien; allgemein dazu Jansen, ZIS 2020, 233 (236); Lütkes/Bäumler, ZRP 2004, 87 (88), Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 109 und Ronellenfitsch, NJW 2006, 321 (324). 84 BT-Drucks. 13/667, S. 6; Anslinger/Rolf/Eisenmenger, DRiZ 2005, 165 (167); Antonow, S. 155; Burr, S. 22, Fn. 81 m. w. N.; Eisenberg, Rn. 1683a; Klumpe, in: Taschke/Breidenstein (Hrsg.), Genomanalyse, 48 (49); Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (493); Zöller/Thörnich, ZIS 2017, 331 (333). 85 Schneider, DuD 1998, 330 (331). 86 Satzger, JZ 2001, 639 (641).
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Kap. 2: DNA aus naturwissenschaftlicher Sicht und ihre Rolle im Prozess
Prognose aus dem Jahre 1998, die „stummen Daten“ vermöchten eines Tages zu sprechen87, hat sich bewahrheitet: Sie sprechen, wenngleich in einer momentan noch nicht vollends verständlichen Sprache – dies aber über äußerst persönlichkeitsrelevante Informationen.
§ 2 Geeignete Untersuchungsgegenstände I. Der „genetische Fingerabdruck“ Als genetischer Fingerabdruck wird umgangssprachlich das bezeichnet, was in den §§ 81e ff. StPO DNA-Identifizierungsmuster heißt88. Betrachtet man, was genau analysiert wird, so erscheint der Terminus des „genetischen Fingerabdrucks“ zumindest irreführend89. In der DNA finden sich Abschnitte, welche sich durch eine Wiederholung der an den Strängen befindlichen Basen auszeichnen und deshalb als (hoch-)repetitive DNA bezeichnet werden90. Die Reihenfolge der Basen an den Strängen der DNA nennt man Sequenz91. Länge und Reihenfolge der Sequenzen unterscheiden sich bei jedem Menschen92. In Anlehnung an den Fingerabdruck im klassischen Sinne wird deshalb vom „genetischen Fingerabdruck“ gesprochen, wenngleich eine Analyse von Genen zur Herstellung des „genetischen Fingerabdrucks“ gar nicht vonnöten ist. Manche dieser DNA-Abschnitte sind sog. VNTR-Regionen (engl. variable number of tandem repeats) oder Minisatelliten93. Aus den Untersuchungen ver87 Hamm, DuD 1998, 457 (458); dies zu bedenken gab bereits Dix, DuD 1993, 281 (282); ebenso krit. Altendorfer, S. 104. 88 Grübler, in: Wirth (Hrsg.), Kriminalistik-Lexikon, s. v. Genetischer Fingerabdruck; krit. zu diesem Begriff allerdings Kotsoglou/Biedermann/Vuille, ZStW 134 [2020], 891 (911 f.). 89 Ebenso krit. Henke/Schmitter, MDR 1989, 404; Roll, in: Hdb. Kriminalistik, Kap. X, Rn. 67; Wirth, in: ders. (Hrsg.), Kriminalistik-Lexikon, s. v. DNS-Analyse; ders./Schmeling, S. 340 f.; a. A. Karioth, Die Polizei 1997, 195. Brinkmann/Wiegand, Kriminalistik 1993, 191 differenzieren bzgl. der Verwendung der Termini nach der gewählten Untersuchungsart. 90 Bär, Kriminalistik 1989, 313; Keil, S. 74; Nethe-Jaenchen, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 70; Penning, S. 167; Rath/Brinkmann, NJW 1999, 2697; Schaaf/Zschocke, S. 14; Watson, S. 177; Wirth/Schmeling, S. 340. 91 Kimmich/Spyra/Steinke, NStZ 1990, 318 (319); Wirth, in: ders. (Hrsg.), KriminalistikLexikon, s. v. DNS. 92 Buselmaier/Tariverdian, S. 381; Pommer, JA 2006, 621 (622); Schneider, Kriminalistik 2005, 303 (304). 93 Bär, Kriminalistik 1989, 313; Benecke, Kriminalistik 1996, 481 (482); Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 1, Rn. 140; Nethe-Jaenchen, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 72; Patzelt/ Baur/Bertrams, in: Hdb. gerichtliche Medizin II, S. 992; Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 12; Rath/Brinkmann, NJW 1999, 2697; a. A. aber Nordheim, in: Nordheim/Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 303, der Minisatelliten auch zu den STRRegionen zählt.
§ 2 Geeignete Untersuchungsgegenstände
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schiedener VNTR-Regionen lässt sich ein „DNA-Profil“ erstellen94. VNTR-Regionen enthalten zwischen 100 und 15.000 Baasenpaare und wurden zu Beginn der Verwendung von DNA-Analyse zu Strafverfolgungszwecken eingesetzt95. Eine solch große Zahl ist zur Identifikation aber nicht mehr notwendig96. Daher werden heute in der Forensik STR-Regionen (short tandem repeats) analysiert, die man auch Mikrosatelliten nennt97. Sie enthalten nur 20 bis 350 Baasenpaare98. Zur sicheren Identifikation werden mehrere Mikrosatelliten analysiert, die auf verschiedenen Chromosomen liegen99. Heute werden insgesamt 17 solcher STR-Systeme analysiert100. Analysiert wird die Anzahl der Wiederholungen pro Allel101; dargestellt wird dies durch zwei Zahlen102.
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Beck, S. 63. Brinkmann/Wiegand, Kriminalistik 1993, 191; Buselmaier/Tariverdian, S. 381 f.; Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 12; Schaaf/Zschocke, S. 15. 96 Madea/Mußhoff/Tag, S. 317; Rath/Brinkmann, NJW 1999, 2697 (2698); Schmidt/ Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 284; in diese Richtung bereits Henke/Schmitter, in: Taschke/Breidenstein (Hrsg.), Genomanalyse, 32 (40); anders noch bei Karp, S. 515, Abb. 10.20 und Schmitter/Herrmann/Pflug, in: Taschke/Breidenstein (Hrsg.), Genomanalyse, 41 (43). 97 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 216; Buselmaier/Tariverdian, S. 382; Hohoff/Brinkmann, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 29 (29 f.); Keil, S. 74; Kotsoglou/Biedermann/Vuille, ZStW 134 [2020], 891 (892); Nordheim, in: Nordheim/Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 303; Madea/Mußhoff/Tag, S. 317 f.; Patzelt/Baur/Bertrams, in: Hdb. gerichtliche Medizin II, S. 1008; Penning, S. 171; Rath/Brinkmann, NJW 1999, 2697 (2698); Roll, in: Hdb. Kriminalistik, Kap. X, Rn. 68; Schneider, Kriminalistik 2005, 303 (304); Verhoff/Heidorn, Der Kriminalist 2006, 119; Wiegand/Kleiber/Brinkmann, Kriminalistik 1996, 720; Wirth, in: ders. (Hrsg.), Kriminalistik-Lexikon, s. v. DNS-Analyse; ders./Schmeling, S. 340. 98 Vgl. Keil, S. 75; Madea/Mußhoff/Tag, S. 318; Poeggel/Meitinger, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 12; Zimmer, S. 45; a. A. Hohoff/Brinkmann, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 29 (30), die von einem bis sieben Paaren ausgehen. 99 Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 270, vgl. auch Tab. 9 – 5 bei Madea/Mußhoff/Tag, S. 321 und Verhoff/Heidorn, Der Kriminalist 2006, 119. 100 Dies bestätigte auf Anfrage Herr Dr. Rasmus Förster, Diplom-Biologe und Leiter des Fachbereichs 230 für molekulargenetische Untersuchungen beim Kriminaltechnischen Institut des LKA Stuttgart; vgl. auch den Überblick bei LG Freiburg, Beschl. v. 30. 07. 2013 – 2 Qs 12/ 12, Rn. 7; für 16 Keil, S. 77; Wirth, in: ders. (Hrsg.), Kriminalistik-Lexikon, s. v. DNS-Analyse; ders./Schmeling, S. 342; für 13 noch s. Auskunft des BKA auf dessen Homepage, https://www. bka.de/DE/UnsereAufgaben/Ermittlungsunterstuetzung/DNA-Analyse/dna-analyse_node.html (abgerufen am 18. 04. 2019). Zur historischen Entwicklung Schneider/Schneider/Fimmers/ Brinkmann, NStZ 2010, 433 (434); anders noch bei Hohoff/Brinkmann, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 29 (35). Laut Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (493) wurden 2017 bereits 30 Marker analysiert. Nach Grübler, in: Wirth (Hrsg.), Kriminalistik-Lexikon, s. v. DNS-Identifizierungsmuster sind es 16 bis 22 Marker 101 Allele sind Variationen von Genabschnitten, die stets an derselben Stelle der Chromosome liegen, Graw, S. 3, 799; Horn, S. 284; Teufel, S. 7. Da jedes Chromosomenpaar aus einem väterlichen und einem mütterlichen Teil besteht, hat jeder Mensch von einer Sorte je ein Allel vom Vater und eines von der Mutter; vgl. Graw, S. 7; Hohoff/Brinkmann, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 29 (32); Penning, S. 167. 95
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Kap. 2: DNA aus naturwissenschaftlicher Sicht und ihre Rolle im Prozess
Diese Regionen findet man sowohl auf den Introns – also in den Genen – als auch auf extragener DNA103. Der „genetische Fingerabdruck“ ist nicht zwingend genetisch. Ebenso wenig ist jede DNA-Analyse eine „Gen-Analyse“104. Obschon dieser Begriff daher zukünftig keine Verwendung mehr finden sollte, lässt sich festhalten, dass der nicht codierende DNA-Bereich für die Identifikation einer Person und damit vor allem für die Strafverfolgung105 hervorragend geeignet ist.
II. mt-DNA als Untersuchungsgegenstand Der Großteil der DNA befindet sich wie erwähnt in den Zellkernen; jedoch gibt es auch DNA in den Mitochondrien106. Mitochondrien sind für die Energieversorgung in den Zellen verantwortlich und werden deshalb als „Kraftwerke der Zellen“ bezeichnet107. Die in den Mitochondrien enthaltene DNA nennt man mt-DNA108. Chemisch gleich der Kern-DNA, hat mt-DNA aber nur etwas mehr als 16.500 Basen109. Für forensische Zwecke weist die mt-DNA einen Nachteil auf: Weil Spermien ausschließlich Kern-DNA enthalten, entspricht die mt-DNA eines Menschen stets genau der Mutter-DNA110. Eine Identifikation ist damit nicht unter Ausschluss aller 102 Vgl. de Vries, Kriminalistik 2013, 680 (681), Tab. 1; Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 271, Tab. 14.1. 103 Zimmer, S. 45, vgl. auch Abb. 11.1 – 1. bei Patzelt/Baur/Bertrams, in: Hdb. gerichtliche Medizin II, S. 992. 104 S. bereits LG Heilbronn, NJW 1990, 784 (786); Precht, in: BT-Fraktion B’90/Grüne (Hrsg.), Genetischer Fingerabdruck, 29. 105 Zu anderen Einsatzfeldern wie bspw. Abstammungsforschung und Versicherungswesen s. Ronellenfitsch, NJW 2006, 321 (324) und Vesting/Müller, KJ 29 [1996], 466 (472 ff.). 106 Vgl. dazu bereits Fn. 41. 107 Anslinger/Rolf/Eisenmenger, DRiZ 2005, 165; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 202; Hohoff/Brinkmann, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 29; Knippers, in: Nordheim/Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 422; Müller-Esterl, S. 581; Schneider, Kriminalistik 2005, 303; Schraml, S. 31. 108 Anslinger/Rolf/Eisenmenger, DRiZ 2005, 165; Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 270; Groten/ Schmelz, Kriminalistik 2019, 358 ff.; Schaaf/Zschocke, S. 37; Schraml, S. 31. 109 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 262; Buselmaier/Tariverdian, S. 52; Graw, S. 171 f.; Hohoff/Brinkmann, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 29; Keil, S. 75; Knippers, in: Nordheim/Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 424; Patzelt/Baur/Bertrams, in: Hdb. gerichtliche Medizin II, S. 992; Penning, S. 168; Schmidt/Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 292; Wirth/Schmeling, S. 340. Vgl. dazu und zu anderen zentralen Unterschieden von Kern- und mt-DNA die Tab. 2.4 bei Schaaf/Zschocke, S. 38. 110 Eisenberg, Rn. 1906; Knippers, in: Nordheim/Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 424; Renneberg/Renneberg, S. 173; Schmidt/Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 292; Wirth/Schmeling, S. 340, 345. Vgl. dazu auch Penning, S. 172.
§ 2 Geeignete Untersuchungsgegenstände
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übrigen Menschen möglich; gleichwohl kann mt-DNA gerade deshalb für Abstammungsfragen von besonderem Interesse sein. Festzuhalten gilt es, dass menschliche Zellen nur einen Zellkern enthalten, dafür aber tausende Mitochondrien111. Sollte zur Untersuchung keine Kern-DNA zur Verfügung stehen112, kann mt-DNA deshalb auch in der Forensik einen tauglichen Untersuchungsgegenstand darstellen113.
III. Beschaffenheit des Untersuchungsgegenstands In der Praxis liegt DNA nur selten in einwandfreier Form vor. Dies gilt schon allein deshalb, weil Ausgangspunkt strafrechtlicher Ermittlung selten eine DNAProbe eines bekannten Spurenlegers ist. Vielmehr ist Anknüpfungspunkt am Tatort gefundenes Material, das der Einwirkung von Mensch und Natur ausgesetzt ist und dementsprechend degradiert sein kann114. Diese Spur kann bemerkt oder unbemerkt gelegt worden sein. Man denke einerseits an den Blutverlust eines durch Abwehrhandlungen verletzten Gewalttäters oder anderseits an das am Tatort verlorene Haar. Sie kann beabsichtigt hinterlassen werden (etwa durch das Wegwerfen eines Zigarettenrestes115) oder unbeabsichtigt (etwa durch ungeschütztes Anfassen des Tatortes; selbst ein starker Händedruck hinterlässt DNA116). Früher waren die Strafverfolgungsbehörden darauf angewiesen, eine große Menge an gut erhaltenem DNA-Material aufzufinden117. Das ist heute nicht mehr notwendig118. So kann die Naturwissenschaft auch kleinste Mengen DNA expo111 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 262; Knippers, in: Nordheim/Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 422; Penning, S. 171; Schaaf/Zschocke, S. 38; Wirth/Schmeling, S. 340, 344. 112 Dies kann insbesondere bei altem Material geschehen. So wurde die russische Herrscherfamilie 77 Jahre nach ihrer Ermordung im Jahre 1918 mittels mt-DNA-Analysen identifiziert, vgl. Buselmaier/Tariverdian, S. 381; Knippers, in: Nordheim/Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 430, dort Plus 19.2. Außerdem ist eine mt-DNA-Analyse angezeigt, wenn im Untersuchungsgegenstand keine Kern-DNA vorhanden ist, so z. B. bei Haaren ohne Haarwurzel. Vgl. dazu BGHSt 54, 15 (21); 56, 72 (73); Anslinger/Rolf/Eisenmenger, DRiZ 2005, 165 (167); Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 270, 235; Keil, S. 75; Madea/Mußhoff/Tag, S. 319; Verhoff/Heidorn, Der Kriminalist 2006, 119 (121); Wirth, in: ders. (Hrsg.), Kriminalistik-Lexikon, s. v. DNS-Analyse; ders./Schmeling, S. 345; Zimmer, S. 44 f. 113 Ausführlich hierzu Groten/Schmelz, Kriminalistik 2019, 358 ff. 114 Biedermann/Vuille, Kriminalistik 2014, 169 (170); Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 269. 115 Nach Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 275 werden Zigarettenstummel in der Praxis sehr häufig in Tatortnähe gefunden. 116 Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 109; Gronke/Gronke, NStZ 2021, 141 (145). 117 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 274; Brinkmann/Wiegand, Kriminalistik 1993, 191. 118 So auch Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 274; Müller-Esterl, S. 289, vgl. dort Exkurs 22.4.
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Kap. 2: DNA aus naturwissenschaftlicher Sicht und ihre Rolle im Prozess
nentiell vervielfältigen119. Die aufgefundene DNA kann auch in degradiertem Zustand analysiert werden, ferner kommt eine Reinigung in Betracht120. Von großem Vorteil ist aber, wenn Kern-DNA vorhanden ist. Da aber wie aufgezeigt mtDNA ebenfalls ein geeigneter Untersuchungsgegenstand ist, ist selbst altes Material inzwischen tauglicher Untersuchungsgegenstand121. Es lässt sich im Ergebnis festhalten, dass heute auch kleinste Mengen stark generierter DNA fruchtbarer Ausgangspunkt von Strafverfolgung sein können. Nicht zuletzt deshalb sind Einschätzungen wie „kriminalistische Wunderwaffe“122 zumindest nicht gänzlich verfehlt.
§ 3 Das Untersuchungsverfahren Den Strafverfolgungsbehörden steht in der Regel zu Beginn ihrer Ermittlung nur wenig DNA zur Verfügung123. Diese geringe Menge liegt freilich nicht in Reinform vor, sondern so, wie sie dem Betrachter prima facie erscheint: Als Blutspur, als Knochen, als Haar etc. Die Strafverfolgungsbehörden sind deshalb mit der Aufgabe konfrontiert, das verfügbare Material so aufzubereiten, dass eine forensische DNA-Analyse möglich wird. Dabei wird folgender Dreischritt vollzogen124 :
I. DNA-Extraktion Zunächst wird durch den Einsatz von Chemikalien die DNA von den anderen Bestandteilen des Untersuchungsgegenstandes herausgelöst (Extraktion)125. Es gibt
119 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 236; Graw, S. 49, dort Technikbox 4; Henke/Hoffmann/ Henke, in: Taschke/Breidenstein (Hrsg.), Genomanalyse, 13 (26); Knippers, in: Nordheim/ Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 531; Schmidt/Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 304; Schaaf/Zschocke, S. 199 f.; Teufel, S. 37; Watson, S. 818; Zimmer, S. 45. 120 Wirth/Schmeling, S. 342. 121 S. dazu oben Kap. 1 § 2 II. 122 Vgl. Hermann, in: 10 Jahre GenStA Naumburg, 85; Satzger, JZ 2001, 639 (640 et passim); U. Wagner, S. 1. 123 Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 269; Keller, JZ 1993, 102 (104). 124 Beck, S. 64. 125 Madea/Mußhoff/Tag, S. 320; Schmidt/Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 295; Wiegand/Kleiber/Brinkmann, Kriminalistik 1996, 720; Wirth/Schmeling, S. 341.
§ 3 Das Untersuchungsverfahren
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mehrere Möglichkeiten, die je nach Beschaffenheit des Untersuchungsgegenstandes zum Einsatz kommen126.
II. DNA-Amplifikation Die so gewonnene Menge an DNA reicht für die Zwecke der Strafverfolgung in der Regel aber nicht aus. Deshalb gilt es, die gewonnene DNA zu vervielfältigen. Der Fachbegriff lautet Amplifizierung oder Amplifikation127. Der Amplifikationszyklus folgt seinerseits einem Dreischritt128 : Am Anfang der Amplifizierung steht die Auflösung des Doppelstrangs in zwei Einzelstränge129. Dies geschieht durch Hitze (90 8C bis 95 8C), die die Wasserstoffbrücken zwischen den Basen auflöst130. Man spricht von Denaturierung131. Sodann müssen die entstandenen Einzelstränge auf 37 8C bis 70 8C abkühlen132. Der Teil der DNA, der amplifiziert werden soll, wird nun mit sog. Primern gekennzeichnet133. Primer sind DNA-Fragmente, die den Bereich abstecken, der verdoppelt werden soll134. Sie dienen sozusagen als Start- und Endpunkte. Diesen Teil der Amplifizierung nennt man Annealing135.
126 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 233; Madea/Mußhoff/Tag, S. 320; Schmidt/Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 295; zu den einzelnen Methoden s. Keil, S. 76; Madea/Mußhoff/Tag a. a. O.; Schmidt/Hummel, a. a. O., S. 295 ff. 127 Buselmaier/Tariverdian, S. 37; Graw, S. 49, dort Technikbox 4; Patzelt/Baur/Bertrams, in: Hdb. gerichtliche Medizin II, S. 998; Weihser/Gerhard, Kriminalistik 1996, 648 (649); Wiegand/Kleiber/Brinkmann, Kriminalistik 1996, 720; Wirth/Schmeling, S. 341. 128 Schaaf/Zschocke, S. 200; Penning, S. 169; Teufel, S. 37. Zum Folgenden instruktiv auch Keil, S. 76 f. 129 Holinski-Feder, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 105; Madea/Mußhoff/Tag, S. 321; Teufel, S. 37; Watson, S. 818. 130 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 235; Graw, S. 49, dort Technikbox 4; Karp, S. 963; Knippers, in: Nordheim/Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 531; Müller-Esterl, S. 287; Schmidt/Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 304; Teufel, S. 37. 131 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 235; Holinski-Feder, in: Murken u. a. (Hrsg.), Humangenetik, S. 105; Penning, S. 169; Schaaf/Zschocke, S. 200; Schmidt/Hummel, in: Herrmann/ Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 304; Watson, S. 818. 132 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 235; Graw, S. 49, dort Technikbox 4; Karp, S. 963; Madea/Mußhoff/Tag, S. 321; Müller-Esterl, S. 287; Siemens/Soppa, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 485. Die genaue Temperatur hängt hauptsächlich von der Länge der zu synthetisierenden Sequenzen ab, s. dazu Siemens/Soppa a. a. O. 133 Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 269, vgl. Schaaf/Zschocke, S. 200; Watson, S. 818. 134 Benecke, Kriminalistik 1996, 481 (482); Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 235; Graw, S. 49, dort Technikbox 4; Penning, S. 169; Teufel, S. 36; vgl. Watson, S. 818. 135 Schaaf/Zschocke, S. 200; Schmidt/Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 304; Siemens/Soppa, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 485.
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Kap. 2: DNA aus naturwissenschaftlicher Sicht und ihre Rolle im Prozess
Nach einer erneuten Erhitzung auf ca. 72 8C wird durch das Enzym Polymerase der Gegenstrang des vorliegenden Einzelstrangs in dem durch die Primer abgesteckten Bereich gebildet136. Dies ist wegen des dargestellten Grundsatzes der komplementären Basenpaarung möglich. Elongation oder Polymerisation wird dieser Prozess genannt137. Am Ende sind aus einer Doppelhelix nach erneuter Verflechtung der Einzelstränge somit zwei Doppelhelices hervorgegangen. Dieses Verfahren kann beliebig oft wiederholt werden. Pro Durchgang verdoppelt sich die Anzahl der Doppelhelices138. Deshalb und wegen des Einsatzes von Polymerase spricht man von „Polymerase-Kettenreaktion“ bzw. PCR-Verfahren (PCR von engl. polymerase chain reaction)139. Im Ergebnis lässt sich damit festhalten, dass durch das PCR-Verfahren die Naturwissenschaft in vitro so verfährt und das erzeugt, wie und was die Natur durch die Replikation in vivo erschafft.
III. DNA-Analyse Damit steht nun genügend analysierbares Material zur Verfügung. Eine Aussage kann daraus freilich noch nicht geschlussfolgert werden. 1. RFLP-Verfahren In der Vergangenheit wurden wie dargestellt VNTR-Regionen zu Strafverfolgungszwecken analysiert. Man bediente sich dazu des sog. RFLP-Analyse-Verfahrens140. Dabei wurde der DNA-Doppelstang zerschnitten und sodann mittels elektrischer Teilchen die Länge der einzelnen Fragmente bestimmt141. 136 Karp, S. 963; Schmidt/Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 304; Siemens/Soppa, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 485; Teufel, S. 37. 137 Müller-Esterl, S. 287; Schaaf/Zschocke, S. 200; Schmidt/Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 304; Siemens/Soppa, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 485; Teufel, S. 37. 138 Henke/Hoffmann/Henke, in: Taschke/Breidenstein (Hrsg.), Genomanalyse, 13 (26); Karp, S. 963; Madea/Mußhoff/Tag, S. 320. 139 Benecke, Kriminalistik 1996, 481 (482); Hohoff/Brinkmann, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 29 (30); Karp, S. 963; Keller, JZ 1993, 102 (104); Knippers, in: Nordheim/ Knippers (Hrsg.), Molekulare Genetik, S. 531; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 367; Penning, S. 169; Pieper/Oesterreich, in: FS Wirth, 309 (310); Siemens/Soppa, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 484; Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (492); Teufel, S. 36 f.; Watson, S. 818; Weihser/Gerhard, Kriminalistik 1996, 648 (649); Wiegand/Kleiber/Brinkmann, Kriminalistik 1996, 720; Wirth/Schmeling, S. 341. 140 Bär, Kriminalistik 1989, 313; Benecke, Kriminalistik 1996, 481 (482); Buselmaier/ Tariverdian, S. 39; Henke/Hoffmann/Henke, in: Taschke/Breidenstein (Hrsg.), Genomanalyse,
§ 3 Das Untersuchungsverfahren
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Dieses Verfahren wies indes drei signifikante Nachteile auf: Einerseits bedurfte es einer großen Menge an Spurmaterial142, da VTNR-Regionen eine enorme Anzahl an Basen haben. Diese stand und steht in der Praxis nicht zur Verfügung. Außerdem ist die Wirkung von Polymerase begrenzt; ab einer gewissen Länge bricht die Herstellung des neuen Stranges ab143. Zweitens bedarf es zur Generierung des zweiten DNA-Stranges eines chemisch oder radioaktiv markierten einzelnen DNA-Strangs, den man Sonde nennt144. Es kamen Sonden zum Einsatz, die an mehreren Stellen andockten, sog. Multi-LocusSonden145. Diese eigneten sich allerdings nicht für die Auswertung von degradiertem Material und Mischspuren146 – also von Spuren, die von mehreren Spurenlegern verursacht wurde und die in der Praxis häufig vorliegen147. Weiter ist das RFLP-Verfahren sehr aufwendig, seine Durchführung braucht mehrere Wochen148. 2. Modernes Analyse-Verfahren Auch deshalb werden heute sog. STR-Regionen analysiert. Hier wird letzten Endes auch mittels elektrischer Teilchen ein durch Computer hergestelltes Muster
13 (23); Schmidt/Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 284; Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (492); Teufel, S. 35. 141 Vgl. dazu Überblick bei Henke/Hoffmann/Henke, in: Taschke/Breidenstein (Hrsg.), Genomanalyse, 13 (23 f.) und Teufel, S. 34 f. 142 Altendorfer, S. 40; Benecke, Kriminalistik 1996, 481 (482); Buselmaier/Tariverdian, S. 385; Brinkmann/Wiegand, Kriminalistik 1993, 191; Henke/Hoffmann/Henke, in: Taschke/ Breidenstein (Hrsg.), Genomanalyse, 13 (25); Pieper/Oesterreich, in: FS Wirth, 309 (310); Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (492); Wiegand/Kleiber/Brinkmann, Kriminalistik 1996, 720. 143 Vgl. Patzelt/Baur/Bertrams, in: Hdb. gerichtliche Medizin II, S. 999. 144 Bär, Kriminalistik 1989, 313 (314); Benecke, Kriminalistik 1996, 481 (482); Henke/ Hoffmann/Henke, in: Taschke/Breidenstein (Hrsg.), Genomanalyse, 13 (22); Penning, S. 168; Schmitter/Herrmann/Pflug, in: Taschke/Breidenstein (Hrsg.), Genomanalyse, 41 (43). 145 Brinkmann/Wiegand, Kriminalistik 1993, 191; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1656; Henke/Hoffmann/Henke, in: Taschke/Breidenstein (Hrsg.), Genomanalyse, 13 (30); Penning, S. 168; Schmitter/Herrmann/Pflug, in: Taschke/Breidenstein (Hrsg.), Genomanalyse, 41 (44). 146 Altendorfer, S. 40; Buselmaier/Tariverdian, S. 381; Henke/Hoffmann/Henke, in: Die Genomanalyse im Strafverfahren, 13 (25); Penning, S. 169; Wiegand/Kleiber/Brinkmann, Kriminalistik 1996, 720. 147 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 249; Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 271; Müller/Eisenberg, JR 2019, 43 (48); Penning, S. 169; Pieper/Oesterreich, in: FS Wirth, 309 (310); Ulbrich et al., NStZ 2017, 135 (136). 148 Burr, S. 36; Penning, S. 168.
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Kap. 2: DNA aus naturwissenschaftlicher Sicht und ihre Rolle im Prozess
der Längen der Basensequenzen erstellt149. Allerdings braucht es hier keine großen Mengen an DNA150, da STR-Regionen weniger Basen haben und deshalb auch weniger anfällig für Beschädigungen sind151. Auch bedarf es hier nicht des Einsatzes von Multi-Locus-Sonden; Mischspuren und degradiertes Material können heute deshalb problemlos analysiert werden152. Selbst ein Niesen eines Mitarbeiters des Analyse-Labors oder eines Polizeibeamten auf die Probe ist jedenfalls dann unschädlich, wenn es sich nicht um Tatortspuren handelt, sondern um gezielt genommene DNA-Proben, da diese so viel DNA enthalten, dass die mit dem Niesen einhergehende Verunreinigung nicht ins Gewicht fällt153. Einzig problematisch werden kann, dass es Stoffe gibt, die die PCR hemmen, wie z. B. Fäulnisprodukte154. Die müssen dann durch Aufreinigungsmethoden entfernt werden155. Insgesamt dauert das moderne Verfahren nur kurze Zeit, da durch den Einsatz sog. MultiplexPCR alle zu untersuchenden STR-Regionen gleichzeitig analysiert werden können156. In der Praxis wird davon berichtet, dass der geschilderte Vorgang inzwischen binnen anderthalb Stunden vollzogen, mithin in 90 Minuten ein DNA-Identifikationsmuster erstellt werden kann157. 3. Zusammenfassung Aufgrund dieser signifikanten Vorteile hat sich in der forensischen Praxis die Analyse von STR-Regionen durchgesetzt. Es können innerhalb kürzester Zeit so 149 Sog. Elektrophorese, Bär, Kriminalistik 1989, 313 (314); Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 237 ff.; Keil, S. 77; Wiegand/Kleiber/Brinkmann, Kriminalistik 1996, 720; Wirth/Schmeling, S. 341; Zimmer, S. 45. 150 Altendorfer, S. 40; Benecke, Kriminalistik 1996, 481 (482); Buselmaier/Tariverdian, S. 385; Schmidt/Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 284; Verhoff/ Heidorn, Der Kriminalist 2006, 119; Wiegand/Kleiber/Brinkmann, Kriminalistik 1996, 720. 151 Vgl. Buselmaier/Tariverdian, S. 381 f.; Keil, S. 75. 152 Altendorfer, S. 40; Benecke, Kriminalistik 1996, 481 (482); Hohoff/Brinkmann, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 29 (30); Schmidt/Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 284; Schmitter/Herrmann/Pflug, in: Taschke/Breidenstein (Hrsg.), Genomanalyse, 41 (44, 46). 153 Dies bestätigte auch eine Auskunft eines privaten DNA-Labors, das an dieser Stelle namentlich nicht genannt werden möchte. Ein Vergleich der der DNA-Probe mit der des ausführenden Mitarbeiters bzw. des Polizeibeamten, die jeweils durch Mitarbeiter-Datenbanken bereit stehen, ermöglicht inzwischen, eine Vermischung als solche zu identifizieren. Gleichwohl tragen die Mitarbeiter in den Laboren Handschuhe, Mundschutz und Haarbedeckungen und wechseln beim Gang zwischen den Abteilungen die Kleidung, um Vermischungen a priori auszuschließen. 154 Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 276; vgl. auch Schaaf/Zschocke, S. 200. 155 Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 277. 156 Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 270; Siemens/Soppa, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 499; Wirth/Schmeling, S. 341; krit. dazu noch Wiegand/Kleiber/Brinkmann, Kriminalistik 1996, 720 (721). 157 Ko¨ hnemann/Teifel/Kriegsmann/Weichhold/Simon/Kruger, Kriminalistik 2021, 431.
§ 4 Verwertung und Beweiswert von DNA-Analysen im Strafprozess
65
mehrere Muster mehrerer Spuren erstellt werden, die dann auf Identität oder Ähnlichkeit158 mittels Computer159 überprüft werden können. Außerhalb der Forensik – bspw. in der Genforschung, wo genügend einwandfreies Material zur Verfügung steht160, findet das RFLP-Verfahren aber heute nach wie vor noch Einsatz161.
§ 4 Verwertung und Beweiswert von DNA-Analysen im Strafprozess I. Systematische Einordnung der DNA-Analyse im Strafverfahrensrecht Bemerkenswert erscheint der systematische Standort der §§ 81e ff. in der StPO. Die DNA-Analyse findet ihren Regelungsort im siebten Abschnitt des ersten Buches des StPO, der den Sachverständigenbeweis regelt162. Auf den ersten Blick hätte einer Regelung innerhalb der Ermittlungsmaßnahmen passender erschienen, ist die DNAAnalyse doch ein Mittel zur notfalls auch zwangsweisen Sachverhaltsaufklärung durch die Strafverfolgungsbehörden. Auch die Tatsache, dass die Strafverfolgungsbehörden hier auf fachspezifische Kenntnisse angewiesen sind, vermag kein Argument für diese systematische Einordnung zu sein. Bei der Telekommunikationsüberwachung ist aufgrund der technischen Innovation ebenso davon auszugehen, dass Hilfe von Experten in diesem Bereich vonnöten ist163. Denkbar ist es, die Einordnung damit zu begründen, dass die eigentliche Untersuchung gem. § 81f Abs. 2 S. 1 StPO von einer unabhängigen Stelle durchzuführen ist164. Dies unterscheidet die DNA-Analyse von der Telekommunikationsüberwachung insofern, als 158 Da die Länge der einzelnen Sequenzen in den STR-Regionen vererblich ist, kann aus einer Ähnlichkeit der DNA-Identifikationsmuster auf Verwandtschaft der Spurenleger geschlossen werden, vgl. dazu Keil, S. 75; Menzel, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 4 (5). Bei eineiigen Zwillingen oder Mehrlingen besteht sogar gar kein Unterschied, vgl. Bohn, S. 212; Eisenmenger, in: BT-Fraktion B’90/Grüne (Hrsg.), Genetischer Fingerabdruck, 25 (27); Kollek, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 15; Rademacher, StV 1989, 546 (548); Niedernhuber, JA 2018, 169 (170); Wirth/Schmeling, S. 347; Zimmer, S. 45. 159 Zum Ganzen Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 270 f. 160 Benecke, Kriminalistik 1996, 481 (482); Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 269; Verhoff/Heidorn, Der Kriminalist 2006, 119 (120). 161 So z. B. bei Vaterschaftstests, Madea/Mußhoff/Tag, S. 318; Siemens/Soppa, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 498 und allgemein in der Abstammungsforschung, Buselmaier/Tariverdian, S. 384. 162 Bereits krit. zu einer Regelung im Beweisrecht des Sachverständigen Gössel, GS Meyer, 121 (127 f.), der die Auffassung vertrat, die DNA-Analyse sei „nur mit Ächzen und Stöhnen“ in das System der StPO einzufügen; ebenso krit. zur Einordnung in §§ 81e ff. StPO Benfer/Bialon, Rn. 965. 163 Vgl. BT-Drucks. 16/5846, S.1; zust. Günther, in: MüKo-StPO I, § 100a, Rn. 107. 164 Ausführlich dazu unten Kap. 4 § 4 II. 1.
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Kap. 2: DNA aus naturwissenschaftlicher Sicht und ihre Rolle im Prozess
bei letzterer zwar durch die Verpflichtung zur Mitwirkung und Bereitstellung von Technik auch der Telekommunikationsdienstleister gem. § 100a Abs. 4 StPO miteinbezogen wird, dieser allerdings beim Kommunikationsvorgang als Vertragspartner beteiligt und damit nicht unabhängig ist. Während die DNA-Analyse ganz von einem Sachverständigen durchgeführt wird, obliegt die Durchführung der Telekommunikationsüberwachung einzig den Ermittlungsbehörden165. Freilich gilt es aber zu sehen, dass Maßnahmen, die einen biologischen Aspekt aufweisen, in den §§ 81a bis 81d in der StPO verankert sind. Dies kann zumindest ein Erklärungsansatz für die Frage sein, warum der Gesetzgeber die §§ 81e ff. StPO an ihrem heutigen Standort eingefügt hat.
II. Inhalt des DNA-Gutachtens Indes erlaubt die systematische Einordnung eine Hinführung zum Beweiswert und zur Verwertung des Untersuchungsergebnisses. Das Ergebnis wird durch ein Sachverständigengutachten wird in den Prozess eingeführt, entweder gem. §§ 72 i. V. m. 49 Abs. 1 StPO mündlich oder – in praxi wohl häufiger – gem. § 256 Abs. 1 Nr. 1 lit. b StPO durch Verlesung. Besondere Aufmerksamkeit verdient der Inhalt des Sachverständigengutachtens: Dieser beschränkt sich auf die zulässigen Feststellungen: Das sind gem. § 81e Abs. 1 StPO DNA-Identifikationsmuster, Abstammung, Geschlecht und ein Vergleich mehrerer Spuren. Mit anderen Worten kann der Sachverständige sagen, ob die DNA des Betroffenen mit der DNA am Tatort übereinstimmt, ob der Betroffene mit dem Opfer verwandt ist, ob der er männlich oder weiblich war166. Ist der Spurenleger unbekannt, dürfen gem. § 81e Abs. 1 S. 2 StPO auch Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie das Alter festgestellt werden.
III. Grenze des Inhalts des DNA-Gutachtens 1. Der Weg der Spur oder secondary transfer, Verunreinigung und Vertauschung Nicht zu beantworten vermag das DNA-Gutachten aber die Frage, wie die DNA des Betroffenen an den Tatort gekommen ist167. Zur Illustration seien zwei Beispiele 165 BGH NStZ-RR 2015, 345 (345 f.); Bruns, in: KK-StPO, § 100a, Rn. 41; Eschelbach, in: SSW-StPO, § 100a, Rn. 23; Graf, in: BeckOK-StPO, § 100a, Rn. 160. 166 Vgl. Malek, StV 2014, 588 (590 f.). 167 Vgl. Bohn, S. 213; Claus, NStZ 2020, 57 (62); Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 274; Gronke/ Gronke, NStZ 2021, 141 (145); Klumpe, S. 228; Pabst, ZIS 2010, 126 (129); plastisch Vennemann/Oppelt/Grethe/Anslinger/Schneider/Schneider, NStZ 2022, 72 (75, vgl. auch das
§ 4 Verwertung und Beweiswert von DNA-Analysen im Strafprozess
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genannt: Einerseits ist daran zu denken, dass ein Haar sich gänzlich ohne Krafteinwirkung vom Körper lösen168 und vom Wind an den Tatort geblasen werden kann. Andererseits sind Fälle denkbar, in denen DNA missbräuchlich am Tatort platziert wird. Schraml spricht insofern ansprechend von „fingierte[n] Spur[en]“169. Man denke an den Täter, der einen Zigarettenstummel seines Feindes (oder auch eines Fremden, der seine Zigarette auf die Straße geworfen hatte) aufsammelt und an dem Ort des Verbrechens aus Rache oder um der Ablenkung willen hinterlässt170. Letzteres bezeichnet man als „secondary transfer“171. Erwähnenswert ist auch der Fall des „Phantoms von Heilbronn“172. Die Polizei fand an weit auseinander liegenden Tatorten dieselbe DNA-Spur im Zusammenhang mit höchst unterschiedlichsten Verbrechen173. Des Rätsels Lösung war, dass nicht etwa derselbe Täter am Werk war, sondern nicht sterile Wattestäbchen zur Beweissicherung verwendet wurden174. Zurückführbar war die DNA schlussendlich auf eine an der Verpackung beteiligte Arbeitnehmerin des Herstellers175. Auch eine Verunreinigung durch die Polizei etwa durch Niesen oder Husten oder eine Vertauschung von DNA-Proben können den Beweiswert der Analyse schmälern176. Wenngleich derartige Fälle mit dem technischen Fortschritt (etwa durch das Verwenden DNA-freier Stäbchen oder ein Abgleich mit der DNA der Beamten in Datenbanken177) unrealistischer werden, zeigen die Fälle, dass der Frage nach dem Wie eine im Vergleich zur Frage nach dem Ob Beispiel auf S. 74), vgl. auch Eisenmenger, in: BT-Fraktion B’90/Grüne (Hrsg.), Genetischer Fingerabdruck, 25 (27); a. A. Frister, in: SK-StPO VII, § 362, Rn. 4, der davon ausgeht, DNAAnalyse könne die Anwesenheit am Tatort beweisen. 168 Deshalb plädieren Weihser/Gerhard, Kriminalistik 1996, 648 (649) dafür, auf Haare einen Ermittlungsschwerpunkt zu legen. 169 Schraml, S. 77. 170 Vgl. dazu Benecke, Kriminalistik 1996, 481 (483); Bohn, S. 214; das Fallbeispiel bei Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 274 f.; Eisenberg, in: GS Weßlau, 67 (84); Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (70); Malek, StV 2014, 588 (591); Neuhaus, in: GS Schlüchter, 535 (551); und Fall 4 bei Verhoff/Heidorn, Der Kriminalist 2006, 119 (121 f.). 171 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 274; vgl. für die deutsche Bezeichnung der Sekundärübertragung Eisenberg, in: GS Weßlau, 67 (84); krit. zum Begriff aber Vennemann/Oppelt/ Grethe/Anslinger/Schneider/Schneider, NStZ 2022, 72 (79). 172 Ausführlich dazu Schraml, S. 78. 173 So einerseits bei einem Einbruch in eine Gartenlaube, andererseits bei einem Mord, s. Siemens/Soppa, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 487; vgl. auch Lipphardt et al., Offener Brief v. 08. 12. 2016, S. 3; Schultz/Bartram, Bürgerrechte und Polizei 113 [2017], 69 (74). 174 De Vries, Kriminalistik 2013, 680; Siemens/Soppa, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 487; Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (25, Fn. 11); Zöller/Thörnich, ZIS 2017, 331. 175 De Vries, Kriminalistik 2013, 680; Lipphardt et al., Offener Brief v. 08. 12. 2016, S. 4; Pabst, ZIS 2010, 126 (129); Schreiber, ZRP 2019, 105 (107); Schultz/Bartram, Bürgerrechte und Polizei 113 [2017], 69 (75); Siemens/Soppa, in: Munk (Hrsg.), Genetik, S. 487. 176 Lipphardt et al., Offener Brief v. 08. 12. 2016, S. 4; Müller, ÄZ Nr. 213 v. 23. 11. 2004, S. 2. 177 Dies etwa sind zwei Schutzmechanismen, die in der Forensik heute zur Vermeidung von Fehlern eingesetzt werden. Mitgeteilt wurde dies von einem privaten DNA-Labor, das in der Forensik tätig ist, hier aber namentlich nicht genannt werden möchte.
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Kap. 2: DNA aus naturwissenschaftlicher Sicht und ihre Rolle im Prozess
nicht geringere Bedeutung zukommt. Auf diese Frage kann das DNA-Gutachten nicht antworten. Zwar hat mit § 24 BKAG der Bundesgesetzgeber eine Regelung erlassen, die es erlaubt, DNA-Identifikationsmuster von Mitarbeitern des BKA zu erstellen und mit Tatortspuren abzugleichen, um sog. Trugspuren als solche zu erkennen178. Auszuschließen sind solche aber nie. Es sei auch darauf hingewiesen, dass eine vermeintliche Spur aus einer DNAAnalyse mit der Tat gar nichts zu tun haben kann179: Wird bspw. wegen Brandstiftung an einer Mietwohnung ermittelt, und findet sich in der Wohnung DNA des Mieters, so bringt dies die Ermittlungen freilich nicht weiter. Dass DNA eines Bewohners einer Wohnung in dieser zu finden ist, erschließt sich von selbst. Gleiches gilt für den Fall, in dem Blut des Opfers eines Tötungsdelikts an der Kleidung des vermeintlichen Täters gefunden wird. Tatsächlich kann die Situation auch so liegen, dass jener das sterbende Opfer noch lebend aufgefunden und erste Hilfe versucht hatte zu leisten180. 2. Wahrscheinlichkeitsaussage Das DNA-Gutachten beschränkt sich also auf die Frage „Ist der Spurenleger der Tatverdächtige?“ bzw. „Ist der Tatverdächtige der Spurenleger“?181. Die Antwort erhält der Richter in Form einer ((bio-)statistischen) Wahrscheinlichkeitsaussage182. Nach neuster Rechtsprechung des BGH muss die zugrundeliegende Berechnung nicht mehr zwingend in den Urteilsgründen dargelegt werden; die DNA-Analyse sei inzwischen ein standardisiertes Verfahren183. Diese Entwicklung ist kritisch zu sehen, ist die Berechnung der Wahrscheinlichkeit doch notwendige Vorarbeit und Voraussetzung ist, um den Beweiswert der DNA-Analyse einschätzen zu können. Gleichwohl soll nicht verschwiegen werden, dass immerhin der Hinweis auf eine große Wahrscheinlichkeit auch dem BGH nicht genügt, wie aus einer neueren Entscheidung des Sechsten Strafsenates hervorgeht184. Die Grundlagen der Berechnung sollen im Folgenden daher dennoch erörtert werden. 178
BT-Drucks. 18/11163, S. 102 ff. Vgl. Bosch, Jura 2021, 41 (44). 180 Vgl. Kotsoglou/Biedermann/Vuille, ZStW 134 [2020], 891 (934). 181 Ähnlich Ida, in: FS Rengier, 493 (497). 182 BGH, NStZ 2012, 464 (465); Altendorfer, S. 48; Bickel, VerwArch 87 [1996], 169 (182); Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1662; Hantschel, S. 229; Oberwetter, S. 94; Pabst, ZIS 2010, 126 (129); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 28; Ulbricht et al., NStZ 2017, 135; West, S. 42; Zöller/Thörnich, ZIS 2017, 331. 183 BGH, NStZ-RR 2022, 53 (LS) = BeckRS 2021, 40994, Rn. 3; StV 2021, 7, Rn. 4; NJW 2020, 355; NStZ 2019, 169 (170); NJW 2018, 3192 (3193); krit. Müller/Eisenberg, JR 2019, 43 (46 ff.); zu den vorherigen Anforderungen vgl. BGH NStZ 2013, 177 (178); de Vries, Kriminalistik 2013, 680 m. w. N. Das gilt jedenfalls dann, wenn die DNA-Analyse im Einzelfall ohne größere Komplikationen stattfinden konnte. 184 Vgl. BGH, Beschl. v. 29. 07. 2020 – 6 StR 211/20 = BeckRS 2020, 20943, Rn. 4. 179
§ 4 Verwertung und Beweiswert von DNA-Analysen im Strafprozess
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Kaum vorstellbare Wahrscheinlichkeitsgrade werden genannt, wenn es darum geht, zu bestimmen, ob der Betroffene als Spurenleger gelten könne oder ausscheiden müsse185. Rath nennt im Optimalfall eine Wahrscheinlichkeit von eins zu einer Trilliarde; ausgeschrieben hieße das 1 : 1.000.000.000.000.000.000.000186. Zur Veranschaulichung: Die Wahrscheinlichkeit, im Lotteriespiel „6 aus 49“ den Hauptgewinn zu erzielen, liegt bei 1 : 139.838.160187. Diese Wahrscheinlichkeit läge bei Zugrundlegung der Werte von Rath um ca. 7,15 Billionen höher! Das LG Bonn meinte im Jahre 2013 gar, es mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu 300 Trilliarden zu tun zu haben188. Der Wahrscheinlichkeitsaussage liegen bei der DNA-Analytik folgende Berechnungen und Erkenntnisse zugrunde: Divergieren zwei DNA-Proben nur innerhalb eines STR-Systems, scheidet grundsätzlich189 Identität aus190. Ist eine Übereinstimmung gegeben, so ist der Tatverdächtige als Spurenleger lediglich nicht auszuschließen. Da es Ähnlichkeiten innerhalb der Angehörigen bestimmter ethno-geographischer Gruppen gibt191, muss die Häufigkeit des Vorkommens dieses STR-Systems innerhalb der Bevölkerung berücksichtigt werden192. Als Ergebnis erhält man die Wahrscheinlichkeit bzgl. eines STR-Systems. Die Multiplikation aller Einzelwahrscheinlichkeiten ergibt dann die Gesamtwahrscheinlichkeit193. Wenngleich die Gesamtwahrscheinlichkeit sehr hoch ist, muss sie mit der Anzahl der möglichen Spurenleger in Relation gesetzt werden194 : Bei einer Gesamtwahrscheinlichkeit von 1 : 1 Million gibt es in Berlin mit drei Millionen 185 Bosch, Jura 2021, 41 (43): 1 : 100 Milliarden; Keil, S. 75: 1 : mehreren Billionen; vgl. auch Oberwetter, S. 94. Krit. dazu Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 243 ff. und anschaulich Verhoff/Heidorn, Der Kriminalist 2006, 119 (120). 186 Rath, GSZ 2018, 67. 187 Vgl. die Auskunft der Toto-Lotto Niedersachsen GmbH auf deren Website, abrufbar unter https://www.lotto.de/lotto-6aus49/info/gewinnwahrscheinlichkeit, zuletzt abgerufen am 31. 06. 2020. 188 LG Bonn, Urt. v. 26. 09. 2013 – 21 KLs 551 Js 325/12 – 20/13 = BeckRS 2016, 8321. 189 Die Unsicherheit rührt aus der denkbaren Möglichkeit von Mutationen, die zum selben Ergebnis trotz fehlender Identität führen können, vgl. Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 272. 190 Bär, in: FS Rehberg, 41 (45); Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 272. 191 Altendorfer, S. 49; Burr, S. 34; De Vries, Kriminalistik 2013, 680 (681); Schmidt/ Hummel, in: Herrmann/Saternus (Hrsg.), Kriminalbiologie, S. 288; West, S. 43; Wiegand/ Kleiber/Brinkmann, Kriminalistik 1996, 720 (724); Zimmer, S. 46. 192 Vgl. Beck, S. 76; Bickel, VerwArch 87 [1996], 169 (182); Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 272, Tab. 14.2; Hasselbach, S. 27; Hother, S. 16; Kotsoglou/Biedermann/Vuille, ZStW 134 [2020], 891 (900); Zimmer, S. 46. 193 Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 272 f.; Zimmer, S. 56. Eine derartige Multiplikation ist aber nur dann zulässig, wenn die einzelnen Systeme unabhängig voneinander bestehen und nicht miteinander verknüpft vererbt werden, Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 273. 194 Verhoff/Heidorn, Der Kriminalist 2006, 119 (120); vgl. auch Bickel, VerwArch 87 [1996], 169 (182).
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Kap. 2: DNA aus naturwissenschaftlicher Sicht und ihre Rolle im Prozess
Einwohnern daher drei mögliche Spurenleger. Für den Einzelnen darunter ergibt sich damit eine Wahrscheinlichkeit von nur ca. 33 %195. In einem vor dem BGH verhandelten Vergewaltigungsfall kam es zu einer Wahrscheinlichkeit 99,98 %196. Was auf den ersten Blick als sichere Grundlage für eine Verurteilung anmutet, wird stark relativiert, wenn man mit dem zweiten Blick die Hintergründe etwas näher beleuchtet. Im Umkehrschluss steht eine Wahrscheinlichkeit von 0,014 %, dass der Spurenleger nicht der Tatverdächtige ist197. Wenn die Stadt (hier Hannover) wie im zugrundeliegenden Fall 250.000 männliche Einwohner hat, kommen aufgrund der DNA-Analyse 35 Männer als Spurenleger in Betracht198 ! Es gilt mithin zu sehen, dass das DNA-Gutachten nur eine – wenn auch sehr hohe – Wahrscheinlichkeit angeben kann. Diese kann aber, wie die Beispiele zeigen, stark relativiert werden allein durch die Zusammensetzung der Bevölkerung und der Größe des Kreises möglicher Tatverdächtiger. Es muss darüber hinaus die Möglichkeit, dass die unwahrscheinlichere Alternative im konkreten Fall die richtige199 sein kann, zumindest in Erwägung gezogen werden.
IV. Beweiswert und Verwendung des DNA-Gutachtens im Strafverfahren Die These von der „kriminalistischen Wunderwaffe“200 findet mithin ihre Grenzen spätestens im beschränkten Aussagegehalt des DNA-Gutachtens. Daher ist auch die Auffassung falsch, das Ergebnis einer DNA-Analyse sei ein starkes Indiz201. Die Verwendung des Wortes Indiz indiziert nämlich, aus dem Ergebnis der DNA-Untersuchung könnte mittelbar auf andere Tatsachen und damit auf die Schuld des Tatverdächtigen geschlossen werden202. Das ist aber nicht der Fall, da 195 Verhoff/Heidorn, Der Kriminalist 2006, 119 (120); für einen ähnlich krit. Fall vgl. Neuhaus, StV 2013, 137 (140). 196 BGHSt 38, 320 (323); vgl. auch Bickel, VerwArch 89 [1996], 169 (182). 197 BGH a. a. O.; vgl. auch Bickel a. a. O. 198 BGH a. a. O.; vgl. auch Bickel a. a. O. 199 Krit. zu diesen Termini i. R. v. Wahrscheinlichkeiten aber Biedermann/Vuille, Kriminalistik 2014, 169 (170 f.). 200 Vgl. Hermann, in: 10 Jahre GenStA Naumburg, 85; Satzger, JZ 2001, 639 (640 et passim); U. Wagner, S. 1. 201 Vgl. v. Hippel, JR 1993, 123 (125); a. A. aber BGHSt 54, 15 (22); 56, 72 (73); BGH, StV 2021, 288 (289, Rn. 7a); Bosch, Jura 2021, 41 (43); Hother, S. 17; Satzger, JZ 2001, 639 (641); Singelnstein, in: BeckOK-StPO, § 362, Rn. 12; Zöller/Thörnich, ZIS 2017, 331. Abl. mit Verweis auf entsprechende Fehlerquellen noch Rademacher, StV 1989, 546 (548 f.); dies., NJW 1991, 735 (737). I. E. ebenso abl. wegen einer Überlegenheit des Sachverständigen gegenüber dem Richter Keller, NJW 1989, 2289 (2296). 202 Vgl. Soiné, in: Wirth. (Hrsg.), Kriminalistik-Lexikon, s. v. Indiz; Werner, in: Weber (Hrsg.), Rechtswörterbuch, s. v. Indizienbeweis; zum Unterschied von Indiz und Beweis Fincke, GA 1973, 266 (267 f.).
§ 4 Verwertung und Beweiswert von DNA-Analysen im Strafprozess
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die Frage, wie die DNA des Betroffenen an den Ort kam, an dem sie gefunden wurde, durch das DNA-Gutachten nicht beantwortet wird. Diese Frage kann nur unter Berücksichtigung des Grundsatzes in dubio pro reo anhand vollumfänglicher, freier, richterlicher Beweiswürdigung beantwortet werden, §§ 243 Abs. 2, 261 StPO203. Die Möglichkeit, dass entgegen der Wahrscheinlichkeitsangabe zu entscheiden sein kann, ist in die Beweiswürdigung miteinzubeziehen. Im Ergebnis kann das DNA-Gutachten daher nie einzige Grundlage einer Verurteilung sein204 ; es ist anders gesagt nur Beweismittel unter mehreren – wenngleich eines mit gewichtigem Aussagegehalt. Nichts desto trotz ist es im Ermittlungsverfahren ein wichtiger Spurenansatz. Zum einen kann die Analyse von Material bisher unbekannter Spurenleger den Kreis möglicher Tatverdächtiger einengen. Kommt das DNA-Gutachten bspw. zu dem Ergebnis, dass der Spurenleger ein Mann ist, und sind 50 Prozent der potentiellen Tatverdächtigen Männer, so können die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage als erfüllt vorausgesetzt weitere Ermittlungsmaßnahmen wie eine Observation gegen die übrigen Betroffenen vorgenommen werden. Ebenso ist es zumindest bei einer beschränkten Anzahl möglicher Tatverdächtiger denkbar, dank der Erkenntnisse aus dem DNA-Gutachten einen Anfangsverdacht gegen einen bereits bekannten Tatverdächtigen zu begründen. Umgekehrt kann das DNA-Gutachten aber auch dann wichtig sein, wenn es aus einem durch andere Ermittlungsmaßnahmen bereits eingeschränkten Personenkreis den Täter herauszufinden gilt205. Gelangen die Ermittlungsbehörden bspw. durch vorherige Telekommunikationsüberwachung zu der Erkenntnis, nur die Kinder des Opfers kämen als Täter in Betracht, so wird regelmäßig ein Anfangsverdacht gegen dieselben vorliegen. Ist dann auf der Mordwaffe DNA sichergestellt worden, kann ein Abgleich der Spuren den Täter wohl ausfindig machen.
203 So auch BGH, NStZ-RR 2012, 53 (54), zust. Neuhaus, StV 2013, 137 (141); NStZ 1994, 554 (555); Vgl. dazu auch Klumpe, S. 228; Zöller/Thörnich, ZIS 2017, 331. 204 Vgl. BGHSt 37, 157 (159); 38, 320 (324); Bickel, VerwArch 87 [1996], 169 (182); Bohn, S. 211; Eschelbach, in: FS Stöckel, 199 (220); Hantschel, S. 229; Kotsoglou/Biedermann/ Vuille, ZStW 134 [2020], 891 (935); Müller, ÄZ Nr. 213 v. 23. 11. 2004, S. 2; Verhoff/Heidorn, Der Kriminalist 2006, 119; s. auch Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1662 (selten); i. E. zwar richtig, jedoch unter der falschen Annahme, durch DNA-Analyse könne die Anwesenheit am Tatort bewiesen werden Frister, in: SK-StPO VII, § 362, Rn. 4; ähnlich auch Eisenberg, in: GS Weßlau, 67 (84); Singelnstein, in: BeckOK-StPO, § 362, Rn. 12; Schöch, in: FS Maiwald, 769 (780); a. A. aber BGHSt 58, 212 (216), dazu zu Recht krit. Malek, StV 2014, 588 (591); LG Bonn, Urt. v. 26. 09. 2013 – 21 KLs 551 Js 325/12 – 20/13 = BeckRS 2016, 8321, wo das LG sich nicht einmal von Videoaufnahmen überzeugen ließ, die einen anders als den durch DNA-Analyse scheinbar überführten Angeklagten aussehenden Täter zeigten. 205 Laut Wolf, NJW-aktuell 2017, 16; ders., DRiZ 2017, 88 ist dieser Aspekt der Ermittlungsleitung in erster Linie Vorteil der DNA-Analytik im Strafverfahren und weniger ihr Einfluss auf die richterliche Überzeugungsbildung.
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Kap. 2: DNA aus naturwissenschaftlicher Sicht und ihre Rolle im Prozess
Summa summarum zeigt sich also, dass das DNA-Gutachten seine Relevanz sowohl im Ermittlungsverfahren als auch in der Hauptverhandlung erst im Zusammenspiel mit anderen Beweismitteln entfalten kann206.
206
I. E. auch Pabst, ZIS 2010, 126 (129).
Kapitel 3
Datenschutzrechtliche Implikationen bei DNA-Analysen § 1 Problemaufriss: Zusammenhang von Strafverfolgung und Datenschutzrecht Das Strafverfahrensrecht und das Datenschutzrecht erscheinen prima facie als zwei voneinander unabhängige, konträre Rechtsmaterien: Ist das Datenschutzrecht geprägt von dem Gedanken, dass jede Form der Datenverarbeitung mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzes erst einmal verboten ist und einer Ermächtigungsgrundlage bedarf1, so gilt im Bereich der Strafverfolgung, dass nach dem Legalitätsprinzip des § 152 Abs. 2 StPO die Strafverfolgungsbehörden gehalten sind, alle für das Strafverfahren potentiell bedeutsamen Informationen zu sammeln und zu verwenden2. In diesem Lichte ist auch die ständige Rechtsprechung des BGH zu sehen, die rechtswidrig erlangte Beweismittel nicht ipso iure für unverwertbar erklärt, sondern die Verwertbarkeit von einer Abwägung abhängig macht, in der die Interessen des Einzelnen und das öffentliche Interesse an der Aufklärung, Verfolgung und Ahndung von Straftaten widerstreiten3. Während man im Datenschutzrecht von einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt spricht4 – die Datenverarbeitung soll die Ausnahme sein –, zeichnen die §§ 161 Abs. 1 S. 1, 163 Abs. 1 S. 2 StPO das Bild, dass die Strafverfolgungsbehörden zunächst alles tatsächlich oder vermeintlich relevante Material zu sammeln haben.
1 Franzius, ZJS 2015, 259, Stief, StV 2017, 470 (473); vgl. auch BVerfGE 65, 1 (44); NJW 1988, 3009; BVerwG, JZ 1991, 471 (474); Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 179; Frenzel, in: Paal/Pauly, DSGVO/BDSG Art. 6 DSGVO, Rn. 1; Reimer, in: HK-DSGVO, Art. 6, Rn. 4; Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, Grundlagen und bereichsspezifischer Datenschutz, A., Rn. 18. 2 Freilich bedarf es auch hierfür einer Ermächtigungsgrundlage, vgl. El-Ghazi, ZIS 2019, 110. 3 BGHSt 19, 325 (331 f.); 24, 125 (130); 27, 355 (357); 31, 304 (307 f.); 37, 30 (32); 38, 214 (219 f.); 38, 372 (373 f.); 44, 243 (249); 47, 172 (179 f.); 51, 285 (289 f.); 54, 69 (87); 58, 84 (96); NStZ 2016, 111 (113). 4 Vgl. Frenzel, in: Paal/Pauly, DSGVO/BDSG, Art. 6 DSGVO, Rn. 1; Kühling/Klar/ Sackmann, Rn. 334; Reimer, in: HK-DSGVO, Art. 6, Rn. 4; Stief, StV 2017, 470, (471); Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, Grundlagen und bereichsspezifischer Datenschutz, A., Rn. 18.
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Kap. 3: Datenschutzrechtliche Implikationen bei DNA-Analysen
Eine Verknüpfung der beiden Rechtsmaterien wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, dass die Aufklärung von Straftaten unter Zuhilfenahme der Ermächtigungen in der StPO stets Informationsgewinnung und -verarbeitung ist5. Daher ist Strafverfahrensrecht auch besonderes Datenschutzrecht6. Ohne normative Erwägungen vorwegzunehmen oder diese zu kennen, leuchtet es ein, dass im Bereich der DNA-Analyse ein besonderes datenschutzrechtliches Bedürfnis besteht. Kann der Mensch als Träger seiner DNA kaum beherrschen, wo er diese hinterlässt, und kann der Staat (oder auch ein anderer Privater) aus der DNA nahezu jede Information herauslesen, so müssen Schutzmechanismen bestehen, damit nicht aus der wertneutralen Technologie eine Kontrolle orwell’schen Ausmaßes entstehen kann; bzw. in den Worten Kotsoglous, Biedermanns und Vuilles: damit nicht die Tatsache, dass die DNA-Analyse für forensische Zwecke ausgerechnet im Jahre 1984 Prämiere fand, im Nachhinein als bittere Ironie der Geschichte oder als Zeichen geradezu prophetischer Fähigkeiten George Orwells interpretiert werden muss7. Der Umgang der gewinnbaren Informationen sowie der Verwendungsmöglichkeiten muss durch das Recht beschränkt sein; erst einmal unabhängig vom konkreten Anknüpfungspunkt (einfaches Recht/Grundgesetz/inter- oder transnationales Recht). Im Folgenden sollen deshalb datenschutzrechtliche Implikationen der DNAAnalyse in den verschiedenen Rechtssystemen und -ebenen geklärt werden. Dies wird sich als Vorarbeit für die Fragen erweisen, wie die §§ 81e ff. StPO de lege lata zu verstehen sind und de lege ferenda u. U. gestaltet sein könnten. Der Charakter des Strafverfahrensrecht als besonderes Datenschutzrecht gebietet, bei der strafprozessualen Gesetzgebung und der Auslegung strafverfahrensrechtlicher Normen die Besonderheiten des Datenschutzrechts zu beachten.
§ 2 Datenschutz auf europäischer Ebene I. Grundrechtsschutz gem. Art. 8 Abs. 1 EMRK Das Völkerrecht gewährleistet ein Recht auf Datenschutz im weiteren Sinne8. Art. 8 Abs. 1 EMRK spricht Personen das Recht auf Achtung von Privat- und Familienleben, Wohnung und Korrespondenz zu. 5 Ernst, S. 19; Möhrenschlager, wistra 1991, 321 (329); Rogall, Informationseingriff, S. 72; Stuckenberg, in: FG Hilger, 25. 6 Zum allgemeinen Datenschutzrecht kann wegen seines Auffangcharakters daher insbesondere das BDSG gezählt werden (vgl. 1 Abs. 2 S. 1 BDSG), vgl. dazu Ronellenfitsch, NJW 2006, 321 (323). 7 Vgl. Kotsoglou/Biedermann/Vuille, ZStW 134 [2020], 891. 8 Ausführlich zur Bedeutung des Völkerrechts für den Datenschutz Talmon, Sachverständigengutachten, Rn. 1 – 23.
§ 2 Datenschutz auf europäischer Ebene
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Von Bedeutung ist v. a. der Teilaspekt des Privatlebens. Ob Art. 8 Abs. 1 EMRK ein vollumfängliches Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährt, ist zwar umstritten9 ; unstreitig spielt der Datenschutz sub specie des Privatlebens aber inzwischen eine zentrale Rolle10. Geschützt werden jedoch nicht alle Daten bzw. Informationen, sondern nur solche, die einen hinreichend qualifizierten Bezug zum Privatleben aufweisen11. Den Terminus des Privatlebens versteht der EGMR weit; einer umfänglichen Definition sei er nicht zugänglich12. Die Erhebung und Speicherung von DNA-Profilen stellt aufgrund der erweiterten Verwendungsmöglichkeiten ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK dar13, der der Rechtfertigung nach Abs. 2 bedarf. Daraus folgt, dass die Erhebung und Speicherung einer gesetzlichen Grundlage bedarf und durch formelle wie materielle Voraussetzungen eingeschränkt werden muss14. Die genaue Ausgestaltung der Voraussetzung ist aber Sache der Mitgliedstaaten15.
II. Datenschutz auf Unionsebene 1. Primärrecht a) Grundrechte-Charta Weiter gewährt Art. 8 Abs. 1 GRCh ein Recht auf den Schutz personenbezogener Daten. Personenbezogene Daten i. d. S. sind alle Informationen über bestimmte oder
9 Dafür Breitenmoser, S. 246; Grabenwarter/Pabel, § 22, Rn. 11; Pätzold, in: Karpenstein/ Mayer, EMRK, Art. 8, Rn. 24 – 37; dagegen Albers, Informationelle Selbstbestimmung, S. 297; Meyer, in: SK-StPO X, Art. 8 EMRK, Rn. 35. 10 Breitenmoser, S. 245; Ennulat, S. 40; Grabenwarter, in: FS Paeffgen, 779 (781); ders./ Pabel, EMRK, § 22, Rn. 11; Meyer-Ladewig/Nettesheim, in: HK-EMRK, Art. 8, Rn. 32. 11 Esser, in: LR-StPO XI, 26. Aufl., Art. 8 EMRK, Rn. 11; vgl. EGMR, 04. 12. 2004, s. u. Marper ./. GBR, Nr. 30562/04, Ziff. 67 = EuGRZ 2009, 299 (307). 12 EGMR, 06. 02. 2001, Bensaid ./. GBR, Nr. 44599/98, Ziff. 47 = NVwZ 2002, 453 (455); EGMR, 29. 04. 2002, Pretty ./. GBR, Nr. 2346/02, Ziff. 61 = NJW 2002, 2851 (2853); EGMR, 04. 12. 2008. S. u. Marper ./. GBR, Nr. 30562/04, Ziff. 66 = EuGRZ 2009, 299 (307), s. dazu auch Albers, Informationelle Selbstbestimmung, S. 290; Grabenwarter/Pabel, § 22, Rn. 6; Lohse/Jakobs, in: KK-StPO, Art. 8 EMRK, Rn. 2; Meyer-Ladewig/Nettesheim, in: HK-EMRK, Art. 8, Rn. 7; Satzger, in: SSW-StPO, Art. 8 EMRK, Rn. 10. 13 EGMR, 04. 12. 2008, s. u. Marper ./. GBR, Nr. 30562/04, Ziff. 67 = EuGRZ 2009, 299 (307); EGMR, 04. 07. 2013, Peruzzo u. Martens ./. BRD, Nr. 7841/08, 57900/12, Ziff. 33 m. w. N.; vgl. auch Esser, S. 191 f.; jüngst erneut EGMR, NJOZ 2022, 476 (477, Rn. 63). 14 Vgl. Esser, in: LR-StPO XI, 26. Aufl., Art. 8 EMRK, Rn. 91; EGMR, 04. 12. 2008, s. u. Marper ./. GBR, Nr. 30562/04, Ziff. 103, 119 = EuGRZ 2009, 299 (311 f.). 15 Meyer-Ladewig/Nettesheim, in: HK-EMRK, Art. 8, Rn. 40. Zu den Grenzen s. Esser, in: LR-StPO XI, 26. Aufl., Art. 8 EMRK, Rn. 91. Vgl. dazu auch EGMR, 25. 02. 1997, Z./FIN, Nrrn. 22009/03, 9/1996/627/811, Ziff. 95 = ÖJZ 1998, 152 (154).
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Kap. 3: Datenschutzrechtliche Implikationen bei DNA-Analysen
bestimmbare Personen16. Informationen über einen bekannten Tatverdächtigen unterfallen demnach eindeutig dem Begriff. Fraglich ist aber, wie die Situation liegt, wenn Tatverdächtige unbekannt ist. Versteht man den Begriff der Bestimmbarkeit so, dass eine Zuordnung zu einer Person möglich sein müsste, lägen im Moment der Erhebung keine personenbezogenen Daten vor. Indes genügt für Bestimmbarkeit die indirekte Identifikationsmöglichkeit, bspw. anhand von körperlichen Merkmalen17. Daher unterfallen alle Informationen aus DNA-Analysen dem Gewährleistungsbereich des Art. 8 Abs. 1 GRCh. Bereits die Erhebung, nicht erst die Speicherung, begründet als Verarbeitung18 einen Eingriff in dieses Recht19. Zur Rechtfertigung bedarf es gem. Art. 8 Abs. 2, 52 Abs. 1 GRCh einer expliziten gesetzlichen Grundlage. Diese muss verhältnismäßig sein. Im Hinblick auf DNAAnalysen ist der Zweck der Strafverfolgung als legitimer Zweck i. d. S. anerkannt20. Ferner muss der Zweck der Verarbeitung bereits im Vorfeld feststehen, Art. 8 Abs. 2 GRCh. Die GRCh bindet gem. Art. 51 Abs. 1 GRCh die Mitgliedstaaten indes nur, wenn sie Unionsrecht anwenden oder umsetzen21. Dies engt ihren Anwendungsbereich in 16 EuGH, Rs. C-92/09, C-93/09 (Schecke), Slg. 2010, I-11063, Rn. 52 = EuGH, EuZW 2010, 939 (941); Frenz, Hdb. EuR IV, Rn. 1368. Vgl. zum identischen Begriff der DatenschutzRL 95/46/EG EuGH, Rs. C-465 – 00, C-138/01, C-139/01 (Österreichischer Rundfunk), Slg. 2003, I-5040 f., Rn. 64 = EuGRZ 2003, 232 (237). 17 Vgl. GA D. Ruiz-Jarabo Colomber, Schlussantr. RS C-553/07 (Rijkeboer), Slg. 2009, I3889, Rn. 8; Jarass, GRCh, Art. 8 Rn. 6. 18 Verarbeitung i. S. d. Unionrechts ist als Oberbegriff für jeglichen Umgang mit personenbezogenen Daten zu verstehen, vgl. Bernsdorff, in: NK-GRCh, Art. 8, Rn. 22; Frenz, Hdb. EuR IV, Rn. 1380; Singelnstein, in: MüKo-StPO III/1, Vorb. § 474, Rn. 72. 19 EGMR, NJW 2021, 3379 (3383, Rn. 85); NJW 2021, 999 (1001, Rn. 76); EuGH, Urteil digital rights, C-293/12, ECLI:EU:C:214:238, Rn. 36; Frenz, Hdb. EuR IV, Rn. 1404; Knecht, in: Schwarze, EuR, Art. 8 GRCh, Rn. 6; Schorkopf, in: Ehrlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, S. 521. Vgl. auch EuGH, Rs. C-92/09, C-93/09 (Schecke), Slg. 2010, I-11063, Rn. 64 52 = EuGH, EuZW 2010, 939 (942) und zum identischen Verständnis in der Datenschutz-RL 95/46/EG EuGH, EuGRZ 2003, Rs. C-465 – 00, C-138/01, C139/01 (Österreichischer Rundfunk), Slg. 2003, I-5043, Rn. 73 f. = 232 (238), einschränkend bzgl. der Speicherung aber EuGH a. a. O. 20 Vgl. Jarass, GRCh, Art. 8, Rn. 19. 21 Jarass, GRCh, Art. 51, Rn. 19 ff.; Schwerdfeger, in: NK-GRCh, Art. 51, Rn. 37; Weißer, in: Schulze/Janssen/Kadelbach, Hdb. EuR, § 16, Rn. 113. Zur Frage, ob deshalb neben den Vorschriften des BDSG auch solche datenschutzrechtlichen Vorschriften an der GRCh zu messen sind, die originär die StPO regelt nur Safferling/Rückert, NJW 2021, 287 (291, Rn. 21). Dafür spricht zwar, dass es für die Geltung der JI-RL nicht darauf ankommen kann, wie ein Mitgliedstaat sie umsetzt. Die Umsetzung komplett innerhalb des achten Buches der StPO wäre zulässig gewesen. Es ginge aber zu weit, deshalb jede Vorschrift der StPO, die zur Datenerhebung ermächtigt, (ausschließlich) an der GRCh zu messen. Es muss stattdessen geprüft werden, ob eine konkrete Norm im Zusammenhang mit der JI-RL steht. Das ist i. R. d. §§ 81e ff. StPO nur eingeschränkt der Fall.
§ 2 Datenschutz auf europäischer Ebene
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Strafsachen ein. Bedeutsam ist aber, dass sie bei der Umsetzung der JI-Richtlinie beachtet werden musste. b) Verträge Strafrecht ist ein im Kern immer noch national geprägtes Rechtsgebiet22. Lediglich die Art. 82 – 86 AEUV beschäftigen sich mit Strafrecht im weiteren Sinne. Dort geht es um die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in Strafsachen; es gibt daneben indes kaum23 Vorgaben für materielles oder formelles Strafrecht. Anders verhält es sich mit dem Datenschutzrecht. Art. 16 Abs. 1 AEUV verbürgt ein Recht auf Schutz personenbezogener Daten. Hinsichtlich des Gewährleistungsbereichs und der Schranken bestehen im Wesentlichen keine Unterschiede zu Art. 8 EMRK und Art. 8 GRCh, weil die Auslegung v. a. an Art. 8 EMRK nebst der dazu ergangenen Rechtsprechung orientiert ist24. Deshalb sei auf die entsprechenden Ausführungen dort verwiesen. Erwähnenswert bleibt, dass Art. 16 Abs. 2 UAbs. 1 AEUV die EU zum Erlass von Rechtsakten in Bezug auf den Datenschutz ermächtigt. Die zunehmende Verknüpfung von Datenschutz- und Strafverfahrensrecht kann deshalb zu einer mittelbaren Europäisierung des Strafverfahrensrecht führen. 2. Die JI-Richtlinie als maßgebliches Sekundärrecht Auf Grundlage des Art. 16 Abs. 2 AEUV hat die EU die eingangs erwähnte JIRichtlinie erlassen25, die vom deutschen Gesetzgeber hauptsächlich26 durch Einführung des dritten Teils des BDSG umgesetzt wurde. Sie beschäftigt sich neben der Ausgestaltung des Verfahrens der Verarbeitung (Art. 19 ff., 41 ff. JI-RL) im Wesentlichen mit Rechten des Betroffenen (Art. 12 ff. JIRL) und der Übermittlung von Daten in Drittländer (Art. 35 ff. JI-RL). Außerdem stellt sie bestimmte Grundsätze der Datenverarbeitung auf (Art. 4 ff. JI-RL). 22
Vgl. Hecker, Teil I, 1., Rn. 5; Satzger, § 7, Rn. 2. Indes ermächtigt Art. 325 Abs. 4 AEUV die EU zum Erlass strafrechtlicher Rechtsakte zum Schutz der finanziellen Interessen der EU vor Betrug, vgl. Ambos, Internationales Strafrecht, § 9, Rn. 22. 24 Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 16 AEUV, Rn. 4; Schorkopf, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 42 f.; vgl. auch die Bezugnahme des EuGH auf Art. 8 Abs. 1 EMRK in Rs. C-465 – 00, C-138/01, C-139/01 (Österreichischer Rundfunk), Slg. 2003, I-5043, Rn. 73 f. = EuGRZ 2003, 232 (238). 25 Kühling/Klar/Sackmann, Rn. 201; krit. dazu Kingreen, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 16 AEUV, Rn. 7, Fn. 17. 26 Daneben gab es Reformen in einigen Fachgesetzen, vgl. das Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU) vom 30. 06. 2017, BGBl. I, S. 2097. 23
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Kap. 3: Datenschutzrechtliche Implikationen bei DNA-Analysen
Es handelt sich um eine teilharmonisierende Richtlinie, also um eine Richtlinie mit Umsetzungsspielraum. In concreto dürfen die Mitgliedstaaten über das von der JI-Richtlinie vorgezeichnete Datenschutzniveau hinausgehen. Größtenteils entsprach das deutsche Recht den Vorgaben der Richtlinie bereits vor der Umsetzung27. Wo sich durch die Umsetzung Neuerungen ergeben haben, wird an geeigneter Stelle darauf eingegangen.
§ 3 Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts I. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Ein Grundrecht auf Datenschutz oder auf informationelle Selbstbestimmung sehen zwar die Verfassungen einiger Bundesländer explizit vor28, nicht aber das Grundgesetz. Vielmehr ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung das Ergebnis einer Fortentwicklung der Rechtsprechung zu Aspekten, die dem heutigen Begriff des Datenschutzes unterfielen29. Die dogmatische Herleitung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zeigt auf, dass dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung innewohnt und dass es einen solchen voraussetzt30.
27 Singelnstein, in: MüKo-StPO III/1, Vorb. § 474, Rn. 72; a. A. wohl Schwichtenberg, DuD 2016, 605 (609). 28 S. bspw. Art. 11 LV Brandenburg, Art. 4 Abs. 2 LV Nordrhein-Westfalen, Art. 33 LV Sachsen, Art 6 Abs. 1 LV Sachsen-Anhalt. Überblick bei Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 173, S. 176, Fn. 3 und Franzius, ZJS 2015, 259 (ebd., Fn. 2). 29 Vgl. nur BVerfGE 27, 1 (6) zum Verbot die ganze Persönlichkeit betreffender Katalogisierung und Registrierung durch den Staat; BVerfGE 27, 344 (350 f.) zum Schutz des Privatlebens innerhalb der Ehe vor staatlicher Aufklärung, BVerfGE 35, 202 (220) und BVerfGE 54, 148 (155) zur Selbstbestimmung der Darstellung in der Öffentlichkeit. Gleichwohl spricht bspw. Petri, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 101 (103) von einem „Grundrecht auf Datenschutz“. 30 BVerfGE 65, 1 (42); 113, 29 (46); 115, 166 (188); 155, 119 (166, Rn. 92) m. Anm. v. Holznagel, NJW 2020, 2725, Löffelmann, GSZ 2020, 182 (184 ff.) und Petri, ZD 2020, 580 (588 f.); BVerfG, NVwZ 2021, 226 (229, Rn. 71); vgl. auch Denninger, KJ 18 [1985], 215 (221); Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 72; Scherer, ZRP 1982, 291 (292); Schlick, Der Staat 25 [1986], 233 (242); Simitis, NJW 1984, 398 (399 f.); krit. zu dieser dogmatischen Anknüpfung Krause, JuS 1984, 268 (269).
§ 3 Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts
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1. Schutzbereich a) Bestimmung des Schutzbereichs Dem Schutzbereich des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung unterfällt die Befugnis des Einzelnen, selbst zu bestimmen, welche personenbezogenen Daten er wann wem gegenüber und wie offenbart31. Personenbezogene Daten i. S. d. Grundrechts sind in Anlehnung an § 2 Abs. 1 BDSG a. F. Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person32. Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht wohnt quasi als Negativkomponente des Weiteren auch ein Recht auf Nichtwissen inne33. Bisher ist davon ausgegangen worden, dass der Bürger ein Recht hat, vor Eingriffen in Form von Datenverwendung geschützt zu sein. Umgekehrt kann die Situation auftreten, dass über einen Betroffenen zwar eine Information bekannt ist, der Betroffene selbst davon jedoch keine Kenntnis hat. An dieser Nichtkenntnis kann ein berechtigtes Interesse bestehen. Im Rahmen von DNA-Analysen erscheint dies besonders wichtig, kann doch die Kenntnis über veranlagte Krankheiten, die erst im weiteren Lebensverlauf oder u. U. auch nie ausbrechen, schwerwiegende Auswirkungen auf die die physische und psychische Beschaffenheit eines Menschen haben34. Daher ist einerseits zu fordern, dass bestimmte Informationen nicht oder nur unter strengen Voraussetzungen überhaupt erhoben werden können.35 An der Nichtkenntnis des eigenen DNA-Identifikationsmusters besteht aber ein geringeres Interesse als an der Nichtkenntnis der Veranlagung von unheilbaren Krankheiten. Insoweit bestehen Überschneidungen mit der positiven Komponente des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Andererseits stellt sich aber die Frage, was sub specie des Rechts auf Nichtwissen zu geschehen hat, wenn ungezielt Informationen erhoben werden, über die der Verarbeiter dann Kenntnis erlangt. In dieser Situation tritt ein Konflikt dergestalt auf,
31
BVerfGE 65, 1 (42 f.); 78, 77 (84); 80, 367 (373); 84, 192 (194); 103, 21 (32 f.); 113, 29 (46); 115, 166 (188); 117, 202 (228); 118, 168 (184); 120, 274 (312); 130, 151 (183); 141, 186 (211); 142, 234 (251);155, 119 (166, Rn. 92) m. Anm. v. Holznagel, NJW 2020, 2725, Löffelmann, GSZ 2020, 182 (184 ff.) und Petri, ZD 2020, 580 (588 f.); BVerfG, NVwZ 2021, 226 (229, Rn. 71); NJW 2018, 2385 (2386); OLG Düsseldorf, NStZ 1998, 268 (269); Franzius, ZJS 2015, 259; Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2, Rn. 45a; Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 72 f. 32 BVerfGE 65, 1 (42); Horn, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 2 GG, Rn. 50. 33 Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 192; Donner/Simon, DÖV 1990, 907 (912 f.); Hombert, S. 48; Wellbrock, CR 1989, 204 (205, 209). 34 Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 192; Donner/Simon, DÖV 1990, 907 (912 f.); Hero, S. 59; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 1, Rn. 54; Hombert, S. 48; Krehl/Kolz, StV 2004, 447 (449); Kollek, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 15 (17); Menzel, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 4 (7); Stumper, S. 121; Wellbrock, CR 1989, 204 (205). 35 Wellbrock, CR 1989, 204 (210).
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Kap. 3: Datenschutzrechtliche Implikationen bei DNA-Analysen
dass dann das Recht auf Nichtwissen mit dem Auskunftsrecht des Betroffen36 kollidiert, das ebenso als Leistungsrecht im Recht auf informationelle Selbstbestimmung wurzelt. Letzten Endes muss der Betroffene dann selbst entscheiden, ob er sein Recht auf Wissen – das Auskunftsrecht – oder das Recht auf Nichtwissen in Anspruch nimmt. Um diese Wahl zu haben, muss er aber zunächst wissen, dass Informationen erhoben worden sind. Des Weiteren muss er wissen, welche Art von Information gegeben ist. Beispielsweise muss ihm dann mitgeteilt werden, dass Informationen über seinen gegenwärtigen oder zukünftigen Gesundheitszustand vorliegen. Freilich wird der Betroffene geneigt sein, sein Auskunftsrecht geltend zu machen, auch wenn er eine solche Untersuchungen freiwillig nicht in Auftrag gegeben hätte, wenn die Information schon einmal verfügbar ist. Daher kann die Möglichkeit, den Betroffenen vor die Wahl zu stellen, nicht das Mittel erster Wahl sein. Primär gilt es zu verhindern, dass Informationen, an denen ein schutzwürdiges Interesse der Nichtkenntnis besteht, überhaupt erhoben werden. Wie bereits im unionsrechtlichen Bereich steht fest, dass Informationen aus DNAAnalysen über einen bestimmten Tatverdächtigen sowohl von der Negativ- als auch von der Positivkomponente des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung erfasst sind. b) Informationen über unbekannte Spurenleger Es stellt sich aber die Frage, ob das gleiche für Informationen über einen Unbekannten gelten kann. In diesen Konstellationen wird DNA-haltiges Material analysiert, das in dem Zeitpunkt der Untersuchung keiner bekannten Personen zugeordnet werden kann. Als Beispiel kann der Fall dienen, dass bei einem Einbruchsdelikt am Tatort ein Zigarettenrest gefunden wird und die Polizei diesen molekulargenetisch analysiert in der Hoffnung, das DNA-Identifikationsmuster des Täters sei bereits bekannt, sodass ein Abgleich ihn überführen kann. aa) Rechtsprechung und Literatur Ob eine solche DNA-Analyse in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des jeweiligen Spurenlegers eingreift, wird bezweifelt37.
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(210).
Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 1, Rn. 54; Wellbrock, CR 1989, 204
37 BVerfG NJW 1996, 771 (772); Beck, S. 89 f.; Neuser, S. 93; Schneider, NStZ 2018, 692 (695), krit. dazu aber Kische, in: Lange/Wedekamm (Hrsg.), Postfaktische Sicherheitspolitik, 9 (25, Fn. 66), der die Konsequenz dieser Ansicht als „schwer ertragbares Novum unserer tradierten Grundrechtsdogmatik“ bezeichnet.
§ 3 Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts
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(1) Fehlender Personenbezug im Zeitpunkt der Erhebung Begründet wird dies hauptsächlich damit, eine unmittelbare Zuordnung der festgestellten Daten sei nicht möglich, da der Spurenleger unbekannt sei38. Es sei davon auszugehen, dass die Spur eines Unbekannten sich derart von ihm gelöst habe, dass ein Personenbezug nicht mehr herzustellen sei39. Keine Rolle könne in diesem Zusammenhang die Tatsache spielen, dass der technische Fortschritt es erlaubt, immer genauere Informationen aus DNA-Analysen zu erhalten40. Aufgrund der Unkenntnis über die Person, in deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen werde, fehle es letzten Endes an einem Rechtsgutsinhaber41. (2) Absondern der Spur in der Öffentlichkeitssphäre Des Weiteren müsse berücksichtigt werden, dass die Spur am Tatort nicht in der Privatsphäre, sondern in der Öffentlichkeit abgesondert wurde42. Dies führe dazu, dass aufgrund der Trennung von Spur und Spurenleger die Daten in der Spur nicht mehr zu dessen Disposition stünden43. Sie seien im Vergleich mit Daten über bekannte Spurenleger weniger schutzwürdig44. (3) Trennung von Erhebung und Verwendung des DNA-Identifikationsmusters und Grundrechtsschutz bei weiteren Ermittlungsmaßnahmen Es sei ferner zwischen der Erhebung des DNA-Identifikationsmusters durch die Analyse und weiteren Maßnahmen unter Verwendung des DNA-Identifikationsmusters zu differenzieren. Die weitere Maßnahme – bspw. der Abgleich des DNAIdentifikationsmusters eines Beschuldigten mit dem am Tatort aufgefundenen – sei eine gesonderte Maßnahme, die es gesondert zu beurteilen gelte45. Die Zuordnung zu einer Person setze diesen weiteren Akt voraus, in dessen Rahmen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dann – und erst dann – greife46. Bei der Analyse selbst gebe es daher kein Persönlichkeitsrecht, das man mit den Erfordernissen der Strafrechtspflege abwägen müsse47. Im Rahmen der weiteren 38
Beck, S. 89; Schneider, NStZ 2018, 692 (695). BVerfG NJW 1996, 771 (772). 40 BVerfG, NJW 1996, 771 (772); Müller, Die Polizei 2002, 203 (208); Neuser, S. 93; vgl. Störzer, Kriminalistik 2001, 169. 41 LG Hamburg, NJW 2001, 530; Neuser, S. 93; Sprenger/Fischer, NJW 1999, 1830 (1833). 42 Neuser, S. 94. 43 Kimmich/Spyra/Steinke, NStZ 1990, 318 (323); Neuser, S. 94. 44 Neuser, S. 93. 45 Beck, S. 89; Neuser, S. 94; vgl. auch BVerfG, NJW 1996, 771 (772). 46 LG Hamburg, NJW 2001, 530; Beck, S. 89; Müller, Die Polizei 2002, 203 (209); Sprenger/Fischer, NJW 1999, 1830 (1833). 47 LG Hamburg, NJW 2001, 530; Müller, Die Polizei 2002, 203 (209); Neuser, S. 94; Sprenger/Fischer, NJW 1999, 1830 (1833); vgl. Störzer, Kriminalistik 2001, 169. 39
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Kap. 3: Datenschutzrechtliche Implikationen bei DNA-Analysen
Maßnahme könnten dann aber die schutzwürdigen Belange des bis dato Unbekannten berücksichtigt werden48. (4) Folgen für die polizeiliche Ermittlungsarbeit Noch weitergehend wird vor den Folgen des gegenteiligen Ergebnisses gewarnt. Die gesamte polizeiliche Ermittlungsarbeit würde in Frage gestellt, würde man Daten unbekannter Spurenleger durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützen49. Es müsste dann weiter noch geklärt werden, ob bspw. Fingerabdruckspuren überhaupt gesichert werden dürften50. bb) Stellungnahme Diese Argumentation überzeigt indes nicht. Kern der Frage ist zum einen, ob personenbezogene Daten einen Bezug zu ihrer Person isoliert und im Zeitpunkt der Erhebung voraussetzen. Wichtig ist aber auch, sich vor Augen zu halten, was genau durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt werden soll. (1) Die Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Sprache und Systematik beim Verständnis des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung Bereits die Orientierung an sprachlichen und systematischen Aspekten des Datenschutzrechtes durch das BVerfG51 sprechen gegen den Ausschluss unbekannter Spurenleger aus dem Schutzbereich. Wer den Begriff der Bestimmtheit so auslegt, dass eine Person nur irgendwann einmal mit den Daten in Verbindung gebracht werden können muss, weitet diesen Terminus zu Lasten der Bestimmbarkeit aus. Für diese bliebe dann kein Anwendungsbereich mehr. Bestimmtheit wird im Datenschutzrecht aber definiert als Möglichkeit, die Daten einer konkreten Person zuzuordnen, Bestimmbarkeit ist nur dann nicht gegeben, wenn eine Identifikation zwingend ausscheidet52. Da das BVerfG sich bei der Verwendung des Begriffs der personenbezogenen Daten am Begriff des BDSG orientiert hat, kann an diese datenschutzrechtliche Definition angeknüpft werden. Im Ergebnis beziehen sich Daten Unbekannter zwar nicht auf bestimmte, aber auf bestimmbare Personen. Die DNA-Analyse zielt gerade
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Beck, S. 89; Neuser, S. 95. Kimmich/Spyra/Steinke, NStZ 1990, 318 (323); Müller, Die Polizei 2002, 203 (208); Neuser, S. 94. 50 Kimmich/Spyra/Steinke, NStZ 1990, 318 (323); Müller, Die Polizei 2002, 203 (208); Neuser, S. 94. 51 BVerfGE 65, 1 (42). 52 Vgl. Ernst, in: Paal/Pauly, DSGVO/BDSG Art. 4 DSGVO, Rn. 8; Ziebarth, in: HKDSGVO, Art. 4, Rn. 15. 49
§ 3 Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts
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darauf ab, einen Unbekannten bekannt zu machen53. Wäre eine Identifikation sicher ausgeschlossen, wäre die Maßnahme schon sinnlos. (2) Die dogmatische Herleitung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der immanente Aspekt der Verhaltensfreiheit Man könnte aber die dogmatische Herleitung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht als Argument dafür heranziehen, dass nur persönlichkeitsrelevante Daten erfasst sein sollen54. Jedoch spricht das BVerfG selbst von personenbezogenen Daten; ferner wäre sonst der Bezug auf § 2 Abs. 1 BDSG a. F. fehlerhaft; es hätte vielmehr eines verfassungsautonom zu verstehenden Begriffes der persönlichkeitsrelevanten Daten bedurft. Die dogmatische Herleitung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zieht nicht die Schlussfolgerung nach sich, nur persönlichkeitsrelevante Daten seien geschützt55. Die Betonung muss viel eher auf dem Aspekt der „Selbstbestimmung“ liegen56. Informationelle Selbstbestimmung bedeutet schon nach dem Wortlaut, dass der Grundrechtsträger selbst bestimmen kann, welche Informationen er öffentlich macht und welche nicht. Der Charakter der Information ist hierfür egal57. Denn die freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt voraus, selbst entscheiden zu können, welche Informationen man preisgeben möchte58. Die Entscheidung darüber ist das Ergebnis persönlicher Wertung. Diese Wertung bzw. deren Ergebnis und die daraus gezogene Schlussfolgerung schützt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, der Schutz der einzelnen Information ist nur logische Konsequenz aus diesem Schutz – quasi ein Annex. Seinem Sinn nach knüpft das Recht auf informationelle Selbstbestimmung an den Gedanken an, dass die wirksame Kontrolle über die eigenen Daten Voraussetzung dafür ist, dass ein Mensch sich verhalten kann, wie er will. Das BVerfG spricht insofern von dem geschützten Aspekt der „Verhaltens-
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Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (72 f.); Jansen, ZIS 2020, 233 (235); Keller, NJW 1989, 2289 (2293); Menzel, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 4 (6); Störzer, Kriminalistik 2001, 169 (170). 54 In diese Richtung Schoch, in: FS Stern, 1491 (1506 f.), der eine „Rückbesinnung“ auf die Facetten des Persönlichkeitsrechts verlangt, um „Tendenzen zur Abspaltung eines ,Datenschutzgrundrechts‘ Einhalt zu gebieten“ und Bull, NVwZ 2011, 257 (261), der sich für einen Gleichlauf von Datenschutz und Persönlichkeitsschutz ausspricht. Nettesheim, VVDStRL 70 [2011], 7 (43), lehnt einen Schutz der Privatsphäre in öffentlichen Räumen sogar gänzlich ab. 55 So dann i. E. aber wohl Schoch a. a. O. 56 A. A. aber Britz, in: Hoffmann-Riem (Hrsg.), Offene Rechtswissenschaft, 561 (568), die zwischen instrumenteller und materieller Selbstbestimmung unterscheiden will. 57 BVerfGE 65, 1 (45); 118, 168 (185); 120, 274 (312); 130, 151 (183); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 2, Rn. 16. 58 Seltsamerweise zieht Schoch, in: FS Stern, 1491 (1512) i. E. dennoch den Schluss, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sei unter dem „Leitprinzip ,Freiheit der Informationen‘ zu verstehen“.
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Kap. 3: Datenschutzrechtliche Implikationen bei DNA-Analysen
freiheit“59. Ein Datenschutzgrundrecht – für dessen Einführung nach der Kritik mancher nicht das Verfassungsgericht, sondern der Verfassungsgesetzgeber zuständig wäre60 – ist demnach kein aliud im Verhältnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht61, sondern vielmehr notwendige Bedingung für dasselbe und deshalb in ihm enthalten. Für ein derartiges Verständnis spricht auch, dass das BVerfG zu Recht betont, eine wirksame Kontrolle über personenbezogene Daten durch den Grundrechtsträger sei Voraussetzung für die Ausübung anderer Grundrechte62. Es ist nicht notwendig, dass der Betroffene im Zeitpunkt der Erhebung bekannt ist, um dies zu gefährden. Ein Grundrechtseingriff verliert seine Eingriffsqualität mitnichten dadurch, dass der Rechtsinhaber unbekannt ist. Vielmehr besteht auch bei Unbekannten die Gefahr, dass eine fehlende Kontrolle der eigenen Daten durch denselben sein Verhalten steuert, wenn auch nur unterbewusst. Dies zeigt sich in der StPO schon darin, dass der Gesetzgeber bei besonders grundrechtsrelevanten Ermittlungsmaßnahmen wie §§ 100a ff. StPO einen Richtervorbehalt in § 100e StPO zum Schutze der Grundrechte eingefügt hat, obschon im Zeitpunkt der Überwachung oft nicht klar sein wird, wer neben dem Beschuldigten das Telekommunikationsmedium noch nutzt, der betroffene Rechtsgutsinhaber also nicht bekannt ist63. Besonders evident wird die Irrelevanz der Bekanntheit bei der Videoüberwachung öffentlicher Plätze: Wer eine Überwachung dieser Orte für geeignet erachtet, verhaltenssteuernd zu wirken64 – etwa, weil Versammlungsteilnehmer aus der Angst vor staatlicher oder gesellschaftlicher Repression einer Demonstration fernbleiben könnten –, kann eine Bestimmung der bisher Unbekannten bspw. anhand weggeworfener Zigaretten nicht anders beurteilen. Denn allein aus der weggeworfenen Zigarette kann der – wenngleich nicht stets begründete – Schluss gezogen werden, der Spurenleger sei am Ort des Auffindens gewesen, was zu einer Einschränkung der Bewegungsfreiheit führen kann65. Der Ansatz, eine Reduktion des Schutzbereichs vorzunehmen, stellt in Wirklichkeit den Kern des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung in Frage, was seinem Charakter als Ausprägung des Persönlichkeitsschutztes nicht gerecht wird66. Nicht zuletzt deshalb spricht das BVerfG zu Recht von personenbezogenen, nicht von persönlichkeitsbezogenen Daten67. 59
BVerfGE 118, 168 (184); 120, 274 (312). Vgl. Krause, JuS 1984, 268. 61 Vgl. dazu Simitis, NJW 1984, 398 (399); a. A. aber wohl Di Fabio, in: Dürig/Herzog/ Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 173; Schoch, in: FS Stern, 1491 (1507). 62 BVerfGE 65, 1 (43); 113, 29 (46); 115, 166 (188); Simitis, NJW 1984, 398 (400). 63 Vgl. Störzer, Kriminalistik 2001, 169 (171). 64 Vgl. BVerfG, NVwZ 2007, 688 (690). 65 Keller, NJW 1989, 2289 (2293). 66 A. A. aber Franzius, ZJS 2015, 259 (264), der aus einer solchen Reduktion den Schluss zieht, der Persönlichkeitsschutz sei dann über andere Grundrechte zu gewährleisten. Ein solches Verständnis widerspricht aber dem klaren Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 GG, der den Persönlichkeitsschutz explizit dort verankert. 67 BVerfGE 65, 1 (42); vgl. auch Giesen, RDV 26 [2010], 266 (269), der schlicht von Daten sprechen möchte, da es keine nicht personenbezogenen Daten gebe. 60
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(3) Grundrechtsschutz bei fehlenden weiteren oder zeitlich nachgelagerten Ermittlungsmaßnahmen Besonders sprechen aber verfassungsrechtliche Argumente gegen den Ausschluss Unbekannter aus dem Schutzbereich. Man stelle sich vor, Ermittlungsbehörden läsen mittels DNA-Analyse aus einer Spur das Vorliegen einer Krankheit oder Behinderung heraus. Derartige Feststellungen werden generell als verfassungswidrig eingestuft68. Eines weiteren Schrittes zur Identifikation – also einer weiteren strafprozessualen Maßnahme – bedarf es dann nicht zwingend, zumal zeitlich vorgelagerte Maßnahmen den Kreis der Tatverdächtigen bereits deutlich reduziert haben können. Zeichnet die Behinderung das Aussehen eines Menschen, genügt bloßes Betrachten. Selbst wenn sich der Analyse eine weitere strafprozessuale Maßnahme anschließt, sind durch die Analyse berührte grundrechtliche Belange bei der Kontrolle der zweiten nicht mehr einzubringen. Mit anderen Worten steigert sich die Intensität einer nachträglichen Gegenüberstellung nicht durch die vorherige Analyse. Es liegen vielmehr zwei voneinander unabhängige Akte vor, wie die Gegner einer Eröffnung des Schutzbereiches selbst einräumen. Das Argument, die Spur habe sich „objektiviert“69, verkennt, dass alleine aufgrund der weiteren Verwendungsmöglichkeiten70 von DNA-Material die Spur niemals vom Spurenleger gelöst werden kann. Die in ihr enthaltenen Informationen verlieren auch nicht ihre Schutzwürdigkeit dadurch, dass sie in der Öffentlichkeit abgesondert werden. Es steht dem Bürger nämlich frei, auch in der Öffentlichkeit Informationen für sich zu behalten, indem er z. B. seine wahre Haarfarbe durch Färben verbirgt. Ferner kann aber bei derart vielen Informationen, die in einem DNAMolekül enthalten sind, nicht mehr von Disposition gesprochen werden71. Selbst wenn der Bürger freiwillig DNA-Material hinterlässt – was häufig schon allein mangels Kenntnis zu bezweifeln sein wird72 –, so kann daraus noch lange nicht geschlussfolgert werden, er sei mit der Analyse einverstanden. Er wird ob der erweiterten Verwendungsmöglichkeiten gar nicht wissen, was er preisgibt. Zu Recht erkennt das BVerfG die Gefahr erweiterter Verwendungsmöglichkeiten im Rahmen anderer Feststellungen an73. Nichts anderes kann bei der DNA-Analyse zu Strafverfolgungszwecken dienen. Insofern gilt das Votum des BVerfG von 1983: Ein 68 BT-Drucks. 12/7266, S. 11; BT-Drucks. 13/667, S. 11; Beck, S. 91; Donner/Simon, DÖV 1990, 907 (915); Foldenauer, S. 94; Keller, NJW 1989, 2289 (2293); Kische, in: Lange/Wedekamm (Hrsg.), Postfaktische Sicherheitspolitik, 9 (11 f.); Krehl/Kolz, StV 2004, 447 (449); Warntjen, S. 182; vgl. auch BVerfGE 103, 21 (32). 69 BVerfG NJW 1996, 771 (772), zust. Beck, S. 89; ebenso Bula, Der Kriminalist 1997, 347. 70 Das BVerfG erkennt eine erweiterte Verwendungsmöglichkeit durchaus als Gefahr an, vgl. BVerfGE 65, 1 (45); 120, 274 (312); 130, 151 (183 f.). Warum es diese bei DNA-Analysen nicht ebenso betont, erscheint rätselhaft. Vgl. dazu auch Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 2, Rn. 16. Gerade bei DNA-Analyse betont dies zu Recht Busch, StraFo 2002, 46, (49). 71 Keller, NJW 1989, 2289 (2293); vgl. Krehl/Kolz, StV 2004, 447 (449). 72 Vgl. Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (74). 73 BVerfGE 120, 274 (312); 130, 151 (183 f.); 141, 186 (211).
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belangloses Datum kann es in Zeiten moderner Informationstechnologie nicht geben74. (4) Vermischung von Materialerhebung und Analyse und von Schutzbereich, Eingriff und Verletzung Ferner sind die Befürchtungen, die gesamte polizeiliche Ermittlungsarbeit komme zum Erliegen, so man die Daten Unbekannter schütze, bestenfalls übertrieben. Es handelt sich dabei um ein bloßes argumentum ad consequentiam, das auf einer Vermischung der einzelnen Maßnahmen der Ermittlung und innerhalb der Grundrechtsdogmatik gründet. Denn zum einen ist nicht Gegenstand der diskutierten Frage, ob die Polizei am Tatort gefundene Spuren sicherstellen kann. Es geht um die Frage, ob das aufgefundene Material analysiert werden kann. Dies sind zwei voneinander zu trennende Maßnahmen75. Warum einerseits strikt auf die Trennung von Analyse und Abgleich, nicht aber auf die von Sicherstellung und Analyse bestanden wird, erschließt sich nicht. Freilich kann und muss die Polizei Fingerabdrücke und Spuren sicherstellen. Damit hat sie indes keinen Freifahrtschein, alle in den Spuren enthaltenen Informationen mittels DNA-Analyse zur Kenntnis zu nehmen oder gar zu verwerten. Zweitens erweckt das dargestellte Horrorszenario den Eindruck, der Schutz der Daten unbekannter Spurenleger führe dazu, dass die komplette Ermittlungsarbeit verfassungswidrig werde. Dem muss aber entgegengehalten werden, dass selbst bei Eröffnung des Schutzbereichs und anschließendem Bejahen der Eingriffsqualität eine Verletzung nicht ipso iure vorliegt. Vielmehr bedarf es dann einer i. R. d. Rechtfertigung einer Abwägung76 der widerstreitenden Belange – Informationelle Selbstbestimmung und Strafrechtspflege –, die bei schweren Verbrechen regelmäßig zugunsten der Strafrechtspflege ausfallen wird. Einen Zusammenbruch der Ermittlungsarbeit kann daher nicht aus der Eröffnung des Schutzbereichs geschlussfolgert werden. (5) Ergebnis Um eine additive Aushöhlung des Datenschutzes zu verhindern, ist es daher notwendig, personenbezogene Daten auch als personen- und nicht als persönlichkeitsbezogene Daten zu begreifen. Eine unmittelbare Zuordnungsmöglichkeit ist nicht erforderlich, um von personenbezogenen Daten auszugehen zu können. Auch Informationen unbekannter Spurenleger unterfallen dem Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. 74
BVerfGE 65, 1 (45). In diesem Sinne auch Schraml, S. 232; Störzer, Kriminalistik 2001, 169 (170). 76 Neuser, S. 94, Fn. 510 erkennt dies mittelbar auch an, indem er fordert, sofern ein Eingriff zu bejahen sei, müsse dann die Intensität der Eingriffe bei bekannten bzw. unbekannten Spurenlegern verglichen werden. 75
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(6) Konsequenzen für das Verhältnis von Datenschutz- und Strafverfahrensrecht Strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen erweisen sich als Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn ein Tatverdächtiger noch nicht feststeht. Entsprechende Maßnahmen müssen sich demnach ausnahmslos am Recht auf informationelle Selbstbestimmung messen lassen77. Strafaufklärung ist Informationsgewinnung78, unabhängig davon, ob die betroffene Person bekannt ist. Einen datenschutzfreien Raum – der entstünde, wenn man Spuren Unbekannter nicht schütze –, billigt die Verfassung auch der Strafverfolgung nicht zu. 2. Eingriff Nach dem heute vorherrschenden modernen Eingriffsbegriff stellt jedes staatliche Handeln einen Eingriff dar, welches dem Bürger die Ausübung eines grundrechtlich geschützten Verhaltens erschwert79. In das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird demnach eingegriffen, wenn die autonome Entscheidungsbefugnis des Einzelnen bzgl. des Umgangs mit ihn betreffenden Daten tangiert wird, wenn also personenbezogene Daten gegen seinen Willen verwendet werden. Ein Eingriff in das Grundrecht informationelle Selbstbestimmung ist damit jede Verwendung der Daten im weitesten Sinne80. So ist bereits die Erhebung81 ein Eingriff, ebenso wie eine darauffolgende Nutzung bzw. Verwendung82 oder Speicherung83. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass als das, was unter dem europarechtlichen Begriff der Verarbeitung fällt, auch einen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht i. S. d. deutschen Verfassungsrechts darstellt. Erfasst ist folglich jede Form von Verwendung von Informationen aus DNA-Spuren84.
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Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (74). Ernst, S. 19. 79 Zippelius/Würtenberger, StaatsR, § 19, Rn. 26 ff. m. w. N. 80 Vgl. Horn, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 2 GG, Rn. 50; Rixen in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 73. 81 BVerfGE 103, 21 (32); 115, 166 (190); 130, 151 (183); 140, 99 (111). 82 Vgl. BVerfGE 65, 1 (52); 103, 21 (32); 130, 151 (183). 83 BVerfGE 103, 21 (32); 130, 151 (183); 140, 99 (111). 84 Vgl. BVerfGE 103, 21 (32); OLG Thüringen, NStZ 2000, 553 (554); LG Freiburg, NStZ 2000, 162; LG Gera, NStZ 2000, 163; LG Göttingen, NStZ 2000, 164; Benfer, StV 1999, 402; Busch, StraFo 2002, 46; Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 176; Kamann, StV 1990, 9 (10 f.); Kauffmann/Ureta, StV 2000, 103 (105 f.). 78
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3. Rechtfertigung a) Allgemeine verfassungsrechtliche Anforderungen Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist indes nicht mit einer Verletzung desselben gleichzusetzen. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet85. Die Beschränkung bedarf aber einer hinreichend bestimmten und verhältnismäßigen Ermächtigungsgrundlage86. Das Erfordernis einer effektiven Strafrechtspflege ist als Belang der Allgemeinheit87 als Möglichkeit anerkannt, Eingriffe zu rechtfertigen88. Inwieweit die entsprechenden Vorschriften diesen Anforderungen genügen, wird an der jeweiligen Stelle erörtert. b) Die Sphärentheorie des BVerfG Personenbezogene Daten fallen wie bereits erwähnt unabhängig von ihrer Sensibilität dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung89. Das BVerfG hat jedoch bereits vor dem Volkszählungsurteil90 verschiedene Informationen verschiedenen Sphären zugeordnet91. So unterfallen der Intimsphäre solche Daten, die höchstpersönlichen Inhalt haben und die der Betroffene auch geheim halten will92. Man spricht insoweit auch von 85 BVerfGE 65, 1 (43 f.); 80, 367 (373); 103, 21 (33); 117, 202 (228); Hofmann, in: SchmidtBleibtreu u. a., GG, Art. 2, Rn. 16; vgl. auch bereits BVerfGE 27, 344 (351); 32, 373 (379); 33, 367 (376 f.); 34, 238 (246); 35, 35 (39); 35, 202 (220); 44, 353 (373). 86 BVerfGE 65, 1 (44); 103, 21 (33); 113, 39 (50); 115, 166 (190 f.); 117, 202 (228); Franzius, ZJS 2015, 259; Geis, JZ 1991, 112 (117); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 2, Rn. 16. 87 BVerfGE 80, 367 (373); 84, 192 (195); 103, 21 (33); 117, 202 (228); NJW 2018, 2385 (2386); BVerwG, JZ 1991, 471 (473). 88 Vgl. BVerfGE 19, 342 (347); 20, 45 (49); 20, 144 (47); 32, 373 (381); 33, 367 (381); 77, 65 (76); 80, 367 (375); 130, 1 (26); explizit zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung BVerfGE 103, 21 (33); 115, 166 (191); NJW 1996, 771 (772); BVerwG, JZ 1991, 471 (473); OLG Düsseldorf, NStZ 1998, 268 (269). 89 S. dazu oben Kap. 3 § 3 I. 2. b) cc). 90 Teilweise wird vertreten, das BVerfG habe sich im Volkszählungsurteil seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, vgl. Benda, DuD 1984, 86 (88); Denninger, KJ 18 [1985], 215 (220); Geis, JZ 1991, 112 (113); Hufen, JZ 1984, 1072 (1074); Mückenberger, KJ 17 [1984], 1 (4 ff.); Podlech, Leviathan 12 [1984], 85 (92); Schlick, Der Staat 25 [1986], 233 (241); Steinmüller, DuD 1984, 91 (93); a. A. Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2, Rn. 35; diff. Beck, S. 91, Fn. 407, ohne Anknüpfung an das Volkszählungsurteil vgl. Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 161. 91 Sog. Sphärentheorie, vgl. nur BVerfGE 27, 344 (351); 32, 373 (379); 33, 367 (376 f.); 34, 238 (245 f.); 35, 35 (39); 44, 353 (372 f.); 80, 367 (373 f.). Vgl. zur Sphärentheorie insgesamt Albers, Informationelle Selbstbestimmung, S. 209 ff.; Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 158; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 2, Rn. 18 f. 92 BVerfGE 80, 367 (374).
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einem „unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung“ bzw. einem unantastbaren Kernbereich der Persönlichkeit93. Eingriffe in diesen Bereich sind wegen seiner Verknüpfung mit der Menschenwürde generell unzulässig94. Die Privat- oder Geheimsphäre unterscheidet sich von diesem Kernbereich durch ihren Sozialbezug95. Eingriffe sind nur aus gewichtigen Gründen des Allgemeinwohls erlaubt96. Die Teilnahme am öffentlichen Leben unterfällt dagegen der Sozial- oder Öffentlichkeitssphäre97. Sie genießt den schwächsten Schutz; es bleibt bei dem allgemeinen Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG98. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass auf einer Skala von Intim- zu Sozialsphäre – also mit zunehmendem Sozialkontakt des Menschen – die Anforderungen an das rechtfertigende Gesetz und die darauf gestützten Maßnahmen schwächer werden99. Eine derartige Klassifikation ist zwar nicht zwingend notwendig. Allerdings kann die Zuordnung zu einer Sphäre helfen, wenn es darum geht, die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffes zu beurteilen100. Gerade vor dem Hintergrund der Erweiterung des § 81e Abs. 2 StPO um phänotypische Merkmale bietet es sich an, die Feststellungen auf die Zuordnung zu einer Sphäre überprüft werden. Dies soll – auch sub specie § 81h StPO – bei der jeweils einschlägigen Norm ausführlich erörtert werden.
93 BVerfGE 6, 32 (41); 6, 389 (433); 27, 1 (6); 27, 344 (351); 32, 373 (379); 34, 238 (245); 35, 35 (39); 35, 202 (220); 80, 367 (373); 109, 279 (313); 119, 1 (29); vgl. auch Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 158; Hombert, S. 47; Kische, in: Lange/ Wedekamm (Hrsg.), Postfaktische Sicherheitspolitik, 9 (20); Vath, S. 32. 94 Vgl. BVerfGE 80, 367 (373 f.); 119, 1 (29); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 2, Rn. 19; Schneider, JuS 2021, 29 (ebd., 31); ähnlich Kische, in: Lange/Wedekamm (Hrsg.), Postfaktische Sicherheitspolitik, 9 (20), der Menschwürde und den Kern der Persönlichkeit gleichsetzt. 95 Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 159; Donner/Simon, DÖV 1990, 907 (913); Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2, Rn. 41; vgl. BVerfG NJW 2008, 39 (42); Albers, Informationelle Selbstbestimmung, S. 208 f. 96 BVerfGE 32, 373 (380); 35, 202 (220 f.); 80, 367 (383); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 2, Rn. 19; Hombert, S. 47. 97 Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2, Rn. 43. 98 Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 104. 99 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 2, Rn. 18; Mückenberger, KJ 17 [1984], 1 (5); Podlech, Leviathan 12 [1984], 85 (91); vgl. auch Donner/Simon, DÖV 1990, 907 (913). 100 Ernst, S. 72.
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c) Grundrechtsverzicht aa) Grundlagen (1) Begriffsbestimmung, Voraussetzungen und Rechtsfolge Unter Grundrechtsverzicht versteht man die bewusste Entscheidung eines Grundrechtsträgers, auf die Ausübung seines Grundrechts im konkreten Fall zu verzichten101. Nicht gemeint ist ein Verzicht, der die Berufung auf das Grundrecht generell mit Wirkung pro futuro verwehrt, der also ein Totalverzicht wäre102. Dies ist von Verfassungs wegen unzulässig. Begründet wird dies zum einen mit der objektiven Wirkungskraft der Grundrechte für das Gemeinwesen insgesamt, zum anderen aber auch mit der in Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG normierten Pflicht des Staates zum Schutz der Grundrechte, die nicht zur Disposition des Einzelnen steht.103 Die Möglichkeit eines auf die Ausübung des Rechts in der konkreten Situation beschränkten Verzichts ist aber weithin anerkannt104. Streit indes herrscht über die Wirkung des Grundrechtsverzichts. Teilweise wird angenommen, ein wirksamer Grundrechtsverzicht lasse die Eingriffsqualität einer staatlichen Maßnahme entfallen105 ; teilweise wird dem Grundrechtsverzicht rechtfertigende Wirkung zugesprochen106. Beide Ansichten107 führen indes zu demselben Ergebnis, dass eine Grundrechtsverletzung ausscheidet.
101 Fischinger, JuS 2007, 808; Kliemannel, Die Polizei 2021, 53 (54); Malacrida, S. 13; Spieß, S. 50 f.; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313 (314); anders Becker, in: Stern/Becker, Grundrechte, Einl., Rn. 189; a. A. Amelung, Einwilligung, S. 19 f., der Verzicht als Ermächtigung nicht nur für den konkreten Fall, sondern auch für zukünftiges Handeln versteht. 102 OLG Frankfurt, NJW 1963, 112 (112 f.); Hilgruber, S. 135; Kliemannel, Die Polizei 2021, 53 (54); Nebendahl/Rönnau, NVwZ 1988, 873 (876); Pietzcker, Der Staat 17 [1978], 527 (531); Spieß, S. 45 f.; Stern, StaatsR III/2, § 86, I., 1.; Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (27); vgl. i. E. ebenso Sachs, in: Sachs, GG, Vorb. Abschnitt I, Rn. 53. 103 Nebendahl/Rönnau, NVwZ 1988, 873 (876); Spieß, S. 45 f.; allgemein zur verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit des Totalverzichts Bleckmann, S. 323; Brüggemann, S. 79; Merten, in: FS Schmitt Glaeser, 53 (72 f.); Pietzcker, Der Staat 17 [1978], 527 (531); Wilde, S. 78; i. d. S. auch Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (27). 104 Vgl. BVerfGE 9, 194 (199); Becker, in: Stern/Becker, Grundrechte, Einl., Rn. 189; Bleckmann, JZ 1988, 57 (58 f.); Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Rn. 36; Dürig, AöR 81 [1956], 117 (152); Fischinger, JuS 2007, 808 (809); Sachs, in: Sachs, GG, Vorb. Abschnitt I, Rn. 53; m. w. N. vgl. Stern, StaatsR III/2, § 86, I., 5., a), b); a. A. noch Bussfeld, DÖV 1976, 765 (771). 105 Brüning, S. 157; El-Ghazi, ZIS 2019, 110 (111); Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Rn. 36; Tünnesen-Harmes, JuS 1994, 142 (145); Voßkuhle/ Kaiser, JuS 2009, 313 (314); Wolter, RdA 2002, 218 (222); vgl. auch BVerwG, NJW 1973, 1895 (1896); in diese Richtung wohl auch BVerfGE 128, 282 (301). 106 Fischinger, JuS 2007, 808 (813); Kliemannel, Die Polizei 2021, 53 (55); so wohl auch Becker, in: Stern/Becker, Grundrechte, Einl., Rn. 192.
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Eine wirksame Verzichtserklärung ist ausdrücklich oder konkludent und formlos möglich, muss aber freiwillig erfolgen und dem zuständigen Adressaten zugehen108. Jedoch sind alle Grundrechte nicht gleichermaßen dem Verzicht zugänglich. Vielmehr sind durch die Verfassung selbst Grenzen gesetzt. Ein Verzicht auf die Menschenwürde wird generell abgelehnt109, problematisch ist auch der Verzicht auf Grundrechte, die das Gemeinwesen im Ganzen betreffen110. Ein Verzicht kann im Einzelfall auch am entgegenstehenden öffentlichen Interesse scheitern111. Auf den Wesensgehalt eines Grundrechts soll wegen Art. 19 Abs. 2 GG ebenso nicht verzichtet werden können112. (2) Abgrenzung zu ähnlichen Grundrechtsinstituten Streng unterschieden werden muss der Grundrechtsverzicht vom bloßen Nichtgebrauch eines Grundrechts113. Drei substantielle Unterschiede bestehen zwischen diesen Instituten: Zum einen der Aspekt der Willensbekundung: Beim Grundrechtsverzicht liegt eine zumindest konkludente Willenserklärung vor, beim Nichtgebrauch des Grundrechts dagegen nicht114. Zweitens der Aspekt rechtlicher Bindung: Erklärt ein Wohnungsinhaber dem Polizisten gegenüber, letzterer dürfe seine Wohnung durchsuchen, so kann sich der Polizist auf diese Erklärung berufen115. Ansonsten wäre der Verzicht in Form der Erklärung ein rechtliches nullum116. Betritt der Polizist die Wohnung einfach und der Bürger macht seine Rechte nicht geltend, so steht es ihm frei, jederzeit den Polizisten wieder der Wohnung zu verweisen117. Die Wil107
Stern, StaatsR III/2, § 86, IV., 2., a) plädiert dagegen dafür, im Falle eines wirksamen Verzichts würden schlicht bestimmte Schutzwirkungen der Grundrechte greifen. 108 Robbers, JuS 1985, 925 (926); Spieß, S. 51. 109 Vgl. BVerfGE 39, 1 (41 ff.); 45, 187 (219); BGH, NJW 1976, 1883 (1885); BVerwG, NJW 1982, 664, (665); VG Neustadt, NVwZ 1993, 98 (99); Fischinger, JuS 2007, 808 (811); Geddert-Steinacher, S. 86; Redeker, BayVBl. 1985, 73 (77 f.); Spieß, S. 112 f.; Voßkuhle/ Kaiser, JuS 2009, 313 (314); diff. Zippelius/Würtenberger, StaatsR, § 19, Rn. 102, 103; a. A. aber Blankenagel, KJ 20 [1987], 379 (385 ff.); Schmitt Glaeser, ZRP 2000, 395 (400). 110 Becker, in: Stern/Becker, Grundrechte, Einl., Rn. 191; Bussfeld, DÖV 1976, 765 (771); Fischinger, JuS 2007, 808 (811); Robbers, JuS 1985, 925 (927 f.). 111 Bussfeld, DÖV 1976, 765 (771); Nebendahl/Rönnau, NVwZ 1988, 873 (876); Robbers, JuS 1985, 925, (930). 112 Amelung, Einwilligung S. 54; Dürig, AöR 81 [1956], 117 (152 f.); Fischinger, JuS 2007, 808 (811); Pietzcker, Der Staat 17 [1978], 527 (536) m. w. N.; Robbers, JuS 198, 925 (929). 113 Malorny, JA 1974, 131 (132); Pietzcker, Der Staat 17 [1978], 527 (533); Putzhammer, S. 42; Robbers, JuS 1985, 925; Schick, ZBR 1963, 67 (69); Spieß, S. 47; Stern, StaatsR III/2, § 86, II., 2. a. E.; Sturm, in: FS Geiger, 173 (185 f.). 114 Pietzcker, Der Staat 17 [1978], 527 (533); Putzhammer, S. 43; Spieß, S. 48; Stern, StaatsR III/2, § 86, II., 6., c) ff.; Sturm, in: FS Geiger, 173 (186). 115 Vgl. Pietzcker, Der Staat 17 [1978], 527 (533). 116 Sturm, in: FS Geiger, 173 (186). 117 Vgl. Malorny, JA 1974, 131 (132); Merten, in: FS Schmitt Glaeser, 53 (54).
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Kap. 3: Datenschutzrechtliche Implikationen bei DNA-Analysen
lensbekundung, die den Grundrechtsverzicht gegenüber dem Nichtgebrauch auszeichnet, hat daher rechtliche Bedeutung, das Nichtstun nicht, dieses ist tatsächlicher Natur118. Drittens gilt es die Folgen der Nichtausübung bzw. des Verzichts zu betrachten119: Der Grundrechtsverzicht lässt eine Grundrechtsverletzung entfallen120. Im Gegensatz dazu bleibt ein rechtswidriger Grundrechtseingriff auch dann rechtswidrig, wenn der Grundrechtsträger sein Grundrecht nicht geltend macht121. Unternimmt z. B. ein Betroffener nichts gegen eine rechtswidrige Beschlagnahme seiner Sache, bleibt diese rechtswidrig. Gibt er die Sache aber heraus, so liegt ein Grundrechtsverzicht vor und die Sicherstellung ist rechtmäßig. Der Grundrechtsverzicht darf ferner nicht mit der Ausübung der negativen Komponente eines Grundrechts verwechselt werden122. Dies geschieht ebenso anhand des Merkmals der Willensbekundung. Bei der Ausübung der negativen Freiheitskomponente wird kein Wille geäußert. Wer z. B. seine Meinung nicht äußert, macht von seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit in seiner negativen Dimension Gebrauch. Er verzichtet gerade nicht123. Wer dagegen sich gegenüber dem Staat verpflichtet, seine Meinung kundzutun oder nicht kundzutun, der verzichtet auf das Grundrecht. (3) Grundrechtsverzicht und Gesetzesvorbehalt Wegen des Vorbehalts des Gesetzes darf der Staat nur dann in grundrechtlich geschützte Positionen des Bürgers eingreifen, wenn er kraft Gesetzes dazu ermächtigt ist124. Nun berührt im Falle eines Grundrechtsverzichts das staatliche Handeln ebenso eine grundrechtlich geschützte Sphäre wie bei einem Eingriff, denn wenn das staatliche Handeln keine Grundrechtsrelevanz hätte, so müsste nicht auf das Grundrecht verzichtet werden. Deshalb liegt es prima facie nahe, auch für den
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Merten, in: FS Schmitt Glaeser, 53 (54); Sturm, in: FS Geiger, 173 (186). Vgl. Pietzcker, Der Staat 17 [1978], 527 (533, Fn. 27). 120 S. dazu schon oben Kap. 3 § 3 I. 3. c) aa) (1). 121 Vgl. Pietzcker, Der Staat 17 [1978], 527 (533, Fn. 27); Putzhammer, S. 42 f.; Robbers, JuS 1985, 925. 122 Robbers, JuS 1985, 925; Spieß, S. 48; Stern, StaatsR III/2, § 86, II., 2. 123 Spieß, S. 48; vgl. zu Art. 4 Abs. 1 GG Robbers, JuS 1985, 925 (926). 124 BVerfGE 40, 237 (249); 41, 251 (259 f.); 45, 400 (417 f.); 47, 46 (78); 49, 89 (126); 58, 257 (268); 98, 218 (251); Achenbach/Perschke, StV 1994, 577; Ahlf, Die Polizei 1983, 41; Amelung, Einwilligung, S. 63; Discher, JuS 1993, 463 (467); Grzeszick, in: Dürig/Herzog/ Scholz, GG, Bd. 3, Art. 20, V., Rn. 81; Hesse, S. 79; Jesch, AöR 82 [1957], 163 (245); Koch, S. 178; Kloepfer, JZ 1984, 685; Krebs, S. 11; ders., Jura 1979, 304; Krey, S. 37; ders./WeberLinn, in: FS Blau, 123 (137); Meyn, JuS 1990, 630 (632); Peters, in: FS Huber, 207 (208); Pietzcker, Der Staat 17 [1978], 527 (534); Putzhammer, S. 54. 119
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Grundrechtsverzicht eine Ermächtigungsgrundlage zu fordern125. Ein Grundrechtsverzicht wäre dann nur möglich, wenn er kraft Gesetzes vorgesehen wäre. Dieses Ergebnis liefe aber darauf hinaus, einen staatlichen Eingriff in ein Grundrecht mit dem staatlichen Handeln infolge eines Grundrechtsverzichts gleichzusetzen. Dagegen wird vorgebracht, ein solche Gleichsetzung scheitere daran, dass ein Eingriff per definitionem die zwangsweise Durchsetzungsmöglichkeit voraussetze und deshalb nicht mit einer individuellen Entscheidung gleichgesetzt werden dürfe, bei der es an Zwang gerade fehle126. Die Prämisse, ein Eingriff sei nur gegeben, wenn die Maßnahme mit Zwang durchgesetzt werden könne, kann allerdings nur bei Geltung des klassischen Eingriffsbegriffs angenommen werden127. Indes wird dieser nicht mehr vertreten128, sodass diese Argumentation nicht weiterführend ist. Anzusetzen ist nicht am Eingriffsbegriff, sondern an der Ratio des Gesetzesvorbehalts. Dieser hat zwei Funktionen: Zum einen hat er eine Schutzfunktion zugunsten des Bürgers. Letzterer soll durch das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage geschützt sein und zwar primär vor staatlichem Handeln gegen seinen Willen129. Diese Schutzfunktion entfällt freilich, wenn der Betroffene erklärt, das staatliche Handeln gehe mit seinem Willen d’accord130. Zum anderen verfolgt das Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes eine überindividuelle, das Staatswesen betreffende Komponente131. Durch das Erfordernis eines 125
In diesem Sinne Koch, S. 178 ff.; Wilde, S. 92 ff. Schwabe, S. 99. 127 Nach dem klassischen Eingriffsbegriff war die zwangsweise Durchsetzungsmöglichkeit neben Finalität, Unmittelbarkeit und Rechtsförmigkeit in Abgrenzung zum bloß faktischen Handeln hinreichende Voraussetzung für einen Eingriff, vgl. BVerfGE 79, 174 (201); BVerwGE 87, 37 (43), 90, 112 (121); OVG Münster, NVwZ 1991, 174 (175 f.); Bleckmann, S. 270; ders./ Eckhoff, DVBl. 1988, 373 (373 f.); Discher, JuS 1993, 463 (464); Duttge, S. 104; Eckhoff, S. 175 ff.; Erichsen, S. 80; Grabitz, S. 29 ff.; Grimm, in: Hassemer/Hoffmann-Riem/Limbach (Hrsg.), Grundrechte und soziale Wirklichkeit, 39 (65); ders., KritV 1 [1986], 38 (49); Herzog, in: FS Hirsch, 63 (65 ff.); Hillgruber, in: HbStR IX, § 200, Rn. 89; Jarass, NJW 1983, 2844 (ebd., 2847); ders., NVwZ 1984, 473 (476); ders., AöR 110 [1985], 363 (364); Menger, NJW 1980, 1827 (1829); Meyn, JuS 1990, 630 (632); Morlok, S. 415; Ramsauer, VerwArch 71 [1981], 89 (92); A. Roth, S. 134 ff.; Putzhammer, S. 51 f.; Scherzberg, S. 17; ders., DVBl. 1989, 1128; Schürmann, S. 272 ff.; Stern, StaatsR III/2, § 78, II., 1; Vogel, JbFStR 1968/1969, 225 (231); Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313; Zippelius/Würtenberger, StaatsR, § 19, Rn. 25. 128 Vgl. BVerfGE 46, 120 (137); Discher, JuS 1993, 463 (467); Menger, NJW 1980, 1827 (1829); Meyn, JuS 1990, 630 (632); Putzhammer, S. 52; Zippelius/Würtenberger, StaatsR, § 19, Rn. 26. 129 Pietzcker, Der Staat 17 [1978], 527 (534). 130 Pietzcker, Der Staat 17 [1978], 527 (534). 131 Bleckmann/Eckhoff, DVBl. 1988, 373 (375); Böckenförde/Grawert, AöR 95 [1970], 1 (24); Discher, JuS 1993, 463 (467); Kloepfer, JZ 1984, 685 (686); Krebs, Jura 1979, 304 (307); Ossenbühl, S. 171; Papier, S. 11; Pietzcker, JuS 1979, 710 (712); Stern, StaatsR III/2, § 80, I., 3., c); Spieß, S. 141 f.; 145 ff.; vgl. auch BVerfGE 8, 155 (166 ff.). 126
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Gesetzes wird die Macht der Exekutivgewalt zugunsten der Legislative begrenzt132. Die durch das BVerfG begründete Wesentlichkeitslehre konkretisiert dies insoweit, als dass das ermächtigende Gesetz selbst die grundrechtsrelevanten Entscheidungen regeln müsse133. Es ließe sich nun vorbringen, dass diese überindividuelle Komponente nicht zur Disposition des Einzelnen stehen könne, wenn sie doch das Staatswesen insgesamt betrifft134. Es dürfe nicht angehen, dass der Bürger das Kompetenzgefüge zugunsten der Verwaltung verschieben könne. Diesbezüglich ist zunächst anzumerken, dass das Kompetenzgefüge des Grundgesetzes auch dann verschoben würden, wenn der Verzicht auf die Ausübung eines Grundrechtes im konkreten Fall stets eines formellen Gesetzes als Grundlage bedürfte – dann zugunsten der Legislative. Ein solches Ergebnis ist deswegen aber unsachgemäß, weil zum einen ansonsten eine Flut an Gesetzen drohte, die praktisch nicht durchführbar ist135 und zum anderen das Grundgesetz die Verwaltung selbst als Gewalt vorsieht – und ihr damit zwangsläufig auch Bedeutung und Verantwortung im Staat zubilligt (vgl. nur die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers (Art. 65 S. 1 GG), die völkerrechtliche Vertretung des Bundes durch den Bundespräsidenten (Art. 59 Abs. 1 GG), die Auflösung des Bundestags durch denselben (Art. 68 GG) und die Erklärung des Gesetzgebungsnotstands durch denselben (Art. 81 GG))136. Das Gewaltentrennungsprinzip des Grundgesetztes darf nicht zugunsten eines allumfassenden Parlamentsvorbehaltes aufgegeben werden137. Weiter ist dem Argument, das Staatswesen stehe nicht zur Disposition des Bürgers entgegenzuhalten, dass die überragende Stellung der Legislative im Staatsaufbau auf der Tatsache gründet, dass sie die einzige unmittelbar demokratisch legitimierte Gewalt im Staat ist138, obschon man der Exekutive eine zumindest mittelbare demokratische Legitimation nicht absprechen kann139. Das Parlament selbst ist aufgrund der unmittelbaren Legitimation nichts anderes als das Ergebnis des Willens des Bürgerkollektivs. Deshalb können zwar abstrakte Regelungen nicht zur Disposition des Einzelnen stehen. Konkrete 132
Spieß, S. 142. Vgl. BVerfGE 40, 237 (249); 41, 251 (260); 45, 400 (417 f.); 47, 46 (79); 57, 295 (320 f.); 58, 257 (268 f.); 83, 130 (142); 98, 218 (251); 137, 350 (363 f.); vgl. auch Ahlf, Die Polizei 1983, 41 (43) und krit. Krebs, Jura 1979, 304 (308). 134 Spieß, S. 146; i. E. wohl auch Koch, S. 178. 135 Spieß, S. 147; vgl. auch Amelung, Einwilligung, S. 67. 136 Vgl. BVerfGE 49, 89 (125); 67, 100 (139); 68, 1 (87); 137, 185 (235); BVerfG, DVBl. 1979, 45 (46); VGH Kassel, DVBl. 1963, 443 (446); Ehmke, S. 35 ff.; Oettl, S. 64 ff.; Ossenbühl, S. 187 ff., Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (292); Peters, in: FS Huber, 206 (208 ff.); Scholz, VVDStRL 34 [1976], 146 (160), ders., AöR 105 [1980], 564 (598). 137 BVerfGE 49, 89 (124 ff.); 68, 1 (87); Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (292); vgl. auch BVerfGE 143, 101 (141); DVBl. 1979, 45 (46). 138 Vgl. BVerfGE 40, 237 (249); Böckenförde/Grawert, AöR 95 [1970], 1 (26); Hesse, S. 190; Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (292). 139 BVerfG, DVBl. 1979, 45 (46); VGH Kassel, DVBl. 1963, 443 (446 f.); Böckenförde/ Grawert, AöR 95 [1970], 1 (25 f.); Krebs, Jura 1979, 304 (307); Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (292). 133
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Einzelfallentscheidungen, wie sie von der Exekutive getroffen werden, hingegen schon, da sie den Willen des Bürgerkollektivs unberührt lassen140 und nicht das Staatswesen, sondern das Verhältnis von Staat und Bürger im Einzelfall betreffen. Der Grund, weshalb die Legislative in die Grundrechtssphäre des Bürgers eingreifen darf, ist gerade ihre Eigenschaft als Spiegelbild des Bürgerwillens. Kann aber das Kollektiv zu staatlichem, grundrechtsrelevantem Handeln ermächtigen, so muss der Einzelne dies erst recht dann können, wenn die Raum stehende Maßnahme nur ihn betrifft141. Im Falle eines Grundrechtsverzichts wird also nicht entgegen der Ratio des Gesetzesvorbehalts die Exekutivmacht zulasten der Legislative verschoben, weil die Entscheidung der Legislative unangetastet bleibt. Demnach spricht auch die zweite Komponente der Funktion des Gesetzesvorbehalts nicht für seine Geltung beim Grundrechtsverzicht. Vielmehr ist aufgezeigt worden, dass die Ratio des Gesetzesvorbehalts für Fälle des Grundrechtsverzichts unpassend erscheint. Eines Gesetzes, dass den Grundrechtsverzicht gestattet, bedarf es mithin von Verfassungs wegen nicht142. Gleichwohl sei angemerkt, dass es dem Gesetzgeber unbenommen ist, den Grundrechtsverzicht einfachgesetzlich positiv zu ermöglichen und zu gestalten, da somit keine schutzwürdigen Belange des Bürgers berührt werden143. Derartige Gesetze haben dann aus verfassungsrechtlicher Perspektive lediglich deklaratorischen, nicht konstitutiven Charakter. bb) Verzicht auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung; zugleich Kritik an der Sphärentheorie Ein Verzicht auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist weitgehend anerkannt144. Dabei wird schlicht festgestellt, dass durch Einwilligung auf den Schutz personenbezogener Daten verzichtet werde könne145. Die dogmatische Anknüpfung an das allgemeine Persönlichkeitsrecht und dessen Verknüpfung mit der unverzichtbaren146 Menschenwürde geben jedoch Anlass, an dieser pauschalen Aussage zu zweifeln147. Der Schluss liegt nahe, man könnte zu140 Dies verkennen Koch, S. 179 und Wilde, S. 93, wenn sie ausführen, nur der Gesetzgeber als Ergebnis des Bürgerkollektivs und nicht der Einzelne sei als befugt, Grundrechte einzuschränken. Die Legitimation des Gesetzgebers bleibt unberührt, wenn der Einzelne auf Grundrechtsausübung verzichtet. Andererseits drohte ein Grundrecht zur Grundpflicht zu werden. Auf Grundpflichten wurde im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung (vgl. die Überschrift des zweiten Hauptteils der WRV) im Grundgesetz aber verzichtet. 141 Amelung, Einwilligung, S. 65 142 I. E. ebenso Kolz, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 79 (84); a. A. wohl Schenke, JuS 1977, 281 (285). 143 Vgl. Pietzcker, JuS 1979, 710 (712). 144 Vgl. ausdrücklich Robbers, JuS 1985, 925 (928); Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (26 f.); vgl. BVerfGE 65, 1 (42 f.). 145 Robbers a. a. O.; vgl. BVerfG a. a. O. 146 S. oben Kap. 3 § 3 I. 3 c) aa) (1). 147 Vgl. Tünnesen-Harmes, JuS 1994, 142 (145).
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Kap. 3: Datenschutzrechtliche Implikationen bei DNA-Analysen
mindest insofern nicht auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht verzichten, als die betroffene Information eher dem Teilaspekt der Menschenwürde im Rahmen des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung zuzuordnen ist. Freilich würde ein solches Ergebnis aber nicht überzeugen; zeichnet es den selbstbestimmten Menschen gerade aus, auch intime Informationen – so er möchte – preiszugeben148. Man denke auch an per se intime Informationen, die aber nicht geheim gehalten werden können149. Es zeigt sich daraus, dass die Sphärentheorie nur im Rahmen der abwehrrechtlichen Funktion des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung von Nutzen ist. Allein diese Funktion ist aber für den Schutz personenbezogener Daten – der dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht immanent ist150 – nicht ausreichend. Daneben, nicht aber stattdessen, muss der Ansatz einer eigentumsanalogen Verfügungsbefugnis über die eigenen Daten151 als dogmatischer Bestandteil Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung begriffen werden. Nur daraus kann sich die Befugnis des Einzelnen ergeben, auch über Daten zu disponieren, die zwangsweise nicht erhoben werden dürften. Im Bereich der DNA-Analyse ist allerdings zu beachten, dass durch eine Analyse fast jede Information über einen Menschen gewonnen werden kann. Dadurch würde ein Grundrechtsverzicht dergestalt, dass ohne Konkretisierung eine Einwilligung erteilt wird, zu einem unzulässigen Totalverzicht152. Zu fordern ist daher, dass entweder die Ermächtigungsgrundlage oder die Verzichtserklärung a priori festlegt, welche Informationen erhoben werden153. Dies ist schon alleine deshalb bedeutend, weil der Betroffene sodann im Voraus von seinem Recht auf Nichtwissen Gebrauch machen kann und nicht auf die unbefriedigende Alternative zwischen Unkenntnis trotz Möglichkeit und Kenntnis verwiesen werden muss. cc) Konsequenz für das Verhältnis von Datenschutz- und Strafverfahrensrecht Daraus ergibt, dass der Einzelne grundsätzlich frei ist, durch Verzicht auf sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung den Strafverfolgungsbehörden Informationen zukommen zu lassen. Berücksichtigt werden muss aber, dass er 148 Vgl. Fischinger, JuS 2007, 808 (811), der deshalb vorschlägt, eine Einwilligung in die Menschenwürde bereits in deren Schutzbereich zu berücksichtigen. 149 So sieht das BVerfG in BVerfGE 39, 1 (42) bspw. die Schwangerschaft einer Frau als zur Intimsphäre gehörig an. Gleichwohl kann eine Frau ihre Schwangerschaft zumindest im fortgeschrittenen Stadium nicht verheimlichen. 150 S. oben Kap. 3 § 3 I. 151 Vgl. dazu krit. Britz, in: Hoffmann-Riem (Hrsg.), Offene Rechtswissenschaft, 561 (563); Franzius, ZJS 2015, 259 (263). 152 S. oben Kap. 3 § 3 I. 3. c) aa) (1). 153 Vgl. auch Wellbrock, CR 1989, 204 (208).
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vollkommen frei nur insofern ist, als es um ihn betreffende Informationen geht. Verfügt er aber über Daten anderer, so ist die Kenntnisnahme durch die Strafverfolgungsbehörden zwar u. U. unausweichlich, die anschließende Verwendung oder gar Speicherung hingegen stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen dar. Hierzu bedarf es einer gesetzlichen Grundlage; ein Verzicht durch einen anderen scheidet aus. Es gibt keinen – um im Duktus der Verfügungsbefugnis zu bleiben – Erwerb von Daten vom Nichtberechtigten.
II. Menschenwürde Die Menschenwürde nimmt als oberstes Prinzip der Verfassung einen überragenden Stellenwert innerhalb derselben ein154. Dies ergibt sich prima facie bereits aus ihrer Stellung an der Spitze des Grundrechtsabschnitts im Grundgesetz und ihrer Aufnahme in die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG sowie aus ihrer Unantastbarkeit155. Der Terminus der Menschenwürde ist schwer greif- und vielseitig interpretierbar156. Nach der Objektformel des BVerfG verbietet der Schutz der Menschenwürde dem Staat, den Bürger zum Objekt seines Handelns zu machen und ihm damit seinen sozialen Wert- und Achtungsanspruch sowie seine Subjektqualität abzusprechen157. Der Schutzbereich der Menschenwürde ist daher vom Eingriff her definiert158. Wegen der überragenden Bedeutung der Menschenwürde ist bei der Frage nach der Eingriffsqualität einer Maßnahme Zurückhaltung angezeigt159, beraubt doch jeder Eingriff den Menschen seiner Subjektqualität und stellt somit zugleich eine Verletzung des sich aus dem Grundrecht160 ergebenden Achtungsanspruches161 dar162. 154
BVerfGE 5, 85 (204); 55, 166 (175); 87, 209 (228); Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 1, Rn. 4; Hillgruber, in: BeckOK-GG, Art. 1, Rn. 1; vgl. ferner Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1, Rn. 8. 155 Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 1, Rn. 4. 156 Beck, S. 82; Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 1, Rn. 33. 157 BVerfGE 9, 89 (90); 27, 1 (6); 28, 386 (391); 45, 187 (218); 55, 166 (175); 87, 209 (228); vgl. auch Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 1 GG, Rn. 7. 158 Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 1, Rn. 36. 159 Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 1, Rn. 44; Hillgruber, in: BeckOK-GG, Art. 1, Rn. 11. 160 Der Grundrechtscharakter des Art. 1 Abs. 1 GG ist stark umstritten, wenngleich die h. M. ihn bejaht. Für ein Grundrecht auf Achtung der Menschenwürde Herdegen, in: Dürig/Herzog/ Scholz, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 1, Rn. 29; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1, Rn. 6; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 1, Rn. 3; dagegen aber Enders, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 1 GG, Rn. 37 – 40. 161 BVerfGE 87, 209 (228).
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Kap. 3: Datenschutzrechtliche Implikationen bei DNA-Analysen
Für die DNA-Analyse relevant ist einerseits das in der Menschenwürde wurzelnde Verbot einer Totalausforschung163. Alle verfügbaren Informationen über einen Menschen anzusammeln würde seine Entfaltung als selbstbestimmtes Individuum164 vereiteln. So wie angenommen wird, der Zwang zur vollständigen Offenbarung des genetischen Programms eines Arbeitnehmers zur Klärung von Krankheitsfragen mache diesen zum bloßen Objekt der Kostenplanung165, würde der Bürger zum „Informationsautomaten“ und wäre damit letzten Endes auch nur noch Objekt staatlichen Handeln, wenn alle persönlichkeitsrelevanten und nicht persönlichkeitsrelevanten Informationen aus DNA für Strafverfolgungszwecke heraus gelesen und gespeichert würden166. Anderseits stellt sich Frage, ob ebenso aus der Erhebung einer einzelnen Information eine Verletzung der Menschenwürde resultieren kann. Dabei gilt es zu sehen, dass dem Menschen qua seiner Würde ein „unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung“ eigen ist167. Insoweit gilt das oben Ausgeführte; es sind in diesem Bereich Überschneidung zwischen dem Schutz der Menschenwürde und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung unter Berücksichtigung der Sphärentheorie festzustellen.
§ 4 Das Bundesdatenschutzgesetz und sein Verhältnis zur StPO I. Anwendbarkeit des BDSG im Strafverfahren In der Vergangenheit hat das BDSG im Strafprozess kaum Beachtung gefunden168. § 1 Abs. 3 S. 1 BDSG a. F. ordnete an, dass andere Vorschriften des Bundes dem BDSG vorgehen, soweit sie den Umgang mit personenbezogenen Daten regelten. Das BDSG war somit geprägt durch seinen Auffangcharakter und gegenüber der StPO subsidiär. Seitdem die JI-Richtlinie zumindest teilweise durch eine Reform des BDSG umgesetzt wurde, erfährt das BDSG in Strafverfahren eine größere Bedeutung. Das BDSG ist selbst zweigeteilt und regelt einerseits ein allgemeines und
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Vgl. Enders, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 1 GG, Rn. 21, 37; Fischinger, JuS 2007, 808 (810); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 1, Rn. 14; Hilgruber, in: BeckOK-GG, Art. 1, Rn. 11. 163 BVerfGE 27, 1 (6); BGH, NJW 1998, 3284 (3286); Beck, S. 93; Härtel, ZG 2005, 300 (305). 164 Vgl. Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 1, Rn. 85. 165 Tünnesen-Harmes, JuS 1994, 142 (145). 166 Vgl. ähnlich schon Altendorfer, S. 163; Hasselbach, S. 173 f.; Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 1, Rn. 58; vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerfGE 27, 1 (6). 167 S. o. Kap. 3 § 3 I. 3. b). 168 Basar/Hiéramente, HRRS 2018, 336 (340).
§ 4 Das Bundesdatenschutzgesetz und sein Verhältnis zur StPO
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andererseits ein bereichsspezifisches Datenschutzrecht169. Bei der Auslegung des den Datenschutz im Strafverfahren regelnden Teils muss die JI-Richtlinie als vorprägendes Sekundärrecht beachtet werden170. Dies ist der dritte Teil des BDSG, der gem. § 45 BDSG für die Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung, Verfolgung und Ahndung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten gilt. Eine Orientierung an Art. 1 Abs. 1 der JI-RL ist sichtbar.
II. Das Verhältnis von BDSG und StPO zueinander Damit ist explizit geklärt, dass das der dritte Teil des BDSG in Strafsachen Anwendung findet. Es stellt sich indes die Frage, wie zu verfahren ist, wenn das BDSG und die StPO unterschiedliche Regelungen treffen oder wenn eines der Gesetze eine Regelung trifft, die das andere nicht vorsieht. Am 26. Juni 2019 wurde vom Bundestag die Einführung des § 500 StPO beschlossen, der auf einem insoweit unveränderten Gesetzesentwurf der Bundesregierung171 beruht172. Die Norm wurde mit Wirkung zum 26. November 2019 in die StPO eingefügt173. Nach § 500 Abs. 1 haben die Länder den dritten Teil des BDSG zu beachten, wenn sie im Anwendungsbereich der StPO – also zur Strafverfolgungszwecken – agieren. Der Verweis auf die Länder ist notwendig, weil mangels entgegenstehender Regelung der Art. 83 ff. GG die Strafverfolgung als Verwaltungstätigkeit gem. Art. 30, 83 GG den Ländern obliegt174. § 500 BDSG gewährleistet damit ein einheitliches Datenschutzniveau in Strafverfahren innerhalb der Bundesrepublik175. Keine Anwendung findet gem. § 500 Abs. 2 Nr. 1 StPO das BDSG, wenn die StPO etwas anderes bestimmt. Daraus ergibt sich, dass das BDSG zu den Regelungen der StPO subsidiär sein soll176. Das BDSG gilt nur dann, wenn die StPO eine Frage nicht regelt, zum anderen verdrängt eine spezielle Regelung der StPO eine entgegenstehende Norm des BDSG. Dies steht in Übereinstimmung mit der im BDSG in
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Kühling/Klar/Sackmann, Rn. 876. Kühling/Klar/Sackmann, Rn. 876. 171 BT-Drucks. 19/4671 172 BT Drucks. 19/4671 S. 17; 19/11190, S. 3 f. 173 Eingefügt durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung (EU) 2016/679 vom 20. 11. 2019, BGBl. I, S. 1724. 174 Vgl. zutreffend Singelnstein, NStZ 2020, 639, der von einem Bedeutungsgewinn des BDSG gegenüber den Datenschutzgesetzen der Länder spricht. 175 BT-Drucks. 19/4671, S. 71; Gemählich, in: KMR-StPO, § 500, Rn. 2; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 500, Rn. 1; Puschke, in: SK-StPO VIII, § 500, Rn. 1. 176 So auch explizit BT-Drucksache 19/4671, S. 44. 170
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Kap. 3: Datenschutzrechtliche Implikationen bei DNA-Analysen
§ 1 Abs. 2 S. 1, 2 weiterhin angeordneten Subsidiarität des BDSG gegenüber Spezialgesetzen177. Aus einer anderen Herleitung hat sich die Anwendbarkeit des BDSG aber auch zuvor ergeben. Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 lit. a BDSG gilt das BDSG für öffentliche Stellen der Länder dann, wenn sie Bundesrecht ausführen und der Datenschutz durch Landesgesetz nicht geregelt ist. Die StPO ist Bundesrecht, und eine den Datenschutz im Strafverfahren regelnde Vorschrift gibt es in den Landesdatenschutzgesetzen der Länder nicht178. Der Vorrang der StPO hätte sich aus dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali ergeben179. Nichtsdestotrotz ist die Klarstellung in § 500 StPO zu begrüßen, hätte sich vorher doch auch vertreten lassen, das BDSG hätte sub specie seines unionsrechtlichen Hintergrundes und des Grundsatzes lex posterior derogat leg priori Vorrang.
§ 5 Einwilligung in DNA-Analysen I. Grundlagen Die Einwilligung im Strafverfahren hat in der Vergangenheit in der deutschen Rechtswissenschaft eher ein Schattendasein gefristet. Namentlich Amelung hat sich auf diesem Gebiet mit zahlreichen Beiträgen hervorgetan180. Dies verwundert, wird in der StPO der Begriff der Einwilligung doch verwendet; zumindest kommen aber auch sinnverwandte Termini wie „Einverständnis“, „Freiwilligkeit“ oder „entgegenstehender Wille“ im Sprachgebrauch der StPO vor181. Bevor das Thema Einwilligung so dargestellt werden kann, dass einzelne, dass das Gebiet der DNAAnalyse betreffende Fragen unten erörtert werden können, ist es notwendig, die Grundlagen aufzuarbeiten, die für ein Durchdringen dieser weitgehend nicht untersuchten Rechtsmaterie vonnöten sind.
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Darauf abstellend etwa v. Häfen, in: BeckOK-StPO, § 500, Rn. 4; Puschke, in: SK-StPO VIII, § 500, Rn. 2. 178 Vgl. z. B. § 2 Abs. 3 Nr. 3 LDSG Baden-Württemberg, der explizit den Datenschutz in Strafsachen von seinem Anwendungsbereich ausnimmt. 179 Zutreffend Singelnstein, NStZ 2020, 639: Die StPO ist nach wie vor das speziellere Gesetz. 180 Vgl. nur Amelung, Einwilligung; ders., in: FS Dünnebier, 257 ff.; ders., ZStW 95 [1983], 1 ff.; ders., in: FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1 ff., ders., StV 1985, 257 ff.; ders., ZStW 104 [1992], 525 ff.; ders., ZStW 104 [1992], 821 ff.; ders., JR 1999, 45 ff., ders., NStZ 2006, 317 ff. 181 Putzhammer, S. 1.
§ 5 Einwilligung in DNA-Analysen
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1. Die Mitwirkung des Betroffenen im Strafverfahren a) Nemo tenetur se ipsum accusare und Verzicht Der mit Verfassungsrang ausgestattete182 Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare – d. h. die Selbstbelastungsfreiheit – verbietet eine Verpflichtung des Beschuldigten, aktiv an seiner eigenen Überführung mitzuwirken zu müssen183. Weitergehend gebietet die Selbstbelastungsfreiheit aber auch, aus der Wahrnehmung dieses Rechts durch den Beschuldigten keine Rückschlüsse zu seinen Lasten zu ziehen184. Es kann daher keinen Zwang geben, eine Einwilligung im Strafverfahren zu erteilen, da eine Einwilligung stets aktive Mitwirkung am Verfahren ist. Gleichwohl ist es dem Betroffenen unbenommen, am Verfahren mitzuwirken185. Die Gründe, die zur Einwilligung bewegen, können vielfältig sein. Der Betroffene könnte bspw. motiviert sein, sich selbst zu entlasten186, entweder, weil er unschuldig ist, oder aber auch, weil er hofft, durch seine Mitwirkung nicht zusätzlich in Verdacht zu geraten187. Den meisten Betroffenen wird nämlich nicht bewusst sein, dass es keine Pflicht zur aktiven Mithilfe gegen sich selbst gibt, schon gar nicht ist davon auszugehen, dass die Mehrheit der Bürger weiß, dass der Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare es verbietet, aus der unterlassenen Einwilligung negative Schlüsse zu ziehen188. Ein vermeintlicher Trunkenheitsfahrer kann folglich in die Analyse seines Blutes zur Ermittlung der Alkoholkonzentration deshalb einwilligen, weil er nichts getrunken hat und dies beweisen möchte189, obschon diese Beweispflicht nicht ihm obläge; er könnte aber auch darauf hoffen, die Analyse falle zu seinen Gunsten aus. 182 Vgl. BVerfGE 38, 105 (113); 55, 144 (150); 110, 1 (31); 133, 168 (201) m. w. N.; BVerfG NJW 2014, 3506 (3506 f.) m. w. N.; BGHSt 42, 139 (151 f.); Beulke, Jura 2008, 653 (656); Epik, ZStW 131 [2019], 131 (133 f.) m. w. N.; Rejewski, NJW 1967, 1999 (2000) m. w. N.; Rogall, ZRP 1975, 278 (279 f.) m. w. N.; zu den einzelnen dogmatischen Herleitungen s. Kasiske, JuS 2014, 15 ff. 183 BVerfGE 38, 105 (113); 56, 37 (43); BGHSt 1, 332 (332 f.); 5, 332 (334); 14, 358 (364 f.); 34, 39 (46); 38, 214 (220); 38, 302 (305); 40, 66 (71); 45, 363 (364); 45, 367 (368); 49, 56 (57 f.); NStZ 2019, 36 (37); M. Deutsch, S. 239; Geppert, in: FS F.-C. Schroeder, 675 (684); Golembiewski, NJW 2001, 1036 (1038); Graalmann-Scheerer, JR 1999, 453 (454); Kasiske, JuS 2014, 15; Lammer, S. 160; Kliemannel, Die Polizei 2021, 53 (54); Rogall, Beschuldigter, S. 249; Schuhr, in: MüKo-StPO I, Vorb. §§ 133 ff., Rn. 79. 184 El-Ghazi, ZIS 2019, 110 (112); Grützner/Jakob, in: dies. (Hrsg.), Compliance, s. v. Aussageverweigerungsrecht; Mosbacher, NStZ 2015, 42 (43); Kasiske, JuS 2014, 15 (20); vgl. auch Geppert, NStZ 2014, 481; Petri, BAV (Hrsg.), Einwilligung, 101 (107). 185 El-Ghazi, ZIS 2019, 110 (112). 186 El-Ghazi, ZIS 2019, 110 (112). 187 El-Ghazi, ZIS 2019, 110 (112); vgl. auch Amelung, in: FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1 (2). 188 El-Ghazi, ZIS 2019, 110 (112); Geppert, Jura 1986, 532 (536); ders., NStZ 2014, 481; Mosbacher, NStZ 2015, 72 (73); Schöch, DAR 1996, 44 (48); vgl. auch Amelung, in: FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1 (2); a. A. Cierniak/Herb, NZV 2012, 409 (413); Göhler, NStZ 1994, 71 (72) nimmt eine Kenntnis ab durchschnittlichem Intelligenzgrad an. 189 Vgl. Geppert, Jura 1986, 532 (536).
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Kap. 3: Datenschutzrechtliche Implikationen bei DNA-Analysen
Andererseits ist auch der Fall denkbar, in der sich ein Täter zutreffender- oder unzutreffenderweise überführt sieht und an der Beweisführung mitwirken will, um die Strafverfolgungsbehörden ihm wohlgesonnen zu stimmen. Es zeigt sich, dass bei dem Beschuldigten aus verschiedenen Gründen der Wille bestehen kann, am Strafverfahren mitzuwirken. b) Einwilligungsmöglichkeit bei DNA-Analysen Das Recht der DNA-Analyse weist in den §§ 81e–81h StPO einige Besonderheiten bezüglich der Einwilligung auf, die es gebieten, die Frage nach der Einwilligung im Strafverfahren gesondert und abstrakt zu analysieren. § 81f Abs. 1 S. 1 StPO besagt, dass Analysen nach § 81e Abs. 1 StPO ohne schriftliche Einwilligung durch das Gericht oder bei Gefahr im Verzug durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen angeordnet werden dürfen. Das Gesetz sieht mithin vor, dass die Einwilligung des Betroffenen eine hoheitliche Anordnung zu ersetzen vermag. Mit dem Unterschied, dass i. R. v. § 81g StPO die Analyse nur das Gericht und nicht durch die Staatsanwaltschaft oder ihre Ermittlungspersonen angeordnet werden kann, sieht § 81g Abs. 3 S. 2 StPO dasselbe vor. Dagegen wird für eine Maßnahme nach § 81h StPO sowohl eine Einwilligung als auch eine gerichtliche Anordnung verlangt. Diese Kopplung aus Einwilligung und dem Erfordernis einer hoheitlichen Anordnung stellt ein Unikum innerhalb der StPO dar190. § 81f Abs. 1 S. 1 StPO zeigt, dass nach der gesetzgeberischen Konzeption auf die formale Voraussetzung der hoheitlichen Anordnung bei der DNA-Analyse aufgrund der Einwilligung verzichtet werden kann. Ein Verzicht auf materielle Voraussetzungen und Grenzen wie z. B. das Verbot erweiterter Feststellungen gem. § 81e Abs. 1 S. 2 StPO sehen die Vorschriften nicht vor. Allerdings kann auch für eine derartige Einwilligung ein praktisches Bedürfnis bestehen. Zum Beispiel könnte Verdächtiger einwilligen, einen Gendefekt mittels DNA-Analyse zu bestimmten, um so eine Schuldunfähigkeit zu beweisen191. Es könnte ferner bedeutsam sein, dass ein potentiell Tatverdächtiger beweist, dass er an keiner genetisch bedingten Krankheit leidet, wenn die Polizei eine solche beim Täter vermutet. Der Frage wird also nachzugehen sein, ob auf materielle Voraussetzungen bzw. Grenzen bei der DNAAnalyse verzichtet werden kann. Bevor aber untersucht werden kann, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Einwilligung möglich ist, müssen der Begriff der Einwilligung geklärt und verschiedene Formen von Einwilligungen unterschieden werden.
190 Ademi, S. 245; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 4, vgl. auch die Nachweise in Fn. 210 (Kap. 5) und Ausführungen unten Kap. 5 § 5. 191 Beispiel nach Nack, StraFo 1998, 366 (369).
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2. Grundrechtsverzicht und strafprozessuale Einwilligung Eng verwandt mit der Frage nach dem Grundrechtsverzicht ist die Frage, ob ein Betroffener auf ihm zustehende Rechte im Strafverfahren verzichten kann192. Die enge Verbindung mit der Frage nach dem Grundrechtsverzicht rührt daher, dass das Strafverfahren in besonderer Weise grundrechtsgefährdend wirkt193. Gelöst von der DNA-Analyse greift eine Entnahme von Blut nach § 81a StPO in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ein194. Die Maßnahmen, zu denen die StPO ermächtigt, werden darum auch als „strafprozessuale Grundrechtseingriffe“195 bezeichnet. Auch formelles „Strafrecht ist Eingriffsrecht“196. Wegen dieser Verknüpfung wird die Einwilligung in eine strafprozessuale Maßnahme oft als Unterfall des Grundrechtsverzichts behandelt197. Dies hätte zur Folge, dass Fragen des Grundrechtsverzichts bei der Einwilligung auch eine Rolle spielen und die Dogmatik des Grundrechtsverzichts auch für die Einwilligung fruchtbar gemacht werden kann. Zunächst muss daher das Verhältnis dieser beiden Institute geklärt werden. a) Unterscheidung von Grundrechtsverzicht und Einwilligung Teilweise wird differenziert zwischen Grundrechtsverzicht und Einwilligung198. Geiger sieht in der Einwilligung keinen Verzicht auf Grundrechte, sondern den Gebrauch derselben199. Wer der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten zustimme, mache von dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung Gebrauch200.
192 Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313 (314). Becker, in: Stern/Becker, Grundrechte, Einl., Rn. 189 schlägt deshalb vor, statt von Grundrechtsverzicht von individuellen Verfügungen über Grundrechtspositionen in Form einer Einwilligung zu sprechen; Püttner/Brühl, JZ 1987, 529 (530) gebrauchen die Worte gar ohne nähere Begründung synonym. 193 El-Ghazi, ZIS 2019, 110. 194 Vgl. dazu BVerfG, NJW 1996, 3071 (3072); BGHSt 8, 144 (147); OLG Oldenburg, NJW 1955, 683; OLG Köln, NJW 1966, 416; OLG Celle, NJW 1969, 567 (568); Beck, S. 81; Bosch, Jura 2014, 50 (52); Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Rn. 64; Ebert, ZIS 2010, 249 (250); Eisenberg, Rn. 1621; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81a, Rn. 1; Horn, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 2 GG, Rn. 123; Hother, S. 43; Klumpe, S. 162, Lee, S. 41; Rademacher, StV 1989, 546 (549); dies., S. 49 f.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 1, 12; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81a, Rn. 1. 195 Amelung, Rechtsschutz, S. 15 f.; ders., JZ 1987, 737; Putzhammer, passim; krit. Schroeder, JZ 1985, 1028 (1029). 196 Bock/Eschelbach/Geipel/Hettinger/Röschke/Wille, GA 2013, 328 (332). 197 Putzhammer, S. 42; krit. dazu Amelung, Einwilligung, S. 19. 198 Vgl. z. B. Amelung, Einwilligung, S. 19 ff.; ders., in: FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1 (4); Geiger, NVwZ 1989, 35 (37). 199 Geiger, NVwZ 1989, 35 (37). 200 Geiger, NVwZ 1989, 35 (37); ebenso Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (27 f.).
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Kap. 3: Datenschutzrechtliche Implikationen bei DNA-Analysen
Der Begriff des Grundrechtsverzichts sei dagegen inhaltlich unbestimmt und habe keinen Inhalt201. Amelung dagegen differenziert zwischen beiden Instituten anhand der Widerruflichkeit und ihren Folgen202. Der Begriff des Verzichts sei so zu verstehen, dass der Betroffene dann komplett sein Grundrecht verliere; es gehe mit anderen Worten unter203. Diese Folge begründet Amelung mit einer Orientierung am zivil- und strafrechtlichen Sprachgebrauch204. Der Bürger habe dann nicht mehr die Möglichkeit, den Abbruch des konkreten staatlichen Handelns zu verlangen205. Sogar die Rücknahme des Verzicht mit Wirkung pro futuro sei ausgeschlossen206. Diese Rechte habe der Betroffene aber bei der Einwilligung207. Summa summarum bleibe der Bürger bei der Einwilligung Herr des Geschehens, nicht so aber beim Grundrechtsverzicht208. b) Einwilligung als Unterfall des Grundrechtsverzichts Die herrschende Meinung lehnt diese Ansätze ab und behandelt die Einwilligung als Unterfall des Grundrechtsverzicht209. Dem Ansatz Amelungs wird entgegengehalten, dass ein Verzicht i. d. S. einem verfassungsrechtlich unzulässigem Totalverzicht gleichkomme210. Deshalb werde nicht mehr zwischen dem Verzicht auf ein Grundrecht und dem Ausübungsverzicht im konkreten Fall unterschieden211, vielmehr sei Grundrechtsverzicht Ausübungsverzicht. Dieser Ausübungsverzicht sei selbst als Achtung der Willensautonomie des Bürgers verfassungsrechtlich geschützt212. Der Grundrechtsverzicht habe nicht den Untergang des Rechts zur Folge, wie dies im Zivil-, Straf- und öffentlichen Recht der
201
Vgl. Geiger, NVwZ 1989, 35 (36 f.). Vgl. Amelung, Einwilligung, S. 19; ders., in: FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1 (4); ihm zust. Illian, S. 18 f. 203 Amelung, Einwilligung, S. 19. 204 Amelung, Einwilligung, S. 13. 205 Amelung, Einwilligung, S. 19; ders., in: FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1 (4). 206 Amelung, Einwilligung, S. 19 f.; ders., in: FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1 (4). 207 Vgl. Amelung, Einwilligung, S. 20; Illian, S. 19. 208 Vgl. Amelung, Einwilligung, S. 20; ders., in: FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1 (4). 209 Koch, S. 20; Putzhammer, S. 40, 42; Spieß, S. 41 f.; Stern, StaatsR III/2, § 86, II., 3.; für die materiell-rechtliche Einwilligung Sternberg-Lieben, S. 33. 210 Putzhammer, S. 39 f. 211 Bleckmann, S. 323; Dürig, AöR 81 [1956], 117 (152); Putzhammer, S. 38; Schick, ZBR 1963, 67 (69); Sturm, in: FS Geiger, 173 (185); vgl. auch Höfling, NJW 1983, 1582 (1584); Quaritsch, in: GS Martens, 407 (410); a. A. aber OLG Frankfurt, NJW 1963, 112 (112 f.); Dürig, ZStaatsw 109 [1953], 326 (328); Merten, in: FS Schmitt Glaeser, 53 (56), Wilhelm, BayVBl. 1963, 265 (368); zurückhaltend Schick, ZBR 1963, 67 (70). 212 Putzhammer, S. 39. 202
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Fall sei213. Amelung lasse die verfassungsrechtlichen Besonderheiten außer Acht, wenn er diesen Sprachgebrauch übernehme214. Ferner müsse die Einwilligung in irgendeiner Form bindend sein, wenn man ihr rechtliche Bedeutung zugestehen wolle215. Dem Ansatz Geigers wird entgegengehalten, der Begriff der Grundrechtsverzichts sei inzwischen ausreichend eingegrenzt216. Einwilligung wie Grundrechtsverzicht zeichneten sich durch den gleichen Inhalt aus: Der Disposition des Erklärenden über Rechtsgüter217. c) Stellungnahme aa) Kritik zu Amelung (1) Das Verbot des Totalverzichts Gegen den Ansatz Amelungs spricht hauptsächlich, dass für den Grundrechtsverzicht kein verfassungskonformer Anwendungsbereich mehr bliebe, da diese Konstruktion des Grundrechtsverzichts auf einen unzulässigen Totalverzicht hinausläuft. Die zugrundeliegende Differenzierung zwischen dem Grundrecht einerseits und seiner Ausübung andererseits ist mit dem Grundgesetz unvereinbar. Die Wesentlichkeitsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG verbietet es, ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt anzutasten. Grundrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat, die im Gegensatz zu den Grundrechten der WRV nicht Orientierungshilfe für den Gesetzgeber218, sondern subjektive Rechte der Bürger sind. Ließe man das Grundrecht auf dem Papier bestehen und entnähme man ihm seine Durchsetzbarkeit – nichts anderes ist die Differenzierung zwischen Grundrecht und Ausübung desselben –, so bliebe ein Recht ohne Durchsetzbarkeit und damit ohne Wesensgehalt übrig, das Dürig treffend als nudum ius, als entleertes Recht bezeichnet219. (2) Ungeeignetheit des Einwilligungsbegriffs bei allen Verzichtskonstellationen Übrig bliebe der Begriff der Einwilligung, den Amelung inhaltlich mit dem füllt, was unter dem Grundrechtsverzicht zu verstehen ist: Der Verzicht auf die Ausübung des Grundrechts in der konkreten Situation. Der Begriff der Einwilligung deckt indes nicht alle Konstellationen ab, die unter dem Begriff der Grundrechtsverzichts zu diskutieren sind220. Dies wird deutlich am Beispiel des Wahlgeheimnisses aus Art. 38 213 214 215 216 217 218 219 220
Putzhammer, S. 39; vgl. dazu auch Pietzcker, Der Staat 17 [1978], 527 (530 f.). Stern, StaatsR III/2, § 86, II., 3. Koch, S. 20. So Putzhammer, S. 39; Stern, StaatsR III/2, § 86, II., 3. Putzhammer, S. 40. Vgl. Gusy, JA 2019, 561 (566). Dürig, AöR 81 [1956], 117 (152); vgl. auch Schick, ZBR 1963, 67 (69). Putzhammer, S. 40.
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Abs. 1 GG221. Dieses ist qua seiner systematischen Stellung zwar kein Grundrecht, aber ein sog. grundrechtsgleiches Recht222, das gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG mittels Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann. Bei jemandem, der seine Wahlentscheidung seinem Freund mitteilt oder im Internet kundtut, kann nicht von Einwilligung gesprochen werden, da der Staat keine Maßnahme vornimmt. Vielmehr verzichtet der Bürger auf sein Wahlgeheimnis223. Man könnte höchstens von der Einwilligung in die Kenntnisnahme der Wahlentscheidung sprechen; dies jedoch steht nicht im Einklang von Amelungs Definition der Einwilligung als widerrufliche Erklärung. Denn wie soll eine Kenntnisnahme widerrufen werden? In diesem Fall passt der Begriff des Verzichts in Amelungs Sinne zumindest insoweit, als dass das Recht untergeht. In Konstellationen, in denen der Verzicht die Verpflichtung zum Nichtgebrauch eines Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts beinhaltet224 (z. B. der Verzicht auf einen Rechtsbehelf bzw. ein Rechtsmittel), passt der Begriff der Einwilligung ferner nicht225. Es zeigt sich also, dass der Begriff der Einwilligung nicht stets passend ist und es eines Begriffes bedarf, der diese Konstellationen dann erfasst. Dies ist der Begriff der Grundrechtsverzicht, den man zwar – so man ihn wörtlich versteht – durchaus als missglückt oder missverständlich bezeichnen kann226, da der Begriff des Verzichts im Zivil-, Straf- und öffentlichen Recht mit dem Untergang des Rechts assoziiert wird227, was im Verfassungsrecht wegen der Unzulässigkeit des Totalverzichts ausgeschlossen ist. Der Begriff des Verzichts ist im verfassungsrechtlichen Sinne deshalb entgegen Amelung nicht in Anlehnung an den Sprachgebrauch von Zivil-, Straf- und öffentlichen Recht, sondern autonom zu bestimmen. Ob der präzisere Begriff des Grundrechtsausübungsverzicht seine Rolle einnehmen sollte, ist Geschmacksfrage228. Problematisch wäre daran, dass die Verwendung des Wortfragments „Ausübung“ den Grundrechtsverzicht leicht auf eine Stufe mit dem von ihm
221
Beispiel nach Putzhammer, S. 40. BVerfGE 89, 155 (170 f.); 123, 267 (330); 129, 124 (167); 134, 317 (399); Butzer, in: BeckOK-GG, Art. 38, Rn. 54 ff.; Funke, Der Staat 46 [2007], 395; Grzeszick, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 38 GG, Rn. 18; Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 38, Rn. 1; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38, Rn. 105; vgl. auch Hartmann, AöR 134 [2009], 1 (11). 223 Putzhammer, S. 40. 224 Dazu Göldner, JZ 1976, 352 (355); Putzhammer, S. 40. 225 Putzhammer, S. 40. 226 Vgl. Geddert-Steinacher, S. 86; Pietzcker, Der Staat 17 [1978], 527 (531); Stern, StaatsR III/2, § 86, I. 227 Geddert-Steinacher, S. 86; Spieß, S. 42 f., 50; vgl. auch Stern, StaatsR III/2, § 86, II., 3. Freilich muss berücksichtigt werden, dass gerade im Bereich des Strafrechts ein Verzicht nur selten in Frage kommt. Art. 2 Abs. 2 GG verbietet es nämlich im Wege mittelbarer Drittwirkung auch gegenüber Privaten, für immer auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit zu verzichten. Verträge, die eine solche Abmachung behandelten, wären gem. § 138 BGB sittenwidrig und gem. § 228 StGB unbeachtlich. 228 Dafür wohl BVerfG, NVwZ 2016, 1804 (1807). 222
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abzugrenzenden Nichtgebrauch des Grundrechts229 stellen würde. Das ändert indes aber nichts daran, dass er nicht durch den Begriff der Einwilligung ersetzt werden kann. bb) Kritik zu Geiger Die Auffassung von Geiger verdient ferner keine Zustimmung, weil der Begriff des Grundrechtsverzichts inzwischen im Wesentlichen geklärt ist. Seine Zulässigkeit ist im Grundsatz anerkannt230 ; und die monierte Unklarheit, ob es infolge des Grundrechtsverzichts zu einer Abnahme der Schutzbereichsgarantie, zum Entfallen der Eingriffsqualität oder zur Rechtfertigung des Eingriffs kommt, wurde zwar bis heute nicht beseitigt; indes ist dies eine rein dogmatische Frage, die es ob der Einigkeit der Auffassungen über die Folge des Verzichts – nämlich der Entfall der Grundrechtsverletzung – nicht rechtfertigt, dem Begriff des Grundrechtsverzichts die Konturen abzusprechen. Geigers Ansatz muss neben der vorhandenen Konkretisierung des Begriffs des Grundrechtsverzichts entgegengehalten werden, dass Einwilligung, Verzicht und Grundrechtsausübung nicht zwingend im Exklusivitätsverhältnis stehen. Um in Geigers Beispiel zu bleiben: Wer in die Speicherung seiner Daten einwilligt, handelt selbstbestimmt und übt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus. Soweit in seinem Sinne. Betrachtet man aber den Aspekt, dass er das von Verfassungs wegen nicht müsste, verzichtet er auch. Verzicht kann damit auch Grundrechtsgebrauch sein231. Die Argumentation Geigers verdient deshalb auch keinen Beifall. cc) Gleichlauf bei Rechtsfolge und Bindungswirkung Beide Begriffe – Einwilligung und Grundrechtsverzicht – beschreiben eine Situation, in der der Betroffene ein staatliches Verhalten hinnimmt, dass er unter Berufung auf seine Grundrechte zumindest abzuwehren versuchen könnte. So unterschiedlich die Fälle sind, die unter dem Terminus des Grundrechtsverzichts diskutiert werden, so gemeinsam ist ihnen die Ausgangssituation, dass aufgrund einer Willensbekundung des Betroffenen eine grundrechtlich abgesicherte Position dem Staat gegenüber geschmälert werden soll232. Gerade das geschieht bei Einwilligungen: Der Bürger dürfte nicht zur Reihenuntersuchung nach § 81h StPO herangezogen werden, durch seine Einwilligung ermöglicht er aber die Durchführung der Untersuchung.
229 230 231
IV. 4. 232
S. o. Kap. 3 § 3 I. 3. c) aa) (2). S. o. Kap. 3 § 3 I. 3. c) aa) (1). Vgl. Göldner, JZ 1976, 352 (355). Zum verfassungsrechtlichen Schutz unten Kap. 3 § 5 Pietzcker, Der Staat 17 [1978], 527 (531).
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Der Begriff der Einwilligung kann und sollte der Präzision wegen dort Verwendung finden, wo er passend erscheint. In anderen Fällen braucht es den Begriff des Grundrechts(ausübungs)verzichts. Eine Einwilligung stellt einen Unterfall des Grundrechtsverzichts dar. Daraus folgt, dass sich die Probleme des Grundrechtsverzichts auch bei der Einwilligung in strafprozessuale Maßnahmen stellten.
II. Begriff der strafverfahrensrechtlichen Einwilligung In der StPO gibt es keine Definition der Einwilligung. Vielmehr setzen Normen wie die §§ 81f, 81g und § 81h StPO die Möglichkeit der Einwilligung voraus. Auch § 94 Abs. 2 StPO erhebt implizit die Einwilligung zu einer Voraussetzung einer Maßnahme nach § 94 Abs. 1 StPO233. Könnte die Maßnahme nach Abs. 1 nämlich mit Zwang gegen den Gewahrsamsinhaber durchgesetzt werden, so wäre der Hinweis auf das Fehlen einer freiwilligen Herausgabe in Abs. 2 sinnlos. § 136a Abs. 3 S. 1 StPO erklärt das Beweiserhebungsverbot der Absätze 1 und 2 unabhängig von der Einwilligung des Betroffenen für einschlägig. Damit wird die Einwilligungsmöglichkeit ausgeschlossen, ohne zu sagen, was eine Einwilligung eigentlich ist. Geklärt ist damit nur, dass das Strafverfahrensrecht die Einwilligung als solche kennt und dass ihr Grenzen gesetzt sind. Ungeklärt bleibt, was die StPO unter Einwilligung verstanden wissen will. Auch das materielle Strafrecht erläutert den Begriff nicht, sondern setzt der Reichweite der Einwilligung in Form der §§ 216, 228 StGB nur Grenzen. Zwar ist die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund im materiellen Strafrecht anerkannt234. Eine Definition lässt sich aus dem materiellen Strafrecht aber nicht schlussfolgern. Die Novellierung des BDSG durch DSAnpUG-EU hat indes scheinbar für Klarheit gesorgt. Nach § 46 Nr. 17 BDSG meint Einwilligung jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist. Zusammengefasst soll die Einwilligung also eine freiwillige, eindeutige Zustimmung in die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch den Betroffenen sein. Über § 500 StPO findet der Einwilligungsbegriff des BDSG auch im Strafverfahrensrecht Anwendung, jedenfalls soweit es um die Einwilligung in Datenverarbeitung geht. Man könnte daher von der datenschutzrechtlichen Einwilligung im Strafverfahren sprechen.
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Vgl. Eisenberg, Rn. 2330 f.; Eschelbach, in: SSW-StPO, § 94 StPO, Rn. 30; Gerhold, in: BeckOK-StPO, § 94, Rn. 15; Greven, in: KK-StPO, § 94, Rn. 15; Hauschild, in: MüKo-StPO I, § 94, Rn. 43; Müller, in: KMR-StPO, § 94, Rn. 7; Wohlers/Greco, in: SK-StPO II, § 94, Rn. 6 f. 234 Vgl. statt vieler Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorb. § 32 ff., Rn. 33.
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Die Definition vermischt jedoch Begriffsbestimmung und Wirksamkeitsvoraussetzungen235. Dies zeigt sich darin, dass der Gesetzgeber manche der Kriterien, die er in § 46 Nr. 17 BDSG als Definitionsbestandteil ansieht, in § 51 BDSG als Wirksamkeitsvoraussetzung vorsieht. Das Kriterium der Freiwilligkeit bspw. ist in § 46 Nr. 7 BDSG Definitionskriterium und in § 51 Abs. 4 S. 1 Wirksamkeitsvoraussetzung. Die gesetzgeberische Konstruktion der datenschutzrechtlichen Einwilligung im Strafverfahren ist deshalb missglückt. Letzten Endes wird man festhalten können, dass der Begriff der Einwilligung nur Zustimmung meint236. Freiwilligkeit, Zeitpunkt und ggf. vorherige Belehrung sind dagegen Probleme der Wirksamkeit. Diskutiert man die Möglichkeit einer Einwilligung in strafprozessuale Maßnahmen, so geht um die Frage, ob der Betroffene strafprozessualen Maßnahmen zustimmen kann. Diskussionen um Anforderungen an dieselbe beschäftigen sich hingegen mit den Voraussetzungen der Wirksamkeit237.
III. Arten der Einwilligung 1. Differenzierung anhand gesetzlicher Normierung der Einwilligungsmöglichkeit Im Strafverfahrensrecht sind Einwilligungen zum Teil explizit oder zumindest implizit vorgesehen (vgl. §§ 81f – 81g, 94 StPO). Es kann aber auch die Situation eintreten, dass der Betroffene in Maßnahmen einwilligen will, obwohl das Gesetz dies nicht vorsieht. Als Beispiel ist bereits die Einwilligung zu erweiterten Feststellungen bei der DNA-Analyse genannt worden. Weiter ist die Durchsuchung nach § 102 StPO zu nennen. Es leuchtet es nicht ein, dem Bürger zu ermöglichen, eine Sache herauszugeben (§ 94 Abs. 1 und 2 StPO), ihm gleichzeitig aber zu verwehren, in die Durchsuchung der Sache einzuwilligen, weil § 105 StPO dies nicht vorsieht. Mithin wurde bisher angenommen, dass es dem 235 Vgl. ähnlich schon Amelung, Einwilligung, S. 13, der die Einwilligung als Erklärung definiert, nach der der Erklärende eine Beeinträchtigung „hinnehmen wird“. Die Verwendung des Tempus futurus zeigt, dass Amelung von einer vorherigen Zustimmung ausgeht, die Maßnahme also in der Zukunft liegt; vgl. i. E. ebenso ders., StV 1985, 257 (258). Stief, StV 2017, 470 (471) will daneben das Kriterium der Widerruflichkeit in die Definition aufnehmen. In beiden Fällen liegt ebenso eine Vermischung von Definition und Wirksamkeitsvoraussetzung vor. Richtig dagegen für die materiell-rechtliche Einwilligung Amelung, NStZ 2006, 317 (319), der betont, eine unfreiwillige Einwilligung sei unwirksam. Krit. zur Vermischung von Begriff und Wirksamkeitsvoraussetzung bei Einwilligungen einzig Saliger, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 123 (127). 236 Saliger, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 123 (127); a. A. aber Stemmer/Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, § 51 BDSG, Rn. 12, die das Kriterium der Freiwilligkeit ebenso zum Begriffsbestandteil zählen. 237 El-Ghazi, ZIS 2019, 110.
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Bürger auch möglich sein muss, in eine strafprozessuale Maßnahme einzuwilligen, wenn dies gesetzlich nicht vorgesehen ist238. Eine Durchsuchung gem. § 102 StPO konnte daher auf die Einwilligung des Betroffenen gestützt werden239. Unabhängig von der Akzeptanz einer Einwilligung ohne gesetzliche Normierung kann unterschieden werden zwischen solchen Einwilligungen, die sich auf den Wortlaut der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage für die Zwangsmaßnahme stützen können und solchen, die das Gesetz nicht vorsieht. 2. Differenzierung anhand zwangsweiser Durchsetzungsmöglichkeit a) Einwilligung bei zwangsweiser Durchsetzungsmöglichkeit Eine DNA-Analyse nach § 81e Abs. 1 StPO oder § 81g StPO kann, wenn der Betroffene nicht einwilligt, zwangsweise kraft hoheitlicher Anordnung durchgesetzt werden. Dasselbe für eine Sicherstellung nach § 94 Abs. 1 StPO, an deren Stelle bei verweigerter Einwilligung die Beschlagnahme nach Abs. 2 tritt. In diesen Konstellationen kann also eingewilligt werden; gleichwohl kann die Maßnahme auch mit Zwang durchgesetzt werden, wenn die Einwilligung verweigert wird. Amelung spricht hier von „eingriffsmildernden Einwilligungen“240. Mildernd sei die Einwilligung, weil der Betroffene zwar nicht über das Ob des Eingriffs entscheiden könne, aber das Wie zu bestimmen vermöchte241. Er stünde dann „zwischen zwei Übeln“ – Einwilligen oder Zwang. Die positiv normierte Zulässigkeit der Einwilligung sei in diesen Fällen nicht Legitimationsgrundlage für ein ansonsten unzulässiges staatliches Handeln, sondern vielmehr Ausdruck der Begrenzung staatlichen Handelns auf das Erforderliche durch das Verhätnismäßigkeitprinzip242. Da die Einwilligung verglichen mit dem Zwang weniger einschneidend sei, werde der Eingriff gemildert. Ob in diesen Situationen von Wahlfreiheit gesprochen werden kann, wird bezweifelt243. Aus der Bejahung der Wahlfreiheit hingegen und der Annahme, der durch die Einwilligung herbeigeführte Wegfall des Zwangs führe zum
238 Amelung, NStZ 2006, 317 (319) m. w. N. für die dogmatische Grundlage im Grundrechtsverzicht. 239 Eisenberg, Rn. 2402; vgl. Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 105, Rn. 1. 240 Amelung, Einwilligung, S. 106; ders., StV 1985, 257 (262); ders., NStZ 2006, 317 (319); ihm zust. Kolz, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 79 (81); Saliger, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 123 (133); Stief, StV 2017, 470 (472); i. E. ebenso Bruns, in: KK-StPO, § 105, Rn. 1; krit. Putzhammer, S. 41, Fn. 194. 241 Amelung, Einwilligung, S. 105. 242 Amelung, Einwilligung, S. 106; ders., StV 1985, 257 (262). 243 Stief, StV 2017, 470 (472).
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Wegfall des Eingriffs, lässt sich die abweichende Terminologie durch Verwendung des Begriffes „eingriffsersetzend“ für dieselben Konstellationen erklären244. Der Begriff der eingriffsmildernden Einwilligung muss aber den Vorwurf mangelnder Präzision und vorgezogener Wertung gegen sich gelten lassen. Der Verwendung des Adjektivs „eingriffsmildernd“ wird entgegengebracht, dass Fälle denkbar seien, in denen die Einwilligung den eigentlichen Eingriff nicht mildert. Der modus operandi und damit der Eingriff seien stets derselbe245. Dem Argument liegt die These zugrunde, die Einwilligung bzw. der Grundrechtsverzicht lasse den Eingriff nicht entfallen. Gerade das wird aber in der Grundrechtsdogmatik vertreten246. Daher ist es insofern zulässig, von eingriffsmildernden Einwilligungen zu sprechen. Problematisch erscheint, dass die Grundrechtsdogmatik nur zwischen Eingriff und Nichteingriff unterscheidet. Geht man davon aus, der Grundrechtsverzicht ließe die Eingriffsqualität einer Maßnahme entfallen, so scheidet ein Eingriff bei wirksamem Verzicht aus und bei unwirksamen nicht. Er kann nicht halb ausscheiden. Das Wortfragment mildernd kann sich daher nicht auf den Eingriff als solchen beziehen, sondern nur auf das persönliche Empfinden des Verzichtens. Insofern ist Mildern ein normativer Begriff. Ob der Betroffene die Situation aber wirklich als gemildert empfindet, ist angesichts seiner Auswahl zwischen Zwang und Einwilligung zu bezweifeln. Dabei wird es auf die Gemütslage des Einzelnen in der konkreten Situation ankommen; Verallgemeinerungen können nicht vorgenommen werden. Es sollte daher für diese Konstellationen schlicht die neutrale Umschreibung „Einwilligung bei zwangsweiser Durchsetzungsmöglichkeit“ gewählt werden. Präziser, wenngleich sprachlich weniger anschaulich, wäre immerhin noch, von einer „(eingriffs)intensitätsmildernden Einwilligung“ zu sprechen. b) Einwilligung als Durchführungsvoraussetzung Eine echte Wahlfreiheit hat der Betroffene prima facie dann, wenn eine Maßnahme nicht durchgesetzt werden kann, falls er nicht einwilligt. Ein Beispiel für diese Form der Einwilligung stellt § 81h StPO dar, wonach zur Teilnahme an einer DNAReihenuntersuchung nur herangezogen werden kann, wer in ihre Durchführung einwilligt. Verweigert er dies, kann er nicht zur Teilnahme gezwungen werden. Auch in diese Kategorie fallen Maßnahmen, die gesetzlich gar nicht vorgesehen sind, es also an einer Ermächtigungsgrundlage fehlt. So wurden bspw. vor der Einführung des § 81h StPO DNA-Reihenuntersuchungen überwiegend auf die Einwilligung der Teilnehmer gestützt247. Die anerkannte, aber gesetzlich nicht normierte, freiwillige 244
Stief, StV 2017, 470 (472), Fn. 21. Putzhammer, S. 41, Fn. 194 246 S. o. Kap. 3 § 3 I. 3. c) aa) (1). 247 BVerfG, NJW 1996, 1587 (1588); NJW 1996, 771 (772); Altendorfer, S. 92; Brodersen/ Anslinger/Rolf, Rn. 189; Busch, NJW 2001, 1335 (1337); Foldenauer, S. 79; GraalmannScheerer, NStZ 2004, 297 (298); Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (470); Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 1; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 2; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193; Sauter, S. 202; 245
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Mitwirkung eines KFZ-Fahrers an der Atemalkoholkontrolle unterfällt dieser Konstellation ebenso. Dabei bildet die Einwilligung den Erlaubnistatbestand, der das aus der Grundrechtserheblichkeit der jeweiligen Maßnahme folgende Bedürfnis nach einer Ermächtigungsgrundlage befriedigen soll248. Diese Art der Einwilligung wird als „eingriffskonstituierende Einwilligung“ bezeichnet249. Man könnte auch von eingriffsbegründender Einwilligung sprechen. Dem liegt dem die These zugrunde, ein staatlicher Eingriff entstehe dadurch, dass der Einwilligende dem Staat ermögliche zu handeln. Dies ist verwirrend, denn die Einwilligung begründet nicht den Eingriff, weil sie ein Akt der Bürgers ist, während der Eingriff vom Staat ausgehen muss250. Man muss den Terminus der eingriffsbegründenden Einwilligung so verstehen, dass ein Eingriff durch die Einwilligung ermöglicht wird. Konstituieren und Ermöglichen sind allerdings keine Synonyme. Es ist ferner umstritten, ob bei wirksamer Einwilligung bzw. wirksamem Grundrechtsverzicht ein Eingriff überhaupt gegeben ist. Der Begriff „eingriffskonstituierend“ sorgt daher mehr für Verwirrung als für Klarheit. Statt ihm sollte in diesen Fällen schlicht von einer Einwilligung als Durchsetzungsvoraussetzung gesprochen werden. Eine Einwilligung als Durchsetzungsvoraussetzung ist auch dann gegeben, wenn es zwar eine Ermächtigungsgrundlage gibt, diese die konkrete Maßnahme aber nicht erfasst. Ein Beispiel hierfür wäre eine Feststellung jenseits von DNA-Identifikationsmuster, Abstammung und Geschlecht i. R. v. § 81e StPO. Hierfür wird teilweise der Terminus „normbereichsüberschreitende Einwilligung“ gebraucht251. Da aber die Maßnahme auch nur aufgrund der Einwilligung durchgeführt werden kann, handelt es sich hierbei dogmatisch nicht um eine eigene Kategorie, sondern ebenso um einen Fall, bei dem die Einwilligung Durchführungsvoraussetzung ist252. Allerdings wird man auch in diesen Konstellationen die Prämisse echter Wahlfreiheit in Frage stellen können, ist der Bürger sich doch oft nicht bewusst, dass er nicht zur Mitwirkung verpflichtet ist und aufgrund des nemo-tenetur-se-ipsum-accusare-Grundsatzes auch nicht fürchten muss, dass die Strafverfolgungsbehörden aus der verweigerten Einwilligung negative Schlüsse ziehen253. abl. dagegen Fisahn, ZRP 2001, 49 (54); Klumpe, S. 188 ff.; Satzger, JZ 2001, 639 (647 f.); vgl. zur Durchführung von DNA-Reihenuntersuchungen vor Einführung des § 81h StPO und zu anderen Rechtsgrundlagen als der Einwilligung auch BT-Drucks. 15/5674, S. 7 m. w. N., LG Mannheim, NStZ-RR 2004, 301; Bosch in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 2 m. w. N.; krit. dazu Menzel, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 4 (8). 248 Amelung, NStZ 2006, 317 (319). 249 Stief, StV 2017, 470 (472); Saliger, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 123 (140). 250 S. o. Kap. 3 § 3 I. 2. 251 Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Saliger, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 123 (137 ff.); Rn. 15; vgl. Stief, StV 2017, 470 (472). 252 Stief, StV 2017, 470 (472). 253 Vgl. Stief, StV 2017, 470 (472); Schwichtenberg, DuD 2016, 605 (606 f.).
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IV. Zulässigkeit der Einwilligung 1. Ausgangspunkt: Gesetzliche Normierung in einigen Normen der StPO Betrachtet man Normen wie §§ 81f, 81g, 81h StPO oder § 94 Abs. 1 und 2 StPO, so geht die Möglichkeit einer Einwilligung explizit oder zumindest implizit aus dem Wortlaut hervor. Indes stellt sich die Frage, ob eine Einwilligung auch dann zulässig ist, wenn die Norm sich zur Möglichkeit einer Einwilligung ausschweigt. 2. Zulässigkeit und Unzulässigkeit von Einwilligungen im System der StPO Gegen die Zulässigkeit von Einwilligungen in diesen Konstellationen könnte vorgebracht werden, dass der Gesetzgeber die Einwilligungsmöglichkeit in den Ermächtigungsgrundlagen zu den Zwangsmaßnahmen normiert habe, bei denen eine Einwilligung möglich sein soll254. E contrario wäre daraus zu schließen, dass dort, wo keine Einwilligungsmöglichkeit normiert sei, eine solche auch nicht zulässig sein soll255. So ließe sich fragen, warum der Gesetzgeber in den §§ 81e ff. StPO die Einwilligungsmöglichkeit explizit normiert hat, wenn sie doch ohnehin schon mangels gesetzgeberischem Verbot zulässig wäre. Dies lässt sich aber anhand der Gesetzeshistorie rekonstruieren: Ehe die Einwilligungsmöglichkeit in § 81f StPO vorgesehen war, herrschte Streit über die Frage, ob eine Einwilligung eine richterliche Anordnung i. R. d. DNA-Analyse ersetzen kann256. Durch die Einfügung der Einwilligungsmöglichkeit hat der Gesetzgeber diesen Streit zugunsten derselben entschieden. Der Gesetzgeber ging sogar davon aus, dass aus der Normierung der Einwilligungsmöglichkeit in § 81f Abs. 1 StPO keine Rückschlüsse auf die Frage nach der Zulässigkeit von Einwilligungen in anderen Konstellationen möglich sein sollten257. Das Argument sticht also nicht. Umgekehrt ließe sich aber vorbringen, dass in § 136a Abs. 3 S. 1 StPO die Möglichkeit der Einwilligung explizit ausgeschlossen ist. E contrario könnte daraus 254
Abl. Wilde, S. 26; vgl. Cierniak/Herb, NZV 2012, 409 (412), die mit dieser Argumentation eine Belehrungspflicht jenseits von § 136 Abs. 1 S. 2 StPO ablehnen. 255 Vgl. Cierniak/Herb, NZV 2012, 409 (412). 256 Vgl. Fisahn, ZRP 2001, 49 (50); Graalmann-Scheerer, Kriminalistik 2000, 328 (330); Hasselbach, S. 64 ff.; Müller, Die Polizei 2002, 203 (205 ff.); Ohler, StV 2000, 326 (327); Rackow, JR 2002, 365 (366); Rogall, in: SK-StPO, § 81f, Rn. 13; Senge, NJW 2005, 2028 (3029); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 5; dafür etwa LG Hamburg, NJW 2000, 2288; NStZ-RR 2000, 269 (270); LG Düsseldorf, NJW 2003, 1883 (1884); AG Hamburg, StV 2001, 11 (11, 13); Altendorfer, S. 130; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (693); Sprenger/Fischer, NJW 1999, 1830 (1831 ff.); abl. dagegen etwa LG Wuppertal, NJW 2000, 2687 (2687 f.); LG Hannover, NStZ-RR 2001, 20; LG Mühlhausen, NJ 2003, 45; Busch, StV 2000, 660 (661); ders., StraFo 2002, 46 (50); Golembiewski, NJW 2001, 1036 (1037 f.); Graalmann-Scheerer, JR 1999, 453 (455); dies., in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 39 (40; 42 ff.); Lemke, in: HKStPO, 3. Aufl. 2001, § 81g, Rn. 30; Rinio, JR 2001, 167 (171); Senge, NStZ 2001, 328 (332); Volk, NStZ 1999, 165 (169). 257 BT-Drucks. 15/5674, S. 8.
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geschlossen werden, dass immer dort, wo die Einwilligungsmöglichkeit nicht versagt ist, sie gegeben ist258. Es ließe sich aber genauso vorbringen, der Gesetzgeber habe i. R. d. § 136a StPO nur ob des besonderen Unrechts der Maßnahmen nach Abs. 1 exprissis verbis klarstellen wollen, dass eine Einwilligung unzulässig sein soll259. Folgt man diesem Argument, so ließen sich aus § 136a StPO keine Rückschlüsse für die Einwilligung in andere Ermittlungsmaßnahmen ziehen. Letzen Endes können wegen der Vielzahl der Interpretationsmöglichkeit der vorhandenen Regelungen im System der StPO aus demselben keine Erkenntnis für die Frage gewonnen werden, ob eine Einwilligung auch dann zulässig ist, wenn die jeweilige Ermächtigungsgrundlage sie nicht vorsieht260. 3. Kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf Ferner kann aus dem Schweigen der Normen schon aus praktischen Gründen kein gesetzgeberischer Wille gelesen werden: Denn auch bei Normen, die die Einwilligungsfrage nicht behandeln, ist wie aufgezeigt eine Einwilligung von Rechtsprechung und Literatur für zulässig erachtet worden261. Das gesetzgeberische Schweigen ließe sich als Billigung dieser Meinungen interpretieren. Explizit normiert hat der Gesetzgeber die Einwilligungsmöglichkeit nur dann, wenn Streit ob der Frage ihrer Zulässigkeit herrschte. So war es tragendes Motiv des Gesetzgebers bei der Normierung der Einwilligungsmöglichkeit in § 81f StPO, Rechtssicherheit zu schaffen262. Dasselbe gilt für die Einführung des § 81h StPO263. Besteht keine Rechtsunsicherheit, besteht für den Gesetzgeber auch kein Handlungsbedarf. 4. Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts Insgesamt zeigt sich, dass die StPO selbst keine Antwort auf die Frage liefern kann, ob eine Einwilligung auch dann zulässig ist, wenn die Ermächtigungsnorm diesbezüglich keine Aussage trifft. Des Problems muss sich daher von anderen Gesetzen her genähert werden. Ausgangspunkt hierfür kann die Verfassung sein. Zu klären ist daher, ob die Verfassung eine Einwilligungsfreiheit verbürgt und ob sie dann ggf. dieser Schranken setzt. 258 I. E. ebenso, aber zu einem allgemeinen Verzichtssatz, der aus der Vielzahl bestehender Einwilligungsmöglichkeiten geschlussfolgert werden könne Brüggemann, S. 30.; abl. Bussfeld, DÖV 1976, 765 (766); Illian, S. 41; Wilde, S. 27. 259 So wohl Koch, S. 181, der der Vorschrift nur deklaratorischen Charakter zuweist; i. d. S. sub specie des Beweisverwertungsverbotes auch Hauf, MDR 1993, 195. 260 Kolz, S. 50; i. E. bzgl. eines allgemeinen Verzichtsverbots vgl. Spieß, S. 20, 65. 261 Etwa bei Maßnahmen nach § 102 StPO, s. dazu oben Kap. 3 § 5 II. 1. 262 BT-Drucks. 15/5674, S. 7. 263 BT-Drucks. 15/5674, S. 7.
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a) Verankerung der Einwilligungsfreiheit in der Verfassung aa) Die Einwilligung als Verbürgung eines speziellen Grundrechts Vertreten wird, die Einwilligungsfreiheit sei als besondere Ausübung des in concreto betroffenen Grundrechts zu begreifen264. Hierfür solle v. a. die teilweise explizit geregelte Verzichtsmöglichkeit sprechen265, wie sie z. B. in Art. 6 Abs. 3 GG geregelt ist. Ebenso wie positive und negative Freiheiten in einem speziellen Grundrecht verbürgt seien, sei die Möglichkeit, in entsprechende Eingriffe einzuwilligen, derart mit dem durch das Grundrecht gewährten Schutz verbunden, dass sie von diesem mitzuschützen sei266. Die Einwilligungsfreiheit sei ebenso wichtig wie die Freiheitsausübung, sodass der ihr Schutz durch ein Auffanggrundrecht ihrer Bedeutung nicht gerecht würde267. bb) Die Einwilligungsfreiheit als Element der allgemeinen Handlungsfreiheit Andere Stimmen nehmen an, Anknüpfungspunkt sei vielmehr die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG268. Diese schützt jedes menschliche Verhalten, ungeachtet seines Sinngehaltes269. Geschützt wird im Ergebnis jedes Tun und Nichttun des Grundrechtsträgers; die Entscheidung, ob und wie er handelt oder nicht, obliegt einzig seinem Willen. So verbürge Art. 2 Abs. 1 GG damit auch die Befugnis des Einzelnen, in die Beeinträchtigung eines Rechtsguts einzuwilligen. Anstatt positiver Argumente für diese Ansicht zeichnen sich entsprechende Ansätze dadurch aus, dass aufgezeigt wird, warum andere Anknüpfungspunkte in der Verfassung nicht in Betracht kämen. Die Verfechter dieser Auffassung lassen indes Ausnahmen zu. Nach Amelung sei die Einwilligungsfreiheit nur grundsätzlich in der allgemeinen Handlungsfreiheit verbürgt; ihre Grundlage in Spezialgrundrechten finde sie dann, wenn die Einwilligungsmöglichkeit das einzige Mittel sei, das Rechtsgut vor Schaden zu bewah-
264 Dürig, AöR 81 [1956], 117 (152 ff.); Göldner, JZ 1976, 352 (355); Merten, in: FS Schmitt Glaeser, 53 (60); Robbers, JuS 1985, 925 (927); Schwabe, S.123 f.; für die materiellrechtliche Einwilligung Sternberg-Lieben, S. 30; in diese Richtung wohl BVerfG, NVwZ 2016, 1804 (1807). 265 Vgl. Putzhammer, S. 44. 266 Vgl. Kolz, S. 53. 267 Eppelt, S. 81. 268 Amelung, in: FS Dünnebier, 487 (491); Bichlmeier, JZ 1980, 53 (54); Geppert, ZStW 83 [1971], 947 (953); Hering, in: GS Peters, 513 (517); Kliemannel, Die Polizei 2021, 53 (56); Kolz, S. 56 f.; ders., in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 79 (80); Kühne, JZ 1979, 241; Quaritsch, in: GS Martens, 407 (410); Zipf, S. 32; i. E. wohl auch Wüsteney, S. 215 f. 269 Vgl. BVerfGE 6, 32 (36); 49, 15 (23); 113, 29 (45); Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 12; Horn, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 2 GG, Rn. 20; Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 52.
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ren270. Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 gewährleiste etwa das Recht auf Einwilligung, da nur der ärztliche Heileingriff die körperliche Unversehrtheit zu erhalten vermöchte271. Nach Kolz hingegen sei in diesen Konstellationen aber die Einwilligungsmöglichkeit nicht im Spezialgrundrecht verankert, „sondern dort, wo sie die Vorteile der Einwilligung auswirken“272. Außerdem sei seiner Ansicht u. U. die Verankerung dann im allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu finden, wenn die Einwilligung im konkreten Fall eine stark persönliche Note habe, bspw. bei der Einwilligung in eine Organtransplantation273. cc) Verankerung im allgemeinen Persönlichkeitsrecht Nach anderer Ansicht soll das allgemeine Persönlichkeitsrecht die Einwilligungsfreiheit enthalten274. Dies wird begründet mit dem Gedanken, dass die Einwilligung ein besonderer Ausfluss der individuellen Selbstbestimmung des Menschen sei275. Die Verankerung in Art. 2 Abs. 1 GG werde dem wegen ihrer weiten Einschränkbarkeit nicht gerecht276. Die Einwilligungsmöglichkeit sei demgegenüber so eng mit dem Kernbereich der Persönlichkeit verknüpft, dass sie sachgerecht nicht in Art. 2 Abs.1 GG, sondern nur im allgemeinen Persönlichkeitsrecht verankert sein könne277. dd) Stellungnahme Um die Frage beantworten zu können, wie die Einwilligungsfreiheit verfassungsrechtlich gesichert ist, muss an dieser Stelle daran erinnert werden, was die Einwilligung genau ist: Die Zustimmung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsrechts; genauer einer grundrechtlich geschützten Position. Die vorgefundenen Ansätze kann man anhand ihres Bezugspunktes in zwei Gruppen unterscheiden. Die erste Gruppe betrachtet bei der vorliegenden Frage den Charakter der Einwilligungserklärung. Diejenigen, die sie als persönlichkeitsrelevante Erklärung begreifen wollen, sehen sie im allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt. An diesem Ansatz sind zwei Punkte problematisch. Zum einen die Tatsache, dass diese Ansicht weniger positiv ihr Ergebnis begründet, sondern vielmehr 270
Amelung, in: FS Dünnebier, 487 (491). Amelung, in: FS Dünnebier, 487 (491). 272 Kolz, S. 54. 273 Kolz, S. 55; ders., in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 79 (80). 274 Putzhammer, S. 46 f.; Spieß, S. 90; vgl. auch Bleckmann, S. 322, 326; Frieß, S. 146; Malorny, JA 1974, 131 (134) expressis verbis zwar zu Art. 2 Abs. 1 GG, inhaltlich aber zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht. 275 Putzhammer, S. 46; Spieß, S. 84 f., 90; vgl. Zippelius/Würtenberger, StaatsR, § 19, Rn. 99. 276 Spieß, S. 84 f., 90. 277 Putzhammer, S. 46. 271
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wegen des aus Sicht ihrer Verfechter zu geringen Schutzes im Falle einer Verankerung in der allgemeinen Handlungsfreiheit den Schluss zieht, wegen der Wichtigkeit der Einwilligungsmöglichkeit müsse sie durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt sein. Das Argument, die Verankerung in der allgemeinen Handlungsfreiheit biete zu wenig Schutz wegen der weiten Einschränkbarkeit, ist ein bloßes argumentum ad consequentiam. Es spricht, wenn überhaupt, nur gegen die Verankerung in Art. 2 Abs. 1 GG, nicht aber für die Verankerung in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Selbst der geringe Schutz durch Art. 2 Abs. 1 GG ist aber kein fundiertes Argument. Denn die Schrankentrias am Ende des Art. 2 Abs. 1 GG wird heute interpretiert als Erfordernis eines verfassungskonformen Gesetzes278. Dieses muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, und so muss der Gesetzgeber legitime Gründe verfolgen, wenn er die Einwilligungsfreiheit einschränken will. Solche vorzubringen wird im Einzelfall schwer, denn das hieße, den Menschen vor sich selbst zu schützen, was vor dem Menschenbild des Grundgesetzes, das das Individuum als selbstbestimmt sieht, nur in Ausnahmefällen zulässig ist279. Daher könnte ein angemessenes Schutzniveau auch über Art. 2 Abs. 1 GG erzielt werden. Zweitens stimmt es zwar, dass die Einwilligung eine selbstbestimmte Handlung ist, jedoch wird eine solche auch von Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Das alleine ist kein Argument für die Verankerung im allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Es müsste generell ein besonderer Persönlichkeitsbezug bei Einwilligungen zu bejahen sein. Ohne Betrachtung des Einzelfalls ist eine solche Beurteilung indes nicht möglich. Daher kann eine generelle Verankerung der Einwilligungsfreiheit im allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht angenommen werden. Es bleibt demnach zu klären, ob die Einwilligungsfreiheit in dem jeweiligen Spezialgrundrecht verankert ist – was in concreto auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht sein kann – oder in der allgemeinen Handlungsfreiheit. Die Ansicht, die die allgemeine Handlungsfreiheit in dieser Frage präferiert, ist die zweite Ansicht aus der Gruppe der Vertreter, die den Charakter der Einwilligungserklärung als Bezugspunkt wählen. Sie unterscheidet sich von der Ansicht, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Ausgangspunkt sieht, nur dadurch, dass sie den fehlenden Persönlichkeitsbezug mancher Einwilligungen nicht leugnet. Die zweite Gruppe, die jene Ansicht bildet, die das betroffene Grundrecht als Ausgangspunkt sieht, nimmt die Rechtsfolgen der Einwilligungserklärung ins Blickfeld. Durch die Einwilligung wird eine grundrechtlich geschützte Sphäre mit erklärter Duldung des Grundrechtsträgers beeinträchtigt. Wer das Spezialgrundrecht als Verankerungspunkt ansieht, schenkt dem Aspekt besondere Betrachtung, dass unterschiedliche Grundrechtssphären bei Einwilligungen beeinträchtigt werden 278 Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 38; Horn, in: Stern/ Becker, Grundrechte, Art. 2 GG, Rn. 96; Lang in: BeckOK-GG, Art. 2, Rn. 24; Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 101. 279 Vgl. BVerfGE 58, 208 (224 f.); 128, 282 (308); Kolz, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 79 (82).
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können. Zum Beispiel wird bei einer Maßnahme nach § 81a StPO das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit berührt280, bei DNA-Analysen insbesondere das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Betrachtung der Folgen der Einwilligungserklärung erscheint sachgerechter, denn im Spannungsfeld der Argumente pro und contra Einwilligung im konkreten Fall wird der Betroffene eher die Auswirkungen auf seine Grundrechtspositionen im Blick haben. Dem Argument, aus den Verzichtsmöglichkeiten einzelner Grundrechte sei ein allgemeiner Rechtssatz zu schließen, muss indes dasselbe entgegengehalten werden, was oben bereits zu Schlüssen aus der StPO-Systematik vorgetragen wurde: Auch die gegenteilige Interpretation wäre zulässig. Demnach spricht eine explizite Verzichtsmöglichkeit weder für noch gegen eine allgemeine. Interessant ist dagegen das Vorbringen von Kolz gegen die Verankerung im Spezialgrundrecht: Gehe man davon aus, dass eine Beschränkung der Einwilligung in das jeweils betroffene Grundrecht eingreife, müsse sie sich auch an dessen Schranken messen lassen. Das führe zu unterschiedlichen Schranken bei der Einwilligung281. Ein solches Ergebnis sei nicht sachgerecht, denn zum einen habe die Einwilligung immer denselben Charakter282 und zum anderen hieße das, dass in die Beeinträchtigung vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte leichter eingewilligt werden könnte als in solche mit Gesetzesvorbehalt283. Da die Einwilligung den Grundrechtsschutz vermindere, könne dies nicht angehen, da ansonsten dem besonderen Schutz vor Eingriffen eine besonders leichte Einwilligungsmöglichkeit und damit eine besonders leichte auf die Einwilligung gestützte Eingreifbarkeit gegenüberstehe. Dem muss zum einen entgegengehalten werden, dass die Einwilligung eben nicht stets denselben Charakter hat, denn sie berührt unterschiedliche grundrechtlich geschützte Verhaltensweisen. Daher ist es nicht a priori ausgeschlossen, dass bei unterschiedlichen grundrechtlichen Belangen auch unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden müssen. Dies ist bei den Grundrechtsschranken bereits im geschriebenen Verfassungsrecht so vorgesehen, und auch beim Grundrechtsverzicht im Allgemeinen werden Differenzierungen vorgenommen. Widersprüchlich an dieser Argumentation ist v. a., dass Kolz selbst bei ausreichendem Persönlichkeitsbezug der Einwilligung sie im allgemeinen Persönlichkeitsrecht verankert wissen will284. Es drängt sich die Frage auf, warum einerseits ein zu strenger Schrankenvorbehalt gegen die Verankerung der Verzichtsfreiheit im Spezialgrundrecht spricht und andererseits ein hoher Persönlichkeitsbezug gerade dafür sprechen soll. Konsequenterweise müsste man eher den Schluss ziehen, dass
280 281 282 283 284
S. dazu schon oben Kap. 3 § 5 I. 2. Putzhammer, S. 46. Kolz, S. 53; so auch Putzhammer, S. 46. Kolz, S. 53 Kolz, S. 56.
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bei hohem Persönlichkeitsbezug eine Verankerung erst recht nicht im Spezialgrundrecht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Betracht kommen kann. Richtigerweise muss das Argument bereits an der Schlüssigkeit seiner Prämisse gemessen werden. Diese lautet, dass die Schranken eines Grundrechts auch Anwendung fänden auf die Einschränkbarkeit der Einwilligung in die Beeinträchtigung desselben. Grundrechtsschranken sind aber primär für den positiven Grundrechtsgebrauch konzipiert worden285. Es ist bereits aufgezeigt worden, dass es sich bei der Einwilligung im strafprozessualen Sinne um einen Unterfall des Grundrechtsverzichts handelt. Die Grundrechtsschranken verfolgen dieselben Zwecke wie der allgemeine Gesetzesvorbehalt (Schutz vor Eingriffen wider Willen und Kompetenzzuordnung im Staat)286. Beide Zwecke tangiert der Grundrechtsverzicht nicht. Daher spielen ebenso wenig wie der allgemeine Gesetzesvorbehalt auch die Grundrechtsschranken in den Fällen der Einwilligung eine Rolle. Es stimmt also nicht, dass bei vorbehaltlos gewährleisten Grundrechten leichter ein Verzicht erklärt werden kann als bei solchen mit Gesetzesvorbehalt, weil bei vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten schwerer ein Gesetz zur Begrenzung desselben erlassen werden könnte. Im Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines vom Spezialgrundrecht geschützten Verhaltens vom jeweiligen Grundrecht mitgeschützt ist. Die Einwilligung in DNA-Analysen ist mithin von Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt. b) Schranken der Einwilligungsfreiheit Die Schranken der Grundrechte können wie aufgezeigt wurde nicht zur Einschränkung der Verzichtsfreiheit herangezogen werden. Sinn und Zweck des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts erscheinen unpassend. Dasselbe gilt für den allgemeinen Gesetzesvorbehalt. Deshalb sind die Schranken der Einwilligungsfreiheit aus dem Charakter der Einwilligung als Unterfall des Grundrechtsverzichts zu entwickeln. Aus dieser Eigenschaft folgt, dass in eine Art. 1 Abs. 1 GG tangierende staatliche Handlung nicht eingewilligt werden kann. Ebenso kann eine Einwilligung am entgegenstehenden öffentlichen Interesse scheitern. c) Zusammenfassung Zusammenfassend gilt es festzuhalten, dass die Verfassung selbst die Verzichtsmöglichkeit schützt. Ausgangspunkt dafür ist das Grundrecht, in das eingegriffen würde, wenn der Betroffene nicht einwilligen würde. Die Schranken des 285
Eppelt, S. 80; Robbers, JuS 1985, 925 (928). Deshalb ist teilweise davon ausgegangen worden, der allgemeine Gesetzesvorbehalt spiele unter dem Grundgesetz keine Rolle mehr, vgl. Jesch, S. 135; Vogel, VVDStRL 24 [1966], 125 (151); krit. dazu Putzhammer, S. 51, Fn. 243. 286
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Grundrechts sind indes nicht zu übernehmen. Sie ergeben sich stattdessen aus der Verfassung selbst. 5. Vorgaben durch JI-Richtlinie und BDSG a) Vorgaben der JI-Richtlinie Mit der Einwilligung beschäftigt sich die JI-Richtlinie nur am Rande287. In den Artikeln der Richtlinie findet sie keine Erwähnung; bedacht wird sie nur in den Erw.Gr. 35 und 37. Dies ist indes bedeutsam, da Erwägungsgründe Teil eines Rechtsakts der EU und bei dessen Auslegung zu beachten sind288. Gemäß Erw.-Gr. 35 JI-RL soll eine Einwilligung dann keine Grundlage für behördliches Handeln darstellen, wenn die Maßnahme von Seiten der Strafverfolgungsbehörden auch zwangsweise durchgesetzt werden könnte. Jedoch sollen ausweislich desselben Erwägungsgrundes die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert sein, die Einwilligungsmöglichkeit gesetzlich vorzusehen. Erw.-Gr. 37 JI-RL schränkt die Einwilligungsmöglichkeit insofern ein, als eine Einwilligung alleine keinen Erlaubnistatbestand darstellen dürfe, wenn Daten verarbeitet werden, die ihrem Wesen nach besonders sensibel sind. Explizit als solche erwähnt sind Daten, die Auskunft geben über die Zugehörigkeit des Betroffenen zu einer ethnischen Gruppe oder Rasse. Ob die Vorschriften der §§ 81e ff. StPO dem derzeit genügen, wird unten erörtert. Fraglich ist hier aber, welche Auswirkungen die JI-Richtlinie auf die Einwilligung im Strafverfahren insgesamt hat. Hierbei werden im Wesentlichen zwei Auffassungen vertreten. aa) Grundsätzliche Unzulässigkeit der Einwilligung Nach einer Auffassung soll eine Einwilligung im Strafverfahren nur ausnahmsweise zulässig sein. Eine Einwilligung komme nur in Betracht, wenn ihre Möglichkeit in der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage ausdrücklich normiert sei289. Begründet wird dies mit den Wertungen der Erw.-Gr. 35 und 37 der Richtlinie290. 287 Vgl. dazu El-Ghazi, ZIS 2019, 110; Stief, StV 2017, 470 (473); Schwichtenberg, DuD 2016, 605 (606). 288 Paal/Pauly, in: dies, DSGVO/BDSG, Einl., B., Rn. 10; Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 19 EUV, Rn. 32. 289 Schwichtenberg, DuD 2016, 605 (606); Stief, StV 2017, 470 (475); i. E. ebenso Kolz, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 79 (85); Stemmer/Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, § 51 BDSG, Rn. 4. 290 Kolz, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 79 (85); Schwichtenberg, DuD 2016, 605 (606); Stief, StV 2017, 470 (475); zust. Schröder, in: BeckOK-PolR BW, Vorb., Datenschutz-RL, Rn. 40.2 f.; vgl. i. E. ebenso Gruber, KommP BY 2018, 379 (380).
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Rekurriert wird aber auch auf Art. 8 JI-RL. Zum einen könne man Abs. 1 zur Begründung eines aus dem Unionsrecht stammenden Gesetzesvorbehalts heranziehen: Gemäß Art. 8 Abs. 1 JI-RL ist eine Datenverarbeitung neben anderen Voraussetzungen nur dann rechtmäßig, wenn sie auf Grundlage von Unionsrecht oder nationalem Recht erfolgt. Demzufolge könne eine Einwilligung für sich genommen – d. h. ohne gesetzliche Normierung – keine Rechtfertigung liefen, da die Datenverarbeitung in diesen Fällen gerade nicht auf Unionsrecht oder mitgliedstaatliches Recht gestützt sei291. Die Einwilligung sei nicht als Erlaubnistatbestand vorgesehen292 Darüber hinaus fordert Art. 8 Abs. 2 JI-RL von entsprechendem mitgliedstaatlichem Recht, dass zumindest die Ziele und Zwecke der Verarbeitung sowie die zu verarbeitenden Daten in der Ermächtigungsgrundlage angegeben sein müssen. Erwägungsgrund 33 der JI-RL fordert weiter für Ermächtigungsgrundlagen im nationalen Recht ein entsprechendes Maß an Bestimmtheit und Präzision. Diesen Anforderungen aus Art. 8 Abs. 2 i. V. m. Erw.-Gr. 33 genüge das nationale Recht nur dann, wenn es Möglichkeit zur Einwilligung explizit vorsehe, so eine solche möglich sein soll293. bb) Grundsätzliche Zulässigkeit der Einwilligung El-Ghazi hingegen hält diese Wertung für nicht zwingend294. Art. 8 JI-RL sei nicht zu entnehmen, dass die Einwilligung für sich genommen keinen Rechtfertigungsgrund darstellen könne. Das zeige ein Vergleich mit Art. 6 DSGVO, der die Rechtfertigungsgründe für Datenverarbeitung abschließend aufzähle. Als Rechtfertigungsgründe sind in Art. 6 DSGVO u. a. vorgesehen, dass die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung (lit. c) oder einer im öffentlichen Interesse liegenden oder in Ausübung hoheitlicher Gewalt erfolgenden Aufgabe erforderlich sei (lit. e). In diesen beiden Fällen (und nicht für den Fall der Einwilligung nach lit. a) verlangt Art. 6 Abs. 3 DSGVO eine „Rechtsgrundlage“. Demgegenüber spreche Art. 8 JI-RL nur davon, dass die Datenverarbeitung „auf Grundlage“ von Unionsrecht oder mitgliedstaatlichem Recht zu erfolgen habe. Es sei also in den beiden Unionsrechtsakten ein sprachlicher Unterschied festzustellen, der es nicht erlaube, den Terminus „auf Grundlage“ in Art. 8 Abs. 1 JI-RL als Erfordernis einer Rechtsgrundlage zu interpretieren. Selbst innerhalb der JI-RL würden die beiden Termini nicht synonym verwendet, da etwa in Art. 13 Abs. 2 lit. c, 14 lit. a, 24 Abs. 1 lit. g ebenso von „Rechtsgrundlage“ die Rede ist. 291 292 293 294
Vgl. El-Ghazi, ZIS 2019, 110 (114), krit. dazu Schwichtenberg, DuD 2016, 605 (606). Stemmer/Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, § 51 BDSG, Rn. 3. Stief, StV 2017, 470 (475). Zum Ganzen El-Ghazi, ZIS 2019, 110 (114 f., vgl. dort auch Fn. 67).
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Ferner sei Erw.-Gr. 33 der JI-RL zu beachten: Mit mitgliedstaatlichem Recht, einer Rechtsgrundlage oder einer Gesetzgebungsmaßnahme verlange die JI-RL kein vom Parlament angenommenes Gesetz. Erwägungsgrund 35 JI-RL sei so zu verstehen, dass nur in den Fällen zwangsweiser Durchsetzungsmöglichkeit eine gesetzlich nicht normierte Einwilligungsmöglichkeit ausscheiden müsse. In anderen Fällen könne hieraus keine Aussage über das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für Einwilligungen entnommen werden. Dasselbe gelte für Erw.-Gr. 37, dessen Aussagekraft sich aber ohnehin in dem dort beschriebenen, engen, grundrechtssensiblen Bereich erschöpfe. cc) Stellungnahme Die vorliegende Problematik ist, bevor ein Vergleich mit der DSGVO angestrengt werden kann, anhand der JI-RL zu untersuchen. Primär sind Erwägungsgründe in den Blick zu nehmen, die sich mit der Einwilligung expressis verbis beschäftigen. Erwägungsgrund 35 beschäftigt sich mit Konstellationen, in die die Raum stehende Maßnahme zwangsweise durchgesetzt werden kann. In diesen Fällen kann eine Einwilligung „keine rechtliche Grundlage“ für die Datenverarbeitung darstellen. Da gem. Erw.-Gr. 35 die Mitgliedstaaten aber auch nicht daran gehindert sein sollen, eine Einwilligungsmöglichkeit vorzusehen, erschöpft sich die Aussage des Erw.-Gr. 35 JI-RL darin, dass eine Einwilligung dann ausscheiden muss, wenn eine Zwangsmaßnahme gesetzlich normiert ist und die Einwilligungsmöglichkeit nicht vorsieht. Keine Aussage trifft der Erwägungsgrund indes hinsichtlich der Einwilligung bei gesetzlich nicht normierten Maßnahmen und in Konstellationen, bei denen eine Maßnahme über das gesetzlich Normierte hinausgeht. Erwägungsgrund 37 bestimmt, dass die Einwilligung für sich keine rechtliche Grundlage bei der Verarbeitung der dort genannten besonderen Daten darstellen könne. Allerdings soll die Verarbeitung durch Rechtsvorschrift dann erlaubt sein, wenn ihr zugestimmt wird. Zusammenfassend ist in diesen Fällen eine Einwilligung nur dann beachtlich, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Der Regelungsgehalt des Erw.-Gr. 37 ist strenger als der des Erw.-Gr. 35, da dieser nicht an die konkrete Verarbeitungssituation anknüpft. Eine Aussage jenseits der dort genannten, besonderen Datenkategorien lässt sich ihm indes nicht entnehmen. Genauere Beachtung verdient Art. 8 Abs. 1 der JI-RL. Demnach soll die Verarbeitung von Daten nur dann rechtmäßig sein, wenn sie „auf Grundlage“ von Unionsrecht oder mitgliedstaatlichem Recht erfolgt. Erwägungsgrund 33 JI-RL besagt, dass damit nicht zwingend ein vom Parlament angenommenes Gesetz – nach deutschem Verständnis ein Gesetz im formellen Sinne295 – gemeint ist. Im deutschen 295
Vgl. Uhle, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 5, Art. 70, Rn. 35.
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Rechtsraum kann also bspw. auch eine Rechtsverordnung oder eine Satzung – ein nicht formelles, aber materielles Gesetz296 – ausreichen. Fraglich ist aber, ob es ausreicht, dass das deutsche Recht (qua Verfassung) die Einwilligung grundsätzlich gestattet, ohne sie zu normieren. Das Begriff des Rechts gibt dies dann her, wenn man ihn als Gesamtheit aller Normen einer Rechtsordnung versteht297. Problematisch indes ist dies sub specie Art. 8 Abs. 2 und Erw.-Gr. 33 der JI-RL. Art. 8 Abs. 2 der JI-RL stellt an das mitgliedstaatliche Recht die Anforderung, dass „zumindest die Ziele der Verarbeitung, die personenbezogenen Daten, die verarbeitet werden sollen, und die Zwecke der Verarbeitung angegeben“ werden müssen. Ohne gesetzlichen Anknüpfungspunkt für die Einwilligung fehlt es aber an etwas, in dem die in Art. 8 Abs. 2 JI-RL bezeichneten Angaben angegeben werden könnten. Betrachtet man weiter, dass Erw.-Gr. 33 neben den bereits in Art. 8 genannten Angaben ein hinreichendes Maß an Präzision und Klarheit fordert, spricht dies ferner gegen eine Zulassung der Einwilligung aus allgemeinen Erwägungen. Die explizite Verwendung des Wortes „Rechtsgrundlage“ bspw. in Art. 14 lit. a JIRL vermag daran nichts zu ändern. Diese Änderungen im Sprachgebrauch lassen sich dadurch erklären, dass in Art. 8 Abs. 1 JI-RL klargestellt werden soll, dass eine Grundlage sowohl im Unionsrecht als auch im nationalen Recht zu finden sein kann. Nach dieser Klarstellung genügt der umfassende Begriff der Rechtsgrundlage in den folgenden Artikeln. Deutlich wird dieser bloß sprachliche Unterschied, wenn man englische Fassung der JI-RL betrachtet. In Art. 8 Abs. 1 ist davon die Rede, die Verarbeitung müsse „based on Union or Member State law“ erfolgen. Art. 14 lit. a spricht allgemein von einer „legal basis“. Ähnlich verhält es im Spanischen. Dort ist in Art. 8 Abs. 1 JI-RL die Rede von „esté basado en el Derecho de la Unión o del Estado miembro“, während Art. 14 allgemeiner formuliert „base jurídica“. Es wird deutlich, dass sich die Aussage des Art. 8 Abs. 1 JI-RL in der Möglichkeit der Rechtsgrundlage in unterschiedlichen Rechtsebenen erschöpft. Das Wort „Rechtsgrundlage“ ist im Sinne der JI-RL nur ein umfassender Begriff, der sowohl Unionsrecht als auch mitgliedstaatliches Recht umfasst. Die obigen Argumente vermag seine Verwendung nicht zu entkräften. Der Vergleich El-Ghazis mit Art. 6 DSGVO geht deshalb fehl, weil die DSGVO primär den Datenschutz im privatrechtlichen Bereich vor Augen hat. Dort kann eine Einwilligung ohne Rechtsgrundlage erfolgen, weil man zwischen zwei gleichberechtigten Subjekten grundsätzlich davon ausgehen kann, dass der einwilligende Teil frei von jeder unlauteren Beeinflussung entscheiden kann. Im Verhältnis BürgerStaat ist die Gefahr einer staatlichen Übermacht indes erheblich größer. Dies zeigt sich in Erw.-Gr. 35 der JI-RL, in dem davon die Rede ist, dass keine echte Wahlfreiheit bestehen kann, wenn der Staat seine Anordnung auch zwangsweise durch296 297
Vgl. Uhle, a. a. O., Rn. 42 f. Dazu jedenfalls Groh, in: Weber (Hrsg.) Rechtswörterbuch, s. v. Recht.
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Kap. 3: Datenschutzrechtliche Implikationen bei DNA-Analysen
setzen kann298. Dem Bürger wird in der konkreten Situation aber häufig gar nicht klar sein, wann der Staat dies kann oder nicht kann299. Die Gefahr staatlicher Beeinflussung besteht daher auch in Situationen, in denen der Staat gar keinen Zwang anwenden dürfte. Die zwei unterschiedlichen Situationen erlauben es nicht, die Wertungen der DSGVO auf die JI-RL zu übertragen. Im Ergebnis muss daher festgehalten werden, dass eine Einwilligung im Strafverfahren ausscheiden muss, die nicht in einer Ermächtigungsgrundlage vorgesehen ist. b) (Überschießende) Umsetzung durch den Gesetzgeber? Im Gegensatz zur JI-Richtlinie erwähnt das das BDSG als maßgebliches Umsetzungsgesetz die Einwilligung gleich an zwei Stellen: Einmal in § 46 Nr. 17 BDSG, wo sich eine Definition findet, und andererseits in § 51 BDSG, der sich vollumfänglich mit der Einwilligung beschäftigt. Nach dessen Abs. 1 muss der Verantwortliche die Einwilligung nachweisen können, „soweit die Verarbeitung personenbezogener Daten nach einer Rechtsvorschrift auf der Grundlage einer Einwilligung erfolgen kann“. El-Ghazi, der der hier nicht vertretenen Auffassung folgt, die JI-Richtlinie schließe eine Einwilligung jenseits von den Fällen, in denen sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist, nicht aus300, interpretiert diesen Absatz als überschießende Umsetzung durch den Gesetzgeber. Er begründet dies mit dem Konditionalsatz „soweit erfolgen kann“301. Indes kann der Wortlaut auch so verstanden werden, dass nur die Anforderungen an eine durch Rechtsvorschrift zugelassene Einwilligung geklärt werden302. Das Wort „Soweit“ gibt es auch her, davon auszugehen, dass nur dieser Fall erfasst werden soll. Ein gesetzgeberischer Wille zugunsten einer Interpretation ist den Gesetzgebungsmaterialien nicht zu entnehmen; sie schweigen sich zur Frage nach der generellen Zulässigkeit der Einwilligung im Strafverfahren aus303. Zielführend ist eine teleologische Betrachtungsweise. Es ist nicht einzusehen, warum der Gesetzgeber in § 51 BDSG nur diejenigen Fälle regeln wollte, in denen die Einwilligung kraft Gesetzes vorgesehen ist, wenn daneben weitere Fälle der Einwilligung existieren. Gerade letztere hätten einer besonderen Regelung bedurft; sie sind es doch, die geeignet wären, erhebliche Rechtsunsicherheit hervorzurufen. Gesetzliche geregelte Fälle sind dies zwar auch, aber nicht in derartigem Umfang. Wenn der Gesetzgeber aber schon ausführlich die vorgesehenen Fälle regelt, so kann nicht davon 298
Vgl. Frenzel, in: Paal/Pauly, DSGVO/BDSG, § 51 BDSG, Rn. 1, 2. Vgl. dazu schon die Ausführungen und Nachweise oben hinsichtlich der freiwilligen Atemalkoholkontrolle, Kap. 3 § 5 I. 1. a). 300 S. dazu schon oben Kap. 3 § 5 IV. 5. a) bb). 301 El-Ghazi, ZIS 2019, 110 (117). 302 Vgl. Stemmer/Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, § 51 BDSG, Rn. 13. 303 Vgl. BT-Drucks. 18/11325, S. 112. 299
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ausgegangen werden, dass daneben ein ungeregelter Bereich verbleiben soll. Eine richtlinienkonforme Auslegung bestätigt dies, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass die JI-RL die Einwilligung ohne Zulassung durch Gesetz nicht anerkennt304. Im Ergebnis ist § 51 Abs. 1 BDSG daher so auszulegen, dass eine Einwilligung de lege lata nur noch in den Fällen und innerhalb der Grenzen möglich ist, die durch Gesetz vorgesehen sind305. Zu demselben Ergebnis gelangen freilich diejenigen, die ohne dies jedoch zu begründen bereits davon ausgehen, dass die JI-RL dieses Ergebnis erfordert306. Die dagegen vorgebrachten Ansätze Kliemannels307 überzeugen nicht: Dass der Gesetzgeber diese Wirkung nicht bezweckt haben soll, ändert nichts daran, dass diese Wirkung eingetreten ist. Ein entgegenstehender Wille des Gesetzgebers ist jedenfalls ebenso wenig erkennbar. Auch die verfassungsrechtliche Verankerung der Einwilligungsfreiheit steht dem nicht entgegen. Die Möglichkeit des Verzichtes auf die Grundrechtsausübung gegenüber dem Staat erscheint nicht als so gewichtig, als dass der Gesetzgeber nicht aus generellem Misstrauen dem Staat gegenüber entsprechende Einschränkungen vorsehen dürfte. Geht man von einer unionsrechtlichen Determination aus, so kann man ferner nicht davon ausgehen, dass die integrationsfesten Grenzen der Verfassung überschritten würden. Endlich schlägt in der Pauschalität der Einwand nicht durch, das Verbot der Einwilligung führe zu einem belastenderen Handeln des Staates gegenüber dem Bürger. Hier kann u. U. die entsprechende Ermächtigungsgrundlage so ausgelegt werden, dass sie Minusmaßnahmen, also mildere Maßnahmen, gleichsam mit erfasst308.
V. Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung 1. Disponibilität des beeinträchtigten Rechtsguts In § 51 BDSG nicht erwähnt, aber denknotwenige Voraussetzung für die Wirksamkeit der Einwilligung ist die Einwilligungsbefugnis des Betroffenen. Die Einwilligung muss sich i. R. d. Verzichtsfreiheit bewegen. Eine Einwilligung z. B. in eine menschenunwürdige Behandlung bliebe unwirksam.
304
S. schon oben Kap. 3 § 5 IV. a) cc). I. E. auch Singelnstein, NStZ 2020, 639 (640 f.), der der Frage, ob das Ergebnis durch die JI-RL vorgegeben ist, nur insofern behandelt, als er der Auffassung ist, § 51 BDSG habe nichts mit der JI-RL zu tun. 306 Vgl. Stemmer/Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, § 51 BDSG, Rn. 13. 307 Zu diesen Kliemannel, Die Polizei 2021, 53 (56). 308 S. exemplarisch unten Kap. 4 § 1 I. 1. b) ee) (1). 305
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2. Freiwilligkeit a) Unklarheit in der juristischen Dogmatik Die Freiwilligkeit einer Einwilligung ist seit jeher eines der umstrittensten Kapitel innerhalb der Forschung zu Einwilligungen im Strafverfahren309. Während Einigkeit schon immer darüber bestand, dass eine Einwilligung nur dann wirksam ist, wenn sie freiwillig erfolgt, bestand und besteht die Schwierigkeit darin, zu klären, wann eine Einwilligung als freiwillig angesehen werden kann. Nicht weiterführend sind in diesem Zusammenhang die neuen §§ 46 Nr. 17, 51 Abs. 4 S. 1 BDSG. Ersterer definiert die Einwilligung nur als freiwillige Willensbekundung, letzter belässt es bei der Aussage, dass eine Einwilligung auf dem freien Willen des Einwilligenden beruhen müsse. Wann Freiwilligkeit gegeben ist, wird nicht erläutert. Es zwar müssen nach § 51 Abs. 4 S. 2 BDSG die Umstände der Erteilung berücksichtigt werden. Aus praktischen Erwägungen sind aber darüberhinausgehend allgemeine Kriterien notwendig, die im Einzelfall eine Orientierung darstellen können. Teilweise wird Freiwilligkeit dann angenommen, wenn der Einwilligende eine wirkliche oder echte Wahl habe zwischen Einwilligung und Verweigerung310. Dies führt indes nicht weiter, ist doch der Terminus „wirkliche oder echte Wahl“ genauso unbestimmt wie der der Freiwilligkeit. b) Mehrdimensionalität des Begriffes der Freiwilligkeit Definiert man den Begriff der Freiwilligkeit negativ, so wird man ihm wohl am ehesten gerecht, wenn man ihn als Abwesenheit von Täuschung und Zwang umschreibt311. Gänzlich frei von Zwang ist der Mensch indes nie312. Man denke an wirtschaftliche Zwänge313 : Menschen mit niedrigem Einkommen werden sich oft gezwungen sehen, sparsam zu leben. Man denke an emotionale Zwänge: Auch wenn de jure eine Scheidung möglich ist, wird u. U. ein Ehegatte wegen gemeinsamer Kinder darauf verzichten. Er leidet unter emotionalen Zwang. Man denke an soziale Zwänge314: Auch wenn kein Gesetz dies gebietet, so verlangen häufig Anstand und Sitte es auch heute noch, in geschlossenen Räumen eine Kopfbedeckung abzulegen. 309 Vgl. bereits etwa Amelung, Einwilligung, S. 79 ff.; ders., in: FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1 (16); ders., StV 1985, 257 (261); ders., NStZ 2006, 317 ff.; Geiger, NVwZ 1989, 35 (37); Saliger, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 123 (127); krit. zur mangelnden Bestimmtheit des Freiwilligkeitsbegriffs insgesamt Petri, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 101 (122). 310 Stemmer/Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, § 51 BDSG, Rn. 27. 311 Vgl. Amelung, Einwilligung, S. 79; Geiger, NVwZ 1989, 35 (37); Krehl/Kolz, StV 2004, 447 (454); Malacrida, S. 29; Malorny, JA 1974, 131 (131 f.); Putzhammer, S. 90; Stern, StaatsR III/2, § 86, II., 6., b); ähnlich Kolz, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 79 (86). 312 Vgl. Amelung, NStZ 2006, 317 (318); Krieglstein, S. 108. 313 Singer, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 143 (145). 314 Vgl. Amelung, NStZ 2006, 317 (318); Singer, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 143 (145).
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Fügt man sich dem, fügt man sich sozialem Zwang. Die Beispiele zeigen, dass nicht jede Form von Zwang Freiwilligkeit in einem rechtlichen Sinne ausscheiden lassen kann. c) Besonderheiten im Staat-Bürger-Verhältnis Nun liegt die Situation so, dass im Verhältnis Staat-Bürger sogar wegen der Abhängigkeit des Bürgers vom Staat im modernen Rechtsstaat grundsätzliche Bedenken dagegen vorgebracht werden, ob freiwilliges Bürgerhandeln überhaupt möglich ist315. Ohne sich dieser Extremposition anzuschließen, kann in diesem Lichte auch die JI-RL verstanden werden, wenn diese in Erw.-Gr. 35 betont, es bestehe keine Wahlfreiheit – und somit keine Freiwilligkeit –, falls eine staatliche Maßnahme durch Zwang durchgesetzt werden könne. Bekräftigung findet dieses Verständnis, wenn man bedenkt, dass der Gesetzgeber sich bei der Implementierung des § 51 Abs. 4 BDSG an Art. 7 Abs. 4 DSGVO orientiert hat316. Erwägungsgrund 43 der DSGVO stellt die Freiwilligkeit einer Einwilligung dann in Zweifel, wenn zwischen den Parteien ein klares Machtungleichgewicht besteht, was insbesondere dann anzunehmen sei, wenn es sich bei einem Vertragspartner um eine Behörde handle317. Dass allein die Möglichkeit eines besonderen Machtgefälles im Verhältnis von Bürger und Staat die Freiwilligkeit nicht gänzlich auszuschließen vermag, zeigt ebenso Erw.-Gr. 35 der JI-RL, denn ansonsten wäre es sinnlos, dass ausweislich desselben die Mitgliedstaaten die Einwilligungsmöglichkeit dennoch vorsehen dürfen. Würde man ernst machen mit der Behauptung, ein freiwilliges Handeln des Bürgers gegenüber dem Staat sei nicht möglich, würde die JI-RL den Mitgliedstaaten etwas ermöglichen, das sie selbst als unmöglich erachtet. Freiwilliges Handeln des Bürgers ist daher grundsätzlich auch gegenüber dem Staat möglich318. Indes muss Beachtung finden, dass ob des Über- bzw. Unterordnungsverhältnisses, in dem sich Bürger und Staat begegnen, und ob der erweiterten Möglichkeiten des Staates gerade im Ermittlungsverfahren319 strengere Anforderungen an freiwilliges Handeln zu stellen sind als im rein privaten Bürger-Bürger-Verhältnis.
315 Vgl. dazu Forsthoff, DVBl. 1957, 724 (725); Naumann, Die Polizei 2013, 333 (335); krit. dazu Amelung, Einwilligung, S. 79 ff.; ders., in: FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1 (16), ders., StV 1985, 257 (261); Putzhammer, S. 88; Saliger, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 123 (129). 316 BT-Drucks. 18/11325, S. 112. 317 Vgl. dazu bereits vor Inkrafttreten der DSGVO Petri, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 101 (116). 318 Vgl. schon Amelung, in: FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1 (16); Bleckmann, S. 323; Putzhammer, S. 87 ff. 319 Saliger, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 123 (127).
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d) Die Abwesenheit von Zwang und Irrtum als hinreichende Bedingungen von Freiwilligkeit aa) Das Erfordernis rechtlich relevanten Zwangs zur Verneinung der Freiwilligkeit (1) Ungeeignetheit des Zwangsbegriffs des nemo-tenetur-Grundsatzes Aufgrund der Verknüpfung von Einwilligung und nemo-tenetur-Grundsatz320 liegt es nahe, sich zur Bestimmung des freiwilligkeitsausschließenden Zwanges bei der Einwilligung des Zwangsverständnisses zu bedienen, das die juristische Dogmatik zum nemo-tenetur-Grundsatz entwickelt hat. Demnach ist Zwang jeder unmittelbare und mittelbare Druck zur Selbstbelastung, insbesondere das Inaussichtstellen von Nachteilen tatsächlicher oder rechtlicher Art für den Fall der Mitwirkungsverweigerung321. Problematisch an diesem Verständnis ist, dass im Bereich der Einwilligung bei gleichzeitig bestehender zwangsweiser Durchsetzungsmöglichkeit322 immer im Hintergrund der Nachteil schwebt, ohne Mitwirkung würden die Strafverfolgungsorgane mit Zwang gegen den Betroffenen vorgehen323. Dass es im Bereich einer Einwilligung bei gleichzeitig bestehender zwangsweiser Durchsetzungsmöglichkeit Freiwilligkeit geben kann, hat bereits der Richtlinien-Gesetzgeber erkannt. Erwägungsgrund 35 der JI-RL besagt, dass von keiner freien Wahl ausgegangen werde könne, wenn die betroffene Person aufgefordert wird, den Maßnahmen der Strafverfolgungsorgane Folge zu leisten. Der letzte Teil des Erwägungsgrundes, der es den Mitgliedstaaten erlaubt, Einwilligungen gesetzlich vorzusehen, zeigt aber, dass ein gewisser Anwendungsbereich für solche Einwilligungen verbleiben muss. (2) Freiwilligkeit als autonom zu verstehender, normativer Rechtsbegriff Um sich der Frage zu nähern, wann von freiwilligkeitsausschließendem Zwang ausgegangen werden kann, ist zunächst zu klären, was das Freiwilligkeitskriterium als Wirksamkeitsvoraussetzung der Einwilligung überhaupt bezwecken soll324. 320
Vgl. dazu bereits oben Kap. 3 § 5 I. a). Vgl. BVerfGE 56, 37 (42); BGHSt 42, 139 (152 f.); Böse, wistra 1999, 451 (452 f.); M. Deutsch, S. 240; Duttge, JZ 1996, 556 (562); Kühl, JuS 1986, 115 (117); Lammer, S. 160 f.; Lorenz, JZ 1992, 1000 (1006); Putzhammer, S. 91; Puppe, GA 1978, 289 (299); Queck, S. 21; Rogall, in: SK-StPO II, Vorb. § 133, Rn. 139; Hart. Schneider, S. 29; Sternberg-Lieben, Jura 1995, 299 (309); Stürner, NJW 1981, 1757 (1758); Verrel, NStZ 1997, 415 (415 f.); vgl. auch Fluck, NJW 2001, 2292 (2294). 322 Zu wegen der Vorgaben der JI-RL nicht mehr relevanten Konstellation der Freiwilligkeit bei Einwilligungen, deren Möglichkeit nicht im Gesetz vorgesehen ist Amelung, Einwilligung, S. 82 ff. 323 Vgl. Amelung, Einwilligung, S. 105. 324 Amelung, Einwilligung, S. 83; ders., in: FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1 (17); ders., StV 1985, 257 (261). 321
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Zur Verdeutlichung folgendes Beispiel325: Das Merkmal der Freiwilligkeit ist ebenso konstitutiv für einen strafbefreienden Rücktritt nach § 24 StGB. Der Idee hinter der Möglichkeit, dem Täter nach Eintritt ins Versuchsstadium die Möglichkeit zu geben, Strafbefreiung zu erlangen, ist v. a. folgende: Die Gesellschaft hat kein Interesse daran, dass eine Straftat vollendet wird. Sie hat im Gegenteil das Interesse, dass eine begonnene Straftat nicht vollendet wird. Es soll für den Täter daher nach Eintritt in das Versuchsstadium daher nicht einerlei sein, ob er die Tat vollendet, sondern er soll einen Anreiz haben, seine Tat nicht vollends zu verwirklichen. Dieser Anreiz besteht darin, bei einem Rücktritt Straffreiheit zu erlangen326. Freilich kann diese Straffreiheit aus Gerechtigkeitserwägungen nur dann begründet werden, wenn der Täter sein Unrecht aus der Welt schafft. Dies ist nicht der Fall, wenn er nicht freiwillig handelt. Das Freiwilligkeitskriterium i. R. d. § 24 StGB dient daher dazu, nur demjenigen die Belohnung der Straffreiheit zukommen zu lassen, der sie verdient327, oder, allgemeiner gesagt: Es geht um die Zurechnung der letzten Endes die Tatvollendung verhindernden Handlung zu einer Person. Es handelt es sich um ein etwas Normatives328. Um die Frage, wer Straffreiheit verdient, geht es bei der Frage nach der Freiwilligkeit von Einwilligungen freilich nicht329. Deshalb ist der Begriff in diesem Zusammenhang anders, nämlich autonom zu verstehen. Er muss nicht (nur) von psychologischer Seite aus untersucht werden, sondern von rechtlicher Seite dergestalt, dass gefragt werden muss, was mit dem Erfordernis der Freiwilligkeit bezweckt sein will. Es handelt sich bei dem Terminus der Freiwilligkeit mithin um einen autonom zu verstehenden Rechtsbegriff330. Was also ist Zweck der Freiwilligkeit i. R. d. Einwilligung? Durch das Kriterium der Freiwilligkeit geht es darum, die Grundlage einer Maßnahme einem der Beteiligten zuzuordnen: entweder dem Einwilligenden oder dem Staat, vertreten durch das handelnde Strafverfolgungsorgan331. 325 Angelehnt an Amelung, Einwilligung, S. 82 f.; ders., in: FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1 (17); vgl. ferner Naumann, Die Polizei 2013, 333 (334). 326 Vgl. BGH, NStZ 1993, 279; NStZ 1986, 264 (265); Puppe, NStZ 1984, 488 (490); dies., NStZ 1990, 433 (434); Rudolphi, NStZ 1989, 508 (512); Roxin, ZStW 77 [1965], 60 (96); vgl. zu den unterschiedlichen Begründungen Cornelius, in: BeckOK-StGB, § 24, Rn. 4 ff.; Eser/ Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 24, Rn. 2 ff.; Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB I, § 24, Rn. 29. 327 Vgl. Amelung, Einwilligung S. 82 f.; vgl. auch Cornelius, in: BeckOK-StGB, § 24, Rn. 8; Hoffmann-Holland, in: MüKo-StGB I, § 24, Rn. 29. 328 Amelung, Einwilligung, S. 82; Gutmann, S. 29, 106; Putzhammer, S. 92, Roxin, ZStW 77 [1965], 60 (96); ders., in: FS Heinitz, 251 (256); Singer, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 143 (147 f.); Ulsenheimer, S. 306, 314 f. 329 Amelung, Einwilligung, S. 83. 330 Amelung, Einwilligung, S. 83; Merten, in: FS Schmitt Glaeser, 53 (68 f.); Singer, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 143 (144); a. A. wohl Sturm, in: FS Geiger, 173 (183 f.). 331 Putzhammer, S. 93.
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(3) Zwischenergebnis: Beachtlichkeit nur staatlichen Zwangs Die vielfältigen Möglichkeiten von Zwang werden bereits durch die Besinnung auf diesen Zweck innerhalb eines rechtlich handbaren Rahmens beschränkt. Geht es bei der Freiwilligkeit darum, staatliches von bürgerlichem Handeln abzugrenzen, so muss Zwang, wenn er eine rechtliche Bedeutung haben will, vom Staat her kommen332. Fälle des wirtschaftlichen, des emotionalen oder des sozialen Zwangs berühren die Freiwilligkeit einer Einwilligung im Strafverfahren nicht. (4) Die Abgrenzung von unzulässigem und zulässigem Zwang (a) Unterscheidung anhand der Initiative zur Einwilligung? Es bleibt der Frage nachzugehen, wann staatliches Handeln freiwilligkeitsausschließender Zwang ist. Einen ersten Anhaltpunkt für die Frage, wann Freiwilligkeit angenommen werden kann, könnte Putzhammers Differenzierung darstellen, von wem die Initiative zur Einwilligung ausgeht333. Kommt die Initiative – sozusagen der „Vorschlag“ zur Einwilligung – vom Privaten, spricht sie von einer gewünschten Einwilligung, kommt sie vom Staat von einer „einverständlichen Einwilligung“.334 In letzterem Fall spricht prima facie mehr für Unfreiwilligkeit, in ersterem spricht mangels staatlicher Beeinflussung prima facie mehr für Freiwilligkeit335. Doch auch hier stellt sich das Problem, ob nicht der Bürger bereits durch die bloße Konfrontation mit der Staatsgewalt eingeschüchtert ist und deshalb einwilligt336. Deshalb kann es für die Freiwilligkeit nicht ausschlaggebend sein, vom wem die Initiative zur Einwilligung ausgeht. (b) Die Rechtswidrigkeit der angedrohten staatlichen Alternativmaßnahme als erster Indikator Putzhammer geht in Anlehnung an Gutmann davon aus, dass dann, wenn das staatliche Druckmittel rechtswidrig ist, von Unfreiwilligkeit auszugehen sei und man die Einwilligung dem Staat zurechnen müsse337. Als Beispiel dafür kann gelten, wenn der Staat entgegen dem nemo-tenetur-Grundsatz damit droht, aus der Verweigerung der Einwilligung negative Rückschlüsse zu ziehen. Umgekehrt sei aber 332
Vgl. Amelung, in: FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1 (17). Putzhammer, S. 91; ebenso Naumann, Die Polizei 2013, 333 (335). 334 Putzhammer, S. 95. 335 Kolz, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 79 (86). 336 Vgl. BVerfG, wistra 2008, 463 (465); Amelung, StV 1985, 257 (261); Frenzel, in: Paal/ Pauly, DSGVO/BDSG, § 51 BDSG, Rn. 1, 7; i. d. S. auch Kolz, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 79 (86), der in diesen Fällen für eine Belehrungspflicht plädiert. 337 Gutmann, S. 115; Putzhammer, S. 94 f.; zust. Saliger, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung 123 (136); krit. Singer, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 143 (150); für die Unwirksamkeit bei rechtswidrigem Druck ebenso Amelung, ZStW 95 [1983], 1 (18). 333
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von Freiwilligkeit auszugehen, wenn der Staat ein rechtmäßiges Handeln in Aussicht stelle338. Als Beispiel dafür kann folgende Situation dienen: In einem Ermittlungsverfahren wegen Mordes wird der Ehemann als Täter des Mordes an seiner Ehefrau vermutet. Ein Anfangsverdacht besteht. Die Polizei stellt dem Ehemann wahrheitsgemäß in Aussicht, dass sie gestützt auf einen richterlichen Beschluss eine Maßnahme nach § 81e StPO durchführen lassen wird, sollte der Ehemann die Einwilligung verweigern. Da die Voraussetzungen des § 81e StPO vorliegen – also eine rechtmäßige Maßnahme in Aussicht gestellt wird –, müsste man Putzhammers Ansicht zu Folge von Freiwilligkeit ausgehen. Dem ist aber zu widersprechen. Sollte – um im Beispiel zu bleiben – der Ehemann keine Möglichkeit sehen, eine DNA-Analyse zu verhindern, kann man ihm keine echte Wahlfreiheit attestieren; wird er doch den weiteren Fortgang des Verfahrens – der augenscheinlich ja unabhängig von seiner Entscheidung schon feststeht – als staatlich determiniert sehen. Zweifellos wird man Putzhammer zustimmen müssen, dass bei einer rechtswidrigen Drohung staatlicherseits Freiwilligkeit zu verneinen ist. Doch auch bei rechtmäßiger Drohung kann nicht per se von Freiwilligkeit ausgegangen werden. Sollte die staatliche Alternativmaßnahme so beschaffen sein, dass der Bürger es schlichthin nicht vermag, sie wie auch immer abzuwenden, so kann nicht eine echte Wahlfreiheit angenommen werden. (c) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Um auch bei einer rechtmäßigen staatlichen Drohung zwischen Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit unterscheiden zu können, ist es wichtig, sich auf die verfassungsrechtliche Idee hinter der Einwilligung in Situationen zu berufen, in denen staatlicher Zwang angewandt werden könnte. Diese findet sich im Verhältnismäßigkeitsprinzip339. Jede staatliche Maßnahme muss demnach einem legitimen Zweck dienen und zu dessen Erreichung geeignet und erforderlich sein und angemessen erscheinen340. Erforderlich ist das Mittel dann, wenn keine gleich geeigneten, milderen Mittel zu Verfügung stehen341. Stehen sie zur Verfügung, muss der Staat zu ihnen greifen. In der Praxis kann der Beschuldigte in die DNA-Analyse einwilligen und sich Körperzellen mittels einen Abstriches der Innenseite der Wange entnehmen lassen, er kann aber auch eine Blutprobenentnahme nach § 81a StPO dulden. Objektiv wird die erste Alternative das mildere Mittel sein. Sie dem Bürger zu lassen, ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Er kann in diesen Fällen zwar nicht mehr über das Ob der Maßnahme, wohl aber über das Wie entscheiden342. Daher muss der Staat – so 338
Vgl. Putzhammer, S. 94 f. Amelung, Einwilligung, S. 107; ders., in: FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1 (21); ders., StV 1985, 257 (261); Saliger, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 123 (130). 340 Statt vieler Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 3, Art. 20, VII., Rn. 110 m. w. N. 341 Statt vieler Grzeszick, a. a. O., Rn. 113. 342 Amelung, Einwilligung, S. 105. 339
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es gesetzlich vorgesehen ist – dem Bürger grundsätzlich die Möglichkeit geben, sich für das mildere Mittel zu entscheiden. In diesem Sinne ist auch die JI-Richtlinie zu verstehen, wenn Erw.-Gr. 35 vorsieht, dass die Mitgliedstaaten die Einwilligungsmöglichkeit in DNA-Tests oder in das Tragen einer elektronischen Fußfessel vorsehen können. Die Beispiele sind allesamt milder als die Gegenstücke – Blutentnahme bzw. Einsperren343. Zu fordern ist daher zum einen, dass die mit der Einwilligung einhergehende Behandlung milder sein muss als die Durchsetzung der staatlichen Maßnahme mit Zwang. Von Freiwilligkeit kann zum anderen nur dann die Rede sein, wenn die Durchsetzung mit Zwang nicht so beschaffen ist, dass gar keine andere Wahl mehr herrscht als die Wahl für die Einwilligung344. Wäre die Alternative zum Wangenabstrich daher nicht die Blutprobenentnahme, sondern ein langwieriger, schmerzhafter, medizinischer Eingriff, so könnte von einer freiwilligen Wahl zugunsten des Wangenabstrichs keine Rede mehr sein. Man muss also darauf bestehen, dass die Maßnahme, die bei der Einwilligungsverweigerung mit Zwang durchgesetzt werden kann, nicht derart schwerer in geschützte Positionen des Bürgers eingreift als die mit der Einwilligung verbundene Maßnahme. Dabei ist dem Willen des Bürgers ein großes Gewicht einzuräumen, denn er weiß grundsätzlich am besten, was für ihn das mildere Mittel ist345. Schwerer als die Wahl zwischen Wangenabstrich und schmerzhaften Eingriff ist objektiv zu beurteilen, ob eine Kastration nach dem KastG oder eine unter Umstände lange Unterbringen in einer Sicherungsverwahrung milder ist. Die Entscheidung des Einzelnen ist hier grundsätzlich zu respektieren. Eine Evidenzkontrolle muss aber stattfinden. (5) Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Einwilligung dann nicht frei von Zwang ist, wenn der Staat mit einem unrechtmäßigen Alternativverhalten droht. Ist das angedrohte Alternativverhalten indes rechtmäßig, so ist zu verlangen, dass die mit der Einwilligung verbundene Maßnahme milder ist als die staatliche Zwangsmaßnahme. Gleichzeitig darf die staatliche Maßnahme aber nicht so beschaffen sein, dass keine andere Wahl als die für die Einwilligung verbleibt. bb) Die Abwesenheit von Irrtümern in der Person des Einwilligenden – Die Belehrung als ausschlaggebendes Kriterium Neben der Abwesenheit von Zwang spielt die Frage, inwieweit ein Irrtum freiwilligkeitsausschließend wirkt, bei einer Einwilligung im Strafverfahren eine große 343
Stemmer/Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, § 51 BDSG, Rn. 4; krit. deshalb auch Frenzel, in: Paal/Pauly, DSGVO/BDSG, § 51 BDSG, Rn. 2. 344 Vgl. Kolz, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 79; Sturm, in: FS Geiger, 173 (184). 345 Amelung, Einwilligung, S. 106; ders., StV 1985, 257 (261); Saliger, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 123 (131).
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Rolle. Es ist nämlich davon auszugehen, dass viele Bürger eben nicht wissen, dass aus der Verweigerung einer Einwilligung keine negativen Schlüsse gezogen werden dürfen346. Sie werden deshalb oft einwilligen, um sich nicht (weiter) verdächtig zu machen347. Für die Frage der Freiwilligkeit einer Einwilligung ist daher besonders relevant, ob der Bürger weiß, dass aus der Verweigerung der Einwilligung keine negativen Konsequenzen gezogen werden dürfen348. Davon geht auch der Gesetzgeber aus, wenn er verlangt, dass eine Einwilligung eine „in informierter Weise (…) abgegebene Willenserklärung“ (§ 46 Nr. 17 BDSG) sein müsse. In diesem Zusammenhang wird § 51 Abs. 4 S. 4 BDSG bedeutsam. Demnach ist der Betroffene über die Folgen der Einwilligungsverweigerung zu belehren, entweder, falls er dies verlangt, oder, falls dies „nach den Umständen des Einzelfalls erforderlich“ ist. Der Gesetzeswortlaut schweigt sich indes aus ob der Frage aus, für was die Belehrung erforderlich sein muss. Aus der Stellung des in Betreff stehenden Passus in Abs. 4 des § 51 BDSG, in dem es um das Merkmal der Freiwilligkeit geht, ist abzuleiten, dass es nur darum gehen kann, die Freiwilligkeit zu sichern. Mit anderen Worten ist nach § 51 Abs. 4 S. 4 BDSG immer dann zu belehren, wenn ansonsten ernsthafte Zweifel an der Freiwilligkeit bestehen. Im Rechtsstaat kann aber vom Bürger nicht erwartet werden, dass er seine Rechte gegenüber dem Staat allzeit postuliert, vielmehr muss der Staat von sich aus rechtmäßig handeln, Art. 20 Abs. 3 GG. Deshalb muss in der Regel belehrt werden; Ausnahmen sind nur dann möglich, wenn sicher ist, dass der Betroffene sich der Konsequenzen der Verweigerung bewusst ist349. Muss im Regelfall über die Folgen der Verweigerung der Einwilligung belehrt werden, so ergibt sich daraus a maiore ad minus, dass erst recht über die Freiwilligkeit an sich zu belehren ist, auch wenn das Gesetz dies expressis verbis nicht vorsieht350. Denn mit den strengen Vorgaben des § 51 BDSG wäre es nicht zu ver346 El-Ghazi, ZIS 2019, 110 (112); Geppert, Jura 1986, 532 (536); ders., NStZ 2014, 481; Mosbacher, NStZ 2015, 72 (73); Schöch, DAR 1996, 44 (48); vgl. auch Amelung, in: FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1 (2); a. A. Cierniak/Herb, NZV 2012, 409 (413); diff. Göhler, NStZ 1994, 71 (72), vgl. ferner die Nachweise oben in Fn. 188 (Kap. 3). 347 Vgl. dazu Amelung, Einwilligung, S. 90; ders., in: FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1 (17); ders., StV 1985, 257 (261); El-Ghazi, ZIS 2019, 110 (116); Putzhammer, S. 95; vgl. auch Geppert, NStZ 2014, 481. 348 Vgl. schon Kliemannel, Die Polizei 2021, 53 (56); Merten, in: FS Schmitt Glaeser, 53 (69 f.); allgemein zur Bedeutung der Aufklärung in Einwilligungsfragen BVerfGE 52, 131 (168); BVerwGE 71, 204 (211); Eppelt, S. 48; Illian, S. 33; Körner, in: LA Simitis, 131 (132); Kolz, S. 114; ders., in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 79 (86); Petri, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 101 (120). 349 El-Ghazi, ZIS 2019, 110 (119); Kaefer, Kriminalistik 2000, 210 (215); Stief, StV 2017, 470 (476); vgl. i. E. ebenso für Einwilligungen bei gleichzeitig bestehender zwangsweiser Durchsetzungsmöglichkeit vor Einführung des § 51 BDSG auch Saliger, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 123 (129); dafür bereits vor Schaffung des § 51 BDSG Amelung, Einwilligung, S. 100 ff.; ders., StV 1985, 257 (263); s. auch v. Heydebreck, S. 129, für den Freiwilligkeit ausgeschlossen ist, wenn nicht über die Rechte des Betroffenen belehrt wurde. 350 So auch Kliemannel, Die Polizei 2021, 53 (56).
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einbaren, wenn der Bürger zwar weiß, dass aus der Verweigerung keine negativen Rückschlüsse gezogen werden dürfen, er aber nicht weiß, dass er verweigern darf. Dies erweist sich als Grundvoraussetzung dafür, dass der Bürger überhaupt eine auf freiem Wille basierende Erklärung abgeben kann. Weitergehend verlangt § 51 Abs. 4 S. 3 BDSG, dass auch ebenso auf den Verarbeitungszweck hinzuweisen ist. Damit eine Einwilligung als freiwillig gelten kann, reicht es also nicht aus, dass Bürger weiß, dass es nicht gezwungen werden kann. Vielmehr verlangt Freiwilligkeit ein hinreichendes Maß an Information darüber, in was genau eingewilligt wird. Er muss sich mithin der Folgen seiner Entscheidung bewusst sein. 3. Form Das BDSG gibt keine Form für Einwilligungserklärungen vor. Zwar stellt § 52 Abs. 2 BDSG erhöhte Anforderung an das Ersuchen um die Einwilligung, wenn eine schriftliche Einwilligungserklärung mehrere Sachverhalte betrifft. Dass eine schriftliche Erklärung zu Wirksamkeit der Einwilligung vonnöten ist, ergibt sich aus der Vorschrift nicht351. Daher ist eine Einwilligung im Strafverfahren grundsätzlich formfrei möglich. Allerdings bilden die Vorschriften über die DNA-Analyse hier eine Ausnahme: Maßnahmen nach § 81e StPO bedürfen gem. § 81f Abs. 1 S. 1 StPO der schriftlichen Einwilligung, wenn keine richterliche Anordnung vorliegt, dasselbe gilt für Maßnahmen nach § 81g Abs. 1 StPO gem. § 81g Abs. 3 StPO und für Maßnahmen nach § 81h Abs. 1 StPO. Insgesamt wird aber praktisch kaum Raum für mündliche Einwilligungen verbleiben. Denn gem. § 51 Abs. Abs.1 BDSG muss der Verantwortliche eine Einwilligung nachweisen können. Der praktisch sinnvollste Weg wird daher wohl sein, die Einwilligungserklärung schriftlich zu dokumentieren, wenngleich ein gesetzlicher Zwang dazu grundsätzlich nicht besteht. Für dieses Ergebnis sprechen auch die Gesetzesbegründungen. Ausweislich derer wurde bei der Novellierung des BDSG § 51 BDSG an § 4a BDSG a. F. angelehnt352. Zwar wurde auf das grundsätzliche Schriftformerfordernis des § 4a Abs. 1 S. 3 BDSG a. F. verzichtet; die grundsätzliche Orientierung indes sowie die praktischen Folgen der Nachweispflicht sprechen für einen so gearteten Willen des Gesetzgebers. 4. Zeitpunkt der Einwilligung Nicht in § 51 BDSG ist geregelt, wann die Einwilligung vorliegen muss. Indes bestimmt § 52 Abs. 3 S. 2 BDSG, der Widerruf einer Einwilligung berühre „die Rechtmäßigkeit der aufgrund der Einwilligung bis zum Widerruf erfolgten Verarbeitung nicht (…)“. Daraus folgt, dass die Datenverarbeitung nur ab dem Zeitpunkt 351
Vgl. Stemmer/Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, § 51 BDSG, Rn. 15. BT-Drucks. 18/11325, S. 112; vgl. dazu auch Frenzel, in: Paal/Pauly, DSGVO/BDSG, § 51 BDSG, Rn. 4. 352
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der Einwilligung wirksam ist, wenn keine andere Rechtsgrundlage vorhanden ist. Sie muss daher vor der Datenverarbeitung vorliegen353. 5. Die Erklärung § 46 Nr. 17 BDSG „definiert“ die Einwilligung als „(…) unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung (…)“. Gefordert wird demnach ein hinreichendes Maß an Bestimmtheit. Daraus lassen sich folgende Schlüsse gezogen werden: Erstens: Es sind sowohl ausdrückliche als auch konkludente Erklärungen möglich354. Letzteres ergibt sich daraus, dass neben der Erklärung eine Handlung den Einwilligungstatbestand ebenso erfüllt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang aber, dass das bloße Nichtstun – das Dulden einer Handlung – nicht als konkludente Einwilligung interpretiert werden darf355. Es fehlt in diesen Fällen bereits an einer Handlung, die begrifflich irgendeine Form willensgesteuerten Verhaltens voraussetzt. Für konkludente Einwilligungen wird in Praxis aber wenig Raum bleiben, da zwar § 51 BDSG kein Schriftformerfordernis statuiert, ein solches aber indiziert356, dem konkludente Einwilligungen nicht genüge tun können. Zweitens: Raum für mutmaßliche Einwilligungen besteht nicht. Diese wären weder Erklärung noch Handlung und wären ebenso wenig mit dem Bestimmtheitsgebot des § 46 Nr. 17 BDSG zu vereinbaren. 6. Einwilligungsfähigkeit a) Verfassungsrechtliche Wurzel Als Einwilligungsfähigkeit wird gemeinhin die Fähigkeit verstanden, der Beeinträchtigung eines Grundrechtsguts zuzustimmen. Während es bei der Disponibilität des Rechtsguts darum geht, ob der konkrete Gegenstand des Verzichts tauglich ist, geht es bei der Einwilligungsfähigkeit darum, ob der Betroffene unabhängig vom Gegenstand in der konkreten Situation zum Verzicht fähig ist.
353 So i. E. zur allgemeinen Verzichtserklärung Fischinger, JuS 2007, 808 (809); vgl. unter Anknüpfung an § 183 BGB auch Naumann, Die Polizei 2013, 333 (334). 354 Stemmer/Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, § 51 BDSG, Rn. 12; vgl. i. E. ebenso zur allgemeinen Grundrechtsverzichtserklärung Kliemannel, Die Polizei 2021, 53 (55); Stern, StaatsR III/2, § 86, II., 6., c). 355 Dazu Putzhammer, S. 84; vgl. für die Einwilligung in Durchsuchungen insoweit Bruns, in: KK-StPO, § 105, Rn. 1; für die Einwilligung i. R. d. § 81a StPO Goers, in: BeckOK-StPO, § 81a, Rn. 16; vgl. allgemein dazu schon die Abgrenzung von Grundrechtsverzicht (Einwilligung) und Nichtausübung eines Grundrechts (Duldung) in Kap. 3 § 3 I. 3. c) aa) (2). 356 S. oben Kap. 3 § 5 V. 3.
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Kap. 3: Datenschutzrechtliche Implikationen bei DNA-Analysen
Um zu verstehen, was unter Einwilligungsfähigkeit genau zu verstehen ist, muss man auf den Ursprung der Einwilligung rekurrieren. Es handelt sich bei ihr um einen Unterfall des Grundrechtsverzichts357. Der Verzicht auf ein speziellen Grundrechts ist Grundrechtsausübung358. Demnach handelt es bei der Einwilligungsfähigkeit um die Frage, wann jemand fähig ist, Grundrechte wahrzunehmen. Dies wird in der Grundrechtslehre als Grundrechtsmündigkeit bezeichnet359. Es geht dabei nicht um eine rechtliche Bestimmung wie etwa die Geschäftsfähigkeit im bürgerlichen Recht360, sondern um die faktische Fähigkeit, die Reichweite der Entscheidung im Hinblick auf das Grundrecht überblicken zu können361. Eine strikte Altersgrenze kann nicht festgelegt werden, vielmehr ist die Frage nach der Einsichtsfähigkeit gerade sub specie des einschlägigen Grundrechts und im Einzelfall zu beurteilen362. Dies gilt vor allem deshalb, weil man berücksichtigen muss, dass der Verzicht Grundrechtsausübung ist und deshalb seine Verwehrung ein Grundrechtseingriff ist, der durch eine starre Altersgrenze schwer zu rechtfertigen ist363. 357
S. oben Kap. 3 § 5 I. 2. c). S. oben Kap. 3 § 5 IV. 4. a) dd). 359 Bethge, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 90 Rn. 171; Englmann, S. 111; Kloepfer, S. 50; Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Vorb. Art. 1, Rn. 32 f.; v. Mutius, Jura 1987, 272; Robbers, DVBl. 1987, 709 (713); Sachs, in: Sachs, GG, Vorb. Abschnitt I, Rn. 75; Stern, in: Stern/Becker, Grundrechte, Einl., Rn. 120. 360 Englmann, S. 111; Kliemannel, Die Polizei 2021, 53 (55); Petri, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 101 (103 f.); Putzhammer, S. 82; W. Roth, S. 67 ff.; vgl. zu § 81a StPO Rogall, in: SK-StPO, § 81a, Rn. 19. In der Grundrechtslehre wird die Heranziehung der Wertungen der §§ 104 ff. BGB insbesondere bei solchen Grundrechten diskutiert, die einen vermögensrechtlichen Charakter haben, wie z. B. Art. 14 GG. Vgl. dazu Czybulka/Siegel, in: NK-VwGO, § 62, Rn. 39; v. Mutius, Jura 1987, 272 (274). Da es sich bei dem i. R. v. DNA-Analysen relevanten Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung um eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt, wird man hier erst recht nicht auf die bürgerlich-rechtliche Geschäftsfähigkeit, sondern auf die tatsächliche Einsichtsfähigkeit abstellen müssen; vgl. dazu Sachs, in: Sachs, GG, Vorb. Abschnitt I, Rn. 76. Allgemein, ohne dogmatisch an die verfassungsrechtliche Wurzel anzuknüpfen vgl. BGHSt 4, 88 (90); NStZ 2004, 204 (205); NStZ 2000, 87 (88); Amelung, ZStW 104 [1992], 525 (526 ff.). Vgl. i. E. ebenso zu § 81c StPO Eisenberg, Rn. 1626, Fn. 11; zu § 81a StPO Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81a, Rn. 3; zu § 81e StPO Volk, NStZ 1999, 165 (169). 361 Englmann, S. 111; Kliemannel, Die Polizei 2021, 53 (55); Stern, in: Stern/Becker, Grundrechte, Einl., Rn. 120; vgl. insoweit auch RGSt 77, 17 (20); Amelung, JR 1999, 45 (46); ders., ZStW 104 [1994], 525 (544 ff., 551), der die generelle Fähigkeit zur rationalen Entscheidung verlangt; Putzhammer, S. 82; vgl. zur Meinungsfreiheit Grabenwarter, in: Dürig/ Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2, Rn. 25; vgl. zu § 81a StPO Eisenberg, Rn. 1626; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81a, Rn. 3; Kaefer, Kriminalistik 2000, 210 (215); Rogall, in: SK-StPO, § 81a, Rn. 19 m. w. N.; zu § 81e StPO Volk, NStZ 1999, 165 (169). 362 Bethge, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 90, Rn. 171; Englmann, S. 111; Kloepfer, S. 51; Stern, in: Stern/Becker, Grundrechte, Einl, Rn. 120; vgl. auch Ipsen, Der Staat 52 [2013], 266 (277); v. Mutius, Jura 1987, 272 (274). 363 Vgl. Amelung, ZStW 104 [1992], 821 (25); Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Vorb. Art. 1, Rn. 33; v. Mutius, Jura 1987, 272 (273); Sachs, in: Sachs, GG, Vorb. Abschnitt I, Rn. 76. 358
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b) Berücksichtigung strafrechtlicher Besonderheiten Nun gilt es im Strafverfahrensrecht zu sehen, dass die Verurteilung eines Menschen, der jünger als 14 Jahre ist, mangels Strafmündigkeit nicht möglich ist (vgl. § 19 StGB). Ab diesem Alter wird dem Betroffenen grundsätzlich die erforderliche Einsichtsfähigkeit attestieren dürfen, die es ihm erlaubt, wirksam in eine Beeinträchtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in Form einer DNAAnalyse einzuwilligen, zumal sich die Analyse wie aufgezeigt stets auf einzelne Daten beziehen muss364. Kommt beim Jugendlichen ein Strafverfahren zu Stande, weil ihm die erforderliche Einsichtsfähigkeit i. S. d. § 3 S. 1 JGG attestiert wird, so kann man in diesen Fällen auch von Grundrechtsmündigkeit ausgehen365. Zwar geht es bei § 3 JGG um die Schuldfähigkeit, während die Grundrechtsmündigkeit die Frage betrifft, ob ein Grundrecht ausgeübt werden kann, indes wird es selten zu einem Auseinanderfallen von Einsichtsfähigkeit i. R. d. § 3 S. 1 JGG und der Einsichtsfähigkeit hinsichtlich des Datenschutzes kommen366. Es wäre sogar rechtsstaatlich bedenklich, den Minderjährigen einem grundrechtsbelastenden Strafverfahren auszusetzen, ihm gleichzeitig aber die Berufung auf Grundrechte zu verwehren367. c) Keine Vorgaben durch Unionsrecht Allerdings könnte das Unionsrecht diesbezügliche Vorgaben machen. Gemäß Erw.-Gr. 35 der JI-RL soll in Fällen, in denen die Behörde die Maßnahme zwangsweise durchsetzen kann, „die Einwilligung der betroffenen Person im Sinne der Verordnung (EU) 2016/679 keine rechtliche Grundlage fu¨ r die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zusta¨ ndigen Beho¨ rden darstellen“. Damit nimmt die JI-RL bzgl. der Einwilligung auf die DSGVO Bezug. Gleichwohl sollen ausweislich desselben Erw.-Gr. die Mitgliedstaaten die Einwilligungsmöglichkeit gesetzlich normieren dürfen. In diesem Abschnitt des Erw.-Gr. fehlt der Bezug auf die DSGVO. Daraus könnte man schließen, in diesen Fällen müsse sich die Einwilligung nicht an den Vorgaben der DSGVO messen lassen. Gemäß Art. 1 Abs. 3 der JI-RL dürfen die Mitgliedstaaten strengere Vorschriften zum Schutze personenbezogener Daten einführen. Da aber die DSGVO und die JI-Richtlinie ein einheitliches Datenschutzniveau im Raum der Europäischen Union schaffen wollen368, ist davon auszugehen, dass sich Einwilligungen generell an der DSGVO messen lassen müssen, wofür auch der Verweis im ersten Teil des Erw-Gr. 35 der JI-RL spricht. Art. 8 Abs. 1 DSGVO beschränkt sich in seinem Anwendungsbereich auf ein „Angebot von Diensten der Informationsgesellschaft, das einem Kind direkt ge364 365 366 367 368
Vgl. zu diesem Aspekt Englmann, S. 111 f. Englmann, S. 112; vgl. auch Roth, S. 72. Englmann, S. 112. Roth, S. 72. Vgl. dazu Stief, StV 2017, 470 (473).
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Kap. 3: Datenschutzrechtliche Implikationen bei DNA-Analysen
macht wird“. Bezüglich des Begriffs des Dienstes der Informationsgesellschaft verweist Art. 4 Nr. 25 DSGVO auf eine Dienstleistung i. S. d. Art. 1 Nr. 1 lit. b der RL (EU) 2015/1535369. Demnach ist ein Dienst der Informationsgesellschaft „jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung“. Art. 1 Nr. 1 lit. b UAbs. 2 der RL (EU) 2015/ 1535 definiert dabei die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen. Zusammenfassend liegt ein Dienst einer Informationsgesellschaft in Fällen des elektronischen Rechtsverkehrs vor. Die Einwilligung des Kindes soll ab einem Alter von 16 Jahren ausreichend sein, soweit nicht die Mitgliedstaaten gem. Art. 8 Abs. 1 DSGVO eine niedrige Altersgrenze bis zu 13 Jahre vereinbaren. Im Übrigen schweigen sich die Normen zur Einwilligungsfähigkeit im Generellen aus370. Die Situation eines Beschuldigten im Strafverfahren weicht von der typischen Gefahrenlage erheblich ab, die Art. 8 Abs. 1 i. V. m. Art. 4 Nr. 25 DSGVO i. V. m. Art. 1 Nr. 1 lit. b der RL (EU) 2015/1535 vor Augen haben. Das Charakteristikum der fehlenden gleichzeitigen physischen Anwesenheit scheitert im Strafprozess am Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 StPO, nach dem grundsätzlich persönlich in der Hauptverhandlung zu vernehmen ist. Schon alleine deshalb können diese Vorgaben nicht für das Strafverfahren übernommen werden. Auch ein Schluss, wenn schon im elektronischen Rechtsverkehr ein Mindestalter von 16 Jahren gelte, dann müsse dies erst recht im Strafverfahren gelten, ist nicht möglich. Denn die unterschiedlichen Lagen weichen nicht nur qualitativ voneinander ab; es sind schlicht verschiedene. Der elektronische Rechtsverkehr ist ein aliud, kein minus zum Strafverfahren. Die DSGVO regelt bewusst nur einen Teil der Frage nach der Einwilligungsfähigkeit im privatrechtlichen Bereich. Im Übrigen gilt im Privatrecht weiterhin das nationale Recht371. Wenn schon im Privatrecht nur zum Teil Vorgaben gegebenen sind, wäre es verfehlt, über den weiteren Umweg der JI-RL, die sich ja nur partiell mit der Einwilligung beschäftigt, hieraus Rückschlüsse für das Strafverfahren zu ziehen. d) Ergebnis Summa summarum bleibt es damit bei dem Ergebnis, dass eine starre Altersgrenze nicht festgelegt werden kann. Man wird aber im Regelfall bei der Bejahung des § 3 JGG ebenso die Einwilligungsfähigkeit bejahen können. Indes kommen auch Jüngere als 14-Jährige als Verfahrensbeteiligte – etwa als Zeugen oder Opfer (§ 81c StPO) – in Betracht. Hier kann kein Grundsatz aufgestellt 369 Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 09. 09. 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft, Abl. L 241/1 v. 17. 09. 2015. 370 Kampert, in: HK-DSGVO, Art. 8, Rn. 7. 371 Frenzel, in: Paal/Pauly, DSGVO/BDSG, Art. 8 DSGVO, Rn. 6; Karg, in: BeckOKDatenschutzR, Art. 8 DSGVO, Rn. 47.
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werden. Vielmehr kann in diesen Fällen nur aufgrund der tatsächlichen Reife entschieden werden. In diesen Fällen ist aber darauf hinzuweisen, dass bei der Beteiligung als Zeuge eine wesentlich geringere Gefährdungslage besteht als in der Situation des Beschuldigten. Im Regelfall werden gegen Zeugen keine Zwangsmaßnahmen angeordnet. Und auch wenn der Zeuge sich selbst belastet, so ist beim demjenigen, der jünger als 14 Jahre ist, eine Verurteilung nicht möglich.
VI. Widerruflichkeit der Einwilligung und Rechtsfolgen Unter einem Widerruf ist die Erklärung des Einwilligenden zu verstehen, dass er an die Legitimationswirkung der Einwilligung zukünftig nicht mehr gebunden sein möchte372. 1. Möglichkeit eines Widerrufs und Anforderungen an denselben Die Möglichkeit des Widerrufs ist in § 51 Abs. 3 S. 1 BDSG explizit vorgesehen. Auf die Möglichkeit ist gem. S. 3 vor der Einwilligung hinzuweisen. Der Widerruf kann demgemäß „jederzeit“ erfolgen. Das Wort „jederzeit“ hat dabei neben der zeitliche Komponente, die besagt, dass kein wie auch immer gearteter Zeitraum zwischen Einwilligung und Widerruf liegen muss373, auch eine weitere Dimension. Es signalisiert auch, dass der Widerruf keine spezifischen Wirksamkeitsvoraussetzungen hat und deshalb nicht von einem Widerrufsgrund abhängig ist374. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte bedarf die Erklärung des Widerrufes keiner Form, auch dann nicht, wenn die Einwilligungserklärung kraft Gesetzes einem Formzwang unterliegt375. 2. Rechtsfolgen des Widerrufs Gemäß § 51 Abs. 3 S. 2 BDSG hat der Widerruf keine Auswirkungen auf die vorherige Datenverarbeitung. Sie bleibt rechtmäßig376. Er hat mit anderen Worten nur ex-nunc-Wirkung377. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei der Zugang der Widerrufserklärung378. 372
Stemmer/Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, § 51 BDSG, Rn. 22. Stemmer/Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, § 51 BDSG, Rn. 21. 374 Stemmer/Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, § 51 BDSG, Rn. 21. 375 Stemmer/Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, § 51 BDSG, Rn. 22. 376 El-Ghazi, ZIS 2019, 110 (116); Stemmer/Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, § 51 BDSG, Rn. 23; vgl. zu § 81a StPO insoweit Eisenberg, Rn. 1626a; Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 18; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81a, Rn. 5; vor Einführung des § 51 BDSG bereits Putzhammer, S. 148. 377 El-Ghazi, ZIS 2019, 110 (116); Frenzel, in: Paal/Pauly, DSGVO/BDSG, § 51 BDSG, Rn. 6; Stemmer/Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, § 51 BDSG, Rn. 23a; vgl. zur Grund373
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Kap. 3: Datenschutzrechtliche Implikationen bei DNA-Analysen
§ 6 Zusammenfassung Das Recht der DNA-Analyse, wie es für die Zwecke des Strafverfahrens in den §§ 81e ff. StPO niedergelegt ist, unterliegt wegen seiner datenschutzrechtlichen Implikation zahlreichen Vorgaben durch das Völkerrecht, das Unionsrecht und das nationale Verfassungsrecht. Jedes dieser Rechtssysteme verbürgt Rechte des Einzelnen, in die durch eine DNA-Analyse eingegriffen wird, und zwar unabhängig davon, ob der Spurenleger bekannt ist oder nicht. Die Vorgaben des BDSG finden auch bei DNA-Analysen Anwendung. Dies hat besondere Auswirkung gerade auf die Einwilligungen, die i. R. d. § 81e ff. StPO bei jeder dort normierten Maßnahme möglich sind. Im Folgenden wird es darum gehen, konkret i. R. d. jeweiligen Ermächtigungsgrundlage zu untersuchen, ob und wie die §§ 81e ff. StPO die Vorgaben umsetzen. Dabei wird besonders auf die erfolgten Neuerungen einzugehen sein, die erweiterte Feststellungen ermöglichen.
rechtsverzichtserklärung Fischinger, JuS 2007, 808 (809); Malorny, JA1974, 131 (135); Stern, StaatsR III/2, § 86, II., 6., e); Pietzcker, Der Staat 17 [1978], 527 (530); vor Einführung des § 51 BDSG bereits Putzhammer, S. 86. 378 Stemmer/Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, § 51 BDSG, Rn. 23a.
Kapitel 4
DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren § 1 Die Gewinnung von Untersuchungsmaterial Die vorliegende Arbeit orientiert sich in ihrer Gliederung nach an dem chronologischen Ablauf einer DNA-Analyse in der Praxis. Bevor die DNA analysiert werden kann, bedarf es freilich zuerst eines Objektes, das DNA enthält. Für die Strafverfolgungsbehörden sind dabei zwei Möglichkeiten zur Materialgewinnung denkbar. Die eine ist die Entnahme von Material direkt am Menschen, die anderen das Vorfinden von Material, welches sich von seinem Träger losgelöst hat. Da in beiden Fällen verfassungsrechtliche Belange zu berücksichtigen sind1, ist es nur folgerichtig, dass beide Alternativen eine Regelung erfahren. Auf die Regelungen zur Materialgewinnung wird im Folgenden eingegangen.
I. Gewinnung von Körperzellen am oder im menschlichen Körper Gemäß § 81e Abs. 1 StPO kann die DNA-Analyse an nach § 81a Abs. 1 StPO oder an nach § 81c StPO erlangtem Material durchgeführt werden. In diesen Fällen wird das Material direkt am Menschen gewonnen. Dabei muss das Material DNAhaltige Körperzellen enthalten, was grundsätzlich auf alle menschlichen Zellen zutrifft2. Der in praxi gängigste Weg zur Gewinnung dieser Zellen ist ihre Entnahme durch einen Abstrich an der Wangeninnenseite3. Vor dem Hintergrund, dass typischerweise eine Situation vorliegt, in der am Tatort DNA gefunden wird und später die DNA eines Bekannten mit jener verglichen wird, sprach man bei dem Material, 1
S. dazu schon oben Kap. 3 § 3 I. 1. Vgl. dazu und zur Ausnahme der roten Blutkörperchen o. Kap. 2 § 1 II. Eine Analyse der mt-DNA kommt wegen der damit verbundenen Schwierigkeiten (o. Kap. 2 § 2 II.) nicht in Betracht, wenn Zellkern-DNA entnommen werden kann. 3 LG Bielefeld, DVP 2011, 175; Ademi, S. 271; Beck, S. 81 ff.; Bosch, Jura 2021, 41; Golembiewski, NJW 2001, 1036 (1037); Graalmann-Scheerer, Kriminalistik 2000, 328 (329); Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 20; Neuser, S. 79; Senge, NJW 1999, 253 (255), Sauter, S. 66; Volk, NStZ 1999, 165 (169); Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (26); Wüsteney, S. 184. Dies bestätigte auch eine Auskunft eines privaten DNA-Labors, das an dieser Stelle namentlich nicht genannt werden möchte. 2
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
das § 81e Abs. 1 StPO voraussetzt, von Vergleichsmaterial4. Diese Bezeichnung sollte indes nicht verwendet werden, spricht der Gesetzgeber in § 81e Abs. 1 StPO doch von Vergleichsmaterial in anderem Kontext. Demnach ist Vergleichsmaterial nicht das nach §§ 81a, 81c StPO gewonnene, sondern das, mit dem das gem. §§ 81a, 81c StPO erlangte Material abgeglichen wird. 1. Körperzellenentnahme gem. § 81a Abs. 1 StPO beim Beschuldigten a) Blutprobenentnahme Sollen die Körperzellen bei einem Beschuldigten entnommen werden, so richtet sich ihre Gewinnung nach § 81a StPO. Werden sie durch eine Blutprobenentnahme gewonnen, so ist dies gem. Abs. 1 S. 2 Alt. 1 möglich, wenn diese von einem Arzt de lege artis vorgenommen wird und keine Gefahr für die Gesundheit besteht. Die Anordnung steht im Regelfall dem Richter bzw. bei Gefahr im Verzug der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen zu, § 81 Abs. 2 S. 1 StPO. Auf diese Voraussetzungen kann der Beschuldigte aber verzichtet, wie der Zwischensatz „ohne Einwilligung des Beschuldigten“ in § 81a Abs. 1 S. 2 zeigt. b) Der Abstrich der Wangeninnenseite als anderer körperlicher Eingriff i. S. v. § 81a Abs. 1 S. 2 Alt. 2 StPO Fraglich ist, ob dasselbe dann gilt, wenn die Körperzellen nicht mittels Blutprobenentnahme, sondern mittels eines Abstrichs der Wangeninnenseite gewonnen werden. Literatur und Rechtsprechung begnügen sich dabei zumeist mit dem Hinweis, auch die Entnahme von Speichel sei ein körperlicher Eingriff5. Zum Wangenabstrich explizit finden sich auch Stimmen, die diesen als körperlichen Eingriff i. S. d. § 81a StPO begreifen wollen6. Vereinzelt wird dies bezweifelt7. 4 Vgl. LG Mainz, NStZ 2001, 499; Beck, S. 81; Benfer/Bialon, Rn. 975; Bosch, Jura 2021, 41; ders., in: KMR-StPO, § 81e, Rn. 1; Brauer, in: HK-StPO, § 81e, Rn. 3; Kotsoglou/Biedermann/Vuille, ZStW 134 [2020], 891 (904); Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 20; Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (492); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 9 f.; Warntjen, S. 180; a. A. Goers, in: BeckOK-StPO, § 81e, Rn. 8 f.; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81e, Rn. 4, die Material nach § 81e Abs. 2 StPO als Vergleichsmaterial bezeichnen. 5 Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 14. 04 2021 – III-4 Ws 36/21, Rn. 11; LG Regensburg, StraFo 2003, 127 (129); LG Offenburg, StV 1993, 153 (154); Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81a, Rn. 6; Bosch, in: KMR-StPO, § 81a, Rn. 7; ders., in: SSW-StPO, § 81a, Rn. 6; Brauer, in: HK-StPO, § 81a, Rn. 9; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81a, Rn. 11; Ritter, S. 70; Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (699); ders., in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 45; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81a, Rn. 15; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81a, Rn. 11; i. E. wohl auch Krause, in: LR-StPO II, § 81a, Rn. 60; a. A. aber Hombert, S. 95, der davon ausgeht, es handle sich dabei nicht um einen Eingriff, sondern nur um eine körperliche Untersuchung; Neuhaus, in: HK-GS, § 81a StPO, Rn. 5. 6 Altendorfer, S. 54 f.; Gössel, in: GS Meyer, 121 (131).
§ 1 Die Gewinnung von Untersuchungsmaterial
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Ob man den Wangenabstrich dem Begriff des körperlichen Eingriffs subsumieren möchte, hängt letztlich von der Auslegung dieses Begriffes ab8. aa) Auslegung nach dem Wortlaut Die Vertreter der Meinung, die den Wangenabstrich als körperlichen Eingriff begreifen möchte, führen an, ein körperlichen Eingriff i. S. d. § 81a StPO liege u. a. dann vor, wenn dem Körper Bestandteile entnommen werden würden9. Dies erfasse auch die Zellen an der Innenseite der Wange, da schließlich in die Körpersubstanz eingegriffen werde10. Weiterführend ist das nicht, denn damit wird der untaugliche Versuch unternommen, den unklaren Begriff des körperlichen Eingriffs durch den unklaren Begriff des Körperbestandteils zu konkretisieren. Es lässt sich darüber streiten, ob Speichel ein Körperbestandteil ist. Das Wort Körperbestandteil könnte ebenso gut verstanden werden als Erfordernis einer festen Verbindung mit dem Körper. Speichel fiele dann aus dem Anwendungsbereich. Der Wangenabstrich ist primär aber nicht darauf gerichtet, eine beachtliche Menge an Speichel zu entnehmen, sondern Körperzellen zu erhalten, wofür das Berühren der Innenseite mit einem Wattestäbchen genügt11, das allenfalls feucht wird durch den in der Mundhöhle befindlichen Speichel. Bedingt dadurch, dass der Mensch permanent DNA-haltiges Material absondert12, müsste man dann jeden unfreiwilligen Kontakt des Menschen mit den Strafverfolgungsbehörden als körperlichen Eingriff bewerten. Der Wortlaut der Norm gäbe dieses Ergebnis her; dass es gleichwohl nicht stimmen kann, liegt auf der Hand. Der Begriff des körperlichen Eingriffs lässt sich immens weit verstehen, er lässt sich aber auch sehr eng verstehen, wenn man eine feste Verbindung fordern würde. Eine Auslegung nach dem Wortlaut hilft daher nicht weiter.
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Beck, S. 79 ff.; 94 f.; Kaefer, Kriminalistik 2000, 210 (213). Altendorfer, S. 54. 9 Altendorfer, S. 54; Benfer/Bialon, Rn. 948; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81a, Rn. 6; Bosch, in: KMR-StPO, § 81a, Rn. 7; ders., in: SSW-StPO, § 81a, Rn. 6; ders., Jura 2014, 50; Brauer, in: HK-StPO, § 81a, Rn. 9; Gössel, in: GS Meyer, 121 (131); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81a, Rn. 6; Krause, in: LR-StPO II, § 81a, Rn. 27; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 298; Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 45; Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 81a, Rn. 15; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81a, Rn. 11. 10 Altendorfer, S. 54 f.; Sauter, S. 80; vgl. auch Solbach, MedR 1987, 80 (81). 11 Lee, S. 42; Hombert, S. 76; Neuser, S. 79; Precht, in: BT-Fraktion B’90/Grüne (Hrsg.), Genetischer Fingerabdruck, 29 (30); Sauter, S. 75, 85; Wirth/Schmeling, S. 345. Sauter, S. 87 f. begründet diese Praxis zu Recht mit dem aus dem nemo-tenetur-Prinzip wurzelnden Recht des Betroffenen, nicht aktiv durch Spucken an seiner Überführung mitwirken zu müssen. 12 S. oben Kap. 2 § 2 III. 8
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
bb) Systematische Auslegung Systematisch sind zwei Anknüpfungspunkte denkbar: erstens ein Vergleich des anderen körperlichen Eingriffs mit der Blutprobe und zweitens die Abgrenzung von körperlichen Eingriffen zu einfachen Untersuchungen nach § 81a Abs. 1 S. 1 StPO13. (1) Vergleich mit der Entnahme einer Blutprobe gem. § 81a Abs. 1 S. 2 Alt. 1 StPO Aus der expliziten Nennung der Blutprobenentnahme als körperlichen Eingriff folgt, dass die anderen körperlichen Eingriffe mit ihr vergleichbar sein müssen14. Die Blutprobenentnahme wird zumeist als nicht intensiver und ungefährlicher Eingriff klassifiziert15. Begründen lässt sich dies mit den geringen Schmerzen und der geringen Gefahr für die Gesundheit, die lediglich in der Möglichkeit von Blutergüssen und der Infektionsgefahr durch nicht sterile Nadeln besteht16. Demzufolge darf für die Bestimmung des anderen Eingriffs keine besonders hohe Schwelle angesetzt werden. Der Wangenabstrich ist sogar weniger schmerzhaft, da er nicht mit einem Stich in der Körper verbunden ist und zumindest nicht gefährlicher für die Gesundheit als eine Blutprobenentnahme, da die Gesundheitsgefahr sich auch hier auf Fälle der Infektion durch nicht steriles Werkzeug beschränkt17. Man wird ihn daher bezogen 13 Bosch, in: KMR-StPO, § 81a, Rn. 7; Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 34; Sauter, S. 67 f., 72; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81a, Rn. 11. 14 Vgl. bereits Kuhlmann, NJW 1976, 350. 15 BVerfG, StraFo 2011, 145 (146); NJW 1996, 771 (772); OLG Naumburg, StraFo 2017, 22 (23); OLG Köln, NStZ 1986, 234 (235); OLG Hamm, MDR 1975, 1040 (1041); Beck, S. 80; Bosch, in: KMR-StPO, § 81a, Rn. 8; ders., in: SSW-StPO, § 81a, Rn. 7; Brauer, in: HK-StPO, § 81a, Rn. 11; Eisenberg, Rn. 1636; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81a, Rn. 10; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81a, Rn. 5a; Hombert, S. 43, 98; Krause, in: LR-StPO II, § 81a, Rn. 40; Kuhlmann, NJW 1976, 350; Neuser, S. 79 f.; S. 80, Fn. 415; Rademacher, S. 49; Rogall, in: SK-StPO, § 81a, Rn. 41; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81a, Rn. 13; Sternberg-Lieben, NJW 1987, 1242 (1243); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81a, Rn. 10; Wildhagen, S. 56; Wüsteney, S. 181; krit. dagegen Donner/Simon, DÖV 1990, 907 (912); Rittner, BA 1981, 161 (162), vgl. dort auch Tab. 7 auf. S. 169; anders noch BT-Drucks. 1/3713, S. 48; OLG Oldenburg, NJW 1955, 683; Costa, MDR 1953, 577 (579); Dallinger, JZ 1953, 432 (437); Kern, Kriminalistik 1950, 252 (254); dagegen allerdings bereits 1952 schon Etterich, S. 87. 16 OLG Hamm, MDR 1975, 1040 (1041); Beck, S. 80; Bschor, Kriminalistik 1950, 254 (255); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81a, Rn. 5a; vgl. Schöneborn, MDR 1971, 713 (714); vgl. für eine ausführliche Auflistung möglicher Folgen der Blutentnahme Tab. 7 bei Rittner, BA 1981, 161 (169). 17 Vgl. LG Regensburg, StraFo 2003, 127 (129); LG Frankenthal, NStZ-RR 2000, 146; Beck, S. 81; vgl. auch Hombert, S. 44, 73 f.; Neuser, S. 79 f.; West, S. 60; Wüsteney, S. 184; krit. dazu Sauter, S. 75 ff., der dabei auf die mögliche Zwangsanwendung abstellt. Indes birgt jede noch so harmlose Untersuchung Gesundheitsgefahren in sich, wenn man die Möglichkeit der Zwangsanwendung berücksichtigt. Man denke etwa an das zwangsweise Fixieren eines Betroffenen zum Zweck der Betrachtung. Dennoch kann man eine bloße Betrachtung nicht ernsthaft als gesundheitsgefährdend qualifizieren. Die mögliche Anwendung von Zwang muss deshalb bei der Bestimmung der Gefährlichkeit einer Maßnahme unberücksichtigt bleiben.
§ 1 Die Gewinnung von Untersuchungsmaterial
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auf die Intensität der Maßnahme unterhalb der Blutprobe ansiedeln müssen. Der Vergleich mit der Blutprobenentnahme führt daher in Bezug auf den Wangenabstrich nicht weiter. Denn nur bei eingriffsintensiveren Maßnahmen ist der Schluss möglich, wenn schon die Entnahme einer Blutprobe dem im Vergleich zu § 81a Abs. 1 StPO strengeren Regime des Abs. 2 unterworfen ist, müsse dies erst recht für die andere Maßnahme gelten. Eine umgekehrte Aussage lässt sich nicht treffen. (2) Vergleich mit der einfachen Untersuchung gem. § 81a Abs. 1 StPO Daher ist ein Vergleich mit einer einfachen Untersuchung nach § 81a Abs. 1 StPO angezeigt. Diese dient dazu, ohne Eingriffe die körperliche Beschaffenheit sinnlich wahrzunehmen18. Es geht mit anderen Worten darum, den Körper des Menschen in Augenschein zu nehmen, also mit allen fünf Sinnen wahrzunehmen. Ein Bespiel ist die Betrachtung der Körperoberfläche19. Vom körperlichen Eingriff unterscheidet sie sich durch das Fehlen einer Verletzung wie dem Entnehmen von Körperbestandteilen oder dem Hinzufügen von Stoffen in den Körper20. Der Wangenabstrich geht über die bloße Betrachtung des Körpers hinaus, denn es geht bei ihm eben nicht nur die bloße Betrachtung etwa auf krankheitsbedingte Verfärbungen, sondern um die Gewinnung von Material. Man kann den Wangenabstrich daher nicht dem Begriff der einfachen körperlichen Untersuchung subsumieren21. (3) Gesamtbetrachtung Der Wangenabstrich liegt zusammenfassend in Anbetracht seiner Intensität zwischen Blutprobenentnahme und einfacher körperlicher Untersuchung. Wenn aber bereits die mildere Maßnahme der einfachen Untersuchung von § 81a StPO erfasst ist, und die intensivere Maßnahme der Blutprobenennahme es auch ist, so spricht eine Gesamtbetrachtung der Norm dafür, dass diese vollumfänglich den Gewinn von Körperzellen gesetzlich regeln soll. Sind sowohl mildere als auch intensivere Vielmehr muss dann die Zwangsanwendung selbst an den jeweils einschlägigen Grundrechten und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip gemessen werden; ähnlich aber auch Kaefer, Kriminalistik 2000, 210 (213). 18 BGHSt 5, 332 (336); Altendorfer, S. 53 f.; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81a, Rn. 5; Bosch, in: KMR-StPO, § 81a, Rn. 2; ders., in: SSW-StPO, § 81a, Rn. 2; Brauer, in: HK-StPO, § 81a, Rn. 6; Eisenberg, Rn. 1629; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81a, Rn. 7; Krause, in: LR-StPO II, § 81a, Rn. 18; Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 24; Schmidt, NJW 1962, 664; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81a, Rn. 9; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81a, Rn. 7. 19 So explizit Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81a, Rn. 5; Schmidt, NJW 1962, 664. 20 Hombert, S. 73; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81a, Rn. 8; Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 81a, Rn. 15; Solbach, MedR 1987, 80 (81). 21 A. A. aber Kaefer, Kriminalistik 2000, 210 (214 f.); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81a, Rn. 7, der die dem Wangenabstrich ähnelnde Speichelprobe dem Begriff der einfachen körperlichen Untersuchung subsumieren will, andererseits in Rn. 11 in derselben Konstellation von einem körperlichen Eingriff spricht.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
Maßnahmen von § 81a StPO geregelt, überzeugt es, dass der in der Mitte angesiedelte Wangenabstrich ebenso erfasst sein soll. Demnach spricht eine systematische Auslegung dafür, den Wangenabstrich noch als körperlichen Eingriff i. S. v. § 81a Abs. 1 S. 2 StPO zu begreifen. cc) Teleologische Auslegung Angezeigt ist ferner eine teleologische Auslegung der Norm, die den spezifischen Eingriffsvoraussetzungen des § 81a Abs. 1 S. 2 StPO Rechnung trägt. Körperliche Eingriffe sind demnach zulässig, wenn sie von einem Arzt de lege artis durchgeführt werden22 und keine Nachteile für die Gesundheit befürchten lassen. Gemeinsam ist diesen Voraussetzungen, dass sie bezwecken, den Betroffenen vor Gefahren für seine Gesundheit zu schützen23. Der Wangenabstrich birgt zwar geringe Gefahren für die Gesundheit etwa durch den Einsatz nicht sterilen Werkzeugs. Indes geht das Gesetz davon aus, dass die Durchführung durch einen Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst diese Gefahr einzudämmen vermag. Dies ist beim Wangenabstrich nicht der Fall. Denn zum einen ist für seine Durchführung medizinische Fachkenntnis nicht vonnöten, da lediglich ein Wattestäbchen in den Mund eingeführt, die Wange kurze Zeit berührt und das Stäbchen wieder herausgeführt werden muss24. Das können ebenso gut andere medizinisch geschulte Personen wie ein Krankenpfleger oder gar 22 Zu Recht interpretiert die ganz h. M. heute den Gesetzespassus „die von einem Arzt (…) vorgenommen werden“ als Arztvorbehalt und nicht als Definition. Vgl. statt vieler Krause, LRStPO II, § 81a, Rn. 35; Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 53; Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 81a, Rn. 19. Würde man die Norm so lesen, dass der Passus definierend ist – ein Eingriff nur vorliegt, wenn ein Arzt (typischerweise) ihn vornimmt – würde der Wangenabstrich zwar nicht dem Begriff unterfallen. Dagegen ein solches Verständnis spricht aber v. a. der Wille des Gesetzgebers, vgl. BT-Drucks. 1/3713, S. 48 f., der einen Arztvorbehalt einführen wollte, nachdem die vorherigen Fassungen dies nicht vorsahen. Vgl. dazu Schöneborn, MDR 1971, 713 (714, Fn. 10). 23 Vgl. BGHSt 24, 125 (128); OLG Oldenburg, NJW 1955, 683; Beukelmann, in: Radtke/ Hohmann, StPO, § 81a, Rn. 7; Bosch, in: KMR-StPO, § 81a, Rn. 38; ders., in: SSW-StPO, § 81a, Rn. 26; ders., Jura 2014, 50 (56); Dähn, JA 1981, 7 (9); Dallinger, JZ 1953, 432 (437); Kreuz, S. 189, 191; Rackow, S. 37; Röger, S. 111; Rogall, in: SK-StPO I, § 81a StPO, Rn. 17, 52; Sauter, S. 86; Schlichting, BA 1965/1966, 591 (592); i. E. bereits schon BT-Drucks. 1/3713, S. 48; Costa, MDR 1953, 577 (579). Teilweise wird neben der Gesundheitssicherung ein zweiter Aspekt des Arztvorbehalts gesehen, der darin liegen soll, die Qualität der Informationserhebung zu sichern, vgl. Bosch, in: KMR-StPO, § 81a, Rn. 38; ders., Jura 2014, 50 (56 f.); Bschor, Kriminalistik 1950, 254 (255); Rogall, in: SK-StPO I, § 81a StPO, Rn. 52; Schmidt, MDR 1970, 461 (463); explizit dagegen BGHSt 24, 125 (128); Dähn, JA 1981, 7 (9); Jessnitzer, MDR 1970, 797 (798); Kleinknecht, NJW 1964, 2181 (2185 f.); Kreuz, S. 190; Rackow, S. 37; Röger, S. 112; Sauter, S. 86; Schöneborn, MDR 1971, 713 (714 f.); ders., GA 1975, 33 (41). Soweit man diese Auffassung teilt, darf der Aspekt der Qualitätssicherung beim Wangenabstrich aber vernachlässigt werden, da die medizinische Fachkunde eines Arztes nicht zur Qualitätssicherung beim Wangenabstrich beitragen kann. Die Gefahr einer unzureichenden Qualität besteht nur aufgrund von nicht sterilem Werkzeug, auf das die ärztliche Fachkunde keinen Einfluss hat. 24 Beck, S. 94 f.; Krause, in: LR-StPO II, § 81a, Rn. 60.
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nicht medizinisch geschulte Personen wie Polizisten sein25. Die Gesundheitsgefahren, die bestehen, können durch die Durchführung durch einen Arzt nicht ausgeschlossen werden. Auf die Sterilität des Werkzeugs hat er so wenig Einfluss wie der Krankenpfleger, der Polizist oder ein anderer. Die Gesundheitsgefahren beim Wangenabstrich halten sich ferner in solchen Grenzen, dass nicht ernsthaft die These aufgestellt werden könnte, der Wangenabstrich sei wegen zu befürchtende Gesundheitsnachteile unzulässig. Da die Schutzvorkehrungen des § 81a Abs. 1 S. 2 StPO auf die Konstellation des Wangenabstrichs nicht passen, spricht eine teleologische Auslegung eher dagegen, den Wangenabstrich als von § 81a StPO erfasst anzusehen26. dd) Verfassungskonforme Auslegung sub specie Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG Den Wangenabstrich von § 81a StPO als erfasst anzusehen, könnte indes dann geboten sein, wenn der Wangenabstrich einen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG darstellen würde. In dieses Recht darf gem. Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden. Sollte der Wangenabstrich einen Eingriff in dieses Recht darstellen, so spräche viel dafür, § 81a StPO dahingehend auszulegen, dass der Wangenabstrich von seinem Anwendungsbereich erfasst wäre27. Ansonsten würde es nämlich an einer Ermächtigungsgrundlage fehlen, was dazu führen könnte, dass deshalb auf das intensivere Mittel der Blutprobenentnahme zurückgegriffen werden müsste. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit schützt einerseits die Gesundheit im biologisch-physischen Sinne, d. h. die Integrität des Körpers als solchen, anderseits aber auch im seelischen Sinne; letzteres dann, wenn die Auswirkungen eines Eingriffs mit denen eines solchen in die Gesundheit im biologisch-physischen Sinne vergleichbar sind28. Auch wenn der Begriff der körperlichen Unversehrtheit ein sehr weiter ist29, ist er doch nicht allumfassend30. Nicht von ihm umfasst wird das bloße
25 Dafür ohne Begründung Kaefer, Kriminalistik 2000, 210 (213); Krause, in: LR-StPO II, § 81a, Rn. 60. 26 Dafür explizit Hombert, S. 75. 27 Dafür explizit LG Frankenthal, NStZ-RR 2000, 146. 28 BVerfGE 56, 54 (73 ff.); 156, 63 (127, Rn. 220); Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Rn. 55; Donner/Simon, DÖV 1990, 907 (912); Horn, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 2 GG, Rn. 60; Hombert, S. 42; Hother, S. 43; Klumpe, S. 162; Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2, Rn. 62 f.; Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 148 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 2, Rn. 35. 29 Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Rn. 55; Oberlies, StV 1990, 469 (473). 30 Vgl. BVerwG, NJW 1972, 1726 (1728); Correll, in: AK-GG, Art. 2 Abs. 2, Rn. 108; Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Rn. 56; Horn, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 2 GG, Rn. 60; Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 149.
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Wohlbefinden ohne Auswirkung auf den Körper in Form von Schmerz31. Auch Eingriffe in den Körper können von so geringem Gewicht sein, dass sie grundrechtlich irrelevant sind, was insbesondere dann der Fall ist, wenn mit ihnen keine Gesundheitsgefahren oder Schmerzen verbunden sind32. Dagegen wird teilweise vorgebracht, in derartigen Fällen den Schutzbereich gar nicht erst als eröffnet anzusehen, führe zu Rechtsunsicherheit33. Der Staat könne in dann grundrechtfreien Räumen gezielt unterhalb der Schwelle Maßnahmen ergreifen, die Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG berührt, um den Grundrechtsschutz zu umgehen34. Stattdessen solle man die Intensität der Maßnahme auf Rechtfertigungsebene berücksichtigen35. Dagegen spricht bereits der Wortlaut des Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG36. Das Wort „Unversehrtheit“ verlangt begrifflich eine gewisse Intensität. Nicht jede Einwirkung auf den Körper ist so beschaffen, dass man die Unversehrtheit tangiert sehen kann. Ein grundrechtsfreier Raum ist deshalb nicht zu befürchten, weil zumindest die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG – oder in extremeren Fällen das allgemeine Willkürverbot, das staatliches Handeln aufgrund sachfremder Erwägungen verbietet37 – betroffen ist. Eine Rechtsunsicherheit droht daher mangels grundrechtsfreien Räumen nicht; eine gerichtliche Kontrolle bleibt möglich. Daher spricht nichts dagegen eine Einschränkung des Schutzbereichs des Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG, die das bloße Wohlbefinden vom Schutzbereich ausnimmt. Die Durchführung des Wangenabstrichs ist in keiner Weise gesundheitsgefährdend und verläuft schmerzfrei38. Eine spätere Infektion würde freilich einen Eingriff darstellen; die Gefahr einer solchen ist aber derart gering, dass das Risiko es nicht rechtfertigt, von einem Eingriff bereits beim Abstrich auszugehen. Die in Art. 2
31 BVerfGE 56, 54 (75); BVerwG, NJW 1972, 1726 (1728); Di Fabio, in: Dürig/Herzog/ Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Rn. 56; Horn, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 2 GG, Rn. 60; Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2, Rn. 62a; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 2, Rn. 37. 32 BVerwG, NJW 1972, 1726 (1728). 33 Neuser, S. 81; vgl. auch Wüsteney, S. 183. 34 Neuser, S. 81. 35 Correll, in: AK-GG, Art. 2 Abs. 2, Rn. 109; Neuser, S. 81; Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 163; Wüsteney, S. 183. 36 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 2, Rn. 35; vgl. zum Wortlautargument auch Beck, S. 81; Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 149, i. E. auch Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (26 f.). 37 Vgl. dazu BVerfGE 4, 1 (7); 18, 85 (96); BVerfG, NJW 1996, 3071 (3072); VerfGH Berlin, NJW 2006, 1416 (1418); Kischel, in: BeckOK-GG, Art. 3, Rn. 83; Moldenhauer, in: MüKo-StPO II, § 269, Rn. 8. 38 Vgl. LG Frankenthal, NStZ-RR 2000, 146; Beck, S. 81; Kaefer, Kriminalistik 2000, 210 (213); Neuser, S. 80; Wüsteney, S. 184.
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Abs. 2 GG wurzelnde Schutzpflicht des Staates39 gebietet es ohnehin, dass der Staat das Infektionsrisiko so klein wie möglich halten muss. Es fehlt jedes Bedürfnis, darüberhinausgehend den Wangenabstrich als Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG zu begreifen und so dessen Schutzbereich so weit auszudehnen, dass jeder körperliche Kontakt bereits erfasst wäre. Der Wangenabstrich stellt demzufolge keinen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG dar. ee) Gesamtwürdigung (1) Ergebnis der Auslegung und verfassungsrechtliche Problematik sub specie der allgemeinen Handlungsfreiheit und des Verhältnismäßigkeitsprinzips Eine Gesamtbetrachtung der unterschiedlichen Auslegungsmethoden führt zu dem Ergebnis, dass eine systematische Auslegung es hergibt, den Wangenabstrich als körperlichen Eingriff gem. § 81a Abs. 1 S. 2 StPO anzusehen, während telelogische Argumente dagegen sprechen und die Verfassung es sub specie Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG nicht gebietet. Aufgrund des Gewichts der teleologischen Argumente müssten sie grundsätzlich als durchschlagend angesehen werden. Der Wangenabstrich dürfte nicht als Eingriff i. S. d. § 81a StPO gelten. Dass dieses Ergebnis nicht sachgerecht ist und sogar auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt, soll folgende Gesamtbetrachtung aufzeigen: Ginge man davon aus, der Wangenabstrich ließe sich nicht auf § 81a StPO stützen, läge die Situation nämlich so, dass intensiver bzw. überhaupt erst in das Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG eingreifende Maßnahmen wie die Blutprobe – losgelöst von der DNA-Analyse auch gefährliche Maßnahmen wie die Liquorentnahme40 – zulässig wären, der vergleichsweise harmlose Wangenabstrich aber nicht. Sub specie des Verhältnismäßigkeitsprinzips, das es gebietet, von mehreren gleich
39 Dazu BVerfGE 39, 1 (41); 46, 160 (164); 49, 89 (142); 53, 30 (57); 56, 54 (73); Correll, in: AK-GG, Art. 2 Abs. 2, Rn. 137 ff.; Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Rn. 81; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 2, Rn. 20; Horn, in: Stern/ Becker, Grundrechte, Art. 2 GG, Rn. 84; Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2, Rn. 74; Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 188 ff. 40 Darunter ist die Entnahme von Hirn- und Rückenmarkflüssigkeit durch Einstich einer Hohlnadel in das Genick zu verstehen. Dazu und zu ihrer Zulässigkeit bei dringendem Tatverdacht und zur Aufklärung schwerster Straftaten etwa BVerfGE 16, 194 (198 ff.); BayObLGSt 1, 472 (472 f.); OLG Hamm, NJW 1971, 1903 (1904); OLG Nürnberg, BayJMBl. 1960, 36; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81a, Rn. 6; Krause, in: LR-StPO II, § 81a, Rn. 49; Kuhlmann, NJW 1976, 350 (351); Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 46; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81a, Rn. 15; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81a, Rn. 11, 15; krit. Bresser, NJW 1961, 250 (253); a. A. aber Malek/Wohlers, Rn. 270.
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geeigneten Mitteln das mildere zu wählen, erscheint dies bedenklich41. Denn neben einer Blutprobe kann der Wangenabstrich, der weniger intensiv – nämlich überhaupt nicht – in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit eingrifft42, das Ziel der Materialgewinnung für eine spätere DNA-Analyse ebenso gut erreichen. Er ist milder als und gleich geeignet wie die Blutprobe. Ihm ist daher von Verfassungs wegen der Vorrang vor der Blutentnahme zu gewähren43. Weiterhin gilt es zu sehen, dass, obschon das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit nicht einschlägig ist, zumindest die allgemeine Handlungsfreiheit betroffen ist, die ebenso unter Gesetzesvorbehalt steht. Da diese jedes menschliche Verhalten ungeachtet seines Sinngehaltes schützt44, bedarf es für die zwangsweise Entfernung von Körperzellen freilich auch einer Rechtfertigung in Form einer Ermächtigungsgrundlage45. (2) Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips durch Stützung des Wangenabstrichs auf andere Ermächtigungsgrundlagen (a) Einwilligung Dem Gebot der Verhältnismäßigkeit wäre freilich dann Genüge getan, falls es möglich wäre, denn Wangenabstrich nicht auf § 81a StPO, sondern auf eine andere Ermächtigungsgrundlage zu stützen. Prädestiniert hierfür wäre die Einwilligung des Betroffenen. Sie muss aber aufgrund der Vorgaben des Unionsrechts bzw. des § 51 BDSG46 durch Rechtsvorschrift zugelassen sein. Sollte § 81a StPO den Wangenabstrich grundsätzlich erfassen, ist dessen Einwilligungsmöglichkeit nicht anwendbar. Die Einwilligungsmöglichkeit des § 81a StPO bezieht sich nämlich nur auf körperliche Eingriffe. Ist der Wangenabstrich kein solcher, scheidet eine Einwilligung in seine Durchführung aus, da er sodann nicht durch Rechtsvorschrift zugelassen ist.
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Vgl. ohne verfassungsrechtliche Begründung, aber i. E. ebenso Sauter, S. 168; a. A. wohl nur Hasselbach, S. 126, die im Wangenabstrich kein Minus, sondern ein Aliud im Vergleich zur Blutprobe sehen will. Was den Abstrich zum Zweck der DNA-Analyse von der Blutprobe so signifikant unterscheidet, dass man von einem Aliud ausgehen müsste, findet keine Erklärung. Richtig dagegen Graalmann-Scheerer, Kriminalistik 2000, 328 (329) und Vath, S. 30 f., die aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ableiten, es müsse die am wenigsten eingriffsintensive Methode zur Körperzellentnahme gewählt werden. 42 Deshalb gehen der VerfGH Berlin, NJW 2006, 1416 (1418); Busch, NJW 2001, 1335 (1336) und Kretschmer, HRRS 2012, 183 (187) zu Recht davon aus, dass es sich beim Wangenabstrich um eine Minusmaßnahme im Vergleich zur Blutprobe handelt. 43 So i. E. bereits Vath, S. 31. 44 Vgl. BVerfGE 6, 32 (36); 49, 15 (23); 113, 29 (45); Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 12; Horn, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 2 GG, Rn. 20; Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 52. 45 Vgl. U. Wagner, S. 65. 46 Dazu schon oben Kap. 3 § 5 IV. 5.
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(b) Beschlagnahme oder Sicherstellung gem. § 94 StPO Ein anderer Weg wäre den Wangenabstrich auf § 94 StPO zu stützen. Man könnte die Zellen entweder beschlagnahmen oder sie könnten vom Betroffenen herausgegeben werden. Allerdings bezieht sich § 94 StPO explizit nur auf Gegenstände. Gegenstände i. S. d. Vorschrift sind zumindest auch bewegliche und unbewegliche körperliche Gegenstände47. Abgetrennte Körperbestandteile sind solche48. Beim Wangenabstrich geht es aber um einen abzutrennenden Bestandteil des Körpers. § 81a StPO ist, soweit es um Beschuldigte geht, insofern abschließend49. Dafür sprechen zum einen die unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Wurzeln der Normen. § 81a StPO soll vorwiegend Eingriffe in Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG rechtfertigen50, während § 94 StPO primär auf die Rechtfertigung von Eingriffen in das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG zielt51. Weder zivilrechtlich52 noch ver-
47 BVerfGE 113, 29 (50); 134, 43 (60 f.); BGH, NStZ 1997, 247 (248); Eisenberg, Rn. 2324a f.; Eschelbach, in: SSW-StPO, § 94, Rn. 6 f.; Gercke, in: HK-StPO, § 94, Rn. 8; Gerhold, in: BeckOK-StPO, § 94, Rn. 3; Greven, in: KK-StPO, § 94, Rn. 3; Hauschild, in: MüKo-StPO I, § 94, Rn. 12; Joecks, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 94, Rn. 6; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 94, Rn. 4; Menges, in: LR-StPO III/1, § 94, Rn. 11 f.; Möhrenschlager, wistra 1991, 321 (329); Müller, in: KMR-StPO, § 94, Rn. 2; Wohlers/Greco, in: SK-StPO II, § 94, Rn. 20. Bei unkörperlichen Gegenständen herrscht Streit ob deren Einbeziehung, vgl. dafür BVerfGE 113, 29 (50); 124, 43 (52 f., 60 f.); Gerhold a. a. O.; Hauschild, in: MüKo-StPO I, § 94, Rn. 13; Joecks a. a. O.; Menges, in: LR-StPO III/1, § 94, Rn. 11, 14; dagegen Eschelbach, in: SSW-StPO, § 94, Rn. 8; Gercke, in: HK-StPO, § 94, Rn. 17; Greven; Möhrenschlager; Müller; Wohlers/Greco jeweils a. a. O. 48 Eisenberg, Rn. 2324b; Eschelbach, in: SSW-StPO, § 94, Rn. 7; Gercke, in: HK-StPO, § 94, Rn. 13; Gerhold, in: BeckOK-StPO, § 94, Rn. 4; Greven, in: KK-StPO, § 94, Rn. 5; Hauschild, in: MüKo-StPO I, § 94, Rn. 12; Joecks, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 94, Rn. 6; Klumpe, S. 165; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 94, Rn. 4; Menges, in: LR-StPO III/1, § 94, Rn. 15; Wohlers, NStZ 1990, 245 (246); ders./Greco, in: SK-StPO II, § 94, Rn. 20; vgl. auch Müller, in: KMR-StPO, § 94, Rn. 2. Zur Beschlagnahme einer Blutprobe OLG Celle, NStZ 1989, 385 (385 f.); krit. dazu Hauf, NStZ 1993, 457 (461). 49 Vgl. Gercke, in: HK-StPO, § 94, Rn. 13; Greven, in: KK-StPO, § 94, Rn. 5; Hauschild, in: MüKo-StPO I, § 94, Rn. 12; Menges, in: LR-StPO III/1, § 94, Rn. 15; Sauter, S. 72. 50 BGHSt 8, 144 (147); Bosch, in: KMR-StPO, § 81a, Rn. 1; ders., in: SSW-StPO, § 81a, Rn. 15; Rademacher, StV 1989, 546 (549; dies., S. 63; Ritter, S. 95; Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 1; Schlichting, BA 1965/1966, 591 (593); Schmidt, NJW 1962, 664; Solbach, MedR 1987, 80 (81); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81a, Rn. 1. 51 Baumann, S. 20 f.; Eschelbach, in: SSW-StPO, § 94, Rn. 1; Gercke, in: HK-StPO, § 94, Rn. 4; Hauschild, in: MüKo-StPO I, § 94, Rn. 2; Joecks, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 94, Rn. 1; Menges, in: LR-StPO III/1, § 94, Rn. 1; Wohlers/Greco, in: SK-StPO II, § 94, Rn. 2. 52 Zivilrechtlich kann Eigentum nur an Sachen i. S. v. § 90 BGB begründet werden; vgl. Mansel, in: Jauernig, BGB, § 90, Rn. 2. Es zählen aber auch hier nur abgetrennte, nicht abzutrennende Körperteile zum zivilrechtlichen Sachbegriff; vgl. Deutsch/Spickhoff, Rn. 1222; Fritzsche, in: BeckOK-BGB, § 90, Rn. 33; Mansel, in: Jauernig, BGB, Vorb. § 90, Rn. 9; Spranger, NJW 2005, 1084 (1085); Stresemann, in: MüKo-BGB I, § 90 BGB, Rn. 26; Taupitz, NJW 1995, 745.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
fassungsrechtlich53 besteht aber Eigentum an mit dem Körper verbundenen Zellen. Der Persönlichkeitsbezug spricht dagegen. Zum anderen existiert mit § 81a StPO eine Befugnisnorm zur Entnahme von Körperbestandteilen. Ihr gebührt als speziellere Norm der Vorrang vor dem generellen § 94 StPO. Der Grundsatz lex specialis derogat legi generali spricht dagegen, den Wangenabstrich auf § 94 StPO zu stützen. § 94 StPO ist als alternative Ermächtigungsgrundlage ungeeignet. (c) Generalklausel gem. §§ 161 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 163 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 StPO Gemäß der §§ 161 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 163 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 StPO dürfen die Strafverfolgungsbehörden Ermittlungen jeder Art vornehmen, „soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln“. Man spricht insofern von der strafprozessualen Generalklausel54. Sie rechtfertigt insbesondere Grundrechtseingriffe mit geringer Intensität, für die es deshalb an einer speziellen Ermächtigungsgrundlage fehlt, insbesondere auch deshalb, weil es aufgrund des weiten Anwendungsbereichs des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung unmöglich erscheint, jeden Fall der Datenerhebung speziell zu regeln55. Als Befugnisnorm muss die Generalklausel erst recht dann in Betracht kommen, wenn es sich bei der angestrebten Maßnahme um gar keinen Grundrechtseingriff handelt und es deshalb an einer speziellen Ermächtigungsgrundlage fehlt. So liegt die Situation beim Wangenabstrich. Problematisch könnte aber sein, dass die Generalklausel nur herangezogen werden kann, soweit die Befugnis nicht an anderer Stelle geregelt ist. Man könnte einwenden, § 81a StPO tue für die Zellengewinnung genau das. Dabei wird indes kein strenger Maßstab angelegt. Eine kurze Observation z. B. soll gem. §§ 161, 163 StPO möglich sein, obschon § 163f StPO eine Ermächtigungsgrundlage für Ob-
53 Da es sich bei Art. 14 GG um ein normgeprägtes Grundrecht handelt, wird verlangt, verfassungsrechtliches Eigentum müsse eine Rechtsposition sein, die mit dem zivilrechtlichen Eigentum i. S. v. § 903 BGB vergleichbar sei, vgl. Becker, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 14 GG, Rn. 50. Dies ist bei Körperteilen nicht der Fall, da eine Verfügung im Sinne einer Übertragung oder Belastung des Eigentums am Körper nicht nur rechtlich, sondern tatsächlich nicht möglich ist, vgl. Deutsch/Spickhoff, Rn. 1221; C. Roth, S. 16 ff. 54 BT-Drucks. 14/1484, S. 17; BVerfG, NJW 2009, 1405 (1407); BGHSt 51, 211 (218); statt vieler nur Erb, in: LR-StPO V/2, § 161, Rn. 2 ff.; § 163, Rn. 8; Kähler, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 161, Rn. 1. 55 BT-Drucks. 14/1484, S. 17; BVerfG, NJW 2009, 1405 (1407); BGHSt 51, 211 (218); Erb, in: LR-StPO V/2, § 161, Rn. 2 ff., 5; § 163, Rn. 8; Griesbaum, in: KK-StPO, § 161, Rn. 1; v. Häfen, in: BeckOK-StPO, § 163, Rn. 10; Hefendehl, StV 2001, 700; Hilger, NStZ 2000, 561 (563 f.); ders., StraFo 2001, 109 (111); ders., in: FS Rieß, 171 (181); Köhler, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 161, Rn. 1; Kölbel, in: MüKo-StPO II, § 161, Rn. 7; Kretschmer, in: Radtke/ Hohmann, StPO, § 163, Rn. 9; Sackreuther, in: BeckOK-StPO, § 161, Rn. 11; Weßlau/Deiters, in: SK-StPO III, § 161, Rn. 3; Wollweber, StV 1997, 507; Ziegler, in: SSW-StPO, § 163, Rn. 11; Zöller, in: HK-StPO, § 161, Rn. 2; § 163, Rn. 1, 10.; vgl. Rogall, NStZ 2000, 489 (492); Wollweber, NJW 2000, 3623.
§ 1 Die Gewinnung von Untersuchungsmaterial
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servationen darstellt56. Der Grundgedanke hinter dieser Entscheidung ist derselbe wie bei der Problematik um den Wangenabstrich: Ist schon die grundrechtsintensive längerfristige Observation zulässig, muss die kurze es auch sein. Ist schon die grundrechtsintensivere Blutprobenentnahme zulässig, muss der weniger intensive Wangenabstrich es auch sein. Daher könnte man aus dieser Parallele den Schluss ziehen, die §§ 161, 163 StPO könnten als Befugnisnorm für den Wangenabstrich dienen. Dabei verkennt man aber, dass § 163f StPO nur die grundrechtsintensivere Maßnahme kennt. Deshalb ist die oben skizzierte Schlussfolgerung zulässig. § 81a StPO kennt aber neben grundrechtsintensiveren Maßnahmen wie der Blutprobenentnahme auch weniger intensive Maßnahmen wie die körperliche Untersuchung nach § 81a Abs. 1 S. 1 StPO. Da die Lücke zwischen beiden Maßnahmen wohl kaum vom Gesetzgeber gewollt sein mag, muss man davon ausgehen, dass § 81a StPO für Maßnahmen in Bezug auf den menschlichen Körper abschließend sein soll57. Ein Rückgriff auf die Generalklausel wäre ausgeschlossen. Gegen die Anwendung der §§ 161, 163 StPO spricht aber v. a. folgender systematische Aspekt: Gemäß § 81e Abs. 1 StPO sind DNA-Analysen zulässig an nach § 81a StPO und § 81c StPO erlangtem Material. Nach §§ 161, 163 StPO erlangtes Material ist nicht erfasst58. Demzufolge dürften die Zellen, die durch den Wangenabstrich erlangt wurden, nicht für DNA-Analysen gebrauchet werden, wenn ihre Gewinnung auf die Generalklausel gestützt ist. Ein Wangenabstrich dient aber nur der Gewinnung von Zellen für spätere DNA-Analysen. Kann man diese nicht durchführen, muss man den Wangenabstrich überhaupt nicht durchführen. Die Zellen wären für Ermittlungszwecke nutzlos. Im Ergebnis taugen die §§ 161, 163 StPO daher ebenso wenig als Ermächtigungsgrundlage für den Wangenabstrich. ff) Eigener Lösungsansatz: Weite Auslegung des Eingriffsbegriffs bei gleichzeitiger teleologischer Reduktion der Eingriffsvoraussetzung Die bisherigen Erkenntnisse liefern ein unbefriedigendes Ergebnis. Einerseits soll der Wangenabstrich nicht auf § 81a StPO zu stützen sein. Andererseits sind andere Ermächtigungsgrundlagen nicht anwendbar. Ist der Wangenabstrich aber nicht durchführbar, so stößt dieses Ergebnis seinerseits auf verfassungsrechtliche Bedenken vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Ein verfassungsrechtlich unbedenkliches Ergebnis ist daher nur die Erfassung des Wangenabstrichs von § 81a Abs. 1 S. 2 Alt. 2 StPO. 56 Griesbaum, in: KK-StPO, § 161, Rn. 1; Hilger, StraFo 2001, 109 (111); Noltensmeiervon Osten, in: KMR-StPO, § 161, Rn. 21; Sackreuther, in: BeckOK-StPO, § 161, Rn. 11. 57 Bosch, Jura 2014, 50 (51); vgl. Gercke, in: HK-StPO, § 94, Rn. 13; Greven, in: KK-StPO, § 94, Rn. 5; Hauschild, in: MüKo-StPO I, § 94, Rn. 12; Menges, in: LR-StPO III/1, § 94, Rn. 15. 58 Zur Frage der Materialgewinnung jenseits der §§ 81a Abs. 1, 81c StPO zum Zwecke späterer DNA-Analysen s. noch ausführlich Kap. 4 § 1 III. 3.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
Es ist daher den systematischen Argumenten der Vorrang zu geben. Der Begriff des anderen körperlichen Eingriffs i. S. d. § 81a Abs. 1 S. 2 StPO ist daher sehr weit auszulegen. Er umfasst jeden noch so geringen Eingriff in die Körpersphäre, auch wenn dieser grundrechtlich nicht relevant ist. Die explizite Nennung der Blutprobe ist nicht als Untergrenze der Intensität zu verstehen. Ihre Nennung erfolgt schlicht, weil es sich bei ihr um den Hauptanwendungsfall von Maßnahmen nach § 81a Abs. 1 S. 2 StPO handelt59. Gleichwohl bleibt das Problem bestehen, dass der strikte Arztvorbehalt des § 81a StPO für Fälle des Wangenabstrichs nicht passt. Diesem Problem ist mit einer teleologischen Reduktion der Eingriffsvoraussetzungen zu begegnen, sodass von der Durchführung durch einen Arzt abgesehen werden kann60. Dies widerspricht zwar prima facie dem gesetzgeberischen Willen insofern, als dieser einen strikten Arztvorbehalt vorgesehen hat. Maßgeblich für die Auslegung ist aber nicht die subjektive Vorstellung des Gesetzgebers, sondern sein objektivierter Wille, wie er in Wortlaut und Gesetzeszusammenhang seinen Ausdruck gefunden hat61. Dem Gesetzgeber ging es bei der Schaffung des Arztvorbehaltes nicht um eine besondere Verfahrensweise, sondern um den Schutz der Gesundheit des Betroffenen. Wenn diese durch den Wangenabstrich nicht tangiert wird, so widerspricht es auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, vom Arztvorbehalt abzuweichen, wenn keine Gesundheitsbeeinträchtigung droht. Es ist nicht einzusehen, warum ein Arzt hinzugezogen werden muss, wenn keine Gefahr für die Gesundheit besteht, der der Arzt durch seine Fachkenntnis begegnen kann62. § 81a Abs. 1 S. 2 StPO ist daher so zu verstehen, dass ein Arzt immer dann hinzugezogen werden muss, wenn auch nur die geringste Gefahr für die Gesundheit des Betroffenen besteht und der Arztvorbehalt dem vorbeugen kann. In der Vergangenheit lag die Situation so, dass keine Maßnahmen jenseits des § 81a Abs. 1 S. 1 StPO vorstellbar waren, die so unbedenklich sind, dass guten Gewissens auf einen Arzt verzichtet hätte werden können. Die medizinisch-technische Entwicklung hat dies aber ermöglicht. Dem ist i. R. d. Auslegung des § 81a StPO Rechnung zu tragen.
59 Benfer/Bialon, Rn. 951; Bosch, in: KMR-StPO, § 81a, Rn. 8; ders., in: SSW-StPO, § 81a, Rn. 7; Brauer, in: HK-StPO, § 81a, Rn. 11; Hombert, S. 85; Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 41; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81a, Rn. 10. 60 Dafür bereits Beck, S. 95; Bosch, Jura 2014, 50 (53); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 303; in anderem Kontext Bosch, in: KMR-StPO, § 81a, Rn. 3; ders., in: SSWStPO, § 81a, Rn. 3; vgl. auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 54. 61 St. Rspr. seit BVerfGE 1, 299 (312); vgl. weiter nur BVerfGE 10, 234 (243 f.); 11, 126 (130 f.); 47, 109 (111, 127); 62, 1 (105); 105, 135 (57); 110, 226 (248); 133, 138 (205); 138, 296 (374); vgl. weiter auch Hillgruber, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 6, Art. 97, Rn. 57; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 210 f. Von der „Theorie des objektivierten Willens des Gesetzgebers“ spricht insofern anschaulich Becker, 4.8.2.2. 62 Beck, S. 95; Bosch a. a. O.; i. E. bezüglich des Wangenabstrichs ohne nähere Begründung ebenso Krause, in: LR-StPO II, § 81a, Rn. 60.
§ 1 Die Gewinnung von Untersuchungsmaterial
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gg) Ergebnis Summa summarum lässt sich festhalten, dass der Wangenabstrich einen anderen körperlichen Eingriff i. S. d. § 81a StPO darstellt. Jedoch sind in diesem Falle die Eingriffsvoraussetzungen nicht anzuwenden. Im Wege der teleologischen Reduktion ist § 81a StPO so auszulegen, dass es der Hinzuziehung eines Arztes nicht bedarf, wenn keine Gesundheitsgefahren bestehen. Dies ist beim Wangenabstrich der Fall. 2. Körperzellenentnahme gem. § 81c StPO beim Dritten a) Parallelen zu und Unterschiede gegenüber § 81a StPO Neben der Entnahme von Zellen beim Beschuldigten kann es auch notwendig sein, Körperzellen eines Dritten für eine späteren DNA-Analyse zu erhalten. Hauptanwendungsfall dürfte die Entnahme von Spermazellen beim Opfer einer Vergewaltigung mittels Vaginalabstrich sein63. Daneben sind Fälle denkbar, in denen am Tatwerkzeug Opferspuren zu finden sind. Mittels deren Analyse kann so u. U. das Opfer gefunden werden64. Die Entnahme richtet sich dann nach § 81c StPO. Die Norm weist strukturelle Ähnlichkeiten, aber auch Abweichungen zu bzw. gegenüber § 81a StPO auf. Gleich ist die Anordnungsbefugnis, die schon oben i. R. d. Ausführungen zur Blutprobe dargestellt wurde65. Hinsichtlich des Umfanges beschränkt sich die einfache Untersuchung nach § 81c Abs. 1 StPO auf die sinnliche Wahrnehmung des Körpers ohne körperliche Eingriffe, also auf das, worauf sich auch beim Beschuldigten die einfache Untersuchung gem. § 81a Abs. 1 S. 1 StPO erstreckt66. Unterschiede bestehen zum einen darin, dass der Adressat gem. § 81c Abs. 3 StPO die Untersuchung aus Gründen des § 52 StPO verweigern kann, während der Beschuldigte sie dulden muss. Damit wird einerseits der Tatsache Rechnung getragen, dass der Betroffene sich hier keinem Tatverdacht ausgesetzt sieht67, ande-
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Bosch, Jura 2014, 50 (60); Foldenauer, S. 68; Ritter, S. 16; zum wissenschaftlichen Hintergrund der Analyse von Sperma-Spuren s. Fregin/Wissel/Karsten, Kriminalistik 1991, 811 ff. 64 Beck, S. 95 f. 65 S. Kap. 4 § 1 I. 1. a). 66 Vgl. Bosch, in: KMR-StPO, § 81c, Rn. 2; 9; ders., in: SSW-StPO, § 81c, Rn. 8; Brauer, in: HK-StPO, § 81c, Rn. 13; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81c, Rn. 3 f.; Hombert, S. 95; Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 19; Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 10; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c, Rn. 5, 14 ff. Vgl. i. Ü. auch die Ausführung zur körperlichen Untersuchung i. R. d. § 81a StPO o. Kap. 4 § 1 1. b) bb) (2) m. w. N. in Fn. 18 f.; vgl. auch Goers, in: BeckOK-StPO, § 81c, Rn. 4, der allerdings auf den Körper des Beschuldigten abstellt. 67 Bosch, Jura 2014, 50 (60).
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
rerseits soll so aber auch verhindert werden, dass das Zeugnisverweigerungsrecht über den Umweg des § 81c StPO umgangen wird68. b) Die Problematik um den Vaginal- und Wangenabstrich Zum anderen – und das ist bedeutsamer für die Zwecke der DNA-Analyse – besteht der Unterschied, dass § 81a Abs. 1 S. 2 StPO „Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe“ gestattet, während nach § 81c Abs. 2 S. 1 StPO „Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung und die Entnahme von Blutproben“ zulässig sind. Welche Konsequenz dies für den Vaginal- und Wangenabstrich beim Nichtbeschuldigten hat, soll folgende Auslegung ergeben. Anzumerken ist zuvor aber, dass der Vaginalabstrich ebenso wie der Wangenabstrich durch Streifen mit einem Wattestäbchen erfolgt, einen körperlichen Eingriff darstellt und daher gleich zu behandeln ist69. aa) Auslegung des § 81c StPO Abs. 2 S. 1 nach dem Wortlaut Ausweislich des Wortlautes des § 81c Abs. 2 S. 1 StPO sind nur Untersuchungen zu Abstammungsfragen und Blutproben zulässig. Es liegt daher nahe, bereits aus dem Wortlaut zu schließen, dass die Blutprobenentnahme der einzig zulässige körperliche Eingriff sein soll70 und der Wangen- bzw. Vaginalabstrich als anderer körperlicher Eingriff deshalb nicht von § 81c Abs. 2 S. 1 StPO erfasst ist71. bb) Systematische Auslegung (1) Vergleich mit der einfachen Untersuchung gem. § 81c Abs. 1 StPO Die einfache Untersuchung eines Nichtbeschuldigten geht vom Umfang her nicht über das hinaus, was Gegenstand der einfachen Untersuchung beim Beschuldigten gem. § 81a Abs. 1 StPO ist72. Da der Wangen- bzw. Vaginalabstrich auch beim 68
Vgl. BGH NStZ-RR 2018, 319; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81c, Rn. 12; Rogall, in: SK-StPO, § 81c, Rn. 41; Sauter, S. 172; ferner Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 31. 69 Altendorfer, S. 65; Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 19. 70 Vgl. Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81c, Rn. 22; Bosch, Jura 2014, 50 (60); Brauer, in: HK-StPO, § 81c, Rn. 15; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81c, Rn. 4, 5; Hasselbach, S. 126; Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 23; Neuhaus, in: HK-GS, § 81c, Rn. 1, 6; Ritter, S. 102; Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 31; Satzger, JZ 2001, 639 (645); Sauter, S. 168; Schmidt, MDR 1970, 461. 71 Altendorfer, S. 66; zur Speichelprobe vgl. Hasselbach, S. 126; Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 23; Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 31; ders., in: FS F.-C. Schroeder, 691 (699); Satzger, JZ 2001, 639 (645); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81c, Rn. 18. 72 Vgl. Bosch, in: KMR-StPO, § 81c, Rn. 2; 9; ders., in: SSW-StPO, § 81c, Rn. 8; Brauer, in: HK-StPO, § 81c, Rn. 13; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81c, Rn. 3 f.; Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 19; Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 10; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c, Rn. 5,
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Nichtbeschuldigten über die sinnliche Wahrnehmung des Körpers hinausgeht, kann er nicht in den Anwendungsbereich des § 81c Abs. 1 StPO fallen. Zwar finden sich in der Literatur Stimmen, die bezüglich des Vaginalabstrichs vertreten, das an der Scheide befindliche Sperma sei eine Spur der Tat. Somit wäre § 81c Abs. 1 StPO für den Abstrich einschlägig73. Für das Sperma isoliert betrachtet mag das auch stimmen74. Das Scheidensekret des Opfers ist jedoch Körperbestandteil, unabhängig von der Tat vorhanden und deshalb keine Spur75. Aus biologisch-technischen Gründen werden beim Vaginalabstrich auch immer eigene Zellen des Opfers entnommen, sodass man zu einem Gleichlauf von Wangen- und Vaginalabstrich kommen muss und den Vaginalabstrich nicht auf § 81c Abs. 1 StPO stützen kann76. Auf eine Finalität dergestalt, dass die Entnahme des Scheidensekrets nur unbeabsichtigte Nebenfolge ist, kommt es nicht an. (2) Vergleich mit der Untersuchung zu Abstammungsfragen gem. § 81c Abs. 2 S. 1 Alt. 1 StPO Denjenigen Stimmen, die unter Berufung auf den Wortlaut die Auffassung vertreten, weitere körperliche Eingriffe gestatte § 81c Abs. 2 S. 1 StPO nicht, widerspricht Trück77: Eine systematische Auslegung im Hinblick auf den Begriff der Untersuchung zu Abstammungszwecken würde dieses Ergebnis nicht hergeben. Die unterschiedlichen Formulierungen in § 81c Abs. 1 bzw. § 81c Abs. 2 S. 1 Alt. 1 StPO ließen es zu, den Begriff der Untersuchung i. S. d. Abs. 2 so zu verstehen, dass dieser nicht nur Maßnahmen am, sondern auch im Körper erlaube78. Dies führt in der Sache nicht weiter: Zwar ist der Wortlaut des § 81c Abs. 2 S. 1 Alt. 1 StPO ein anderer als der des § 81c Abs. 1 StPO. Der Wortlaut des § 81c Abs. 1 StPO beschränkt sich auf Untersuchungen am Körper. Zwar lässt sich vertreten, wenn § 81c Abs. 1 StPO nur Maßnahmen am Körper zulasse, sei daraus zu schließen, die Situation läge i. R. d. 14 ff.; vgl. auch Dähn, JA 1981, 7 (9). Vgl. i. Ü. auch die Ausführung zur körperlichen Untersuchung i. R. d. § 81a StPO o. Kap. 4 § 1 1. b) bb) (2) m. w. N. in Fn. 18 f.; vgl. auch Goers, in: BeckOK-StPO, § 81c, Rn. 4, der allerdings auf den Körper des Beschuldigten abstellt. 73 Foldenauer, S. 68 f.; Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 19; Neuhaus, in: HK-GS, § 81c StPO, Rn. 4; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81c, Rn. 16; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c, Rn. 15; krit. Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81c, Rn. 21; Bosch, in: KMRStPO, § 81c, Rn. 7; ders., in: SSW-StPO, § 81a, Rn. 6; Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 19. 74 Brauer, in: HK-StPO, § 81c, Rn. 7; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81c, Rn. 2; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81c, Rn. 2; Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 14; Oberlies, StV 1990, 469 (470); Rademacher, S. 75; Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 26; Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 81c, Rn. 12; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c, Rn. 10. 75 Hother, S. 79; Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 14, Fn. 56; Oberlies, StV 1990, 469 (470); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c, Rn. 10. 76 Altendorfer, S. 65 f.; Klumpe, S. 196, 198. 77 Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c StPO, Rn. 17. 78 A. A. aber Sauter, S. 168, der Untersuchungsbegriff in Abs. 1 und 2 gleich versteht.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
§ 81c Abs. 2 StPO anders. Der Bezug auf den Wortlaut alleine lässt aber keine Rückschlüsse hinsichtlich der Frage zu, was mit Untersuchung zu Abstammungsfragen gemeint ist. Die Literatur nennt als Maßnahmen, die eine Untersuchung zu Abstammungszwecken darstellen sollen, etwa die Aufnahme von Lichtbildern oder die Abnahme von Fingerabdrücken79. Dies sind freilich keine Maßnahmen, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind. Teilweise wird auch vertreten, die Entnahme einer Blutprobe sei von § 81c Abs. 2 S. 1 Alt. 1 StPO erfasst, obschon sich dafür in § 81c Abs. 2 S. 1 Alt. 2 StPO eine spezielle Ermächtigung findet80. Dies wird damit begründet, dass Abstammungsfragen heute überwiegend mittels einer Blutuntersuchung beantwortet würden81. Möchte man dem folgen, so könnte man dem unbestimmten Rechtsbegriff der Untersuchung freilich auch den Wangenabstrich subsumieren82. Unter Umständen gebietet dies dann sogar die Verfassung mit derselben Argumentation, mit der es oben bejaht wurde, den Wangenabstrich dem Begriff des körperlichen Eingriffs i. R. v. § 81a Abs. 1 S. 2 Alt. 2 StPO zu subsumieren83. Inwieweit der Begriff der Untersuchung zu Abstammungszwecken aber körperliche Eingriffe zu legitimieren vermag, ist für den Wangen- bzw. Vaginalabstrich ohne Belang. Denn die Untersuchung hat zu Abstammungszwecken zu erfolgen. Beim Wangen- bzw. Vaginalabstrich geht aber um eine Maßnahme zum Zweck der Durchführung einer späteren DNA-Analyse. Diese kann zwar auch mit dem Ziel erfolgen, die Abstammung zu klären (vgl. § 81e Abs. 1 S. 1 Var. 2 StPO)84, ist aber hauptsächlich auf einen Vergleich zweier DNA-Identifikationsmuster ausgelegt (vgl. § 81e Abs. 1 S. 1 Var. 1 und 4), um zu klären, ob eine Person als Spurenleger in Betracht kommt. Damit würde es für die Zwecke der DNA-Analyse nichts ändern, wenn der Wangen- bzw. Vaginalabstrich als Untersuchung zu Abstammungszwecken von § 81c Abs. 2 S. 1 Alt. 1 StPO erfasst wäre. Er dürfte für eine spätere DNAAnalyse teilweise gar nicht verwendet werden. Man würde zu dem Ergebnis gelangen, dass in den Fällen, in denen sich die DNA-Analyse nach § 81e Abs. 1 StPO auf Abstammungsfragen beschränkt, die Abstriche erlaubt sind, im Übrigen aber nur 79 Jeweils Bosch, in: KMR-StPO, § 81c, Rn. 14; ders., in: SSW-StPO, § 81c, Rn. 11; Brauer, in: HK-StPO, § 81c, Rn. 16; Eisenberg, Rn. 1666; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81c, Rn. 12; Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 23; Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 31; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81c, Rn. 18; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c, Rn. 18. 80 Vgl. Bosch, in: KMR-StPO, § 81c, Rn. 14; ders., in: SSW-StPO, § 81c, Rn. 11; Brauer, in: HK-StPO, § 81c, Rn. 15; Eisenberg, Rn. 1666; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81c, Rn. 12; Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 23; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81c, Rn. 18; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c, Rn. 18. 81 Bosch, in: KMR-StPO, § 81c, Rn. 14; ders., in: SSW-StPO, § 81c, Rn. 11. 82 So dann konsequenterweise für die Speichelprobe Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c, Rn. 18; i. E. ebenso Busch, NJW 2001, 1336. 83 Vgl. oben Kap. 4 § 1 I. 1. b) ff) (1). 84 Etwa in Fällen der Säuglingstötung oder -aussetzung, wenn nach der Mutter gefahndet wird, vgl. Sauter, S. 168.
§ 1 Die Gewinnung von Untersuchungsmaterial
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die Entnahme von Blutproben zulässig wäre. Für eine solche Ungleichbehandlung findet sich aber keine Begründung85. Eine systematische Auslegung sub specie § 81c Abs. 2 S. 1 Alt. 1 StPO hilft damit nicht weiter. (3) Vergleich mit § 81a Abs. 1 S. 2 StPO Allerdings könnte ein Vergleich mit der Bestimmung des § 81a Abs. 1 S. 2 StPO weiterführen. Nach dessen Wortlaut sind Blutproben und andere körperliche Eingriffe zulässig. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff des körperlichen Eingriffs i. R. d. § 81c Abs. 2 StPO. Aus dem systematischen Unterschied der Normen lässt sich schlussfolgern, dass § 81c Abs. 2 StPO im Gegensatz zu § 81a StPO die zulässigen Maßnahmen eindeutig und abschließend festschreiben möchte86. Die Tatsache, dass bei Maßnahmen nach § 81c StPO ein Nichtbeschuldigter Adressat der Maßnahme ist, stützt diese Konzeption eines bewusst strengeren Maßstabs. cc) Teleologische Auslegung Ähnlich wie § 81a Abs. 1 S. 2 StPO kennt § 81c Abs. 2 StPO ebenso einen Arztvorbehalt. Gegenüber § 81a Abs. 1 S. 2 StPO formuliert § 81c Abs. 2 S. 2 StPO deutlicher: Die Untersuchungen und die Entnahme von Blutproben dürfen stets nur von einem Arzt vorgenommen werden. Das Wort „stets“ bringt damit eindeutig zum Ausdruck, dass Ausnahmen nicht zulässig sein sollen. Wie oben bereits ausgeführt wurde, passt das télos des Arztvorbehaltes nicht auf die Konstellationen des Wangenabstrichs. Ebenso wenig passt es auf die des Vaginalabstrichs. Daher muss eine teleologische Auslegung sub specie des Arztvorbehaltes auch hier zu dem Ergebnis führen, dass Wangen- und Vaginalabstriche von § 81c Abs. 2 S. 1 StPO nicht erfasst sein sollen. dd) Historische Auslegung Die durch das Ausführungsgesetz zum Gewohnheitsverbrechergesetz87 ursprüngliche Fassung des § 81a StPO differenzierte nur teilweise zwischen Beschuldigten und anderen Personen. So lautete zwar Abs. 1 bereits: „Eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Andere Personen dürfen ohne ihre Einwilligung nur untersucht werden, wenn festgestellt werden muss, ob sich an ihrem Körper eine bestimmte Spur oder Folge einer strafbaren Handlung befindet“. 85
Sauter, S. 168. BGHSt 14, 21 (23); Hother, S. 80; Klumpe, S. 198; Neuhaus, in: HK-GS, § 81c StPO, Rn. 1; vgl. auch BGHSt 13, 394 (298). 87 Ausführungsgesetz zum Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung v. 24. 11. 1933, RGBl. I, S. 1000. 86
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
Der erste Satz des ersten Absatzes entspricht noch dem heutigen § 81a Abs. 1 S. 1 StPO. Der zweite Satz wurde mit Änderungen später in § 81c Abs. 1 StPO überführt. Keine Differenzierung fand sich in § 81a Abs. 2 StPO in der Fassung von 1933: „Entnahme von Blutproben und andere Eingriffe, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, sind ohne Einwilligung des zu Untersuchenden zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu besorgen ist.“ Der heutige Passus, mit dem § 81c Abs. 2 StPO eingeleitet wird („Bei anderen Personen als Beschuldigten“) fehlt. Da in Abs. 1 der Fassung von 1933 zwischen den Personengruppen differenziert wurde, während Abs. 2 eine solche Differenzierung fehlte, kann davon ausgegangen werden, dass in der Fassung von 1933 neben Blutproben auch andere körperliche Eingriffe beim Nichtbeschuldigten möglich waren. Erst das Vereinheitlichungsgesetz von 195088 schuf mit § 81c StPO eine gesonderte Ermächtigungsgrundlage für Maßnahmen gegen Nichtbeschuldigte. § 81c Abs. 2 StPO in der Fassung von 1950 lautete: „Zu dem in Abs. 1 bezeichnetet Zweck ist die Entnahme von Blutproben ohne Einwilligung des zu Untersuchenden zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu besorgen und der Eingriff zur Erforschung der Wahrheit unerläßlich ist.“ Die Möglichkeit körperlicher Eingriffe beim Nichtbeschuldigten wurde nicht übernommen. Um diese Fassung herrschte während des Gesetzgebungsverfahrens erbitterter Streit89. Die ursprüngliche Neufassung des Gesetzes sah weiterhin keine Differenzierung zwischen Nichtbeschuldigten und Beschuldigtem vor90. Es blieb insofern beim § 81a StPO. Ernst eine Fassung des Rechtsausschusses schlug dann zwar die Einführung des § 81c StPO vor, ließ auf Grundlage dessen Abs. 2 aber noch Blutprobenentnahmen und körperliche Eingriffe zu91. Dagegen erhob sich Widerstand: Man erachtete die Legitimation zu einem gesetzlich unbestimmten, körperlichen Eingriff gegen einen Nichtbeschuldigten für zu weitgehend, da dieser doch eine erhebliche Intensität entfallen könne92. Der Bundestag lehnte diese Fassung des § 81c StPO deshalb ab93. Erst eine Fassung, die auf körperliche Eingriffe beim Nichtbeschuldigten verzichtete, 88 Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts v. 12. 09. 1950, BGBl. I, S. 455. 89 Vgl. Rogall, in: SK-StPO I, § 81c StPO, Rn. 7. 90 Vgl. den Entwurf bei BT-Drucks. 1/530, S. 37. 91 BT-Drucks. 1/1138, S. 43. 92 Vgl. gegen die Fassung die Ausführungen der Abg. Wagner (SPD), BT-Plen.-Prot. 1/79, S. 2905 D (2906 A); Dr. Reismann (Z), BT-Plen.-Prot. 1/79, S. 2906 C (2906 D); Dr. v. Brentano (CDU), BT-Plen.-Prot. 1/79, S. 2907 C (2907 C, D); Dr. Etzel (BP), BT-Plen.-Prot. 1/79, S. 2907 D; Loritz (WAV), BT-Plen.-Prot. 1/79, S. 2908 B (2908 D); vgl. ebenso die Ausführungen des Abg. Dr. Arndt (SPD); BT-Plen.-Prot. 1/81, S. 3063 C (3063 D). 93 Vgl. BT-Plen.-Prot. 1/79, S. 2910 C.
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wurde sodann vom Bundestag angenommen94. Zusammenfassend kann man festhalten, dass tragendes Motiv der Diskussion es war, den Nichtbeschuldigten gegenüber dem Beschuldigten zu privilegieren, indem man auf den unbestimmten Begriff des körperlichen Eingriffs im Rahmen des § 81c Abs. 2 StPO verzichtete95. Damit ist bereits 1950 den freilich erst heute relevanten Anforderungen des BDSG und der JI-RL genüge getan worden. Denn gem. § 72 BDSG, Art. 6 JI-RL ist zwischen den Daten von Opfern, Zeugen, Verdächtigen etc. zu differenzieren96. Implizit geschieht dies in Deutschland hinsichtlich der DNA-Analyse dadurch, dass die Voraussetzung für die Zellgewinnung, und damit die Voraussetzungen der DNAAnalyse selbst, beim Zeugen bzw. Opfer strenge sind als beim Beschuldigten. Die nach 1950 erfolgten Änderungen97 sind für die Belange des Wangen- bzw. Vaginalabstriches ohne Belang. Maßgeblich für die Auslegung des § 81c Abs. 2 StPO ist deshalb der historische Wille des Gesetzgebers von 1950. Grund des zähen Ringens um eine Einigung im Gesetzgebungsprozess war gerade das Ziel, den Nichtbeschuldigten gegenüber dem Beschuldigten dadurch zu privilegieren, dass auf den unbestimmten Rechtsbegriff des körperlichen Eingriffs verzichtet wird. Liegt die Situation aber de lege lata so, dass der Nichtbeschuldigte schlechter steht, weil ein körperlicher Eingriff in Form des Wangen- bzw. Vaginalabstriches bei ihm nicht möglich ist, so liefe dies dem gesetzgeberischen Willen entgegen. Daher spricht das gesetzgeberische Wille dafür, den Wangen- und Vaginalabstrich auch beim Nichtbeschuldigten zu ermöglichen. ee) Verfassungskonforme Auslegung (1) Im Hinblick auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG Mit Blick auf das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit des Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG gilt das zu § 81a StPO Ausgeführte: Die Entnahme von Zellen mittels Wangenabstrich stellt keinen körperlichen Eingriff dar, sodass es wegen dieses Grundrechts nicht geboten erscheint, eine Ermächtigungsgrundlage für den Wangenabstrich zu verlangen98. Dasselbe gilt auch für die Zellentnahme mittels Vaginalabstrichs, obschon dies nicht damit begründet werden kann, dass nur Zellen des 94
Vgl. BT-Plen.-Prot. 1/81, S. 3072 C. Vgl. Nüse, JR 1950, 553 (554). 96 Dazu Greve, NVwZ 2017, 737 (742). 97 Etwa wurde durch das Dritte Strafverfahrensänderungsgesetz v. 04. 08. 1953 (BGBl. I, S. 735), mit dem der Arztvorbehalt eingeführt wurde, durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafverfahrens v. 09. 12. 1974 (1. StVRG, BGBl. I, S. 3393.) § 81c StPO im Hinblick auf das Untersuchungsverweigerungsrecht reformiert, durch das Strafverfahrensänderungsgesetz v. 17. 03. 1997 (Strafverfahrensänderungsgesetz – DNA-Analyse („Genetischer Fingerabdruck“) – (StVÄG), BGBl. I, S. 534.) der aus datenschutzrechtlichen Gründen relevante Verweis auf § 81a Abs. 3 StPO in § 81c Abs. 5 StPO eingefügt, auf den noch einzugehen sein wird. 98 Vgl. schon die Ausführungen oben, Kap. 4 § 1 I. 1. b) dd). 95
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
Spurenlegers entnommen werden, da bei jedem Vaginalabstrich aufgrund der biologisch-chemischen Verbindung von Sperma- bzw. Körperzellen des Spurenlegers mit den Zellen des Opfers auch Zellen des Vergewaltigungsopfers zwangsläufig entfernt werden99. (2) Besonderheiten beim Vaginalabstrich im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Besondere Berücksichtigung verdient beim Vaginalabstrich das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG: Denn die Frau wird dabei – wenn nötig – dazu gezwungen, sich zu entkleiden und Abstriche an ihrer Scheide – immerhin einem Geschlechtsorgan – zu dulden. Nun wird ein Vergewaltigungsopfer freilich selten gezwungen werden müssen, sich dem Abstrich zu unterziehen. Denn häufig wird die Strafanzeige gerade von ihm kommen, und es wäre widersprüchlich, wenn es dann im Strafverfahren die Aufklärung verhindern wollte. Derartige Fälle sind aber nicht ausgeschlossen, da die Anzeige auf von Dritten stammen kann. Es sind aber auch Fälle denkbar, in der die Frau eine Anzeige gestellt hat, aber aufgrund von Druck durch den Täter oder aus anderen Motiven davon Abstand nehmen will. Da Vergewaltigung indes kein Antragsdelikt ist, müssen die Strafverfolgungsbehörden aufgrund des Legalitätsprinzips des § 152 Abs. 2 StPO ungeachtet des Willens des Opfers die Straftat verfolgen, was es nötig erscheinen lassen kann, zwangsweise einen Vaginalabstrich durchzuführen. Durch die zwangsweise Betrachtung und Berührung der Scheide wird in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG eingegriffen. Jenes verbürgt ein allgemeines Recht auf Achtung der Privatsphäre100. Dass die Scheide einer Frau zumindest in den Bereich der Privatsphäre fällt, zeigt sich u. a. an den profanen Umständen, dass sie im Alltag durch Kleidung der Öffentlichkeit verborgen wird und zur Berührung nur einem von der Frau selbst ausgewählten Personenkreis zugänglich ist101. Fraglich ist, ob der zwangsweise Vaginalabstrich nicht sogar die Intimsphäre betrifft. Das hätte zum Ergebnis, dass seine zwangsweise Durchführung nicht möglich wäre102. In seiner Entscheidung zur Verwertbarkeit von beschlagnahmten Tagebüchern hat das BVerfG entschieden, diese unterfielen wegen 99
Altendorfer, S. 65; Klumpe, S. 196. BVerfGE 54, 138 (154); Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 151; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 2, Rn. 41; Horn, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 2 GG, Rn. 17; Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2, Rn. 41; Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 69 ff.; vgl. auch bereits BVerfGE 27, 344 (352); 32, 373 (378 f.); 35, 202 (233); 47, 46 (73); 49, 286 (300). 101 I. E. ebenso Klumpe, S. 196; vgl. mit ähnlicher Argumentation zu anderen Sachverhalten KG, NStZ 1992, 385 (386); Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 154; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 2, Rn. 37; Horn, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 2 GG, Rn. 42; Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2, Rn. 39a; Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 69. 102 S. oben Kap. 3 § 3 I. 3. b). 100
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ihres Kontextes zu begangenen Straftaten nicht der Intimsphäre103. Entscheidend für Zuordnung der Aufzeichnungen zur Intimsphäre war demnach, dass sie einen Kontext betrafen, an dem die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse hat. Problematisch daran ist zwar, dass so der verfassungsrechtlich notwendige, absolute Schutz der Intimsphäre abgeschwächt wird, indem die Belange der Öffentlichkeit bereits im Schutzbereich Berücksichtigung finden104. Dies wäre dogmatisch eine Frage der Rechtfertigung. Da aber bei einem Eingriff in die Intimsphäre eine Rechtfertigung nicht mehr möglich ist105, bedarf es dieses Vorgehens, um zu sachgerechten Ergebnissen zu kommen. Obschon das Sexualleben grundsätzlich der Intimsphäre unterfällt106, wird man bei einer Vergewaltigung ein derart berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an der Verfolgung und Ahndung annehmen dürfen, dass dies es rechtfertigt, einen höchstpersönlichen Charakter zu verneinen. Der Vaginalabstrich nach einer Vergewaltigung betrifft daher nur die Privatsphäre. In diese wird bei zwangsweiser Durchführung aber freilich eingegriffen, sodass einer Ermächtigungsgrundlage bedarf. Verfahrensrechtliche Schutzmechanismen zur Milderung des Eingriffs hält z. B. § 81d StPO bereit, nach dessen Rechtsgedanken107 man beim Vaginalabstrich im Regelfall eine Ärztin wird beauftragen müssen. Die Verfassung gebietet es insgesamt aber, für den Vaginalabstrich eine Ermächtigungsgrundlage bereitzustellen. Ansonsten ist er nicht durchführbar. ff) Gesamtwürdigung Es stellt sich eine ähnliche Problematik im Hinblick auf den Wangen- bzw. Vaginalabstrich wie i. R. v. § 81a Abs. 1 S. 2 StPO108. Auch hier liegt die Situation so, dass mittels Blutprobe ausreichend Körperzellen für eine DNA-Analyse beschafft werden könnten. Dies stößt auf dieselben verfassungsrechtlichen Bedenken wie die Verneinung der Möglichkeit eines Wangenabstrichs auf Grundlage des § 81a 103
BVerfGE 80, 367 (375); s. auch Schneider, JuS 2021, 29 (30). Krit. dazu auch Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2, Rn. 39; befürwortend dagegen Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 154; Horn, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 2 GG, Rn. 118. 105 S. oben Kap. 3 § 3 I. 3. b). 106 BVerfGE 109, 279 (313); 119, 1 (30); BVerwG, NVwZ 1999, 659 (661); KG, NStZ 1992, 385 (386); Gercke, in: HK-StPO, § 100d, Rn. 2; Horn, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 2 GG, Rn. 118; Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2, Rn. 39a; Schneider, JuS 2021, 29 (30); vgl. auch Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 134a; diff. zwischen Privat- und Intimsphäre Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 200; unklar dagegen Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 2, Rn. 41. 107 Da § 81d Abs. 1 S. 1 StPO auf körperliche Untersuchungen beschränkt ist, erscheint es zumindest nicht unproblematisch, die Norm auf den Vaginalabstrich anzuwenden, der wie aufgezeigt keine körperliche Untersuchung darstellt. Zumindest der Rechtsgedanke des § 81d StPO verlangt aber die Durchführung durch eine Ärztin in Fällen des Vaginalabstrichs, der das Schamgefühl einer Frau beeinträchtigen wird. 108 Kap. 4 § 1 I. 1. b). 104
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StPO109. Gibt es ein milderes Mittel, ist der Staat wegen des Verhältnismäßigkeitsgebots angehalten, dieses zu wählen. Ermöglicht eine Norm das nicht, ist sie verfassungswidrig. Es ist daher auch i. R. v. § 81c StPO geboten, den Wangenabstrich zu ermöglichen. Weil durch einen zwangsweisen Vaginalabstrich in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingegriffen wird, ergibt sich die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage bereits aus dem Gesetzesvorbehalt. Beide Maßnahmen greifen freilich ebenso in die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG ein und bedürfen auch deshalb einer Ermächtigungsgrundlage. Indes ist Grenze möglicher Auslegung der Wortlaut110. Der Wortlaut des § 81c Abs. 2 S. 1 StPO beschränkt sich bei körperlichen Eingriffen auf Blutproben. Daher ist der verfassungsrechtlichen Problematik mittels Auslegung nicht beizukommen. Aus den denselben Gründen wie oben111 scheitert die Ermöglichung der Abstriche aufgrund anderer Ermächtigungsgrundlagen. gg) Eigener Lösungsvorschlag: Analoge Anwendung des § 81c Abs. 2 S. 1 StPO auf die Konstellationen des Wangen- bzw. Vaginalabstriches Deshalb ist § 81c Abs. 2 S. 1 StPO für die Fälle des Wangen- und Vaginalabstriches analog heranzuziehen. Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus112. Eine Gesetzeslücke ist gegeben, denn andere Ermächtigungsgrundlagen für den Wangenabstrich oder den Vaginalabstrich finden sich nicht. Indes muss bzw. darf eine gesetzliche Lücke nicht zwangsläufig durch den Rechtsanwender geschlossen werden. Das Schweigen des Gesetztes zu einem gewissen Punkt kann auch bewusst sein. Eine nicht geregelte Maßnahme soll dann auch nicht zulässig sein113. Die Planwidrigkeit der Lücke beim Wangen- und Vaginalabstrich wird man gleichwohl bejahen müssen. Das tragende Motiv des Gesetzgebers bei der Schaffung des § 81c StPO war schließlich die Privilegierung des Nichtbeschuldigten. Dabei auf einen unbestimmten Rechtsbegriff wie den des körperlichen Eingriffs zu verzichten, ist 109
Kap. 4 § 1 I. 1. b) ee) (1). Vgl. nur BVerfGE 71, 108 (115); 92, 1 (12); BGHSt 4, 144 (148); Hassemer/Kargl, in: NK-StGB, § 1, Rn. 79; Hillgruber, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 6, Art. 97, Rn. 57; Möllers, § 4, Rn. 42, § 13, Rn. 28; Schmitz, in: MüKo-StGB I, § 1, Rn. 79; krit. dazu Wank, § 5, I., 2. 111 Vgl. Kap. 4 § 1 I. 1. b) ee) (2). 112 Vgl. Antonow, S. 153; Geis, in: NK-VwGO, 68, Rn. 71; Wank, § 11, III., insb. 1.; vgl. auch Larenz, II. Teil, Kap. 5, 2., b); Kramer, III., 5., a), cc); Zippelius/Würtenberger, Methodenlehre, Kap. III, § 11, II., a); explizit zum Fall der Speichelprobe i. R. d. § 81c StPO Hasselbach, S. 126. 113 Vgl. Larenz, II. Teil, Kap. 5, 2., a); Kramer, III., 4., f); Wank, § 11, I., 1. 110
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durchaus verständlich. Die ausschließliche Zulässigkeit eines bestimmten Eingriffs – der Blutentnahme – führt zu Rechtssicherheit. Mit der Entnahme einer Blutprobe hat der Gesetzgeber auch einen relativ milden Eingriff gewählt. Es konnte ihm aber im Jahre 1950 nicht klar sein, dass zukünftig noch mildere Mittel zur Verfügung stehen werden. Denn die Anwendung der §§ 81a, 81c StPO für DNA-Analysen war damals freilich nicht vorhersehbar. Wenn der Gesetzgeber schon die wenig intensive Blutprobe für zulässig erachtet hat, so muss seinem Willen es erst recht entsprechen, noch mildere Abstriche zuzulassen114. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der § 81e StPO erst 1997 in die StPO eingefügt wurde und selbst zu dieser Zeit die Entnahme von Blutproben gängigstes Mittel zur Zellenbeschaffung war115. Dass nun aber der Nichtbeschuldigte schlechter steht, weil kein unbestimmter Rechtsbegriff in § 81c Abs. 2 StPO vorhanden ist, war nicht Ziel des Gesetzgebers. Deshalb darf die fehlende Ermächtigung zu Wangen- und Vaginalabstrich nicht als gewollt, sondern als planwidrig erachtet werden. Eine vergleichbare Interessenlage besteht ebenso: Denn gem. § 81e Abs. 1 S. 1 StPO ist Gegenstand der DNA-Analyse das nach §§ 81a und 81c StPO erlangte Material. Daraus wird deutlich, dass § 81c Abs. 2 StPO inzwischen auch den Sinn hat, Zellen zum Zweck einer späteren DNA-Analyse zu erlangen. Innerhalb dieses Zweckes bewegt sich ebenso wie die Blutprobenentnahme die Entnahme von Zellen durch einen Wangen- bzw. Vaginalabstrich. Diese Maßnahmen sind daher vom Zweck der Norm umfasst. Dies gilt freilich nicht für den strengen Arztvorbehalt des § 81c Abs. 2 S. 2 StPO. Dieser ist im Wege der teleologischen Reduktion nicht anzuwenden116. hh) Ergebnis und Gesetzesvorschlag Die Stützung des Wangen- bzw. Vaginalabstrichs auf § 81c Abs. 2 StPO ist de lege lata nicht möglich. Indes gebietet die Verfassung sub specie des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Gesetzesvorbehaltes gerade des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, dass die Maßnahmen durchgeführt werden können. Da die Voraussetzungen der Analogie vorliegen, sind sie analog § 81c Abs. 2 StPO möglich. Aus Gründen der Rechtsklarheit wäre es aber zu begrüßen, wenn der Gesetzgeber eine eindeutige gesetzliche Regelung einführen würde. Dies könnte geschehen, indem ein dritter Satz in § 81c Abs. 2 StPO eingefügt wird, der wie folgt lauten könnte: „Zum Zwecke einer molekulargenetischen Analyse nach § 81e StPO können Körperzellen auch mittels körperlichen Eingriffs entfernt werden; § 81c Abs. 2 S. 2 StPO findet 114 Vgl. VerfGH Berlin, NJW 2006, 1416 (1418); Foldenauer, S. 47; Kretschmer, HRRS 2012, 183 (187); Sauter, S. 168. 115 Vgl. Burr, S. 144; Donner/Simon, DÖV 1990, 907 (912); Foldenauer, S. 47; Hother, S. 43; Klumpe, S. 162, 172; Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 34; ders., in: FS F.-C. Schroeder, 691 (699); Sauter, S. 66; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c StPO, Rn. 19; U. Wagner, S. 64; vgl. auch LG Frankenthal, NStZ-RR 2000, 146. 116 Vgl. zur Begründung schon oben Kap. 4 § 1 I. 1. b) ff).
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
keine Anwendung“. Durch die Beschränkung auf die Entnahme zum Zwecke der DNA-Analyse würde einer Heranziehung der Norm für andere Zwecke Einhalt geboten. Der unbestimmte Rechtsbegriff des körperlichen Eingriffs würde hier dem Betroffenen zugute kommen, da er den Wangen- bzw. Vaginalabstrich erfassen würde. Ein Vorteil bestünde ferner darin, zukünftig eventuell noch mildere Methoden ebenso zu ermöglichen. Die verfassungsrechtliche Grenze würde wiederum das Verhältnismäßigkeitsprinzip darstellen, da belastendere Maßnahmen dann deshalb unzulässig wären, weil eine Blutprobe nach § 81c Abs. 2 S. 1 Alt. 2 StPO weiterhin möglich wäre117.
II. Vom Körper getrennte Körperzellen Neben der DNA-Analyse von Zellen, die einem Bekannten zugeordnet werden können, gibt es in der Praxis freilich auch den Fall, dass DNA-haltiges Material im Zusammenhang mit einer Straftat gefunden wird, ohne dass es einer konkreten Person zugeordnet werden könnte. Man denke an Hautzellen oder Haare des vermutlichen Täters am Opfer eines Mordes, man denke an Rückstände am Tatwerkzeug wie Hautschuppen. Die Untersuchung solchen Materials, das früher auch Spurenmaterial genannt wurde118, richtet sich nach § 81e Abs. 2 StPO. Der Begriff des Spurenmaterials wurde ursprünglich aufgegeben, weil oftmals nicht klar gewesen sei, was unter 117
Vgl. auch §§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKAG, 23d Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SOG LSA. Die Gewinnung der Zellen muss demnach durch einen Mundschleimhautabstrich oder mildere Mitteln erfolgen. Die Formulierungen haben ebenso diesen Vorteil. 118 So noch etwa bei bei BT-Drucks. 13/667, S. 7; 12/7266, S. 7; BVerfG, NJW 1996, 771 (772); BGHSt 58, 84 (92, Rn. 21); BGH, NJW 2018, 3192 (3193); NStZ 2013, 177 (178); NStZ 1994, 554; VerfGH Berlin, NJW 2006, 1416; LG Mannheim, NStZ-RR 2004, 301 (302); LG Offenburg, StV 2003, 153 (154); LG Frankenthal, NStZ-RR 2000, 146; Antonow, S. 151; Beck, S. 105; dies., KriPoZ 2017, 160 (161); Benfer, StV 1999, 402 (404); ders./Bialon, Rn. 973 f.; Bergemann/Hornung, StV 2007, 164; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81e, Rn. 8; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 33; Bula, Der Kriminalist 1997, 347 (348); Busch, NJW 2013, 1771 (1773); Deutsch/Spickhoff, Rn. 1510; Eisenberg, Rn. 1680; Fluck, NJW 2001, 2292; Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (76); dies., NStZ 2004, 297; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81e, Rn. 6; Jahn, JuS 2013, 470; Jansen/Quade, MedR 2017, 20 (23); Kaefer, Kriminalistik 2000, 210 (212); Keller, JZ 1993, 102 (104); Keller, NJW 1989, 2289, 2293; Kimmich/Spyra/ Steinke, NStZ 1990, 318 (323); Lorenz, JZ 2005, 1121 (1127); Malek/Wohlers, Rn. 299; Magnus, ZRP 2015, 13 (15); Müller/Eisenberg, JR 2019, 43 (46); Neuhaus, StV 2013, 137 (138); Oberlies, StV 1990, 469 (473); Rademacher, StV 1989, 546 (548); Rath/Brinkmann, NJW 1999, 2697 (2699); Rogall, JZ 2013, 874 (877); Saliger/Ademi, JuS 2008, 193; Schneider, in: Bäumler (Hrsg.), Polizei und Datenschutz, 215 (223); Schneider, NStZ 2018, 692 (693); Schreiber, ZRP 2019, 105; Schubert/Gerlach, RuP 2005, 79 (83); Senge, NJW 1997, 2409 (2410); Sprenger/Fischer, NJW 1999, 1830 (1833); Stenger, Kriminalistik 2017, 491; Ulbrich et al.; NStZ 2017, 135 (136); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 11; Walther, in: AnwKoStPO, § 81e, Rn. 8; Warntjen, S. 180; Wolf, DRiZ 2017, 88; Zöller/Thörnich, ZIS 2017, 331 (332).
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Spurenmaterial zu verstehen ist119. Eine gewisse Widersprüchlichkeit besteht aber, wenn man betrachtet, dass Gesetzgeber denselben Begriff, den er mit jener Begründung aufgab, nun in § 81e Abs. 2 S. 2 StPO wieder verwendet120. Bei dem (Spuren-)Material handelt um „aufgefundene[s], sichergestellte[s] oder beschlagnahmte[s] Material“. Oben ist bereits dargestellt worden, dass sich die Gewinnung von Zellen an oder aus dem Körper des Menschen ausschließlich nach §§ 81a, 81c StPO richtet121. Die Analyse richtet sich dort nach § 81e Abs. 1 StPO. Spiegelbildlich dazu geht in § 81e Abs. 2 StPO um die Analyse solcher Körperzellen, die sich bereits vom menschlichen Körper gelöst haben. Sie sind gem. § 94 StPO beschlagnahme- bzw. sicherstellungsfähig122. Dem wird durch den Verweis auf die entsprechende Vorschrift in § 81e Abs. 2 StPO Rechnung getragen. Der Verweis auf § 94 StPO, der die Beschlagnahme bzw. Sicherstellung regelt, setzt dessen Voraussetzungen zumindest mittelbar auch für die Analyse in Kraft. Die Voraussetzung für Beschlagnahme oder Sicherstellung ist die Möglichkeit, dass der Gegenstand der Beschlagnahme bzw. Sicherstellung Bedeutung als Beweismittel erlangen könnte. Dies bewirkt im Regelfall die DNA-Analyse. Für den erste Variante des § 81e Abs. 2 S. 1 StPO – die des aufgefundenen Materials – soll nach manchen Stimmen der Literatur kein Anwendungsbereich mehr bleiben, da aufgefundenes Material, das für ein Strafverfahren von Bedeutung ist, bereits nach § 94 Abs. 1 StPO sicherzustellen sei123. Dem kann aber nicht gefolgt werden. Das Gesetz verwendet für die Modalitäten der Erlangung des Materials participia perfecta passiva. Sichergestelltes oder beschlagnahmtes Material setzen einen vorherigen Rechtsakt in Form der Maßnahme voraus, der von den genannten Voraussetzungen abhängig ist124. Häufig wird aber den Strafverfolgungsbehörden in dem Zeitpunkt, in dem sie Haare am Tatort finden, gar nicht klar sein, ob diese Bedeutung für das Strafverfahren haben125 und deshalb sichergestellt oder beschlagnahmt werden dürfen. Daher ist es nur folgerichtig, dass auch bei solchem nur 119
BT-Drucks. 18/11277, S. 22; Rogall, in: SK-StPO, § 81e, Rn. 15; s. auch Krause, in: LRStPO II, § 81e, Rn. 36. 120 Deshalb zutreffend erneut verwendet bei Bosch, Jura 2021, 41; Claus, NStZ 2020, 57 (62); Jansen, ZIS 2020, 233 (233, 235, 238, 239, Fn. 87). 121 Kap. 4 § 1 I. 1. b) ee) (2) (b). 122 Eisenberg, Rn. 2324b; Eschelbach, in: SSW-StPO, § 94, Rn. 7; Gercke, in: HK-StPO, § 94, Rn. 13; Gerhold, in: BeckOK-StPO, § 94, Rn. 4; Greven, in: KK-StPO, § 94, Rn. 5; Hauschild, in: MüKo-StPO I, § 94, Rn. 12; Joecks, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 94, Rn. 6; Klumpe, S. 165; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 94, Rn. 4; Menges, in: LR-StPO III/1, § 94, Rn. 15; Wohlers, NStZ 1990, 245 (246); ders./Greco, in: SK-StPO II, § 94, Rn. 20; vgl. auch Müller, in: KMR-StPO, § 94, Rn. 2. Zur Beschlagnahme einer Blutprobe OLG Celle, NStZ 1989, 385 (385 f.); krit. dazu Hauf, NStZ 1993, 457 (461). 123 Beck, S. 105; Benfer, StV 1999, 402 (404); ders./Bialon, Rn. 974; Bosch, in: KMRStPO, § 81e, Rn. 11; ders., in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 11; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 33; Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 36. 124 Vgl. Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 11. 125 Vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81e, Rn. 10.
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aufgefundenen, aber noch nicht sichergestellten Material eine DNA-Analyse möglich ist. Eine historische Auslegung bestätigt das126 : Ursprünglich sollte § 81e Abs. 2 StPO nur die Variante des Auffindens vorsehen127. Nach Stellungnahme des Bundesrates128, dem die Bundesregierung zustimmte129, wurde bewusst eine erweiterte Gesetzesfassung gewählt, die klarstellen sollte, dass auch sichergestelltes und beschlagnahmtes Material Untersuchungsgegenstand sein kann130. Es handelt sich dabei um einen Unterfall des aufgefundenen Materials131, nicht umgekehrt.
III. Heimlich erlangtes Material als Untersuchungsgegenstand 1. Problemstellung Von praktisch großer Bedeutung, aber umstritten, ist die Frage, ob heimlich erlangtes Material Untersuchungsgegenstand einer DNA- Analyse sein kann. Es dabei hauptsächlich um Situationen, in denen bei einem Tötungsdelikt nur ein eingeschränkter Personenkreis als Täter in Betracht kommt. Man denke an die Tötung eines Betriebsangehörigen während des Betriebes. Je nach Größe des Unternehmens wird der Kreis der Verdächtigen sich auf die zur Tatzeit am Tatort Anwesenden beschränken. Gleichwohl können nicht alle Anwesenden alleine deshalb zu Beschuldigten erklärt werden. Wenn nun an der Leiche DNA-Rückstände des vermeintlichen Täters gefunden wurden, wäre der Beschuldigtenstatus aber Voraussetzung, um den Betriebsangehörigen gem. § 81a Abs. 2 S. 1 StPO Körperzellen zu entnehmen, damit die enthaltene DNA später gem. § 81e Abs. 1 StPO analysiert werden kann. Die Strafverfolgungsbehörden müssen, da § 81a StPO nicht einschlägig ist, anderweitig Körperzellen der Verdächtigen erlangen, wollen sie nicht auf die DNA-Analyse verzichten. Es würde genügen, irgendeinen Gegenstand in Besitz zu nehmen, den der Verdächtige zuvor berührt hat. Denn an jenem werden sich aufgrund der permanenten Absonderung von DNA durch den Menschen Körperzellen befinden. Denkbar wäre z. B., eine weggeworfene Zigarettenkippe aufzusammeln, die Körperzellen von ihr zu trennen und die darin enthaltene DNA später zu analysieren132. Dieses Vorgehen wäre aus ermittlungstaktischer Sicht umso bedeutender, als durch das heimliche Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden der Verdächtige nicht vorgewarnt wäre133. 126 127 128 129 130 131 132
S. 96. 133
Dazu bereits Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 11. Vgl. den Entwurf der Bundesregierung bei BT-Drucks. 13/667, S. 4. BT-Drucks. 13/667, S. 9. BT-Drucks. 13/667, S. 11. Vgl. BT-Drucks. 13/6420, S. 5; krit. dazu Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 33. Zutreffend nur Walther, in: AnwKo-StPO, § 81e, Rn. 8. Beispiel angelehnt an BGH ErmR, Beschl. v. 21. 03. 2007 – 1 BGs 96/2007, S. 3; Beck, Vgl. zum kriminalistischen Bedürfnis Antonow, S. 146; Beck, S. 96.
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Aufgrund der praktischen Bedeutung ist verwunderlich, dass zur Zulässigkeit eines solchen Vorgehens de lege lata oft nur vereinzelt Stellung genommen wird, und falls, dann häufig in Form bloßer Feststellungen, dass das Vorgehen zulässig sei, ohne dies zu begründen134. 2. Vorgefundene Ansätze a) Das heimlich erlangte Material als Material i. S. v. § 81e Abs. 1 StPO Teilweise wird vertreten, heimlich erlangtes Material sei Material i. S. v. § 81e Abs. 1 StPO und deshalb analysefähig135. Goers begründet dies etwa mit der Intention des Gesetzgebers, mit der Norm eine Verwendungsregelung schaffen zu wollen. Ferner gebiete es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, auf bereits vorhandenes Material zurückzugreifen, bevor Maßnahmen nach §§ 81a, 81c StPO angeordnet würden136. Der BGH, auf den sich die Stimmen der Literatur berufen, die heimlich erlangtes Material auf Grundlage des § 81e Abs. 1 StPO analysieren wollen137, begründet seine Ansicht mit dem Schutzzweck der Norm. Dieser erlaube es, auch Material, das jenseits der §§ 81a, 81c StPO auf rechtmäßige Weise erlangt wurde, nach § 81e Abs. 1 StPO zu analysieren138. b) Das heimlich erlangte Material als Material i. S. v. § 81e Abs. 2 StPO Andere wollen heimlich erlangtes Material als Material i. S. v. § 81e Abs. 2 StPO begreifen und nach dieser Vorschrift analysieren139. Trück begründet dies zum einen mit der Gesetzeshistorie des § 81e Abs. 2 StPO140. Durch den weiten Begriff des aufgefundenen Materials seien sowohl am 134
So z. B. ohne nähere Begründung dafür Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81e, Rn. 3, Fn. 16; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81e, Rn. 3; Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 27 a. E.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 8, Fn. 34. 135 BGH ErmR, Beschl. v. 21. 03. 2007 – 1 BGs 96/2007, S. 3; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81e, Rn. 2; ohne Begründung Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81e, Rn. 3; Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 27. 136 Goers, in: BeckOK-StPO, § 81e, Rn. 2. 137 Goers, a. a. O.; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81e, Rn. 3; Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 27 a. E.; ebenso Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81e, Rn. 3, Fn. 16, der allerdings heimlich erlangtes Material als aufgefundenes Material i. S. v. § 81e Abs. 2 StPO ansieht, obwohl der BGH auf § 81e Abs. 1 StPO rekurriert. 138 BGH ErmR, Beschl. v. 21. 03. 2007 – 1 BGs 96/2007, S. 3. 139 Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 12; ohne Begründung Beukelmann, in: Radtke/ Hohmann, StPO, § 81e, Rn. 3, Fn. 16; Rogall, in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 8, Fn. 34. 140 Zum Ganzen Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 12.
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Tatort zurückgelassene Körperzellen erfasst als auch solche, die die Strafverfolgungsbehörden i. R. e. Observation sichergestellt hätten. § 81e StPO differenziere in Abs. 1 und Abs. 2 nicht danach, ob der Spurenleger bekannt sei, sondern nach der Art und Weise der Erlangung. Während § 81e Abs. 1 StPO durch den Verweis auf die §§ 81a, 81c StPO notwendigerweise ein offenes Vorgehen der Ermittlungsbehörden gebiete, tue dies der Wortlaut des Abs. 2 StPO, da nur vom Körper losgelöste Zellen aufgefunden werden könnten. Von dem Ergebnis, dass verdeckte Maßnahmen im Rahmen des § 81e StPO zulässig seien, sei auch der historische Gesetzgeber ausgegangen. So sei deshalb in die Vorschrift des § 101 Abs. 1 S. 1 StPO a. F. (heute § 101 Abs. 4 S. 1 StPO), die die Benachrichtigungspflicht bei verdeckten Maßnahmen regelt, die Vorschrift des § 81e StPO eingefügt wurden. Transparenz bei Maßnahmen zu schaffen, die dem Betroffenen verborgen bleiben, sei Ziel des Gesetzgebers gewesen. Folglich müsse der Gesetzgeber auch von der Möglichkeit verdeckter DNA-Analysen durch § 81e Abs. 2 StPO ausgegangen sein. Die zwischenzeitlich erfolgte Tilgung des § 81e StPO aus der Liste des § 101 Abs. 1 S. 1 StPO a. F. bzw. § 101 Abs. 4 S. 1 StPO n. F. ändere nichts. Grund der Streichung sei gewesen, dass der Gesetzgeber einerseits davon ausging, dass der Spurenleger bei Maßnahmen nach § 81e Abs. 2 StPO unbekannt und eine Benachrichtigung deshalb nicht möglich sei, andererseits aber auch, dass der Betroffene im Laufe des weiteren Ermittlungsverfahrens ohnehin informiert würde und eine Benachrichtigung deshalb unnötig sei. Ferner verstoße ein auf § 81e Abs. 2 StPO gestütztes, heimliches Vorgehen nicht gegen den nemo-tenetur-Grundsatz. Ein Schutz vor unbewusster Selbstbelastung bestehe nicht. Es sei vielmehr Ausfluss des allgemeinen Lebensrisikos, Spuren zu hinterlassen141. Diese zu verwenden, habe der Gesetzgeber den Strafverfolgungsbehörden gerade ermöglichen wollen. Zulässig sei deshalb, nach solchen zu suchen. Eine Ausnahme davon sei nach Trück aber dann zu machen, wenn die Strafverfolgungsbehörden die Anordnungsvoraussetzungen der §§ 81a, 81c StPO bewusst umgingen142. Dies sei etwa der Fall, wenn der Beschuldigte sich bereits in Gewahrsam der Behörden befinde und die Strafverfolgungsbehörden dann vom Körper abgelöste Körperzellen aus diesem Gewahrsam als Spurenmaterial gem. § 81e Abs. 2 StPO analysierten. Es sei vom Wortsinn des Auffindens nämlich nicht mehr gedeckt, wenn die Strafverfolgungsbehörden bereits Zugriff auf das Material vor seiner Entstehung hätten (z. B. durch das das Aufsammeln von Hautschuppen) oder
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So für das unbewusste Hinterlassen von Spuren Neuhaus, in: HK-GS, § 81e StPO, Rn. 3 f. 142 Dazu Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 13; ferner Neuhaus, in: HK-GS, § 81e StPO, Rn. 4.
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seine Entstehung erst ermöglichten (z. B. durch das Anbieten von Zigaretten oder Getränken)143. c) Keine Verwendung heimlich erlangten Materials Teilweise wird aber auch vertreten, heimlich erlangtes Material sei überhaupt kein tauglicher Untersuchungsgegenstand für DNA-Analysen144. Schmitt hält die oben garstellte Entscheidung des BGH zumindest für zweifelhaft, da § 81e StPO insgesamt nicht an heimliche Maßnahme anknüpfe145. Bosch verweist insofern auf den Wortlaut des § 81e Abs. 1 StPO, der nur auf die §§ 81a und 81c StPO verweise. Es sei deshalb gerade sub specie des Gesetzesvorbehaltes des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bedenklich, wenn heimlich erlangtes Material Gegenstand einer DNA-Analyse nach § 81e Abs. 1 StPO sein könne146. Die Streitfrage, ob heimlich erlangtes Material analysiert werden dürfe, habe sich auch nicht durch die Neufassung des § 81e Abs. 2 StPO erledigt, da Material in diesem Sinne eben nicht heimlich gewonnen werde. Der Gesetzgeber hätte, so er heimlich erlangtes Material als Material i. S. v. § 81e Abs. 2 StPO begriffen habe wollte, eine Klarstellung vornehmen können. Der Gesetzgeber habe aber die zugrundeliegende Problematik nicht verstanden. Das zeige schon sein „unzutreffende[r] Verweis auf BeckOK/Meyer § 81e Rn. 1 f.“147. § 81e Abs. 2 StPO zeige, dass es dort um Material gehe, das noch nicht einer Person zugeordnet werden könne. Dies sei bei heimlich erlangtem Material gerade anders148. Eisenberg begründet seine ablehnende Auffassung damit, dass das heimliche Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden in diesen Fällen gegen das nemo-teneturPrinzip verstoße, weil der Betroffene somit unfreiwillig an seiner Überführung mitwirke149. Heimlich erlangte Körperzellen des Betroffenen würden nicht vernichtet, so man sie gem. § 81e Abs. 2 StPO analysierte, da § 81e Abs. 2 S. 3 StPO nur 143
Dafür auch Eisenberg, Rn. 1684a; vgl. ebenso Neuhaus, in: HK-GS, § 81e StPO, Rn. 4; Lee, S. 87, die indes keine Analyse von Zellen bekannter Spurenleger auf Grundlage des § 81e Abs. 2 StPO zulassen möchte, weil in diesen Fällen der Spurenleger bekannt ist. 144 Beck, S. 96 f.; Eisenberg, Rn. 1684 ff.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81e, Rn. 7; ders., in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 7; ders., Jura 2021, 41 (42); Lee, S. 87; Neuhaus, in: HK-GS, § 81e StPO, Rn. 3; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81e, Rn. 5. 145 Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81e, Rn. 5; i. E. ebenso Rogall, in: SKStPO I, § 81e, Rn. 8, Fn. 34. 146 Bosch, in: KMR-StPO, § 81e, Rn. 7; ders., in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 7. 147 Bosch, in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 7. Tatsächlich verweist der Gesetzgeber in der von Bosch zitierten Stelle (BT-Drucks. 18/11277, S. 22) nicht auf Meyer, sondern auf Ritzert, in: BeckOK-StPO, 27. Ed., § 81e, Rn. 1 f. Die entspricht auch der zum Zeitpunkt der Erstellung der Drucksache (22. 02. 2017) vorliegenden 27. Edt. des BeckOK-StPO. 148 Bosch, Jura 2021, 41 (42). 149 Zum Ganzen Eisenberg, Rn. 1684 ff.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
die Verwendungsregel des § 81a Abs. 3 Hs. 1 StPO, nicht aber auf die Vernichtungsregel des § 81a Abs. 3 Hs. 2 StPO verweise. Das Vernichtungsgebot, das § 81a III Hs. 2 StPO für den Beschuldigten und i. V. m. § 81c Abs. 5 S. 2 für den Dritten anordnet, würde entwertet, wenn man darüber hinausgehend Spuren bekannter Spurenleger gem. § 81e Abs. 2 StPO analysieren könnte150. Ferner drohte die Voraussetzung einer hoheitlichen Anordnung, wie sie § 81a Abs. 2 S. 1 StPO und § 81c Abs. 5 S. 1 StPO aufstellen, umgangen zu werden. Das Untersuchungsverweigerungsrecht des Dritten gem. § 81c Abs. 3 StPO würde mitsamt den dazugehörigen Belehrungspflichten (§ 81c Abs. 3 S. 2 Hs. 2 Alt. 2 StPO i. V. m. § 52 Abs. 3 StPO) gleichsam umgangen. Die §§ 81a, 81c StPO gingen erkennbar von einer offenen Vorgehensweise der Strafverfolgungsbehörden aus. Spurenmaterial nach § 81e Abs. 2 StPO könne nur solches Material sein, das für Vergleiche mit dem nach §§ 81a, 81c StPO gewonnenem Material diene151. Zulässig sei einzig die Suche nach Spuren „ohne vergleichbare Veranlassung“, die bereits hinterlassen wurden. Beck möchte zwar de lege ferenda heimlich erlangte Körperzellen als Untersuchungsgegenstand gem. § 81e Abs. 1 StPO in „besonderen Fällen“ zulassen, ohne zu definieren, was besondere Fälle sein sollen152. Sie hält de lege lata ihre Analyse aber für unzulässig und rekurriert in Anlehnung an Bosch ebenso auf den Wortlaut. Es sei von einem „abschließenden Regelungssystem“ auszugehen, wenn der Gesetzgeber explizit auf zwei Normen beziehe. Sub specie des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung wäre bedenklich, wenn für die Zellgewinnung nicht mehr §§ 81, 81c StPO mit ihren speziellen Schutzvorkehrungen in Form von Zweckbindungsund Vernichtungsanordnungen maßgeblich wären, sondern nur noch die §§ 94 ff. StPO. Eine Vermischung der Maßnahmen nach § 81e Abs. 1 StPO und Abs. 2 drohe, wenn man Material nach Abs. 2 analysieren würde, das von einem bekannten Spurenleger stammt. Das zeige sich schon darin, dass die Problematik in der Literatur sowohl bei § 81e Abs. 1 als auch bei § 81e Abs. 2 StPO diskutiert würde. § 81e Abs. 2 StPO sei grundsätzlich auf den Fall zugeschnitten, dass noch nicht bekannt sei, wer der Spurenleger ist. Ein Verständnis, das auch die Analyse der DNA bekannter Spurenleger auf Grundlage von § 81e Abs. 2 StPO zuließe, führe mangels Verweis auf § 81a Abs. 3 Hs. 2 StPO zu einer zeitlich unbegrenzten Asservierung der Körperzellen, was nach aber § 81a III Hs. 2 StPO, ggf. i. V. m. § 81c Abs. 5 S. 2 StPO gerade ausgeschlossen sein solle. Frister weist letzten Endes noch auf den neu geschaffenen § 81e Abs. 2 S. 4 StPO hin. Dieser verbiete heimliches Vorgehen, da die so gewonnenen DNA-Proben nicht „aufgefunden“ i. S. d. Vorschriften seien153. 150
Zustimmend Antonow, S. 152. Zur Auffassung, dass § 81a StPO heimlich Vorgehen nicht gestatte auch Rogall, in: SKStPO I, § 81e, Rn. 8, Fn. 34. 152 Zum Ganzen Beck, S. 96 f. mit Gesetzesvorschlag auf S. 101. Ob dies eine auf S. 97 geforderte „klare Regelung“ ist, erscheint zweifelhaft. 153 Frister, in: Lisken/Denninger, Hdb. PolR, F., Rn. 300. 151
§ 1 Die Gewinnung von Untersuchungsmaterial
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3. Stellungnahme Im Kern hängt die Beantwortung der Frage, ob eine DNA-Analyse gem. § 81e StPO heimlich erlangten Materials statthaft ist, davon ab, ob die heimliche Erlegung nach §§ 81a, 81c StPO durchgeführt werden kann – dann wäre § 81e Abs. 1 StPO einschlägig –, oder es bei solchem Material um aufgefundenes, sichergestelltes oder beschlagnahmtes i. S. d. § 81e Abs. 2 StPO handelt. Mit anderen Worten geht es um eine Auslegung einerseits der §§ 81a, 81c, 81e Abs. 1 StPO und andererseits des § 81e Abs. 2 StPO. a) Auslegung des § 81e StPO nach dem Wortlaut aa) Wortlaut des § 81e Abs. 1 StPO (1) Ausschließlicher Verweis auf §§ 81a, 81c StPO Zustimmung verdient zwar die Ansicht, die in Bezug auf den Wortlaut des § 81e Abs. 1 StPO annimmt, ein Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden jenseits der §§ 81a, 81c StPO sei nicht zulässig. Der von Beck gewählte Begriff des „abschließenden Regelungssystems“ erscheint passend154. Die Wortlautgrenze würde überschreiten, wenn man gem. § 81e Abs. 1 StPO die Analyse solchen Materials zuließe, das jenseits der der §§ 81a, 81c StPO, etwa auf Grundlage der Generalklausel155 erlangt wurde. Dass eine heimliche Gewinnung der Körperzellen gänzlich ausgeschlossen ist, ist damit aber nicht gesagt. Es handelt sich nicht um eine Frage, die anhand des § 81e Abs. 1 StPO zu lösen ist. § 81e Abs. 1 StPO stellt nur Rechtmäßigkeitsanforderungen an die DNA-Analyse und beschränkt sich seinem Anwendungsbereich nach auf Material, das nach § 81a oder § 81c StPO erlangt wurde. Ob heimlich erlangtes Material Gegenstand der DNA-Analyse nach § 81e Abs. 1 StPO sein kann, ist deshalb zuvorderst eine Frage der Ermächtigungsgrundlagen, die die Zellgewinnung regeln, auf die in § 81e Abs. 1 StPO Bezug genommen wird – also der §§ 81a, 81c StPO156. (2) Heimliches Erlangen von Zellen auf Grundlage der §§ 81a, 81c StPO? Zu fragen ist deshalb, ob §§ 81a, 81c StPO heimliches Vorgehen der Ermittlungsbehörden vorsehen. 154
Vgl. Beck, S. 96. Dazu Beck a. a. O. 156 So wohl Neuhaus, in: HK-GS, § 81e StPO, Rn. 3, der heimliches Vorgehen als einen Verstoß gegen § 81a StPO ansieht, ohne dies zu begründen; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81e, Rn. 5, der meint, § 81e StPO knüpfe nicht heimliche Ermittlungsmaßnahmen an; i. E. ebenso Rogall, in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 8, Fn. 34, der davon ausgeht, § 81a StPO gestatte keine heimlichen Maßnahmen. 155
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
(a) Wortlaut der §§ 81a, 81c StPO Zwar schweigt sich der Wortlaut der §§ 81a, 81c StPO zu der Frage, ob heimliches Vorgehen gestattet werden soll, aus. Der Begriff des körperlichen Eingriffs i. R. d. § 81a StPO wird aber geheimhin definiert als die Entnahme von Körperbestandteilen157. Im hier beschriebenen Szenario werden aber keine Zellen entnommen. Sie sind vielmehr schon entnommen bzw. nur verloren worden. Diese Umschreibung des körperlichen Eingriffs ist zwar selbst nur Ergebnis einer Auslegung und nicht Wortlaut des § 81a StPO. Der Begriff des körperlichen Eingriffs setzt aber doch eine Mitwirkung des Eingreifenden voraus, ansonsten würde begrifflich nicht eingegriffen. Daher spricht zumindest der Wortlaut des § 81a StPO bereits dagegen, heimliches Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden auf seiner Grundlage zu gestatten. Nichts anderes kann für § 81c StPO gelten, der den Begriff des körperlichen Eingriffs – aus Schutzgründen158 – gar nicht verwendet. Erneut kann es nicht angehen, dass der Nichtbeschuldigte deshalb schlechter steht, weil der Begriff nicht verwendet wird. Das täte er aber, so aber § 81c, nicht aber § 81a StPO ein heimliches Vorgehen zulässig wäre. (b) Umgehung der hoheitlichen Anordnungskompetenz Kein Argument ist eine drohende Umgehung der Anordnungsvoraussetzungen. Denn das Gebot einer vorherigen richterlichen Anordnung sieht die StPO auch bei Maßnahmen vor, die heimlich vollzogenen werden. Die in § 101 Abs. 4 S. 1 StPO aufgezählten Maßnahmen müssen nach der gesetzgeberischen Intention zwangsläufig heimlich durchgeführt werden, ansonsten wäre eine nachträgliche Benachrichtigung sinnlos. So ist die dort genannte Telekommunikationsüberwachung nach § 100a StPO gem. § 100e Abs. 1 S. 1 StPO grundsätzlich durch das Gericht anzuordnen, die Online-Durchsuchung nach § 100b StPO und die akustische Wohnraumüberwachung nach § 100c StPO sind sogar gem. § 100e Abs. 2 S. 1 StPO i. V. m. § 74a Abs. 4 GVG grundsätzlich von einer nicht mit dem Hauptverfahren befassten Strafkammer des Landgerichtes anzuordnen. Der Einsatz eines verdeckten Ermittlers, der begriffsnotwendig schon heimlich agieren muss, bedarf grundsätzlich gem. § 110a Abs. 1 StPO staatsanwaltschaftlicher, in bestimmten Konstellationen gem. § 110b Abs. 2 S. 1 StPO sogar gerichtlicher Zustimmung. Selbst die längerfristige Observation bedarf gem. § 163f Abs. 3 StPO grundsätzlich gerichtlicher Anordnung. Die Beispiele zeigen, dass heimliches Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden nicht im Widerspruch zu einer hoheitlichen Anordnungskompetenz steht. Der Betroffene muss schließlich nicht vor Beginn der Maßnahme von der Anordnung informiert werden; § 33 StPO ist gem. Abs. 4 S. 1 in den Fällen heimlichen Vorgehens nicht anzuwenden, da das Offenlegen der Maßnahme durch eine vorherige Anhörung den
157 158
Vgl. schon oben Kap. 4 § 1 I. 1. b) aa) m. w. N. dort in Fn. 9. Vgl. schon oben Kap. 4 § 1 I. 2. b) gg).
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Zweck heimlichen Handelns, der ja gerade darin besteht, dass der Betroffene nicht in Anbetracht staatlicher Konfrontation handeln soll, stets gefährden würde159. Heimliche Maßnahmen stehen nicht im Widerspruch zu einem Gebot hoheitlicher Anordnung. Deshalb ist das Argument, es drohe eine Umgehung der Anordnungsvoraussetzungen, zumindest im Hinblick auf §§ 81a, 81c StPO nicht stichhaltig. Freilich durchschlagend ist es, wenn damit begründet werden soll, dass jenseits der §§ 81a, 81c StPO keine Körperzellen von einem bekannten Spurenleger gewonnen werden dürfen. Würde die entsprechende Ermächtigungsgrundlage keine hoheitliche Anordnung verlangen, drohten tatsächlich die Anordnungsvoraussetzungen der §§ 81a, 81c StPO umgangen zu werden. (c) Umgehung des Untersuchungsverweigerungsrechts Zutreffend dagegen ist der Einwand, eine heimliche Gewinnung von Zellmaterial durch Strafverfolgungsbehörde unterminiere das Untersuchungsverweigerungsrecht des § 81c Abs. 3 StPO. Das Untersuchungsverweigerungsrecht soll den Betroffenen davor schützen, an der Überführung eines Verwandten mitwirken zu müssen160. § 81c Abs. 3 S. 2 Hs. 2 Alt. 2 StPO i. V. m. § 52 Abs. 3 StPO schreibt eine Belehrung über das Recht vor, damit der Betroffene es wahrnehmen kann. Könnten die Strafverfolgungsbehörden heimlich Zellmaterial des Dritten gem. § 81c StPO erlangen, so könnten sie ihrer Belehrungspflicht nicht nachkommen. Heimliches Vorgehen und die Belehrung darüber, dass der Betroffene Zellen nicht zur Verfügung stellen muss, schließen sich aus. Hat der Dritte keinen Einfluss darauf, ob die Strafverfolgungsbehörden seine Zellen zur Überführung eines Verwandten nutzen, so wirkt er – wenn auch nicht beabsichtigt – an der Überführung des Verwandten mit. Davor will § 81c Abs. 3 StPO aber gerade schützen. Das Untersuchungsverweigerungsrecht würde in der Praxis gänzlich unterminiert, wenn heimlich Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden auf Grundlage des § 81c StPO zulässig wäre. Warum sollten die Strafverfolgungsbehörden dann überhaupt noch den komplizierten Weg einer offenen Vorgehensweise wählen, wenn sie nach kurzer Beobachtung des Dritten DNA-haltige Zellen einfach aufsammeln könnten161?
159 Hauck, in: LR-StPO III/1, § 101, Rn. 1; Mosbacher/Claus, in: SSW-StPO, § 33, Rn. 12; Valerius, in: MüKo-StPO I, § 33, Rn. 32; Ziegler, in: KMR-StPO, § 33, Rn. 21. Deshalb werden die genannten, heimlichen Maßnahmen von § 33 Abs. 4 S. 1 StPO erfasst, vgl. Bosbach, in: HKGS, § 33 StPO, Rn. 10; Graalmann-Scheerer, in: LR-StPO I, § 33, Rn. 41; Maul, in KK-StPO, § 33, Rn. 12; Pollähne, in: HK-StPO, § 81e, Rn. 11; Rappert, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 33, Rn. 33; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 33, Rn. 15; Weßlau/Weißer, in: SK-StPO, § 33, Rn. 23 f. 160 BGHSt 13, 394 (399); NStZ-RR 2018, 319; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81c, Rn. 12; Bosch, in: KMR-StPO, § 81c, Rn. 21; ders., in: SSW-StPO, § 81c, Rn. 18; Eisenberg, Rn. 1670; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81c, Rn. 21; Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 31; Rogall, in: SK-StPO, § 81c, Rn. 40 f. 161 Vgl. dazu Beck, S. 101 zu § 81a StPO.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
Es ist daher davon auszugehen, dass § 81c StPO ausschließlich ein offenes Vorgehen erlaubt. Gleichwohl ist damit keine Aussage darüber getroffen, ob i. R. d. § 81a StPO heimliche Maßnahmen zulässig sind. (d) Der Arztvorbehalt Gemein ist § 81a und § 81c StPO, dass die Maßnahmen unter dem Vorbehalt der Durchführung eines Arztes stehen (vgl. §§ 81a Abs. 2 S. 1, 81c Abs. 2 S. 2 StPO). Wenn kraft gesetzlicher Anordnung die Mitwirkung eines Arztes vorgesehen ist, so muss man realistischerweise von einem offenen Vorgehen der Ermittlungsbehörden ausgehen. Denn es kann nicht ernsthaft angenommen werden, dass es einem Arzt vorbehalten sein sollte, eine weggeworfene Zigarettenkippe aufzusammeln. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass nach hier vertretener Auffassung der Arztvorbehalt beim Wangenabstrich gem. § 81a Abs. 1 S. 2 Alt. 2 StPO bzw. analog § 81c Abs. 2 StPO nicht gelten soll162. Beim Wangenabstrich handelt es nämlich um eine verhältnismäßig neue Methode der Zellgewinnung, die vom Gesetzgeber bei der Schaffung und den Novellierungen der §§ 81a, 81c StPO noch nicht bedacht wurde, während die Untersuchung von am Tatort gefundenen Material seit jeher zu den Aufgaben der Strafverfolgungsbehörden zählt. Die Untersuchung von Tatortspuren fällt offenkundig nicht in den Anwendungsbereich der §§ 81a, 81c StPO. Folgt man dem hier vertretenen Ansatz, dass der Arztvorbehalt nicht uneingeschränkt gilt, nicht, so muss man erst recht zu dem Ergebnis gelangen, dass die §§ 81a, 81c StPO heimliches Vorgehen nicht gestatten. Ansonsten umgingen ihn die Strafverfolgungsorgane durch heimliches Vorgehen. (e) Die Vorschrift des § 101 StPO Für die Beantwortung der Frage, ob eine Ermächtigungsgrundlage heimliches Vorgehen gestattet, ist die Vorschrift des § 101 StPO von Bedeutung. Die Norm, die die amtliche Überschrift „Verfahrensregelungen bei verdeckten Maßnahmen“ trägt, regelt in Abs. 4 S. 1 StPO, dass grundsätzlich der von einer heimlichen Maßnahme Betroffene über deren Ausführung zu benachrichtigen sind. Die Norm erfasst die meisten heimlichen Maßnahmen163; und die heimlichen Maßnahmen, die in § 101 StPO keine Regelung erfahren haben, sind häufig von einer speziellen Regelung flankiert (vgl. z. B. § 101a Abs. 6, 7 StPO). Maßnahmen nach §§ 81a, 81c StPO zählen aber weder zu den von der allgemeinen Vorschrift des § 101 StPO erfassten, noch haben sie eine spezielle Regelung 162
Vgl. dazu schon oben Kap. 4 § 1 I. 1. b) ff) und Kap. 4 § 1 I. 2. b) gg). BT-Drucks. 16/5864, S. 57; BGH, NStZ 2015, 704 (705); Bär, in: KMR-StPO, § 101, Rn. 7; Bruns, in: KK-StPO, § 101, Rn. 1; Eisenberg, Rn. 2549; Eschelbach, in: SSW-StPO, § 101, Rn. 1; Gercke, in: HK-StPO, § 101, Rn. 1; Günther, in: MüKo-StPO I, § 101, Rn. 2; Hartmann, in: HK-GS, § 101 StPO, Rn. 1; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 101, Rn. 1; Löffelmann, in: AnwKo-StPO, § 101, Rn. 1; Röwer, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 101, Rn. 1; Wolter/Jäger, in: SK-StPO II, § 101, Rn. 1. 163
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erfahren. Es würde sich in das System der StPO nicht einfügen, wenn ausschließlich die §§ 81a, 81c StPO ohne gesetzliche Regelung über die Benachrichtigungspflicht ein heimliches Vorgehen der Ermittlungsbehörden gestatten würden. (f) Zwischenergebnis Insgesamt sprechen die besseren Argumente dafür, die §§ 81a, 81c StPO so auszulegen, dass ein heimliches Vorgehen der Ermittlungsbehörden auf ihrer Grundlage nicht möglich ist. (3) Ergebnis Wenn also §§ 81a, 81c StPO heimliche Ermittlungsmaßnahmen nicht stützen, und der Wortlaut des § 81e Abs. 1 StPO jenseits dieser beiden Ermächtigungsgrundlagen eine Zellgewinnung nicht zulässt, kann eine heimliche Zellgewinnung nicht auf § 81e Abs. 1 StPO gestützt werden. bb) Wortlaut des § 81e Abs. 2 StPO Wiewohl § 81e Abs. 2 StPO mit den Varianten der Sicherstellung und Beschlagnahme auf zwei offene Ermittlungsmaßnahmen Bezug nimmt164, so gäbe es die Variante des Auffindens gleichwohl her, das heimlich erlangte Zellmaterial ihr zu subsumieren. Zwar setzt Finden nach allgemeinem Sprachgebrauch typischerweise ein vorheriges Suchen voraus, das ja gerade fehlt, wenn die Strafverfolgungsbehörden während einer Observation darauf warten, dass der Observierte eine Zigarettenkippe fallen lässt. Der Wortlaut würde nicht überstrapaziert, wenn das Auflesen derselben der Variante des Auffindens subsumiert würde165. b) Systematische Auslegung aa) Vergleich mit anderen heimlichen Maßnahmen Eine systematische Auslegung des § 81e StPO insgesamt spricht gegen eine Analyse von heimlich erlangtem Material. Denn dort, wo der Gesetzgeber heimliches Vorgehen der Ermittlungsbehörden ermöglicht, verknüpft er dies in der Regel mit dem Erfordernis einer qualifizierten Anlasstat (vgl. etwa §§ 100a Abs. 1, 2 StPO, 100b Abs. 1, 2 StPO, 100c Abs. 1 Nr. 1 StPO, 100f Abs. 1 StPO, 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO, 163f Abs. 1 S. 1 StPO) oder mit einer Subsidiaritätsklausel (vgl. §§ 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO, 100b Abs. 1 Nr. 3 StPO, 100c Abs. 1 Nr. 4 StPO, 163f Abs. 1 S. 2 StPO). Damit trägt der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung, dass nach verfassungsgerichtlicher Judikatur heimliches Handeln im Rechtsstaat eine Ausnahme 164 165
BGH, NStZ 2015, 704 (705). So aber wohl Frister, in: Lisken/Denninger, Hdb. PolR, F., Rn. 300.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
sein muss166 und es dem Betroffenen in derartigen Fällen an Mitwirkungsmöglichkeiten fehlt167. Maßnahmen nach § 81e StPO setzen aber nur einen Anfangsverdacht irgendeiner Straftat voraus168. Auf das Erfordernis einer qualifizierter Anlasstaten169, eines gesteigerten Verdachtsgrades170 sowie auf eine Subsidiaritätsklausel171 hat der Gesetzgeber bewusst verzichtet172. Das spricht eher für eine offene Vorgehensweise der Ermittlungsbehörden auch i. R. d. § 81e Abs. 2 StPO
166
BVerfG, NJW 2008, 822 (830); NJW 2007, 2464 (2489 f.). BVerfG, NJW 2008, 822 (830). 168 LG Bielefeld, DVP 2011, 175; LG Ravensburg, NStZ-RR 2010, 18; LG Hildesheim, NStZ 2006, 360; LG Mainz, NStZ 2001, 499 (500); Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81e, Rn. 3; Brauer, in: HK-StPO, § 81e, Rn. 9; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 27 f.; Eisenberg, Rn. 1682; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81e, Rn. 3; Krause, in: FS Rieß, 261 (267); ders., in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 26; Montag, in: BT-Fraktion B’90/Grüne (Hrsg.), Genetischer Fingerabdruck, 3; Rogall, in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 4; Senge, NJW 1997, 2409 (2411); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81e, Rn. 7; Schulz, JRE 7 [1999], 195 (204); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 3; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81e, Rn. 3; Warntjen, S. 180; Zöller/ Thörnich, ZIS 2017, 331 (333). 169 Dazu Brauer, in: HK-StPO, § 81e, Rn. 9; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 30; Burr, S. 154; Frister, in: Lisken/Denninger, Hdb. PolR, F., Rn. 299; Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 26; dafür noch Dix, DuD 1989, 235 (237); Keller, NJW 1989, 2289 (2296). Dies gilt entgegen Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (495) auch für die neu ermöglichten, phänotypischen Feststellungen. 170 Dazu LG Ravensburg, NStZ-RR 2010, 18; LG Mainz, NStZ 2001, 499; Bosch, in: KMRStPO, § 81e, Rn. 13; ders., in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 13; Brauer, in: HK-StPO, § 81e, Rn. 9; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1668; Frister, in: Lisken/Denninger, Hdb. PolR, F., Rn. 299; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81e, Rn. 3; Kaefer, Kriminalistik 2000, 210 (213); Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 26; Neuhaus, in: HK-GS, § 81e StPO, Rn. 2; Rogall, in: SKStPO I, § 81e, Rn. 4; Senge, NJW 1997, 2409 (2411); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81e, Rn. 7; Warntjen, S. 180. Für das Erfordernis dringenden Tatverdachts vgl. aber den Entwurf der SPD-Fraktion zur Einführung der §§ 81e, 81f StPO vom 27. 11. 1995, BT-Drucks. 13/3116, S. 2, B Nr. 6, S. 4; ebenso Dix, DuD 1989, 235 (237); Keller, NJW 1989, 2289 (2296); krit. dazu Burghard, Kriminalistik 1998, 207; Harbort, Kriminalistik 1994, 350 (351). 171 Dazu Bosch, in: KMR-StPO, § 81e, Rn. 13; ders., in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 13; Brauer, in: HK-StPO, § 81e, Rn. 9; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1670; Burr, S. 155; Kaefer, Kriminalistik 2000, 210 (213); Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 26; Müller, Die Polizei 2002, 202 (203); Neuhaus, in: HK-GS, § 81e StPO, Rn. 2; Rogall, in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 4; Senge, NJW 1997, 2409 (2411); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81e, Rn. 7; Warntjen, S. 180; a. A. Wollweber, NJW 2002, 1771 (1772); seit der Gesetzes-Novelle 2017 wohl auch Goers, in: BeckOK-StPO, § 81e, Rn. 1; für eine Subsidiaritätsklausel vor Einführung des § 81e StPO Dix, DuD 1989, 235 (237); Gössel, in: GS Meyer, 121 (145); Koriath, JA 1993, 270 (278). 172 Vgl. BT-Drucks. 13/667, S. 6: „Für die Zulässigkeit der Untersuchung selbst wird auf eine besondere Einsatzschwelle verzichtet.“ Laut Bula, Der Kriminalist 1997, 347 (348) dient dies der frühzeitigen Aussonderung Unschuldiger und dem Verzicht auf eingriffsintensivere Maßnahmen. 167
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bb) Vergleich des § 81e Abs. 2 StPO mit § 81e Abs. 1 StPO i. V. m. § 81a Abs. 3 Hs. 2 StPO Auffallend ist ebenso, dass § 81e Abs. 1 StPO durch seinen Verweis auf §§ 81a, 81c StPO die Vernichtungsanordnung des § 81a Abs. 3 Hs. 2 StPO – ggf. über § 81c Abs. 5 S. 2 – zur Geltung bringt. Dies gilt für § 81e Abs. 2 StPO nicht. Daraus folgt, dass das für § 81e Abs. 2 StPO gewonnene Material keiner Vernichtungsanordnung unterliegt173. Teilweise wird aus der Tatsache, dass das in Abs. 2 angesprochene Material nicht vernichtet werden muss, ein Verbot der Vernichtung bzw. ein Gebot der Asservierung geschlussfolgert174. Dies wird – insofern zutreffend – damit begründet, dass das am Tatort gefundene Material nach der Vernichtung unwiederbringlich verloren wäre175, was insbesondere in Wiederaufnahmeverfahren von Nachteil sei176. Zellen eines Beschuldigten oder Dritten können aber jederzeit wieder gewonnen werden177. Die Begründung passt aber nicht zur Annahme, heimlich erlangtes Material sei Material i. S. d. § 81e Abs. 2 StPO. Denn wenn der Spurenleger bekannt ist, kann unter den Voraussetzungen der §§ 81a, 81c StPO ebenso jederzeit erneut DNAhaltiges Material gewonnen werden. Die Vernichtungsanordnung des § 81a Abs. 3 Hs. 2 StPO wurde im gleichen Zuge wie § 81e StPO in die StPO aufgenommen. Sie soll verhindern, dass angefallenes
173 BT-Drucks. 13/667, S. 7; Altendorfer, S. 119 f.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81e, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 12; Brauer, in: HK-StPO, § 81e, Rn. 13; Bula, Der Kriminalist 1997, 347 (348); Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1675; Eisenberg, Rn. 1684, 1686; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81e, Rn. 16; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81e, Rn. 6; Kaefer, Kriminalistik 2000, 210 (214); Karioth, Die Polizei 1997, 195 (201); Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 39; Neuhaus, in: HK-GS, § 81e StPO, Rn. 8; Rath/Brinkmann, NJW 1999, 2697 (2699); Rogall, in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 17; Senge, NJW 1999, 2409 (2411); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81e, Rn. 12; Schneider, in: Bäumler (Hrsg.), Polizei und Datenschutz, 215 (223); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 26; Warntjen, S. 180 f.; West, S. 263. Für eine zeitlich unbegrenzte Asservierungsdauer deshalb Neuser/Heidorn/Verhoff, ArchKrim 210 [2002], 95 (98 f.). 174 Altendorfer, S. 120; Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 39; Neuhaus, in: HK-GS, § 81e StPO, Rn. 8; Rogall, in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 17; Warntjen, S. 180 f.; West, S. 263, Fn. 1180. 175 Bosch, in: KMR-StPO, § 81e, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 12; Eisenberg, Rn. 1686; Karioth, Die Polizei 1997, 195 (201); Neuhaus, in: HK-GS, § 81e StPO, Rn. 8; Neuser/Heidorn/Verhoff, ArchKrim 210 [2002], 95; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 26; West, S. 263, Fn. 1180. 176 Eisenberg, Rn. 1686; Karioth, Die Polizei 1997, 195 (201); Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 39; Neuser/Heidorn/Verhoff, ArchKrim 210 [2002], 95 mit Beispielsfall 5 auf S. 96; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 26; West, S. 263, Fn. 1180; vgl. auch Senge, NJW 1999, 2409 (2410). 177 Bosch, in: KMR-StPO, § 81e, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 12; Eisenberg, Rn. 1686; Hilger, NStZ 1997, 371 (372); Neuser/Heidorn/Verhoff, ArchKrim 210 [2002], 95; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 26; West, S. 263, Fn. 1180.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
Material erneut zu anderen Zwecken verwendet wird178. Dieser Schutzzweck würde konterkariert, sollte das heimlich erlangte Material eines bekannten Spurenlegers ohne zeitliche Begrenzung asserviert werden können. Daher ist den Stimmen zuzustimmen, die wegen der Vernichtungsanordnung des § 81a Abs. 3 Hs. 2 StPO heimliches Vorgehen der Ermittlungsbehörden ausschließen wollen. cc) Verwendung in künftigen Verfahren, § 81g StPO Das gleiche muss ferner gelten sub specie § 81g StPO. Denn gem. § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO darf das DNA-Identifikationsmuster, das einer Analyse gem. § 81e Abs. 1 StPO entstammt, nur unter den strengen Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO gespeichert werden, während das aus einer Analyse nach § 81e Abs. 2 StPO gewonnene Muster uneingeschränkt gespeichert werden kann179. Die strengen Voraussetzungen der Speicherung des § 81g Abs. 1, Abs. 5 S. 2 StPO würden unterminiert, wenn die Behörden über § 81e Abs. 2 StPO im Wege heimlichen Vorgehens eine DNA-Analyse ermöglichen könnten. c) Historische Auslegung aa) Entwicklung des § 81e StPO (1) Fassung von 1997 bis 2017 Trück stützt seine Auffassung, heimlich erlangtes Material sei tauglichen Untersuchungsgegenstand nach § 81e Abs. 2 StPO, auf eine historische Auslegung180. Zutreffend ist insoweit, dass der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren über die Einführung des § 81e StPO verschlug, den Wortlaut des § 81e Abs. 2 StPO so zu fassen, dass dieser von Material spricht, „das auf andere Weise als nach §§ 81a, 81c StPO erlangt“ wurde181. In dieser Fassung hätte es der Wortlaut zweifelsohne hergegeben, heimlich erlangtes Material darunter zu fassen. Der Änderungsvorschlag basierte auf der Vorstellung, dass klargestellt werden müsse, dass auch nach § 94 StPO erlangtes Material tauglicher Untersuchungsgegenstand sei182. Ein Hinweis darauf, dass der Vorschlag in der Intention geschah, heimlich erlangtes Material einer DNA-Analyse zugänglich zu machen, findet sich nicht. Ein solcher Hinweis fehlt auch in dem später Gesetz gewordenen Entwurf des Rechtsausschusses; die Begründung blieb dieselbe183. Alleine aus der Formulierung
178 179 180 181 182 183
BT-Drucks. 13/667, S. 6 f. Vgl. hier nur Hadamitzky, in KK-StPO, § 81e, Rn. 9; ausführlich s. unten Kap. 6 § 7. Vgl. oben Kap. 4 § 1 III. 2. BT-Drucks. 13/667, S. 9. BT-Drucks. 13/667, S. 9. BT-Drucks. 13/6420, S. 3, 5.
§ 1 Die Gewinnung von Untersuchungsmaterial
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des § 81e Abs. 2 S. 1 StPO kann deshalb nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber gehe davon aus, heimliches Vorgehen sei auf seiner Grundlage zulässig. (2) Novellierung durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens von 2017 und das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens von 2019 Seit der Einführung im Jahre 1997 blieb der § 81e Abs. 2 StPO insgesamt bis zum Jahre 2017 unverändert. Erst das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. 08. 2017184 brachte zwei für die Frage, ob heimlich erlangtes Material Gegenstand einer DNA-Analyse nach § 81e Abs. 2 StPO sein kann, möglicherweise bedeutende Novellierungen: Zum einen hat der Gesetzgeber das Wort „Spurenmaterial“ durch „Material“ ersetzt. Dem Einwand Boschs, der Streit habe sich dadurch nicht erledigt, ist zuzustimmen. Der Gesetzgeber ging bei der sprachlichen Neufassung primär davon aus, in der Praxis herrsche Unsicherheit, wann Spurenmaterial gegeben sei. Als Beispiel nannte er die am Tatort gefundene Zigarettenkippe. Bei dieser sei häufig nicht klar, von wem sie stamme, gar, ob sie etwas mit der Tat zu tun habe. Stamme sie möglicherweise vom Beschuldigten, so eröffne dies den Anwendungsbereich des § 81e Abs. 1 StPO185. Das entspricht indes weder der vorherigen noch der jetzigen Rechtslage. Denn wie oben aufgezeigt wurde, ist der Anwendungsbereich des § 81e Abs. 1 StPO nur eröffnet, wenn das Zellmaterial nach §§ 81a, 81c StPO gewonnen wurde. Wenn eine Zigarettenkippe am Tatort gefunden wurde, die möglicherweise vom Beschuldigten stammt, so war und ist diese gem. § 94 Abs. 1 StPO sicherzustellen und daher als sichergestelltes Material i. S. d. § 81e Abs. 2 StPO zu analysieren. Die Sicherstellung erfolgt unabhängig davon, ob der Spurenleger bekannt ist. Es ist nicht generell, sondern nur typischerweise so, dass das Material i. S. v. § 81e Abs. 2 StPO einem Spurenleger nicht zuordenbar ist186. Daher war und ist die Rechtslage in diesem Bereich nicht so unklar, wie der Gesetzgeber meint(e)187. Die sprachliche Änderung des § 81e Abs. 2 StPO hat deshalb keine Bedeutung188. Eigenständige Bedeutung hat zum anderen aber, dass gem. dem neu eingefügten § 81e Abs. 2 S. 4 StPO eine richterliche Anordnung der DNA-Analyse, die grundsätzlich gem. § 81f Abs. 1 StPO nur bei Maßnahmen nach § 81e Abs. 1 StPO ein184
BGBl. I, S. 3202. BT-Drucks. 18/11277, S. 22; vgl. i. E. ebenso Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1672. 186 A. A. BT-Drucks. 15/5674, S. 8; Antonow, S. 151 f., die diese Konstellation als „naturgemäß“ bezeichnen; Lee, S. 87. 187 Rogall, in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 15. 188 Vgl. schon Rogall a. a. O. 185
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
zuholen ist, nun auch in den Fällen des § 81e Abs. 2 StPO erforderlich ist, wenn der Spurenleger bekannt ist. Dies galt vor Einführung des § 81e Abs. 2 S. 4 StPO nicht. Grundsätzlich ist das positiv zu bewerten, denn die vorherige Divergenz war nicht schlüssig: Warum soll die DNA-Analyse bei Maßnahmen § 81e Abs. 1 StPO unter Richtervorbehalt stehen, während dies nicht der Fall ist, wenn das Material nicht am Körper gewonnen wurde, obschon der Spurenleger bekannt war? Die Analyse und die Zuordnung zu einer Person unterscheiden sich nämlich nicht. Daher ist Trück zwar zuzustimmen, wenn dieser ausführt, § 81e StPO differenziere in den Absätzen 1 und 2 nicht nach der Möglichkeit der Zuordnung zu einer Person189. Dafür spricht auch der durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens novellierte § 81e Abs. 2 S. 2 StPO, der im Gegensatz zu S. 4 explizit an die Unbekanntheit des Spurenlegers anknüpft. Der Spurenleger kann in beiden Fällen (§ 81e Abs. 1 und Abs. 2) bekannt sei. Dies hat nur nichts mit der Frage zu tun, ob heimlich erlangtes Material tauglicher Gegenstand einer DNA-Analyse nach § 81e Abs. 2 StPO sein kann. Denn die Situation, die dem Gesetzgeber vor Augen war, unterscheidet sich von der Situation heimlicher Erlangung fundamental: Wenn der Gesetzgeber von der am Tatort gefundenen Zigarettenkippe spricht, so geht er davon aus, dass diese analysiert werden soll und später mit dem Analyseergebnis von nach § 81a StPO gewonnenen Zellen verglichen werden sollen. Es geht mit anderen Worten um ein am Tatort gefundenes Objekt190. In der hier besprochenen Situation geht es aber nicht um ein Beweismittel, das am Tatort gefunden wurde, sondern um eines, das die Strafverfolgungsbehörden bei der Verfolgung des Beschuldigten gewinnen und das die Entnahme nach § 81a StPO ersetzt191. Die Gesetzesnovellierung durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens hat also mit der Zulässigkeit einer heimlichen Erlangung von Untersuchungsmaterial gar nichts zu tun. Diese Situation hat der Gesetzgeber i. R. d. Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens nicht vor Augen gehabt und deshalb nicht regeln wollen bzw. können. Aus der Novellierung des § 81e Abs. 2 StPO durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens können deshalb keine Erkenntnisse zur Frage gewonnen werden, ob heimlich gewonnene Körperzellen gem. § 81e Abs. 2 StPO analysiert werden können.
189 Vgl. oben Kap. 4 § 1 III. 2. b), Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 12; a. A. aber Antonow, S. 151 f.; Lee, S. 87. 190 Hier unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 113/667, S. 6 f. (richtig wohl BT-Drucks. 13/ 667, S. 6 f.) Antonow, S. 151. 191 Vgl. schon Antonow, S. 152, die daraus aber den falschen Schluss zieht, entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen § 81e Abs. 1 und Abs. 2 StPO sei die Möglichkeit der Zuordnung zu einem Spurenleger. Richtig ist aber wie aufgezeigt, dass das Abgrenzungskriterium die Art der Erlangung ist.
§ 1 Die Gewinnung von Untersuchungsmaterial
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bb) Entwicklung des § 101 StPO (1) Einfügung des § 81e StPO in den Katalog des § 101 StPO im Jahre 1997 Wie bereits erwähnt, ist die Vorschrift des § 101 StPO von besonderer Bedeutung ob der Frage, ob eine Ermächtigungsgrundlage heimliches Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden gestattet192. Die Norm enthielt in der Fassung von 1997, die auf Vorschlag des Rechtsausschusses entsprechend ergänzt wurde, einen Verweis auf § 81e StPO193. Nun ließe sich vertreten, der historische Gesetzgeber habe damit der Tatsache Rechnung tragen wollen, dass auf Grundlage des § 81e StPO seiner Vorstellung nach die Analyse heimlich erlangten Materials durch die Ermittlungsbehörden zulässig sein sollte194. Dagegen spricht indes das gesetzgeberische Motiv bei der Einfügung des § 81e StPO in § 101 StPO. § 101 StPO diene der „Transparenz von Maßnahmen, die dem Beschuldigten (…) verborgen bl[ie]ben“195. Die Maßnahme, die in § 81e geregelt ist, ist aber primär die DNA-Analyse, nicht der Vorgang der Zellgewinnung. Deshalb ließe sich aus dem gesetzgeberischen Motiv ebenso gut herleiten, dass bei der Einfügung des § 81e in die Vorschrift des § 101 StPO der Gesetzgeber die hier diskutierte Problematik gar nicht von Augen hatte. (2) Tilgung des § 81e StPO aus dem Katalog des § 101 StPO im Jahre 2007 Beachtung verdient in diesem Zusammenhang weiter, dass die Vorschrift des § 81e StPO aus dem Maßnahmenkatalog des § 101 StPO durch das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer Verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007196 getilgt wurde. Dies wurde zum einen damit begründet, dass die Aufnahme des § 81e Abs. 1 StPO die Vorschrift des § 101 StPO unnötig sei, weil es sich bei § 81e Abs. 1 StPO um keine heimliche Ermittlungsmaßnahme handle, da die Körperzellentnahme die Durchführung der DNA-Analyse dem Betroffenen gegenüber bereits bekannt mache197. Wer die Analyse heimlich erlangten Materials auf Grundlage des § 81e Abs. 1 StPO zulassen will, stellt sich damit auch gegen den eindeutigen gesetzgeberischen Willen. In Bezug auf § 81e Abs. 2 StPO heißt es, in diesen Fällen einer anonymen Spur sei der Spurenleger zunächst nicht bekannt. Daher komme eine Benachrichtigung schon rein tatsächlich nicht in Betracht. Werde der Spurenleger dann später bekannt, so sei eine Benachrichtigung entbehrlich, weil er im Laufe des Ermittlungsverfahrens 192
Vgl. schon oben Kap. 4 § 1 III. 3. a) aa) (2) (e). Vgl. BT-Drucks. 13/6420, S. 3. 194 Hierfür Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 12. 195 BT-Drucks. 13/6420, S. 5. 196 BGBl. I, S. 3198. 197 BT-Drucks. 16/5846, S. 57; i. E. ebenso bereits Löffelmann, ZStW 118 [2006], 358 (367, Fn. 43), auf den der Gesetzgeber explizit a. a. O. Bezug nimmt. 193
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
sowieso von der DNA-Analyse erfahre – etwa wegen einer nachfolgenden Vernehmung198. Diese Begründung ist befremdlich und mit der Gesetzesbegründung zur Novellierung des § 81e Abs. 2 StPO durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens nicht zu vereinbaren. Befremdlich ist sie, weil der Beschuldigte stets von allen Ermittlungsvorgängen – auch von heimlichen – erfahren wird, spätestens dann, wenn die Beweise in der Hauptverhandlung dargelegt werden. Freilich wird der Richter den Angeklagten in der Hauptverhandlung etwa mit dem Protokoll einer Telekommunikationsüberwachung konfrontieren. Der fair-trial-Grundsatz und der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verpflichten ihn dazu. Wenn man mit dieser Begründung eine Benachrichtigung für entbehrlich hielte, wäre konsequenterweise jede Benachrichtigung gleich über welche Maßnahme entbehrlich. Mit der Novellierung des § 81e Abs. 2 StPO ist sie nicht zu vereinbaren, weil die Einfügung des § 81e Abs. 2 S. 4 StPO und die dazu gehörigen Gesetzesbegründungen zeigen, dass der Spurenleger i. R. d. § 81e Abs. 2 StPO durchaus bekannt sein kann199. Allerdings ist selbst in diesen Fällen keine Aussage darüber getroffen, ob eine heimliche Zellgewinnung der Ermittlungsbehörden zulässig sein soll200. Geht der Gesetzgeber aber – wie i. R. d. Gesetzgebungsverfahrens über die Streichung des § 81e StPO aus der Vorschrift des § 101 StPO – davon aus, dass der Spurenleger i. R. v. § 81e Abs. 2 StPO unbekannt sei, so lässt sich daraus erst recht keine Aussage drüber ableiten, ob eine heimliche Zellgewinnung zulässig sein soll. Denn in die hier diskutierten Konstellation ist der Spurenleger ja gerade bekannt. Sonst wäre eine heimliche Zellgewinnung gar nicht möglich. Man könnte sogar die Gesetzesbegründung so verstehen, dass heimliches Vorgehen explizit ausgeschlossen sein soll. Denn bei § 81e Abs. 1 StPO ging der Gesetzgeber explizit, bei § 81e Abs. 2 StPO zumindest implizit davon aus. Insofern ist Trück zuzustimmen: Die Streichung des § 81e StPO aus der Norm des § 101 StPO hat keine Änderungen bewirkt – allerdings nicht in dem Sinne, dass das zuvor schon zulässige heimliche Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden weiterhin erlaubt sein solle. d) Teleologische Auslegung Der BGH begründet seine Auffassung, heimlich erlangtes Material sei, obschon – wie BGH selbst ausführt – es jenseits der §§ 81a, 81c StPO gewonnen wurde, Material i. S. v. § 81e Abs. 1 StPO mit dem „Schutzzweck der Norm“. Diese Begründung ist in zweierlei Hinsicht bedenklich.
198 BT-Drucks. 16/5846, S. 57; i. E. ebenso bereits Löffelmann, ZStW 118 [2006], 358 (367, Fn. 43), auf den der Gesetzgeber explizit a. a. O. Bezug nimmt. 199 Vgl. bereits dazu oben Kap. 4 § 1 III. 3. c) aa) (1). 200 Vgl. oben Kap. 4 § 1 III. 3. c) bb) (1).
§ 1 Die Gewinnung von Untersuchungsmaterial
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Einerseits prüft der BGH im vorliegenden Fall überhaupt nicht, ob das Material – hier eine Zigarettenkippe – rechtmäßig in den Besitz der Ermittlungsbehörden gelangt ist. Die im Falle des BGH erfolgte längerfristige Observation des Beschuldigten gem. § 163f StPO rechtfertigt jedenfalls nur „eine planmäßig angelegte Beobachtung des Beschuldigten […], die 1. durchgehend länger als 24 Stunden dauer[t] oder 2. an mehr als zwei Tagen stattfinden soll“201 und nach dem eindeutigen Wortlaut nicht die Inbesitznahme von weggeworfenen Gegenständen. Soweit der BGH von einem „sichergestellt[en] Zigarettenrest“ spricht202, stellt sich die Frage, warum er ohne Begründung meint, bei dem sichergestellten Zigarettenrest handle es sich nicht um Spurenmaterial i. S. d. § 81e Abs. 2 StPO203, obwohl der Wortlaut des § 81e Abs. 2 StPO seit jeher von „sichergestelltem (Spuren-)Material“ spricht. Problematisch ist ferner, dass der BGH auf den Schutzzweck der Norm rekurriert, ohne dabei zu benennen, was er unter Schutzzweck i. d. S. überhaupt verstanden wissen will und worin dieser bestehen soll. Der Schutzzweck des § 81e StPO erschließt sich erst, wenn man die Geschichte des Einsatzes der DNA-Analyse zu Strafverfolgungszwecken in Deutschland nachvollzieht. Bevor die §§ 81e f. StPO im Jahre 1997 eine explizite Ermächtigungsgrundlage für DNA-Analysen im Strafprozess schufen, wurde die DNAAnalyse auf Grundlage der §§ 81a, 81c StPO durchgeführt204. Die Einführung des § 81e StPO erfolgte, weil der Gesetzgeber den „in weiten Teilen der Bevölkerung 201
Vgl. dazu die Legaldefinition der längerfristigen Observation in § 163f Abs. 1 S. 1 StPO. BGH ErmR, Beschl. v. 21. 03. 2007 – 1 BGs 96/2007, S. 1, 3. 203 BGH ErmR, Beschl. v. 21. 03. 2007 – 1 BGs 96/2007, S. 3. 204 Vgl. nur BT-Drucks. 13/667, S. 1; BVerfG, NJW 1996, 3071 (3072); NJW 1996, 1587 f.; NJW 1996, 771 ff.; BGHSt 37, 157 ff.; 38, 321 (322); NStZ 1991, 399 (400); LG Berlin, NJW 1989, 787 (787 f.); LG Darmstadt, NJW 1989, 2338 (2338 f.); LG Heilbronn, NJW 1989, 784 ff. mit Zustimmung von BGH, NJW 1990, 2344; Albers, Determination, S. 83, Fn. 256; Altendorfer, S. 93; Beck, S. 27; Bickel, VerwArch 87 [1996], 169 (182); Bula, Der Kriminalist 1997, 347; Burghard, Kriminalistik 1998, 207; Foldenauer, S. 66; Geserick, in: Fischer/Geißler (Hrsg.), Genetik, 185 (195); Gill, Bürgerrechte und Polizei 33 [1989], 52 (56 ff.); Harbort, Kriminalistik 1994, 350; Hasselbach, S. 33 ff.; Hassemer, JuS 1991, 336 (337); Hother, S. 74; Jung, MSchrKrim 72 [1989], 103 (105); Keller, JZ 1993, 102 (104); Kimmich/Spyra/Steinke, NStZ 1993, 23 (25 f.); König, Kriminalistik 2004, 262 (265); Lee, S. 55 f.; Lührs, MDR 1992, 929; Maitra, S. 371; Neuser, S. 59 ff.; Oberwetter, S. 43; Ritter, S. 100; Schmid, PolSpiegel 1990, 255; Schneider, in: Bäumler (Hrsg.), Polizei und Datenschutz, 215; Senge, NJW 1999, 2409; Simon, MDR 1991, 5 (11); Steinke, MDR 1989, 407; Sternberg-Lieben, NJW 1987, 1242 (1243 f.); vgl. aus internationaler Sicht auch Donatsch, ZStrR 108 [1991], 175 (196): „Als Rechtsgrundlage reicht (…) eine Norm aus, welche die körperliche Untersuchung des Tatverdächtigen vorsieht“; gegen die Stützung der DNA-Analyse auf § 81a StPO Burr, S. 137; Dix, DuD 1989, 235 (237); ders., DuD 1993, 281 (283), Gössel, in: GS Meyer, 121 (144 f.); ders., JR 1991, 29 (33); ders., GA 1991, 483 (507); Keller, NJW 1989, 2289 (2296); Klumpe, S. 184; Koriath, JA 1993, 270 (278); Krieglstein, S. 104; Oberlies, StV 1990, 469 (470); Rademacher, S. 68; dies., StV 1989, 546 (550); dies., ZRP 1990, 380 (382), dies., NJW 1991, 735 (736); dies., in: Taschke/Breidenstein (Hrsg.), Genomanalyse, 156 (157); Stumper, S. 152; Vogt, StV 1993, 174 (175 f.); Wächtler, StV 1990, 369 (370); U. Wagner, S. 135; Wellbrock, CR 1989, 204 (206 f.). 202
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
anzutreffenden, mit der Gentechnik ganz allgemein verbundenen Ängste[n] und Befürchtungen vor übermäßigen, den Kern der Persönlichkeit berührenden Eingriffen“ entgegenwirken wollte205. Es wurde deshalb mit § 81e StPO eine explizite Ermächtigungsgrundlage für DNA-Analysen geschaffen, „die die Voraussetzungen und Beschränkungen, die sich fu¨ r den einzelnen aus der Durchführung einer solchen Untersuchung ergeben, klar festschreiben“ sollten206. Deshalb kann Goers, der mit § 81e StPO die „vordringlichste Intention“ des Gesetzgebers verbindet, eine Verwendungsregelung zu schaffen207, nur teilweise gefolgt werden. Zwar ist richtig, dass die gleichzeitig mit § 81e StPO eingeführte Verwendungsregelung § 81a Abs. 3 sicher gerade dem Zweck dient, den vermuteten Ängsten entgegenzutreten. Sie ist Teil des gesamten Regelungskonzepts. Daraus aber zu schließen, wegen dieser Intention des Gesetzgebers müsse heimlich erlangtes Material einer DNA-Analyse zugänglich sein, geht fehl. Denn wenn §§ 81a, 81c StPO überhaupt nicht als Ermächtigungsgrundlage für den Zellgewinn dienen, kommt die Verwendungsregel gar nicht zur Anwendung. Dies wirkt umso befremdlicher, wenn man mit Goers eine DNA-Analyse heimlich erlangter Zellen auf Grundlage des § 81e Abs. 1 StPO ermöglichen will, denn der Verweis in § 81e Abs. 1 StPO auf §§ 81a, 81c StPO bringt ja gerade die gesetzgeberische Intention zum Ausdruck, dass die Zellen eines typischerweise bekannten Spurenlegers einer strikten Verwendungsregelung unterworfen sein sollen. Jenseits von §§ 81a, 81c StPO heimlich erlangte Zellen, die damit außerhalb des Anwendungsbereichs der Verwendungsregelung stehen, nach § 81e Abs. 1 StPO zu analysieren, entspricht nicht der „vordringlichsten Intention“. Es widerspricht ihr. Wenn man Goers Bezugnahme auf die gesetzgeberische Intention, eine Verwendungsregel schaffen zu wollen, indes so interpretiert, dass er als Gegenstand der Verwendungsregelung das Ergebnis der DNA-Gutachtens und nicht die Zellen an sich meint, so gilt dies gleichermaßen. Denn § 81a Abs. 3 Hs. 1 StPO beschränkt die Verwendung des Ergebnisses der DNA-Analyse auf das laufende oder andere anhängige Strafverfahren208. Bei jenseits von § 81a, 81c StPO erlangtem Material findet die Vorschrift indes auch keine Anwendung. Die Analyse von Zellen, bei denen der Bürger gar nicht weiß, dass der Staat sie hat, würde die vom Gesetzgeber angesprochenen Ängste eher beflügeln denn hemmen. Die nicht näher begrenzte Asservierungsdauer bei Material i. S. d. § 81e Abs. 2 StPO209 würde einem Szenario vom „gläsernen Menschen“, auf das der Gesetzgeber bei Novellierung der §§ 81e ff. StPO in einem späteren Gesetzgebungsverfahren rekurriert hat210, eher Vorschub leisten. 205 206 207 208 209 210
BT-Drucks. 13/667, S. 1. BT-Drucks. 13/667, S. 1. Goers, in: BeckOK-StPO, § 81e, Rn. 2. S. unten § 4 § 3 III. 1. Vgl. bereits dazu oben Kap. 4 § 1 III. 3. b) bb). BT-Drucks. 15/5674, S. 6.
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Daher muss der Schutzzweck des § 81e StPO so interpretiert werden, dass er einer Analyse heimlich erlangten Materials gerade entgegensteht. e) Verfassungskonforme Auslegung aa) Recht auf informationelle Selbstbestimmung Soweit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in der hier geführten Diskussion bemüht wird, so bleibt es meist bei der Aussage, dass heimliches Vorgehen der Ermittlungsbehörden sub specie desselben bedenklich erschiene211. Freilich könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass § 81e StPO keine ausreichende Ermächtigungslage für heimliches Vorgehen der Ermittlungsbehörden liefere. Gingen die Ermittlungsbehörden dennoch heimlich vor, würde es an einer Ermächtigungsgrundlage fehlen, die einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung rechtfertigen könnte, da das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung einem Gesetzesvorbehalt unterliegt212. Da der Wortlaut des § 81e Abs. 2 StPO es aber hergäbe, heimlich erlangtes Material als Material i. d. S. anzusehen213, steht der Gesetzesvorbehalt nicht zwingend entgegen. Klargestellt sein sollte mit Blick auf die Eingriffsintensität aber, ob ein heimliches Vorgehen der Ermittlungsbehörden dann intensiver in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen würde. (1) Differenzierung von Zellgewinnung und DNA-Analyse – Vorwirkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung Streng genommen bedürfte es zuerst einmal der Klärung, ob die Inbesitznahme von Körperzellen überhaupt einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Diese Frage wird i. R. d. §§ 81a, 81c StPO nicht erörtert. Man könnte dies bestreiten, denn an die für sie relevanten Informationen gelangen die Strafverfolgungsbehörden erst durch die DNA-Analyse214, nicht bereits durch den Akt der Zellgewinnung. Zurecht weist Beck in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Schwerpunkt in der DNA-Analyse liege, die unabhängig davon durchgeführt wird, wie die Körperzellen erlangt wurden215. Ebenso gut vertreten kann man aber, dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung insoweit eine Vorwirkung entfaltet, die bereits die Inbesitznahme der Zellen in seinen Schutzbereich eingreifen lässt. Die Situation liegt hier nicht anders als bei der Beschlagnahme eines Computers oder eines anderen Datenträgers: Der Computer, der 211
Beck, S. 96 f.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81e, Rn. 7; ders., in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 7. Vgl. schon oben Kap. 3 § 3 I. 3. a), vgl. ebenso Bosch, in: KMR-StPO, § 81e, Rn. 7; ders., in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 7. 213 Vgl. Kap. 4 § 1 III. 3. a) bb). 214 Vgl. Beck, S. 97 f. 215 Vgl. Beck, S. 97. 212
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USB-Stick, die CD geben den Strafverfolgungsbehörden ebenso nicht von vornherein die gesuchten Informationen. Notwendig ist vielmehr ein zweiter Akt der Sichtung. Es ist aber völlig klar, dass die Beschlagnahme eines Datenträgers ebenso wie Gewinnung von Körperzellen nur dem Zweck einer späteren Untersuchung dienen kann216. Wenn ein Datenträger – nichts anderes sind die Zellen in diesem Sinne217 – einmal im Herrschaftsbereich der Strafverfolgungsbehörden ist, kann der Betroffene eben nicht mehr selbst darüber entscheiden, wie seine Daten verwendet werden. In einem solchem Fall besteht eine besondere Gefährdungslage218. Deshalb muss man bereits den Gewinnungsvorgang vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung als erfasst ansehen219. Zumindest aber muss man annehmen, dass im Falle der heimlichen Zellgewinnung auch die DNA-Analyse heimlich erfolgt220. Auch dies kann im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von Bedeutung sein. (2) Keine Eingriffsintensivierung durch heimliches Vorgehen? – Der Ansatz von Beck Beck sieht aus verfassungsrechtlicher Perspektive die heimliche Zellgewinnung als unproblematisch an221. Ausgangspunkt ihrer Argumentation ist die in der Rechtsprechung anzutreffende These, heimliches Handeln müsse im Rechtsstaat die Ausnahme sein und führe zur Steigerung der Eingriffsintensität222. Dies gelte deshalb, weil der Betroffene bei heimlichem Handeln keine Möglichkeit zur Wahrnehmung seiner Interessen habe; insbesondere habe er keine Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz zu suchen223. In Anlehnung an Heghmanns224 weist Beck darauf hin, dass kein generelles System der Heimlichkeit gebe, vielmehr seien die Auswirkungen der Heimlichkeit von Fall zu Fall zu prüfen. Keine Steigerung der Eingriffsintensität sei bei heimlicher Zellgewinnung verglichen mit der offenen Alternative zu erblicken: Kein Unterschied zwischen einer heimlichen und einer offenen Vorgehensweise bestehe im Hinblick auf die Rechtsschutzmöglichkeit. Gingen die Ermittlungsbe216 Das gilt freilich nicht, wenn es auf die Daten auf dem Datenträger gar nicht ankommt, etwa, weil der Computer zum Töten in Form einer Schlagwaffe missbraucht wurde. 217 Vgl. auch Winkler, Kriminalistik 2021, 579, der von der DNA als Speicher als sämtlicher Informationen spricht. 218 BVerfG, NJW 2005, 1917 (1922 f.). 219 I. E. auch Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (26 f.). 220 Beck, S. 98. 221 Zum Ganzen Beck, S. 99 f. 222 Dazu BVerfG, NJW 2008, 822 (830); NJW 2007, 2464 (2489 f.); BGH, StV 2007, 60 (62); vgl. gerade für den Bereich der Datenvereinbarung jüngst BVerfG, NVwZ 2021, 226 (231 f., Rn. 87, 96). 223 BVerfG, NVwZ 2021, 226 (231 f., Rn. 88, 96); NJW 2008, 822 (830). 224 Heghmanns, in: FS Eisenberg, 511 (515 ff.).
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hörden offen nach § 81a StPO vor, so könnte bei Anordnung durch den Richter zwar gegen diese Entscheidung Beschwerde gem. § 304 StPO eingelegt, bei Anordnung durch die Staatsanwaltschaft oder ihre Ermittlungsbeamten ein Antrag auf richterliche Entscheidung analog § 98 Abs. 2 S. 2 StPO gestellt werden. In der Praxis würde es aber häufig an der dafür notwenigen Zeit mangeln225. Ohnehin werde gem. § 307 Abs. 1 StPO der Vollzug der Maßnahme durch die Einlegung der Beschwerde nicht gehemmt. Faktisch bleibe dem Betroffenen nur nachträglicher Rechtsschutz. Nichts anders gelte für den Fall einer heimlichen Maßnahme. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht begründe ferner kein Verbot einer heimlichen Zellgewinnung. Zwar bringe schon die bloße Möglichkeit einer heimlichen Ermittlungsmethode die Gefahr mit sich, dass das Bürger sich aus Angst zukünftig entsprechend verhalte. Bei offenem Vorgehen würde er sich wohl in diesen Momenten entsprechend verhalten. Die Gefahr einer Verhaltensänderung bestehe also bei heimlichem wie bei offenem Vorgehen i. R. d. Zellgewinnung. Nicht die Modalität der Zellgewinnung, sondern die DNA-Analyse begründe sie. Und diese bleibe immer dieselbe. Da ferner nur vergangenes Verhalten erforscht werde, sei es unbeachtlich, ob heimlich oder offen vorgegangen werde. (3) Stellungnahme zu diesem Ansatz Vorangestellt muss darauf hingewiesen werden, dass Beck mit diesem Argument nicht für ein heimliches Vorgehen der Ermittlungsbehörden de lege lata plädiert, sondern die verfassungsrechtliche Grundlage für eine Möglichkeit eines solchen Vorgehens de lege ferenda untersucht. Nichtsdestotrotz kann der Ansatz nicht überzeugen. Zwar stimmt es mit Blick auf den Rechtsschutz, dass eine gem. § 304 StPO eingelegte Beschwerde nach § 307 Abs. 1 StPO den Vollzug der Maßnahme nicht hemmt. Indes besteht gem. § 307 Abs. 2 StPO die Möglichkeit der Aussetzung der Vollziehung. Dass die Beschwerde eine Rechtsverletzung verhindert, ist daher durchaus möglich226. Ebenso verhält es sich mit dem Argument, in der Praxis fehle es häufig an der Zeit, Beschwerde einzulegen. Das mag zwar stimmen; wenn aber mangels Kenntnis überhaupt kein Rechtsweg bestritten werden kann, ist dies aus rechtsstaatlicher Sicht umso bedenklicher, weil dem Betroffenen sogar die theoretische Möglichkeit zur Beschwerde genommen wird. Im Hinblick auf den nach225 Vgl. Heghmanns, in: FS Eisenberg, 511 (515) zur Durchsuchung. Die Argumentation hält Beck für übertragbar auf Maßnahmen nach § 81a StPO, vgl. Beck, S. 99, Fn. 433. 226 Vgl. in diesem Zusammenhang den Fall des LG Regensburg, StraFo 2003, 127 ff., in dem die Staatsanwaltschaft gestützt auf § 81a StPO beim Ermittlungsrichter die Anordnung einer Speichelprobenentnahme erwirkte, was auf dem Beschwerdeweg zwar nicht wegen heimlichen Vorgehens, aber im Ergebnis gleich aus anderen Gründen als rechtswidrig eingestuft wurde. Der Beschluss war zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vollzogen. In diesem Fall war es gerade die Beschwerde, die die Rechtsverletzung verhinderte.
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träglichen Rechtsschutz ist darauf hinzuweisen, dass der Beschuldigte von der DNAAnalyse möglicherweise erst nach Abschluss der Ermittlungen erfahren wird, da § 81e StPO aus der Norm des § 101 StPO getilgt wurde227. Da nach der st. Rspr. des BGH ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel nicht eo ipso unverwertbar ist228, besteht ein umso dringenderes Bedürfnis nach vorbeugendem Rechtsschutz. Auch die persönlichkeitsrechtsbezogene Argumentation Becks vermag nicht zu überzeugen. Zweifelsohne ist richtig, dass der Schwerpunkt der Maßnahme auf der DNA-Analyse liegt, die unabhängig von der Art der Zellgewinnung erfolgt. Indes kann ein Betroffener davon absehen, sein alltägliches Verhalten zu ändern, wenn er weiß, dass die Ermittlungsbehörden den Weg des § 81a StPO gehen müssen. Wenn dies die einzig zulässige Maßnahme zur Zellgewinnung ist, so braucht er nicht darauf zu achten, wo er wann DNA absondert. Dem wäre aber so, wenn ein heimliches Vorgehen zulässig wäre. Hier besteht ein Unterscheid zu Heghmanns’ Beispiel, nach dem es bei einer Durchsuchung unerheblich sei, ob heimlich oder offen vorgegangen werde, da der Betroffene stets auf das Beisichführen des interessierenden Gegenstandes verzichten müsste229. Beck verkennt in diesem Zusammenhang, dass aufgrund der Vorwirkungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung die Zellgewinnung ein beachtenswerter Vorgang ist, obschon der Schwerpunkt auf der DNA-Analyse liegt. Der Betroffene hat nach alledem bei einer heimlichen Zellgewinnung (noch) weniger Möglichkeiten, selbst zu bestimmen, wann wer welche personenbezogenen Daten über ihn verarbeitet. Eine heimliche Zellgewinnung greift daher intensiver in die Grundrechte des Betroffenen ein als ein offenes es würde. bb) Nemo-tenetur-Grundsatz Unzutreffend ist dagegen der Einwand, der nemo-tenetur-Grundsatz verbiete ein heimliches Vorgehen der Ermittlungsbehörden. Denn der nemo-tenetur-Grundsatz verbietet primär nur, den Beschuldigten zu verpflichten, aktiv an seiner eigenen Überführung mitzuwirken230. Die Ausnutzung einer unbewussten Belastung des Beschuldigten durch ihn selbst ist nicht vom nemo-tenetur-Grundsatz erfasst231. Bei der heimlichen Zellgewinnung, etwa in Form des Auflesens einer Zigarettenkippe, 227
Vgl. oben Kap. 4 § 1 III. 3. c) bb) (2). BGHSt 19, 325 (331, 333); 24, 125 (130); 27, 355 (357); 31, 304 (307 f.); 37, 30 (32); 38, 214 (219 f.); 38, 372 (373 f.); 44, 243 (249); 47, 172 (179 f.); 51, 285 (289 f.); 54, 69 (87); 58, 84 (96); NStZ 2016, 111 (113). 229 Vgl. nur Heghmanns, in: FS Eisenberg, 511 (521). 230 BGHSt 1, 332 (332 f.); 5, 332 (334); 34, 39 (46); 40, 66 (71); BGH NStZ 2019, 36 (37); M. Deutsch, S. 239; Kasiske, JuS 2014, 15 (15); Lammer, S. 160; Schuhr, in: MüKo-StPO I, Vorb. §§ 133 ff., Rn. 79. 231 BGHSt 42, 139 (153); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 12. 228
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ist der Betroffene nicht gezwungen, seine DNA den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung zu stellen. Mangels Information darüber, dass die Zellen möglicherweise analysiert werden, kann zwar nicht von einer konkludenten Einwilligung gesprochen werden. Der Betroffene wirft seine Zigarettenkippe aber freiwillig in einem nicht juristischen Sinne von sich. Einem einen Verstoß gegen das nemo-tenetur-Prinzip begründendem Zwang unterliegt er dabei nicht. cc) Gebot der Verhältnismäßigkeit Als nicht durchschlagend erweist sich auch der Einwand, das Verhältnismäßigkeitsprinzip gebiete es, heimlich erlangtes Material anstelle von nach §§ 81a, 81c StPO gewonnenem zu analysieren. Zwar kann es das Gebot der Verhältnismäßigkeit gebieten, solche Körperzellen zu verwerten, die bereits vom Körper sich gelöst haben, weil damit keine weiteren Eingriffe verbunden sind232. In der Praxis wird dies aber häufig nicht gleichermaßen geeignet sein, weil bei bereits abgefallenen Zellen ein Degradierungsprozess u. U. schon begonnen hat. Auf keinen Fall begründet das Gebot der Verhältnismäßigkeit aber einen Vorrang heimlicher Zellgewinnung. Denn während die Zellgewinnung mittels Wangenabstrich keinen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit darstellt233, intensiviert heimliches Vorgehen der Ermittlungsbehörden den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung234. Im Ergebnis wäre eine generelle heimliche Zellgewinnung daher nicht erforderlich und deshalb nicht verhältnismäßig. f) Ergebnis Als Ermächtigungsgrundlage für die DNA-Analyse heimlich gewonnener Zellen muss § 81e Abs. 1 StPO ggf. i. V. m. §§ 81a, 81c StPO ausscheiden. Denn § 81e Abs. 1 StPO gestattet nicht die Analyse von auf anderem Weg erlangtem Material, und §§ 81a, 81c StPO gestatten kein heimliches Vorgehen. Der Wortlaut des § 81e Abs. 2 StPO würde eine Analyse zwar hergeben. Dennoch sprechen hauptsächlich systematische Argumente dagegen: Zum einen wäre es verwunderlich, wenn der Gesetzgeber bei allen anderen heimlichen besondere Schutzmechanismen in Form von qualifizierten Anlasstaten, Subsidiaritätsklauseln etc. vorsehen würde; ausgerechnet bei der DNA-Analyse dies aber nicht täte, ohne in irgendeiner Form die Abweichung zu begründen. Die Gesetzgebungsmaterialen schweigen sich zu der besprochenen Frage nämlich gänzlich aus. Zum anderen ist stichhaltig v. a. der Verweis auf die Vernichtungsanordnung des § 81a Abs. 3 Hs. 2 StPO. Er drohte gänzlich umgangen zu werden, wenn heimlich gewonnene Zellen nach § 81e Abs. 2 StPO analysiert werden könnten. Ein solches Vorgehen würde der 232 233 234
So durchaus richtig Goers, in: BeckOK-StPO, § 81e, Rn. 2. Vgl. schon Kap. 4 § 1 I. 1. b) dd). Kap. 4 § 1 III. 3. e) aa) (3).
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gesetzgeberischen Intention, Ängsten in der Bevölkerung zu begegnen, diametral entgegenstehen. Auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit taugt nicht als Begründung. Heimliche Zellgewinnung erhöht umgekehrt die Eingriffsintensität im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dies würde es de lege ferenda zwar nicht verbieten, heimlich erlangte Zellen in besonderen Konstellationen einer DNA-Analyse zugänglich zu machen. In diesen Fällen wären aber erhöhte Schutzmechanismen zu fordern; insbesondere müsste § 81a Abs. 3 Hs. 2 StPO auch in den Fällen des § 81e Abs. 2 StPO Anwendung finden. Insbesondere würde das heimliche Vorgehen ein erhöhtes Maß an Normklarheit fordern, das de lege lata nicht gegeben ist.
§ 2 Untersuchungs- und Feststellungsverbote Obschon aus der menschlichen DNA nahezu jede Information über ihrer Träger gewonnen werden könnte, setzt § 81e StPO der staatlichen Informationserhebung Grenzen. Gemäß § 81e Abs. 1 S. 2 Hs. 1 StPO dürfen andere Feststellungen als die aufgezählten nicht erfolgen, Hs. 2 erklärt bereits eine auf solche Feststellung abzielende Untersuchung für unzulässig. Zusätzliche Feststellungen erlaubt § 81e Abs. 2 S. 2 StPO, falls der Spurenleger unbekannt sein sollte.
I. Feststellungs- und Untersuchungsverbote 1. Stand bis zur Novellierung des § 81e Abs. 2 StPO durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens § 81e Abs. 1 S. 2 ist so konzipiert, dass nur in die in § 81e Abs. 1 S. 1 StPO genannten Informationen mittels DNA-Analyse festgestellt werden dürfen. Das waren bisher das DNA-Identifikationsmuster, dessen naturwissenschaftlicher Hintergrund bereits beleuchtet wurde235, das Geschlecht einer Person sowie deren Abstimmung. Die Bestimmung der Abstammung unterscheidet sich in einem Punkt von den übrigen. Um die Abstammung einer Person festzustellen, bedarf es eines Vergleiches mit der DNA eines anderen. Freilich führt auch die Feststellung des DNAIdentifikationsmusters nur weiter, wenn eine Vergleichsprobe vorhanden ist, welche entweder aus dem Material des § 81e Abs. 2 StPO gewonnen wurde oder, wenn das DNA-Identifikationsmuster bereits nach Maßgabe des § 81g StPO gespeichert wurde. Diesen Vergleich ermöglicht § 81e Abs. 1 S. 1 StPO. Diese Feststellungen dürfen durch die Verweisung des § 81e Abs. 2 S. 1 StPO auch an aufgefundenem, sichergestelltem oder beschlagnahmtem Material getroffen werden. 235
Kap. 2 § 2 I.
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Andere Feststellungen, unabhängig davon, ob sie das Aussehen (wie z. B. Größe oder Hautfarbe) oder das Innere einer Person (wie z. B. Krankheitsdispositionen) betreffen, durften nicht festgestellt werden236. Sie unterlagen und unterliegen, soweit sie von der Gesetzesnovelle vom 10. 12. 2019 nicht erfasst wurden, einem Feststellungsverbot i. S. e. Beweiserhebungsverbots237. Untersuchungen, die auf eine andere Feststellung abzielen, dürfen nicht durchgeführt werden, § 81e Abs. 1 S. 2 StPO. Dasselbe gilt ebenso für die Untersuchung von Material nach § 81e Abs. 2 StPO, da § 81e Abs. 2 S. 3 StPO auf die Vorschrift des § 81e Abs. 1 S. 2 StPO verweist. 2. Erweiterung möglicher Feststellungen auf phänotypische Merkmale unbekannter Spurenleger durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019 Im Rahmen des § 81e Abs. 1 StPO bleibt es bei der bisherigen Regelung. Im Rahmen des Abs. 2 ergab das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens aber eine Reform: Bereits in der Vergangenheit hat es an der engen Begrenzung auf die enumerativ aufgezählten Feststellungen sowohl aus der Literatur238 als auch aus der Praxis239 Kritik gegeben. Der eingangs erwähnte Mordfall war indes (neuerlicher) Stein des Anstoßes für eine Debatte über die Möglichkeit einer Erweiterung möglicher Feststellungen. Ein darauf bereits abzielender Versuch aus dem Jahr 2017 war nicht zuletzt auch deshalb nicht weiterverfolgt worden, da er nur in wenigen Bundesländern unterstützt wurde. Durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. 12. 2019240 wurde nun § 81e Abs. 2 S. 2 StPO so novelliert, dass nun zusätzlich Augen, Haar- und Hautfarbe sowie das Alter des Spurenlegers fest-
236 Vgl. nur BT-Drucks. 13/667, S. 7; Altendorfer, S. 99; Beck, S. 102; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81e, Rn. 4; Brauer, in: HK-StPO, § 81e, Rn. 7; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 37; Burr, S. 155; Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (74); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81e, Rn. 4; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 371; Senge, NJW 1997, 2409 (2411); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 19; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81e, Rn. 5. 237 Graalmann-Scheerer, Kriminalistik 2000, 328 (329); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81e, Rn. 7; Malek/Wohlers, Rn. 301; Müller, Die Polizei 2002, 203; Schneider, NStZ 2018, 692 (693); Senge, NJW 1997, 2409 (2411); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 19; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81e, Rn. 7; vgl. auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81e, Rn. 14; ders., in: SSWStPO, § 81e, Rn. 14. 238 Vgl. Altendorfer, S. 163 f.; Beck, S. 114 ff.; Burr, S. 111; Foldenauer, S. 98; Klumpe, S. 135; Rackow, ZRP 2002, 236 für den Bereich äußerlich bereits sichtbarer Feststellungen; West, S. 282 – 290; zumindest die Bedeutung für die Ermittlungsarbeit betonten schon Wiegand/Kleiber/Brinkmann, Kriminalistik 1996, 720 (725). 239 Vgl. etwa Huber, Kriminalistik 1997, 733 (735); Stenger, Kriminalistik 2017, 491. 240 BGBl. I, S. 2121.
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gestellt werden dürfen, falls dieser unbekannt ist. Damit ist eine Analyse des codierenden DNA-Bereichs verbunden241. Soweit sich die Literatur damit beschäftigt hatte, ob erweiterte Feststellungen i. R. v. DNA-Analysen de lege ferenda zulässig sein sollten, finden sich dabei Ausführungen zu einzelnen Feststellungen nur selten. Häufig wird behandelt, ob generell das Aussehen betreffende Feststellungen ermöglicht werden sollten, wie es sich mit das Innere betreffenden verhält, oder, ob auch der codierende Teil der DNA analysiert werden soll. Dies ist freilich der Tatsache geschuldet, dass seit der Erweiterung möglicher Feststellungen auf das Geschlecht durch das durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 30. 12. 2003242 bis ins Jahr 2017 von Seiten des Gesetzgebers kein Versuch unternommen wurde, den Kreis möglicher Feststellungen i. R. v. DNA-Analysen zu erweitern. Ferner gilt es zu sehen, dass diese Form der DNA-Analytik früher eher ein theoretisches Gedankenspiel war denn eine tatsächliche Option243. Diese Untersuchungen kann indes einen anderen Weg gehen. Da nun erstmals phänotypische Merkmale mittels DNA-Analyse festgestellt werden dürfen, beschränkt sich die Arbeit auf die Änderungen, die mit Wirkung zum 13. 12. 2019 Gesetz geworden sind. Zunächst werden vorgefundene Ansätze in Literatur und Rechtsprechung analysiert, soweit sie zum Themenkomplex der nun möglichen Feststellungen einen Bezug aufweisen. Anschließend wird zu der Novellierung unter Berücksichtigung der gefundenen Argumente Stellung genommen. a) Vorgefundene Ansätze zur Möglichkeit der Feststellung phänotypischer Merkmale aa) Ansätze gegen die Feststellung phänotypischer Merkmale (1) Unantastbarer Kernbereich und die Analyse codierender DNA-Bereiche Der Gesetzgeber hat – der Differenzierungsmöglichkeit bewusst – bei der Schaffung des § 81e StPO im Jahre 1997 darauf verzichtet, per Gesetz die DNAAnalyse auf den nicht-codierenden Bereich der DNA zu beschränken. Man wolle das Spektrum der DNA-Analyse nicht einengen und der wissenschaftlichen Weiterentwicklung Rechnung tragen, hieß es zur Begründung244. Die Unterscheidung zwischen codierender und nicht-codierender DNA sei ohnehin kein für juristische Be241 Ausdrücklich Anslinger/Bayer/Diepenbroek, Kriminalistik 2020, 683 (684); Keil, S. 75; vgl. ferner oben Kap. 2 § 1 III. 242 BGBl. I, S. 3007. 243 Vgl. etwa BT-Drucks. 15/350, S. 12; BR-Drucks. 402/02 (neu), S. 5; 465/03, S. 8; vgl. auch Duttge/Ho¨ rnle/Renzikowski, NJW 2004, 1065 (1071, Fn. 44); Klumpe, S. 133; Latotzky, S. 115; West, S. 53, 284. 244 BT-Drucks. 13/667, S. 6; vgl. auch Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (492); a. A. Anslinger/Rolf/Eisenmenger, DRiZ 2005, 165, die auf § 81 StPO abstellen.
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lange geeignetes Unterscheidungskriterium, da auch nicht-codierende DNA-Abschnitte Persönlichkeitsmerkmale seien und aufgrund einer Kopplung245 auf andere Merkmale geschlossen werden könnte, stellte der Gesetzgeber bereits 1997 (sic!) fest. Deshalb wurde auf ein Verbot der Analyse codierender DNA-Bereiche, wie dies etwa noch ein Entwurf der SPD-Fraktion aus dem Jahre 1992 vorgehen hatte, verzichtet246. Erst später hat das Dogma des Verbotes einer DNA-Analyse codierender Bereiche auch den Gesetzgeber beeinflusst247, obschon auch dies nie zu einem explizit normierten Verbot geführt hat. Gleichwohl hat die Unterscheidung von DNA in codierende und nicht codierende Bereiche Einklang in die juristische Diskussion gefunden248. Der BGH hat explizit offen gelassen, ob eine Analyse des codierenden Bereiches der DNA juristisch zulässig wäre249. Das BVerfG bezieht nur insoweit Stellung, als es annimmt, der absolut geschützte Kernbereich der Persönlichkeit sei jedenfalls solange nicht betroffen, wie nur der nicht-codierende Teil der DNA analysiert werde250. Der Umkehrschluss, dass der absolute Kernbereich der Persönlichkeit bei einer Analyse codierender DNA-Abschnitte betroffen ist, liegt zumindest nahe251. 245
Vgl. zum naturwissenschaftlichen Hintergrund bereits oben Kap. 2 § 1 III. 2. Vgl. BT-Drucks. 12/3981, S. 2; ebenso für ein sogar strafbewehrtes Verbot Schaar, in: BT-Fraktion B’90/Grüne (Hrsg.), Genetischer Fingerabdruck, 17 (18). 247 Vgl. etwa BT-Drucks. 15/350, S. 12. 248 Vgl. etwa BT-Drucks. 19/14747, S. 27; BVerfGE 103, 21 (31); BVerfG, NJW 1996, 3071 (3072); NJW 1996, 771 (772 f.); BGHSt 37, 157 (159); VerfGH Berlin, NJW 2006, 1416 (1417); Altendorfer, S. 104 ff.; Antonow, S. 154 f.; Beck, S. 114 ff.; Burr, S. 107 ff.; Duttge/ Ho¨ rnle/Renzikowski, NJW 2004, 1065 (1071); Härtel, ZG 2005, 300 (305 f.); Hero, S. 58 f.; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (64); Hombert, S. 39; Hother, S. 97; Jahn, ZRP 2017, 1; Karioth, Die Polizei 1997, 195 (196); Keller, NJW 1989, 2289 (2293); Klumpe, S. 131 ff.; König, Kriminalistik 2004, 262 (265); Krehl/Kolz, StV 2004, 447 (448 f.); Latotzky, S. 116; Lee, S. 36 f.; Lorenz, JZ 2005, 1121 (1127); Lütkes/Bäumler, ZRP 2004, 87 (89); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 371; Nack, StraFo 1998, 366 (369); Pommer, JA 2007, 621 (622); Rademacher, S. 97 ff.; Ritter, S. 62 ff.; Schaar, in: BT-Fraktion B’90/Grüne (Hrsg.), Genetischer Fingerabdruck, 17 (18); Schneider, NStZ 2018, 692 (694); Schnorr/Wissing, ZRP 2003, 202; Schreiber, ZRP 2019, 105 (106 f.); Schubert/Gerlach, RuP 2005, 79 (82); Schulz, JRE 7 [1999], 195 (205); Sternberg-Lieben, NJW 1987, 1242 (1244); Wächtler, StV 1990, 269 (371); Vath, S. 32 ff.; Vesting/Müller, KJ 29 [1996], 466 (479); Volk, NStZ 2002, 561 (565); Walther, in: AnwKo-StPO, § 81e, Rn. 10; Warntjen, S. 182; Wellbrock, CR 1989, 204 (207); West, S. 267 ff.; Wüsteney, S. 123; Zöller/Thörnich, ZIS 2017, 330 (337). 249 Vgl. BGHSt 37, 157 (159): „Wie zu entscheiden wäre, wenn der codierende Teil der DNA untersucht würde (…), ist hier nicht zu erörtern“. 250 BVerfGE 103, 21 (31); ähnlich BVerfG, NJW 1996, 3071 (3072); NJW 1996, 771 (772). 251 Vgl. VerfGH Berlin, NJW 2006, 1416 (1417); Bosch, Jura 2021, 41 (43); Härtel, ZG 2005, 300 (305); Jahn, ZRP 2017, 1; Lorenz, JZ 2005, 1121 (1127, Fn. 114); Lee, S. 37; Kische, in: Lange/Wedekamm (Hrsg.), Postfaktische Sicherheitspolitik, 9 (24 f.); Schneider, NStZ 2018, 692 (694); Vath, S. 32 f.; Wüsteney, S. 113; wohl auch Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 1, Rn. 140 (vgl. dort die Bezugnahme auf BVerfGE 103, 21 (31 f., 48 ff.) in Fn. 589); a. A. Jansen, ZIS 2020, 233 (236); West, S. 267; in diese Richtung tendierend Deckers, DRiZ 2017, 246
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
In diesem Sinne wird häufig vorgebracht – von einer Begründung kann nicht gesprochen werden –, eine Analyse des codierenden DNA-Bereichs beträfe den intimsten Bereich der Persönlichkeit, gar den Kern des menschlichen Wesens252 oder entschlüssele alle Erbanlagen, sodass damit der Bürger zum Objekt des Staates verkomme253. Soweit eine Begründung versucht wird, wird darauf verwiesen, dass die Analyse codierender DNA-Bereiche bedeutete, die Determinanten des Menschen, quasi also seine aus der körperlichen Zusammensetzung herrührende Vorbestimmung zu untersuchen254. Gerade weil trotz dieser Determination durch die Gene Spielraum für die Entwicklung und Bestimmung des Menschen durch ihn selbst sei, würde die Würde des Einzelnen tangiert, wenn durch die zwangsweise Offenlegung diese Entwicklung gestört würde255. In dieser Argumentation werden die codierenden Bereiche der DNA mit dem genetischen Programm gleichgesetzt256. In diesem Sinne ist etwa Bickel zu verstehen, wenn dieser argumentiert, das Verhältnismäßigkeitsprinzip verböte eine Analyse codierender DNA-Bereiche, weil damit das ganze menschliche Genom offenbart würde257. Es sei sogar so, dass der Betroffene auf ein zwangsweises Funktionieren reduziert würde258. Codierende DNA-Bereiche auszuwerten mache „den Menschen durchsichtig bis auf seinen Zellkern“259. Man könne von diesem Ausgangspunkt den ganzen Menschen durchleuchten260. Selbst im Falle einer Beschränkung auf bloß äußerlich sichtbare Merkmale, sei zu berücksichtigen, dass von diesen Merkmalen Rückschlüsse etwa auf Erbkrankheiten möglich seien, die dann jedenfalls dem unantastbaren Kernbereich der Persönlichkeit unterfielen261. 89; unter Bezug auf BVerfGE 103, 21 (31 ff.) zumindest für eine fehlende Eindeutigkeit der Entscheidung Rath, GSZ 2018, 67 (68); abwegig dagegen Montag, in: BT-Fraktion B’90/Grüne (Hrsg.), Genetischer Fingerabdruck, 3 (4), der davon ausgeht, das BVerfG gehe von einem Eingriff in den unantastbaren Kernbereich aus, den es aber für rechtfertigbar hielte, weil nur der nicht codierende Bereich betroffen sei. 252 Karioth, Die Polizei 1997, 195 (198); Koriath, JA 1993, 270 (277); Schubert/Gerlach, RuP 2005, 79 (82, Fn. 23); Schaar, in: BT-Fraktion B’90/Grüne (Hrsg.), Genetischer Fingerabdruck, 17 (19). 253 Hombert, S. 39; Oberwetter, S. 35; ähnlich LG Heilbronn, NJW 1990, 784 (786); Schulz, JRE 7 [1999], 195 (205). 254 Keller, NJW 1989, 2289 (2293); zust. Hero, S. 58; Oberwetter, S. 35; ähnlich SternbergLieben, GA 1990, 289 (302). 255 Keller, NJW 1989, 2289 (2293). 256 Foldenauer, S. 92; vgl. i. d. S. etwa Bickel, VerwArch 89 [1996], 169 (182); Hombert, S. 39; Kische, in: Lange/Wedekamm (Hrsg.), Postfaktische Sicherheitspolitik, 9 (15). 257 Bickel, VerwArch 89 [1996], 169 (182). 258 Keller, NJW 1989, 2289 (2293). 259 Schnorr/Wissing, ZRP 2003, 222 (223). 260 Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (64); ähnlich Kische, in: Lange/Wedekamm (Hrsg.), Postfaktische Sicherheitspolitik, 9 (15). 261 Weichert, DuD 2018, 358 (363).
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(2) Codierende DNA-Bereiche und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Gegner der Ausweitung der DNA-Analyse führten ebenso das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ins Feld262. Würde die DNA-Analyse ausgeweitet, so käme das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Strafverfahren nur dadurch noch zur Geltung, dass es formell einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, die dann aber zu umfassender genetischer Ausforschung ermächtige263. Weniger scharf wird zumindest an das Verhältnismäßigkeitsprinzip angeknüpft, indem daran erinnert wird, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dürfe nicht intensiver tangiert werden als es unerlässlich sei. Das sei bei der Analyse codierender DNABereiche nicht mehr der Fall264. (3) Vermischung von Strafverfolgung und präventiv-polizeilicher Arbeit Rademacher sieht außerdem in der Ausweitung der DNA-Analyse auf äußerlich feststellbare Merkmale eine Vermischung von repressiver Strafverfolgung und präventiver Polizeiarbeit. In letztgenanntem Bereich sollte die DNA-Analyse aber keine Verwendung finden, um der Tendenz entgegenzuwirken, „d[en] Einzelne[n] als Informations- und Beobachtungsobjekt [zu] missbrauch[en]“265. (4) Verringerung des kriminalistischen Nutzens durch nachträgliche Veränderung des Aussehens, Fehlerquellen und bewusste Manipulation Graalmann-Scheerer hat der Erweiterung möglicher Feststellungen auf phänotypische Merkmale des Spurenlegers entgegengehalten, dafür bestehe kein Raum. Denn Augen- und Haarfarbe ließen sich durch einfache Mittel wie Kontaktlinsen oder das Tragen einer Perücke bzw. ein Färben der Haare verändern266. Berücksichtigung finden müsse ferner, dass sich das Aussehen einer Person im Laufe ihrer Lebens auch ohne ihr Zutun ihrerseits könne – etwa durch Ergrauen oder Nachdunkeln der Haare, ohne dass dies durch eine DNA-Analyse erkannt werden könnte267. Die Fehlerquote sei ebenso zu berücksichtigen268. Außerdem müsse bedacht werden, dass durch das bewusste Legen einer Spur die Strafverfolgungsbehörden auf eine falsche Fährte gebracht werden könnten269. Es sei ferner zu sehen, dass die durch DNA-Analysen hauptsächlich aufzuklärenden De262
Bockemühl, NJW-aktuell 3/2017, 16; Rademacher, S. 97 f.; Volk, NStZ 2002, 561 (565). Rademacher, S. 97 f. 264 Volk, NStZ 2002, 561 (565). 265 Rademacher, S. 98; vgl. aber auch BT-Drucks. 10/6775, S. 176. 266 Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (74); dies., in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 39 (48); ebenso Weichert, DuD 2018, 358 (362). 267 Beck, S. 113; Jansen, ZIS 2020, 233 (234); Mansdörfer, jM 2021, 432 (434 f.); vgl. auch die Stellungnahme der Spurenkommission v. 14. 12. 2016, S. 2. 268 Deckers, DRiZ 2017, 89. 269 Lipphardt et al., Offener Brief v. 08. 12. 2016, S. 1; vgl. Beck, KriPoZ 2017, 160 (163). 263
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
likte wie Entführungs-, Tötungs- oder Sexualdelikte häufig aus dem sozialen Nahbereich des Opfers geschähen. Das mache eine Feststellung von äußerlich sichtbaren Merkmalen überflüssig270. (5) Die Gefahr der Diskriminierung von Minderheiten Ferner wird darauf hingewiesen, dass die Feststellung phänotypischer Merkmale u. U. zu einer Diskriminierung von Minderheiten führen könnte271. Dies passiere dann, wenn Merkmale, die nur auf einen geringen, abgrenzbaren Teil der Bevölkerung zuträfen, statistisch häufig in Verbindung mit Straftaten stünden272. Hinsichtlich der Veröffentlichung müsse man ferner sehen, dass die Bevölkerung insgesamt etwaige Erkenntnisse oft unreflektierter aufnehme als derjenige, der im Umgang mit entsprechenden Daten geschult sei273. Die würde Informationen eher für wahr halten, wenn diese auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und nicht auf einer bloßen Zeugenaussage gründeten274. Eine solche Diskriminierung sei jedenfalls nach Art. 3 GG, 21 GRCh verboten275. (6) Verstoß gegen Unionsrecht In Bezug auf die Entwürfe, die im Jahre 2017 dem Bundesrat vorgelegen haben, weist Weichert darauf hin, dass diese keine Beschränkung auf besonders schwere Straftaten, keine verfahrensrechtlichen Vorkehrungen und auch sonst keine Abwägungsparameter vorsähen276. Deshalb werde den Anforderungen von Art. 10 JI-RL nicht Genüge getan277. (7) Subsidiäre Anwendung der erweiterten Feststellungsmöglichkeiten Gegen ein Einsatz der erweiterten DNA-Analyse als Mittel erster Wahl meldet Jansen Bedenken an, obschon sie die gesetzliche Ermöglichung zumindest nicht für
270
Deckers, DRiZ 2017, 89. Becker, in: FS-Graf-Schlicker, 429 (434); Deckers, DRiZ 2017, 89; Eisenberg, Rn. 1682a; Lipphardt/Wienroth, Polizeilicher Ermittlungsdienst, S. 13; Schreiber, ZRP 2019, 105 (107); Schultz/Bartram, Bürgerrechte und Polizei 113 [2017], 69 (74); Weichert, DuD 2018, 358 (363); vgl. auch Beck, KriPoZ 2017, 160 (166); Lee, S. 50. 272 Becker, in: FS-Graf-Schlicker, 429 (434). 273 Becker, in: FS-Graf-Schlicker, 429 (434); vgl. auch Lipphardt/Wienroth, Polizeilicher Ermittlungsdienst, S. 13; Schreiber, ZRP 2019, 105 (107); Zöller/Thörnich, ZIS 2017, 331 (340). 274 Becker, in: FS Graf-Schlicker, 429 (434). 275 Deckers, DRiZ 2017, 89; Weichert, DuD 2018, 358 (363); krit. zumindest Lipphardt/ Wienroth, Polizeilicher Ermittlungsdienst, S. 13. 276 Weichert, DuD 2018, 358 (361, 363). 277 Weichert, DuD 2018, 358 (361, 363). 271
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rechtswidrig erachtet278. Eine frühestmögliche Identitätsbestimmung mittels DNAAnalytik in Form des Abgleichs zweier DNA-Identifikationsmuster erscheine zwar sinnvoll und notwendig, da es kein Adäquat gäbe, welches ähnlich sicher die Übereinstimmung einer Spur mit einem Verdächtigen belegen könne. Für die Bestimmung des Phänotyps gelte dies aber nicht. Hierfür könne es u. U. mildere Mittel geben wie Die Vernehmung eines Zeugen. Aufgrund der Intensität des mit der Feststellung verbundenen Eingriffs sei darauf zu achten, dass nicht Bagatellstraftaten als Anlasstat genügen. Zwar hätte der Gesetzgeber mit entsprechenden Voraussetzungen im Gesetzestext dem Einhalt gebieten können und sollen, eine entsprechende subsidiäre Anwendung ließe sich im Wege der Auslegung indessen ebenso erreichen. Winkler279 hingegen meint, eine gesetzliche Subsidiarität dem Gesetz entnehmen zu können. Zwar geht er nicht so weit, andere, nicht molekulargenetische Ermittlungsmaßnahmen wie Vernehmungen o. ä. vorzuziehen. Indes zeige das Wort „zusätzlich“ in § 81e Abs. 2 S. 2 StPO, dass zuvor eine „normale“, d. h. nicht erweiterte DNA-Analyse stattfinden müsse, die auch einen Abgleich mit den BKA gespeicherten Mustern verlange. bb) Ansätze für die Feststellung phänotypischer Merkmale (1) Kein Eindringen in den absoluten geschützten Kernbereich der Persönlichkeit In der Literatur finden sich aber auch Stimmen, die einer Gleichsetzung von DNAAnalyse im codierenden Bereich und einem Eingriff in den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit ablehnen280. Da nicht jede Untersuchung im codierenden Bereich der DNA die gleiche Eingriffsintensität habe, könne auch nicht pauschal jede Untersuchung dort mit der Begründung, es liege ein Eingriff in den absolut geschützten Kernbereich vor, für verfassungswidrig erklärt werden281. Unter Verweis auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung, nach der die Frage nach einer Verletzung des absolut geschützten Kernbereichs der Persönlichkeit nicht abstrakt, sondern stets nur unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten des Einzelfalles beantwortet werden kann282, sei die Differenzierung in codierende und nicht-codierende DNA-Abschnitte willkürlich283 278
Zum Ganzen Jansen, ZIS 2020, 233 (238 f.); ähnlich jüngst auch Mansdörfer, jM 2021, 432 (433 f.). 279 Winkler, Kriminalistik 2021, 579 (580). 280 Vgl. Altendorfer, S. 163; Beck, S. 107 ff.; dies., KriPoZ 2017, 160 (164); Foldenauer, S. 92; Hasselbach, S. 172 f.; Jansen, ZIS 2020, 233 (236); Schneider, NStZ 2018, 692 (694); West, S. 272 ff.; vgl. allgemeiner auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 5; vgl. aus der Gesetzgebung BT-Drucks. 19/14747, S. 27. 281 Beck, S. 107; dies., KriPoZ 2017, 160 (164); Klumpe, S. 134; Schneider, NStZ 2018, 692 (694); West, S. 272 ff. 282 Vgl. BVerfGE 34, 238 (248); 80, 367 (374); 109, 273 (314).
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Stattdessen müsse im Hinblick auf die jeweils festgestellten Informationen und deren Eingriffsintensität differenziert werden284. Wenn im codierenden Bereich äußerlich erkennbare Merkmale des Spurenlegers festgestellt würden, so stellte dies keinen Eingriff in den Kernbereich dar285. Schutzbedürftige Erbanlagen würden nicht ausgeforscht286. Folgender Vergleich begründe dies: Falls ein Zeuge eine Straftat beobachte und später den Strafverfolgungsbehörden das Aussehen des Täters beschriebe, würde diesem Vorgang nicht entgegengehalten werden, es liege ein Eingriff in den unantastbaren Kernbereich vor287. Genauso liege die Situation bei der Feststellung äußerlich erkennbarer Merkmale mittels DNA-Analyse. Keine anderen Informationen würden festgestellt288. Die DNA-Analyse sei mit erkennungsdienstlichen Maßnahmen vergleichbar, die verfassungsrechtlich unbedenklich seien289. Die Feststellung phänotypischer Merkmale sei daher nicht eingriffsintensiver als die Erstellung eines Phantombildes290 oder die Verwertung einer Photographie oder einer Videoaufzeichnung291. Der molekulargenetische Ursprung der Daten könne nichts an diesem Ergebnis ändern292. Denn wenn es möglich sei, etwa aus der Augenfarbe auf den genetischen Code zu schließen, so könne für den umgekehrten Fall nichts an283
West, S. 273. Vgl. Altendorfer, S. 163 f.; Beck, S. 117; dies., KriPoZ 2017, 160 (165); Becker, in: FSGraf-Schlicker, 429 (433); Foldenauer, S. 92 f.; Jansen, ZIS 2020, 233 (236); Klumpe, S. 134; Schneider, NStZ 2018, 692 (694); Schreiber, ZRP 2019, 105 (106); Sternberg-Lieben, GA 1990, 289 (302); West, S. 275; Wüsteney, S. 124; Zöller/Thörnich, ZIS 2017, 331 (337); dafür im Allgemeinen auch Ernst, S. 72. 285 BT-Drucks. 19/14747, S. 27; BR-Drucks. 117/17, S. 2; Altendorfer, S. 163 f.; Beck, S. 107; dies., KriPoZ 2017, 160 (164); Becker, in: FS-Graf-Schlicker, 429 (433); Claus, NStZ 2020, 57 (62); Hero, S. 58; a. A. explizit Lee, S. 38. 286 BT-Drucks. 19/14747, S. 27; Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (496); a. A. aber wohl Lorenz, JZ 2005, 1121 (1123); Rogall, JZ 2013, 874 (879), die äußere Merkmale und Krankheitsdispositionen gleichsetzen; i. E. auch a. A. Weichert, DuD 2018, 358 (363). 287 BT-Drucks. 19/14747, S. 27; Bauch, Der Kriminalist 2004, 286 (287); Beck, S. 107; dies., KriPoZ 2017, 160 (164); Becker, in: FS-Graf-Schlicker, 429 (433); Claus, NStZ 2020, 57 (62); Hasselbach, S. 176 f.; Klumpe, S. 134; Schneider, NStZ 2018, 692 (694); Schreiber, ZRP 2019, 105 (106); West, S. 283; Wolf, DRiZ 2017, 88; Wüsteney, S. 124. Einen ähnlichen Vergleich strengen Altendorfer, S. 163; Becker a. a. O.; Hasselbach a. a. O. und Wolf, NJW-aktuell 3/2017, S. 16 an, die auf einen von einer Überwachungskamera gefilmten Täter rekurrieren. Vgl. auch unter Bezug auf einen Vortrag des Professors für forensische Genetik Peter M. Schneider bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin SiegmundSchulze, ÄZ Nr. 213 v. 23. 11. 2004, S. 2. Vgl. auch Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (496), der die DNA-Analyse als „stumme[n] Zeuge[n]“ bezeichnet. 288 Beck, S. 107; dies., KriPoZ 2017, 160 (164). 289 Hasselbach, S. 177; Wüsteney, S. 124. 290 Beck, S. 108; Hasselbach, S. 176; Wüsteney, S. 124. 291 BT-Drucks. 19/14747, S. 27; Bosch, Jura 2021, 41 (43); Claus, NStZ 2020, 57 (62); Härtel, ZG 2005, 300 (306); Hero, S. 58; Latotzky, S. 117. 292 Bauch, Der Kriminalist 2004, 286; Foldenauer, S. 92; Schreiber, ZRP 2019, 105 (106); vgl. auch West, S. 283, nach dem die bloße Veränderung des Mediums (Zeuge/DNA) unbeachtlich sein soll; ebenso Wolf, NJW-aktuell 2017, 16; ders., DRiZ 2017, 88. 284
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deres gelten293. Was äußerlich sichtbar sei, habe Außenbezug und könne schließlich nicht dem Intimbereich unterfallen294. Einige Autoren verweisen darauf, dass mit dieser Argumentation, mit der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Geschlechtsbestimmung gerechtfertigt habe, auch die Feststellung weiterer phänotypischer Merkmale gerechtfertigt werden könne295. Darüber hinaus gelte es auch zu sehen, dass der Täter durch die Straftat einen Gemeinschaftsbezug hergestellt habe, sodass auch deshalb nicht mehr vom Intimbereich gesprochen werden könne296. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass an äußeren, nicht krankheitsbedingten Gegebenheiten nichts Peinliches oder Kompromittierendes zu erkennen sei, was es rechtfertigen würde, diese Informationen dem Kernbereich der Persönlichkeit zuzuordnen297. Dem Argument, der Mensch werde auf bloßes Funktionieren reduziert, wird entgegengebracht, dass die jeweiligen Feststellungen gar nicht seiner Disposition unterliegen, sodass er auch nicht „bloß funktionieren“ könne298. Anders läge die Situation indes bei der Feststellung nicht äußerlich erkennbarer Merkmale wie bspw. einer etwaigen Krankheit(sdisposition)299. Der Vergleich mit der Beschreibung eines Zeugen verfange hier nicht, denn der Zeuge könne innere Merkmale wie Krankheiten nicht beschreiben300. Eine Krankheit falle in die Intimsphäre eines Menschen; ist sie noch nicht ausgebrochen, habe der Spurenleger ein Recht auf Nichtwissen301. Im Ergebnis dürften daher nicht sichtbare Merkmale nicht
293
Foldenauer, S. 92 f. BR-Drucks. 117/17, S. 2; Burr, S. 111; Claus, NStZ 2020, 57 (62); Foldenauer, S. 92; Härtel, ZG 2005, 300 (306); Hasselbach, S. 176; Klumpe, S. 13; Krehl/Kolz, StV 2004, 447 (449); Schneider, NStZ 2018, 692 (694); Schreiber, ZRP 2019, 105 (106); Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (493, 496); West, S. 283; Wüsteney, S. 124; Zöller/Thörnich, ZIS 2017, 331 (337 f.). Altendorfer, S. 163 spricht insofern von „frei zugänglicher Information“. 295 Vgl. etwa Beck, S. 108; Schneider, NStZ 2018, 692 (694); Schreiber, ZRP 2019, 105 (106) unter Verweis (bei Beck genaue Quellenangabe auf S. 36) auf BT-Drucks. 15/350, S. 12, wo indes nicht von der Übertragbarkeit dieser Argumentation auf weitere äußerlich erkennbare Merkmale ausgegangen wird, weil der codierende Bereich der DNA betroffen sei; ebenso Beck., KriPoZ 2017, 160 (164 f.); Jansen, ZIS 2020, 233 (236); Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (493); West, S. 283 unter Verweis auf die Begründung eines entsprechenden Vorschlages der Bayerischen Staats- und der Hessischen Landesregierung, BR-Drucks. 465/03, S. 8, wo von der Übertragbarkeit dieser Argumentation auf andere äußerlich sichtbare Merkmale ausgegangen wird. 296 Burr, S. 111; Klumpe, S. 135; Sternberg-Lieben, NJW 1987, 1242 (1245); West, S. 279. 297 Foldenauer, S. 93. 298 Hombert, S. 41. 299 Beck, S. 108; Becker, in: FS-Graf-Schlicker, 429 (434); Hasselbach, S. 182; Hero, S. 59; Klumpe, S. 136; Schreiber, ZRP 2019, 105 (106); Zöller/Thörnich, ZIS 2017, 331 (337); a. A. Altendorfer, S. 164; Foldenauer, S. 93 f.; West, S. 289 ff. 300 Beck, S. 109; Becker, in: FS-Graf-Schlicker, 429 (434); Hero, S. 58. 301 Beck, S. 109. 294
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
festgestellt werden, sie unterfielen dem absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit302. Statt zwischen codierender und nicht-codierender DNA sei deshalb summa summarum danach zu differenzieren, ob die Merkmale äußerlich erkennbar wären303. (2) Recht auf informationelle Selbstbestimmung Ob mit der zusätzlichen Feststellung phänotypischer Merkmale ein zusätzlicher bzw. ein intensivierter Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung folgt, ist unter den Befürwortern einer Ausweitung der DNA umstritten. Für diejenigen, die einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung unter Berufung auf die oben genannten Argumente verneinen, wenn der Spurenleger unbekannt ist, kann eine mögliche Verletzung des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung denknotwendig kein Argument sein. Schließlich soll der Schutzbereich gar nicht eröffnet sein304. Doch auch soweit ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bejaht wird305, geht man davon aus, dass dieser i. R. d. Interessenabwägung zwischen der Grundrechtsposition und dem Interesse an wirksamer Strafverfolgung gerechtfertigt werden könnte306. Das gelte, obschon der der Betroffene ein berechtigtes Interesse daran haben könne, unter seinem neuen Aussehen nicht erkannt zu werden, falls er dies inzwischen geändert habe307. Auch eine Kumulation mehrerer Feststellungen führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Informationsgehalt gehe insofern nicht über den einer Photographie hinaus308.
302
Beck, S. 109; Becker, in: FS-Graf-Schlicker, 429 (434). Beck, S. 117; dies., KriPoZ 2017, 160 (164); vgl. auch BT-Drucks. 19/14747, S. 27; Becker, in: FS-Graf-Schlicker, 429 (434); Härtel, ZG 2005, 300 (306); Hero, S. 58. 304 Vgl. oben Kap. 3 § 3 I. 1. b) aa). 305 Beck, S. 110 f. geht davon aus, dass ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bei der Feststellung phänotypischer Merkmale vorliegen soll, obschon sie auf S. 89 f. einen Eingriff bei der bloßen Feststellung des DNA-Identifikationsmusters verneint. Das gelte deshalb, weil das Argument, die Spur habe sich vom Spurenleger gelöst, nicht mehr haltbar sei, weil dieser gerade aus der Spur ermittelt werden könnte. Ebenso einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bejahen zumindest konkludent BT-Drucks. 19/14747, S. 26; BR-Drucks. 117/17, S. 3; Becker, in: FS-Graf-Schlicker, 429 (433); Foldenauer, S. 93; Schreiber, ZRP 2019, 105 (106); Zöller/Thörnich, ZIS 2017, 331 (337). Mit dieser Begründung gegen eine Feststellung phänotypischer Merkmale vgl. Bockemühl, NJW-aktuell 3/2017, 16; Rademacher, S. 97 f.; Volk, NStZ 2002, 561 (565). 306 BT-Drucks. 19/14747, S. 26 f.; BR-Drucks. 117/17, S. 3; Foldenauer, S. 96 f. 307 Krehl/Kolz, StV 2004, 447 (449); West, S. 284. 308 West, S. 285. 303
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(3) Sinnlosigkeit der Trennung von codierender und nicht-codierender DNA für juristische Zwecke Altendorfer weist darauf hin, dass die Trennung von codierenden und nicht-codierenden Bereichen der DNA für juristische Zwecke nicht sinnvoll erscheine309. Denn auch nicht-codierende DNA-Bereiche könnten Aufschluss über Erbanlagen geben. Dessen Analyse sei deshalb ebenso wenig ein einfach zu rechtfertigender Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung310. Das ursprünglich mit einem Verbot der Analyse codierender DNA-Bereiche bezweckte Ziel – Verhinderung der Ausforschung von Erbanlagen – würde konterkariert, soweit man im Umkehrschluss den nicht codierenden Bereich als völlig persönlichkeitsneutral erachtete311. Ähnlich argumentiert Beck, die in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass aufgrund von Kopplungen auch nicht-codierende DNA-Bereiche nicht persönlichkeitsneutral seien312. (4) Die Analyse codierender DNA-Bereiche als naturwissenschaftliches und juristisches Gebot? Ferner sei es zu bedenken, dass ein DNA-Gutachten, das ohne Rückgriff auf codierende DNA-Bereiche erstellt würde, unvollständig und mit Unsicherheiten belastet sei. Zu einer sorgfältigen DNA-Analyse zu Strafverfolgungszwecken gehöre zwangsläufig die Untersuchung codierender DNA-Bereiche. Es sei bspw. notwendig, mittels DNA-Analyse Blut an der Vagina einer Frau dahingehend zu untersuchen, ob das Blut Folge einer Verletzung oder nur Folge der Menstruation sei313. (5) Rechtsunsicherheit durch Trennung in codierende und nicht-codierende DNA-Bereiche Außerdem drohe Rechtsunsicherheit, sollte auf eine strikte Trennung von codierenden und nicht-codierenden DNA-Bereichen bestanden werden. Die Basis für einen neuen Streit, welcher Teil der DNA codierend bzw. nicht codierend sei, würde dadurch gelegt314. Nach den neueren Erkenntnissen der Naturwissenschaft sei eine Trennung von codierenden und nicht-codierenden DNA-Sequenzen ohnehin nicht 309
Zum Ganzen Altendorfer, S. 103 ff. So auch Beck, KriPoZ 2017, 160 (164); ebenso Rogall, in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 6; vgl. auch Jahn, ZRP 2017, 1; Krehl/Kolz, StV 2004, 447 (448); Schneider, NStZ 2018, 692 (694); Zöller/Thörnich, ZIS 2017, 331 (337). 311 Altendorfer, S. 104. 312 Beck, S. 114 ff.; ebenso Antonow, S. 155; Hero, S. 58 f.; Lee, S. 49; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 367, 371; Schaar, in: BT-Fraktion B’90/Grüne (Hrsg.), Genetischer Fingerabdruck, 17; Vath, S. 33. 313 Altendorfer, S. 104; für die Notwendigkeit einer Analyse auch des codierenden DNABereichs Walther, in: AnwKo-StPO, § 81e, Rn. 10. 314 Altendorfer, S. 104; vgl. auch Hero, S. 59. 310
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möglich315. Außerdem entstünde durch die Trennung der falsche Eindruck, DNAAnalysen im nicht-codierenden Bereich seien unbedenklich316. (6) Keine Verringerung des kriminalistischen Nutzens durch Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes; keine spezifische Missbrauchsgefahr Der Auffassung, die Erweiterung möglicher Feststellungen auf das Aussehen einer Person betreffende Merkmal bringe jedenfalls aber keinen Nutzen mit, weil die Person ihr Äußeres auch zu ändern vermag, wird ebenso widersprochen317. Mit derselben Argumentation könne auch eine Aussage eines Zeugen, der den Täter beschreibt, für unwichtig erklärt werden318. Auch der Sinn einer Öffentlichkeitsfahndung könne mit dieser Argumentation in Frage gestellt werden319. Jede erkennungsdienstliche Maßnahme könne gar mit der ähnlichen Argumentation, der Täter könne Maßnahmen gegen seine Wiedererkennung ergreifen, für unzweckmäßig erklärt werden. Nicht frei von Ironie stellt West in diesem Zusammenhang die rhetorischen Fragen, ob man auf die Aufnahme von Lichtbildern verzichten sollte, weil der Täter sich einen Bart wachsen lassen, eine Brille aufziehen oder seine Haare färben kann; ob man die Abnahme von Fingerabdrücken unterlassen könne, weil der Täter in Zukunft Handschuhe tragen könne. Dies sei bei der kriminalistischen Arbeit als eine Möglichkeit zu berücksichtigen. Es gelte auch zu sehen, dass aus unterschiedlichen Motiven Täter auf entsprechende Maßnahmen auch verzichteten, etwa, weil sie sich sicher fühlten, und dass eine Änderung des äußeren Erscheinungsbildes sogar der Umwelt auffalle, was zur Ergreifung gar beitragen könne320. Auch bei anderen Beweismittels bestehe eine Missbrauchsgefahr321. Ein Zeugen könne lügen, eine Urkunde könne gefälscht sein322. Es sei in diesen Fällen Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, mit dem Analyseergebnis fachgerecht umzugehen323. Das Ergebnis der DNA-Analyse sei sogar neutraler als bspw. eine Zeugenaussage, da bei letzter auch ein persönliches Interesse des Zeugen maßgeblich sein könnte324. Ein unsachgerechter Umgang mit den Daten sei ferner kein Argument gegen die Durchführung der DNA-Analyse. Es handle sich dabei eher um ein Problem, das die 315
Antonow, S. 155; Lee, S. 38 f.; vgl. krit. bereits Schulz, JRE 7 [1999], 195 (205). Hero, S. 59. 317 Jansen, ZIS 2020, 233 (237); Rackow, ZRP 2002, 236; West, S. 284. 318 Jansen, ZIS 2020, 233 (237); West, S. 284. 319 Rackow, ZRP 2002, 236. 320 Zum Ganzen West, S. 284 f., vgl. dort auch Fn. 1278. 321 Antonow, S. 156; Eisenmenger, in: BT-Fraktion B’90/Grüne (Hrsg.), Genetischer Fingerabdruck, 25 (27); Hero, S. 55; Schneider, NStZ 2018, 692 (695); Sternberg-Lieben, NJW 1987, 1242 (1244); Wolf, DRiZ 2017, 88. 322 Schneider, NStZ 2018, 692 (695); Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (495). 323 Schneider, NStZ 2018, 692 (695). 324 Schneider, NStZ 2018, 692 (695); Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (495). 316
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Datensicherheit beträfe und nicht die Unzulässigkeit der Datenerhebung begründe325. Den mit der DNA-Analyse einhergehenden Unsicherheiten könnte jedenfalls mit einer entsprechenden Schulung der mit der Strafverfolgung betrauten Personen begegnet werden326. (7) Zur Gefahr einer Diskriminierung In Bezug auf das Argument, die Feststellung phänotypischer Merkmale ermögliche die Diskriminierung von Minderheiten, wird vorgebracht, nicht bereits die Feststellung führe zur Diskriminierung, sondern erst für die Veröffentlichung des Untersuchungsergebnisses327. Hier könnte jedoch ein sorgsamer Umgang mit den Erkenntnissen einer Diskriminierung Einhalt gebieten328. Im Rahmen der bloßen Feststellung würden alle Spuren gleich behandelt329. Umgekehrt gäbe es für die Verwendung des Untersuchungsergebnisses einen sachlichen Grund. Denn unverhältnismäßig erschiene, bei einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass die DNA von einem Menschen schwarzer Hautfarbe stammt, Menschen weißer Hautfarbe zur DNA-Reihenuntersuchung zu laden330. Es handle sich bei der Gefahr von Diskriminierung darüber hinaus auch nicht um spezifisches Phänomen beim Umgang mit aus DNA stammenden Erkenntnissen. Vielmehr es dies ein generelles Problem der Öffentlichkeitsarbeit der Ermittlungsbehörden, das z. B. bei der Fahndung nach Person in sozialen Netzwerken ebenso bestehe wie bei der Veröffentlichung einer Videoaufzeichnung331. Der Zeuge könne ebenso einen schwarzen Menschen beschrieben, wenn er dies in Erinnerung hat, ohne mit dem Stigma der Diskriminierung behaftet zu werden332. Außerdem gelte es auch zu sehen, dass gerade für Minderheiten die Feststellung zusätzlicher Merkmale nicht nur be-, sondern auch entlastend wirken könnte333. In diesem Zusammenhang verweist Beck darauf, dass in den Niederlanden Asylbewerber von dem Verdacht, eine Frau in der Nähe ihrer Unterkunft vergewaltigt zu haben, erst dadurch befreit wurden, dass eine DNA-Analyse ergab, dass der Täter europäischer Herkunft sein müsse334. Wenn aber die Er325
Hero, S. 57; Latotzky, S. 118. Beck, S. 113; Jansen, ZIS 2020, 233 (237); ähnlich Rath, GSZ 2018, 67 (69); krit. aber Ellebrecht/Weber, Kriminalistik 2020, 44 (49). 327 BT-Drucks. 19/14747, S. 28; Becker, in: FS-Graf-Schlicker, 429 (434); Jansen, ZIS 2020, 233 (239). 328 Becker, in: FS-Graf-Schlicker, 429 (434); Claus, NStZ 2020, 57 (62). 329 Jansen, ZIS 2020, 233 (239). 330 Jansen, ZIS 2020, 233 (239). 331 BT-Drucks. 19/14747, S. 28; Becker, in: FS-Graf-Schlicker, 429 (434, dort auch Fn. 16); Claus, NStZ 2020, 57 (62). 332 Jansen, ZIS 2020, 233 (239); Rath, GSZ 2018, 67 (69). 333 Beck, KriPoZ 2017, 160 (166); Jansen, ZIS 2020, 233 (240); Rath, GSZ 2018, 67 (69); Schreiber, ZRP 2019, 105 (107); Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (495); Wolf, DRiZ 2017, 88. 334 Beck, KriPoZ 2017, 160 (166); vgl. ebenso Ellebrecht/Weber, Kriminalistik 2020, 44 (46); Rath, GSZ 2018, 67 (69); Schreiber, ZRP 2019, 105 (107); Stenger, Kriminalistik 2017, 326
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kenntnisse eine Minderheit belasteten, so sei dies erst einmal eine statistische, wertfreie Aussage335. Die Gesellschaft müsse akzeptieren, dass Minderheiten wie Mehrheiten Straftaten begehen336. Gelinge dies nicht, bestehe ein gesellschaftliches Problem, das nicht durch den Verzicht auf eine Ermittlungsmethode gelöst werden könne337. In einer Art argumentum ad absurdum bezeichnet Bosch den Vorwurf der Diskriminierung als absurd. Hätte er Berechtigung, könnte gleich ein Verbot von Ermittlungen gegen Menschen schwarzer Hautfarbe in die StPO eingefügt werden338. b) Stellungnahme zu § 81e Abs. 2 S. 2 StPO n. F. aa) Codierende und nicht codierende DNA-Bereiche – ein unbrauchbares Kriterium Die Unterscheidung von codierenden und nicht-codierenden DNA-Bereichen für juristische Zwecke ist bestenfalls Folge eines Missverständnisses mit dem BVerfG, schlimmstenfalls eine Ignoranz gegenüber naturwissenschaftlichen Fakten. (1) Keine verfassungsgerichtliche Präjudiz Stellvertretend für ersteres ist Jahn, wenn dieser schreibt, einer DNA-Analyse der codierenden Bereiche stehe selbst nach einer StPO-Änderung „Karlsruher Rechtsprechung“ entgegen339. Also Carlsruhe locuta, causa finita? Dass das BVerfG – wie alle übrigen Gerichte auch – sich nur mit etwas beschäftigen kann, wenn dieses ihm angetragen wird, bedarf keiner näheren Ausführung. Soll das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit der Analyse codierender DNASequenzen (zu Strafverfolgungszwecken) bestätigen oder verneinen, muss ein Bürger gegen eine Entscheidung, die auf einer entsprechenden Analyse beruht, Verfassungsbeschwerde einlegen, ein Gericht die jeweilige Norm vorlegen (Art. 100 Abs. 1 GG) oder aber ein (abstrakter) Normenkontroll-Antrag (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) gestellt werden. Der BGH kann nur ins Spiel gebracht werden, wenn Revision gegen ein entsprechendes Urteil eingelegt wird. Und auch die unterinstanzlichen Gerichte können über die Rechtmäßigkeit der Analyse codierender DNA-Bereiche 491 (495). In den Niederlanden darf mittels DNA-Analyse seit 2003 die ethnische Zugehörigkeit festgestellt werden, vgl. Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 38; Ellebrecht/Weber, Kriminalistik 2020, 44. 335 Beck, KriPoZ 2017, 160 (166); vgl. umgekehrt auch Rath, GSZ 2018, 67 (69), der darauf hinweist, dass Diskriminierungen und Ressentiments abgebaut werden könnten, falls eine Statistik auswiese, dass die Mehrheitsgesellschaft mehr Straftaten begehe als die Minderheit. Auch das kann aber schwerlich Aufgabe einer DNA-Analyse sein. 336 Beck, KriPoZ 2017, 160 (166). 337 Beck, KriPoZ 2017, 160 (166). 338 Bosch, Jura 2021, 41 (43). 339 Jahn, ZRP 2017, 1.
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nur entscheiden, wenn eine solche Gegenstand des jeweils anhängigen Verfahrens ist. Wie soll aber etwas an ein Gericht angetragen worden sein, das in der Praxis nicht stattfand? Oder, präziser gefragt, wie sollten Gerichte sich mit der Analyse codierender DNA-Bereiche beschäftigen, wenn die DNA-Analyse in Deutschland bisher zwar nicht durch ein ausdrückliches Verbot, aber bedingt durch den Kreis möglicher Feststellung auf nicht-codierende Bereiche beschränkt war? Gemünzt auf das BVerfG muss es daher heißen: Carlsruhe solum rogata loquetur. Im Übrigen würde selbst eine entgegenstehende verfassungsgerichtliche Präjudiz die Befassung mit der Frage nicht obsolet machen, denn eine Befugnis zur Entscheidung ex cathedra, wonach alle Zweifel unzulässig wären, hat selbst das BVerfG nicht inne. Und freilich kann sich die rechtliche Beurteilung auch ändern, wenn in der Zwischenzeit so viel naturwissenschaftlicher Fortschritt festzustellen ist wie i. R. d. DNA-Analytik. Wenn das BVerfG beschloss, ein Eingriff in den absolut geschützten Kern der Persönlichkeit liege nicht vor, „jedenfalls solange sich die Eingriffsermächtigung nur auf den nicht-codierenden (…) Anteil der DNA bezieh[e]“340, so darf man es nicht dahingehend verstehen, ein Eingriff in diesen Bereich liege zwangsläufig dann vor, wenn der codierende Anteil analysiert würde341. Dies ergibt sich erstens nicht aus dem Beschluss und zweitens war das BVerfG gar nicht berufen, darüber zu entscheiden. Erst recht kann man nicht sagen, das BVerfG habe diese Ansicht später revidiert342. Die Problematik, die eine Fixierung auf die Unterscheidung von codierenden und nicht codierenden DNA-Bereichen mit sich bringt, ist keine vom BVerfG erfundene, sondere eine von der Rechtswissenschaft insgesamt hausgemachte. (2) Naturwissenschaftliche Argumente gegen die Unterscheidung von codierenden und nicht-codierenden DNA-Abschnitten im Juristischen Selbst wenn man das BVerfG in dem Sinne verstanden wissen wollte, dass die Analyse codierender DNA-Abschnitte zwangsläufig einen Eingriff in den unantastbaren Kernbereich der Persönlichkeit darstellte, so müsste man feststellen, dass der Beschluss in dem Zeitpunkt, in dem er ergangen ist343, dann schon auf naturwissenschaftlich nur mehr aktuellen und unpräzisen Gründen wurzelte. Sogar die Aussage, die das BVerfG unbestritten trifft – nämlich, dass eine Kernbereichsverletzung ausscheide, solange nur der nicht-codierende Bereich betroffen sei – ist nicht haltbar. Dies war spätestens 1997 in Juristenkreisen bekannt, als der Gesetzgeber in der Begründung zu § 81e StPO feststellte, vom nicht codierenden 340
BVerfGE 103, 21 (31). I. E. bereits Jansen, ZIS 2020, 233 (236); West, S. 267. 342 So aber Antonow, S. 155 unter Verweis auf BVerfG, NJW 2001, 879 (880) (= BVerfG 103, 21), obschon das BVerfG auf seine frühere Rspr. explizit Bezug nimmt (BVerfGE 103, 21 (31)). 343 Der Beschluss stammt vom 14. 12. 2000. 341
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DNA-Bereich aus ließen sich Rückschlüsse auf Erbanlagen ziehen344. Auf das Phänomen der Kopplung ist im naturwissenschaftlichen Teil bereits hingewiesen worden345. Dies steht nicht im Widerspruch zu bisher nicht geklärten Funktion der nicht codierenden DNA-Bereiche. Eisenberg spricht zu Recht von DNA-Bereichen, denen nur bisher keine Funktion zugewiesen wurde346. Aber Funktionslosigkeit heißt nicht Irrelevanz. Das BVerfG nennt in seinem Beschluss beispielhaft, es müsse verhindert werden, „Rückschlüsse auf persönlichkeitsrelevante Merkmale wie Erbanlagen, Charaktereigenschaften oder Krankheiten des Betroffenen“ ziehen zu können347. Wenn es dem BVerfG darauf ankommt, wie es dem Gesetzgeber auch auf genau das ankommt, so kann es keine Rolle spielen, ob die Krankheit, deren Feststellung man verhindern will348, originär im codierenden Bereich oder mittelbar im nicht codierenden Bereich festgestellt wird. Die Feststellung wäre dieselbe. Genauso wie die Analyse nicht codierender DNA-Bereiche nicht vollumfänglich für unbedenklich erklärt werden kann, darf nicht über alle Analysen des codierenden Bereiches gleichsam das Verdikt der Verfassungswidrigkeit gefällt werden349. Soweit dies getan wird350, liegt dies daran, dass eine Analyse des codierenden DNA-Bereiches gleichgesetzt wird mit dem gesamten menschlichen Genom und die Vielschichtigkeit dieses Bereiches nicht verstanden wird. Stellvertretend seien hier Schnorr/Wissing genannt, die vorbringen, codierende DNA-Bereiche auszuwerten mache „den Menschen durchsichtig bis auf seinen Zellkern“351. Ähnlich metaphorisch meint Kische, es würden „weite Einblicke in das menschliche Genom ermöglich[t]“352. Richtig ist, dass im codierenden Bereich hoch sensible Informationen liegen. Richtig ist aber auch, dass in diesem Bereich auch weniger sensible Informationen liegen. Insgesamt richtig ist, dass es möglich ist, mittels einer DNAAnalyse in verfassungsrechtlich problematische Bereiche vorzudringen. Doch wie bspw. durch § 100d StPO vom Gesetzgeber selbst anerkannt wird, kann eine Telefonüberwachung nach § 100a StPO dies auch353. Hat der Gesetzgeber deshalb darauf 344
BT-Drucks. 13/667, S. 6. Vgl. oben, Kap. 2 § 1 III. 2. 346 Eisenberg, Rn. 1683. 347 BVerfGE 103, 21 (32). 348 BT-Drucks. 13/667, S. 6. 349 Richtig bereits Beck, S. 107; dies., KriPoZ 2017, 160 (164); Klumpe, S. 134; Schneider, NStZ 2018, 692 (694); West, S. 272 ff. 350 So etwa Bickel, VerwArch 87 [1996], 169 (182); Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (64); Karioth, Die Polizei 1997, 195 (198); Keller, NJW 1989, 2289 (2293); Koriath, JA 1993, 270 (277); Schnorr/Wissing, ZRP 2003, 222 (223); Schubert/Gerlach, RuP 2005, 79 (82, Fn. 23); Weichert, DuD 2018, 358 (363). 351 Schnorr/Wissing, ZRP 2003, 222 (223). 352 Kische, in: Lange/Wedekamm (Hrsg.), Postfaktische Sicherheitspolitik, 9 (15). 353 Vgl. zutreffend Wüsteney, S. 124, der feststellt, dass dann nahezu alle strafprozessualen Ermächtigungsnormen verfassungswidrig wären, da mit jeder verfassungswidrig gehandelt werden könne. Die bloße Möglichkeit eines verfassungswidrigen Handelns könne daher nicht ausschlaggebend sein. 345
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verzichtet, ein Telefongespräch zu überwachen, nur weil eventuell das Gespräch des Täters mit seinem Ehepartner betroffen sein könnte, das dem unantastbaren Kernbereich unterfällt354 ? Stattdessen hat sich der Gesetzgeber entschlossen, in einem solchen Fall mit § 100d StPO Gegenmaßnahmen zu ergreifen355. Indem der Gesetzgeber in § 81e StPO Feststellungs- und Untersuchungsverbote geschaffen hat, und den Kreis möglicher Feststellungen enumerativ aufgezählt hat, wirkt er verfassungsrechtlich bedenklichen Feststellungen entgegen. Das Beispiel zeigt, dass ein verfassungskonformes Handeln möglich ist, ohne auf eine ganze Ermittlungsmethode oder weite Teile derselben zu verzichten. Ohne das Ergebnis vorwegzunehmen, leuchtet es ein, dass die Feststellung einer noch nicht ausgebrochenen, möglicherweise tödlichen Erbkrankheit nicht auf einer Stufe stehen darf etwa mit der Feststellung der Augenfarbe. Zwar kann es kein belangloses Datum mehr geben356, dies schließt indes eine unterschiedliche Gewichtung einzelner Daten nicht aus. (3) Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Unterscheidung von codierenden und nicht codierenden DNA-Abschnitten als alleiniges Kriterium für juristische Zwecke unbrauchbar ist357. Zwar vermag es im Hinblick auf die juristische Zulässigkeit einer DNA-Analyse ein Indiz sein, ob eine Information im eher bedenklichen, weil vielsagenderen codierenden DNA-Bereich oder im eher unbedenklichen, weil weniger (nicht: nichts!) sagenderen nicht codierenden DNA-Bereich zu finden ist. Menzel spricht insofern anschaulich von einer „Gliederungs- und Erkenntnishilfe“358. Sollte in der Naturwissenschaft Streit darüber herrschen, wann überhaupt eine DNA-Sequenz dem codierenden Bereich unterfällt, wie Altendorfer dies vorträgt359, so führt die Trennung in der juristischen Diskussion zwar nicht zwangsläufig zu 354 Vgl. dazu BVerfGE 109, 279 (321 f.); Bär, in: KMR-StPO, § 100d, Rn. 9; Bruns, in: KKStPO, § 100d, Rn. 4; Eschelbach, in: SSW-StPO, § 100d, Rn. 5; Gercke, in: HK-StPO, § 100d, Rn. 4; Graf, in: BeckOK-StPO, § 100d, Rn. 6; Günther, in: MüKo-StPO I, § 100c, Rn. 55; Schneider, JuS 2021, 29 (30); Wüsteney, S. 124; vgl. auch Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 100d, Rn. 15; Kretschmer, JR 2008, 51 (56); Rogall, in: FS Fezer, 61 (81, Fn. 118); krit. dagegen Eisenberg, Rn. 2488, Fn. 491. 355 Rogall, in: FS Fezer, 61 (81) sieht derartige Regelungen (damals noch in § 100a Abs. 4 S. 1 StPO geregelt) „als eine an sich überflüssige Verlautbarung von Selbstverständlichkeiten“. Dies stimmt insofern, als dass ohne eine derartige Begrenzung im Wege der verfassungskonformen Auslegung der Norm i. E. ebenso keine Kernbereichsinformationen erhoben werden dürften. Dass der Gesetzgeber dies gleichwohl explizit normiert hat und damit eine solche Auslegung obsolet gemacht hat, ist vielleicht unnötig, dient aber der Rechtsklarheit und -sicherheit und ist damit zumindest nicht negativ zu bewerten. 356 BVerfGE 65, 1 (45). 357 A. A. Kische, in: Lange/Wedekamm (Hrsg.), Postfaktische Sicherheitspolitik, 9 (25, Fn. 66), der die dahinterstehende Begründung für „zweifelhaft“ erachtet. 358 Menzel, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 4 (6), wobei es zu beachten gilt, dass Menzel von der Funktionslosigkeit des nicht codierenden DNA-Bereichs ausgeht, vgl. Menzel a. a. O., S. 5. 359 Altendorfer, S. 104.
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Rechtsunsicherheit, weil das einfache Recht dieser Differenzierung nicht folgt, sondern auf die konkrete Feststellung abstellt; es würde aber umso mehr zeigen, dass die Differenzierung unbrauchbar ist. bb) Unantastbarer Kernbereich der Persönlichkeit (1) Die Bestimmung des Kernbereichs im Einzelfall – Augen-, Hautund Haarfarbe und Alter als Höchstpersönliches? Wenn also die pauschale Zuordnung einer Feststellung zu dem (nicht) codierenden DNA-Bereich nicht als Argument dafür oder dagegen taugt, ob eine Feststellung in den unantastbaren Kernbereich der Persönlichkeit fällt, so stellt sich die Frage, wie dann eine Klassifikation zu erfolgen hat. Ausgangspunkt dieser Frage muss die verfassungsgerichtliche Judikatur sein, dass diese nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden kann360. (a) Keine Totalerfassung Das BVerfG hat entschieden, dass es mit dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren wäre, wenn ein Grundrechtsträger in seiner gesamten Persönlichkeit erfasst und katalogisiert würde, auch wenn dies durch eine anonyme Erhebung geschehe361. Davon könnte allenfalls die Rede sein, wenn die Ermächtigungsnorm zur DNA-Analyse keinerlei oder eine nur geringe Einschränkung hätte. Bei § 81e Abs. 2 S. 2 StPO geht es jedoch um vier Merkmale, von denen sich zwei bereits aus der Betrachtung des Personalausweises erschließen362. Von einer Erfassung der Gesamtpersönlichkeit kann daher nicht die Rede sein. (b) Die Möglichkeit der Geheimhaltung am Beispiel des Beschlusses des BVerfG über Ehescheidungsakten In Bezug auf die Akten eines Ehescheidungs-Verfahrens beschloss das BVerfG, diese könnten nicht dem unantastbaren Kernbereich zugeordnet werden, weil ihr Inhalt bereits nach einfachem Recht einem Dritten – dem zuständigen Gericht – zugänglich gemacht werden müsse363. Für die Beurteilung, ob eine Information dem Kernbereich zuzuordnen ist, kommt es daher zumindest auch darauf an, ob die Information überhaupt verborgen bleiben kann. Dies ist bei Augen, Haar- und Haut360
BVerfGE 34, 238 (248); 80, 367 (374); 109, 273 (314); zust. Hero, S. 55. BVerfGE 27, 1 (6); vgl. dazu auch BGH, NJW 1998, 3284 (3286); Beck, S. 93; Härtel, ZG 2005, 300 (305), sowie oben Kap. 3 § 3 II. 362 Vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 4, 8 PAuswG. Vgl. für einen Vergleich mit den Daten, die in einem Personalausweis gespeichert sind schon Härtel, ZG 2005, 300 (306); Jansen, ZIS 2020, 233 (236); vgl. Winkler, Kriminalistik 2021, 579 (581) für den Vergleich mit beim „Amt für Einwohnerangelegenheiten“ hinterlegten Daten. 363 BVerfGE 27, 344 (351). 361
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farbe sowie dem Alter nur bedingt möglich. Freilich können Haare gefärbt und abrasiert werden oder mit einer Perücke verdeckt werden, freilich kann die natürliche Augenfarbe durch das Tragen von Kontaktlinsen verborgen werden. Die Kenntnis der Hautfarbe kann der Öffentlichkeit entzogen werden, indem die Öffentlichkeit nicht betreten wird, eine den ganzen Körper verfüllende Kleidung getragen wird oder der ganze Körper entsprechend geschminkt wird, wenngleich dies deutlich aufwändiger ist als eine Haarfärbung. Alterserscheinungen sind bei jedem Menschen individuell, dennoch kann die Wahrnehmung des Alters durch Dritte zumindest erschwert werden. Dies kann aber nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht entscheidend sein, denn ansonsten hätte man bezüglich der Ehescheidungsakten auch vorbringen können, man müsse schließlich nicht heiraten bzw. man müsse sich ja nicht scheiden lassen. Der Mensch ist nach der Rechtsprechung des BVerfG ein gemeinschaftsbezogenes Wesen, das nicht von der Gesellschaft isoliert betrachtet werden könne364. Deshalb reicht es aus, dass grundsätzlich Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie das Alter sichtbar sind365 und der Mensch sich der Wahrnehmung dieser Merkmale durch die Gesellschaft nicht schlechterdings entziehen kann. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil nicht das Erscheinungsbild des Menschen im konkreten Fall, sondern die Veranlagung analysiert wird, die dem Einzelnen überhaupt nicht zur Disposition steht. (c) Höchstpersönlicher Charakter und der Wille zur Geheimhaltung unter besonderer Berücksichtigung des Vorliegens einer Straftat Ob etwas zum absolut geschützten Kernbereich zählt, hängt nicht auch davon, ob der Betroffene eine Tatsache geheim halten will366. Insofern ist bei der Zuordnung zum Kernbereich auch ein voluntatives Element neben dem faktischen Element der Möglichkeit zur Geheimhaltung zu beachten367. Nun kann aus der Tatsache, dass der Spurenleger in Nähe des Tatortes DNA-haltiges Material hinterlassen hat, nicht geschlussfolgert werden, er sei einverstanden, dieses zu analysieren368. Die Bestimmtheitsanforderungen an einen Grundrechtsverzicht und die bedingt durch die JI-RL noch höheren Anforderungen an die Bestimmtheit einer Einwilligung369 sprechen in rechtlicher Hinsicht bereits dagegen, und unter tatsächlichen Würdigung tut dies die profane Tatsache, dass der Spurenleger, so er der Täter ist, in den seltensten Fällen ein Interesse hat, an seiner eigenen Überführung mitzuwirken.
364 Vgl. BVerfGE 4, 7 (15 f.); 6, 32 (36); 6, 389 (422); 7, 198 (205); 34, 119 (144); 27, 1 (7); 27, 344 (350 f.); 32, 373 (379); 34, 238 (246); 35, 35 (39); 35, 202 (220); 65, 1 (44); 80, 367 (374); vgl. ebenso LG Heilbronn, NJW 1990, 784 (786); Krehl/Kolz, StV 2004, 447 (449). 365 Krehl/Kolz, StV 2004, 447 (449). 366 BVerfGE 80, 367 (374). 367 Vgl. Burr, S. 111. 368 Burr, S. 111. 369 S. dazu oben Kap. 3 § 5 V. 3. und 5.
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Freilich kann der Wille des Betroffenen nicht alleine maßgeblich sein370. Wäre dem so, so könnte der Grundrechtsträger den ihn geltenden Schutz der Grundrechte selbst festlegen. In Bezug auf den unantastbaren Kernbereich hätte dies wegen seines absoluten Schutzes zur Folge, dass dann vom Grundrechtsträger als besonders schützenswert eingestufte Informationen dem Zugriff der Öffentlichkeit und des Staates gleich aus welchem Grund entzogen wären371. Deshalb ist darüber hinaus notwendig, dass die in Rede stehenden Informationen höchstpersönlichen Charakter haben und über die Sphäre des Einzelnen hinaus die Sphäre Dritter oder der Gemeinschaft nicht berühren372. Bejaht wird dies bspw., wenn die Sexualität einer Person im Raume steht373. Maßgebliches Kriterium für Abgrenzung von Intimsphäre zu anderen Sphären ist der Sozialbezug374. Grundsätzlich für die Gesellschaft ohne Belang sind die in Rede stehenden Merkmale, die nach § 81e Abs. 2 S. 2 StPO festgestellt werden dürfen. Es tangiert sie nicht, ob jemand keine, schwarze, braune oder blonde Haare, blaue, braune oder grüne Augen, eine schwarze oder weiße Hautfarbe hat oder ob jemand zehn, 20, 40 oder 80 Jahre alt ist. Dennoch sind dies Informationen, die im Regelfall offen zu Tage treten, wenn der Mensch sich in die Öffentlichkeit begibt. Auch das BVerfG berücksichtigt, ob ein Verhalten typischerweise Außenbezug hat375. Wenn dies – wie bei den Merkmalen des § 81e Abs. 2 S. 2 StPO – der Fall ist, so zählen die Informationen denknotwendig nicht in den Bereich, in denen der Mensch für sich sein kann und andere auszuschließen vermag376. Die Merkmale sind nicht ansatzweise mit dem Themenkomplex der Sexualität vergleichbar. Zwar ist das Argument, bereits durch die Straftat sei ein Gemeinschaftsbezug gegeben377, nicht zwingend. Denn im Zeitpunkt der DNAAnalyse steht noch gar nicht fest, ob der Spurenleger der Täter ist378. Richtig ist 370
BVerfGE 80, 367 (374). Vgl. BVerfGE 80, 367 (373 f.); 119, 1 (29); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 2, Rn. 19. 372 Vgl. BVerfGE 80, 367 (374); 109, 279 (314). 373 BVerfGE 109, 279 (313); 119, 1 (30); BVerwG, NVwZ 1999, 659 (661); KG, NStZ 1992, 385 (386); Gercke, in: HK-StPO, § 100d, Rn. 2; Horn, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 2 GG, Rn. 118; Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2, Rn. 39a; vgl. auch Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 134a; diff. zwischen Privat- und Intimsphäre Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 200; unklar dagegen bei Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 2, Rn. 41. 374 Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 159; Donner/Simon, DÖV 1990, 907 (913); Hero, S. 57, Hombert, S. 50; Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2, Rn. 41; Latotzky, S. 117; vgl. BVerfG NJW 2008, 39 (42); Albers, Informationelle Selbstbestimmung, S. 208 f. 375 BVerfGE 109, 279 (314). 376 Vgl. BVerfGE 35, 202 (220); 109, 279 (314); vgl. dazu auch Arndt, NJW 1967, 1845 (1846). 377 Vgl. aber Burr, S. 111; Klumpe, S. 135; Sternberg-Lieben, NJW 1987, 1242 (1245); West, S. 279. 378 So auch Hombert, S. 51; grundsätzlich oben Kap. 2 § 4 III., IV. 371
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allenfalls, dass Daten über Straftaten nicht dem unantastbaren Kernbereich unterfallen, weil die Straftat die Gesellschaft tangiert379. Es geht dabei aber dann um Daten, die die Straftat betreffen, die der Betroffene freiwillig von sich gegeben hat. Hier geht es um Daten, die das Aussehen betreffen, die erst durch die Analyse den Strafverfolgungsbehörden werden380. Ließe man das Argument, ein Gemeinschaftsbezug verneine den unantastbaren Kernbereich, vollumfänglich zu, so könnte in Kontext mit einer Straftat der gesamte Mensch ausgeforscht werden. Gleichwohl aber stimmt die Wertung, dass die Möglichkeit eines Bezuges zu einer Straftat zu berücksichtigen ist. Dies in Verbindung mit dem fehlenden höchstpersönlichen Charakter macht es schwer vertretbar, die in Rede stehenden Merkmale dem Kernbereich zuzuordnen. (d) Zwischenergebnis Demnach wird durch § 81e Abs. 2 S. 2 StPO nicht in den unantastbaren Kernbereich eingegriffen. Dies liegt zusammenfassend daran, dass die in Rede stehenden Merkmale typischerweise weder verborgen werden noch verborgen werden sollen. Der Kontext zu einer Straftat bestätigt dieses Ergebnis. (2) Die Sensibilität der festgestellten Information als allein entscheidendes Kriterium – Keine weitere Kategorisierung Wenn nun das Dogma von codierenden und nicht codierenden DNA-Bereichen überwunden wurde, so darf dieses in der Folge nicht durch ein Dogma von äußerlicher Sicht- bzw. Unsichtbarkeit ersetzt werden381. Hierfür besteht weder ein gesetzlicher Anhaltspunkt in der StPO noch eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit. Es würde vielmehr ein (weiterer) unbestimmter Rechtsbegriff eingeführt, dessen praktische Handhabung schwierig erscheint382. Denn was ist äußerlich erkennbar? Wie ist es, wenn eine Erbkrankheit sich in der Verfärbung der Hautfarbe äußert? Kommt es auf den Sozialbezug dann auch noch an? Und wessen Blick ist maßgeblich, wenn die äußerlichen Anzeichen der Erbkrankheit nur für den medizinisch Geschulten erkennbar sind, für das Gros der Bevölkerung aber nicht? Macht es einen Unterschied, ob das äußerliche Anzeichen die ganze Haut übersäht oder ob nur ein einziger Fleck an der Fußsohle sichtbar ist? Könnte dann noch von äußerlicher Erkennbarkeit gesprochen werden? Wie ist mit dem Recht auf Nichtwissen zu verfahren, wenn der Erkrankte die äußerlichen Anzeichen der Erbkrankheit entweder gar nicht gesehen hat oder zumindest aber den Kontext zur Krankheit noch nicht 379 Vgl. BVerfGE 80, 367 (374 f.). Pauschal erscheint auch das zweifelhaft. Denn etwa bei absoluten Antragsdelikten zeigt der Gesetzgeber selbst, dass es Straftaten gibt, die nur den Geschädigten tangieren und an deren Ahndung die Gesellschaft kein Interesse haben kann. 380 Hombert, S. 50 f.; ähnlich Hero, S. 60. 381 So aber Beck, S. 117; dies., KriPoZ 2017, 160 (164); vgl. auch BT-Drucks. 19/14747, S. 27; Becker, in: FS-Graf-Schlicker, 429 (434); Härtel, ZG 2005, 300 (306); Hero, S. 58. 382 Zur fehlenden Schärfe des Begriffes nur Ellebrecht/Weber, Kriminalistik 2020, 44 (45).
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
erkannt hat? Könnte dann noch von äußerlicher Erkennbarkeit gesprochen werden? Und wie sollte das Ergebnis, das eine zweifelsohne sichtbare Erkrankung als äußerlich erkennbar nicht dem unantastbaren Kernbereich unterfällt, überhaupt in Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG gebracht werden, wenn dieses explizit ausführte, es müsse verhindert werden, „Rückschlüsse auf persönlichkeitsrelevante Merkmale wie Erbanlagen, Charaktereigenschaften oder Krankheiten des Betroffenen“ ziehen zu können383 ? Die Fragen zeigen auf, dass Begriff äußerlicher Sichtbarkeit so sinnlos erscheint wie die Differenzierung von codierenden und nicht codierenden DNA-Sequenzen. Entscheidend ist die Sensibilität der festgestellten Information384. Auch kann von Bedeutung sein, ob mit ihrer Feststellung die Möglichkeit der Feststellung einer anderen, unzulässigen Feststellung einhergeht oder einhergehen kann. Nur so kann davon gesprochen werden, dass wirklich eine Betrachtung des Einzelfalles vorgenommen wird, wie das BVerfG dies fordert385. Dies ist gleichzeitig eine Absage an jedwede Form einer anderen Kategorisierung. cc) Recht auf informationelle Selbstbestimmung Nur weil die Feststellung der in § 81e Abs. 2 S. 2 StPO aufgezählten Informationen nicht dem Kernbereich der Persönlichkeit unterfallen, heißt dies indes nicht, dass ihre Erhebung zu Strafverfolgungszwecken grundrechtlich ohne Belang ist. Dass die Tatsache, dass der Spurenleger unbekannt ist, an der Eingriffsqualität der Feststellung von Informationen aus DNA-Spuren im Hinblick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nichts ändert, ist bereits darstellt worden386. Das gilt freilich für jede Feststellung. So ist die Feststellung der Augenfarbe ein eigener Eingriff, wie die Feststellung der Haarfarbe, der Hautfarbe und des Alters jeweils einen eigenen Eingriff darstellt. Ob der Eingriff mit einer Verletzung des Grundrechtes einhergeht, ist eine Frage, die von den Faktoren der Eingriffsintensität und der Gewichtigkeit der Argumente abhängt, die zu seiner Rechtfertigung angeführt werden. (1) Zur Eingriffsintensität Es ist bereits davon hingewiesen worden, dass die in Rede stehenden Merkmale allesamt solche sind, die typischerweise Außenbezug haben387. Unabhängig von der 383
BVerfGE 103, 21 (32). So richtig bereits bei Altendorfer, S. 163 f.; Beck, S. 117; dies., KriPoZ 2017, 160 (165); Becker, in: FS-Graf-Schlicker, 429 (433); Foldenauer, S. 92 f.; Klumpe, S. 134; Schneider, NStZ 2018, 692 (694); Schreiber, ZRP 2019, 105 (106); Sternberg-Lieben, GA 1990, 289 (302); West, S. 275; Wüsteney, S. 124; Zöller/Thörnich, ZIS 2017, 331 (337). 385 BVerfGE 34, 238 (248); 80, 367 (374); 109, 273 (314); zust. Hero, S. 55. 386 S. oben Kap. 3 § 3 I. 1. b) bb). 387 Kap. 4 § 2 I. 2. b) bb) (1) (c). 384
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Frage, ob der Betroffene seine genetisch determinierte Augenfarbe durch Kontaktlinsen zu verbergen pflegt, kann festgehalten werden, dass die Feststellungen, die § 81e Abs. 2 S. 2 StPO ermöglicht, nicht intensiv in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen388. Es handelt sich bei ihnen um typischerweise offen dargebotene Informationen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Eingriffsintensität nicht nur von der Information abhängt, sondern auch davon, was mit ihr gemacht wird. Die Vorschriften betreffend das DNA-Identifikationsmuster, von deren Verfassungsmäßigkeit ausgegangen werden kann, erlauben in § 81e StPO die Erhebung, und – darüber hinausgehend – in § 81g StPO die Speicherung389. Im Rahmen des § 81e Abs. 2 S. 2 StPO ist aber von Speicherung der zusätzlichen Merkmale nicht die Rede, ebenso wenig in § 81g StPO390. Es werden damit die Feststellungen nur erhoben. Dies ist weniger als mit dem DNA-Identifikationsmuster verfahren wird. Wenn also Informationen, die dem Betroffenen selbst bekannt sind und die typischerweise auch der Umwelt bekannt sind, nur erhoben und nicht einmal gespeichert werden391, kann nicht von intensiven Eingriff ausgegangen werden. (2) Zur Rechtfertigung des Eingriffes Gespeichert werden Alter und Augenfarbe bereits im Personalausweisregister, vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 4, 7 PAuswG. Warum der Gesetzgeber dort ihre Offenbarung verlangen können soll, sie aber gezielt, ohne weitere Informationen festzustellen zu Strafverfolgungszwecken nicht aus der DNA herauslesen dürfen soll, leuchtet nicht ein. Es gilt zwar zu sehen, dass in einem Rechtsstaat keine Wahrheitsermittlung um jeden Preis gibt392. Gleichwohl ist eine effektive Strafverfolgung aber Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Rechtsstaat und daher ein legitimes Anliegen, 388
So auch Wildhagen, S. 56. Ausführlich dazu unten Kap. 6, vgl. zur grundsätzlichen Verfassungskonformität der Speicherung auf Grundlage des § 81g StPO (damals noch i. V. m. § 2 DNA-IFG BVerfGE 103, 21 (30 ff.). 390 § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 2 StPO erlaubt nur die Speicherung der in § 81e Abs. 2 S. 1 StPO genannten Daten, sodass die nun zulässigerweise feststellbaren phänotypischen Merkmale nicht erfasst werden, zutreffend Schork, NJW 2020, 1 (5). 391 Vgl. Härtel, ZG 2005, 300 (306) zum Aspekt der Speicherung. 392 Vgl. nur BVerfG, NJW 2005, 2382 (2383); NJW 1984, 428; BGHSt 5, 332 (333 f.); 14, 358 (365); 31, 304 (309); 38, 214 (220); 44, 243 (249); Ahlbrecht, in: HK-StPO, § 136a, Rn. 1; Diemer, in: KK-StPO, § 136a, Rn. 1; Eisenberg, Rn. 625; Gleß, in: LR-StPO IV/1, § 136a, Rn. 3; Graalmann-Scheerer, Kriminalistik 2000, 328 (332); Habscheid, in: GS Peters, 840 (853); v. Heydebreck, S. 2; Jäger, in: HK-GS, § 136a StPO, Rn. 2; Jahn, NStZ 2000, 383; ders., in: Hdb. Strafverfahren, Kap. II, Rn. 257; Kleinknecht, NJW 1966, 1537; Kretschmer, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 136a, Rn. 1; Kühl, JuS 1986, 115 (116); Maiwald, JuS 1978, 379 (384); Monka, in: BeckOK-StPO, § 136a, Rn. 1; Niese, ZStW 63 [1951], 199 (213); Oberlies, StV 1990, 469 (474); Peters, ZZP 76 [1963], 145 (146); Riegel, JZ 1980, 757; Rogall, ZStW 91 [1979], 1 (21); ders., in: SK-StPO II, § 136a, Rn. 4; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 136a, Rn. 1; Schuhr, in: MüKo-StPO I, § 136a, Rn. 9; Sternberg-Lieben, NJW 1987, 1242 (1244); Walther, in: AnwKo-StPO, § 136a, Rn. 2. 389
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einen Eingriff zu rechtfertigen393. Dies gilt freilich erst recht für die Delikte, die mittels DNA-Analyse typischerweise aufgeklärt werden – Sexual-, Tötungs- und Entführungsdelikte394, also schwerste Verbrechen395. Eine Beleidigung oder ein Diebstahl einer geringwertigen Sache werden wohl selten mittels DNA-Analytik aufgeklärt, zumal bei ersterer es in der Regel schon an Material fehlen wird. Daher ist angesichts der geringen Eingriffsintensität grundsätzlich davon auszugehen, dass die Belange der Strafrechtspflege den in Rede stehenden Eingriff rechtfertigen können. Freilich ist dies nicht zu letzt aber auch davon abhängig, mit welcher Verbesserung der Strafrechtspflege die Reform des § 81e Abs. 2 StPO einhergeht und wie das in Rede stehende Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verfahrensrechtlich abgesichert ist. Dies soll im Folgenden erörtert werden. dd) Abgrenzung zur präventiv-polizeilichen Arbeit Soweit Rademacher auf eine Vermischung von Strafverfolgung und präventivpolizeilicher Arbeit hinweist396, so muss dem entgegengehalten werden, dass diese Abgrenzung nach den bekannten Argumentationsmustern erfolgen kann. Es muss also gefragt werden, welchen Zweck die Maßnahme verfolgt397. Handelt es sich um Maßnahme zum Zwecke der Aufklärung einer Straftat, so sind die §§ 81e StPO einschlägig, soll präventiv eine Gefahr abgewandt werden, so sind die Normen des jeweiligen Landesrechtes einschlägig398.
393 Vgl. BVerfGE 19, 342 (347); 20, 45 (49); 20, 144 (147); 29, 183 (194); 32, 373 (381); 33, 367 (383); 34, 238 (248 f.); 36, 174 (186); 38, 105 (116); 38, 312 (321); 39, 156 (163); 41, 246 (250); 44, 353 (373); 46, 214 (222 f.); 51, 324 (343); 77, 65 (76); 80, 367 (375); 103, 21 (33); 130, 1 (26); NJW 2018, 2385 (2386); EuGRZ 1977, 449 (452); BGHSt 31, 304 (309); 34, 397 (401); LG Heilbronn, NJW 1990, 784 (786); OLG Düsseldorf, NStZ 1998, 268 (269); Grünwald, JZ 1976, 766 (772); Hauf, MDR 1993, 195; Hombert, S. 93; Koriath, JA 1993, 270 (277); Latotzky, S. 118; Niemöller/Schuppert, AöR 107 [1982], 387 (443 f.); Oberwetter, S. 42; Roxin/ Schünemann, § 1, Rn. 7; Siebrecht, S. 60 ff.; Sternberg-Lieben, NJW 1987, 1242 (1246); Vath, S. 35; Velten, S. 99; Wolter, in: GS Meyer, 493 (502); vgl. auch Lange, DRiZ 2002, 264 (268); Rogall, ZStW 91 [1979], 1 (21); krit. zu dem Terminus der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege aber Hassemer, StV 1985, 275 (280); ders., KritV 3 [1988], 336 (342); Kische, in: Lange/Wedekamm (Hrsg.), Postfaktische Sicherheitspolitik, 9 (26); Kühne, GA 2008, 361 (368 f.); Wüsteney, S. 254 ff. 394 Vgl. Deckers, DRiZ 2017, 89; Sternberg-Lieben, NJW 1987, 1242 (1244). 395 BR-Drucks. 117/17, S. 2; vgl. auch Goers, in: BeckOK-StPO, § 81e, Rn. 15; zum verfassungsrechtlichen Auftrag der Aufklärung gerade schwerster Kriminalität vgl. BVerfGE 29, 193 (194); 33, 367 (383); 36, 174 (186); Jansen, ZIS 2020, 233 (236). 396 Vgl. Rademacher, S. 98. 397 Kugelmann, Kap. I, Rn. 48 ff. 398 Vgl. grundsätzlich Bäcker, in: Lisken/Denninger, Hdb. PolR, D., Rn. 333 f.; Ellbogen, in: MüKo-StPO III/2, § 23 EGGVG, Rn. 63; Kugelmann, Kap. I, Rn. 40 ff.; 54; Würtenberger/ Heckmann/Tanneberger, § 4 III, Rn. 67.
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Dass es sich der Sache nach bei Strafverfolgung und Polizeiarbeit um die gleiche Maßnahme handeln kann, ist kein Phänomen der DNA-Analyse. So finden sich in den §§ 37, 38 PolG Baden-Württemberg399 Regelungen zu Beschlagnahme und Sicherstellung, also das Gegenstück zu § 94 StPO; so finden sich in §§ 34 ff. PolG Baden-Württemberg400 Regelungen zur Durchsuchung, also das Gegenstück zu §§ 102 ff. StPO; so finden sich in Art. 14 Abs. 3 und 4, 32a PAG Bayern401 Regelungen zur DNA-Analyse, also das präventiv-polizeiliche Gegenstück zu §§ 81e ff. StPO. Zwar ist nicht zu leugnen, dass der Hauptanwendungsbereich für DNAAnalysen in der Strafverfolgung liegt402. Indes sind auch Fälle denkbar, in denen die DNA-Analyse einen präventiven Zweck verfolgt. Als Beispiel kann folgender Fall dienen: Falls in der Nähe eines Kindergartens etwa vermehrt Taschentücher mit Ejakulat gefunden werden, so kann eine DNA-Analyse derselben helfen, die Person zu identifizieren403 und somit einzugreifen, bevor eine Straftat nach den §§ 176 ff. StGB geschieht. Des Weiteren gilt es zu sehen, dass Strafunmündige oder Schuldunfähige durchaus Störer i. S. d. Polizeirechts sein können, aber nicht Beschuldigte i. S. d. StPO, sodass bei einem Vorgehen gegen Strafunmündige und Schuldunfähige nur auf das Polizeirecht zurückgegriffen werden kann404. Das Argument Rademachers ist daher nicht haltbar. Die DNA-Analyse kann ebenso im präventiven Polizeirecht eine Rolle spielen. Freilich ist zumindest eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage im Polizeirecht des jeweiligen Landes Voraussetzung405. Dies vorausgesetzt406, kann der Angst, es drohe eine Vermischung 399 Entsprechend in anderen Bundesländern Art. 25 ff. PAG Bayern; §§ 38 f. ASOG Berlin; §§ 25 ff. PolG Brandenburg; §§ 21 ff. PolG Bremen; § 14 SOG Hamburg; §§ 40 ff. HSOG (Hessen); §§ 61 ff. SOG M-V (Mecklenburg-Vorpommern); §§ 26 ff. NPOG (Niedersachsen); §§ 43 ff. PolG Nordrhein-Westfalen; §§ 22 POG Rheinland-Pfalz; §§ 21 ff. PolG Saarland; §§ 31 ff. SächsPVDG (Sachsen); §§ 45 ff. SOG LSA (Sachsen-Anhalt); §§ 210 ff. LVwG Schleswig-Holstein; §§ 27 ff. PAG Thüringen. Für den Bund vgl. §§ 47 ff. BPolG. 400 Entsprechend in anderen Bundesländern Art. 21 ff. PAG Bayern; §§ 34 ff. ASOG Berlin; §§ 21 ff. PolG Brandenburg; §§ 17 ff. PolG Bremen; §§ 15 ff. SOG Hamburg; §§ 36 ff. HSOG (Hessen); §§ 53 f. SOG M-V (Mecklenburg-Vorpommern); §§ 22 ff. NPOG (Niedersachsen); §§ 39 ff. PolG Nordrhein-Westfalen; §§ 18 ff. POG Rheinland-Pfalz; §§ 17 ff. PolG Saarland; §§ 27 ff. SächsPVDG (Sachsen); §§ 41 ff. SOG LSA (Sachsen-Anhalt); §§ 202 f., 206 ff. LVwG Schleswig-Holstein; §§ 23 ff. PAG Thüringen. Für den Bund vgl. §§ 43 ff. BPolG 401 Entsprechend in anderen Bundesländern § 21a Abs. 2, 3 ASOG Berlin, § 19 Abs. 3 ff. HSOG (Hessen), § 31a SOG M-V (Mecklenburg-Vorpommern), § 15a NPOG (Niedersachsen), § 14a PolG Nordrhein-Westfalen, § 11a POG Rheinland-Pfalz, § 10a PolG Saarland, § 17 SächsPVDG (Sachsen), § 20a SOG LSA (Sachsen-Anhalt), § 183a LVwG Schleswig-Holstein. 402 Kugelmann, Kap. VII, Rn. 98. 403 Zu denken ist insbesondere an einen Abgleich mit einer bereits gespeichertem DNAIdentifikationsmuster, wenn die Person bereits zuvor mit derartigen Delikten in Verbindung gebracht wurde, vgl. § 81g Abs. 5 S. 2 StPO. Ausführlich dazu Kap. 6 § 7. 404 Kugelmann, Kap. VII, Rn. 99; vgl. unter Bezug auf § 19 Abs. 3, 4 HSOG Schenke, PolR, § 3 III 2, Rn. 125. 405 Zum Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage wegen des Eingriffes in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung s. oben Kap. 3 § 3. I. 3. a).
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von Strafverfolgung und Polizeiarbeit aber begegnet werden, indem geprüft wird, ob die DNA-Analyse im konkreten Fall einen präventiven Charakter verfolgt, und, falls dies der Fall ist, ob eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage im Landesrecht vorhanden ist. ee) Kriminalistischer Nutzen der neuen Merkmale und Diskriminierung – Ein Problem der Beweiswürdigung (1) Der kriminalistische Nutzen der neuen Feststellungsmöglichkeiten (a) Naturwissenschaftliche Sicherheiten Ehe der kriminalistische Nutzen und die damit einhergehenden Probleme genauer analysiert werden können, ist es notwendig, die naturwissenschaftliche Belastbarkeit der möglichen neuen Feststellungen darzustellen. Denn nur, wenn Klarheit darüber herrscht, mit welcher Sicherheit die möglichen Feststellungen getroffen werden können, und welche Fehlerquote mit einzubeziehen ist, kann der kriminalistische Nutzen richtig eingeschätzt werden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die neu aufgenommenen Feststellungen „mit hinreichender Vorhersagegenauigkeit bestimmt werden“ können407. Beim Alter geht er von einer Feststellung aus, die im Regelfall drei bis fünf Jahre, in Ausnahmefällen auch zehn Jahre vom tatsächlichen Alter abweichen kann408. Die Spurenkommission409 geht im Regelfall von einer Abweichung von vier bis fünf Jahren im Alterszeitraum von 20 bis 60 Jahren aus und bestätigt damit im Wesentlichen die Einschätzung des Gesetzgebers. Bei den Altersgruppen darunter bzw. darüber sie die Wahrscheinlichkeit geringer, da hier äußere Einflüsse – z. B. Krankheiten oder Wachstum – eine größere Rolle spielen410. Auch unzureichende Qualität und Menge von Spurenmaterial können die Vorhersagegenauigkeit mindern. Unzutreffend ist dagegen der Einwand, es handle sich bei der Altersbestimmung nicht um eine molekulargenetische Analyse i. S. d. Strafverfahrensrechtes, da sie nicht genügend Individualisierungspotenzial besitze411. Denn mit diesem Argument dürften sämtliche Feststellungen des § 81e Abs. 2 S. 2 StPO kein Ergebnis einer 406 Keine Ermächtigungsgrundlage für DNA-Analysen gibt es in den Polizeigesetzen der Länder Baden-Württemberg (eine DNA-Analyse ist keine erkennungsdienstliche Maßnahme i. S. d. § 41 PolG Baden-Württemberg, vgl. Hauser, in: BeckOK-PolR BW, § 41 PolG, Rn. 10), Brandenburg, Bremen, Hamburg und Thüringen. Ebenso keine Ermächtigungsgrundlage gibt es im BPolG. 407 BT-Drucks. 19/14747, S. 27. 408 BT-Drucks. 19/14747, S. 27; ebenso Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (494). 409 Die nachfolgenden Werte entstammen der Stellungnahme der Spurenkommission, S. 2 ff. Ähnliche Werte finden sich auch bei Rath, GSZ 2018, 67 (68 f.); Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (493 f.); Winkler, Kriminalistik 2021, 579 (581). 410 Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (494). 411 Stellungnahme der Spurenkommission, S. 3.
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molekulargenetischen Analyse darstellen; erst recht dürfte die Geschlecht nicht als solches bezeichnet werden, da alle diese Feststellungen für sich genommen kein Individualisierungspotenzial haben. Molekulargenetische Analyse i. S. d. Strafprozessrechts ist eine Analyse der DNA. Das Ergebnis, d. h. die Feststellung, ist irrelevant für die Einordnung. Hinsichtlich der äußerlich erkennbaren Merkmale der Augen-, Haar- bzw. Hautfarbe ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Feststellung mit der tatsächlichen Eigenschaft übereinstimmt, am höchsten, wenn das jeweils zu bestimmende Merkmale eine starke Ausprägung hat. So liegt die Wahrscheinlichkeit, dass eine blaue oder dunkelbraune Augenfarbe richtig festgestellt wird, bei 95 % bis 98 %; bei Mischfarben liegt sie niedriger. Bei der Haarfarbe geht man von einer Durchschnittswahrscheinlichkeit von 75 % aus, wobei schwarze Haare mit 87 %iger Wahrscheinlichkeit angegeben werden können, blonde mit 70 %. Laut der Gesetzesbegründung zu dem Antrag im Bundesrat von 2017 erstreckt sich diese Wahrscheinlichkeit auch auf die Feststellung brauner und roter Haare412. Erwähnt werden muss aber zugleich, dass die auf der DNA-Analyse beruhende Erkenntnis sich auf die Haarfarbe im Jugendalter bezieht. Nachdunkeln oder Ergrauen wird nicht abgebildet. Augen- und Haarfarbe können mit der angegebenen Wahrscheinlichkeit nur bei Spurenlegern europäischer Herkunft festgestellt werden. Bezüglich der Hautfarbe kann eine weiße Hautfarbe mit 98 %iger, eine schwarze mit 95 %iger und Mischformen mit 84 %iger Wahrscheinlichkeit richtig angegeben werden. (b) Äußerlich sichtbare Merkmale – Ein Ermittlungsansatz Die Darstellung zeigt, dass die Merkmale des § 81e Abs. 2 S. 2 StPO nicht mit 100 %iger Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können. Das ist, wenn man sich den Einsatzbereich der so neu anfallenden Erkenntnisse vor Augen hält, zwar nicht unproblematisch, jedenfalls aber kein Makel, der es rechtfertigen würde, wegen naturwissenschaftlich begründeten Unsicherheiten die Ermittlungsmethode mit Zweifeln hinsichtlich ihrer Effizienz zu belegen413. Andere Beweismittel sind ebenso, wenn nicht sogar stärker mit Unsicherheiten behaftet. Ähnlich wie die Feststellung von Teilen des Aussehens mittels DNA-Analyse ist die Erstellung eines Phantombildes aufgrund einer Zeugenaussage. Der Zeuge wird nicht umsonst häufig als unsicherstes Beweismittel charakterisiert414. Häufig wird 412
BR-Drucks. 117/17, S. 5. Vgl. BT-Drucks. 19/14747, S. 27. 414 R. Bruns, Rn. 183; Detter, NStZ 2003, 1; Kühne, NStZ 1985, 252; Musielak/Stadler, JuS 1980, 583; Schünemann, in: FS Meyer-Goßner, 385 (386, 388); Velten, in: SK-StPO V, § 261, 413
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ein Zeuge nur binnen kurzer Zeit mit der Tat konfrontiert sein. Schon seine visuelle Wahrnehmungsfähigkeit an sich kann aufgrund eigener Unzulänglichkeiten wie Kurzsichtigkeit oder der Hell-Dunkel-Adaption oder äußerer Unzulänglichkeiten wie dem Wetter oder der Tageszeit beeinträchtigt sein415. Dass er innerhalb kurzer Zeit die Augenfarbe des Täters mit 95 %iger Wahrscheinlichkeit erkennen und u. U. sehr viel später wiedergeben kann416, darf bezweifelt werden. Überhaupt wird die Farbenwahrnehmung sehr stark vom Umfeld beeinflusst417. Der Mensch zeichnet sich nicht dadurch aus, dass er möglichst viel wahrnehmen, sondern dadurch, dass er entsprechend selektieren kann418. Die Augenfarbe ist aber auf den ersten Blick schwer zu erkennen und stellt selbst für den aufmerksamen Zeugen nicht die Information der Begierde dar. Das Alter einer Person hängt von der individuellen Wahrnehmung ab und kann je nach Aussage um ein Vielfaches von dem tatsächlichen Alter abweichen. Ob jenseits von schwarzer und blonder Haarfarbe ein Zeuge genaue Auskunft darüber geben kann, ob der Täter hellbraune oder dunkelblonde Haare hatte, erscheint fragwürdig. Einzig bei der Hautfarbe wird man dem Zeugen eine ähnliche Sicherheit wie dem DNA-Gutachten attestieren dürfen. Indes wird sich auch hier die Feststellung darauf beschränken, ob eine helle oder dunkle Hautfarbe gegeben war. Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass die Aussage vielfach unbewusst vom Zeugen ergänzt wird, sei aus aufgrund einer Erwartung, eines Vorurteils, einer besonderen Motivation oder aufgrund eines Konformitätsdruckes419. Auch scheinbare Nebensächlichkeiten, wie es die Augenfarbe oder eine weiße Hautfarbe in Deutschland wohl sind, werden vom Zeugen ohne besondere Umstände nicht wahrgenommen420. Die menschliche Wahrnehmungs- und Erinnerungsfähigkeit ist wie die Naturwissenschaft fehlbar; eher noch fehlbarer, wenn man bedenkt, welche inneren und äußeren Faktoren auf den Menschen einwirken, was bei einer DNAAnalyse nicht der Fall ist. Die Unsicherheiten, die mit der Zeugenaussage wie mit den Erkenntnissen aus der DNA-Analyse verbunden sind, wären indes nur dann ein Problem, wenn sie dazu führen würden, dass ein Unschuldiger deshalb verurteilt würde. Es gibt aber keine Verurteilung, die nur darauf gründet, dass der Täter schwarzhaarig, braunäugig, Rn. 34d; Wach, JW 1918, 787; vgl. auch Burckhardt, DRiZ 1994, 74 zu diesbezüglichen Stimmen aus der Praxis; Goldschmidt, S. 257; Günter, JA 1979, 427; Knippel, MDR 1980, 112; Stimpfig, MDR 1995, 451; ausführlich dazu Seelig, S. 121 ff., 163 ff.; vgl. im Hinblick auf § 81e Abs. 2 S. 3 StPO jüngst Mansdörfer, jM 2021, 432. 415 Vgl. Kühne, NStZ 1985, 252; Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (495); Stimpfig, MDR 1995, 451 (451 f.). Laut Burckhardt, DRiZ 1994, 74 geht man davon aus, dass nur der dreimillionste Teil der Einwirkungen auf den Menschen überhaupt wahrgenommen wird. 416 Zum Faktor des Zeitraums zwischen Wahrnehmung und Aussage und der damit verbundenen Erinnerungsschwierigkeiten s. Kühne, NStZ 1985, 252 (254 f.). 417 Kühne, NStZ 1985, 252. 418 Burckhardt, DRiZ 1994, 74; Stimpfig, MDR 1995, 451 (452). 419 Burckhardt, DRiZ 1994, 74; Kühne, NStZ 1985, 252 (253 ff.); von unbewussten falschen Schilderungen spricht zu Recht Winkler, Kriminalistik 2021, 579 (580). 420 Vgl. Kühne, NStZ 1985, 252 (253); Schünemann, DRiZ 1979, 101 (102).
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weißer Hautfarbe und ca. 30 Jahre alt ist421. Der Nutzen der Feststellungen – gleich ob sie auf einem DNA-Gutachten oder einer Zeugenaussage gründen – liegt vielmehr darin, den Strafverfolgungsbehörden einen ersten Ermittlungsansatz zu liefen422. Beispielsweise können die Erkenntnisse dazu eingesetzt werden, den Kreis derer näher zu bestimmen, die als Teilnehmer einer DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO in Betracht kommen423. Während bislang die Maßnahme nach § 81h StPO oft nur aus der Not heraus angeordnet wurde, und der Teilnehmerkreis meistens auf Wohnort, Alter und Geschlecht begrenzt war, weil er auf irgendeine Weise begrenzt werden musste (wobei das Kriterium des Wohnortes nur eine Behelfslösung war424), kann nun der Teilnehmerkreis – zumindest was die unveränderlichen Merkmale Alter und Hautfarbe angeht425 – enger gefasst werden. Kriminalistisch und ökonomisch erscheint dies vorteilhaft, aber auch Unbeteiligte werden vom Druck einer Teilnahme befreit426. Eine weitere Möglichkeit wäre es – wenn weitere Erkenntnisse zum Tatvorgang vorliegen – , zu Fahndungszwecken sich an die Öffentlichkeit zu wenden, verbunden mit der Aufforderung, auf die Strafverfolgungsbehörden zuzukommen, wenn zur jeweiligen Zeit am jeweiligen Ort eine Person gesehen wurde, deren Erscheinungsbild den Angaben aus dem DNA-Gutachten entsprechend war427.
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Rath, GSZ 2018, 67 (69 f.); Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (495); vgl. auch Gronke/ Gronke, NStZ 2021, 141. 422 Vgl. BT-Drucks. 19/14747, S. 27; Geuther, DRiZ 2017, 220; Rath, GSZ 2018, 67 (69); Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (492); Zöller/Thörnich, ZIS 2017, 331 (335). 423 BT-Drucks. 19/14747, S. 27; BR-Drucks. 117/17, S. 5; Beck, KriPoZ 2017, 160 (163); Bosch, Jura 2021, 41 (43); Claus, NStZ 2020, 57 (62); Gronke/Gronke, NStZ 2021, 141 (146); Jansen, ZIS 2020, 233 (237); Rath, GSZ 2018, 67 (69); Schneider, NStZ 2018, 692 (695); Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (494); ausführlich Winkler, Kriminalistik 2021, 579 ff.; a. A. wegen naturwissenschaftlicher Zweifel dagegen Geuther, DRiZ 2017, 220. 424 Beck, KriPoZ 2017, 160 (163); Heitborn/Steinbild, Kriminalistik 1990, 185 (187 f.); Schewe, S. 40; Schneider, NStZ 2018, 692 (695); vgl. Bosch, Jura 2021, 41 (43). 425 Beck, KriPoZ 2017, 160 (163). 426 BR-Drucks. 117/17, S. 2; Beck, KriPoZ 2017, 160 (163); Schneider, NStZ 2018, 692 (695); Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (494 f.). Winkler, Kriminalistik 2021, 579 (583) spricht von einer eingriffsärmeren Ausgestaltung der Reihenuntersuchung, was jedenfalls insofern kritisch zu sehen ist, als § 81h StPO wegen des Freiwilligkeitspostulats nicht zu Eingriffen i. S. d. Staatsrechtslehre ermächtigt. Ausführlicher zur Freiwilligkeit i. R. d. § 81h StPO Kap. 5 § 5 I. 427 Vgl. Beck, S. 108; Claus, NStZ 2020, 57 (62); Jansen, ZIS 2020, 233 (237); Ritter, S. 67; Schneider, NStZ 2018, 692 (695); a. A. Rath, GSZ 2018, 67 (69), der aber wohl mit dem Terminus der Öffentlichkeitsfahdnung die Veröffentlichung eines passgenauen Bildes verbindet.
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(2) Unsicherheiten, Missbrauchsgefahr und Umgehungsversuche – Ein Problem der Beweiswürdigung Doch mindert sich dieser kriminalistische Nutzen, wenn man bedenkt, dass der Täter sein Aussehen verändern könnte? Mindert er sich, wenn man bedenkt, dass der Täter absichtlich die DNA eines anderen am Tatort hinterlassen könnte, um bewusst von sich abzulenken? Wie bereits dem Argument der Unsicherheit entgegen gehalten wurde, ist in diesem Zusammenhang ebenso darauf hinzuweisen, dass eine Missbrauchsgefahr bei fast allen Beweismitteln besteht428: Ein Zeuge kann falsch aussagen429, sei es aus eigenem Interesse, sei es aus Verbundenheit mit dem Verdächtigen, sei es unabsichtlich. Eine Urkunde kann ebenso gefälscht sein430. Deshalb sind diese Beweismittel aber nicht unbrauchbar. Sie haben vielmehr Schwächen hinsichtlich ihres Beweiswertes, wie die DNA-Analyse auch Schwächen hat. Die Schwächen zu erkennen und in den weiteren Verfahrensgang miteinfließen zu lassen, ist Sache der Beweiswürdigung431. Dass der Täter statt blonde Haare und blaue Augen auch schwarze Haare und braune Augen haben kann, müssen die Strafverfolgungsbehörden im Blick haben. Das Beweismittel muss mit anderen Worten kritisch hinterfragt werden432. Die Fehlerquote einzuschätzen ist Teil dieser Würdigung. Ansonsten droht bei jedem Beweismittel, dass es wegen scheinbarer Sicherheit die ganze Ermittlung in die falsche Richtung leitet433. Es ist aber so, dass – im Gegensatz zu einer Zeugenaussage – das Ergebnis der Analyse nicht von den persönlichen Interessen eines Einzelnen abhängt434. Es leidet auch nicht an der mit der menschlichen Unvollkommenheit verbundenen Unsicherheit. Die erweiterten Feststellungen liefern daher einen objektiveren und sichereren Ansatz als die klassischen Beweismittel. Sie sind damit kriminalistisch wertvoller als die bloße Zeugenaussage. Was das Argument, der Täter könne sein Aussehen verändern, angeht, so kann auf die bereits dargestellten Ausführungen der Befürworter435 verwiesen werden. Wird wegen dieser Möglichkeit ein Zeuge nicht angehört? Ein Überwachungsvideo nicht angesehen? Ein Phantombild nicht erstellt oder auf Fahndungsmaßnahmen ver428 Antonow, S. 156; Eisenmenger, in: BT-Fraktion B’90/Grüne (Hrsg.), Genetischer Fingerabdruck, 25 (27); Hero, S. 55; Schneider, NStZ 2018, 692 (695); Sternberg-Lieben, NJW 1987, 1242 (1244); Wolf, DRiZ 2017, 88. 429 Schneider, NStZ 2018, 692 (695); Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (495). 430 Schneider, NStZ 2018, 692 (695). 431 Vgl. Schneider, NStZ 2018, 692 (695); ähnlich Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (495). 432 Hother, S. 106; Oberwetter, S. 82 f.; Schneider, NStZ 2018, 692 (695). Zum Beispiel vgl. Zöller/Thörnich, ZIS 2017, 331 (340). Ähnlich auch Eisenberg, in: GS Weßlau, 67 (84), der zutreffend lakonisch, gewissermaßen anschaulich übertreibend festhält: „DNA-Befunde besagen zur Frage der Täterschaft ggf. nur wenig bzw. gar nichts […]“. 433 Vgl. West, S. 284, Fn. 1278. 434 Schneider, NStZ 2018, 692 (695); implizit darauf rekurriert auch Burckhardt, DRiZ 1994, 74. Diesbezüglich krit. gegenüber dem Zeugenbeweis Stimpfig, MDR 1995, 451 (452 f.). 435 Vgl. oben Kap. 4 § 2 I. 2. a) bb) (6).
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zichtet? Sollen Fingerabdrücke wegen der Möglichkeit des Tragens von Handschuhen nicht genommen werden? Wer dies verneint, muss folglich auch das Argument Graalmann-Scheerers als zu kurz gegriffen abtun. (3) Der Einwand der Diskriminierung (a) Das normative Phänomen der Diskriminierung aus juristischer Sicht Interessanter mutet das Argument der Diskriminierung an. Freilich liegt dem zuvorderst ein politisches Verständnis zugrunde, das sich einer juristischen Bewertung weitestgehend entzieht. Juristisch relevant wird dieses Argument erst dann, wenn der normative Begriff der Diskriminierung juristisch handhabbar gemacht wird. Dies ist bei einer einzelnen Maßnahme erst dann der Fall, wenn sie die juristischen Dimensionen von Diskriminierung berührt, also, wenn sie die von den Gegnern der Erweiterung aufgezeigten Grenzen der Art. 3 GG, 21 GRCh436 berührt und überschreitet. (b) Die Möglichkeiten der Diskriminierung durch eine DNA-basierte Feststellung des Phänotyps Ehe dies beurteilt werden kann, muss klargestellt sein, wie Diskriminierung i. R. v. DNA-Analysen auftreten kann. Zwei Konstellationen denkbar: Die erste gründet auf der statistischen Erfassung der Erkenntnisse und die zweite auf den daraus gezogenen Konsequenzen. Zur erster: Am gefährlichsten für eine Diskriminierung taugt freilich das Merkmal der Hautfarbe437, wenngleich die Verbindung von schwarzhaarigen und dunkeläugigen Menschen zu einem südlichen Kulturkreis nicht geleugnet wird. Da das Statistische Bundesamt nicht erfasst, welche Hautfarbe die in Deutschland wohnhaften Menschen haben, ist es nicht möglich, ein gänzlich realistisches Beispiel zu geben. Allerdings ging die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland davon aus, dass 2008 bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 82 Millionen Menschen ca. 500.000 Menschen mit dunkler Hautfarbe in Deutschland lebten438. Auf einen schwarzen Menschen kommen 163 weiße – das entspricht einem Anteil der Schwarzen an der Gesamtbevölkerung von ca. 0,6 %. In einer hypothetischen Gesellschaft von 1.000 Menschen wären also bei dieser Zusammensetzung sechs Menschen schwarz und 994 weiß. Begingen nun je ein schwarzer und ein weißer Mensch einen Mord, so könnte man statistisch davon ausgehen, dass jeder sechste Schwarze ein Mörder ist, aber nur jeder 994. Weiße, obschon von beiden Gruppen jeweils nur ein Täter stammt. Bei umgekehrter Verteilung der Hautfarben in einer 436 Weichert, DuD 2018, 358 (363); vgl. auch Deckers, DRiZ 2017, 89; Lipphardt/Wienroth, Polizeilicher Ermittlungsdienst, S. 13. 437 Schild, in: BeckOK-DatenschutzR, § 46 BDSG, Rn. 49a; a. A. aber Claus, NStZ 2020, 57 (62), die annimmt, dass bei allen neu zulässig feststellbaren phänotypischen Merkmalen typischerweise eine Verbindung zu Diskriminierung hergestellt wird. 438 Zitiert nach Smith, DER SPIEGEL v. 05. 06. 2008.
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Bevölkerung bliebe das Ergebnis bestehen, dann allerdings zu Lasten der Weißen. Betroffen ist stets die Minderheit439. Daher bietet die statistische Erfassung die Möglichkeit zur Diskriminierung, wenn man sie so verstanden wissen will440. Zur zweiten Möglichkeit: Wer die Statistik so verstanden wissen will, kann dem Trugschluss erliegen, Schwarze seien also potentiell gefährlicher als Weiße. Dies wiederum könnte dazu führen, dass im Zuge der Verbrechensaufklärung Schwarze unter einen Generalverdacht gestellt werden, weil die DNA-Analyse ergab, dass der Spurenleger schwarzer Hautfarbe ist. Aufgrund der geringen Zahl an Schwarzen in der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland könnte man daher verleitet sein, jeden Schwarzen mit oder ohne Bezug zum Tatort oder zum Tatgeschehen zu verdächtigen441. Nur weil jemand weiß ist, wird dies wohl nicht geschehen. Dafür wird es im Regelfall zu viele Weiße geben442. Ein solches Vorgehen der Ermittlungsbehörden ist bisweilen mit dem englischen Begriff „racial“ oder „ethnic profiling“ belegt443. (c) Juristische Bewertung dieser Form der Diskriminierung Die erste skizzierte Möglichkeit ist nichts, was juristisch von Relevanz ist. Jansen verweist in diesem Zusammenhang zu Recht auf die Gleichbehandlung alle Spuren444. Zum einen ist aber weiter darauf hinzuweisen, dass es – wie bereits dargestellt – keine Erfassung der Hautfarbe in offiziellen Statistiken gibt, die in Relation zur Straftatbegehung gesetzt werden könnte. Selbst wenn aber der einzelne Ermittlungsbeamte aufgrund seiner „persönlichen Statistik“ einem Trugschluss unterläge, so kann dafür nicht die Ermittlungsmethode verantwortlich gemacht werden. Dass Minderheiten ebenso wie die Mehrheitsgesellschaft Straftaten begehen oder zum zumindest mit solchen in Verbindung stehen (selbst das sagt das DNA-Gutachten nicht zwingend445), ist eine unbestrittene Tatsache. Dies haben Mehr- und
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Becker, in: FS Graf-Schlicker, 429 (434). Laut Lipphardt/Wienroth, Polizeilicher Ermittlungsdienst, S. 13 geschehe dies aufgrund einer soziokulturellen Interpretation des Untersuchungsergebnisses. 441 Weichert, DuD 2018, 358 (363). 442 Jansen, ZIS 2020, 233 (239); Schultz/Bartram, Bürgerrechte und Polizei 113 [2017], 69 (74); Weichert, DuD 2018, 358 (363). 443 Der Begriff wird indes in höchst unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet, weshalb er weder als juristischer Rechtsbegriff noch als Umschreibung für einen tatsächlichen Vorgang taugt, vgl. OVG Münster, NVwZ 2018, 1497 ff.; Drohla, ZAR 2012, 411 (416); Froese, DVBl. 2017, 293; Lipphardt/Wienroth, Polizeilicher Ermittlungsdienst, S. 5; Kischel, in: BeckOK-GG, Art. 3, Rn. 223a ff.; Pettersson, ZAR 2019, 301 ff.; Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (496); Weichert, DuD 2018, 358 (363); Würtenberger/Heckmann/Tanneberger, § 5 III, Rn. 158; Zöller/Thörnich, ZIS 2017, 331 (335). 444 Jansen, ZIS 2020, 233 (239). 445 Zutreffenderweise weist Claus, NStZ 2020, 57 (62) in Zusammenhang mit der Erweiterung der DNA-Analyse darauf hin, dass die Anwesenheit am Tatort nicht gleichzusetzen ist mit der Täterschaft, ausführlich dazu oben Kap. 2 § 4 III. 1. 440
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Minderheitsgesellschaft, mithin die Gesamtgesellschaft zur Kenntnis zu nehmen446. Dass ein Einzelner wegen der Straftat eines einzelnen Angehörigen einer Minderheit die Gesamtgruppe missachtet, ist ein gesellschaftlich unerwünschter Zustand, dem mit gesellschaftspolitischen Mitteln zu begegnen ist. Das Datenschutzrecht ist indes als Abwehrrecht konstruiert, mit der ein Missachten der eigenen Verfügungsgewalt über sich selbst betreffende Daten abgewehrt werden kann. Es verbürgt keinen Anspruch, dass nicht Daten anderer veröffentlicht werden, deren Interpretation u. U. nachteilig für den Einzelnen sich auswirken kann. Für die Abwehr daraus entstehender Konsequenzen sind andere Grundrechte maßgeblich, wie sich zugleich zeigen wird. Juristisch ist der skizzierte gesellschaftspolitische Missstand solange irrelevant, wie daraus nicht eine diskriminierende Maßnahme des Staates gegenüber dem Minderheitsangehörigen erfolgt. Erst sie würde einen Eingriff in die Rechte des Einzelnen darstellen. Denn die neutrale Aussage einer entsprechenden Statistik wäre, um im Beispiel zu bleiben, dass die Verteilung in absoluten Zahlen genau gleich ist, sollten je ein Schwarzer und ein Weißer einen Mord begehen. Selbst wenn es auch in absoluten Zahlen Abweichung gäbe, wäre ihr Grund nicht ersichtlich. Dies mit meinem diskriminierenden Vorurteil zu begründen, gibt die Statistik nicht her. Sie beinhaltet eine völlig wertungsfreie Aussage447. Erst der Umgang mit dem Ergebnis – seine Interpretation – kann zum Problem werden448. Dem kann aber mit einer Schulung und Selektion der entsprechenden Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden begegnet werden449. Die Ermittlungsmethode an sich ist dafür nicht ursächlich450. Um Beckers Argument, die Öffentlichkeit schenke einer naturwissenschaftlich begründeten Beschreibung des Täters mehr Glauben als einer Zeugenaussage451, zu begegnen, kann darauf verwiesen werden, dass es gar nicht notwendig ist, der Bevölkerung dies mitzuteilen. Es reicht mitzuteilen, dass aufgrund von Hinweisen die Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass der Spurenleger (sic!) entsprechend aussieht. Dies führt weiter zur zweiten oben skizzierten Möglichkeit. Unzweifelhaft rechtswidrig wäre es, einen Menschen einem Grundrechtseingriff in Form einer strafprozessualen Zwangsmaßnahme auszusetzen nur oder hauptsächlich wegen seiner Hautfarbe. Die bloße Zugehörigkeit zu einer Minderheit kann sub specie Art. 3 446 Beck, KriPoZ 2017, 160 (166); vgl. zutreffend auch Kischel, in: BeckOK-GG, Art. 3, Rn. 223c, der darauf hinweist, dass es nichts mit Vorurteilen zu tun habe, wenn der Polizei neben anderen Merkmalen auch solche von Verdächtigen bekannt werden, die mit dem Merkmale „Rasse“ assoziiert werden. 447 Becker, in: FS Graf-Schlicker, 429 (434). 448 Becker, in: FS Graf-Schlicker, 429 (434). 449 Beck, S. 113; Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (495); grundsätzlich Gronke/Gronke, NStZ 2021, 141 (144). 450 Beck, KriPoZ 2017, 160 (166). 451 Becker, in: FS Graf-Schlicker, 429 (434).
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GG, 21 GRCh nicht inkulpierend wirken452. Allerdings kann die Information der Zugehörigkeit zu einer Minderheitengruppe in Kombination mit anderen Hinweisen durchaus inkulpierend wirken453. Beim Einsatz von DNA-Analytik ist das die Tatsache, dass es hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Spurenleger mit der Straftat irgendwie in Verbindung stehen könnte. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Wenn in einem Dorf mit 1.000 Einwohnern eine Frau vergewaltigt wird und der Täter Sperma zurücklässt, kann die darin enthaltende DNA auch hinsichtlich des Aussehens des Täters analysiert werden. Ergibt das DNA-Gutachten, dass der Täter ein schwarzer Mensch ist, und deuten weitere Umstände darauf hin, dass der Täter vermutlich aus dem Dorf stammt, so wäre es ein geradezu absurdes Ergebnis, den einzigen Schwarzen nicht als Verdächtigen heranzuziehen454. Es wäre umgekehrt bedenklich, Weiße heranzuziehen, obwohl eine große Wahrscheinlichkeit dagegen spricht, dass sie als Spurenleger in Betracht kommen455. Es gibt keinen Anspruch darauf, dass ein etwaiger Zusammenhang mit einer vermeintlichen Straftat geheim bleibt456. Ebenso schützen die Art. 3 GG, 21 GRCh zwar davor, zu Unrecht anders behandelt zu werden, aber nicht vor einer objektiven Polizeiarbeit457. Es gibt indes einen Anspruch, dass ein Strafverfahren dann ein faires, rechtsstaatlichen Standards entsprechendes ist. Dazu zählt, dass die Hautfarbe eines Menschen nicht alleine ausschlaggebend sein kann. Diese Ansprüche werden durch bloße Feststellung der Zugehörigkeit zu einer Minderheit noch nicht missachtet. Erst der Umgang mit ihr kann dies. Das wäre dann aber eine Frage des Einzelfalles. (d) Ergebnis Mithin ist der Einwand der Diskriminierung nicht so beschaffen, dass er es vermag, juristische Bedenken gegen die neue Ermittlungsmethode zu begründen. Die potentiellen Gefahren, die mit ihr einhergehen könnten, sind solche von gesellschaftspolitischem Rang. Entsprechend ist ihnen zu begegnen. Es gilt abschließend jedoch anzumerken, dass der Einwand, die erweiterte Feststellung wirke auch entlastend, zwar tatsächlich zutreffen mag, juristisch aber nicht zu gebrauchen ist, da erweiterte Ermittlungsmethoden es stets mit sich bringen, dass mit der stärkeren Belastung eines Einzelnen eine Entlastung anderer einhergeht. Dies ist aber an für 452 Vgl. OVG Münster, NVwZ 2018, 1497 (1500, Rn. 42); OVG Koblenz, NJW 2016, 2820 (2827, Rn. 107); Drohla, ZAR 2012, 411 (416); Kischel, in: BeckOK-GG, Art. 3, Rn. 223 f. 453 Vgl. Kischel, in: BeckOK-GG, Art. 3, Rn. 223d; Pettersson, ZAR 2019, 301 (303 f.). 454 Zu entsprechenden anderen absurden Ergebnissen s. Kischel, in: BeckOK-GG, Art. 3, Rn. 223 g. 455 Jansen, ZIS 2020, 233 (239). 456 Vgl. BT-Drucks. 10/6775, S. 176; LG Heilbronn, NJW 1990, 784 (786); LG Berlin, NJW 1988, 787 (788); Foldenauer, S. 50; Hombert, S. 93; Koriath, JA 1993, 270 (277); Oberwetter, S. 42. 457 Kischel, in: BeckOK-GG, Art. 3, Rn. 223 g.
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sich kein durchschlagendes Argument, da ansonsten unter dem Deckmantel, nur entlasten zu wollen, die Grenzen des Zulässigen überschritten werden könnten458. Es ist nicht der Einzelne, da seine Rechte preisgeben muss, um sich zu entlasten; es ist der Staat, der unter Wahrung der Rechte des Einzelnen ihn belasten muss. ff) Implikationen der JI-Richtlinie bzw. des BDSG Vielfach wurden, auch in dieser Arbeit, die Erkenntnisse über das Aussehen einer Person aufgrund einer DNA-Analyse mit denen aufgrund einer Zeugenaussage verglichen459. Rein vom Ergebnis her betrachtet macht es freilich keinen Unterschied, ob die Strafverfolgungsbehörden die Haarfarbe einer Person kennen, weil ein Zeuge sie beschreiben konnte oder weil eine DNA-Analyse Auskunft gab. Rechtlich stellt sich aber die Frage, ob auch ohne Belang ist, ob die Erkenntnis personalen oder molekulargenetischen Ursprungs ist. (1) Die Differenzierung von personenbezogenen Daten in Kategorien und die Anforderungen an ihre Verarbeitung Sub specie dieses Aspektes spielt § 48 Abs. 1 BDSG eine Rolle. Demnach ist die Verarbeitung „besonderer Kategorien personenbezogener Daten“ nur dann zulässig, wenn sie „unbedingt erforderlich ist“. Die Anforderungen an die Verarbeitung von Daten dieser besonderen Kategorien gehen also über die allgemeinen Anforderungen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten hinaus, die in § 47 BDSG geregelt sind. Zur Konkretisierung der doch unbestimmten Anforderung, dass die Verarbeitung unbedingt erforderlich sein müsse, muss Art. 10 JI-RL bemüht werden460. Dieser Artikel, der die Überschrift „Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten“ trägt, führt aus, dass diese nur zulässig ist, wenn sie unbedingt erforderlich ist, geeignete Garantien für die Rechte des Betroffenen bestehen und sie alternativ entweder nach dem Unionsrecht oder dem mitgliedstaatlichen Recht zulässig ist oder der Wahrung lebenswichtiger Interessen dient oder sich auf Daten bezieht, die die betroffene Person offensichtlich öffentlich gemacht hat. (2) Daten aus einer DNA-Analyse – eine besondere Kategorie personenbezogener Daten? Bevor nun geprüft werden kann, ob § 81e StPO, insbesondere Abs. 2 S. 2, diesen Vorgaben genügt, ist zu klären, ob die Informationen aus der DNA-Analyse überhaupt dem Begriff der besonderen Kategorien personenbezogener Daten unterfallen. Während Art. 10 JI-RL aufzählt, was unter einer besonderen Kategorie personenbezogener Daten zu verstehen ist, findet sich die Definition im deutschen Recht 458 459 460
Vgl. auch Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (70). Vgl. die Nachweise in Fn. 287 (Kap. 4). Albers/Schimke, in: BeckOK-DatenschutzR, § 48 BDSG, Rn. 1.
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vorgezogen in § 46 Nr. 14 BDSG. Für die hiesige Untersuchung sind besonders die lit. a) und b) bedeutsam. Denn demgemäß unterfallen dem Begriff der besonderen Kategorie personenbezogener Daten erstens solche, die Auskunft über die rassische oder ethische Herkunft geben und zweitens genetische Daten. (a) Verarbeitung genetischer Daten, §§ 48 i. V. m. 46 Nr. 13, 11 BDSG Genetische Daten461 sind gem. § 46 Nr. 11 BDSG „Daten zu den ererbten oder erworbenen genetischen Eigenschaften einer natürlichen Person, die eindeutige Informationen über die Physiologie oder die Gesundheit liefern, insbesondere solche, die aus der Analyse einer biologischen Probe der Person gewonnen wurden“. Fraglich ist, ob nun alle Daten, die aus einer DNA-Analyse hervorgehen, genetische Daten in diesem Sinne sind, ungeachtet ihres Informationsgehaltes. Schild scheint dies anzunehmen, wenn er ausführt, die Erhebung der in § 81e Abs. 2 S. 2 StPO genannten Feststellungen sei sub specie der JI-RL höchst problematisch462. Eine Begründung für diese Einschätzung liefert Schild indes nicht. Diese ist allerdings angezeigt. Zwar handelt es sich bei den in Rede stehenden Informationen freilich um solche zu ererbten Eigenschaften, und freilich sind sie aus einer Analyse einer biologischen Probe gewonnen. Die DNA-Analyse ist dafür gerade der Prototyp463. Die Eigenschaften müssen ferner jedoch eindeutige Informationen über die Physiologie oder die Gesundheit des Betroffenen liefern. Diesen Passus erwähnt Schild bei seiner Kommentierung zu Art. 4 Nr. 13 DSGVO gar nicht, bei § 46 Nr. 11 BDSG blendet er ihn aus464. Genau an diesem Merkmal könnte man sub specie § 81e Abs. 2 S. 2 StPO zweifeln. Zwar betreffen die Feststellung freilich die Physiologie i. S. e. innerlichen Veranlagung. Eindeutig ist ihr Auftreten aber wie aufgezeigt nicht prognostizierbar. Zu Recht wird bezüglich dieser Einschränkung aber vertreten, es genüge die ernsthafte Möglichkeit einer entsprechenden Feststellung465. Zwar intendiert der Wortlaut das nicht. Die Intention, warum genetische Daten unter den besonderen Schutz der Rechtsordnung gestellt werden, nämlich, dass mit ihnen Missbrauch betrieben werden könnte466, spricht aber für eine durchaus weite Auslegung. Deshalb unterfallen alle Daten, die i. R. d. §§ 81e ff. StPO erhoben werden, dem Begriff der genetischen Daten i. S. d. BDSG. 461 Sprachlich genauer wäre es gewesen, wenn Daten genetischen Ursprungs zu sprechen, denn freilich sind nicht die Daten selbst genetisch. 462 Schild, in: BeckOK-DatenschutzR, § 46 BDSG, Rn. 49a. 463 Schild, in: BeckOK-DatenschutzR, § 46 BDSG, Rn. 47; Kampert, in: HK-BDSG, § 46, Rn. 143. 464 Schild, in: BeckOK-DatenschutzR, § 46 BDSG, Rn. 49a; Art. 4 DSGVO, Rn. 137; ebenso Kampert, in: HK-BDSG, § 46, Rn. 143. 465 Vgl. Ernst, in: Paal/Pauly, DSGVO/BDSG, Art. 4 DSGVO, Rn. 97. 466 Ernst, in: Paal/Pauly, DSGVO/BDSG, Art. 4 DSGVO, Rn. 96; Kampert, in: HK-BDSG, § 46, Rn. 143; Schild, in: BeckOK-DatenschutzR, § 46 BDSG, Rn. 47.
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Das gilt – neben den phänotypischen Feststellungen – freilich auch für das DNAIdentifikationsmuster. Man könnte dieses zwar auch dem Begriff der biometrischen Daten subsumieren, da § 46 Nr. 12 BDSG ebenso einen sehr weiten Wortlaut hat. Indes wird man den Begriff der genetischen Daten insofern als abschließend begreifen müssen. Biometrische Daten wären indes ebenso eine besondere Kategorie personenbezogener Daten. (b) Verarbeitung herkunftsbezogener Daten, §§ 48 i. V. m. 46 Nr. 14 lit. a BDSG Gemäß § 46 Nr. 14 lit. a BDSG stellen auch solche Daten eine besondere Kategorie dar, die Auskunft über die rassische oder ethnische Herkunft der Person geben. In diesem Zusammenhang ist auf das Merkmal der Hautfarbe hinzuweisen, das mit den genannten Begriffen typischerweise in Verbindung gebracht wird467; auch im Recht, vgl. § 3b Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 AsylG. Dieses kann am ehesten als solches Datum angesehen werden. Was genau aber Daten sind, die Auskunft über die rassische und ethnische Herkunft geben, ist schwer zu begreifen, da der Richtliniengesetzgeber den Begriff rassisch in Art. 10 JI-RL verwendet, um sich aber zeitgleich in Erw.-Gr. 37 von ihm zu distanzieren. Auch in den Gesetzgebungsmaterialien zu § 46 BDSG findet sich keine Erläuterung. Für eine Begriffsbestimmung kann deshalb nur darauf rekurriert werden, warum die Gesetzgeber solche Daten besonders schützen wollten. Ausweislich des Erw.-Gr. 37 geht es darum, solche Daten zu schützen, deren Verarbeitung Risiken für Grundrechte und Grundfreiheiten mit sich bringen kann. Dass darunter eine Diskriminierung fällt, ergibt sich aus Erw.-Gr. 51 JI-RL, und dass das Merkmal der Hautfarbe dafür anfällig ist, ist schon dargelegt worden468. Daher sollte man das Merkmal der Hautfarbe auch dem Begriff von Daten, die Auskunft über die rassische oder ethnische Herkunft geben, subsumieren. (3) Die Anforderungen an die Feststellung von Informationen molekulargenetischen Ursprungs im Unionsrecht und im deutschen Recht Damit ist einerseits bereits geklärt, dass es im Lichte des Unionsrechts sowohl auf den Inhalt und damit auf die Sensibilität der Information als auch auf ihren Ursprung ankommt. Das bedeutet, dass (auch) die Maßnahme des § 81e Abs. 2 S. 2 StPO eine Verarbeitung einer besonderen Kategorie von Daten i. S. d. § 48 BDSG darstellt. Die unionsrechtlichen Vorgaben gelten mithin auch. Zu prüfen ist deshalb, ob § 81e StPO diesen genügt. Die Feststellung der in § 81e Abs. 2 S. 2 StPO genannten Informationen muss mithin unbedingt erforderlich sein 467 468
Schulz, in: Gola/Heckmann, BDSG, § 46, Rn. 71. Kap. 4 § 2 I. 2. b) ee) (3) (b).
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und unter geeigneten Schutzmechanismen stattfinden. Eine von Art. 10 JI-RL geforderte Ermächtigungsgrundlage ist an sich jedenfalls vorhanden (a) Unbedingte Erforderlichkeit Das Kriterium der unbedingten Erforderlichkeit bezieht sich auf die Erreichung der in § 45 BDSG genannten Ziele469, also in concreto auf die Aufklärung einer Straftat. Es handelt sich bei ihm um einen originär datenschutzrechtlichen Begriff, der nicht dem Begriff der Erforderlichkeit entspricht, wie er i. R. d. Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gebraucht wird470. Mit ihm wird ein Abhängigkeitsgrad angezeigt, wie sehr die zuständige Behörde auf die Durchführung der Maßnahme angewiesen ist471. Es geht also der Sache nach um eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im weitesten Sinne, in der die Rechte des Betroffenen dem staatlichen Verwendungsinteresse gegenüberstehen472. Das Adjektiv unbedingt legt dabei einen äußerst strengen Maßstab an, der teilweise sogar als eine Einschränkung dergestalt verstanden wird, es müsse sich bei der Feststellung um eine conditio sine qua non handeln – also um etwas, ohne das die Straftat nicht aufgeklärt werden kann473. Bei der Beurteilung, ob § 81e Abs. 2 S. 2 StPO dem genügt, muss auf seinen Einsatzbereich verwiesen werden. Da es sich bei dieser Beurteilung um die abstrakte Frage handelt, ob die Norm den Anforderungen des Unionsrecht genügt, kann auch nur der abstrakte Anwendungsbereich herangezogen werden. Nun ist einmal darauf hinzuweisen, dass es an Tatbestandsvoraussetzungen fehlt, die die Möglichkeit der Feststellung einschränken. Darunter wäre bspw. das Erfordernis eines bestimmten Verdachtsgrades oder einer bestimmten Straftatschwere zu verstehen. Indes ist die Anwendung des § 81e Abs. 2 S. 2 StPO immanent auf besondere schwere Delikte begrenzt ist. Typisch sind Tötungs-, Gewalt-, Sexual- und Entführungsdelikte, nicht einsetzbar ist die DNA-Analytik ohnehin, wenn kein Material zur Verfügung steht, wie es bspw. bei den weniger schweren Delikten der §§ 153 ff., 185 ff. StGB typischerweise der Fall ist474. Eine gewisse Subsidiarisierung erfährt § 81e Abs. 2 S. 2 StPO auch dadurch, dass er ausweislich des Wortlautes nur Anwendung finden kann, wenn der Spurenleger noch unbekannt ist. Daneben ist darauf hinzuweisen, dass die Norm im Einzelfall keine Anwendung findet, wenn Unverhältnismäßigkeit vorliegt475. Gerade bezüglich der Hautfarbe ist darauf hinzuweisen, dass dann, wenn der Spurenleger eine solche besitzt, die in Tatortnähe 469
Albers/Schimke, in: BeckOK-DatenschutzR, § 48 BDSG, Rn. 3, 20. EuGH, NVwZ 2009, 379 (380); Albers/Schimke, in: BeckOK-DatenschutzR, § 48 BDSG, Rn. 22; Braun, in: Gola/Heckmann, BDSG, § 48, Rn. 10. 471 Albers/Schimke, in: BeckOK-DatenschutzR, § 48 BDSG, Rn. 22, 25. 472 Albers/Schimke, in: BeckOK-DatenschutzR, § 48 BDSG, Rn. 28. 473 Vgl. Albers/Schimke, in: BeckOK-DatenschutzR, § 48 BDSG, Rn. 26; Braun, in: Gola/ Heckmann, BDSG, § 48, Rn. 10. 474 Vgl. dazu schon oben Kap. 4 § 2 I. 2. b) cc) (2); BR-Drucks. 117/17, S. 2; Deckers, DRiZ 2017, 89; Sternberg-Lieben, NJW 1987, 1242 (1244). 475 BT-Drucks. 19/14747, S. 27. 470
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seltener vorkommt (in Deutschland regelmäßig eine schwarze), die Möglichkeit am höchsten ist, potentielle Zeugen zu erreichen, da der Kreis möglicher Spurenleger deutlich eingegrenzt wird und der Zeuge sich an das in Deutschland doch seltene Merkmal der dunklen Hautfarbe doch eher erinnern wird als an andere Merkmale. Daher wird davon ausgehen dürfen, dass die Norm den Anforderungen von BDSG und JI-RL entspricht. Jedoch muss aber im Einzelfall einer besonderen Kontrolle unterzogen werden, ob sie wirklich verhältnismäßig im weitesten Sinne ist. (b) Geeignete Schutzgarantien Wie Art. 10 JI-RL fordert § 48 Abs. 2 BDSG geeignete Schutzmechanismen für die Rechte des Betroffenen. Die in § 48 Abs. 2 BDSG aufgezählten sind dabei weder allumfassend noch abschließend, sondern Beispiele476. Auf solche wird später genau eingegangen werden. Hinzuweisen ist an dieser Stelle aber schon auf das Gebot der Zweckbindung und auf die besondere Anforderung an den Sachverständigen gem. § 81f Abs. 2 StPO. Alleine durch Letzteres wird ein Großteil der Beispiele des § 48 Abs. 2 BDSG umgesetzt. Auf die Möglichkeit einer Schulung der Mitarbeiter, wie § 48 Abs. 2 Nr. 3 BDSG sie explizit nennt, ist hingewiesen worden477. Man wird daher auch davon ausgehen dürfen, dass genügende Schutzmechanismen bestehen. (4) Zusammenfassung zu den europarechtlichen Implikationen Summa summarum kann festgehalten werden, dass der Vergleich mit der Zeugenaussage vor dem Hintergrund des Unionsrechts nur teilweise verfängt. Denn dem Ursprung der Information – dem Medium478 quasi – kommt durch das Unionsrecht eine Bedeutung zu. Dass es daneben aber auch auf den Inhalt ankommt, zeigen etwa die §§ 48, 46 Nr. 14 lit. a BDSG deutlich. Dies ist eine Absage ein jede Form der Verallgemeinerung und der Dämonisierung von DNA-Analytik. Die JI-RL und ihre Umsetzung stehen dem § 81e Abs. 2 S. 2 StPO weder entgegen noch in Widerspruch zu ihm. gg) Allgemeine Verhältnismäßigkeitsdogmatik statt Subsidiarität Entgegen Winkler kann aus dem Wort „zusätzliche“ nicht abgeleitet werden, dass die erweiterte DNA-Analyse subsidiär ist. Zutreffend ist freilich, dass eine weitere Voraussetzung erfüllt sein muss – der Spurenleger muss unbekannt sein. Subsidiarität i. S. v. Nachrangigkeit kann daraus nicht ableitet werden. „Zusätzlich“ zeigt nur, dass die Datenerhebungsbefugnis erweitert wird. Auch wenn praktische Fälle schwer 476 Vgl. BT-Drucks. 18/11325, S. 111; Albers/Schimke, in: BeckOK-DatenschutzR, § 48 BDSG, Rn. 33; Johannes/Weinhold, § 1, Rn. 145. 477 Kap. 4 § 2 I. 2. b) ee) (3) (c); Beck, S. 113. 478 Von Zeugen und DNA als Media spricht schon West, S. 283.
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vorstellbar sind; von Rechts wegen wären die Strafverfolgungsbehörden nicht gehalten, zunächst erweiterte Feststellungen zu treffen, um dann ein DNA-Identifikationsmuster zu erheben. Jansens Konstrukt einer vermeintlichen Subsidiarität der neuen Ermittlungsmethode kann pauschal ebenso wenig überzeugen. Durchaus richtig ist das Ansatz, dass Bagatellstraftaten die Anordnung nicht rechtfertigen würden, wobei es dort häufig, aber nicht immer an geeignetem Untersuchungsmaterial schon fehlen wird. Nicht richtig indessen ist die Erwägung eines Vorranges der Zeugenaussage als milderes Mittel. Dieses ist zwar milder, aber nicht gleich geeignet. Denn während die DNAAnalyse neutral ist, unterliegt der Zeuge zahlreichen tatsächlichen Begrenzungen479. Ein besseres Beispiel wäre die Verwertung einer Videoaufzeichnung gewesen, wenn diese alle feststellbaren Merkmale zeigt. Die DNA-Analytik wäre dann bereits nicht mehr geeignet, da sie keine neuen Ermittlungsansätze liefern könnte. Eine generelle Subsidiarität lässt sich auch nicht im Hinblick auf die Eingriffsintensität festmachen, es ist im Ergebnis vielmehr eine Frage des Einzelfalls und des Erkenntnisstandes der jeweiligen Ermittlung, ob eine entsprechende Maßnahmen in Betracht kommt. Zweifelsohne wird eine Bestimmung des Phänotyps anhand der DNA nicht prima ratio sein können, indessen aber auch nicht ultima. hh) Zusammenfassung der Stellungnahme zu § 81e Abs. 2 S. 2 StPO Abschließend gilt es festzuhalten, dass die neue Ermittlungsmethode verfassungsund unionsrechtlich unbedenklich ist. Die gegen sie vorgebrachten Argumente gründen auf einem überholten molekluargenetischen Verständnis und sind vielfach zu undifferenziert sowohl was den juristischen als auch den naturwissenschaftlichen Hintergrund anbelangt. Dass der Gesetzgeber den Ermittlungsbehörden einen neunen Ansatz liefert, ist daher positiv zu bewerten. Was Duttge/Klaffus für die Prozessbeteiligten festgestellt haben, gilt insofern auch für den Gesetzgeber: „Wenn Straftaten mit Hilfe moderner Ermittlungsmethoden zuverlässiger aufgeklärt werden können, gibt es (…) kein Recht auf Ignoranz“480. Gleichwohl ist auf die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Standards zu achten, deren Wichtigkeit sich nicht nur im BDSG äußert. Ob die neue Norm jedoch kriminalistisch zu Klärung zahlreicher Fälle eingesetzt werden kann, wie es zu Teilen aus der Politik vermutet wird, wird die Praxis erst zeigen müssen.
II. Überschießende Feststellungen kraft Einwilligung? Bereits vor der Gesetzesänderung vom 10. 12. 2019 wurde diskutiert, ob andere als die aufgezählten Feststellungen getroffen werden dürfen, wenn der Betroffene 479 480
S. schon oben Kap. 4 § 2 I. 2. b) ee) (1) (b). Duttge/Klaffus, in: FS Eisenberg, 393 (406).
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einwilligt481. Dieser Streit ist auch heute nicht obsolet, da weiterhin der Kreis möglicher Feststellungen enumerativ begrenzt ist. 1. Vorgefundene Ansätze a) Keine überschießenden Feststellungen kraft Einwilligung Soweit die Feststellungsmöglichkeit mit Begründung verneint wird, verweist Bosch etwa auf § 81e Abs. 1 S. 3 StPO a. F., der dem heutigen § 81e Abs. 1 S. 2 StPO weitgehend entspricht. Zwar bestehe ein Widerspruch mit der Möglichkeit der Einwilligung in von § 81a StPO nicht gedeckte körperliche Eingriffe. Auch liege bei einer Einwilligung gar kein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor. Gleichzeitig sei aber beim Gesetzgeber ein generelles Misstrauen gegen die freiwillige Preisgabe von aus einer DNA-Analyse gewonnenen Informationen festzustellen, sodass eine Einwilligung nicht in Betracht kommen könne482. Lemke sieht ebenso keine Einwilligungsmöglichkeit, weil dies zum Schutze des Betroffenen geboten sei. Auch jenseits des § 136a StPO könne nicht jede Maßnahme der Ermittlungsbehörden durch eine Einwilligung legitimiert werden483. Beck und Krause verweisen in diesem Zusammenhang ebenso auf den „klaren Wortlaut“484. b) Differenzierende Ansätze Murmann widerspricht der Bezugnahme auf den Wortlaut mit Begründung, dieser beschäftige sich nicht mit der Einwilligung. Naheliegend sei eher, dass § 81e StPO nur die zwangsweise Informationsgewinnung regele. Ein Hinweis auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei nicht stichhaltig, da dieses nicht vor der freiwilligen Preisgabe von Informationen schützen wolle. Es sei ferner zu bedenken, dass durch das Verbot einer Einwilligung dem Beschuldigten die Möglichkeit zur Entlastung genommen werde. Gleichwohl müsse aber Berücksichtigung finden, dass es aufgrund der besonderen Drucksituation im Strafverfahren zu unfreiwilligen 481 Insgesamt dafür etwa Brauer, in: HK-StPO, § 81e, Rn. 6; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 37; Hilger, NStZ 1997, 371 (372, Fn. 30); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81e, Rn. 4; Wolter, NStZ 1993, 1 (7); dagegen etwa Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81e, Rn. 4; Bosch, in: KMR-StPO, § 81e, Rn. 9; ders., in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 9; Krause, in: LRStPO II, § 81e, Rn. 24; Krey/Heinrich, Rn. 813, Fn. 36; Lemke, in: HK-StPO, 3. Aufl. 2001, § 81e, Rn. 4; Malek/Wohlers, Rn. 301; Nack, StraFo 1998, 366 (369); Neuhaus, in: HK-GS, § 81e StPO, Rn. 3; Rogall, in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 13; zweifelnd Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1666; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 372; diff. nach der Art der erlangten Information Klumpe, S. 192 ff.; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 4. 482 Vgl. insgesamt Bosch, in: KMR-StPO, § 81e, Rn. 9; i. E. auch ders., Jura 2021, 41 (42). 483 Dazu insgesamt Lemke, in: HK-StPO, 3. Aufl. 2001, § 81e, Rn. 4. 484 Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 24; vgl. auch Beck, S. 102.
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Einwilligungen kommen und der Staat so an Informationen gelangen könnte, die ihm aus prinzipiellen Gründen, d. h. ohne Rücksicht auf den Willen des einzelnen Betroffenen, nicht zustehen dürften. Diesen Bedenken könne man aber mit einer gesetzlichen Regelung begegnen485. Trück hingegen vertritt einen differenzierteren Ansatz: Aus den Gesetzgebungsmaterialen ergebe sich, dass die DNA-Analyse nur dann von den §§ 81e ff. StPO erfasst werde, wenn diese kraft hoheitlicher Anordnung durchgeführt werde. Ansonsten bliebe es bei den allgemeinen Regeln. Er nimmt insofern Bezug auf die Aussage des Gesetzgebers, dass ein nach wissenschaftlichen Standards erstelltes Gutachten im Auftrag des Beschuldigten ein zulässiges Beweismittel sein solle. Dies entspreche dem Wortlaut des § 81f Abs. 1 S. 1 StPO, der auf § 81e Abs. 1 StPO nur insoweit Bezug nehme, als eine Einwilligung nicht vorliege. Deshalb sei bei anderen als den explizit für zulässig erklärten Feststellungen § 81e Abs. 1 S. 3 StPO486 im Falle einer Einwilligung nicht anwendbar. Ein Beweiserhebungsverbot könne daher nur aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung selbst folgen. Dies sei der Fall, wenn entweder der absolute geschützte Kernbereich der Persönlichkeit oder der Wesensgehalt des Grundrechts betroffen sei. So sei auf Grundlage einer DNAAnalyse die Feststellung von Krankheitsdispositionen etwa unzulässig, umgekehrt die Feststellung des Aussehens aber zulässig, da diese nicht den Kernbereich beträfen487. Ebenso hält Klumpe eine Einwilligung grundsätzlich für möglich. Eine Grenze zu ziehen sei aber, wenn etwa Krankheitsdispositionen oder Charaktereigenschaften festgestellt werden sollen. Solche Feststellungen zu treffen sei auch bei einer Einwilligung nicht rechtens, da die Menschenwürde berührt würde und deshalb die Einwilligung unbeachtlich sei488. c) Überschießende Feststellungen kraft Einwilligung möglich Neben anderen Stimmen, die ohne Begründung davon ausgehen, dass überschießende Feststellungen kraft Einwilligung möglich seien489, hält Hilger überschießende Feststellungen Einwilligung für zulässig490. Er begründet dies mit § 14 Abs. 2 Nr. 2 BDSG a. F., der in der damaligen Fassung die allgemeine Erlaubnis der Datenverarbeitung aufgrund einer Einwilligung statuierte491. 485 486 487 488 489
Rn. 4. 490
Zum Ganzen Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 372. Entspricht heute § 81e Abs. 1 S. 2 StPO. Zum Ganzen Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 4. Klumpe, S. 192 f. Brauer, in: HK-StPO, § 81e, Rn. 6; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81e,
Hilger, NStZ 1997, 371 (372, Fn. 30). Hilger a. a. O. Trück interpretiert Hilger so, dass letzterer sich nur auf eine weitergehende Verwendung des Untersuchungsergebnisses beziehe, vgl. Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 5, 491
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Aus verfassungsrechtlicher Perspektive hält Burr Feststellungen aus einer DNAAnalyse mit dem Argument für zulässig, dass das Recht auf Nichtwissen nur vor zwangsweiser Aufdeckung schützen solle, nicht aber vor einer gewünschten Aufdeckung. Derjenige, der gewisse Feststellungen wünsche, verhalte sich selbstbestimmt und deshalb gerade nicht menschenunwürdig492. 2. Stellungnahme a) Die Einwilligungsfrage des § 81e StPO als allgemeine Frage Nach der gesetzgeberischen Intention sollte die Einwilligungsmöglichkeit des § 81f Abs. 1 StPO keine Rückschlüsse darauf zulassen, ob in anderen Fällen eine solche gegeben ist493. Daher ist Trücks Einwand zutreffend, dass die Frage, ob erweiterte Feststellungen durch eine Einwilligung des Betroffenen legitimiert werden können, eine solche ist, die nach den allgemeinen Regeln der Einwilligungsdogmatik zu beantworten ist. Dies ist auch Stand der Einwilligungsdogmatik, wenn eine Norm sich diesbezüglich ausschweigt494. b) Kritik an den Stimmen, die die Einwilligungsmöglichkeit ausschließen Vorweggenommen werden muss, dass der Einwand zahlreicher Stimmen in der Literatur, bereits der Wortlaut des § 81e Abs. 1 S. 2 StPO verbiete überschießende Feststellungen kraft Einwilligung, zumindest unter Beachtung der damaligen Rechtslage nicht zielführend war. Grundsätzlich erlaubt das Schweigen der Ermächtigungsgrundlage nicht Rückschlüsse zu ziehen. Soweit Bosch auf ein generelles Misstrauen des Gesetzgebers gegenüber der freiwilligen Preisgabe von Informationen aus DNA-Analysen hinweist, fehlt ein diesbezüglicher Nachweis. Es ist im Gegenteil so, dass der Gesetzgeber mit § 81e StPO nur die zwangsweise DNA-Analyse regeln wollte und einem Privatgutachten, das wissenschaftlichen Standards entspricht, durchaus Beweiswert zubilligte495. Wenn Bosch auf einen angeblichen Widerspruch zur Einwilligungsmöglichkeit in von § 81a StPO nicht erfasste körperliche Eingriffe hinweist, verkennt er, dass dort zum einen die Einwilligungsmöglichkeit explizit vorgesehen ist, zum anderen aber auch, dass es dort um Eingriffe in Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 StPO496, i. R. d. § 81e StPO aber um Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geht. Es Fn. 19. Indes spricht Hilger explizit von weitergehenden Untersuchungen, sodass diese Beschränkung nicht zutreffend erscheint. 492 Burr, S. 122; i. E. ebenso wohl schon Wolter, NStZ 1993, 1 (7). 493 BT-Drucks. 15/5674, S. 8. 494 Vgl. bereits oben Kap. 3 § 5 IV. 2. und 3. 495 BT-Drucks. 13/667, S. 5; zutreffend bereits Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 372; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 4. 496 Vgl. dazu schon Kap. 4 § 1 I. 1. b) ee) (2) (b) m. w. N. dort in Fn. 50.
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handelt sich um so unterschiedliche Sachverhalte, dass nur aus der Divergenz der Regelungstechnik noch kein Widerspruch erblickt werden kann. Lemkes Argument, aus dem Gedanken des Schutzes des Betroffenen sei ein Einwilligungsverbot herzuleiten, sind zum einen die gesetzgeberische Intention, Privatgutachten zulassen zu wollen, zum anderen aber auch verfassungsrechtliche Argumente entgegenzuhalten: In der freiheitlichen Verfassung des Grundgesetzes steht es dem Einzelnen grundsätzlich selbst zu, zu bestimmen, ob und wann er einwilligen will497. Ein Verbot der Einwilligung bedarf daher grundsätzlich einer gesetzlichen Rechtfertigung, weil die Einwilligung Grundrechtsausübung darstellt498. Eine Ausnahme davon ist nur dann gegeben, wenn die Einwilligung mangels Dispositionsbefugnis des Einwilligenden ausscheiden muss499. Nur insoweit ist Lemke zuzustimmen, dass auch jenseits von § 136a StPO eine Einwilligung bereits im Ausgangspunkt scheitern kann. c) Grundsätzliche Zustimmung zur Einwilligungsmöglichkeit Dass bei der bloßen Feststellung (nicht: Speicherung) einzelner (nicht: aller möglichen) Informationen die Grenzen der Einwilligungsfreiheit überschritten würden, ist aber nicht zu erkennen. Der Mensch wird nicht zum „Informationsautomaten“500. Dies gilt unabhängig davon, welche Information festgestellt werden soll. Trück und Klumpe ist daher zu widersprechen, wenn diese eine Differenzierung nach der Information fordern. Eine einzelne Feststellung, die auf Wunsch des Betroffenen erfolgt, berührt nie den Kernbereich der Persönlichkeit oder Menschenwürde. Ansonsten müsste – wie Burr richtigerweise ausführt501 – bereits jeder freiwillige Aids-Test ausscheiden, und zwar sowohl, wenn er in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung durchgeführt wird, als auch, wenn er nur aus privatem Interesse bei einem Arzt vorgenommen wird, weil Art. 1 Abs. 1 GG auch zwischen Privaten unmittelbar gelten soll502. Im Bereich der zwangsweisen Feststellung mag dies anders sein, jedoch will weder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor der freiwilligen Preisgabe von Daten503 noch das Recht auf Nichtwissen vor der freiwilligen Aufklärung schützen504. 497
Vgl. oben Kap. 3 § 5 IV. 4. Vgl. Kap. 3 § 5 IV. 4. a) dd). 499 Vgl. oben Kap. 3 § 5 V. 1. 500 Vgl. oben Kap. 3 § 3 II. 501 Burr, S. 122. 502 Guckelberger, JuS 2003, 1151 (1152); Häberle, in: HbStR II, § 22, Rn. 59; Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 1, Rn. 74; Hillgruber, in: BeckOK-GG, Art. 1, Rn. 8; Kunig/Kotzur, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, Art. 1, Rn. 40; Linke, JuS 2016, 888 (893); Podlech, in: AK-GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 82; Zippelius, in: BK-GG I, Art. 1 Abs. 1 u. 2 GG, Rn. 34; vgl. für die Geltung im Eltern-Kind-Verhältnis BVerfGE 34, 119 (141); a. A. wohl Geddert-Steinacher, S. 93. 503 Zutreffend Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 372. 498
§ 2 Untersuchungs- und Feststellungsverbote
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d) Berücksichtigung der JI-RL und von § 51 BDSG – Zulassung der Einwilligung durch § 81f Abs. 1 S. 1 StPO? Daher müsste man eigentlich zustimmen, wenn Hilger auf das Recht zur Datenverarbeitung aufgrund einer Einwilligung verweist. Indes gilt es zu beachten, dass das oben Vorgetragene nur gelten konnte, solange die JI-RL nicht durch § 51 BDSG umgesetzt wurde. Nun ist eine Einwilligung nur noch möglich, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen wird505. Es ist daher zu klären, ob dies bei erweiterten Feststellungen der Fall ist. Infrage kommt nur § 81f Abs. 1 S. 1 StPO. Trück vertritt diesbezüglich die Auffassung, dass § 81f StPO hinsichtlich der Untersuchung und der Notwendigkeit einer hoheitlichen Anordnung nur für den Fall, dass keine Einwilligung vorliege, auf § 81e Abs. 1 StPO verweise. Dies muss so verstanden werden, dass laut Trück im Falle einer Einwilligung § 81e StPO keine Rolle mehr spiele. Zwar könnte man für diese Ansicht den gesetzgeberischen Willen, mit § 81e StPO nur die hoheitlich angeordnete DNA-Analyse regeln zu wollen506, ins Feld führen. Im Zeitpunkt dieser gesetzgeberischen Intention war aber überhaupt keine Einwilligungsmöglichkeit in §§ 81e f. StPO vorgesehen. Als diese später eingeführt wurde, geschah dies vor dem bereits erwähnten Hintergrund, dass es zuvor streitig war, ob eine Einwilligung die richterliche Anordnung zu ersetzen vermag507. In den Gesetzgebungsmaterialen findet sich kein Hinweis, dass die Einwilligungsmöglichkeit des § 81f Abs. 1 S. 1 StPO sich auf etwas anderes als die richterliche Anordnung beziehen möge. Vielmehr sollte die Einwilligungsfrage jenseits des Streits, ob eine Einwilligung in die DNA-Analyse eine richterlicher Anordnung obsolet macht, gar nicht tangiert werden508. Auch der Wortlaut des § 81f Abs. 1 S. 1 StPO spricht gegen eine weitere Bedeutung der Norm. Demnach bedürfen DNA-Analysen nach § 81e Abs. 1 StPO nur dann der richterlichen Anordnung, wenn der Betroffene nicht einwilligt. Wie es sich verhält, wenn gar keine DNA-Analyse in den Grenzen des § 81e StPO vorliegt, regelt § 81f StPO nicht. Die Einwilligungsmöglichkeit des § 81f StPO bezieht sich daher nur auf das Erfordernis einer hoheitlichen Anordnung, nicht auf den Umfang der DNA-Analyse. Insoweit fehlt es an einer Regelung. Fehlt es an einer Regelung, d. h. ist die Einwilligung nicht explizit zugelassen, so darf sie nicht herangezogen werden509. Ferner würde die Implikation des Art. 8 Abs. 2 JI-RL umgangen, ließe man er504 505 506 507 508 509
(640).
Zutreffend Burr, S. 122. Vgl. Kap. 3 § 5 IV. 5. a) cc) und b). BT-Drucks. 13/667, S. 5. BT-Drucks. 15/5674, S. 7. Zum Streit vgl. Kap. 3 § 5 IV. 2. m. w. N. dort in Fn. 256. BT-Drucks. 15/5674, S. 8. Vgl. Kap. 3 § 5 IV. 5. a) cc) und b); vgl. zutreffend auch Singelnstein, NStZ 2020, 639
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
weiterte Feststellungen kraft Einwilligung zu. Das Gesetz würde nicht die zu verarbeitenden Daten umschreiben. Eine Ermächtigungsgrundlage wie § 81e StPO, die die festzustellenden Daten klar benennt, könnte sub specie Erw.-Gr. 33 der JI-RL nicht mehr als klar und präzise bezeichnet werden, wenn weitere Daten daneben kraft Einwilligung erhoben werden könnten, ohne dass sich hierfür im Gesetz eine Stütze finden ließe. Deshalb sind erweiterte Feststellungen de lege lata auch aufgrund einer Einwilligung nicht möglich. Insoweit ist den Stimmen zuzustimmen, die unter Berufung auf den Wortlaut eine Einwilligung in erweiterte Feststellungen ablehnen. Dies gilt indes erst seit der Umsetzung der JI-RL; im Zeitpunkt der jeweiligen Veröffentlichung hatte das Argument indes keine Durchschlagskraft besessen.
§ 3 Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen I. Definition des Zwickbindungsgebotes Unter Bezugnahme auf das Zweckbindungsgebot sind schon zahlreiche juristische Probleme der DNA-Analyse untersucht worden. So diskutiert der BGH die Frage, ob eine Feststellung der Verwandtschaft zwischen Spurenleger und Teilnehmer einer DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO in der damaligen Fassung vor dem Hintergrund des Zweckbindungsgebotes rechtmäßig war510. In der Literatur wird die Thematik der Begrenzung der möglichen Untersuchungsergebnisse bei DNA-Analysen i. R. d. § 81e StPO unter dem Stichwort der Zweckbindung erörtert511. In beiden Lagern fehlt es jedoch an allgemeinen Definition, die aber notwendig ist, um neue Probleme nicht nur, aber auch im Bereich der DNA-Gesetzgebung zu erörtern. Das Prinzip der Zweckbindung entstammt dem Datenschutzrecht512. Es regelt und beschränkt den Umgang mit Daten513. Um sub specie des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung verfassungskonform zu sein, muss die zur Datenerhebung ermächtigende Gesetzesnorm eine solche Zweckbindung enthalten; geht sie nicht aus ihr expressis verbis hervor, ist sie entsprechend auszulegen oder, sollte dies nicht möglich sein, verfassungswidrig514. Auf unionsrechtlicher Ebene findet sich der Grundsatz der Zweckbindung in Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO. Für Strafverfahrens510
BGHSt 58, 84 (93). Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (73 f.); dies., in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 39 (ebd., 47); Pommer, JA 2007, 621 (623), Volk, NStZ 2002, 561 (563). 512 Kühling/Klar/Sackmann, Rn. 349; Singelnstein, ZStW 120 [2008], 854 (855); vgl. auch BVerfGE 141, 220 (329); Heckmann/Scheurer, in: Gola/Heckmann, BDSG, § 49, Rn. 1, die den Zweckbindungsgrundsatz zum „Kernelement des verfassungsrechtlichen Datenschutzes“ erheben; Schantz, in: BeckOK-DatenschutzR, Art. 5 DSGVO, Rn. 12 spricht vom „Grundstein des Datenschutzrechts“. 513 Ernst, S. 73. 514 Ernst, S. 73. 511
§ 3 Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen
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zwecke wurde die entsprechende Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 lit. b JI-RL in § 47 Nr. 2 BDSG transformiert. Demnach ist eine Datenverarbeitung nur rechtmäßig, wenn die Daten „für festgelegte, eindeutige und rechtmäßige Zwecke (…) erhoben werden.“ Zusammengefasst heißt dies, dass der Umgang, also die weitere Verwendung, mit den Daten, die für eine oder aus einer DNA-Analyse gewonnen werden, a priori, also vor Durchführung der Maßnahme, festgelegt sein muss515.
II. Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen für den Umgang mit den Körperzellen 1. Der Umgang mit Körperzellen, die gem. § 81e Abs. 1 StPO analysiert wurden Im Rahmen der Diskussion, ob heimlich erlangtes Material Gegenstand einer DNA-Analyse sein kann, ist bereits auf die Vernichtungsanordnung des § 81a Abs. 3 StPO hingewiesen worden, die über Abs. 5 S. 3 i. R. d. § 81c StPO auch gilt516. Demgemäß dürfen die Zellen nur zu Zwecken des Strafverfahrens, zu dessen Zwecken sie gewonnen wurden, oder einem anderen, bereits anhängigen verwendet werden. Danach sind sie zu vernichten. Im Umkehrschluss heißt dies, dass ihre Aufbewahrung für zukünftige Strafverfahren nicht erfolgen kann. 2. Der Umgang mit Körperzellen, die gem. § 81e Abs. 2 StPO analysiert wurden Es ist aber auch bereits darauf hingewiesen worden, dass § 81a Abs. 3 StPO bei Untersuchungsmaterial i. S. d. § 81e Abs. 2 StPO nur partiell gilt517. Zwar bleibt es bei der Zweckbindung des § 81a Abs. 3 Hs. 1 StPO, wie sich aus dem ausdrücklichen Verweis des § 81e Abs. 2 S. 3 StPO ergibt. Auch das Material i. S. v. § 81e Abs. 2 StPO darf daher nur zu Zwecken des laufenden oder eines anderen, bereits anhängigen Strafverfahrens verwendet werden. Auf das Vernichtungsgebot wird aber kein Bezug genommen. Es gilt bei Material i. S. v. § 81e Abs. 2 StPO nicht518. In diesem Zusammenhang stellt sich deshalb die Frage, ob das Zellmaterial auf ungewisse Zeit asserviert werden kann.
515 516 517 518
Vgl. dazu allgemein Hertfelder, in: BeckOK-DatenschutzR, § 47 BDSG, Rn. 12. Vgl. dazu oben Kap. 4 § 1 III. 3. b) bb). Vgl. oben a. a. O. Vgl. oben a. a. O. m. w. N. dort in Fn. 173.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
a) Argumente, warum im Rahmen des § 81e Abs. 2 StPO kein Vernichtungsgebot besteht In der Literatur werden einige Argumente vorgebracht, warum kein Vernichtungsgebot für das Material besteht, das gem. § 81e Abs. 2 StPO analysiert wird. Es wird darauf verwiesen, dass das am Tatort gefundene Material nach der Vernichtung unwiederbringlich verloren sei519. Dies sei insbesondere in einem Wiederaufnahmeverfahren von Nachteil520. Zellen eines Beschuldigten oder Dritten können dagegen jederzeit wieder gewonnen werden521. b) Stellungnahme zu diesen Argumenten aa) Unwiederbringlicher Verlust und Wiederbeschaffbarkeit Zutreffend ist bei einer tatsächlichen Betrachtungsweise, dass Zellen eines Beschuldigten, die gem. § 81a StPO gewonnen wurden, und Zellen eines Dritten, die gem. § 81c StPO gewonnen wurden, jederzeit wieder beschafft werden können. Es ist aber kein Argument, warum es für das in § 81e Abs. 2 StPO angesprochene Material kein Vernichtungsgebot geben soll. Diesem Ansatz haftet die zu pauschale Betrachtungsweise an, dass es bei dem Material des § 81e Abs. 1 StPO um Vergleichsmaterial handle, das analysiert wird, um dann mit dem Ergebnis der Analyse des Materials nach Abs. 2 abgeglichen zu werden, um heraus zu finden, ob der Beschuldigte oder Dritte der bis dahin unbekannte Spurenleger sei. Dass dies nicht stets der Fall ist, zeigt der Fall des OLG Celle. Dort wurde eine Blutprobe, die aus einer Operationsvorbereitung stammt, zum Zwecke der Feststellung der Alkoholkonzentration beschlagnahmt.522 Es hätte aber ebenso eine DNA-Analyse stattfinden können, denn der Wortlaut des § 81e Abs. 2 S. 1 StPO nimmt explizit Bezug auf die Beschlagnahme, und da nicht zwingend ein heimliches Vorgehen der Ermittlungsbehörden erfolgt, sprechen auch keine Argumente in dieser Hinsicht gegen die Maßnahme523. Ebenso wie bei einer Zellenentnahme gem. §§ 81a, 81c StPO die Zellen wieder gewonnen wurden, können sie im Falle der Beschlagnahme einer 519 Bosch, in: KMR-StPO, § 81e, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 12; Eisenberg, Rn. 1686; Karioth, Die Polizei 1997, 195 (201); Neuhaus, in: HK-GS, § 81e StPO, Rn. 8; Neuser/Heidorn/Verhoff, ArchKrim 210 [2002], 95; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 26; West, S. 263, Fn. 1180. 520 Eisenberg, Rn. 1686; Karioth, Die Polizei 1997, 195 (201); Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 39; Neuser/Heidorn/Verhoff, ArchKrim 210 [2002], 95 mit Beispielsfall 5 auf S. 96; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 26; West, S. 263, Fn. 1180; vgl. auch Senge, NJW 1999, 2409 (2410). 521 Bosch, in: KMR-StPO, § 81e, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 12; Eisenberg, Rn. 1686; Hilger, NStZ 1997, 371 (372); Neuser/Heidorn/Verhoff, ArchKrim 210 [2002], 95; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 26; West, S. 263, Fn. 1180. 522 OLG Celle, NStZ 1989, 385 f. 523 Zu diesen vgl. Kap. 4 § 1 III. 3.
§ 3 Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen
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Blutprobe ebenso wieder gewonnen werden. Warum im einen Fall eine Vernichtung zwingend geboten ist, im anderen aber nicht, leuchtet nicht ein. Freilich gibt es aber auch Fälle, in denen das Material wirklich unwiederbringlich verloren wäre. Dies ist etwa dann der Fall, wenn es gerade auf die Verbindung der Spurenleger-DNA mit der Opfer-DNA ankommt, etwa in Form eines Kondoms, dem Sperma und Scheidenabrieb anhaftet. bb) Einsatz im Wiederaufnahmeverfahren Als zweites Argument steht im Raum, die Vernichtung des Materials sei vor dem Hintergrund eines späteren Wiederaufnahmeverfahrens nachteilhaft. Dieses Argument findet nicht nur bei DNA-Analysen Verwendung, sondern grundsätzlich, es um die Löschung von Daten oder ähnlichem geht. Dies bemerkend, drängt sich der Gedanke auf, dass jenes Argument nur ein vorgeschobenes ist, das eigentlich nur verschleiern soll, dass der Wille, Daten aus der Hand zu geben, in der strafverfahrensrechtlichen Praxis und Dogmatik nicht besonders ausgeprägt ist. Das gilt erst recht, wenn man feststellt, dass die Argumentation oftmals recht pauschal erfolgt, ohne auf die Spezifika das Wiederaufnahmeverfahrens einzugehen. Es ist aber geboten, sich mit den Vorschriften die Wiederaufnahme betreffend genauer auseinander zu setzen, um die berechtigte Intension dieses Argumentes sachgerecht einschätzen zu können. Soweit ein Wideraufnahmeverfahren des Verurteilten betrieben wird, richtet sich ihre Zulässigkeit nach § 359 StPO. In sechs Nummern zählt das Gesetz Voraussetzungen auf, unter denen es zu einem Wiederaufnahmeverfahren kommen kann. Maßgeblich für die hiesigen Belange ist die Nr. 5, die den Fall der Beibringung neuer Tatsachen oder Beweismittel regelt. Unter Beweismitteln sind zumindest auch sämtliche förmliche Beweismittel der StPO zu verstehen, also Zeuge, Sachverständiger, Urkunde oder Augenschein524. Bei personalen Beweismitteln wie Zeugen oder Sachverständigen sind die Personen das Beweismittel, nicht ihre Aussage525. Für den Fall des DNA-Gutachtens, das qua seiner systematischen 524
KG, JR 1976, 76 (77); Arnemann, S. 376; Eisenberg, Rn. 439; Engländer/Zimmermann, in: MüKo-StPO III/1, § 359, Rn. 43; Gössel, in: LR-StPO VII/2, 26. Aufl., § 359, Rn. 82; Gorka, in: Hdb. Wiederaufnahme, D, Rn. 260; Hohmann, in: Hdb. Wiederaufnahme, E, Rn. 75; Kaspar, in: SSW-StPO, § 359, Rn. 27; Marxen/Tiemann, Rn. 175; Peters, JR 1976, 76 (77); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 359, Rn. 26; Singelnstein, in: BeckOK-StPO, § 359, Rn. 23; Temming, in: HK-StPO, § 359, Rn. 16; Theobald, S. 27; Wasserburg, S. 309; Waßmer, Jura 2002, 454 (456); Weiler, in: HK-GS, § 359 StPO, Rn. 12; krit. zu einer Abgrenzung Beweismittel und Tatsache Frister, in: SK-StPO VII, § 359, Rn. 36. 525 Arnemann, S. 377; Eisenberg, Rn. 439; Engländer/Zimmermann, in: MüKo-StPO III/1, § 359, Rn. 43; Eschelbach, in: KMR-StPO, § 359, Rn. 150; Hohmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 359, Rn. 31; ders., in: Hdb. Wiederaufnahme, E, Rn. 75; Rotsch, in: AnwKo-StPO, § 359, Rn. 25; Schmidt, in: KK-StPO, § 359, Rn. 23; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 359, Rn. 26; Singelnstein, in: BeckOK-StPO, § 359, Rn. 23; Temming, in: HK-StPO, § 359, Rn. 16; Wasserburg, S. 309; vgl. auch Kaspar, in: SSW-StPO, § 359, Rn. 29 f.; a. A. aber Gössel, in: LR-StPO VII/2, 26. Aufl., § 359, Rn. 84, der von einer Einheit von Aussage und Person beim Personalbeweis ausgeht.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
Stellung in der StPO einen Sachverständigenbeweis darstellt, sind zwei Konstellationen denkbar, die i. R. d. § 359 Nr. 5 StPO relevant werden könnten. Ein neues Beweismittel läge vor, wenn ein anderer Sachverständiger als der ursprünglich beauftragte ein DNA-Gutachten erstellen würde – unabhängig davon, ob das Gutachten auf anderer oder gleicher Grundlage erstellt würde und unabhängig davon, ob die Aussage des neuen Gutachten die des alten bestätigt oder ihr widerspricht526. Eine neue Tatsache läge hingegen vor, wenn der Inhalt des neuen DNA-Gutachtens von dem Inhalt des Erstgutachtens abweichen würde – unabhängig davon, ob mit der Durchführung derselbe oder ein anderer Sachverständige betraut wurde527. Sollte aus dem neuen Gutachten hervorgehen, dass der Verurteilte gar nicht der Spurenleger war, so wäre dies auch geeignet i. S. d. § 359 Nr. 4, da die Täterschaft freilich in Zweifel gezogen würde. Gleichwohl muss das Argument des Wideraufnahmeverfahrens im Hinblick auf Vernichtungsgebote kritisch beurteilt werden. Das Wiederaufnahmeverfahren durchbricht die Rechtskraft von Entscheidungen528. Diese Rechtskraft soll dem Rechtsfrieden bzw. der Rechtssicherheit dienen529. Das Wiederaufnahmeverfahren 526
Vgl. Arnemann, S. 385; Engländer/Zimmermann, in: MüKo-StPO III/1, § 359, Rn. 52; Eschelbach, in: KMR-StPO, § 359, Rn. 150; Frister, in: SK-StPO VII, § 359, Rn. 41; Gössel, NStZ 1993, 565 (567); Kaspar, in: SSW-StPO, § 359, Rn. 29; Marxen/Tiemann, Rn. 191; Rotsch, in: AnwKo-StPO, § 359, Rn. 29; Singelnstein, in: BeckOK-StPO, § 359, Rn. 29; Temming, in: HK-StPO, § 359, Rn. 22; Wasserburg, S. 311; krit. dagegen Eisenberg, Rn. 447; a. A. Schmidt, in: KK-StPO, § 359, Rn. 26; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 359, Rn. 34 f., die insofern auf BGHSt 31, 365 (370), obschon der BGH hier nur die Geeignetheit verneint und zur Neuheit keine Stellung nimmt, sowie auf BGHSt 39, 75 (83 f.) abstellen, obwohl der BGH dort nur betont, die Neuheit des Beweismittels des Sachverständigen könne nicht begründet werden, weil er zu anderen Ergebnissen gelange, was sich aber schon aus der Einordnung der Person und der Aussage als Beweismittel ergibt; krit. auch Hohmann., in: Hdb. Wiederaufnahme, E, Rn. 85; Weiler, in: HK-GS, § 359 StPO, Rn. 15. 527 Vgl. Arnemann, S. 382; Eisenberg, Rn. 447; Engländer/Zimmermann, in: MüKo-StPO III/1, § 359, Rn. 43; Kaspar, in: SSW-StPO, § 359, Rn. 29; Rotsch, in: AnwKo-StPO, § 359, Rn. 29; Schmidt, in: KK-StPO, § 359, Rn. 23; Singelnstein, in: BeckOK-StPO, § 359, Rn. 23, 29; vgl. auch Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 359, Rn. 35. 528 BVerfG, NJW 2007, 207; NJW 1995, 2024; Arnemann, S. 27; Engländer/Zimmermann, in: MüKo-StPO III/1, Vorb. § 359, Rn. 1; Eschelbach, in: KMR-StPO, Vorb. §§ 359 ff., Rn. 1; Grünewald, ZStW 120 [2008], 545; Kaspar, in: SSW-StPO, Vorb. §§ 359 ff., Rn. 1; Marxen/ Tiemann, ZIS 2008, 188 (194, Fn. 56); dies., Rn. 5; Pabst, ZIS 2010, 126 (129, Fn. 47); Rotsch, in: AnwKo-StPO, Vorb. § 359, Rn. 1; Schmidt, in: KK-StPO, Vorb. § 359, Rn. 1; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Vorb. § 359, Rn. 1; Singelnstein, in: BeckOK-StPO, § 359, Vorb.; vgl. auch BGHSt 39, 75 (78); Eisenberg, JR 2007, 360; ders., Rn. 431; Weiler, in: HKGS, § 359 StPO, Rn. 1. 529 BVerfGE 2, 380 (403); 7, 89 (92); 22, 322 (328); 47, 146 (161); 74, 128 (152); NJW 2007, 207; NStZ-RR 2007, 27 (30); BGHSt 39, 75 (78); NJW 2003, 1261 (1262); Arnemann, S. 28; Geipel, in: Hdb. Wiederaufnahme, A, Rn. 15; Grünewald, ZStW 120 [2008], 545 (547); Meyer, ZStW 84 [1972], 909; Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80 (82 f.); Schmidt, in: KK-StPO, Vorb. § 359, Rn. 4; Singelnstein, in: BeckOK-StPO, § 359, Rn. 1; Temming, in: HK-StPO, Vorb.
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durchbricht die Rechtskraft aber um der materiellen Wahrheit und damit um der Gerechtigkeit willen, die ihrerseits dem Rechtsfrieden dienen530. Es handelt sich bei dem Wiederaufnahmeverfahren wegen der Durchbrechung der Rechtskraft um ein einen außerordentlichen Rechtsbehelf mit Ausnahmecharakter531. Im Hinblick auf DNA-Analysen muss deshalb gefragt werden, wie wahrscheinlich es ist, dass die Analyse eine Wiederaufnahme rechtfertigt. Maßgeblich ist ausschließlich die Feststellung des DNA-Identifikationsmusters. Nur aufgrund eines Vergleiches zweier solcher kann es zu einer Verurteilung kommen. Keine Verurteilung wird darauf gestützt, dass der Spurenleger männlich, weiß, blauäugig, schwarzhaarig und 30 Jahre alt war. Das DNA-Identifikationsmuster kann heute bereits mit hoher Wahrscheinlichkeit bestimmt werden. Daher ist schon fraglich, ob die Beauftragung eines neuen Sachverständigen geeignet ist, die Entscheidungsgrundlage zu erschüttern. Die Unsicherheiten, die mit dem DNA-Gutachten einhergehen, sind solche, die die Interpretation durch den Richter betreffen. Die Beweiswürdigung als Form der Rechtsanwendung ist aber weder eine Tatsache noch ein Beweismittel, das die Wiederaufnahme rechtfertigt. Sie kann nur i. d. R. ordentlichen Rechtsbehelfe gerügt werden532. Selbst wenn der Gesetzgeber es zukünftig ermöglichen sollte, neue Feststellungen aus der DNA herauszulesen, die dem Verurteilten zugute kämen (etwa die Möglichkeit der Feststellung von Rückständen von Suchtmitteln, mit der der §§ 359 ff., Rn. 1; vgl. auch Gössel, in: LR-StPO VII/2, 26. Aufl., Vorb. § 359, Rn. 25; Hohmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 359, Rn. 1; Rotsch, in: AnwKo-StPO, Vorb. § 359, Rn. 1; Sommer, S. 101; Theobald, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. XI, Rn. 1; vgl. Schmitt, in: MeyerGoßner/Schmitt, StPO, Vorb. § 359, Rn. 1; gegen das Argument des Rechtsfriedens bei Fehlurteilen aber Bock/Eschelbach/Geipel/Hettinger/Röschke/Wille, GA 2013, 328 (330 f., 345); Eisenberg, JR 2007, 360; ders., Rn. 431; Frister, in: SK-StPO VII, Vorb. § 359, Rn. 2; ders./Müller, ZRP 2019, 101 (102); Gössel, in: LR-StPO VII/2, 26. Aufl., Vorb. § 359, Rn. 2; Kaspar, in: SSW-StPO, Vorb. §§ 359 ff., Rn. 10; Meyer, ZRP 1993, 284; Schwenn, StV 2010, 705 (711); Theobald, S. 11; krit. zur Erreichung von Rechtsfrieden durch Rechtkraft isoliert Popp, S. 142 ff. 530 BVerfGE 7, 89 (92); NJW 2007, 207; NJW 1995, 2024; MDR 1975, 468 (469); BGHSt 39, 75 (78); NJW 2003, 1261 (1262); Arnemann, S. 28; Eisenberg, Rn. 432; Engländer/Zimmermann, in: MüKo-StPO III/1, Vorb. § 359, Rn. 1; Schmidt, in: KK-StPO, Vorb. § 359, Rn. 4; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Vorb. § 359, Rn. 1; Singelnstein, in: BeckOK-StPO, § 359, Rn. 1; Temming, in: HK-StPO, Vorb. §§ 359 ff., Rn. 1; Theobald, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. XI, Rn. 1. 531 Vgl. Arnemann, S. 30; Engländer/Zimmermann, in: MüKo-StPO III/1, Vorb. § 359, Rn. 1; Eschelbach, in: KMR-StPO, § 359, Rn. 1; Geipel, in: Hdb. Wiederaufnahme, A, Rn. 8; Grünewald, ZStW 120 [2008], 545; Kaspar, in: SSW-StPO, Vorb. §§ 359 ff., Rn. 2; Marxen/ Tiemann, Rn. 5; Rotsch, in: AnwKo-StPO, Vorb. § 359, Rn. 2; Schmidt, in: KK-StPO, § 359, Rn. 5; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Vorb. § 359, Rn. 2; Temming, in: HK-StPO, Vorb. §§ 359 ff., Rn. 2; Waßmer, Jura 2002, 454; vgl. auch Weiler, in: HK-GS, § 359 StPO, Rn. 2. 532 Arnemann, S. 381; Marxen/Tiemann, Rn. 174, 183; Theobald, S. 29; vgl. auch Gössel, in: LR-StPO VII/2, 26. Aufl., § 359, Rn. 93 f.; Temming, in: HK-StPO, Vorb. §§ 359 ff., Rn. 2; Waßmer, Jura 2002, 454 (454); a. A. wohl Bock/Eschelbach/Geipel/Hettinger/Röschke/Wille, GA 2013, 328 (344); Klug, in: FS Spendel, 679 (684).
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
Verurteilte beweisen kann, dass er im Zeitpunkt der Tat schuldunfähig war), wäre dies unbeachtlich, da Gesetzesänderungen ebenso nicht Tatsachen oder Beweismittel sind533. Es geht mithin nur um den äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass ein Gutachten, das zwei DNA-Identifikationsmuster vergleicht, zu dem Ergebnis kommt, dass die Übereinstimmung doch nicht gegeben ist. Ob dies es rechtfertigt, einen DNA-Träger, bildlich gesprochen den Schlüssel zu allen genetischen Daten des Menschen im weitesten Sinne, ad infinitum zu speichern, erscheint zumindest fragwürdig. Denn, wenn die Beschlagnahme eines Datenträgers an sich schon als besonders gefährlich eingeschätzt wird534, muss dies erst gelten, wenn auf ihm genetische Daten sich befinden, die ausweislich der Konzeption von DSGVO, JI-RL und BDSG besonders schutzbedürftig sind. Abschließend sei angemerkt, dass hier nur der Fall behandelt wurde, dass das Wiederaufnahmeverfahren zugunsten des Verurteilten durchgeführt wird. Wird es zuungunsten desselben durchgeführt, waren neue Beweismittel und Tatsachen von § 362 StPO bis 2021 überhaupt nicht erfasst. Das Wideraufnahmeverfahren war mithin unzulässig535. Eine entsprechende Durchführung ist zwar inzwischen bei schwersten Verbrechen – Mord und Delikten nach dem VStGB – gem. § 362 StPO Nr. 5 StPO möglich, also bei Delikten, die gem. §§ 78 Abs. 2, 79 Abs. 2 i. V. m. 211 Abs. 1 StGB, § 5 VStGB keiner Verjährung unterliegen. Die Ermöglichung des Einsatzes von DNA-Analysen zuungunsten war gerade Intention der Reform536. Eine Aufbewahrung lässt damit also allenfalls rechtfertigen, soweit es um diese Delikte geht. Sind Sexualdelikte hingegen betroffen, lässt sich eine Aufbewahrung mit Blick auf ein Wiederaufnahmeverfahren zuungunsten des Betroffenen auch nicht rechtfertigen. Das betrifft auch schwere Vergewaltigungsfälle. § 362 Nr. 5 StPO lässt sich 533 BGHSt 39, 75 (79); 42, 314 (316); OLG Bamberg, NJW 1982, 1714; Arnemann, S. 363; Eisenberg, JR 2007, 360 (361); Engländer/Zimmermann, in: MüKo-StPO III/1, § 359, Rn. 42; Eschelbach, in: KMR-StPO, § 359, Rn. 146; Frister, in: SK-StPO VII, § 359, Rn. 38; Gössel, in: LR-StPO VII/2, 26. Aufl., § 359, Rn. 78; ders., NStZ 1993, 565 (566); Hohmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 359, Rn. 30; ders., in: Hdb. Wiederaufnahme, E, Rn. 74; Kaspar, in: SSW-StPO, § 359, Rn. 24; Rotsch, in: AnwKo-StPO, § 359, Rn. 24; Singelnstein, in: BeckOKStPO, § 359, Rn. 22; Schmidt, in: KK-StPO, § 359, Rn. 19; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 359, Rn. 24; Temming, in: HK-StPO, § 359, Rn. 15; Theobald, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. XI, Rn. 71; Wasserburg, S. 304; Waßmer, Jura 2002, 454 (456); Weiler, in: HK-GS, § 359 StPO, Rn. 11; zur Änderung der Rechtsprechung vgl. BVerfGE 12, 338 (340); OLG Düsseldorf, JR 1992, 124 (125); zur Änderung eines Verwaltungsaktes in Form eines Steuerbescheides vgl. OLG Zweibrücken, wistra 2009, 488; krit. dazu Sommer, S. 101 ff. 534 Vgl. BVerfG, NJW 2005, 1917 (1922 f.). 535 Dies feststellend BT-Drucks. 19/30399, S. 1; gerade im Hinblick auf DNA-Analysen Hoppen/Jansen, JuS 2021, 1132 (1135); zu entsprechenden Reformbestrebungen gerade im Hinblick auf ein DNA-Gutachten, das einen rechtskräftig Freigesprochenen einer Straftat überführt s. schon BT-Drucks. 16/7957; BR-Drucks. 220/10; Frister/Müller, ZRP 2019, Grünewald, ZStW 120 [2008], 545 (578 f.); Marxen/Tiemann, ZIS 2008, 188 ff.; 101 ff.; Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80 ff.; Schmidt, in: KK-StPO, Vorb. § 359, Rn. 9; ders., in: KKStPO, § 362, Rn. 2; krit. dazu Bohn, S. 203 ff.; Greco, S. 991 ff.; Pabst, ZIS 2010, 126 (127 ff.); Rotsch, in: AnwKo-StPO, Vorb. § 359, Rn. 10. 536 Vgl. BT-Drucks. 19/30399, S. 1, 2, 9, 10.
§ 3 Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen
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mithin ausschließlich hinsichtlich der aufgezählten Straftatbestände als Argument heranziehen. Doch auch, wenn es um jene geht, darf ein Automatismus nicht stattfinden. Zu hoch ist die Eingriffsintensität der Aufbewahrung. Rechtfertigen lässt sie sich nur, wenn ein Wiederaufnahmeverfahren zuungunsten wenigstens nicht völlig ausgeschlossen ist. Das ist aber der Fall etwa beim Tod des Betroffenen, weil § 361 StPO nur für Wiederaufnahmeverfahren zugunsten des Betroffenen greift537. Auch sollte die Aufbewahrung nicht legitimiert werden, wenn hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Spurenleger bereits verstorben ist. Da § 81e Abs. 2 StPO die Altersbestimmung erlaubt, kann eine Vernichtung mithin dann erfolgen, wenn man es mit einem ca. 80 Jahre alten Täter zu tun hatte und bereits 30 Jahre seit der Tat vergangenen sind. Eine Abwägung im Einzelfall scheint in jedem Fall geboten. cc) Konsequenzen Die Untersuchung hat gezeigt, dass gegen die Vernichtung vorgebrachten Argumente oft zu pauschal sind. Es muss in jedem Fall differenziert werden, ob das Untersuchungsmaterial so beschaffen ist, dass es jederzeit wiedergewonnen werden kann, oder ob es so beschaffen ist, dass ihm eine Einzigartigkeit attestiert werden muss. c) Der Grundsatz der Datensparsamkeit oder warum auch das Material i. S. v. § 81e Abs. 2 StPO vernichtet werden muss Während die Argumente der Vernichtungsgegner keine durchschlagende Kraft besitzen, gibt es demgegenüber gute Argumente jenseits einer Wiederbeschaffbarkeit, warum auch das Material des § 81e Abs. 2 StPO irgendwann vernichtet werden muss. Dafür spricht vor allem der Grundsatz der Datensparsamkeit. Allgemein formuliert beschränkt er die Datenverarbeitung auf das notwendige Maß538. Gemäß § 47 Nr. 5 BDSG „müssen“ Daten nicht länger gespeichert werden als es für die Verfolgung des Zweckes, zu dem sich erhoben wurden, erforderlich ist. Das Wort „müssen“ ist in diesem Kontext aber falsch, denn es impliziert, dass zuvor ein Speichergebot bestünde539. Ferner erlaubt es, die Norm so zu verstehen, dass nach Wegfall der Erforderlichkeit ein Ermessen bestünde, wie es im Deutschen das Wort „kann “ bzw. „können“ regelmäßig impliziert. Art. 4 Abs. 1 lit. e der JI-RL, auf dem § 47 Nr. 5 BDSG fußt540, ist genauer: Demnach sehen die Mitgliedstaaten vor, dass die Daten nicht länger als notwendig 537
Vgl. nur Schmidt, in: KK-StPO, § 351, Rn. 1 m. w. N. Vgl. BVerfGE 125, 260 (348); Albrecht/Jotzo, Teil 2, Rn. 6; Kühling/Klar/Sackmann, Rn. 354. 539 Hertfelder, in: BeckOK-DatenschutzR, § 47 BDSG, Rn. 27. 540 BT-Drucks. 18/11325, S. 111. 538
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
gespeichert werden. Der Sinn der Norm zeigt sich weiter in der Betrachtung der englischen Fassung des Art. 4 der JI-RL541: „Member states shall provide for personal data to be kept (…) for no longer than is necessary (…)“. Richtigerweise wird man das Wort „müssen“ als „dürfen“ lesen müssen542. Im Ergebnis wird daher ein Postulat ausgestellt wird, dass nur solange Daten vorrätig gehalten werden dürfen, wie es notwendig ist. Der Grundsatz der Datensparsamkeit hat daher eine Komponente, die in zeitlicher Hinsicht Datenverarbeitung auf das erforderliche Maß beschränkt543. Freilich sind Körperzellen keine Daten. Sie sind gewissermaßen der Datenträger. Gleichwohl sind datenschutzrechtliche Belange berührt, wenn der Datenträger im Gewahrsam des Staates ist und dieser jederzeit darauf zugreifen könnte, notfalls, ohne den Betroffenen zu informieren544. Wenn die Zellen jederzeit wiedergewonnen werden können, ist der Zweck ihrer Beschaffung – die Aufklärung des Sachverhaltes – spätestens dann erreicht, wenn das Verfahren rechtkräftig abschlossen ist. Das Argument einer möglichen Wiederaufnahme greift hier nicht, denn selbst für diesen Zweck bedürfte es keiner Lagerung ad infintum, wenn eine jederzeitige Wiederbeschaffbarkeit gegeben ist. Anderenfalls liefe eine unbefristete Lagerung de facto auf grundsätzliche unzulässige Vorratsdatenspeicherung545 hinaus, da der Datenträger stets bereit wäre. d) Vernichtung bei wiederbeschaffbarem Material gem. § 111n StPO Für den Fall von Beschlagnahme und Sicherstellung richtet sich die Herausgabe des Gegenstandes nach §§ 94 Abs. 4 i. V. m. 111n StPO. Nach § 111n Abs. 1 StPO ist der Gegenstand dann an den letzten Gewahrsamsinhaber herauszugeben, wenn er für die Zwecke des Strafverfahrens nicht benötigt wird. Dies ist grundsätzlich spätestens mit rechtskräftigem Abschluss der Fall, ohne dass es einer Feststellung in Form einer förmlichen Anordnung bedarf546. Diese Vorgehensweise ist dann unproblematisch, 541
Hertfelder, in: BeckOK-DatenschutzR, § 47 BDSG, Rn. 27. Hertfelder, in: BeckOK-DatenschutzR, § 47 BDSG, Rn. 27. 543 Vgl. Albrecht/Jotzo, Teil 2, Rn. 6; Reimer, in: HK-DSGVO, Art. 5, Rn. 39; Schantz, in: BeckOK-DatenschutzR, Art. 5 DSGVO, Rn. 32; vgl. ebenso Kühling/Klar/Sackmann, Rn. 359, die in diesem Zusammenhang auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip abstellen, aus dem sie den Grundsatz der Datensparsamkeit ableiten, Rn. 354. 544 Kap. 4 § 1 III. 3. e) aa) (1); vgl. BVerfG, NJW 2005, 1917 (1922 f.). Zu Recht ziehen Basar/Hiéramente, HRRS 2018, 336 (337) deshalb eine Parallele von Löschungspflichten in der StPO und den genannten Vernichtungsgeboten. 545 Dazu EuGH, NJW 2014, 2169 ff.; BVerfGE 125, 260 ff.; Schantz, in: BeckOK-DatenschutzR, Art. 5 DSGVO, Rn. 33; ausführlich EuGH, NJW 2021, 531 ff. 546 S. schon § 111o StPO. Vgl. im Übrigen OLG Koblenz MDR 2006, 470; OLG Stuttgart, NStZ-RR 2002, 111; OLG Düsseldorf, NStZ 1997, 301; NJW 1995, 2239; MDR 1973, 499; OLG Celle, NJW 1973, 863; Ciolek-Krepold, Rn. 376; v. Danwitz, NStZ 1999, 262; Gercke, in: HK-StPO, § 94, Rn. 79; Hartmann, in: HK-GS, § 98 StPO, Rn. 11; Hausschild, in: MüKo-StPO I, § 94, Rn. 50; Hoffmann/Knierim, NStZ 2000, 461 (462); Joecks, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 98, Rn. 20; Johann, in: LR-StPO III/2, § 111n, Rn. 15; Lehmann, in: Hdb. Strafverfahren, 542
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wenn ein Gegenstand, an dem DNA behaftet war, sichergestellt oder beschlagnahmt wurde. Dann wären auch die an ihm befindlichen Zellen mit herauszugeben. Wenn aber Haare am Tatort sichergestellt werden, so wird man erstens bezweifeln dürfen, dass ihr ursprünglicher Träger überhaupt Gewahrsam hatte und zweitens, dass ernsthaft Interesse an der Rückgabe besteht. Wenn nach einer DNA-Analyse festgestellt wird, dass der Spurenleger überhaupt nicht als Täter in Betracht kommt, so wird man schon gar nicht wissen, wem die Haare überhaupt zurückgegeben werden könnten. Es geht dann um die Frage, was zu passieren hat, wenn der Berechtigte die Rücknahme verweigert oder wenn dieser unbekannt ist. § 111n StPO schweigt sich dazu ebenso wie die RiStBV aus. Zu dieser Frage kann aber auf die allgemeine Dogmatik zurückgegriffen werden. Denn vor Einfügung des § 111n in die StPO547 war die Frage nach der Rückgabe beschlagnahmter und sichergestellter Gegenstände in der StPO nicht geregelt, der Grundsatz der Rückgabe an den letzten Gewahrsamsinhaber war nur in Nr. 75 RiStBV zu finden548. Wenn die Rückgabe nicht erfolgen kann oder nicht gewünscht ist, kann – so die Dogmatik zur Beschlagnahme – der Gegenstand unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vernichtet werden549. Dieser wird im hiesigen Fall selten im Wege stehen. Eine Vernichtung ist deshalb regelmäßig angezeigt. Denn ein etwaiges Ermessen wird regelmäßig auf Null reduziert sein, wenn der Berechtigte die Vernichtung wünscht und Gründe für die Ausbewahrung nicht gegeben sind. Denn ansonsten läge ein Eingriff
Kap. III, Rn. 156; Löffelmann, AnwKo-StPO, § 98, Rn. 10; Löffler, NJW 1991, 1705 (1707); Mayer, in: KMR-StPO, § 111n, Rn. 2; Müller, in: KMR-StPO, § 98, Rn. 23; Schäfer, wistra 1984, 136; vgl. auch OLG Hamm, VRS 77, 286 (287); Wohlers/Greco, SK-StPO II, § 94, Rn. 17; dies., in: SK-StPO II, § 98, Rn. 53; zu Ausnahmen vgl. dies., in: SK-StPO II, § 94, Rn. 18. 547 Eingeführt durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. 04. 2017 (BGBl. I, S. 872). 548 Vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 83; OLG Düsseldorf, MDR 1973, 499; Ciolek-Krepold, Rn. 377; Dörn, wistra 1999, 175; Gercke, in: HK-StPO, § 111n, Rn. 1; Hauschild, in: MüKoStPO I, § 94, Rn. 50; Heine, in: SSW-StPO, § 111n, Rn. 1; Löffler, NJW 1991, 1705 (1705 f.); Schäfer, wistra 1984, 136 (136 f.). Partiell fand sich eine Regelung aber in § 111k a. F., die die Voraussetzungen für die Rückgabe an den Verletzten und damit nur einen kleinen Teil der Frage nach der Herausgabe von beschlagnahmten oder sichergestellten Sachen regelte, vgl. Löffler, NJW 1991, 1705. 549 Ciolek-Krepold, Rn. 378 f.; Hausschild, in: MüKo-StPO I, § 94, Rn. 54; Löffler, NJW 1991, 1705 (1709); Wohlers/Greco, in: SK-StPO II, § 98, Rn. 59; i. E. ebenso, aber zu der vom jeweiligen Beweismittel abhängigen Zeitspanne Dörn, wistra 1999, 175 (176 ff.); Schäfer, wistra 1984, 136 (138). Wenn der Berechtigte den Gegenstand aber nicht zurücknehmen möchte, nicht gebrauchen kann und auch nicht aufbewahren muss (was u. U. bei beschlagnahmten Unterlagen in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen aufgrund öffentlich-rechtlich begründeter Aufbewahrungspflichten der Fall sein kann), wie dies hier der Fall ist, spricht indes nichts gegen eine sofortige Vernichtung. Sie wird mit Rücksicht auf den Willen des Betroffenen und auch aus ökonomischen Gründen geboten sein; krit. zur Vernichtung, aber gleichwohl im Einzelfall nicht abgeneigt Cremers, wistra 2000, 130 (133).
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vor, der, wenn kein Zweck (mehr) verfolgt wird, nicht verhältnis- und damit nicht verfassungsmäßig wäre. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Norm des § 111n StPO nur die Fälle der Sicherstellung und Beschlagnahme regelt, nicht aber den Fall des Auffindens. Auch in diesem Fall wird man aber unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens der Norm zu einer Vernichtung kommen. Denn die Abgrenzung von Sicherstellung und Auffinden ist letztlich von der Prognose abhängig, ob das Beweismittel im Verfahren Verwendung finden könnte550. Von dieser unsicheren Prognose kann die Entscheidung über Vernichtung nicht abhängig gemacht werden. Daher ist auch im Falle des Auffindens entsprechend dem Vorgehen bei Beschlagnahme und Sicherstellung zu verfahren. e) Vernichtung unwiederbringlichen Materials im Wege einer Gesamtanalogie der die Rückgabe von Beweismittel und die Löschung von Daten betreffenden Vorschriften Abschließend ist dann die Frage zu klären, was mit den Körperzellen zu passieren hat, die, falls sie vernichtet oder zurückgegeben würden, tatsächlich unwiederbringlich verloren wären. Klar ist, dass diese jedenfalls auch zumindest bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu asservieren sind. Sie früher zu vernichten als wiederbeschaffbare, wäre sinnwidrig. Wie ist aber zu verfahren, wenn das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist? aa) Rechtsgedanke der §§ 81a Abs. 3 Hs. 2, 111n StPO Eine Gesamtbetrachtung der diesen Themenkomplex ansatzweise regelnden Vorschriften zeichnet folgendes Bild: Gemäß § 111n StPO muss die Sache herausgegeben werden, wenn sie nicht mehr benötigt wird. Daher kann der Spurenverlust alleine eine Lagerung ad infintum nicht rechtfertigen. Spuren gehen nämlich auch verloren, wenn etwa ein Gegenstand zurückgeben wird, an dem Fingerabdrücke des Täters befindlich waren. Man denke an das Buch des Opfers, mit dem der Täter dieses geschlagen hat. § 81a Abs. 3 Hs. 2 StPO zeigt, dass es grundsätzlich nicht so sein soll, dass Körperzellen von Bekannten ad infinitum gelagert werden können. bb) Die Rechtsprechung des BVerfG zur Löschung qua Verfassung Das BVerfG hat für die Durchsuchung aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung die Pflicht hergeleitet, nicht
550
S. o. Kap. 4 § 1 II.
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mehr verfahrensrelevante Daten zu löschen551. Auf Daten aus anderen Ermittlungsmaßnahmen lässt sich dies freilich übertragen552. Demzufolge spricht auch die Intention dieser Rechtsprechung dafür, dass die Körperzellen als Datenträger nicht ohne jedwede zeitliche Begrenzung gelagert werden können. cc) Rechtsgedanke der §§ 489 StPO, 58 Abs. 2, 75 Abs. 2 BDSG Gemäß § 58 Abs. 2 BDSG kann die Löschung von Daten verlangt werden, wenn diese nicht mehr benötigt werden. Von Amts wegen muss die Löschung gem. § 75 Abs. 2 BDSG erfolgen553. Dasselbe präzisiert für das Strafverfahren § 489 Abs. 1 Nr. 1 StPO554 : Demnach sind Daten, die in einem Dateisystem gem. § 483 StPO verarbeitet werden, nach Erledigung des Verfahrens zu löschen, wenn ihre Speicherung nicht gem. §§ 484 f. StPO zulässig ist. Da nur Daten aus Dateisystemen erfasst sind, liegt keine Generalklausel vor555. Körperzellen sind freilich kein Dateisystem. Es bleibt daher bei den allgemeinen Regeln des BDSG, die § 489 StPO ergänzen, weil sie nicht auf Dateisysteme beschränkt sind556. Bedeutsam ist aber, dass gem. § 489 Abs. 2 S. 2 StPO spätestens der Abschluss der Strafvollstreckung oder der Erlass als Zeitpunkt der Löschung gelten. Von Wideraufnahme ist nicht die Rede. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass grundsätzlich spätestens zu diesem Zeitpunkt die Körperzellen als Datenträger zu vernichten wären. Dass ein Wideraufnahmeverfahren u. U. stattfinden könnte, steht der Löschung nicht entgegen. Sinngemäß gilt dasselbe für den Fall eines Freispruchs. Tritt diesbezüglich Rechtskraft ein, sind die Daten zu löschen557. Eine Ausnahme ist freilich aber dann zu machen, wenn aufgrund eines Strafverfahrens gegen einen anderen das Beweismittel noch Verwendung findet. In diesem Fall ist der Zweck der Speicherung gerade noch nicht erschöpft.
551
BVerfG, NJW 2005, 1917 (1922); zust. Rau, WM 2006, 1281 (1286). Basar/Hiéramente, HRRS 2018, 336 (339). 553 Johannes/Weinhold, § 1, Rn. 317; Nolte/Werkmeister, in: Gola/Heckmann, BDSG, § 58, Rn. 9; Paal, in: ders./Pauly, DSGVO/BDSG, § 58 BDSG, Rn. 7; zum Verhältnis der §§ 58, 75 BDSG zueinander vgl. Johannes/Weinhold, in: HK-BDSG, § 75, Rn. 12. 554 Zur Verwandtschaft des § 489 StPO mit den §§ 58, 75 BDSG Basar/Hiéramente, HRRS 2018, 336 (339). 555 Vgl. schon Basar/Hiéramente, HRRS 2018, 336 (339) zu § 489 Abs. 2 StPO a. F., der heute von sprachlichen Unterschieden abgesehen Abs. 1 entspricht. 556 Basar/Hiéramente, HRRS 2018, 336 (340). 557 Vgl. Weßlau/Deiters, in: SK-StPO VIII, § 489, Rn. 9, für die Berücksichtigung der konkreten Erwartung eines Wiederaufnahmeverfahrens Singelnstein, in: MüKo-StPO III/1, § 489, Rn. 15. 552
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
Sollte überhaupt kein Strafverfahren zu Stande kommen, so muss dem Rechtsgedanken des § 489 Abs. 2 S. 3 StPO folgend vernichtet werden, wenn Verjährung eingetreten ist. Dies wird aber gerade bei Tötungsdelikten nicht weiter führen, da bei Mordfällen gem. § 78 Abs. 2 StGB keine Verjährung eintritt. Die Abgrenzung von Totschlag und Mord wird häufig anhand der Motive des Täters erfolgen (vgl. § 211 Abs. 2 Gruppe 1 und 3 StGB), sodass es schwer sein wird, Verjährung anzunehmen, ohne weitere Tataufklärung betrieben zu haben. dd) Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass auch dort, wo Spuren verloren gehen, vernichtet werden muss. Wann dies aber sub specie eines möglichen Wiederaufnahmeverfahrens zu geschehen hat, wann die Körperzellen wirklich nicht mehr benötigt werden, lässt sich nicht abstrakt beantworten. Zu unterschiedlich sind die möglichen Konstellationen. Betrifft das Beweismittel, an dem die Körperzellen behaftet sind, nur den Spurenleger, muss nach rechtskräftigem Freispruch vernichtet werden. Ist es verurteilt, so muss grundsätzlich spätestens dann vernichtet werden, wenn die Strafvollstreckung beendet ist. Eine Ausnahme mit Blick auf ein Wiederaufnahmeverfahren kann nur gemacht werden, wenn dessen Durchführung im Einzelfall nicht völlig ausgeschlossen erscheint558. Maßgeblich für die Beurteilung wird die Frage sein, auf was sich die Verurteilung noch stützt. Gegen ein Wiederaufnahmeverfahren sprechen jedenfalls weitere Beweise wie Zeugenaussagen oder Videoaufnahmen oder auch ein glaubhaftes Geständnis. Betrifft das Beweismittel aber noch andere als den einen Spurenleger, so ist dann zu vernichten, wenn die Voraussetzungen auch bei dem anderen eingetreten sind. Auch das Gebot materieller Wahrheit kann keine Lagerung ad infinitum begründen. Der Rechtsfrieden, den das Wiederaufnahmeverfahren bringen soll, würde ansonsten durch die Mittel zu seiner Erreichung gefährdet. 3. Die Begrenzung möglicher Feststellungen – Eine Frage der Zweckbindung? Wie einleitend zu dem Thema der Zweckbindung dargestellt, wird die Frage nach Begrenzung möglicher Feststellungen bei DNA-Analysen sub specie der Zweckbindung diskutiert. Bei Graalmann-Scheerer findet sich etwa der Hinweis, das damals geltende Verbot der Feststellung phänotypischer Merkmale des Spurenlegers
558 Vgl. Schäfer, wistra 1984, 136 (ebd., Fn. 3); ähnlich vgl. Singelnstein, in: MüKo-StPO III/1, § 489, Rn. 15.
§ 3 Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen
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sei eine Frage der Zweckbindung des § 81e StPO559. Ähnlich formuliert Volk, wenn diese ausführt, DNA-Reihenuntersuchungen gem. der damaligen §§ 81e Abs. 1 S. 2, 81c StPO stünde die Zweckbindung des S. 1 entgegen, nach der nur die Abstammung des Spurenlegers feststellbar und ein Vergleich der DNA-Identifikationsmuster zum Beantwortung der Frage, ob Material vom Beschuldigten oder Verletzten stamme, möglich sei560. Zu Beginn der Ausführungen zu den Feststellungs- und Untersuchungsverboten ist darauf hingewiesen worden, dass die Literatur einen Verstoß gegen diese Verbote als Beweiserhebungsverbot klassifiziert561. Doch handelt es dabei um eine Frage der Zweckbindung? Rogall widerspricht dem. Die §§ 81e bis 81h StPO enthielten mit Ausnahme der Regelungen zum Austausch von Daten im EU-Raum und § 81a Abs. 3 Hs. 1 StPO gar keine Zweckbindung562. Es gehe dabei einzig um die Begrenzung des strafprozessualen Erkenntnisinteresses563. Richtig an diesen Ausführungen ist, dass durch die Begrenzung möglicher Feststellungen auf das explizit Erlaubte die staatliche Erkenntnisfähigkeit begrenzt wird. Doch es ist fraglich, ob dies nicht gerade durch ein Zweckbindungsgebot geschehen kann. Es stellt sich mithin folgende dogmatische Frage: Ist es eine Frage der Zweckbindung, wenn nicht nur der Umgang mit erhobenen Daten, sondern bereits der Umfang der zu erhebenden Daten beschränkt wird. Kann also eine Zweckbindung erst eingreifen, wenn Daten bereits vorliegen? Hinsichtlich der Zweckbindung im Anwendungsbereich der DSGVO wird vertreten, aus Art. 5 Abs. 1 lit. b i. V. m. Erw.-Gr. 39 ergebe sich, dass der Zweck der Daten – also gewissermaßen ihr Einsatzbereich – bereits bei der Erhebung feststehen müsse564. Das gleiche gilt im Bereich des Strafverfahrensrecht, denn § 47 Nr. 2 BDSG entspricht im Wesentlichen Art. 5 Abs. 1 lit. DSGVO, und gem. Erw.-Gr. 26 der JI-RL ist dieser Zweck durch Rechtsvorschrift zu bestimmen. Aus der Tatsache, dass vor der Erhebung von Daten bereits ihr Einsatzbereich festgelegt sein muss, darf aber nicht geschlussfolgert werden, dass die Frage, welche Daten erhoben werden, eine Frage der Zweckbindung sei. Es geht bei der Zweckbindung zwar nicht nur um den Umgang mit bereits erhobenen Daten, sondern auch um den Umgang mit bestimmten, noch zu erhebenden Daten. Die Begrenzung auf spezielle Daten hat aber nichts mit dem Verarbeitungszweck zu tun. Vielmehr muss zunächst feststehen, welche Daten erhoben werden sollen, ehe ihr Zweck bestimmt werden kann. Das heißt nicht, dass der Erhebungsvorgang nicht auch datenschutzrechtliche Belange 559 Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (74); zust. Pommer, JA 2007, 621 (623); ebenso Walther, in: AnwKo-StPO, § 81e, Rn. 7. 560 Volk, NStZ 2002, 561 (563); ebenso Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 371. 561 Vgl. oben Kap. 4 § 2 I. 1. 562 Rogall, JZ 2013, 874 (877); ähnlich Hohoff/Brinkmann, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 29 (36). 563 Rogall, a. a. O. 564 Kühling/Klar/Sackmann, Rn. 349.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
berührt. Seine Begrenzung ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Grundsatzes der Datensparsamkeit. Es ist daher richtig, einen Verstoß gegen das Feststellungsverbot des § 81e StPO als Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot zu begreifen. Letzteres kann grundsätzlich auch auf einem Verstoß gegen den datenschutzrechtlichen Grundsatz der Zweckbindung gründen. Im Bereich des § 81e StPO gründet es aber auf einem Verstoß gegen den datenschutzrechtlichen Grundsatz der Datensparsamkeit und damit auf dem Verstoß gegen das Übermaßverbot. Es ist daher Rogall zuzustimmen: Das staatliche Erkenntnisinteresse wird begrenzt durch eine Beschränkung des Kreises möglicher Feststellungen, aber nicht mit dem Mittel der Zweckbeschränkung. 4. Verwendung nur in bereits anhängigen Verfahren Gemäß § 81a Abs. 3 Hs. 1 StPO dürfen die gem. § 81a Abs. 1 StPO entnommenen Körperzellen nur zu Zwecken des Strafverfahrens, für das sie entnommen wurden, sowie für andere, bereits anhängige Strafverfahren verwendet werden. Eine Lagerung für zukünftige Strafverfahren ist damit ausgeschlossen. Der Einsatz der gewonnen Erkenntnisse zu diesen Zwecken richtet sich nach § 81g Abs. 5 S. 2 StPO565. Diese Begrenzung der Verwendung gilt gem. § 81c Abs. 5 S. 2 StPO auch für das Material von Dritten und damit für das gesamte Untersuchungsmaterial des § 81e Abs. 1 StPO. Sie gilt gem. § 81e Abs. 2 S. 3 StPO auch für das Material des § 81e Abs. 2 S. 1 StPO.
III. Zweckbindungsgebote für den Umgang mit den Feststellungen 1. Verwendung nur im laufenden und speziellen anhängigen Verfahren a) Keine Verwendungsbeschränkung expressis verbis – Einsatz im Anlassverfahren Eine Begrenzung der Verwendung der Feststellungen liefert § 81e StPO expressis verbis nicht. Es ist aber bereits dargelegt worden, dass eine Norm, die zur Datenerhebung ermächtigt, a priori den Verwendungszweck regeln muss566. Daher genügt der Hinweis, das Ergebnis der DNA-Analyse unterliege keiner Verwendungsregel und werde Aktenbestandteil den Anforderungen der JI-RL, aber auch des Grundgesetzes nicht567. Es könnte so unbegrenzt wieder Verwendung finden. 565
Kap. 6 § 7. Kap. 4 § 3 I. 567 Vgl. so aber noch BT-Drucks. 13/667, S. 6; Bula, Der Kriminalist 1997, 347; Eisenberg, Rn. 1686; Kaefer, Kriminalistik 2000, 210 (212); Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 34; Senge, 566
§ 3 Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen
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In diesem Zusammenhang ist auf den letzten Passus des § 81e Abs. 1 S. 1 StPO hinzuweisen, der wiederum gem. § 81e Abs. 2 S. 1 StPO auch für dortige Belange gilt. Demnach stehen die Feststellungen unter Vorbehalt, dass sie „zur Erforschung des Sachverhalts erforderlich“ sein müssen. Teilweise wird daraus geschlussfolgert, auch die Feststellungen dürften nur für das laufende Strafverfahren oder ein bereits anhängiges erhoben werden568. Der Passus gibt dieses Ergebnis aber nicht her. Vielmehr würde die Verwendung des Singulars („des Sachverhalts“) implizieren, dass die Feststellungen nur in einem Verfahren verwendet werden dürften. Der Passus ist der Sache nach unnötig, da ein Grundrechtseingriff aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips ohnehin nur erfolgen darf, wenn er erforderlich ist569. Hätte die DNA-Analyse im laufenden Verfahren keine Beweisrelevanz, wäre sie ungeeignet zur Aufklärung des Sachverhaltes und nicht verhältnismäßig. Daher ist eine Beweisrelevanz für die Aufklärung des Sachverhaltes – des Ausgangsverfahrens – Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer jeden Beweiserhebung. Mit der (weiteren) Zweckbindung hat dies nichts zu tun. b) Keine Verwendung in zukünftigen Strafverfahren vor dem Hintergrund des § 81g StPO Unzulässig ist unzweifelhaft eine Verwendung in noch nicht anhängigen Strafverfahren. Das ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang der 81e und 81g StPO. Denn mit § 81g StPO gibt es eine Norm, die den Einsatz von DNA-Analytik zum Zwecke künftiger Strafverfahren explizit regelt und in Abs. 1 nur unter eingeschränkten Voraussetzung zulässt. Ließe man die Verwendung von gem. § 81e StPO gewonnenen Feststellungen in künftigen Verfahren uneingeschränkt zu, bedürfte es des § 81g Abs. 5 S. 2 StPO nicht. c) Verwendung in bereits anhängigen, anderen Verfahren – Ein Täterscreening? Vor dem Hintergrund des § 81a Abs. 3 Hs. 1 StPO ließe sich vertreten, dass die Feststellungen auch in anderen, bereits anhängigen Strafverfahren Verwendung finden könnten. Auf den ersten Blick leuchtet nämlich nicht ein, warum die Körperzellen zu solchen Zwecken verwendet werden dürfen, die Erkenntnisse aus ihrer Analyse aber nicht. Es wäre es sodann möglich, die Zellen einfach ein zweites Mal zu analysieren. Schließlich setzt § 81e StPO nur Tatverdacht voraus, der gegeben ist, wenn ein anderes Verfahren anhängig ist. NJW 1997, 2409 (2410); vgl. auch Graalmann-Scheerer, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 39 (57); dies., ZRP 2002, 72 (76). 568 Vgl. Goers, in: BeckOK-StPO, § 81e, Rn. 5; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81e, Rn. 5; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 21. 569 Vgl. Bosch, in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 13.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
Krause stimmt dem aber nur mit Einschränkungen zu. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Regelung des § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO. Daraus ergebe sich, dass die Verwendung des DNA-Identifikationsmusters eines Beschuldigten in anderen als im Anlassverfahren nicht uneingeschränkt zulässig sein sollte, weil § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO auf die Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO Bezug nehme. Würde die Verwendung in bereits anhängigen Verfahren nach Maßgabe des § 81e StPO zugelassen, würde der Rechtsgedanke des § 81g StPO unterlaufen570. Die Argumentation Krauses muss an der Richtigkeit der zugrunde liegenden These gemessen werden, dass mit § 81g StPO eine spezielle Regelung für die Verwendung der Ergebnisse der DNA-Analyse auch in bereits anhängigen Strafverfahren getroffen wurde. Denn nur, wenn dies der Fall ist, kann von einer Sperrwirkung in dem beschriebenen Sinn ausgegangen werden. Gemäß § 81g Abs. 1 StPO dürfen die Körperzellen des Betroffenen entnommen und analysiert werden zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren. Krauses Argumentation hat dann Durchschlagskraft, wenn ein bereits anhängiges Strafverfahren ein künftiges i. S. d. § 81g StPO sein kann. Ob ein Verfahren wegen einer Straftat, die vor der Anordnung einer Maßnahme nach § 81g StPO begangen wurde, Prognosegegenstand des § 81g StPO sein kann, ist umstritten571. Ein bereits anhängiges Strafverfahren kann aber nicht künftig sein. Dies würde den Wortlaut des § 81g Abs. 1 StPO überstrapazieren. § 81g StPO regelt die Verwendung für bereits anhängige Strafverfahren gar nicht, sodass ein Unterlaufen der Voraussetzungen, vor dem Krause warnt, gar nicht droht. Daher bleibt es dabei, dass ein Gleichlauf von Zellverwendung und Erkenntnisverwendung sinnvoll erscheint und daher eine Verwendung in anhängigen Verfahren auch zulässig ist. Ein „Täterscreening“, vor dem Krause warnt572, droht in diesem Fall nicht, denn dies würde eine Speicherung des DNA-Identifikationsmusters zumindest für kurze Zeit voraussetzen. Dies ist aber nur nach Maßgabe des § 81g StPO zulässig. d) Zusammenfassung Summa summarum lässt sich festhalten, dass auch die Erkenntnisse der DNAAnalyse sowohl im laufenden als auch in anderen, bereits anhängigen Verfahren Verwendung finden können. Unrichtig ist dagegen die Auffassung des Gesetzgebers, wonach die Feststellung etwa in einem Zivilprozess Verwendung finden könnten573. Hierin läge eine solche erhebliche Abweichung vom Erhebungszweck, die besonderer Rechtfertigung bedürfte.
570
Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 35. Dazu ausführlich unten Kap. 6 § 5 III. 1. a). 572 Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 35. 573 BT-Drucks. 13/667, S. 7; ebenso Rogall, in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 12; Senge, NJW 1997, 2409 (2411, Fn. 31). 571
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2. Das Vorhandensein von Vergleichsmaterial als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der DNA-Analyse Aufgrund des Zieles der DNA-Analyse, mittels eines Abgleichs zweier DNAIdentifikationsmuster eine Übereinstimmung nachzuweisen oder auszuschließen, wird in der Literatur die Meinung vertreten, eine DNA-Analyse sei nur zulässig, wenn bereits Vergleichsmaterial zur Verfügung stünde574. a) Material i. S. v. § 81e Abs. 2 StPO als Durchführungsvoraussetzung für eine DNA-Analyse gem. § 81e Abs. 1 StPO? So wird aus dem dargestellten Ziel die Schlussfolgerung gezogen, nach §§ 81a, 81c StPO gewonnenes Material dürfe erst dann gem. § 81e Abs. 1 StPO untersucht werden, wenn Vergleichsmaterial vorhanden sei575. Teilweise wird zur Begründung auf den Wortlaut des § 81e Abs. 1 S. 1 StPO in der Fassung bis 2017 abgestellt, in dem es hieß, molekulargenetische Untersuchungen dürften an dem nach §§ 81a, 81c StPO entnommenen Material durchgeführt werden, „soweit sie zur Feststellung (…) der Tatsache, ob aufgefundenes Spurenmaterial von dem Beschuldigten oder von dem Verletzten stamm[e], erforderlich [seien]“. Aus den Worten „ob aufgefundenes Spurenmaterial“ habe sich gezeigt, dass solches bereits vorhanden sein müsse. Ansonsten könne die Untersuchung die Feststellung, zu deren Erreichung sie erforderlich sein muss, gar nicht treffen576. Ferner spreche der Gesetzeszweck des § 81e Abs. 1 S. 1 StPO für ein solches Verständnis. Der mit der DNA-Analyse einhergehende Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung müsse aus Verhältnismäßigkeitsgründen auf die Fälle beschränkt sein, in denen er wirklich erforderlich sei577. In systematischer Hinsicht sei ferner zu beachten, dass für die Fälle, in denen ein Vergleich gar nicht erzielt werden könne, mit § 81g StPO eine spezielle Ermächtigung bestehe, die nicht unterlaufen werden dürfe578.
574 LG Ravensburg, NStZ-RR 2010, 18; LG Offenburg, StV 2003, 153 (154); LG Saarbrücken, StV 2001, 265 (266); Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81e, Rn. 5; Bosch, in: KMR-StPO, § 81e, Rn. 10; ders., in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 10; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81e, Rn. 8 f.; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81e, Rn. 6; Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 26; Rogall, in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 11; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81e, Rn. 4; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 22. 575 LG Offenburg, StV 2003, 153 (154); LG Saarbrücken, StV 2001, 265 (266); Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81e, Rn. 5; Bosch, in: KMR-StPO, § 81e, Rn. 10; ders., in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 10; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81e, Rn. 8; Hadamitzky, in: KKStPO, § 81e, Rn. 6; Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 26; Rogall, in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 11; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81e, Rn. 4; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 22. 576 LG Offenburg, StV 2003, 153 (154). 577 LG Offenburg, StV 2003, 153 (154). 578 LG Offenburg, StV 2003, 153 (154).
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
Gleichwohl wird aber teilweise auch vertreten, es könne das Material bereits entnommen werden, wenn noch kein Vergleichsmaterial zur Verfügung stehe579. Erst recht müsse dieses noch nicht ausgewertet sein, weil keine Reihenfolge der einzelnen Maßnahmen vorgegeben sei580. Eine sachlich begründete Erwartung müsse aber vor der Zellentnahme bestehen, dass geeignetes Vergleichsmaterial gefunden werden könnte581. Falls dies bereits ausgeschlossen sei, sei bereits die Entnahme der Körperzellen unzulässig582. b) Material i. S. v. § 81e Abs. 1 StPO als Durchführungsvoraussetzung für eine DNA-Analyse gem. § 81e Abs. 2 StPO? Darüber hinaus wird ebenso vertreten, dass auch das Material des § 81e Abs. 2 StPO nur dann analysiert werden dürfe, wenn Material nach §§ 81a, 81c StPO gewonnen worden sei583. Dies wird damit begründet, dass § 81e Abs. 2 S. 1 StPO auf die Voraussetzungen des Abs. 1 verweise584. Andererseits wird gegen diese These aber vorgebracht, es könne Fälle geben, in denen eine Analyse nach § 81e Abs. 2 StPO notwendig sei, obschon noch kein Vergleichsmaterial vorhanden sei, etwa, weil das Material zu verderben drohte585. c) Stellungnahme Spätestens mit der Änderung des § 81e StPO im Jahre 2017 hat das einzige Argument, das an das Gesetz als solches anknüpfen konnte, seine Durchschlagskraft verloren. Denn nach dem aktuellen Gesetzeswortlaut dürfen Feststellungen mit Vergleichsmaterial abgeglichen werden, sie müssen es aber nicht. Die Novelle des § 81e Abs. 1 S. 1 StPO wurde gerade damit begründet, dass klargestellt werden sollte, dass es bei der DNA-Analyse um die Feststellung der zugelassenen Erkenntnisse gehe586. Tatsächlich war aber auch nach alter Rechtslage das Argument 579
Vgl. LG Ravensburg, NStZ-RR 2010, 18; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81e, Rn. 9, der insofern aber die Entnahme von Körperzellen und ihre Untersuchung zu vermischen scheint, wenn er von der „Anordnung der DNA-Analyse in Form einer Speichel- oder Blutprobe“ spricht; ebenso OLG Hamm, Beschl. v. 19. 07. 2016, III-5 Ws 249/16, Rn. 20; a. A. LG Offenburg, StV 2003, 153 (154); Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 26. 580 OLG Hamm, Beschl. v. 19. 07. 2016, III-5 Ws 249/16, Rn. 20; LG Ravensburg, NStZRR 2010, 18; LG Saarbrücken, StV 2001, 265 (266); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81e, Rn. 9; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81e, Rn. 4; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 22. 581 OLG Hamm, Beschl. v. 19. 07. 2016, III-5 Ws 249/16, Rn. 20; LG Ravensburg, NStZRR 2010, 18; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81e, Rn. 9; Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (701); ders., in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 11; a. A. Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81e, Rn. 6. 582 LG Ravensburg, NStZ-RR 2010, 18; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81e, Rn. 9. 583 Beck, S. 111; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1673. 584 Beck, S. 111. 585 Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 37; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 22. 586 BT-Drucks. 18/11277, S. 22.
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nicht zwingend: Denn nur, weil eine Erforderlichkeit für eine Vergleichsuntersuchung mit aufgefundenem Spurenmaterial bestehen musste, hieß dies nicht, dass jenes auch unbedingt bei der Analyse schon vorhanden sein musste. Richtig ist der Hinweis, dass die DNA-Analyse auf Fälle des Erforderlichen beschränkt sein muss. Dies ist aber vor dem Hintergrund des Grundrechtseingriffs und des Verhältnismäßigkeitsprinzips eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit und Selbstverständlichkeit, die es nicht gebietet, eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung zu erfinden. Auch das Argument, mit § 81g StPO bestehe eine Spezialregelung für Fälle, in denen kein Vergleich stattfindet, war kein starkes, denn freilich hatte und hat die Speicherung des DNA-Identifikationsmusters i. R. d. § 81g StPO den Zweck, in künftigen Strafverfahren mittels Vergleich der Muster eine Übereinstimmung zu beweisen. Dass bei für einer Untersuchung nach § 81e Abs. 2 StPO nicht das Vorhandensein von Vergleichsmaterial Voraussetzung sein kann, zeigt sich an S. 3 der Norm. Denn durch die Feststellung äußerlich erkennbarer Merkmale soll der Kreis möglicher Beschuldigter ja gerade eingeengt werden. Wäre Voraussetzung, dass ein Beschuldigter schon gegeben ist, hätte der Satz faktisch keinen Anwendungsbereich587. Dass Fälle denkbar sind, in denen analysiert werden muss um einer zu starken Degradierung des Materials zuvorzukommen, spricht ferner gegen ein solches Verständnis588. Was die Analyse nach § 81e Abs. 1 StPO angeht, so muss der Kreis möglicher Feststellungen nochmals in Erinnerung gerufen werden. Diese sind DNA-Identifikationsmuster, Abstammung und Geschlecht. Nur für letzteres ist das Vorhandensein von Vergleichsmaterial nicht notwendig; seine gezielte Feststellung erübrigt sich in den Fällen des § 81e Abs. 1 StPO aber, da der Spurenleger bekannt ist. Die anderen Feststellungen führen im Strafverfahren aber nur weiter, wenn Material vorhanden ist, mit dem das gem. §§ 81a, 81c StPO gewonnene Material auf Übereinstimmung verglichen werden kann. Ansonsten ist die Feststellung sinnlos. Ist kein Spurenmaterial vorhanden, kann gleichzeitig nicht ausgeschlossen werden, dass solches noch gefunden wird, so ist eine sofortige Entnahme in der Regel nicht notwendig, weil die Körperzellen sodann gewonnen werden können. Der Betroffene ist in den Fällen des § 81e Abs. 1 StPO schließlich bekannt. Gleichwohl sind Fälle denkbar, in denen eine sofortige Körperzellentnahme erforderlich ist. Dies gilt beim Dritten etwa dann, wenn dieser im Ausland wohnt und deshalb zukünftig nur schwer für eine Zellentnahme zur Verfügung stehen wird. Beim Beschuldigten wird eine sofortige Entnahme der Körperzellen für erforderlich halten dürfen, wenn etwa Fluchtgefahr i. S. d. § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO besteht, eine Untersuchungshaft aber nicht angeordnet werden kann, etwa weil die Verdachtsschwelle des § 112 Abs. 1 S. 1 StPO nicht erreicht ist. Ist kein Spurenmaterial vorhanden und kann sicher ausgeschlossen werden, dass solches gefunden wird – etwa bei Straftaten, die typischerweise keine 587
Vgl. schon Beck, S. 111; ebenso Kaefer, Kriminalistik 2000, 210 (212). Dazu schon Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 37; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 22. 588
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Spuren hinterlassen, etwa solche nach §§ 153 ff., 185 ff. StGB –, so wäre eine DNAAnalyse nicht förderlich für die Ausklärung der Straftat, damit nicht geeignet i. S. d. Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und damit verfassungswidrig. Ist diesen Fällen wäre das Vorhandensein von Vergleichsmaterial tatsächlich Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. Es lässt sich zusammenfassend festhalten, dass i. R. d. § 81e Abs. 2 StPO nie Vergleichsmaterial vorhanden sein muss. Im Falle des § 81e Abs. 1 StPO gilt dies in der Regel, aber nicht zwingend. Es ist daher zu begrüßen, dass das starre Erfordernis von Vergleichsmaterial nicht (mehr) gesetzlich verankert ist. Denn die Notwendigkeit einer DNA-Analyse auch ohne solches ist eine Frage des Einzelfalls. Die Belange des Betroffenen werden durch das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im einzelnen Fall, das ohnehin zu prüfen ist, in ausreichender Form berücksichtigt.
§ 4 Formelle Voraussetzungen I. Anordnungskompetenz und Einwilligung gem. § 81f Abs. 1 StPO 1. Richtervorbehalt und anordnungsverdrängende Einwilligung bei Maßnahmen gegen bekannte Spurenleger a) Richtervorbehalt und Einwilligung Betrachtet man § 81f Abs. 1 S. 1 StPO insoliert, so differenziert die Norm nicht danach, ob der Spurenleger bekannt oder unbekannt ist, sondern nach den Maßnahmen, die in Abs. 1 und Abs. 2 des § 81e StPO geregelt sind. Ausweislich des § 81f Abs. 1 S. 1 StPO bedarf eine DNA-Analyse solchen Materials, das nach §§ 81a, 81c StPO gewonnen wurde, der richterlichen Anordnung, oder – bei Gefahr in Verzug – immerhin einer solche der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungsbeamten589. Auf diese kann indes verzichtet werden, wenn der Betroffene einwilligt. Die Anordnung hat gem. § 81f Abs. 2 S. 1 StPO schriftlich zu erfolgen, was für die Einwilligung ebenso gilt. Damit gelten für diese Einwilligung strengere Formvorschriften als durch die allgemeine Einwilligungsdogmatik vorgegeben590. Nach § 81f Abs. 1 S. 2 StPO muss der Einwilligende ferner darüber belehrt werden, zu welchem Zweck die Feststellungen erfolgen. Dieser Zweck ist einmal freilich die Durchführung der molekulargenetischen Untersuchung im anhängigen Strafverfahren591. Darüber hinaus muss eine Belehrung verlangt werden, dass die Erkenntnisse in 589 Zu entsprechenden Vorschlägen auf Streichung des Richtervorbehalts innerhalb des § 81f Abs. 1 StPO vgl. BT-Drucks. 15/4926; BR-Drucks. 231/17. 590 Vgl. dazu Kap. 3 § 5 V. 3. 591 Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81f, Rn. 3.
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anderen anhängigen Verfahren ebenso verwendet werden können592. Denn wenn die Einwilligung die richterliche Anordnung ersetzen soll, muss sie sich auch auf das beziehen, wozu die Anordnung selbst ermächtigen würde. Umgekehrt läge die Situation so, dass der Belehrte wohl davon ausgehen würde – und dies berechtigterweise auch dürfte –, dass seine Daten nur im Anlassverfahren Verwendung finden, wenn er nur darüber belehrt würde. b) Belehrung auch über eine mögliche Nutzung im Rahmen des § 81g StPO? aa) Vorgefundene Ansätze (1) Qualifizierte Belehrung erforderlich Weitergehend wird von Teilen der Literatur und dem LG Düsseldorf verlangt, dass die Belehrung sich auch auf die Möglichkeit einer Speicherung der Daten im Wege des § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO beziehen müsse593. Zur Begründung wird einerseits angeführt, der Betroffene müsse sich der Reichweite des Grundrechtseingriffes bewusst sein, wenn er wirksam einwilligen solle594. Dies sei nur gegeben, wenn er über die weitergehende Nutzung informiert werde595. Erfolge dies nicht, so sei die Einwilligung nicht freiwillig596. Ferner sei zu beachten, dass gem. Nr. 2. 2 (4) der Einrichtungsanordnung zur DNA-Analyse-Datei nur DNA-Identifikationsmuster gespeichert werden könnten, wenn die Einwilligung auch die Speicherung erfassen würde, sollte ihre Gewinnung einer Einwilligung gründen597. Vereinzelt wird auf einen so gearteten gesetzgeberischen Willen verwiesen598. In systematischer Hinsicht wird vorgetragen, dass i. R. d. § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 4 StPO darauf hinzuweisen sei, dass die bei einer Reihenuntersuchung gewonnenen Daten nicht gespeichert würden. Im Umkehrschluss müsse dann, wenn dies geschehen könnte, belehrt werden, denn 592
Oben Kap. 4 § 3 III. 1. LG Düsseldorf, NJW 2003, 1883 (1884); Beck, S. 127; Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (167); Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81f, Rn. 1; Bosch, Jura 2021, 41 (44), der allerdings auf BGH, NStZ 2016, 111 (112) verweist, obschon es im Fall des BGH um die Verwertung einer entsprechenden Probe im Verfahren nach § 81g StPO geht; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1679; Eisenberg, Rn. 1687; Finger, Kriminalistik 2006, 696 (698); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81f, Rn. 5; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81f, Rn. 3; Hasselbach, S. 77; Hero, S. 155; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 16; Lee, S. 90; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 376; Neuhaus, in: HK-GS, § 81f StPO, Rn. 3; Senge, NJW 2005, 3028 (3029). 594 Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1679; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81f, Rn. 3; Hero, S. 155; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 16; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 376; Senge, NJW 2005, 3028 (3029); ähnlich Beck, S. 127; Hasselbach, S. 77. 595 Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1679; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81f, Rn. 3; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 16; so wohl auch Neuhaus, in: HK-GS, § 81f StPO, Rn. 3. 596 Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (167). 597 Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81f, Rn. 3. 598 Vgl. Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1679. 593
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
der Grundsatz des fairen Verfahrens verbiete es, mit der Belehrung i. R. v. § 81h StPO zur Einwilligung zu bewegen und gleichzeitig dasselbe zu versuchen, indem auf eine Belehrung i. R. d. § 81f StPO verzichtet werde599. (2) Keine weitergehende Belehrung Von Teilen der Literatur gibt es indes auch Widerspruch gegen ein Erfordernis einer solchen Belehrung600. Der Wortlaut des § 81f Abs. 1 StPO erfordere eine qualifizierte Belehrung nicht601. Dies sei auch nicht erforderlich, da die datenschutzrechtlichen Belange des Betroffenen ohnehin durch § 81g Abs. 5 S. 4 StPO geschützt würden602. Es sei außerdem zu beachten, dass die datenschutzrechtlichen Vorschriften der StPO denen des BDSG vorgingen603. Auch von Vertretern dieser Ansicht wird auf einen angeblichen gesetzgeberischen Willen verwiesen604. bb) Stellungnahme Soweit Burhoff, der eine qualifizierte Belehrung für erforderlich hält, auf einen gesetzgeberischen Willen verweist, ist darauf hinzuweisen, dass ein solcher aus den Gesetzgebungsmaterialien nicht hervorgeht605. Soweit Trück zur Begründung der These, dass keine qualifizierte Belehrung zu erfolgen habe, auf die Gesetzgebungsmaterialien verweist, gilt indes dasselbe. An der zitierten Stelle findet sich vielmehr der bloße Hinweis des Gesetzgebers, dass die allgemeinen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Einwilligung weiter und zusätzlich gelten606. Es ist daher zu klären, ob die allgemeinen Anforderungen an die Wirksamkeit der Einwilligung eine qualifizierte Belehrung dergestalt gebieten, dass über die Nutzungsmöglichkeit gem. § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO belehrt werden muss. 599 Hasselbach, S. 77; Senge, NJW 2005, 3028 (3030) jeweils noch zu § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StPO, der die Belehrung über die unterbleibende Speicherung in der damaligen Fassung regelte. 600 Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 15; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 2; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 12; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81f, Rn. 6. 601 Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 15; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 2; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 12; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81f, Rn. 6; so auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 3; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 2. 602 Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 15. 603 Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 15. 604 Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 12. 605 In der von Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1679 als Quelle angegebenen BTDrucks. 15/5674, S. 14 geht es um Anforderungen an die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO, nicht um § 81f StPO. 606 Vgl. BT-Drucks. 15/5674, S. 11; ebenso Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81f, Rn. 1, Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 15; ähnlich Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 2; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81f, Rn. 6; implizit auch LG Düsseldorf, NJW 2003, 1883 (1884); Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (167); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 376.
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An eine konkrete Rechtmäßigkeitsvoraussetzung knüpfen nur Bergemann/Hornung an, wenn diese ausführen, ansonsten sei die Einwilligung nicht freiwillig607. Fehlende Freiwilligkeit würde gem. § 51 Abs. 4 BDSG zur Unwirksamkeit der Einwilligung führen. Richtig an diesen Ausführungen ist, dass eine fehlende Belehrung über den Verarbeitungszweck i. R. d. § 81f Abs. 1 S. 2 StPO nach § 51 Abs. 4 S. 3 zur Unfreiwilligkeit führt. Eine unterbliebene Belehrung über die Möglichkeit des § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO würde aber nur dann dies bewirken, wenn die Durchführung dieser Maßnahme von der Einwilligung des § 81f Abs. 1 StPO überhaupt gedeckt ist. Fraglich ist also, ob eine Maßnahme nach § 81g StPO Verwendungszweck i. S. d. § 81f Abs. 1 StPO ist. Die Einwilligung des § 81f Abs. 1 StPO ermächtigt zur Durchführung der DNA-Analyse gem. § 81e Abs. 1 StPO. Die daraus gewonnenen Daten können gem. § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO dann gespeichert werden, wenn die Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO vorliegen. Nicht vorliegen müssen die formalen Voraussetzungen des § 81g Abs. 3 StPO. Der eigentliche Speichervorgang braucht daher keine richterliche Anordnung und keine Einwilligung. Es wäre also tatsächlich möglich, die gewonnenen Erkenntnisse ohne weitere Anhörung des Betroffenen zu speichern. Dass der Betroffene gem. § 81g Abs. 5 S. 4 StPO benachrichtigt wird, ändert an der fehlenden Freiwilligkeit nichts, da eine nachträgliche Information die Unfreiwilligkeit im Zeitpunkt der Entscheidung nicht zu ändern vermag. Wenn die Einwilligung sich nur auf anhängige Strafverfahren bezieht, deckt sie nicht die Maßnahme nach § 81g StPO. Diese stellt dann einen neuen Grundrechtseingriff dar, in den der Betroffene mangels Information nicht einwilligen konnte608. Wenn aber eine Maßnahme nach § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO gar nicht in Betracht kommt, etwa, weil die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vorliegen, so ist die Maßnahme auch kein Verwendungszweck, sodass darüber auch nicht belehrt werden müsste. Deshalb kann auch nicht e contrario § 81h StPO auf eine Belehrungspflicht geschlossen werden, weil eine unterbliebene Belehrung nicht geeignet ist, den Betroffenen zur Teilnahme zu bewegen, wenn das, über das belehrt werden soll, gar nicht eintreten kann. Pauschal kann die qualifizierte Belehrung deshalb nicht gefordert werden. Falls aber eine Maßnahme tatsächlich in Betracht kommt, so sind zwei Folgen mangelnder Belehrung denkbar. Die erste wäre, dass die Einwilligung insgesamt unwirksam ist und deshalb bereits die Maßnahme nach § 81e StPO nicht von ihr gedeckt ist. Die zweite wäre, dass nur die Maßnahme nach § 81g StPO nicht von ihr gedeckt ist, die Maßnahme nach § 81e StPO dagegen schon. Für letztere spricht, dass es sich bei den Maßnahmen grundsätzlich um zwei voneinander zu trennende Akte handelt. Hinsichtlich der Maßnahme nach § 81e Abs. 1 StPO ließe sich vertreten, dass der Einwilligende sich im Klaren über ihre Durchführung war. Gleichwohl können die Akte nicht völlig unabhängig voneinander betrachtet wer607
Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (167). Vgl. Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1679; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81f, Rn. 3; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 16; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 376; Senge, NJW 2005, 3028 (3029). 608
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
den, da aus der Maßnahme nach § 81e Abs. 1 StPO eine solche nach § 81g StPO folgen kann ohne weiteren Zwischenakt. Der Betroffene würde damit bereits über die Reichweite des durch § 81e Abs. 1 StPO ausgelösten Grundrechtseingriff im Unklaren sein. Im Ergebnis gilt es deshalb festzuhalten, dass eine Belehrung über die Möglichkeit einer Nutzung der Feststellungen nach § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO zwar nicht immer geboten ist. Auf sie kann aber nur dann verzichtet werden, wenn eine Durchführung sicher ausgeschlossen werden kann. Da dies im Zeitpunkt der Maßnahme nach § 81e Abs. 1 StPO selten der Fall sein wird, ist eine Belehrung über die Möglichkeit einer weitergehenden Nutzung zu empfehlen. 2. Verzicht auf den Richtervorbehalt bei Maßnahmen gegen unbekannte Spurenleger Ist der Spurenleger unbekannt, so bedarf es e contrario §§ 81f Abs. 1, 81e Abs. 2 S. 4 StPO keiner richterlichen Anordnung. Eine Analyse solchen Materials kann daher von Staatsanwaltschaft und Polizei609 angeordnet werden610. In der ursprünglichen Fassung des § 81f Abs. 1 StPO galt der Richtervorbehalt absolut für alle DNA-Analysen. Darauf sollte jedoch verzichtet werden, dann wie hätte der Richter eine Anordnung ablehnen sollen, wenn noch nicht einmal ein Beschuldigter feststand, dessen Rechte gesichert werden könnten, das Material wohl Beweisrelevanz besaß und aufgrund des Legalitätsprinzips die Strafverfolgungsbehörden aufklären mussten611? Dem könnte aber nur gefolgt werden, wenn man den Schwerpunkt des grundrechtsberührenden Handelns des Staates in der Zellgewinnung sähe. In609 Die Anordnung durch Polizei direkt hat indes vergabe- und kostenrechtliche Auswirkungen, dazu ausführlicher Schiemann, Die Polizei 2019, 65 (67 ff.). 610 BT-Drucks. 15/4136, S. 4; 15/5674, S. 10; LG Potsdam, NJW 2006, 1224; Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 1; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 1; Brauer, in: HK-StPO, § 81f, Rn. 2; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81f, Rn. 1; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81f, Rn. 3; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 8; Lippert, Kriminalistik 2001, 355 (356); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 375; Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 9; Schmitt, in: MeyerGoßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 1b; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81f, Rn. 3. 611 Vgl. BT-Drucks. 15/4136, S. 4; 15/5674, S. 10; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 22; Hero, S. 164 f.; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (71); Kintzi, DRiZ 2004, 83 (88); Lütkes/Bäumler, ZRP 2004, 87 (89); Mittag, S. 74 f.; Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (695 f.); ders., in: SK-StPO I, § 81f StPO, Rn. 5; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 1b; Senge, NJW 2005, 3028 (3029); Sprenger/Fischer, NJW 1999, 1830 (1833); Störzer, Kriminalistik 2001, 169 ff.; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 1; vgl. auch LG Potsdam, NJW 2006, 1224; LG Hamburg, NJW 2001, 530; Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 1; ders., in: SSW-StPO, § 81f StPO, Rn. 1; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 375. Lippert, Kriminalistik 2001, 355 bezeichnete den Richter in diesen Fällen passend als „Spurennotar“. Krit. allerdings GraalmannScheerer, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 39 (44); Kaefer, Kriminalistik 2000, 210 (212); Krehl/Kolz, StV 2004, 447 (454 f.); Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (24); krit. auch Jansen, ZIS 2020, 233 (239), die darauf hinweist, dass Richter wenigstens das Vorliegen einer nicht bloßen Bagatellstraftat sowie eine ausreichende Tatortnähe (mithin Kriterien, die i. R. d. Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall relevant werden können) hätte prüfen können.
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dessen liegt der Schwerpunkt des staatlichen Handelns in der DNA-Analyse selbst und dem damit verbundenen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung612. Die Schutzbedürftigkeit des Betroffenen, dass seine DNA nur unter den Voraussetzungen und in den Grenzen des § 81e StPO analysiert wird, entfällt nicht, nur weil nicht bekannt ist, um wen genau es sich handelt613. Der Richter hätte auch bei unbekannten Spurenlegern mit dem Vorliegen eines Anfangsverdachtes und der Verhältnismäßigkeit ausreichend zu prüfen. Zwar ist wegen der Streichung des Richtervorbehaltes freilich nicht das Verdikt der Verfassungswidrigkeit über § 81f Abs. 1 StPO zu fällen. Die dahinterstehende Begründung überzeugt gleichwohl nicht.
II. Anforderungen an die Durchführung der eigentlichen Analyse gem. § 81f Abs. 2 StPO § 81f Abs. 2 StPO ist die Norm im Bereich des Rechtes der DNA-Analyse, die bereits auf den ersten Blick die Integration datenschutzrechtlicher Mechanismen in den Rechtskomplex, der das Strafverfahren regelt, erkennen lässt. Sie lässt sich zunächst grob in drei Bereiche gliedern, welche in chronologischer Reihenfolge sind: Erstens die Anforderungen an den vom jeweils anordnenden Ermittlungsorgan614 zu beauftragenden Sachverständigen (§ 81f Abs. 2 S. 1 StPO), zweitens die Anforderungen an die Übersendung des Materials an denselben (§ 81f Abs. 2 S. 3 StPO) und letztlich die Anforderungen an die eigentliche Durchführung der DNA-Analyse durch denselben (§ 81f Abs. 2 S. 2 StPO). Dem anschließend soll auf die Anwendbarkeit allgemeiner datenschutzrechtlicher Vorschriften im Falle der Durchführung durch eine nicht öffentliche Stelle gem. § 81f Abs. 2 S. 4 StPO eingegangen werden.
612
Diff. auch Mittag, S. 75 f. Dazu schon oben Kap. 3 § 3 I. 1. b). 614 D. h., dass im Falle des § 81f Abs. 1 StPO der Richter den Sachverständigen bestimmt, vgl. Eisenberg, Rn. 1687b; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81f, Rn. 4; Graalmann-Scheerer, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 39 (51); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 377; vgl. auch Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81f, Rn. 6, die vorschlägt, dass der Richter einen von der Staatsanwaltschaft vorgeschlagenen Sachverständigen benennt; dafür auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 11; für eine derartige Pflicht und damit i. E. gegen eine richterliches Bestimmungsrecht wegen einer Kompetenzübertragung an den Richter entgegen der Systematik der StPO Senge, NJW 1997, 2409 (2411); krit. dazu, weil damit entgegen der sonstigen Systematik der StPO nicht die Staatsanwaltschaft, sondern der Richter im Ermittlungsverfahren entschiede Beck, S. 128, 131 f.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 4; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 3; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 9; Müller, Die Polizei 2002, 203 (209); a. A. mit derselben Kritik Burr, S. 161. 613
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1. Anforderungen an den Sachverständigen, § 81f Abs. 2 S. 1 StPO § 81f Abs. 2 S. 1 StPO schränkt die Auswahlmöglichkeiten hinsichtlich der Wahl des Sachverständigen ein615. Infrage kommen nur solche, die entweder öffentlich bestellt, nach dem VerpflG verpflichtet oder Amtsträger sind, die entweder der Ermittlungsbehörde nicht angehören oder, sollten sie dies tun, zumindest organisatorisch und sachlich von dieser getrennt sind. Die öffentliche Bestellung setzt einen entsprechenden Verwaltungsakt voraus. Die Anforderungen dafür sind in Spezialgesetzen geregelt, bspw. in § 36 GewO616. Die Verpflichtung auf die gewissenhafte Erfüllung der Obliegenheiten nach dem Verpflichtungsgesetz kann der öffentlichen Bestellung nachfolgen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 VerpflG), kann aber auch ansonsten vorgenommen werden, wenn der Sachverständige für eine öffentliche Stelle tätig wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 VerpflG), was bei der Beauftragung mit der Durchführung einer DNA-Analyse zu Strafverfolgungszwecken der Fall ist617. Die Amtsträgereigenschaft richtet sich gem. Art. 1 Abs. 1 EGStGB nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB618. Beispiele für Amtsträger, die der Ermittlungsbehörde zwar angehören können, die gleichwohl aber als Sachverstände in Betracht kommen, weil ihnen eine organisatorische und sachliche Trennung attestiert wird, sind bspw. das BKA, ein LKA oder gerichtsmedizinische Institute619. 615 Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 5; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 4; ders., Jura 2021, 41 (44); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81f, Rn. 6; vgl. auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 18; Senge, NJW 1997, 2409 (2412); West, S. 220. 616 Altendorfer, S. 133; Beck, S. 129; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 19; Rogall, in: SKStPO I, § 81f, Rn. 19. 617 Vgl. aber Altendorfer, S. 134; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 20; Rogall, in: SKStPO I, § 81f, Rn. 20, die diesen Fall als praktisch selten abhandeln; Altendorfer, a. a. O. bezeichnet die Benennung darüber hinaus als „irreführend“. 618 Altendorfer, S. 134; Beck, S. 130; Burr, S. 162; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 21; Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 21. 619 BT-Drucks. 13/667, S. 8; Altendorfer, S. 134; Beck, S. 130; Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 5; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 4; Brauer, in: HK-StPO, § 81f, Rn. 5; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81f, Rn. 6; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81f, Rn. 7; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 21; Latotzky, S. 77, Fn. 259; Müller, Die Polizei 2002, 203 (209); Rogall, in: SKStPO I, § 81f, Rn. 21, Fn. 79; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 4; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 16; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81f, Rn. 9; vgl. Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 123; Huber, Kriminalistik 1997, 733 (736). Streitig ist, ob es in diesen Fällen genügt, die Einrichtung zu benennen, oder ob darüber hinaus der Sachverständige benannt werden muss, vgl. für ersteres Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 120 ff.; Huber, Kriminalistik 1997, 733 (736); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 15; wohl auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 4; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 3; für letzteres BT-Drucks. 13/667, S. 7; Altendorfer, S. 129 f.; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81f, Rn. 3; Bula, der Kriminalist 1997, 347 (348); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81f, Rn. 4; Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (74); dies, in: FS Rieß, 153 (159); Kaefer, Kriminalistik 2000, 210 (212 f.); Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 17; Latotzky, S. 75 f.; Müller, Die Polizei 2002, 203 (209); Neuhaus, in: HK-GS, § 81f StPO, Rn. 4; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 3; Walther,
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Mit dem Erfordernis der organisatorischen und sachlichen Trennung soll den datenschutzrechtlichen Belangen des Betroffenen Rechnung getragen werden620. Die Trennung des juristischen Vorgangs der Strafverfolgung von der rein naturwissenschaftlichen DNA-Analyse621 beabsichtigt, die Verwendungsbeschränkungen des § 81e StPO durchzusetzen und einer Missbrauchsgefahr entgegenzuwirken, indem Unabhängigkeit und Kompetenz des Sachverständigen gesichert werden622. Eine solche Trennung zwischen den Daten, die im Laufe des Ermittlungsverfahrens anfallen, und denen, die speziell bei der DNA-Analyse anfallen, ist, zumindest soweit Daten anfallen, die eine besondere Kategorie darstellen, von § 48 Abs. 2 Nr. 5 BDSG intendiert. Ob sie für den Schutz der Daten in der Praxis geeignet erscheint, ist gleichwohl umstritten623. Abschließend sei angemerkt, dass mit der Anordnung nur der Sachverständige, nicht aber die Untersuchungsmethode benannt wird. Jene bleibt ihm überlassen624.
in: AnwKo-StPO, § 81f, Rn. 8; krit. dazu Beck, S. 128, 132 ff.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 17; vgl. für die genaue Benennung bereits Henke/Schmitter, MDR 1989, 404 (406); vgl. für eine genaue Benennung bereits bei der der DNA-Analyse vorangehenden Körperzellentnahme OLG Bremen, StV 2010, 122. 620 Vgl. Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 5; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 4; Eisenberg, Rn. 1687c; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81f, Rn. 6; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81f, Rn. 7; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 18; Müller, Die Polizei 2002, 203 (209); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 377; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 4. 621 Beck, S. 130; Brauer, in: HK-StPO, § 81f, Rn. 4; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 18; Latotzky, S. 77; Müller, Die Polizei 2002, 203 (209); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 4; West, S. 220. 622 BT-Drucks. 13/667, S. 8; Altendorfer, S. 133; Beck, S. 130; Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 5; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 4; ders., Jura 2021, 41 (44); Burr, S. 162; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81f, Rn. 7; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 18, 22; Latotzky, S. 77; Müller, Die Polizei 2002, 203 (209); Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 18, 21; Senge, NJW 1997, 2409 (2412); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 16; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81f, Rn. 9; vgl. auch Bula, Der Kriminalist 1997, 347 (348). Laut Auskunft eines privaten DNALabors, das an dieser Stelle namentlich nicht genannt werden möchte, werden die dann noch in Frage kommenden Labore indessen weiter selektiert, bspw. hinsichtlich ihrer Akkreditierung nach ISO Standard 17025 oder ihrer Teilnahme an den Ringversuchen der Deutschen Spurenkommission. 623 Vgl. krit. etwa Altendorfer, S. 134; Beck, S. 134 f.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 21; ähnlich Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 22; i. E. ebenso schon die Kritik des Bundesrates bei BT-Drucks. 13/667, S. 10; vgl. allerdings auch Burr, S. 163, der die Vorschrift der Sache nach für überflüssig hält, gleichwohl ihre Streichung nicht zu befürworten scheint. 624 BT-Drucks. 13/667, S. 7; Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 6; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 5; ders., Jura 2021, 41 (44); Bula, Der Kriminalist 1997, 347 (348); Burr, S. 161; Eisenberg, Rn. 1687b; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81f, Rn. 4; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81f, Rn. 7; Harbort, Kriminalistik 1994, 350 (351); Kaefer, Kriminalistik 2000, 210 (213); Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 10, 17; Latotzky, S. 76; Müller, Die Polizei 2002, 203 (209); Neuhaus, in: HK-GS, § 81f StPO, Rn. 4; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 3; Senge, NJW 1997, 2409 (2411); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 15; dafür aber Klumpe, S. 314; wohl auch Dix, DuD 1989, 235 (237).
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2. Anforderung an die Übermittlung des Zellmaterials an den Sachverständigen, § 81f Abs. 2 S. 3 StPO Die Körperzellen sind dem Sachverständigen gem. § 81f Abs. 2 S. 3 StPO ohne Nennung des Namens, der Anschrift und des Tages und Monats der Geburt zu übergeben. In der Literatur wird dafür bisweilen der Begriff „Anonymisierungsklausel“ gebraucht625. Erkennbar soll damit auch den datenschutzrechtlichen Interessen des Betroffenen insoweit Rechnung getragen werden, als verhindert werden soll, dass der Sachverständige seine Erkenntnisse einer konkreten, bekannten Person zuordnen kann626. Gleichwohl wird an der Norm in der Literatur Kritik geübt627. a) Kritik an § 81f Abs. 2 S. 3 StPO Einerseits wird gegen die Norm ins Feld geführt, es sei notwendig, dem Sachverständigen gewisse Informationen wie etwa Verwandtschaftsverhältnisse oder die ethnische Herkunft zugänglich zu machen, um die naturwissenschaftliche Richtigkeit der Analyse nicht zu gefährden628. Es könne in der Praxis außerdem vorkommen, dass derselbe Sachverständige die Körperzellen entnehme und analysiere629. Er entnehme dann die Zellen, sende sie der Strafverfolgungsbehörde zu und bekomme sie dann teilweise anonymisiert wie625 Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 27; ähnlich Beck, S. 136; Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 8; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 7; ders., Jura 2021, 41 (45); Brinkmann, Kriminalistik 1996, 597 (598); Burr, S. 163 f.; Cramer, NStZ 1998, 498; Eisenberg, Rn. 1687c; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81f, Rn. 8; Harbort, Kriminalistik 1994, 350 (351); Huber, Kriminalistik 1997, 733 (736); Kanz, ZJS 2013, 518 (519); Karioth, Die Polizei 1997, 195 (201); Latotzky, S. 78; Lee, S. 92; Müller, Die Polizei 2002, 203 (209); Neuhaus, StraFo 2006, 393 (395); Rath/Brinkmann, NJW 1999, 2697 (2700); Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 24; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 6; Schneider, DuD 1998, 460; vgl. auch Hohoff/ Brinkmann, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 29 (36); genauer Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 18, der von einer „Teilanonymisierungsklausel“ spricht; ebenso Altendorfer, S. 137; Stadler-Brehm, S. 92; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81f, Rn. 15; West, S. 221; krit. dazu bereits Senge, NJW 1997, 2409 (2412). 626 Vgl. Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81f, Rn. 3; Burr, S. 164; Eisenberg, Rn. 1687c; Goerdeler/Laubach, ZRP 2002, 115 (117); Latotzky, S. 78; Lee, S. 92; Neuhaus, in: HK-GS, § 81f StPO, Rn. 5; Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 22; Stadler-Brehm, S. 92; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 17. 627 Vgl. etwa Altendorfer, S. 137 ff.; Beck, S. 136 ff.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 8; Brinkmann, Kriminalistik 1996, 597 (598); Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 27; Rath/ Brinkmann, NJW 1999, 2697 (2700); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 18; positiv hingegen Brauer, in: HK-StPO, § 81f, Rn. 6; West, S. 221; für strenge Vorgaben Burr, S. 163 ff. 628 Beck, S. 136; Brinkmann, Kriminalistik 1996, 597 (598); Cramer, NStZ 1998, 498 (499, Fn. 21); Huber, Kriminalistik 1997, 733 (736); Karioth, Die Polizei 1997, 195 (201); Müller, Die Polizei 2002, 203 (210); Rath/Brinkmann, NJW 1999, 2697 (2700); Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 24; Stadler-Brehm, S. 93; vgl. auch krit. Altendorfer, S. 137 ff. 629 Beck, S. 136; Brinkmann, Kriminalistik 1996, 597 (598); Müller, Die Polizei 2002, 203 (209); Rath/Brinkmann, NJW 1999, 2697 (2700); vgl. dazu auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 8; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 7; Stadler-Brehm, S. 93.
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der630. Damit laufe der Zweck der Anonymisierung leer, obschon diese mit einen enormen Zeitaufwand verbunden sei631. Die nicht nur bei Identität der jeweils beauftragten Sachverständigen stattfindende Anonymisierung und Deanonymisierung begründe ferner eine Verwechslungsgefahr632. In rechtlicher Hinsicht sei zu bedenken, dass das Gutachtenverweigerungsrecht des Sachverständigen gem. § 76 Abs. 1 StPO zum Problem werden könnte. Wenn der Sachverständige erst in der Hauptverhandlung erfahre, dass ein solches ihm zustehe, und er dann davon Gebrauch mache, seien die Erkenntnisse rechtswidrig erlangt, was mit Blick auf ein Beweisverwertungsverbot problematisch werden könnte633. Da der Sachverständige in der Hauptverhandlung von der Identität des Betroffenen erfahre, sei die Norm wirkungslos634. Dies gelte auch deshalb, weil es bereits dadurch zu einer teilweisen Deanonymisierung komme, dass dem Sachverständiger Informationen zu Verwandtschaft und der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe mitgeteilt werden müsse635. Er habe insoweit ein Recht auf Akteneinsicht, und aus der Akte müsse der Vollständigkeit halber auch ersichtlich sein, um wen es sich handle636. Wollte der Sachverständige nach der Hauptverhandlung weitergehende Informationen, könne die Zellen einfach ein zweites Mal analysieren, da diese erst mit rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens vernichtet würden637. Abschließend bestätige ein Vergleich, dass die Vorgaben des § 81f Abs. 2 S. 3 StPO überzogen seien. Denn solche würden auch nicht statuiert, wenn ein Gutachter die (verminderte) Schuldunfähigkeit gem. §§ 20, 21 StGB feststellen müsse. In 630 Beck, S. 136; Müller, Die Polizei 2002, 203 (209); Rath/Brinkmann, NJW 1999, 2697 (2700). 631 Bosch, in: in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 8; ders., SSW-StPO, § 81f, Rn. 7; Müller, Die Polizei 2002, 203 (209); vgl. auch Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 27; Stadler-Brehm, S. 93; a. A. Brauer, in: HK-StPO, § 81f, Rn. 6. 632 Beck, S. 137; Bosch, Jura 2021, 41 (45); Brinkmann, Kriminalistik 1996, 597 (598); Müller, Die Polizei 2002, 203 (210); Neuhaus, StraFo 2006, 393 (395); Rath/Brinkmann, NJW 1999, 2697 (2700); vgl. auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 8; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 7; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 27; Stadler-Brehm, S. 93; anerkennend West, S. 221; diff. je nach Spurenumfang Altendorfer, S. 137 f.; a. A. Brauer, in: HK-StPO, § 81f, Rn. 6. 633 Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 39; vgl. krit. zu diesem Argument Beck, S. 136 f.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 9; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 8; Brauer, in: HK-StPO, § 81f, Rn. 7; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 125; Cramer, NStZ 1998, 498 (500); Malek/ Wohlers, Rn. 307; Müller, Die Polizei 2002, 203 (210); Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 24 f.; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, § 81f StPO, Rn. 6; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 18; vgl. auch Goers, in: BeckOK-StPO, § 81f, Rn. 8. 634 Beck, S. 137; Brinkmann, Kriminalistik 1996, 597 (598); Huber, Kriminalistik 1997, 733 (736); Müller, Die Polizei 2002, 203 (210); vgl. auch Altendorfer, S. 138. 635 Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 8; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 7; Rath/Brinkmann, NJW 1999, 2697 (2700). 636 Brinkmann, Kriminalistik 1996, 597 (598); vgl. auch Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 27; a. A. Altendorfer, S. 140; Eisenberg, Rn. 1687c; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81f, Rn. 8; Lee, S. 93. 637 Beck, S. 137.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
diesen Fällen dringe der Sachverständige viel intensiver in das Privatleben des Betroffenen ein als durch eine DNA-Analyse. Es sei deshalb ein paradoxes Ergebnis, bei DNA-Analysen strengere Vorgaben zu verlangen als bei psychiatrischen Gutachten638. b) Stellungnahme zur Kritik aa) Pseudonymisierung statt Anonymisierung Ausgangspunkt der zahlreichen Argumente gegen die Norm scheint ein Missverständnis über das zu sein, was genau sie aussagt. Aus dem klaren Wortlaut ergibt sich, dass folgende Informationen unzulässig sind: Name, Anschrift, Geburtstag und -monat. Nicht unzulässig sind damit Informationen jenseits der genannten. Anonymisierung bedeutet, alle Identifikationsmerkmale zu entfernen, die einen Rückschluss auf die betroffene Person zulassen639. Hierfür genügt die die Auslassung des Namens nicht640. Da mit dem zu analysierenden Material jenseits der explizit verbotenen Informationen alle übrigen verknüpft werden können, kann von Anonymisierung nicht die Rede sein, zumal bei bekannten Spurenlegern das DNAIdentifikationsmuster eine Zuordnung ermöglicht und sogar ermöglichen muss. Es handelt sich bei § 81f Abs. 2 S. 3 StPO daher nicht um eine Anonymisierungs-, sondern um eine Pseudonymisierungsklausel. Der Begriff der Pseudonymisierung ist in § 46 Nr. 5 BDSG, Art. 4 Nr. 5 DSGVO legal definiert. Demnach meint Pseudonymisierung „die Verarbeitung personenbezogener Daten in einer Weise, in der die Daten ohne Hinzuziehung zusätzlicher Informationen nicht mehr einer spezifischen Person zugeordnet werden können, sofern diese zusätzlichen Informationen gesondert aufbewahrt werden und technischen und organisatorischen Maßnahmen unterliegen, die gewährleisten, dass die Daten keiner betroffenen Person zugewiesen werden können“. Die Voraussetzung fehlender Zuordenbarkeit ohne zusätzlicher Informationen ist gegeben. Denn auch das DNA-Identifikationsmuster lässt sich solange nicht zuordnen, wie kein Vergleichsobjekt eines Bekannten gegeben, ist. Ein solches hat der Sachverständige nicht zu Verfügung. Die Trennung von DNAAnalyse und Strafverfolgung641 führt auch zur Erfüllung der zweiten und dritten Voraussetzung. Da nur die Strafverfolgungsbehörden die Körperzellen dem Beschuldigten zuordnen können, ist von getrennter Aufbewahrung in einem räumlichen Sinne642 auszugehen, die in Kombination mit der fehlenden Weitergabe des Namens
638
Beck, S. 137 f. Conrad/Treeger, in: Hdb. IT- u. DatenschutzR, Teil F, § 34, Rn. 106; Ernst, in: Paal/ Pauly, DSGVO/BDSG Art. 4 DSGVO, Rn. 48. 640 Conrad/Treeger, in: Hdb. IT- u. DatenschutzR, Teil F, § 34, Rn. 107. 641 Dazu schon oben Kap. 4 § 4 II. 1. 642 Vgl. Ernst, in: Paal/Pauly, DSGVO/BDSG, Art. 4 DSGVO, Rn. 48. 639
§ 4 Formelle Voraussetzungen
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und der Anschrift gewährleistet, dass der Sachverständige nicht weiß, um wessen Zellen es sich handelt. bb) Zur naturwissenschaftlichen Richtigkeit und Sorgfalt und anderen praktischen Problemen Aus der gewonnen Erkenntnis, dass nur der Name, die Anschrift und Geburtstag und -monat nicht genannt werden würden, ergibt sich, dass die skizzierten Probleme die naturwissenschaftliche Richtigkeit betreffend nicht gegeben sind. Denn die von den Kritikern des § 81f Abs. 2 S. 3 StPO geforderten Angaben zu Alter und ethnischer Herkunft können angegeben werden, soweit sie den Strafverfolgungsbehörden bekannt sind. Die Norm des § 81f Abs. 2 S. 3 StPO verbietet dies nicht643. Was das vielfach vorgebrachte Argument angeht, es drohe Verwechslungsgefahr, ist nicht ersichtlich, worauf diese gründen soll. Denn statt mit dem Namen wird die Probe in der Praxis durch Zahlen- und Buchstabencodes644 oder Barcodes645 markiert. Dieses Vorgehen stellt gerade den Prototyp der Pseudonymisierung dar646. Warum explizit im Bereich der DNA-Analytik eine gesteigerte Verwechslungsgefahr bestehen soll, leuchtet nicht ein. Laut Auskunft eines privaten DNA-Labors wird im Bereich der DNA-Analytik nach dem „Vier-Augen-Prinzip“ gearbeitet, sodass bei der Übertragung von Pseudonymen eine Kontrollinstanz immer gegeben ist, um Verwechslungen auszuschließen. Insgesamt sei zu beachten, dass der eigentliche Fortschritt der letzten Jahre in einer weitgehenden Automatisierung der DNA-Analytik liege, die immer mehr manuelle Schritte verdränge, was Verwechslungs- und Übertragungsfehler ausschließe647. Selbst wenn eine Verwechslungsgefahr bestünde, dürfte diese realistischerweise nicht unüberwindbar sein – man darf annehmen, dass, wenn dem so wäre, die Norm nach nunmehr fast 25 Jahren überarbeitet worden wäre. Eher müssen dann die Beteiligten zu größerer Sorgfalt aufgerufen werden, als dass auf datenschutzrechtliche Schutzvorkehrungen verzichtet würde648. Auch das von Müller erhobene Argument, eine Anonymisierung – oder besser Pseudonymisierung – mit anschließender Identifikation bzw. die Beteiligung ein und desselben Sachverständigen bei Körperzellentnahme und DNA-Analyse lasse den Zweck der Pseudonymisierung leerlaufen, was den Zeitaufwand nicht rechtfertige649, ist weder ein rechtliches noch ein durchschlagendes. Einerseits ist nicht einzusehen, warum 643
So zutreffend bereits Altendorfer, S. 137. Rath/Brinkmann, NJW 1999, 2697 (2700). 645 So verfährt laut Auskunft ein privates DNA-Labor, das an dieser Stelle namentlich nicht genannt werden möchte. 646 Vgl. Schulz, in: Gola/Heckmann, BDSG, § 46, Rn. 36. 647 Neben solchen qualitätssichernden Faktoren hat die Automatisierung laut Auskunft eines privaten DNA-Labors, das an dieser Stelle namentlich nicht genannt werden möchte, freilich aber auch ökonomische Gründe. 648 West, S. 221. 649 Müller, Die Polizei 2002, 203 (209). 644
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
mit der Pseudonymisierung ein gesteigerter Zeitaufwand von Gewicht entstehen sollte. Selbst wenn die Strafverfolgungsbehörden die Körperzellen unter Angabe des Namens an den Sachverständigen übersenden würden, wäre damit nicht mehr Zeitaufwand verbunden als bei der Kennzeichnung der Zellen mit einem Buchstaben-, Zahlen- oder Barcode. Die Markierung der Zellen, die aus dem praktischen Grund der Unterscheidbarkeit geschehen muss, dauert nicht länger, nur weil das Kennzeichen ein anderes ist. Eine wirkliche Zeitersparnis wäre ohnehin nur dann gegeben, wenn die Zellen unmittelbar nach ihrer Gewinnung analysiert würden, was nur dann ginge, wenn die Zellen nach §§ 81a, 81c StPO gewonnen würden. Bei dem Material des § 81e Abs. 2 StPO erscheint dies a priori ausgeschlossen. Selbst wenn die Zellen dann sofort analysiert würden, entstünde damit keine derartige Ersparnis an Zeit, die es rechtfertigen würde, die datenschutzrechtlichen Belange des Betroffenen zurücktreten zu lassen. Solange die Strafverfolgung nicht bedroht ist, gibt es keine Gründe, den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu intensivieren. Andererseits ist auch die Beteiligung desselben Sachverständigen bei der Entnahme der Zellen und bei ihrer Analyse solange unproblematisch, wie dieser im Moment der DNA-Analyse nicht weiß, wessen Zellen er analysiert. Dass er denjenigen, von dem die Zellen stammen, schon einmal gesehen hat, ändert nichts an der fehlenden Identifizierbarkeit. cc) Das Gutachtenverweigerungsrecht des Sachverständigen Prima facie einleuchtend ist das Argument, es drohe das Gutachtenverweigerungsrecht unterminiert zu werden, wenn der berechtigte Sachverständige dieses gar nicht ausüben könne mangels Kenntnis ob der Umstände, die es begründen. Quasi als Annex zu dieser Problematik stellt sich die Frage, wie der Fall rechtlich zu behandeln, falls der Sachverständige in der Hauptverhandlung bemerkt, dass ihm ein Gutachtenverweigerungsrecht zusteht. Soweit ersichtlich wird jenes Argument nur von Krause vertreten. Er stellt ohne näher auf die Problematik einzugehen schlicht fest, das Gutachten sei unverwertbar, falls ein Gutachtenverweigerungsrecht bestanden habe der Sachverständige von diesem gem. § 76 StPO Gebrauch mache650. Alle Übrigen gehen davon aus, das Argument besitze keine Durchschlagskraft – unabhängig davon, ob sie den § 81f Abs. 2 S. 3 StPO im Ergebnis als eine positive Regelung erachten. Die Begründungsansätze lassen sich dabei nach den folgenden Argumentationsmustern unterscheiden: Die erste Gruppe führt ins Feld, es drohe kein Beweisverwertungsverbot. Falls der Sachverständige ein Gutachtenverweigerungsrecht gem. §§ 76, 52 StPO habe, sei § 252 StPO, der über seinen Wortlaut hinaus nicht nur die Verlesung, sondern die
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Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 39.
§ 4 Formelle Voraussetzungen
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Verwertung der Zeugenaussage bzw. des Gutachtens verbiete651, teleologisch zu reduzieren652. Dies wird damit begründet, dass i. R. d. DNA-Analytik standardisierte Untersuchungsmethoden eingesetzt würden653. Jeder beauftragte Sachverständige käme zu demselben Ergebnis. Diese Austauschbarkeit unterscheide den Sachverständigen vom Zeugen, dessen Aussage höchstpersönlich und individuell sei und nicht einfach ersetzt werden könne. Eine unterschiedliche Behandlung der beiden Beweismittel sei daher gerechtfertigt654. Während beim Zeugen das vollumfängliche Verwertungsverbot gem. § 252 StPO wegen der bestehenden Konfliktlage (Angehörigenbelastung/Aussagepflicht) greife, sei wegen der Austauschbarkeit der Sachverständige nicht in jener Konfliktlage, da es auf die Spur, nicht auf die Person des Gutachters ankomme655. Der Schutzweck des § 252 StPO ginge deshalb ins Leere656. Andere stellen sich – wiederum unter Bezugnahme auf die standardisierten Untersuchungsmethoden – auf den Standpunkt, dass im Falle eines bestehenden Gutachtenverweigerungsrechtes für den analysiert habenden Sachverständigen ein anderer Sachverständiger das Gutachten in der Hauptverhandlung vertreten könne657. Mit derselben Begründung wird außerdem eine Verlesung des Gutachtens gem. § 256 StPO zumindest in Erwägung gezogen658. Indes soll die Verlesung nur anstelle
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Dafür nur BVerfG, NStZ-RR 2004, 18; st. Rspr. BGHSt 2, 99, (105); 7, 194 (195); 11, 338 (339); 13, 394 (395); 17, 324 (326); 18, 146 (148); 20, 384; 25, 176 (177); 32, 225 (29); 36, 384 (387); 40, 211 (212 f.); 42, 391 (397); 45, 203 (205); 45, 342 (345); 46, 1 (3); 46, 189 (192); 49, 72 (74, 77); 57, 254 (256); 61, 221 (231); aus der Literatur statt vieler nur jeweils m. w. N. Cirener/Sander, in: LR-StPO VI, § 252, Rn. 1; Diemer, in: KK-StPO, § 252, Rn. 1; Ellbogen, in: MüKo-StPO II, § 252, Rn. 42; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 252, Rn. 1, 12 f.; Velten, in: SK-StPO V, § 252, Rn. 3; hinsichtlich des dahinter stehenden Argumentes, dass das Zeugnisverweigerungsrecht umgangen würde vgl. schon die Materialien, abgedruckt bei Hahn (Hrsg.), Materialien zur StPO II, S. 1562 zu § 251 a. F., der dem heutigen § 252 StPO entspricht. 652 Beck, S. 136 f.; Cramer, NStZ 1998, 498 (499 f.); Müller, Die Polizei 2002, 203 (210); explizit dagegen, da § 252 StPO in Fällen des § 76 StPO ohnehin nicht anwendbar sei Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 16. 653 Beck, S. 136 f.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 9; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 8; Cramer, NStZ 1998, 498 (499); Müller, Die Polizei 2002, 203 (211); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 16. 654 Beck, S. 137; Cramer, NStZ 1998, 498 (499); Müller, Die Polizei 2002, 203 (211). 655 Cramer, NStZ 1998, 498 (500); Müller, Die Polizei 2002, 203 (211). 656 Cramer, NStZ 1998, 498 (500). 657 Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 9; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 8; Brauer, in: HKStPO, § 81f, Rn. 7; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 125; Malek/Wohlers, Rn. 307; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f Rn. 16; ohne Begründung Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 24; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 6; widersprüchlich Müller, Die Polizei 2002, 203 (211), die zwar hierfür plädiert, zuvor aber ausschließlich für eine telelogische Reduktion der §§ 76, 52, 252 StPO argumentiert. 658 Vgl. i. E. jedoch abl. Cramer, NStZ 1998, 498; Malek/Wohlers, Rn. 307; Müller, Die Polizei 2002, 203 (210).
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
der persönlichen Vernehmung treten dürfen659. Stehe dem Sachverständigen ein Zeugnisverweigerungsrecht zu und mache er davon Gebrauch, so müsse seine Vernehmung ebenso wie die Verlesung des Gutachtens ausscheiden. Im Raume stehen damit zwei Möglichkeiten, das Dilemma der Pseudonymisierung aufzuheben: Die teleologische Reduktion des § 252 StPO oder die Vertretung des ursprünglichen Sachverständigen im Prozess durch einen anderen. Letztere Möglichkeit wird insbesondere von der Kommentar-Literatur vertreten660. Dem steht entgegen, dass wegen des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der mit der Erstellung des Gutachtens betraute Sachverständige im Prozess gehört werden muss und eine Vertretung insoweit unzulässig ist661. Auch kann die Rechtsprechung des BGH, auf die Cramer Bezug nimmt662, zumindest keine durch den BGH selbst anerkannte Ausnahme des beschriebenen Grundsatzes begründen. Denn in der zitierte Entscheidung führt der BGH aus, bei standardisierten Untersuchungsmethoden (im Fall des BGH die Verfahren der Daktyloskopie) könne es ausreichen, das Ergebnis der Untersuchung mitzuteilen, „zu dem ein renommierter Sachverständiger gekommen [sei] (…), wenn von keiner Seite Einwände gegen die Tauglichkeit der gesicherten Spur und die Zuverlässigkeit der Begutachtung erhoben w[ü]rden“663. Jenseits davon, dass der BGH, obschon einen Rechtsfehler verneinend, eine genauere Darlegung für wünschenswert hält664, geht es in der Entscheidung nicht um die Vernehmung des Sachverständigen in der Hauptverhandlung vor dem erkennenden Gericht, sondern um die Darlegung des Gutachtens im Urteil. Dies ergibt sich daraus, dass der BGH anmahnt, das Revisionsgericht möge überprüfen können, ob das Gutachten schlüssig sei und mit den Erkenntnissen der Wissenschaft in Einklang stehe, sowie daraus, dass der BGH explizit von „Darlegungspflicht“ spricht665 – letzteres erkennbar auf das Urteil, nicht auf das Gutachten bezogen, da das Gutachten selbst nicht aus der bloßen Mitteilung des Ergebnisses bestehen kann. Die Entscheidung behandelt daher nicht die Frage der Zulässigkeit der Vertretung des Sachverständigen in bestimmten Fällen; diese muss vielmehr allgemein erörtert werden. Es ist daher zu fragen, ob es eine Aus659
Cramer, NStZ 1998, 498 (ebd., Fn. 10). Vgl. Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 9; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 8; Brauer, in: HK-StPO, § 81f, Rn. 7; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 16; ohne Begründung Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 24; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 6. 661 BGH, NJW 1968, 206; NJW 1967, 299; BayObLG bei Rüth, DAR 1965, 281 (286); OLG Köln, NJW 1964, 2218; OLG Celle, NJW 1964, 462; Cramer, NStZ 1998, 498; Kudlich/Schuhr, SSW-StPO, § 250, Rn. 10; Müller, Die Polizei 2002, 203 (210); vgl. auch Ganter, BeckOKStPO, § 250, Rn. 18, wonach der Sachverständige nicht darüber berichten darf, was ein anderer ermittelt hat. 662 Vgl. Cramer, NStZ 1998, 498 (ebd., Fn. 9). 663 BGH, NStZ 1993, 95. 664 BGH a. a. O. 665 BGH a. a. O. 660
§ 4 Formelle Voraussetzungen
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nahme gibt von dem Grundsatz der Unmittelbarkeit für den Sachverständigen, sofern eine standardisierte Untersuchungsmethode angewandt wurde. Für das hier diskutierte Problem gilt es zunächst darauf hinzuweisen, dass es nicht unproblematisch erscheint, die DNA-Analyse als standardisierte Untersuchungsmethode zu bezeichnen. Der Begriff an sich ist problematisch, denn ein Gericht wird aus eigener Sachkunde selten beurteilen können, ob die von einem Sachverständigen angewandte Methode standardisiert ist. Es müsste dazu nämlich den methodischen Fortschritt nachvollziehen. Gleichwohl wird man annehmen dürfen, dass die Unsicherheiten, mit denen eine DNA-Analyse behaftet sein kann, regelmäßig auftreten, sodass zumindest bei erfahrenen Sachverständigen davon ausgegangen werden kann, dass diese auf Basis des Gutachtens auch eines anderen darüber Auskunft geben können. Für eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der mit der Untersuchung betraute Sachverständige sich nicht vertreten lassen kann, findet sich in § 250 StPO kein Raum. Vielmehr scheint die Gesetzessystematik für den Fall der Verhinderung des Sachverständigen und den Fall fehlender Relevanz persönlicher Anwesenheit von der Alternative der Verlesung auszugehen (vgl. §§ 251, 256 StPO). Wenn sogar im Fall des Todes des Sachverständigen eher verlesen als vertreten wird, darf dieser Vorrang der Verlesung nicht umgangen werden. Wenn Vertretung unzulässig ist, müssen sich die Befürworter einer Nichtanwendung des § 252 StPO fragen lassen, wie das Gutachten in die Hauptverhandlung überhaupt eingebracht werden soll, wenn sie gleichzeitig vertreten, eine Verlesung sei unzulässig. Nicht ernsthaft kann als Möglichkeit angesehen werden, diejenigen als Zeugen vom Hörensagen heranzuziehen, die das Gutachten gelesen haben, ohne Prozessbeteiligte zu sein. Die Frage, ob § 252 StPO angewandt werden kann, ist also zeitgleich die Frage, ob das Gutachten verlesen werden darf. Die Anwendbarkeit des § 252 StPO im Falle eines Gutachtenverweigerungsrechts ist in der Literatur umstritten666 – unabhängig von einer teleologischen Reduktion bei standardisierten Untersuchungsmethoden. Sowohl die Nichtanwendung als auch die Anwendung können zu stark unbefriedigenden Ergebnissen führen. Wendet man die Norm nicht an, droht ein faktischer Ausfall des Verweigerungsrechtes. Kann das Gutachten einmal erstellt in den Prozess eingeführt werden und kann der Sachverständige sein Weigerungsrecht vor Erstellung nicht geltend machen, verkommt
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Vgl. dafür etwa Beling, S. 25, Fn. 1; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 76, Rn. 1; Eisenberg, Rn. 1512; Güntge, in: Alsberg, Beweisantrag, Kap. 5, Rn. 188; Kl. Müller, Rn. 410; Neuhaus, in: HK-GS, § 72 StPO, Rn. 21; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 252, Rn. 6; Simader, S. 114; Velten, in: SK-StPO V, § 252, Rn. 11; dagegen Bennecke, S. 363, § 84, Fn. 5, S. 547, § 124; Bosch, in: SSW-StPO, § 72, Rn. 1; Brauer, in: HK-StPO, § 72, Rn. 1; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 72, Rn. 1; Krekeler/Werner, in: AnwKo-StPO, § 72, Rn. 1; Rogall, in: SK-StPO I, § 72, Rn. 5; § 76, Rn. 11; Trück, in: MüKo-StPO I, § 76, Rn. 10; i. E. wohl auch Monka, in: BeckOK-StPO, § 72, Rn. 2; Neubeck, in: KMR-StPO, § 72, Rn. 1; die insoweit darauf verweisen, nur die Vorschriften des Sechsten Abschnittes würden von dem Verweis in § 72 StPO erfasst.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
dieses – in den Worten Dürigs – zum nudum ius, zum entleerten Recht667. Wendet man die Norm aber an und kommt es zu einem Beweisverwertungsverbot, so droht eine Beeinträchtigung des Strafverfahrens dergestalt, dass u. U. das Verfahren deshalb nicht befriedigend abgeschlossen werden kann, weil ein schlagkräftiger Beweis fehlt. Das Argument Cramers, § 252 StPO greife seinem Schutzzweck nach nicht, weil keine Konfliktsituation bestehe668, ist nicht jedoch durchschlagend. Zeugnisverweigerungsrechte bestehen objektiv. Sie sind nicht davon abhängig, ob das tragende Motiv ihrer Existenz – die Vermeidung eines Konfliktes zwischen Familienfrieden bzw. Angehörigenbelastung und Wahrheitspflicht669 – im Einzelfall wirklich greift670. Dasselbe gilt für den Sachverständigen, sodass es nicht darauf ankommen kann, dass der Sachverständige bei der Erstellung des Gutachtens wegen § 81f Abs. 2 S. 3 StPO keine Konfliktsituation verspüren konnte. Es wäre hingegen sub specie des betroffenen Art. 6 GG671 verfassungsrechtlich nicht unproblematisch, die daraus resultierenden Rechte zu versagen. 667
Dürig, AöR 81 [1956], 117 (152). Cramer, NStZ 1998, 498 (500). 669 Für diesen Zweck die st. Rspr. BVerfGE 36, 193 (203); NStZ-RR 2004, 18 (19); BGHSt 2, 99 (104); 2, 351 (354); 10, 77 (78); 10, 393 (394); 11, 213 (217); 12, 235 (239); 17, 324 (327); 20, 384 (385); 22, 35 (36 f.); 27, 231; 38, 96 (100); 40, 211 (214); 45, 203 (207); 54, 1 (6); 61, 221 (239 f.); statt vieler aus der Literatur m. w. N. Bader, in: KK-StPO, § 52, Rn. 1; Ignor/ Bertheau, in: LR-StPO II, § 52, Rn. 1; Neubeck, in: KMR-StPO, § 52, Rn. 1; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 52, Rn. 1. 670 BGHSt 12, 235 (239); 14, 159 (161); 30, 193 (196); Bader, in: KK-StPO, § 52, Rn. 1; Bosch, Jura 2012, 33; Busch, in: FS Schmidt, 569 (570); Eisenberg, Rn. 1212; Eschelbach, in: SSW-StPO, § 52, Rn. 1; Fels, S. 100; Fürmann, JuS 2004, 303; Gercke, in: HK-StPO, § 52, Rn. 3; Henkel, § 49, III., 1., b), Fn. 2; Hinterhofer, S. 262, Huber, in: BeckOK-StPO, § 52, Rn. 1; Ignor/Bertheau, in: LR-StPO II, § 52, Rn. 1; Jansen, S. 134; Magnus, ZStW 126 [2014], 695 (709 f.); Neubeck, in: KMR-StPO, § 52, Rn. 1; Orlowsky, S. 46; Otte, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 52, Rn. 1; Percic, in: MüKo-StPO I, § 52, Rn. 2; Rengier, S. 8; Rogall, in: SK-StPO I, § 52, Rn. 75; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 52, Rn. 1; P. Schmitt, S. 62; Skwirblies, S. 186 f.; Trüg, in: HK-GS, § 52 StPO, Rn. 1; in diesem Sinne auch BGH, NJW 1979, 1722; Petry, S. 48, Fn. 59; Zottmann, S. 28; krit. indessen Neumann, S. 32 ff. 671 Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 35; Arndt, NJW 1966, 869 (870); Baier, S. 54, 75 f.; Beulke, Jura 2009, 653 (657); Dingeldey, JA 1984, 407 (410); Gollwitzer, JR 2001, 250 (254); Hoffmann, MDR 1990, 111 (112); Pelchen, in: FS Pfeiffer, 287 (295); Rengier, S. 9; Rupp, Gutachten für den 46. DJT, 165 (200); Schily, ZRP 1999, 129 (131); Weigend, Gutachten für den 62. DJT, C 1 (C 20, C 69); vgl. auch Fuchs, NJW 1959, 14 (18); Kett-Straub, ZRP 2005, 46 (47); Mitsch, NStZ 2009, 287 (288 f.); krit. dazu aber Jansen, S. 142; auch krit. vgl. Bosch, Jura 2012, 33 (35); a. A. BGH, NStZ 2014, 596 (597), wo der BGH auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Zeugen aus Art. 2 Abs. 1 GG rekurriert, ebenso Ignor/Bertheau, in: LRStPO II, § 52, Rn. 1; ähnlich Gercke, in: HK-StPO, § 52, Rn. 1; Bialek, S. 66 ff.; Rogall, in: SKStPO I, § 52, Rn. 10, der in Rn. 8 den von Art. 2 i. V. m. Art. 1 GG umfassten nemo-teneturGrundsatz als verfassungsrechtlichen Ausgangspunkt ansieht; ebenso ders., Beschuldigter, S. 151 f.; wobei Rogall hier zumindest eine teilweise Rückkopplung an Art. 6 GG anerkennt; gleichsam Sternberg-Lieben, JZ 1995, 841 (847). Vgl. auch Skwirblies, S. 191, der sowohl Art. 6 als auch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG als Anknüpfungspunkt ansieht; ebenso Kühl, JuS 1986, 115 (117); gänzlich abl. dagegen Neumann, S. 37 ff. mit Ergebnis auf S. 44; für 668
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Die besseren Gründe sprechen gleichwohl gegen ein Beweisverwertungsverbot. Wendete man § 252 StPO an, ist damit kein Raum mehr für eine Abwägung. Ist die DNA-Analyse einfach durch einen anderen Sachverständigen wiederholbar, wären zwar die Belange der Strafrechtspflege nicht betroffen. Eine Wiederholung wäre aber ein bloßer Formalismus, der mit keinem Gewinn an Rechtsstaatlichkeit verbunden ist. Dies ist freilich nicht mehr der Fall, wenn eine weitere DNA-Analyse nicht erfolgen kann, also z. B., weil das Untersuchungsmaterial durch die erste Analyse verbraucht ist und nicht mehr beschafft werden kann672. Unter Umständen steht und fällt das Verfahren dann mit der Beweisverwertung. Pauschal kann dann weder für noch gegen ein Beweisverbot plädiert werden. Sollte das Material tatsächlich unwiederbringlich verbraucht sein, so spielen die Belange der Strafrechtspflege eine Rolle, freilich gleichzeitig aber auch das Recht des Sachverständigen, nicht an der Überführung des Verwandten mitwirken zu müssen. Sachgerechte Ergebnisse lassen sich in einem solchen Fall erzielen, indem im Wege einer Abwägung beide verfassungsrechtlich verankerten Belange gegenübergestellt werden und im Einzelfall einem davon Vorrang eingeräumt wird. Orientiert werden kann sich hier an den Kriterien, die der BGH für Beantwortung der Frage heranzieht, ob einem Beweiserhebungsverbot ein -verwertungsverbot nachfolgt. Das wird insbesondere die Schwere der im Raume stehenden Straftat sein, die maßgeblich das Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung der Tat beeinflusst. Für die Verwertung spricht auch, dass es unproblematisch möglich gewesen wäre, einen anderen Sachverständigen zu beauftragen. Das Beweismittel hätte also rechtmäßig erlangt werden können. Um das Weigerungsrecht des Sachverständigen gleichwohl wenigstens in den meisten Fällen zur Geltung kommen zu lassen, erscheint es sinnvoll, den Betroffenen zuvor zu fragen, ob dieser mit dem Sachverständigen verwandt ist. Das bietet sich schon an, um eine Ablehnung gem. § 74 StPO zu ermöglichen. Nach § 81f Abs. 2 S. 3 StPO soll nur der Sachverständige nicht wissen, wessen Zellen er analysiert. Der Betroffene aber darf wissen, wer seine Zellen analysiert. Macht der Betroffene dem Sachverständigen seine Identität bekannt, ist dies datenschutzrechtlich unproblematisch. Dient die Pseudonymisierung dem Schutz des Betroffenen, spricht aus datenschutzrechtlicher Perspektive nichts gegen einen Verzicht. Auch droht eine Beeinflussung des Sachverständigen durch den Betroffenen nicht in höherem Maße als beim Zeugen. Freilich kann der Betroffene nicht verpflichtet werden, Auskunft zu geben. Tut er es aber nicht, erscheint es vertretbar, ihn an dieser Entscheidung festzumachen. Dabei wird nicht verkannt, dass den verwandten Zeugen und damit auch den Sachverständigen auch dann keine Pflicht zur Aussage bzw. zum Gutachten trifft, wenn der Angeklagte gewissermaßen „Befreiung“ erteilt, weil die Weigeeine gewisse Überschneidung beider Rechtspositionen Krauß, in: FS Gallas, 365 (386). Vgl. auch Hinterhofer, S. 264, 302, der auf Art. 8 EMRK abstellt. 672 Cramer, NStZ 1998, 498.
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rungsrechte solche der Berechtigten und nicht des Angeklagten sind. Es mag auch Fälle geben, in denen das Angehörigenverhältnis gar nicht bekannt ist. Gleichwohl erscheint dieses Vorgehen doch am ehesten geeignet, die ratio des Weigerungsrechts zur Geltung kommen zu lassen. Sachgerechter als der ständige Verzicht auf das Beweismittel oder die ständige Unterminierung des Weigerungsrechtes ist dieses Vorgehen allemal. dd) Wirkung der Pseudonymisierung im Hinblick auf die Anwesenheit des Sachverständigen in der Hauptverhandlung Falls der hier vertretenen These gefolgt wird, und eine Vertretung des Sachverständigen insgesamt ausscheiden muss, so stellt die Literatur die berechtigte Frage, was die Pseudonymisierung überhaupt bringen soll, wenn der Sachverständige im Strafprozess bedingt durch seine Anwesenheit zum Zwecke der Erbringung des Gutachtens in der Hauptverhandlung anwesend sein muss. Diese Frage findet ihre Antwort, wenn man bedenkt, zu welchem Zeitpunkt Anonymität wichtig ist. Dies ist nämlich ausschließlich der Fall, während das Zellmaterial beim Sachverständigen ist. Nur insoweit besteht Gefahr, dass jener aufgrund der Kenntnis ob der Identität des Betroffenen mehr Informationen erforscht als gesetzlich erlaubt. Im Prozess erfährt er so viel wie die Öffentlichkeit. Soweit in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen wird, für ein derartiges Misstrauen gegenüber dem Gutachter sei kein Raum673, ist diese Kritik ebenso pauschal wie verfehlt. Sie ist zu pauschal, weil sie gegenüber jeder Form von Schutzvorkehrungen vorgebracht werden könnte. Warum sollte gem. § 107 S. 2 StPO ein Verzeichnis über beschlagnahmte Gegenstände erstellen? Ist dies nicht ein Zeichen erheblichen Misstrauens gegenüber den Durchsuchenden? Das BVerfG selbst fordert effiziente Schutzvorkehrungen gerade bei Eingriffen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung674. Die verfassungsrechtliche bzw. verfassungsgerichtliche Notwendigkeit kann nicht mit dem Argument eines nicht bestehenden Missbrauchspotentials übergangen werden. Dies führt zur Verfehltheit der Kritik. Soweit aufgrund scheinbarer empirischer Belege darauf hingewiesen wird, es bestehe keine Missbrauchsgefahr, wird zuvorderst die Frage zu stellen vergessen, ob nicht keine Missbrauchsgefahr besteht, weil entsprechende Schutzvorkehrungen bestehen. Im Übrigen zeichnet sich ein funktionierendes Schutzsystem für datenschutzrechtliche Belange dadurch aus, dass es proaktiv Missbrauch vermeidet. 673
Vgl. nur Beck, S. 139, 133 f.; Huber, Kriminalistik 1997, 733 spricht gar von einem „Misstrauensgesetz gegen den Sachverständigen“, gleichsam Anslinger/Rolf/Eisenmenger, DRiZ 2005, 165 (168), die dem Gesetzgeber unterstellen, er unterstelle den Sachverständigen „eine gehörige Portion kriminelle Energie“, ebenso Brinkmann, Kriminalistik 1996, 597 (598), der derartiges Misstrauen als „ehrenrührig“ bezeichnet vor dem Hintergrund, es ließe sich nur rechtfertigen, falls man dem Sachverständigen ein „ ,kriminelles‘ Interesse, etwa aus ökonomischen Gründen“ unterstellen möchte. 674 BVerfGE 65, 1 (44, 46), i. E. auch EGMR, EuGRZ 2009, 299 (310, 312); zum Grundrechtsschutz durch Verfahren BVerfGE 53, 30 (65); 63, 131 (143).
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Beck weist in diesem Kontext darauf hin, dass der Gutachter aber nach Erlangung von Kenntnis über die Identität die Zellen ein zweites Mal analysieren könnte675. Dem kann entgegengetreten werden, wenn das Analysematerial zurückgefordert wird, soweit es noch vorhanden ist. Es ist daher unwichtig, dass der Gutachter in der Hauptverhandlung die Identität des Betroffenen erfährt. Wichtig ist, dass eine Gefahr während des Analyseprozesses ausgeschlossen wird. Diesen Zweck erfüllt die Pseudonymisierung. ee) Der Vergleich mit der Gutachtenerstellung über hinsichtlich §§ 20, 21 StGB relevante Feststellungen Hinsichtlich Becks Vergleich der DNA-Analyse mit einem psychiatrischen Gutachten über sub specie §§ 20, 21 StGB relevante Feststellungen ist zuvorderst zuzugeben, dass durch letztgenannte Gutachten wesentlich tiefer in das Innere eines Menschen eingedrungen wird. Beispielsweise die Feststellung einer Krankheit, die die Schuld gem. § 20 StGB ausschließt, verlangt die Erforschung eines Themenkomplexes, der bei DNA-Analysen nicht nur einfachgesetzlich, sondern auch qua Verfassung ausgeschlossen ist676. Wenn nun Beck aber aus der Tatsache, dass bei Fragen betreffend §§ 20, 21 StGB Anonymität ausgeschlossen ist, den Schluss zieht, jene sei auch bei DNA-Analysen zumindest unnötig, so verkennt sie die Unterschiede beider Maßnahmen. Der Gutachter muss mit dem Betroffenen sprechen bzw. einen persönlichen Eindruck von diesem gewinnen, wenn er Feststellungen treffen soll, die i. R. d. §§ 20, 21 StGB relevant sind677. Da auch eine körperliche Begutachtung regelmäßig zu675
Beck, S. 137. BT-Drucks. 13/667, S. 11; 12/7266, S. 11; Beck, S. 91; Donner/Simon, DÖV 1990, 907 (915); Foldenauer, S. 94; Keller, NJW 1989, 2289 (2293); Krehl/Kolz, StV 2004, 447 (449); Warntjen, S. 182; vgl. auch BVerfGE 103, 21 (32). 677 Vgl. dazu, falls eine Maßnahme nach § 81 StPO in Betracht kommt BGH, NJW 1968, 2297 (2298); KG StraFo 2016, 245 (246); OLG Rostock, StV 2015, 619; KG, NStZ-RR 2013, 182; OLG Köln, NStZ-RR 2011, 18; OLG Stuttgart, StV 2004, 582; OLG Düsseldorf, StV 1998, 638; StV 1993, 571; OLG Celle, NStZ 1991, 598; NStZ 1989, 242 (243); OLG Karlsruhe, MDR 1984, 72; StV 1984, 369; NJW 1973, 573; KG, JR 1965, 69; JR 1964, 230 (231); OLG Hamburg, MDR 1964, 434 f.; OLG Oldenburg, NJW 1961, 981 (982); OLG Hamm, JMBl. NRW 1952, 195; LG Zweibrücken, VRS 106, 385; LG Aschaffenburg, StV 2004, 583 (583 f.); LG Zweibrücken, NJW 1997, 70; LG Gera, StV 1995, 631 (631 f.); Beukelmann, in: Radtke/ Hohmann, StPO, § 81, Rn. 11; Bosch, in: KMR-StPO, § 81, Rn. 23; ders., in: SSW-StPO, § 81, Rn. 18; Brauer, in: HK-StPO, § 81, Rn. 14; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81, Rn. 7; Krause, in: LR-StPO II, § 81, Rn. 17 f.; Malek/Wohlers, Rn. 337; Monka, in: BeckOK-StPO, § 81, Rn. 4; Neuhaus, in: HK-GS, § 81 StPO, Rn. 7; Rogall, in: SK-StPO I, § 81, Rn. 25; Roxin/Schünemann, § 33, Rn. 4 mit eindrucksvollem historischem Beispiel; Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 81, Rn. 11; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81, Rn. 6; Walter, in: AnwKo-StPO, § 81, Rn. 4. Auch wenn keine Maßnahme nach § 81 StPO in Betracht kommt, wird man vor dem Hintergrund der gutachterlichen Sorgfalt einen persönlichen Kontakt fordern müssen. In diesem Sinne besitzt Rogalls Ausführung a. a. O., die persönliche Konfrontation stelle das beste 676
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mindest teilweise relevant wird, muss auch eine teilanonymisierte Konfrontation von Gutachter und Betroffenem etwa via Telefon häufig ausscheiden678. Es ist zwar darauf hinzuweisen, dass der Gutachter in diesen Fällen nicht zwingend die Anschrift oder den Geburtstag des Betroffenen erfahren muss; der Namen hingegen wird dem Gutachter wohl aber mitgeteilt werden. Die Notwendigkeit einer persönlichen Konfrontation von Gutachter und Betroffenem ist bei der DNA-Analyse nicht notwendig. Dies zeigt sich schon an § 81e Abs. 2 StPO, nach dem die Analyse von Material typischerweise unbekannter Spurenleger zulässig ist. Und auch bei der Analyse von DNA-Zellen bekannter Spurenleger wird der Betroffene bei der Analyse nicht anwesend sein. In diesem praktischen Unterschied gründet die unterschiedliche Behandlung beider Maßnahmen mit Blick auf die Anonymität. Bei einem psychiatrischen Gutachten kann der Betroffene selbst entscheiden, inwieweit er mitwirken möchte. Aufgrund des nemotenetur-Grundsatzes muss er auch gar nicht äußern oder in irgendeiner Form mitwirken679. Gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 6 StPO liegt bei derartigen Gutachten ein Fall notwendiger Verteidigung vor, falls zur Vorbereitung des Gutachtens eine Unterbringung in einem Krankenhaus in Frage kommt. Gemäß § 81 Abs. 1 StPO ist der Verteidiger in einem solchen Fall zu benachrichtigen. Im Falle des psychiatrischen Gutachtens hat der Beschuldigte bedingt durch die in der Regel gegebene Notwendigkeit seiner Mitwirkung großen Einfluss auf das Gutachten. Er kann zusammengefasst wenigstens teilweise selbst bestimmen, welche Informationen er dem Gutachter zur Verfügung stellt. Das Gegenteil ist im Bereich der DNA-Analytik gegeben. Sind die Körperzellen gem. § 81a StPO zum Zwecke der DNA-Analyse entnommen, entzieht sich der weitere Fortgang des Ermittlungsverfahrens vorerst der Mitwirkung des Betroffenen. Selbst wenn der Beschuldigte einen Verteidiger haben sollte, räumt das Gesetz weder ihm selbst noch letzterem ein Recht zur Anwesenheit bei der DNA-Analyse ein. Ein solches wäre in der Sache auch nutzlos, kann doch weder der Beschuldigte noch sein Verteidiger im Regelfall den Vorgang der DNA-Analytik verstehen. Da der Betroffene keinerlei Mitwirkungsmöglichkeit hat, muss er auf die Rechtstreue des Sachverständigen vertrauen, oder, mit anderen, drastischeren Worten: Er ist jener ausgeliefert. In Ermangelung von Mitwirkungsmöglichkeiten ist die GefährdungsAufklärungsmittel dar, Allgemeingültigkeit. Dasselbe gilt für Schmitts Feststellung a. a. O., der persönliche Eindruck werde niemals ersetzbar sein; a. A. indessen, zumindest für den Fall, dass eine Einweisung nicht in Betracht kommt Peters, § 43, III. 678 OLG Köln, NStZ-RR 2011, 18; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81, Rn. 11; Krause, in: LR-StPO II, § 81, Rn. 17; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81, Rn. 6; vgl. auch OLG Düsseldorf, StV 1993, 571. 679 Zutreffend BGH, NJW 1968, 2297 (2298); OLG Celle, StV 1985, 224; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81, Rn. 19; Bosch, in: KMR-StPO, § 81, Rn. 27; ders., in: SSWStPO, § 81, Rn. 22; Brauer, in: HK-StPO, § 81, Rn. 20; Eisenberg, Rn. 1703a; Krause, in: LRStPO II, § 81, Rn. 31; Rogall, in: SK-StPO I, § 81, Rn. 1, 37; Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 81, Rn. 20; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81, Rn. 3; Wohlers, NStZ 1992, 347 (348).
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lage für die Rechte des Betroffenen ungleich höher als bei der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens. Es ist daher gerechtfertigt, dieser mit anderen Mitteln zu begegnen. Dem der DNA-Analytik innewohnenden Missbrauchspotential ist deshalb durch die Pseudonymisierung zu begegnen. ff) Zusammenfassung Im Ergebnis erweist sich die Kritik an der Pseudonymisierungsklausel des § 81f Abs. 2 S. 3 StPO als nicht stichhaltig. Da nicht alle Informationen verbunden sind, erschwert sie die naturwissenschaftliche Arbeit nicht über Gebühr. Sie wird nicht wirkungslos durch die Anwesenheit des Gutachters in der Hauptverhandlung und kann mit dem Gutachtenverweigerungsrecht in Einklang gebracht werden. Der vielfach erhobenen Forderung nach ihrer Abschaffung kann deshalb nicht zugestimmt werden. 3. Anforderungen an die DNA-Analyse, § 81f Abs. 2 S. 2 StPO Gemäß § 81f Abs. 2 S. 2 StPO hat der Sachverständige durch technische und organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass unzulässige Untersuchungen nicht durchgeführt werden und Dritte nicht unbefugterweise Kenntnis nehmen über die Erkenntnisse der Untersuchung. Die Maßnahmen sind bewusst kraft Gesetzes nicht näher bestimmt, denn nach dem gesetzgeberischen Willen sollen jeweils die Maßnahmen ergriffen werden, die dem Stand der Technik im Zeitpunkt der Analyse entsprechen680. Maßgeblich für die Zulässigkeit der Untersuchung ist der von § 81e StPO gesteckte Rahmen681. Unbefugt i. S. d. Norm soll jeder sein, der mit der Untersuchung nicht beauftragt wurde682. Falls man § 81f Abs. 2 S. 1 StPO so verstehen möchte, dass der beauftragte Sachverständige eine einzelne Person zu sein hat683, so wird man das Wort Dritte in § 81f Abs. 2 S. 2 StPO nicht in einem solchen Sinne verstehe dürfen, dass damit jeder gemeint ist, der nicht der Sachverstände selbst ist. Dies würde ansonsten zu dem Ergebnis führen, dass sich der Sachverständige keines Assistenten mehr bedienen dürfte. Daher können Dritte i. S. d. Norm nur solche sein, deren Mitwirkung an der Untersuchung nicht geboten erscheint684. Dies entspricht auch dem gesetzgeberischen Willen, nach dem nicht nur der Beauftragte, sondern
680 BT-Drucks. 13/667, S. 8; so auch Altendorfer, S. 136; Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 7; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 6; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 25 f.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 23. 681 Beck, S. 135. 682 Beck, S. 135; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 25. 683 Zur a. A. und ihren Vertretern sowie zu den Vertretern dieser Auffassung vgl. Fn. 619 (Kap. 4). 684 In diesem Sinne auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 23; vgl. implizit zumindest auch Altendorfer, S. 136.
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jeder, der planmäßig an der Untersuchung mitwirkt, befugt in diesem Sinne sein soll685.
4. Datenschutzrechtliche Kontrolle des Sachverständigen, der keine öffentliche Stelle ist § 81f Abs. 2. S. 4 StPO erklärt ohne nähere Präzision die Vorschriften von DSGVO und BDSG für anwendbar bei einer DNA-Analyse durch einen Sachverständigen, der keine öffentliche Stelle, auch wenn personenbezogene Daten weder automatisiert verarbeitet werden noch Daten in einem Dateisystem gespeichert sind oder werden sollen. Die praktische Konsequenz der Norm ergibt sich, wenn man die Anwendbarkeit der genannten Gesetze bezogen auf den Sachverständigen i. R. d. DNA-Analytik näher betrachtet. Bemerkenswert erscheint v. a., dass Vorschriften der DSGVO im Strafverfahren Anwendung finden sollen, obgleich Art. 2 Abs. 2 lit. d DSGVO das Strafrecht von Anwendungsbereich der DSGVO ausnimmt. Die Anwendbarkeit des BDSG ergibt sich jedoch ohnehin aus § 500 StPO686. Diese nicht näher bestimmten Normen sollen auch dann Anwendung finden, wenn personenbezogene Daten nicht automatisiert verarbeitet werden und wenn Daten nicht in einem Dateisystem gespeichert sind oder werden sollen. Die Konditionalsätze legen nahe, dass es sich bei den nicht näher präzisierten Normen um solche handelt, die grundsätzlich eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten oder eine bereits getätigte oder geplante Speicherung von Daten in Dateisystemen als Voraussetzung haben. Die historische Entwicklung der Norm hilft ihre genaue Aussage zu verstehen. § 81f Abs. 2 S. 4 StPO verwies in der Fassung bis zur Anpassung der Norm Ende 2019 auf § 38 BDSG a. F. Demnach waren die Aufsichtsbehörden mit der Überwachung der Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften betraut, soweit die Vorschriften eine automatisierte Verarbeitung oder den Umgang mit Daten in oder aus Dateisystemen regelten. Eine ältere Fassung des BDSG verlangte ferner für die Überprüfung hinreichende Anhaltspunkte für eine Verletzung der datenschutzrechtlichen Vorschriften687. Diese Voraussetzungen für die Kontrolle wollte der Gesetzgeber indessen für den Bereich der DNA-Analytik nicht aufstellen, sodass § 38 BDSG a. F. gem. § 81f Abs. 2 S. 4 StPO a. F. mit der Maßgabe Anwendung fand, dass nicht öffentliche Sachverständige überwacht wurden, obschon keine hinreichenden Anhaltspunkte für 685
BT-Drucks. 13/667, S. 8; so auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 7; ders., in: SSWStPO, § 81f, Rn. 6. 686 Für die Unterwerfung des Sachverständigen unter das Regime der JI-RL und des BDSG bereits Mysegades, CR 2018, 225 (230). 687 Vgl. § 38 Abs. 1 BDSG in der Fassung v. 20. 12. 1990 (BGBl. I, S. 2954).
§ 4 Formelle Voraussetzungen
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die Verletzung datenschutzrechtlicher Regelungen gegeben waren. Auf eine automatisierte Verarbeitung oder Speicherung sollte es ebenso wenig ankommen. Es ging zusammengefasst und vereinfach gesagt um eine Ausweitung datenschutzrechtlicher Kontrolle durch den Staat bei nicht staatlichen DNA-Laboren im Hinblick auf die Regeln des § 81f Abs. 2 StPO688. Datenschutzrechtliche Belange sollten nicht nur bei automatisierter Verarbeitung und der Speicherung in Dateisystemen, sondern auch dann berücksichtigt und kontrolliert werden, falls die Verarbeitung in Akten geschah689. Die Novellierung im Jahre 2019 bezweckte ausweislich der Materialen eine bloße, auf der Novellierung von BDSG und der Einführung der DSGVO gründende „Folgeänderung“, die sicherstellen soll, dass auch nicht öffentliche Stellen die neuen datenschutzrechtlichen Regelungen befolgen – unabhängig von der Technik, also unabhängig davon, ob eine automatisierte Verarbeitung stattfindet, unabhängig davon, ob Daten gespeichert sind oder werden sollen690. Auf die Besorgnis eines Gesetzesverstoßes hat der Gesetzgeber verzichtet, weil ein solches Erfordernis nach der neuen Gesetzlage gem. § 40 BDSG i. V. m. Art. 55, 57 DSGVO ohnehin nicht bestehe691. Der Gesetzgeber führt weiter aus, die Sachverständigen unterlägen damit der Kontrolle gem. § 40 BDSG692. Ob die datenschutzrechtlichen Standards von BDSG und DSGVO eingehalten werden, wenn eine nicht öffentliche Stelle die DNAAnalyse durchführt, kontrolliert daher die nach Landesrecht zuständige Aufsichtsbehörde. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, welche Vorschriften des Datenschutzrechtes für den Sachverständigen überhaupt gelten. Gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 BDSG gilt das BDSG für nicht öffentliche Stellen nur, soweit sie personenbezogene Daten automatisiert oder solche Daten generell verarbeiten, die in Dateisystemen gespeichert sind oder werden sollen. Dasselbe gilt gem. Art. 2 Abs. 1 DSGVO, aber unabhängig davon, wer Verarbeiter ist. Da auf diese Einschränkung durch die Konditionalsätze des § 81f Abs. 2 S. 4 StPO verzichtet 688 So zutreffend bereits zusammengefasst bei Brauer, in: HK-StPO, § 81f, Rn. 8; Eisenberg, Rn. 1687d; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81f, Rn. 9; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 30; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 7; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 17; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81f, Rn. 12; krit. zur systematischer Einordnung Bosch, in: KMRStPO, § 81f, Rn. 10; Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 26; i. E. ebenso Bosch, in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 9; krit. zu der Norm insgesamt Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81f, Rn. 9, die die Norm ohne nähere Begründung für überflüssig hält. 689 Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 10; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 9; Brauer, in: HK-StPO, § 81f, Rn. 8; Eisenberg, Rn. 1687d; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81f, Rn. 9; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 30; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 7. 690 BT-Drucks. 19/04671, S. 60. 691 BT-Drucks. 19/04671, S. 60. 692 BT-Drucks. 19/04671, S. 60.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
wird, ist der Sachverständige i. R. v. DNA-Analysen an jene Gesetze ebenso gebunden. Die eingangs aufgestellte These, es werde auf solche Normen verwiesen, die eine automatisierte Verarbeitung oder Speicherung voraussetzen hat sich insofern bestätigt, als dass dies auf alle Normen des BDSG und der DSGVO hinsichtlich nicht öffentlicher Stellen zutrifft. Es bleibt daher bei der Aussage, § 81f Abs. 2 S. 4 StPO erweitere die datenschutzrechtliche Kontrolle, indes durch eine Erweiterung des Anwendungsbereiches maßgeblicher datenschutzrechtlicher Regelungen im Hinblick auf DNA-Analytik für Zwecke des Strafverfahrens.
§ 5 Die Verwertbarkeit von rechtswidrig erlangtem Material im Hinblick auf die DNA-Analyse und von rechtswidrigen Analyse-Ergebnissen Bis hieran wurde untersucht, welchen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen DNAAnalysen im deutschen Strafverfahrensrecht unterliegen. Auch auf die Vorausaussetzungen der Zellgewinnung wurde eingegangen. Freilich kann es in praxi zu Fehlern kommen. Man denke an heimliches Vorgehen bei der Zellgewinnung, das bereits für unzulässig erklärt wurde693. Man denke i. R. d. Zellgewinnung aber auch eine unbegründete Annahme staatsanwaltschaftlicher oder polizeilicher Eilkompetenz und damit an einen Verstoß gegen das in § 81a Abs. 2 S. 1 StPO geregelte Gebot grundsätzlich richterlicher Anordnung. Auch im Bereich der DNA-Analytik selbst sind Verstöße gegen die Beschränkungen der §§ 81e, 81f StPO denkbar. Was dies betrifft, ist etwa an eine Feststellung zu denken, die § 81e StPO nicht gestattet, oder ebenso an eine irrige Annahme von Eilkompetenz entgegen § 81f Abs. 1 S. 1 StPO. Die Folgen derartiger Rechtswidrigkeit sub specie der Verwertbarkeit der daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen im Folgenden erörtert werden. Ehe sich der genannten speziellen Fragen im Bereich der DNA-Analytik angenommen werden kann, ist es jedoch nötig, die allgemeine Dogmatik der strafprozessualen Verwertungsverbote kurz darzustellen.
I. Die Abwägungslehre des BGH Bereits im ersten Teil des juristischen Bereiches dieser Arbeit ist auf den scheinbaren Gegensatz von Datenschutz- und Strafverfahrensrecht hingewiesen worden694. In diesem Zusammenhang wurde bereits auf die Rechtsprechung des 693 694
Kap. 4 § 1 III. Vgl. oben Kap. 3 § 1.
§ 5 Die Verwertbarkeit von rechtswidrig erlangtem Material
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BGH rekurriert, nach der ein Verwertungsverbot nicht zwingende Folge eines Beweiserhebungsverbotes ist695. Es sei die Ausnahme, da so ein wesentlicher Grundsatz des Strafverfahrens – die Aufklärung der Wahrheit – eingeschränkt werde696. Vielmehr ist demgemäß eine Abwägung vorzunehmen zwischen den Rechten des Einzelnen und dem Recht, besser jedoch der Pflicht des Staates zu Strafverfolgung697. Nach dieser Dogmatik sind Argumentationstopoi für die Verwertbarkeit die Schwere des im Raume stehenden Deliktes698 und die daraus resultierenden Strafhöhe699, sowie eine entsprechende Qualität des Verdachtsgrades700. Quasi neutral701 ist das Gewicht des Beweismittels zu berücksichtigen702, ebenso die hypothetische Möglichkeit einer rechtmäßigen Gewinnung im Einzelfall703. Gegen die Verwertbarkeit soll ein entsprechendes Gewicht des Grundrechts704 an sich und des Grundrechtseingriffes im Einzelfall705, d. h. des Verfahrensverstoßes706 sprechen, 695 St. Rspr., vgl. nur BGHSt 19, 325 (331, 333); 24, 125 (130); 27, 355 (357); 31, 304 (307 f.); 37, 30 (32); 38, 214 (219 f.); 38, 372 (373 f.); 44, 243 (249); 47, 172 (179 f.); 51, 285 (289 f.); 54, 69 (87); 58, 84 (96); NStZ 2016, 111 (113). 696 S. nur BGHSt 27, 355 (357); 37, 30 (32); 42, 372 (377); 44, 243 (249); 51, 285 (290); 54, 69 (87); 58, 84 (96); NStZ 2016, 111 (113); in diesem Sinne auch BGHSt 32, 68 (71); 35, 32 (34); 47, 172 (179 f.); ebenso BVerfGE 130, 1 (28). 697 Vgl. BGHSt 19, 325 (332); 24, 125 (130); 37, 30 (32); 38, 214 (219 f.); 38, 372 (373 f.); 44, 243 (249); 47, 172 (179 f.); 51, 285 (290); 54, 69 (87); 58, 84 (96); NStZ 2016, 111 (113); in diesem Sinne auch BGHSt 46, 189 (195) zu § 252 StPO, obschon hier der Gesetzgeber die Abwägung durch ein explizit normiertes Verbot vorweggenommen hat; krit. zum Begriff der „Abwägungslehre“ indessen Rogall, in: Höpfel/Huber (Hrsg.), Beweisverbote, 119 (136 f.), der stattdessen den Begriff der „normative[n] Fehlerfolgenlehre“ vorzieht. 698 Vgl. BGHSt 19, 325 (332 f.); i. E. auch BGHSt 47, 172 (179 f.); LG Heilbronn, StV 2005, 380 (382); LG Bonn, NJW 1981, 292 (293AG Braunschweig, StV 2001, 393 (395); Krehl, NStZ 2003, 461 (463); Neuber, NStZ 2019, 113; Roxin/Schünemann, § 24, Rn. 20; krit. indessen zu einer Anknüpfung am Tatunrecht sub specie der Unschuldsvermutung Schilling, S. 165. 699 LG Heilbronn, StV 2005, 380 (382); in diesem Sinne auch LG Bonn, NJW 1981, 292 (293). 700 BGHSt 19, 325 (333); 37, 397 (401); vgl. in diesem Sinne auch OLG Koblenz, NStZ 2002, 660 (661). 701 Für eine Kategorisierung der Abwägungsparameter i. S. e. Pro/Contra-Schemas vgl. Gropp, StV 1987, 216, (224 f.). 702 Vgl. z. B. BGHSt 19, 325 (332); 34, 397 (401); vgl. auch Krehl, NStZ 2003, 461 (463); Neuber, NStZ 2019, 113. 703 Vgl. etwa BGHSt 24, 125 (130); 34, 39 (53); 44, 243 (250); 51, 285 (291); OLG Frankfurt a. M., NStZ-RR 2011, 46 (48); OLG Karlsruhe, NStZ 2005, 399 (400); OLG Koblenz, NStZ 2002, 660 (661); OLG Celle, VRS 36, 430 (431); OLG Hamm, NJW 1965, 1089 (1090); LG Itzehoe, StV 2008, 457 (458); LG Bonn, NJW 1981, 292 (293); AG Berlin Tiergarten, StraFo 2007, 73 (74); StV 2003, 663 (664); AG Braunschweig, StV 2001, 393 (394); AG Offenbach a. M., StV 1993, 406 (407). 704 BGHSt 19, 325 (333); AG Braunschweig, StV 2001, 393 (395). 705 BGHSt 19, 325 (332 f.); 42, 372 (377 f.); OLG Hamm, NJW 1965, 1089; LG Itzehoe, StV 2008, 457 (458); AG Braunschweig, StV 2001, 393 (395); AG Offenbach a. M., StV 1993, 406 (407); Neuber, NStZ 2019, 113.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
ebenso, wenn die verletzte Norm gerade den Schutz den Angeklagten bezweckt707, sowie die Vorwerfbarkeit des Gesetzesverstoßes in dem Sinne, ob vorsätzlich und willkürlich missachtet, fahrlässig oder leichtsinnig verkannt wurde, dass die Beweiserhebung unzulässig ist, d. h., ob die sich ex post als rechtswidrig eingestufte Maßnahme ex ante zumindest vertretbar war708. Nach alledem ist eine Prognose, wann Unverwertbarkeit vorliegt, bereits bei Betrachtung des Einzelfalles schwierig709, ohne sie unmöglich710. Dennoch gibt für den Bereich der DNA-Analytik typische Konstellationen, die es erlauben, zumindest Aspekten der Frage nach Beweisverwertungsverboten in diesem Rechtskomplex nachzugehen. 1. Im Hinblick auf rechtswidrig erlangtes Material Was die die Zellgewinnung betrifft, ergeben sich keine DNA-spezifischen Besonderheiten. Wird der Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 S. 1 StPO nicht vorsätzlich ignoriert, droht kein Beweisverwertungsverbot711. Dasselbe gilt, falls die Maßnahme 706 Vgl. nur BGHSt 38, 372 (373 f.); 42, 372 (377); 44, 243 (249); 47, 172 (180); 51, 285 (290); 54, 69 (87); 58, 84 (96); NStZ 2016, 111 (113). 707 BGHSt 38, 214 (220); 38, 372 (374); 58, 84 (96); NStZ 2016, 111 (113); vgl. auch BGHSt 37, 30 (32) bei Verstößen gegen das Völkerrecht. 708 Statt vieler BVerfGE 113, 29 (61); 130, 1 (28); NJW 2008, 3053 (3054); NJW 2006, 2684 (2686); BGHSt 24, 125 (130 f.); 41, 30 (34); 44, 243 (250); 47, 362 (366); 48, 240 (248); 51, 285 (291 f.); 58, 84 (97); NStZ 2016, 111 (113); NStZ-RR 2014, 318 (319); NStZ 2012, 104 (105); Dencker, DAR 2009, 257 (260 f.); Einmahl, NJW 2001, 1393 (1396); Krehl, NStZ 2003, 461 (463); Krekeler, NStZ 2003, 263 (265); ders./Löffelmann, in: AnwKo-StPO, Einl., Rn. 141 a. E.; Mitsch, AfP 2012, 521 (524); Neuber, NStZ 2019, 113; Prittwitz, StV 2008, 486 (488); Radtke, NStZ 2017, 177 (181); Roxin, NStZ 1989, 375 (379). 709 Neuber, NStZ 2019, 113. 710 Zutreffend Neuber, NStZ 2019, 113: „Trotz oder gerade wegen dieser formulierten Abwägungskriterien ist eine Prognose, (…), kaum möglich, (…). (…). Mit anderen Worten: Die größte Schwäche der Abwägungslehre ist die fehlende Rechtssicherheit.“. Vgl. auch Amelung, NJW 1991, 2533, der die Abwägungslehre zutreffend als „konturenlos“ bezeichnet; i. d. S. auch Jahn, JuS 2016, 1138 (1140), der von einer „schwer vorhersehbare[n] Einzelfallbetrachtung“ spricht; a. A. Radtke, NStZ 2017, 177 (180). 711 BVerfG, NJW 2008, 3053 (3054); OLG Nürnberg, NStZ-RR 2017, 286; OLG Frankfurt a. M., NStZ-RR 2011, 46 (48); OLG Celle, StV 2010, 14; OLG Düsseldorf, NZV 2010, 306 (306 f.); OLG Köln, StV 2010, 622 (623); OLG Frankfurt, DAR 2010, 145 (146); OLG Jena, VRS 116, 105 (108 ff.); OLG Karlsruhe, StraFo 2009, 461 (462); KG, NStZ-RR 2009, 243; OLG Hamburg, VRS 114, 275 (280 ff.); OLG Stuttgart, NStZ 2008, 238 (239); OLG Hamburg, NJW 2008, 2597 (2599); OLG Karlsruhe, NStZ 2005, 399 (400); LG Itzehoe, StV 2008, 457 (458); Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81a, Rn. 29; Brauer, in: HK-StPO, § 81a, Rn. 33; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81a, Rn. 42; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81a, Rn. 13; Krause, in: LR-StPO II, § 81a, Rn. 94; Mitsch, AfP 2012, 521 (524); Neuhaus, in: HK-GS, § 81a StPO, Rn. 24 ff.; Rudolphi, MDR 1970, 93 (97 f.); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81a, Rn. 32a; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81a, Rn. 42; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81a, Rn. 23.
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nicht durch einen Arzt vorgenommen wird712, soweit man der hier vertretenen Auffassung, dass es für einen Wangenabstrich keiner ärztlichen Mitwirkung bedarf713, nicht zu folgen vermag. Fehler bei der Zellentnahme beim Dritten gem. § 81c StPO führen schon deshalb zu keinem Bewertungsverbot, weil § 81c StPO den Schutz des Dritten und nicht des Angeklagten Schutz bezweckt714. Im Ergebnis ebenso wird die rechtswidrige Zellgewinnung mittels heimlichen Vorgehens zu beurteilen sein. Hier gilt es zu sehen, dass mangels entgegenstehender höchstrichterlicher Rechtsprechung den Strafverfolgungsbehörden nicht einmal der Vorwurf der Fahrlässigkeit gemacht werden kann. Ebenso gilt es zu sehen, dass mittels DNA-Analytik hauptsächlich schwerste Verbrechen aufgeklärt werden715, was für die Verwertung spricht. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn man den damit verbundenen Grundrechtseingriff als so schwerwiegend einstuft, dass ein Beweisverwertungsverbot von Verfassungs wegen die Folge wäre716. In diesem Zusammenhang gilt es zu sehen, dass das BVerfG die Abwägungslehre des BGH der Sache nach billigt und Ver712 BGHSt 24, 125 (130 f.); 38, 214 (219); BayObLGSt 15, 128 (129); BayObLG bei Rüth, DAR 1970, 253 (264); DAR 1966, 253 (261 f.); OLG Hamm, VRS 38, 127; OLG Celle, VRS 36, 430 (431); OLG Bremen, VRS 36, 190 (182); OLG Hamm, DAR 1969, 276 f.; OLG Köln, VRS 30, 62 (63); OLG Hamm, NJW 1965, 1089 (1089 f.); OLG Oldenburg, NJW 1955, 683; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81a, Rn. 29; Beulke, ZStW 103 [1991], 657 (672); Bosch, in: KMR-StPO, § 81a, Rn. 51; ders., in: SSW-StPO, § 81a, Rn. 33; Brauer, in: HKStPO, § 81a, Rn. 32; Fezer, JuS 1978, 612; Gössel, in: FS Bockelmann, 801 (817); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81a, Rn. 13; Händel, BA 1972, 230 (235 ff.); Henkel, § 65, I.; Kleinknecht, NJW 1964, 2181 (2184); Krause, in: LR-StPO II, § 81a, Rn. 96; Müssig, GA 1999, 119 (133); Neuhaus, in: HK-GS, § 81a StPO, Rn. 23; Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 135; Roxin/ Schünemann, § 24, Rn. 49; Rudolphi, MDR 1970, 93 (98); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81a, Rn. 32b; Schöneborn, GA 1975, 33 (41); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81a, Rn. 41; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81a, Rn. 23; a. A. Kohlhaas, DAR 1956, 201 (205); ders., JR 1966, 186 (188); ders., DAR 1973, 10 (14); Schellhammer, NJW 1972, 319 (320); Schmidt, MDR 1970, 461 (464 f.); Wedemeyer, NJW 1971, 1902 f. 713 Dazu schon Kap. 4 § 1 I. 1. b) ff). 714 Vgl. insoweit die auf die Zellgewinnung übertragbare Argumentation hinsichtlich der Verwertbarkeit von fehlerhaft vorgenommenen DNA-Analysen beim Dritten Brauer, in: HKStPO, § 81f, Rn. 11; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 146; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81f, Rn. 11; Graalmann-Scheerer, Kriminalistik 2000, 328 (332); Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 38; Pommer, JA 2007, 621 (623); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 9; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81f, Rn. 15; i. E. ebenso Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 11, der dies jedoch damit begründet, dass die Normen nur außerprozessualen Zwecken dienten; i. E. ebenso ohne Begründung Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 28. 715 BR-Drucks. 117/17, S. 2; vgl. auch Deckers, DRiZ 2017, 89; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81e, Rn. 15; Sternberg-Lieben, NJW 1987, 1242 (1244); zum verfassungsrechtlichen Auftrag der Aufklärung gerade schwerster Kriminalität vgl. BVerfGE 29, 193 (194); 33, 367 (383); 36, 174 (186); Jansen, ZIS 2020, 233 (236). 716 Zur Möglichkeit eines solchen im Allgemeinen BGHSt 31, 304 (308); 38, 214 (219); Knauth, NJW 1978, 741 (743); Gössel, in: FS Bockelmann, 801 (809).
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
wertungsverbote selbst von Verfassungs wegen als Ausnahme ansieht717. Freilich wiegt der Grundrechtseingriff i. R. d. Zellgewinnung durch heimliches Vorgehen, besonders schwer. Maßgeblich sind dabei alleine die Heimlichkeit und die damit verbundenen verfassungsrechtlichen Probleme nicht718. Entscheidend ist viel eher, dass der Staat zielgerichtet einen Datenträger in seinen Besitz vereinnahmt, dem alle Informationen über die Veranlagung des Menschen innewohnen, welche ohne weiteres und ohne gerichtliche Kontrolle herausgelesen werden können. Besonders schwer wiegt dies, weil die Voraussetzungen der §§ 81a, 81c StPO von den Strafverfolgungsbehörden zwar mit Billigung des BGH, aber gleichwohl gezielt umgangen werden. Für ein Verwertungsverbot spricht daher viel. Gleichwohl führt dies nicht zwingend dazu, dass die Zellen nicht für DNAAnalysen eingesetzt werden können. Angesprochen ist das Problem der Fernwirkung, also die Frage, ob ein an sich nicht verwertbares Beweismittel (hier die Zellen) zur Unverwertbarkeit eines anderen führt (hier das Ergebnis der DNA-Analyse). Dies wird grundsätzlich719 abgelehnt720. Es kann mithin davon ausgegangen werden, dass 717
BVerfGE 130, 1 (28). Dazu oben Kap. 4 § 1 III. 3. e) aa). 719 Für eine Fernwirkung wird hauptsächlich, aber nicht nur bei einem Verstoß gegen § 136a StPO plädiert. Dafür etwa OLG Oldenburg, NStZ 1995, 412; LG Hannover, StV 1986, 521 (522); Adler, StraFo 2002, 146 (154); Beulke, ZStW 103 [1991], 657 (669); Fezer, JZ 1987, 936 (938); Eisenberg, Rn. 722; Güntge, in: Alsberg, Beweisantrag, Kap. 5, Rn. 239; Grünwald, StV 1987, 470 (473 f.); Kohlhaas, DAR 1971, 62 (66 f.); Kretschmer, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 136a, Rn. 42 ff.; Meyer-Mews, HRRS 2015, 398 (400); Mehle, AG Strafrecht 1988, 172 (185 f.); Neuhaus, NJW 1990, 1221 (1222); Nüse, JR 1966, 281 (284); Osmer, S. 35 ff.; Otto, GA 1970, 289 (294 f.); Peters, Gutachten für den 46. DJT, 91 (160), ders., § 41, II., 4. b), c); Reichert-Hammer, JuS 1989, 446 (450); Roxin, in: FS 40 Jahre BGH, 66 (94 – 98); ders., in: FS Eser, 461 (471); Rüping, Kap. 2, Rn. 108; Seebode, JR 1988, 426 (430 ff.); Schuhr, in: MüKoStPO I, § 136a, Rn. 98; Spendel, JuS 1964, 465 (471); ders., NJW 1966, 1102 (1105); Weigend, StV 2011, 325 (329); Wolter, NStZ 1984, 275 (278); explizit gegen eine Fernwirkung i. R. v. § 136a StPO aber BGHSt 37, 48 (53 f.); 55, 314 (319); LG Frankfurt a. M., StV 2003, 325 (327); Baumann, GA 1959, 33 (42 f.); Gössel, in: FS Bockelmann, 801 (817); Ranft, in: FS Spendel, 719 (735 f.); zum besonderen Fall der Fortwirkung BGHSt 17, 364 (367 f.); 35, 328 (332); BGH, StV 1994, 62 (63); wo der BGH die Anwendung verbotener Methoden i. S. d. § 136a vor der Vernehmung auf ebenjene durchschlagen ließ; in diesem Sinne auch BGHSt 37, 48 (54); LG Aachen, NJW 1978, 2256 (2257); Erbs, NJW 1951, 386 (389 f.); Hassemer, JuS 1991, 81 (82); abl. dagegen Joerden, JuS 1993, 927 (931). Vgl. jenseits von § 136a StPO etwa BGHSt 34, 39 (52), wo der BGH aber aus der Unzulässigkeit einer Tonbandaufnahme auf die Unverwertbarkeit der darauf gründenden Gutachten schließt; ähnlich BGHSt 19, 325 (334), wo der BGH es verbietet, über den durch rechtswidrige Verwendung bekanntgewordenen Inhalt von Tagebüchern auf andere Art Beweis zu erheben. 720 Vgl. BGHSt 22, 129 (135); 27, 355 (358); 32, 68 (71); 34, 362 (364); 35, 32 (34); 51, 1 (7); 55, 314 (319); NStZ-RR 2016, 216; NStZ 1996, 200 (201); NStZ 1996, 48; OLG Koblenz, StraFo 2016, 329 (333); OLG Köln, NZV 2001, 137 (138); OLG Hamburg, MDR 1976, 601; OLG Stuttgart, NJW 1973, 1941 (1942); LG Aachen, NJW 1978, 2256 (2257); Ahlbrecht, in: HK-StPO, § 136a, Rn. 53; Bader, in: KK-StPO, Vorb. § 48, Rn. 45; ders., NZI 2009, 416 (417); Beulke, Jura 2008, 653 (661); Dallmeyer, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. II, Rn. 419; Finger, JA 2006, 529 (539); Gössel, § 22, B., III., d), 2.; ders., GA 1991, 483 (510); ders., in: LR-StPO I, Einl., Abschnitt L, Rn. 171 ff., 177; Heinitz, JR 1964, 441 (444); Kleinknecht, NJW 1964, 2181 718
§ 5 Die Verwertbarkeit von rechtswidrig erlangtem Material
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die Erhebungsverbote die Zellgewinnung betreffend auf die DNA-Analytik als solche grundsätzlich keine Auswirkung haben721. 2. Im Hinblick auf rechtswidrige DNA-Analysen, insbesondere im Hinblick auf überschießende Feststellungen unter Verstoß gegen § 81e Abs. 1 S. 2 StPO Die Frage nach der Wirkung von Verstößen gegen formale Voraussetzungen der DNAwird man ebenso entsprechend beantworten können. Wird der Richtervorbehalt nicht vorsätzlich umgangen, droht kein Beweisverwertungsverbot722. Nichts anderes kann gelten, wenn die Vorgaben des § 81f Abs. 2 nicht beachtet werden723. Ob von § 81e StPO nicht gedeckte Feststellungen verwertbar sind, ist umstritten. Eine Auffassung geht davon aus, diese Frage fände ihre Antwort im Einzelfall im Wege der allgemeinen Abwägungsdogmatik724. Ein der deutschen Strafverfahrensrechtsystematik fremdes, pauschales Verwertungsverbot ergebe sich aus dem (2185); ders., NJW 1966, 1537 (1544); Kramer, Jura 1988, 520 (524); Krey/Heinrich, Rn. 1632; Monka, in: BeckOK-StPO, § 136a, Rn. 33; Pegel, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 261, Rn. 38; Petry, S. 126 f.; Ranft, in: FS Spendel, 719 (734 ff.); Rogall, ZStW 91 [1979], 1 (39); Roxin/Schünemann, § 24, Rn. 60; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 136a, Rn. 31; i. d. S. auch BVerfG, NJW 2018, 2385 (2388); Dallinger, SJZ 1950, 732 (734); Radtke, NStZ 2017, 177 (181); Zaczyk, StV 1993, 490 (497). 721 I. E. auch Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 33; a. A. ohne Begründung nur Eisenberg, Rn. 1685a. 722 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 147; Graalmann-Scheerer, JR 1999, 453 (454); Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 36; Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 28; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 21; für ein Verwertungsverbot im Falle des Ausbleibens jedweder Anordnung, wenn durch den Angeklagten bzw. dessen Verteidiger der Verwertung widersprochen wurde Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81f, Rn. 5; Brauer, in: HK-StPO, § 81f, Rn. 11; Eisenberg, Rn. 1693; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81f, Rn. 11; Graalmann-Scheerer, JR 1999, 453 (455); dies., in: FS Rieß, 153 (156); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81f, Rn. 12; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 36; Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 28; Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 9; der BGH, NStZ 2010, 157 verlangt einen Widerspruch „jedenfalls“ dann, wenn die Zellprobe zwar freiwillig abgegeben wurde, indessen die Einwilligung nicht schriftlich erfolgte; für ein Verwertungsverbot Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 11; Neuhaus, in: HK-GS, § 81f StPO, Rn. 8. 723 Vgl. BGHSt 58, 84 (91); BGH, NStZ 1999, 209; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81f, Rn. 5; Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 12; ders. in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 11; Brauer, in: HK-StPO, § 81f, Rn. 11; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 147; Goers, in: BeckOKStPO, § 81f, Rn. 11; Graalmann-Scheerer, Kriminalistik 2000, 328 (333); dies, in: FS Rieß, 153 (159 f.); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81f, Rn. 12; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 39; Neuhaus, in: HK-GS, § 81f StPO, Rn. 8; Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 28; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 9; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 23; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81f, Rn. 15. 724 So etwa Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 148; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81e, Rn. 7; Senge, NJW 1997, 2409 (2411); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 20; Walther, in: AnwKoStPO, § 81e, Rn. 9; wohl auch Burr, S. 156.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
Wortlaut des § 81e StPO nicht. Es bleibe bei der allgemeinen Regel der Abwägung, der ansonsten widersprochen würde725. In systematischer Hinsicht sei m zu bedenken, dass der Gesetzgeber ein Verwertungsverbot explizit statuiert habe, wo er ein solches für notwendig erachte726. Uneinigkeit besteht bei Übereinstimmung im Ergebnis innerhalb des Lagers dieser Meinung indes ob der Auffassung des Gesetzgebers. So zitiert Walther die Gesetzgebungsmaterialien als Beleg gegen ein Beweisverwertungsverbot727, während Trück, Hadamitzky und Senge jeweils die Annahme eines Beweisverwertungsverbot durch den Gesetzgeber anerkennen, diesem aber widersprechen728. Burr stellt die Gesetzgebungsmaterialen lediglich dar; ob er der zitierten Auffassung der Bundesregierung folgen möchte oder bei seinem Abstellen auf die Abwägungslehre verharrt, ergibt sich nicht729. Der BGH scheint hinsichtlich Erhebungsverboten die DNA-Analytik betreffend ebenso seiner Abwägungsdogmatik verbunden zu bleiben. Nicht mit einem Fehler i. R. v. § 81e StPO, sondern mit einem zu § 81h StPO hatte er sich im Jahre 2012 zu befassen730. Die in dem Urteil vorgebrachte Argumentation könnte man aber auf Fälle des § 81e StPO übertragen, da die Spezifika des § 81h StPO keine Rolle spielten731. Vielmehr hatte der BGH die Frage zu beantworten, ob die – seiner Auffassung nach732 – nach damaliger Rechtslage733 unzulässige Feststellung734 der Verwandtschaft eines Probanden mit dem Täter ein Verwertungsverbot nach sich zieht. Dies hat der BGH unter Bezug auf die Abwägungslehre verneint735.
725 Burr, S. 156; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81e, Rn. 7; Senge, NJW 1997, 2409 (2411, Fn. 37); vgl. auch Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 20; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81e, Rn. 9. 726 Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 20; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81e, Rn. 9. 727 Walther, in: AnwKo-StPO, § 81e, Rn. 9, Fn. 11. 728 Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81e, Rn. 7; Senge, NJW 1997, 2409 (2411, Fn. 37); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81e, Rn. 20. 729 Burr, S. 156 f. 730 BGHSt 58, 84. 731 Die von der Revision diesbezüglich gerügten Verstöße – Missachtung der Löschungspflichten des § 81h StPO und der Anonymisierungspflichten, Verkennung der Reichweite einer Einwilligung i. R. v. § 81h StPO, mithin Spezifika des § 81h StPO – ließ der BGH als solche nicht gelten, BGHSt 58, 84 (88–91). 732 In der Literatur gab es indes auch Stimmen, die die Erhebung entsprechender Informationen für zulässig erachtete, vgl. Brocke, StraFo 2011, 298 (304); Magnus, ZStW 126 [2014], 695 (701); Rogall, JZ 2013, 874 (879); dagegen aber Busch, NJW 2013, 1771 (1772); Doege/Frahm, in: FS Ostendorf, 227 (240); Jahn, JuS 2013, 470 (472); Kanz, ZJS 2013, 518 (520); Swoboda, StV 2013, 461 (463). 733 Die Frage wurde durch eine entsprechende Änderung des § 81h StPO durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. 08. 2017 (BGBl. I, S. 3202) geklärt – die Feststellung der Verwandtschaft ist explizit erlaubt. Ausführlich zu zulässigen Feststellungen i. R. d. § 81h StPO unten Kap. 5 § 2. 734 BGHSt 58, 84 (93). 735 BGHSt 58, 84 (96 ff.).
§ 5 Die Verwertbarkeit von rechtswidrig erlangtem Material
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Es gibt aber gleichwohl auch Stimmen, die von einem strikten Verwertungsverbot bezüglich überschießender Erkenntnisse ausgehen736. Die Vertreter jener Auffassung berufen sich auf die anderenfalls unterlaufen zu werden drohende Zweckbindungsregelung des § 81e StPO737. Außerdem wird auch innerhalb dieses Lagers auf den Willen des Gesetzgebers abgestellt738. An jenen anknüpfend erläutert Brauer, nur weil der Gesetzgeber von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen sei, habe er auf eine Beschränkung der DNA-Analyse auf den nicht codierenden Bereich verzichtet739. In diesem Sinne wird man ebenso Murmanns Auffassung verstehen müssen, das Verbot der Feststellung sei insbesondere ein Verbot der Einführung in das Strafverfahren740. So verstanden würde jener dann mit dem Wortlaut des § 81e StPO („festgestellt“) für ein Verwertungsverbot argumentieren. Vorzugswürdig ist die Annahme eines Verwertungsverbotes. Es mutet a priori interessant an, dass die Diskussion nur davon handelt, ob dem § 81e StPO ein Verwertungsverbot zu entnehmen ist. Keine Erwähnung findet die Möglichkeit eines Verbotes von Verfassungs wegen. Die Diskussion über ein solches wäre tatsächlich aber auch erst dann sinnvoll, falls nicht schon § 81e StPO selbst ein Verwertungsverbot aufstellt. Ob die Verfassung es dann gebietet, die Verwertung weiterer Feststellungen zu verbieten, bedürfte keiner Klärung, denn dem Gesetzgeber steht es frei, auf eine Verwertung zu verzichten, wenn die Verfassung dies auch nicht verlangen würde. Zuvorderst ist klarzustellen, dass entgegen den in beiden Lagern vorzufindenden Stimmen der Wortlaut das Ergebnis nicht präjudiziert. Soweit die Befürworter des Verwertungsverbots auf das Wort „festgestellt“ abstellen, kann eine über die Beweiserhebung hinausgehende Bedeutung nicht festgestellt werden. Eine Gleichsetzung von Feststellung und Verwertung würde den Sinn des Wortes „festgestellt“ doch überdehnen. Zurückzuweisen sind aber auch diejenigen Stimmen, die im Sinne eines 736 BT-Drucks. 13/667, S. 7; Brauer, in: HK-StPO, § 81e, Rn. 8; Graalmann-Scheerer, Kriminalistik 2000, 328 (332 f.); dies., in: FS Rieß, 153 (163); Rogall, in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 21; Volk, NStZ 2002, 561 (564); jeweils ohne Begründung Beukelmann, in: Radtke/ Hohmann, StPO, § 81e, Rn. 4; Bosch, in: KMR-StPO, § 81e, Rn. 14; ders., in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 14; Neuhaus, in: HK-GS, § 81e StPO, Rn. 3; Eisenberg, Rn. 1682a; Kaefer, Kriminalistik 2000, 210 (212); Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 46; Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 81e, Rn. 4, 14; wohl auch Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 372. 737 Graalmann-Scheerer, Kriminalistik 2000, 328 (333); dies., in: FS Rieß, 153 (163); ebenso Goers, in: BeckOK-StPO, § 81e, Rn. 18, wobei Goers sich nicht für eine der Auffassung entscheidet, sondern die Zweckbindung als Argument einer nicht näher belegten h. M. heranzieht. 738 Graalmann-Scheerer, Kriminalistik 2000, 328 (332 f.); dies., in: FS Rieß, 153 (163); Rogall, in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 21; Volk, NStZ 2002, 561 (564). 739 Brauer, in: HK-StPO, § 81e, Rn. 8. 740 Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 372; ebenso Volk, NStZ 2002, 561 (564); vgl. auch Graalmann-Scheerer, Kriminalistik 2000, 328 (332), dies., in: FS Rieß, 153 (163); die mit dem „eindeutigen Wortlaut“ argumentiert.
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„Qui tacet consentire videtur“741 das Schweigen der Norm so verstehen wissen wollen, als billige dieser eine Einzelfallentscheidung742. Schweigt die Norm, so sagt sie nicht aus. Der Wortlaut taugt nicht als Argument. Damit ist aber der Weg frei für eine weitere Auslegung. Das Schweigen des Gesetzgebers könnte indes in systematischer Hinsicht berücksichtigt werden. Man würde dann das Schweigen des § 81e StPO hinsichtlich der Verwertungsfrage in Relation zu anderen Normen setzen und feststellen, dass der Gesetzgeber an anderer Stelle Verwertungsverbote expressis verbis normiert hat. Daran anschließend könnte man durchaus die Meinung vertreten, i. R. d. § 81e StPO sei dies nicht gewollt. Dafür würde auch sprechen, dass der Gesetzgeber sich der Rechtsprechung des BGH wohl bewusst war und deshalb damit rechnen musste, dass ein vollumfängliches Verwertungsverbot ohne Anordnung nicht die Regel ist. Gleichwohl kann dieses Argument deshalb nicht durschlagen, weil es nur dann eine innere Stimmigkeit für sich in Anspruch nehmen kann, wenn Ergebnisse anderer Auslegungsmethoden ausgeblendet werden. Eine telelogische Auslegung bringt keinen Mehrwert, denn das vordringliche Ziel des Gesetzgebers, Ängsten in der Bevölkerung entgegenzutreten743, kann nicht zur Begründung eines Verwertungsverbotes im Falle des § 81e StPO taugen. Ansonsten müsste man eine Verbindung von Rechtssicherheit und Verwertungsverbot ziehen, da der durchschnittliche Bürger wohl nicht davon ausgehen wird, dass Erhebungs- und Verwertungsverbot zwei unterschiedliche Arten derselben Gattung sind. Eine derartige Reichweite kann der Ambition des Gesetzgebers nicht entnommen werden. Dies ist auch nicht notwendig, weil eine historische Auslegung die hinter der systematischen Auslegung stehende Argumentation zu Fall bringt. Aus den Gesetzgebungsmaterialen geht eindeutig hervor, dass der Gesetzgeber ein Verwertungsverbot annahm: „Auch eine Verwertung in Strafverfahren ist somit unzulässig“744. Gerade dies unterscheidet die Verwertungsfrage i. R. v. § 81e StPO von der des § 81h StPO. Im Falle des BGH hatte jener zutreffend festgestellt, dass der Gesetzgeber das dem Fall zugrunde liegende Problem des Beinahetreffers gar nicht erkannt hatte745. Anders liegt es hinsichtlich der Feststellungen i. R. v. § 81e StPO. 741 Das Zitat („Wer schweigt, scheint zuzustimmen“) geht zurück auf Papst Bonifatius VIII. Es ist normiert in der 43. Regel des Kapitels De regulis iuris im Liber sextus decretalium (in der hier gebrauchten Fassung auf S. 825, die Zitierung orientiert sich an Schwartze, S. 1). Es bedarf insofern der Ergänzung, als es auch hier des Zusatzes bedarf, dass dies nur gilt, ubi loqui potuit et debuit („wo er hätte sprechen können und müssen“). Der Gesetzgeber hätte freilich sprechen können (er kann dies auch, indem er im Wege der Auslegung zu einem Verwertungsverbot kommen lässt, wie sogleich sich zeigen wird), er sich aber nicht gehalten, bei jeder strafprozessualen Eingriffsnorm die Frage nach einem Verwertungsverbot gleichzeitig zu beantworten, nur weil die Rechtsprechung ansonsten die Abwägungslehre anwendet. 742 Vgl. i. d. S. zutreffend Jähnke, in: FS Odersky, 427 (428). 743 BT-Drucks. 13/667, S. 1. 744 BT-Drucks. 13/667, S. 7. 745 BGHSt 58, 84 (92).
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Man muss die Umsetzung dieses Willens in Gesetzesform als gleichwohl missglückt bezeichnen. Angesichts der vorherrschenden Abwägungslehre musste dem Gesetzgeber sich geradezu aufdrängen, dass er Meinungen auf den Plan ruft, die diese auch im Anwendungsbereich des § 81e StPO anwenden wollen, falls er nicht ein Verwertungsverbot wie an anderer Stelle expressis verbis normiert. Warum er davon abgesehen hat, bleibt sein Geheimnis. Indes ermächtigt dieses gesetzgebungstechnische Missgeschick nicht zur Missachtung und Ausblendung des gesetzgeberischen Willens. Es erscheint inkonsequent, mittels systematischer Auslegung einen Willen ermitteln zu wollen, wenn dieser bekannt ist. Für derartige Argumentationen besteht kein Raum. Der Gesetzgeber kann auch ohne explizite Normierung ein Verwertungsverbot statuieren, wenngleich der Umweg über eine historische Auslegung unnötig erscheint und zu Missverständnissen verleitet. Da die Grenze des Wortlautes nicht überschritten ist, ist angesichts im Wege der historischen Auslegung angesichts des ausdrücklichen Willens des Gesetzgebers ein Verwertungsverbot anzunehmen. Sollte man dem nicht folgen, setzen Verfassung und Abwägungslehre der Beweisverwertung indes auch Grenzen. Denn bei bewusster Umgehung gesetzlicher Vorgaben geht die ganz herrschende Meinung von einem Verwertungsverbot aus746. Und selbst falls eine zusätzliche Information zufällig und unvermeidbar anfällt747, so ist ihre Verwertung trotz Abwägung im Einzelfall nicht wahrscheinlich. Denn nach der Erweiterung möglicher Feststellung bleibt als interessantestes Merkmal eine etwaige Krankheit zurück. Jenseits davon, dass diese Feststellung so schwer verfassungsrechtliche Garantien berührt748, dass man die Verwertung nicht gestatten kann, taugt dieses Merkmal nicht zu einer Verurteilung. Es wäre ein bloßer Spurenansatz749. Eine solche Fernwirkung wird aber, wie dargelegt, abgelehnt750, sodass auch ein etwaiges Verwertungsverbot in praxi keine Auswirkungen hätte.
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S. die Nachweise oben in Fn. 708 (Kap. 4). So geschehen im hier herangezogenen Fall das BGH, als die Verwandtschaft als Nebenprodukt der Untersuchung anfiel und es dem Sachverständigen gar nicht möglich war, diese nicht zur Kenntnis zu nehmen, vgl. BGHSt 58, 84 (93). 748 S. die Nachweise oben in Fn. 676 (Kap. 4); vgl. auch die Einordnung von Krankheitsveranlagungen in Kap. 3 § 3 I. 1. a). 749 Wenngleich ein nicht zu unterschätzender, vgl. Butz, NK 2021, 316 (324). 750 S. die Nachweise oben in Fn. 720 (Kap. 4). 747
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II. Datenschutzrechtliche Implikationen der Abwägungslehre und Auswirkungen der JI-Richtlinie 1. Datenschutzrechtliche Problematik der Verwertung rechtswidrig erhobener Beweise Fraglich ist, ob die Abwägungslehre und die damit verbundenen Ergebnisse im Bereich der DNA-Analytik im weitesten Sinne vor dem Hintergrund der JI-RL aufrechterhalten bleiben können. Die Auswirkungen der JI-RL können erst untersucht werden, wenn ihre Verbindung zur Abwägungslehre aufgezeigt wurde. Diese ergibt sich, wenn man sich der datenschutzrechtlichen Implikationen des Strafprozesses und der Abwägungslehre vergegenwärtigt. Der Charakter des Strafverfahrens als Informationsbeschaffungsvorgang ist erwähnt worden751. Ist insofern der Ermittlungsvorgang Datenerhebung, bedarf die ermächtigende Norm einer Zweckbindung. Vor der Erhebung der Daten muss deren Verwendung begrenzt sein752. Folgt man weder der hier vertretenen Auffassung, dass die Beschränkung auf einzelne Feststellungen keine Ausprägung des Zweckbindungsgrundsatzes ist753, noch der, dass überschießende Feststellungen stets ein Verwertungsverbot nach sich ziehen754, so muss man folgendes konstatieren: Die Erhebung weiterer Feststellungen wäre ein Verstoß gegen den Zweckbindungsgrundsatz. Aber auch die Verwertung im Prozess wäre rechtswidrig, denn aufgrund des weiten Verarbeitungsbegriffs im Datenschutzrecht (§ 46 Nr. 2 BDSG) ist Verwertung dann auch zweckentfremdete Verarbeitung. Nun könnte der Gedanke naheliegen, die Feststellung anderer als erlaubter Information i. R. d. § 81e StPO und deren Verwertung bedürfe einer Rechtfertigung in Form eines Gesetzes, das das BVerfG bei Eingriffen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verlangt755. 2. § 49 BDSG als Ermächtigungsgrundlage für die Verwertung Eine solche könnte in § 49 BDSG zu finden sein. Nach dessen S. 1 ist eine Verarbeitung von Daten zu anderen als den erhobenen Zwecken zulässig, wenn zumindest ein Zweck i. S. v. § 45 BDSG verfolgt wird, der Verantwortliche befugt zur Verarbeitung zu diesen Zwecken ist und die Verarbeitung darüber hinaus erforderlich 751 Vgl. oben, Kap. 3 § 1; ebenso bereits Ernst, S. 19; Möhrenschlager, wistra 1991, 321 (329); Rogall, Informationseingriff, S. 72. 752 Dazu schon Kap. 4 § 3 I. 753 Zur Begründung Kap. 4 § 3 II. 3. 754 Zur Begründung Kap. 4 § 5 I. 2. 755 Kap. 3 § 3 I. 3. a); explizit dafür für den Bereich des Strafverfahrens BGHSt 58, 84 (96 f., Rn. 32); a. A. aber wohl Meyer-Mews, NJW 2018, 2279 (2280), der zu dem Ergebnis gelangt, dass jeder Verfahrensverstoß wegen der Beschränkung auf die Verarbeitung rechtmäßiger Daten in § 47 Nr. 1 BDSG ein Verwertungsverbot nach sich zöge.
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und verhältnismäßig ist. Grundsätzlich sind diese Voraussetzungen im Falle der Verwertung rechtswidriger Beweise durch ein Gericht erfüllt. Denn jenes verfolgt freilich einen Zweck i. S. d. § 45 BDSG, nämlich einen solchen der Strafahndung. Dazu befugt ist es qua originärer Aufgabe756. Und wäre die Verwertung nicht erforderlich und damit nicht verhältnismäßig, so gäbe es für sie schon kein praktisches Bedürfnis. Letzteres zeigt sich insbesondere darin, dass das Gewicht des Beweismittels im Einzelfall ein Abwägungskriterium ist757. Gegen § 49 BDSG ist zum Teil harsche Kritik laut geworden. So wird einerseits rechtspolitisch kritisiert, es handle sich bei der Norm um einen Rückschritt hinter die bisherigen Regelungen der Zweckänderungsvorschriften758. Nun ist die Beurteilung, was Rück- und Fortschritt ist, abhängig von Standpunkt, gewissermaßen von der Blickrichtung des Betrachters. Für juristische Belange interessanter mutet der Vorwurf an, die Norm sei verfassungsrechtlich zu unbestimmt759. Die Kritiker rekurrieren dabei zum Teil auf ein Urteil des BVerfG, nach dem Verarbeitung von Daten außerhalb des Zweckes, zu dem sie erhoben wurden, nur zulässig sei, wenn eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage bestehe760. Das Gericht habe nicht eine allgemeine, sondern eine explizit auf den Ermächtigungstatbestand abstimmte Regelung verlangt761. Eine solche stelle § 49 S. 1 BDSG nicht dar, weil zwischen den Zwecken nicht differenziert würde762. Albers/Schimke teilen jene Kritik nur eingeschränkt763. Zwar sei der deutsche Gesetzgeber bei der Schaffung des § 49 BDSG nicht über die Vorgaben der JI-RL hinausgegangen; indes würden in dem jeweiligem Fachrecht die verfassungsrechtlichen Vorgaben berücksichtigt764. Davon sei bei der Schaffung des § 49 BDSG der Gesetzgeber auch ausgegangen765. Nun ist der Kritik zuzugeben, dass der in § 45 BDSG benannte Zweck, auf den in § 49 BDSG abgestellt wird, äußerst weit gefasst ist. Gerade die Vermischung – oder 756 Eine Rechtsgrundlage in Form eines Gesetzes wird man deshalb für die Befugnis i. S. d. § 49 BDSG nicht verlangen müssen, a. A. aber wohl Heckmann/Scheurer, in: Gola/Heckmann, BDSG, § 49, Rn. 12. 757 Vgl. z. B. BGHSt 19, 325 (332); 37, 397 (401); vgl. auch Krehl, NStZ 2003, 461 (463); Neuber, NStZ 2019, 113. 758 Vgl. Johannes/Weinhold, § 1, Rn. 150; dies., in: HK-BDSG, § 49, Rn. 11, 14. 759 Johannes/Weinhold, § 1, Rn. 150; dies., in: HK-BDSG, § 49, Rn. 11 f.; krit. hinsichtlich der Weite des § 49 BDSG auch Frenzel, in: Paal/Pauly, DSGVO/BDSG, § 49 BDSG, Rn. 6. 760 Johannes/Weinhold, § 1, Rn. 151; dies., in: HK-BDSG, § 49, Rn. 13 unter Bezugnahme auf BVerfGE 141, 220, Rn. 276 ff. = S. 324 ff. 761 Johannes/Weinhold, § 1, Rn. 151; dies., in: HK-BDSG, § 49, Rn. 13 unter Bezugnahme auf Müllmann, NVwZ 2016, 1692 (1695). 762 Johannes/Weinhold, § 1, Rn. 150; dies., in: HK-BDSG, § 49, Rn. 14. 763 Vgl. Albers/Schimke, in: BeckOK-DatenschutzR, § 49 BDSG, Rn. 8 ff. 764 Albers/Schimke, in: BeckOK-DatenschutzR, § 49 BDSG, Rn. 7, 10. 765 Albers/Schimke, in: BeckOK-DatenschutzR, § 49 BDSG, Rn. 7; vgl. BT-Drucks. 18/ 11325, S. 111.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
präziser ein Gleichlauf – von Strafverfolgung und Gefahrenabwehr ist dem deutschen Recht fremd, was nicht zuletzt auf den entsprechenden Kompetenzen im föderalen Staatsaufbau gründet. Problematisch erscheint jedoch die Anknüpfung der Kritiker des § 49 BDSG am Urteil des BVerfG und damit am nationalen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Ungeachtet von Einzelheiten kann festgehalten werden, dass Umsetzungsgesetze von EU-Richtlinien nur in Ausnahmefällen und grundsätzlich nicht am Grundgesetz gemessen werden766. Gleichwohl gilt unabhängig von der jeweiligen Rechtsebene, dass eine allzu weite, generalklauselartige Erlaubnis für zweckentfremdete Verarbeitung von Daten den Sinn der Zweckbindung konterkarieren würde767. Soweit der Gesetzgeber indes wie von ihm geplant im jeweils einschlägigen Fachrecht die näheren Anforderungen an eine Nutzung von Daten unter verändertem Zweck regelt, kann nicht unter Ausblendung des Fachrechts § 49 BDSG als zu unbestimmt abgetan werden. Freilich stellt sich die Frage, welcher Anwendungsbereich dem § 49 BDSG verbleibt, wenn das Fachrecht selbst jeweils genauere Vorgaben macht. Man wird davon ausgehen müssen, dass § 49 BDSG nur den allgemeinen Rahmen der Weiterverarbeitung im Anwendungsbereich der JI-RL steckt768, der dann wiederum durch das Fachrecht enger gezogen wird. Prima facie zeigt die Norm nur, dass eine Zweckänderung durch die JI-RL nicht ausgeschlossen wird und unter welchen Voraussetzungen sie im Mindestmaß genügen muss. Bereits das Kriterium der Befugnis im konkreten Fall, das § 49 S. 1 BDSG aufstellt, erfordert eine weitergehende Präzision in Form einer Kompetenzzuteilung, da eine allgemeine Norm wie § 49 S. 1 BDSG befugnisbegründend weder wirkt noch wirken kann769. § 49 S. 1 BDSG soll mithin alleine keine Ermächtigungsgrundlage darstellen770. 3. § 261 StPO als Ermächtigungsgrundlage für die Verwertung Soweit die Verwertung rechtswidrig erhobener Beweise in einer strafrechtlichen Entscheidung im Raume steht, wird als normativer Anknüpfungspunkt teilweise auf 766 Sog. Solange II-Rechtsprechung, BVerfGE 73, 339; im Hinblick auf die JI-RL jüngst BVerfG, NVwZ 2021, 226 (228 f., Rn. 64, 68); jüngst auch BVerfGE 155, 119 (162 ff., Rn. 83 ff.) m. Anm. v. Holznagel NJW 2020, 2725, Löffelmann, GSZ 2020, 182 (184 ff.) und Petri, ZD 2020, 580 (588 f.). Zur Problematik des anwendbaren Grundrechtsregimes gerade im Bereich des aufgrund der JI-RL novellierten BDSG Albers/Schimke, in: BeckOK-DatenschutzR, § 48 BDSG, Rn. 3 ff. 767 Müllmann, NVwZ 2016, 1692 (1694). 768 So auch Heckmann/Scheurer, in: Gola/Heckmann, BDSG, § 49, Rn. 12; Singelnstein, NStZ 2020, 639 (641 f.). 769 Johannes/Weinhold, in: HK-BDSG, § 49, Rn. 19; i. E. auch Heckmann/Scheurer, in: Gola/Heckmann, BDSG, § 49, Rn. 7, 12. 770 Heckmann/Scheurer, in: Gola/Heckmann, BDSG, § 49, Rn. 4; Johannes/Weinhold, in: HK-BDSG, § 49, Rn. 14; Schwichtenberg, in: Kühling/Buchner, DSGVO/BDSG, § 49 BDSG, Rn. 4; Singelnstein, NStZ 2020, 639 (641).
§ 5 Die Verwertbarkeit von rechtswidrig erlangtem Material
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§ 261 StPO rekurriert771. Richtigerweise wird ausgeführt, jene Norm beschränke den dem Richter vorliegenden und von diesem zu gebrauchenden Fundus an Erkenntnissen nicht auf rechtmäßig erlangte772. Begreift man die zweckentfremdete Verwendung von Daten im Urteil als erneuten Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, würde man im Ergebnis § 261 StPO als Ermächtigungsgrundlage hierzu begreifen773. Dass dies nicht aus der Entstehungsgeschichte der Norm hergeleitet werden kann774, erschließt sich mit Blick auf ihr Alter und die Entstehung des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung. Einem entsprechenden Verständnis steht das aber nicht entgegen775. Denn der Zweck des § 261 StPO ist es zuvorderst, alle maßgeblichen Erkenntnisse in die Entscheidung miteinzubeziehen, um somit eine Entscheidung zu schaffen, die dem Anspruch der Wahrheitsfindung genügt776, denn nur ein auf wahren Grundlagen fußendes Urteil kann ein gerechtes sein777. Gerechtigkeit braucht mithin Wahrheit und Wahrheit braucht Information. Ein übertriebener Datenschutz würde Belange gefährden, ohne damit den Einzelnen noch zu schützen. Dieser Gedanke ist zunächst einer im Sinne des Angeklagten, der nur auf Grundlage eines weitestgehend erforschten Sachverhaltes verurteilt werden soll. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist als Recht des Einzelnen ebenso ein Schutzinstrument des Einzelnen. Eine Zusammenschau des § 261 StPO und der informationellen Selbstbestimmung ergibt für den Staat den Auftrag, so viel Information wie nötig, aber so wenig wie möglich zu erheben. § 261 StPO und die informationelle Selbstbestimmung beschränken sich gegenseitig, obschon beide den Schutz des Einzelnen im 771 BVerfGE 130, 1 (29); BVerfG, NJW 2010, 2937 (2938); BGHSt 56, 127 (134); 58, 84 (97); Rogall, JZ 2008, 818 (822 f.); vgl. zur entsprechenden Norm des § 286 ZPO auch BVerfGE 106, 28 (48 f.). 772 BVerfGE 130, 1 (29); BGHSt 58, 84 (97); Rogall, JZ 2008, 818 (822 f.); vgl. BVerfG, NJW 2010, 2937 (2938); vgl. insoweit auch die Extremposition von Glaser, S. 353, der der Auffassung war, eine Beschränkung der Beweismittel auf solche, bei denen „gewissen formellen Erfordernissen […] entsprochen ist “, sei mit dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung unvereinbar. 773 So explizit BVerfGE 130, 1 (35 f.); BGHSt 56, 127 (134); 58, 84 (96 f.). 774 Soweit zutreffend Eschelbach, in: BeckOK-StPO, § 261, Rn. 1. 775 Im Ergebnis herrscht über die methodische Schwäche dieser auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gemünzten Argumentation auch Einigkeit, denn derselbe Vorwurf könnte auch gegen § 244 Abs. 2 StPO, den Eschelbach a. a. O.; Stuckenberg, in: KMRStPO, § 261, Rn. 2 (zumindest auch) als Ermächtigungsgrundlage heranziehen möchten, erhoben werden. Dies wird zurecht nicht getan, sodass die Entstehungsgeschichte alle nicht maßgeblich sein kann. 776 Eschelbach, in: BeckOK-StPO, § 261, Rn. 4 ff.; Miebach, in: MüKo-StPO II, § 261, Rn. 1; Ott, in: KK-StPO, § 261, Rn. 1; Velten, in: SK-StPO V, Vorb. § 261, Rn. 3, 13; vgl. auch BVerfGE 133, 168 (201) m. w. N. zur entsprechenden verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung; BGHSt 50, 40 (63); Fischer, in: FG Paulus, 53 (61 f.); Schluckebier, in: SSW-StPO, § 261, Rn. 62; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 261, Rn. 1; Stuckenberg, in: KMRStPO, § 261, Rn. 10. 777 Eschelbach, in: BeckOK-StPO, § 261, Rn. 4, 6. Vgl. auch Giesen, in: FS Hamm, 107 (108): „Nur in […] seiner Verpflichtung auf Gerechtigkeit […] legitimiert sich der Staat“.
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Kap. 4: DNA-Analyse als Beweismittel im laufenden Strafverfahren
Blick haben. § 261 StPO ist deshalb nicht nur als Schranke zu verstehen, vielmehr ist die Norm im Lichte des betroffenen Grundrechtes auszulegen778. Es ist vor dem Hintergrund der Notwendigkeit einer effizienten Strafrechtspflege779 nicht zu beanstanden, dass grundsätzlich auch rechtswidrig erlangte Beweise verwertet werden, solange nicht das Strafverfahren selbst nicht mehr ein faires wäre. Das gilt freilich auch, wenn der Rechtsverstoß in Form einer zweckentfremdeten Verarbeitung zu sehen ist. Im Gegensatz zu § 49 BDSG beschränkt § 261 StPO den Zweck auf die Verwendung im Urteil, d. h. auf den Schuld- und Strafspruch. Man wird dies in der Diktion des § 49 BDSG als Ahndung von Straftaten bezeichnen können. Damit ist jedenfalls der Kritik entgegnet, die den Zweck der Verarbeitung i. R. d. § 49 BDSG als zu unbestimmt betrachtet. Eine allgemein gültige Regelung ist indes nicht zu leisten, ohne die Belange des Einzelfalles und seine Besonderheiten zu vernachlässigen. Das Zusammenspiel von §§ 261 StPO, 49 BDSG und der Abwägungslehre lässt es indes bei aller Unbestimmtheit zu, der Wahrheitsfindung im Einzelfall Genüge zu tun, ohne damit die Belange des Einzelnen zu vernachlässigen. Das Gewicht der Zweckentfremdung ist bei den Abwägungskriterien des Gewichtes des Grundrechtes780 und des Verstoßes781 zu berücksichtigen. Die Anwendung der Abwägungslehre ist in der Konsequenz eine Anwendung der Wechselwirkungslehre unter Berücksichtigung des Einzelfalles. Soweit dies in angemessener Weise geschieht, ist die Datenverarbeitung in Form der Verwendung im Urteil nicht rechtswidrig782.
III. Ergebnis Damit ist festzuhalten, dass die mit der JI-RL einhergehenden Neuerungen aufgrund der Weite des § 49 S. 1 BDSG keinen Abschied von der Abwägungslehre gebieten. Normativer Anknüpfungspunkt bleibt § 261 StPO, der von den Neuerungen unberührt bleibt.
778 Zur sog. Wechselwirkungslehre, die im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG entwickelt wurde, insgesamt BVerfGE 7, 198 (208 f.); 94, 1 (8); 107, 299 (331 f.); 124, 300 (331 f.); NJW 2012, 1273 (1274); Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 145 ff.; Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/ Scholz, GG, Bd. 1, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2, Rn. 139 ff.; zu einer Erweiterung in Form der Anwendbarkeit der Wechselwirkungslehre auf andere Freiheitsrechte BVerfGE 67, 157 (172 f.) m. w. N.; zur Wechselwirkung von §§ 100a, 100b StPO und Art. 10 GG Knauth, NJW 1978, 741 (742). 779 Vgl. dazu die Nachweise in Fn. 393 (Kap. 4). 780 Vgl. dazu grundsätzlich BGHSt 19, 325 (333); AG Braunschweig, StV 2001, 393 (395). 781 Dazu grundsätzlich vgl. die Nachweise in Fn. 706 (Kap. 4). 782 Anders wohl Meyer-Mews, NJW 2018, 2279 (2280), der die Verwertung nur mit Einwilligung zulassen will. Dagegen spricht aber, dass § 51 BDSG die Einwilligung nur zulässt, soweit sie vorgesehen ist. Gegen die Anwendung des § 261 StPO aber auch Singelnstein, NStZ 2020, 639 (644).
§ 5 Die Verwertbarkeit von rechtswidrig erlangtem Material
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Jedoch muss festgehalten werden, dass das Verhältnis von Datenschutz- und Strafverfahrensrecht ein ambivalentes ist. In den gesellschaftlichen Debatten wird dies meist relevant, wenn es um die Frage der Datenerhebung geht. Bedeutend ist das Verhältnis aber auch bei der Verwendung der Daten im Urteil. Eine einzelfallorientierte Vorgehensweise ist unumgänglich. Es scheint aber, als sei diese datenschutzrechtliche Dimension bisher nicht ausreichend erkannt. Die Untersuchung hat gezeigt, dass datenschutzrechtliche Belange in die allgemeine strafverfahrensrechtliche Dogmatik integriert werden können, aber auch müssen.
Kapitel 5
Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO Für Maßnahmen gem. § 81h StPO, der richtigerweise die neutrale amtliche Überschrift „DNA-Reihenuntersuchung“ trägt, wird oft der polemische Begriff Massen- oder Reihen(gen)test gebraucht1. Die damit verbundene Attributierung sollte spätestens seit der Einführung des § 81h StPO im Hinblick auf die offizielle Bezeichnung als DNA-Reihenuntersuchung unterlassen werden – nicht zuletzt, weil sie inhaltlich deswegen falsch ist, weil keine Gene analysiert werden2, ist sie verfehlt. Zur Illustration sei ein Beispielsfall vorangestellt, um das Ausmaß der Maßnahme zu verdeutlichen: Prototyp des Anwendungsbereiches sind Tötungs- und schwere Sexualdelikte. Wird eine Frau vergewaltigt, so fehlt es häufig an (weiteren) Zeugen. Ist das Opfer gar tot, fehlen solche vollends. Wird nun am Tatort oder am Opfer DNA 1 Vgl. z. B. BT-Drucks. 15/5674, S. 7, 9, 13 f.; Sachstand der wissenschaftlichen Dienste des Bundestages zur DNA-Analyse, WD 7 – 3000 – 123/19, S. 7 f.; BGHSt 58, 84 (85, Rn. 3); Ademi, passim, der auf S. 8 wenigstens anerkennt, dass der Begriff „missverständlich“ ist (was aber zur Nachfrage Anlass gibt, warum der Begriff dann verwendet wird – der Verweis auf „Leseflussgründe“ vermag als alleiniges Argument freilich kaum zu überzeugen); Beck, S. 252 ff.; dies., KriPoZ 2017, 160 (ebd., 163); Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, passim; Beulke/Swoboda, Rn. 377 f.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, passim; ders., in: SSWStPO, § 81h, passim; ders., Jura 2021, 41 (45 ff.); Brauer, in: HK-StPO, § 81h, passim; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 185 ff.; Doege/Frahm, in: FS Ostendorf, 227 (240); Eisenberg, Rn. 1688; Fritz, S. 40; Gössner, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 1999, Heft 4, 67 (ebd., 68); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, passim; Hero, S. 171; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (63, 69 f., 73); Krieglstein, S. 90 f., 106; Jansen, ZIS 2020, 233 (23, 239, 240, Fn. 103); Kanz, ZJS 2013, 518 (518 – 520); Mertin, ZRP 2005, 37 f.; Müller, Die Polizei 2006, 40 (47 ff.); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Rn. 378 – 385; Naumann, Die Polizei 2013, 333; Petri, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 101 (109); Pommer, JA 2007, 621 (621, 622, 625 ff.); Rath, GSZ 2018, 67 (69); Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, passim; ders., in: FS F.C. Schroeder, 691 (709 ff.); Roll, in: Hdb. Kriminalistik, Kap. X, Rn. 72; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 ff.; Schewe, JR 2006, 181 (188); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, passim; Schultz/Bartram, Bürgerrechte und Polizei 113 [2017], 69 (77); Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (495); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, passim; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, passim; Wickert, passim; Wildhagen, S. 36; Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 ff.; ebenso Hombert, passim; vgl. auch den Beschl. der 75. Justizministerkonferenz 2004 in Bremerhaven, abgedruckt in Der Kriminalist 2004, S. 287; ähnlich Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1685; Geppert, in: FS F.-C. Schroeder, 675 (685); Latotzky, S. 128 ff.; Volk, NStZ 2002, 561 (563). 2 S. schon oben Kap. 2 § 2 I. nebst den entsprechenden Nachweisen; explizit krit. zum Begriff des Gentests Hasselbach, S. 121.
§ 1 Die Körperzellentnahme
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gefunden (bspw. Sperma, das durch einen Vaginalabstrich gewonnen wurde), so führt dies nicht zum Spurenleger, wenn kein Beschuldigter bereits gegeben ist3. Es fehlt schlicht an der Zuordenbarkeit. Umso wichtiger ist es in diesen Fällen, das (soziale) Umfeld des Opfers einzugrenzen. Häufig werden Zeugen zwar nicht den Tötungs- oder Vergewaltigungsakt gesehen haben, aber gleichwohl beschreiben können, wie derjenige aussah, wo derjenige sich aufhielt, was für ein Auto derjenige fuhr, der zuletzt beim Opfer gesehen wurde. Alleine darauf kann aber nicht in allen Fällen ein solcher Verdacht gründen, der es erlaubt, den Beschriebenen als Beschuldigten gem. § 81e StPO zu untersuchen, falls er über überhaupt namentlich bekannt sein sollte. Es erschließt sich von selbst, dass bereits in einer Mittelstadt mit 50.000 Einwohnern bei durchschnittlicher Bevölkerung die Beschreibung „männlich, mittelgroß, braune Haare, fährt silbernes Auto der Marke X“ nicht inkulpierend wirken kann, weil diese Beschreibung auf eine große Anzahl an Männern zutrifft. Man hat in diesen Fällen zu viele Verdächtige, um einen oder mehrere Beschuldigten haben zu können. Von großer Bedeutung ist es deshalb, den Verdächtigenkreis zu verkleinern. Eine Möglichkeit ist, dass bei Personen, die grundsätzlich in das Raster fallen, nachgewiesen wird, dass sie nicht als Spurenleger in Betracht kommen. Hierfür spielt eine Maßnahme nach § 81h StPO eine Rolle. Den die Merkmale erfüllenden Personen „dürfen“ nach Abs. 1 Körperzellen entnommen werden, aus denen u. a. das DNA-Identifikationsmuster analysiert wird, wenn dies zur Aufklärung näher bezeichneter, schwerer Straftaten erforderlich erscheint. Ein Abgleich des Musters des Teilnehmers kann diesen bei einem negativen Abgleich mit dem Muster des Spurenlegers als solchen ausscheiden lassen. Allerdings müssen die Personen einwilligen, ansonsten dürfen die Strafverfolgungsbehörden sie nicht in Anspruch nehmen. § 81h Abs. 4 StPO regelt die die Notwendigkeit vorheriger Belehrung, während Abs. 2 Notwendigkeit und Umfang der richterlichen Anordnung bestimmt. Die aus datenschutzrechtlicher Perspektive wichtigen Regelungen zur Löschung und Vernichtung finden sich in Abs. 3. Wie schon i. R. d. vierten Kapitels orientiert sich die Arbeit am chronologischen Ablauf der Maßnahme. Daher soll mit der Körperzellentnahme begonnen werden.
§ 1 Die Körperzellentnahme Im Gegensatz zu § 81e Abs. 1 StPO verweist § 81h StPO hinsichtlich der Beschaffung des Untersuchungsmaterials nicht auf die §§ 81a, 81c StPO oder auf andere Normen. Im Gegensatz zu den §§ 81a, 81c StPO, aber auch im Gegensatz zu § 81e Abs. 2 StPO regelt die Norm auch nicht die Modalitäten der Zellgewinnung. Vielmehr bestimmt § 81h Abs. 1 Nr. 1 StPO nur, dass unter bestimmten Voraus3
Zu der Möglichkeit der Identifikation desselben im Wege des § 81g StPO unten Kap. 6.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
setzungen, die für die DNA-Analyse als solche ebenso gelten und deshalb unten behandelt werden, „Körperzellen entnommen“ werden dürfen. Obgleich die Norm nichts zu der Art der Einnahme sagt, geht die Literatur, soweit sich überhaupt Ausführungen zum Vorgang der Zellgewinnung finden, selbstredend davon aus, die Zellgewinnung erfolge im Wege der Speichelentnahme4. Wo sich eine Begründung findet, wird darauf abgestellt, dass die Entnahme von Speichel gegenüber der Entnahme von Blut der geringere Eingriff sei5. Teilweise wird daneben auch eine Blutentnahme für statthaft erachtet, die entsprechend dem Rechtsgedanken der §§ 81a, 81c StPO nur von einem Arzt durchgeführt werden könne6. Dies wird aus der Zulässigkeit der Blutprobenentnahme auch beim Nichtbeschuldigten geschlussfolgert7. So sehr das Ergebnis überzeugt, bedarf es einer weiterführenden Begründung. Die Annahme, die Speichelprobenentnahme sei gegenüber der Blutprobenentnahme vorrangig, ist von praktischen Erwägungen abgesehen juristisch konkretisierungsbedürftig. Begründet den Vorrang des einen vor dem anderen im Allgemeinen das Verhältnismäßigkeitsprinzip8, so ist im Anwendungsbereich des § 81h StPO dessen Geltung zu untersuchen. Ein Spezifikum des § 81h StPO ist, dass die Maßnahme nur mit Einwilligung des Teilnehmers durchgeführt werden kann, vgl. § 81h Abs. 1 StPO9. Die Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzip ist klassischer Weise auf staatliche Eingriffe zugeschnitten; i. R. d. Leistungsverwaltung wird ein geringere Kontrolldichte angewandt10. Ob im Falle einer Einwilligung, die wie aufgezeigt einen Unterfall des Grundrechtsverzicht darstellt11, eine Maßnahme überhaupt noch Eingriffscharakter hat, wird nicht einheitlich beantwortet12. Verneinte man die Eingriffseigenschaft, wäre für Verhältnismäßigkeitserwägungen konsequenterweise kein Raum, denn solche spielen erst eine Rolle auf der Rechtfertigungsebene, in 4 Vgl. etwa ohne weitere Begründung Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 1; ders., in: SSWStPO, § 81h, Rn. 1; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 5; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 9; Hasselbach, S. 122; Hero, S. 169; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 378; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 1, 15; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (198); Schewe, S. 38; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 7; Steinsiek, NdsVBl. 2015, 265; Trück, in: MüKoStPO I, § 81h, Rn. 15; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 8. 5 Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 19. 6 Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 15; ohne explizite Bezugnahme auf §§ 81a, 81c StPO auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 1; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 1; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (198); Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 8; zwar unter Bezug auf §§ 81a, 81c StPO, jedoch mit Rekurs auf den Arztvorbehalt Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 15; a. A. Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 378, Fn. 791. 7 Zumindest nur auf § 81c StPO Bezug nehmend Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 19. 8 Ausführlich dazu oben Kap. 4 § 1 I. 1. b) ee) (1). 9 Dazu ausführlich unten Kap. 5 § 5 I. 10 Zu letzterer Michael, JuS 2001, 866 (867). 11 Dazu oben Kap. 3 § 5 I. 2. 12 Zum Streit vgl. die Ausführungen und Nachweise oben bei Kap. 3 § 3 I. 3. c) aa) (1).
§ 1 Die Körperzellentnahme
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welche man mangels Eingriffs nicht vordringen würde. Ginge man dagegen von einer rechtfertigenden Wirkung bei der Einwilligung aus, so wäre für Verhältnismäßigkeitserwägungen ebenso wenig Raum13, denn wenn ein Eingriff verhältnismäßig wäre (und die anderen Rechtfertigungsanforderungen erfüllen würde), bedürfte es keines Grundrechtsverzichtes – was den Einzelnen indessen nicht an einer Mitwirkung hinderte. Mangels staatlicher Zuwendung an den Bürger kann auch nicht von Leistungsverwaltung in irgendeiner Form gesprochen werden, wenn der Bürger Körperzellen dem Staat zur Verfügung stellt. Indes ist anzunehmen, dass der Bürger, so er in die Körperzellentnahme einwilligt, berechtigterweise davon ausgeht, der Staat werde die mildest mögliche Methode zur Gewinnung verwenden. Es lässt sich der Rechtsgedanke des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit insofern fruchtbar machen, als der Staat wenigstens das mildeste Mittel wählen muss, wenn schon der Bürger ihm eine Maßnahme gestattet. Für eine Blutprobenentnahme gibt es nach derzeitigem Forschungsstand nämlich keine Gründe, die ihren Vorrang gegenüber dem Wangenabstrich begründen – erst recht nicht, wenn kein Widerstand des Untersuchten zu erwarten ist. Würde der Staat Blut entnahmen statt einen Wangenabstrich vorzunehmen, so würde er ohne sachlichen Grund zwar nicht in eine grundrechtlich geschützte Position eingreifen, aber eine solche beeinträchtigen. Dies ist ihm nicht nur aus Verhältnismäßigkeitsgründen, sondern aus dem allgemeinen Willkürverbot untersagt14. Jenseits von verfassungsrechtlichen Argumenten gibt das einfache Recht ebenso her, dass der Wangenabstrich das Mittel erster Wahl auch im Bereich des § 81h StPO sein muss. Denn gegen den Teilnehmer der Reihenuntersuchung liegt kein Verdacht in einem solchen Ausmaß vor, dass dieser Beschuldigter wäre. Ansonsten wäre eine Maßnahme nach § 81e StPO die präzisere. Es handelt sich bei § 81h StPO danach um eine Maßnahme gegen einen Nichtbeschuldigten, gegen den einerseits kein Anfangsverdacht hinsichtlich einer Beteiligung an der aufzuklärenden Straftat besteht15, 13 A. A. aber Brüning, S. 158, die meint, die Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips sei als rechtsstaatlicher Grundsatz der Disposition des Einzelnen entzogen. Der Einwilligende gibt nicht die Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips preis gibt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit selbst ist auch kein Grundrecht, sondern Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für grundrechtsberührendes Handeln. Soweit anerkennt ist, dass der Bürger in dieses einwilligen kann, muss er damit auch auf die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Einzelfall verzichten können. Ansonsten droht das absurde Ergebnis, dass für Einwilligungen nur dann Raum besteht, wenn die avancierte Zwangsmaßnahme unverhältnismäßig wäre. 14 Vgl. BVerfGE 4, 1 (7); 18, 85 (96); 55, 72 (90); 76, 256 (329); 90, 226 (239); 123, 1 (19); 137, 108 (128); BVerfG, NJW 1996, 3071 (3072); Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, Art. 20, Rn. 305. 15 Vgl. Ademi, S. 255; Beck, S. 256 ff.; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 14; Cierniak/Herb, NZV 2012, 409 (412); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 5; Hasselbach, S. 125; Hero, S. 184 ff.; Jahn, JuS 2013, 470; Kölbel, S. 68; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 2, 6; Kretschmer, HRRS 2012, 183 (184, 186); Kühne, § 28, Rn. 494; Kuhne, Die Polizei 2001, 19 (21); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 378; Pommer, JA 2007, 621 (627); Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 6; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 1; vgl. auch Benfer/ Bialon, Rn. 972; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 2; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 2;
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
auf dessen Mitwirkung der Staat andererseits aber angewiesen ist. Wenn aber bereits bei einem Beschuldigten dem Wangenabstrich der Vorrang gegenüber der Entnahme von Blut gebührt16, so muss dies erst recht für den Nichtbeschuldigten gelten. Dass der Nichtbeschuldigte schlechter steht als der Beschuldigte, weil er dem Staat helfen möchte, wäre ein sachwidriges Ergebnis, das auch sub specie Art. 3 GG kaum Rechtfertigung finden könnte17. Es bleibt damit auch – unter Berücksichtigung der Einwilligung – i. R. d. § 81h StPO beim Vorrang des Wangenabstriches. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Gegenstand des § 81h StPO zunächst nur die Körperzellen des Teilnehmers sind. Die DNA-Zellen, die etwa i. R. d. Fundes einer Leiche oder am Vergewaltigungsopfer gewonnen werden, unterliegen der Analyse nach § 81e Abs. 2 StPO, was die dort erheblich ausgeweiteten Feststellungen ermöglicht. Sich dessen bewusst zu sein, ist wichtig für das Verständnis des § 81h StPO insgesamt.
§ 2 Feststellungs- und Untersuchungsverbote I. Explizit zugelassene Feststellungen Denn ansonsten könnte für Verwunderung sorgen, wenn man den Kreis möglicher Feststellungen bei DNA-Reihenuntersuchungen nach § 81h StPO näher betrachtet. Der Kreis möglicher Feststellungen ist nämlich sowohl enger als auch weiter gestaltetet als im Anwendungsbereich des § 81e StPO. Zulässigerweise feststellbar sind das DNA-Identifikationsmuster und das Geschlecht, § 81h Abs. 1 Nr. 2 StPO. Mit dem so gewonnenen DNA-Identifikationsmuster des Teilnehmers der DNAReihenuntersuchung kann anschließend das aus dem Spurenmaterial gewonnene verglichen werden. Denkbar sind dann folgende zusätzliche Feststellungen: Zum Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 3; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (195); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 5; hinsichtlich Reihenuntersuchungen vor Einführung des § 81h StPO i. E. Niedersächsische LT-Drucks. 14/425, Ziff. 27.5.2, S. 127; ebenso Benfer, NStZ 1997, 397 (398); ders., StV 1999, 402 (403); Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 192; Burr, S. 126; Dix, DuD 1989, 235 (237); Foldenauer, S. 77; Geppert, in: FS F.-C. Schroeder, 675 (683 f.); Graalmann-Scheerer, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 39 (54, 56); dies., ZRP 2002, 72 (75); dies., NStZ 2004, 297 (298); Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (69 f.); Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (462–465); Kopf, S. 193 f.; Malek/Wohlers, Rn. 300; Müller, Die Polizei 2006, 40 (48); Oberwetter, S. 24; Satzger, JZ 2001, 639 (643 f.); Sauter, S. 154; Wüsteney, S. 289; Zuck NJW 2002, 1924 (1925); i. E. ebenso hinsichtlich des in der Einleitung dargestellten Falls Pitchfork Klumpe, S. 188 f.; i. E. ebenso zum schweizerischen Recht Bommer, ZStrR 188 [2000], 131 (153); Hausheer, ZSR 117/2 [1998], 449 (465). Zumindest typischerweise gegen eine Beschuldigteneigenschaft Lammer, StraFo 2003, 127 (130). 16 S. oben Kap. 4 § 1 I. 1. b) ee). 17 Vgl. BVerfGE 44, 353 (371); aus verfahrensrechtlicher Sicht vgl. auch Kuhlmann, DRiZ 1978, 238.
§ 2 Feststellungs- und Untersuchungsverbote
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einen werden beide Muster auf ihre Übereinstimmung überprüft, sodass Identität bzw. Verschiedenheit von Spurenleger und Teilnehmer ebenso feststellbar sind. Jenseits von kompletter Verschiedenheit und Übereinstimmung kann indes der Vergleich zweier DNA-Identifikationsmuster auch eine Ähnlichkeit aufweisen. Man spricht insofern von einem „Beinahetreffer“18. Aus der Ähnlichkeit der DNAIdentifikationsmuster kann man den Schluss ziehen, dass der Teilnehmer nicht der Spurenleger sein kann, indes mit letzterem eine gewisse Verwandtschaft bestehen muss19. Das Gesetz erlaubt die Feststellung der Verwandtschaft, soweit sie in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad besteht. Die Möglichkeit der Feststellung der Verwandtschaft war bis zum Jahre 2017 aus rechtlicher Sicht umstritten20. Erst durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens21 wurde die Feststellung der Verwandtschaft explizit zugelassen. Dagegen vorgebrachte Argumente schlagen nicht durch: Soweit ein „family searching“, – das bewusste Suchen nach Angehörigen, um an den Spurenleger zu gelangen – befürchtet wurde22, muss dem entgegen gehalten werden, dass ein solches Vorgehen weiterhin nicht mit § 81h StPO vereinbar wäre. Denn schließlich müssen die Prüfungsmerkmale auf den Spurenleger zutreffen, und nicht auf seine Angehörigen. Die Strafverfolgungsbehörden dürfen also nur denjenigen zur Teilnahme auffordern, der der Spurenleger sein könnte. Der Umweg über den Verwandten kann daher weiterhin nur zufällig und nicht zielgerichtet gegangen 18 BT-Drucks. 18/12785, S. 2; 18/11277, S. 2, 15, 20 ff., 44, 47; Sachstand der wissenschaftlichen Dienste des Bundestages zur DNA-Analyse, WD 7 – 3000 – 123/19, S. 10; BRDrucks. 796/16, S. 2, 17, 23 ff.; BGHSt 58, 84 ff.; Artka¨ mper, StV 2017, 553 (556); Beck, S. 301 ff.; dies., KriPoZ 2017, 160; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h StPO, Rn. 9 f.; ders., in: SSWStPO, § 81h, Rn. 6 f.; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 1, 5; Brocke, StraFo 2011, 298 ff.; Busch, NJW 2013, 1771 ff.; Claus, NStZ 2020, 57 (62, Fn. 55); Doege/Frahm, in: FS Ostendorf, 227 ff.; Eisenberg, Rn. 1688; Goers, in: Beck-StPO, § 81h, Rn. 3; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 1; Jahn, JuS 2013, 470 ff.; Kanz, ZJS 2013, 518 ff.; Krey/Heinrich, Rn. 820; Löffelmann, JR 2013, 270 (279); Magnus, ZStW 126 [2014], 695 ff., dies., ZRP 2015, 13 ff.; Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 7; Niedernhuber, JA 2018, 169 (170); Petri, ZD 2018, 389 (390); Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 123; § 81g, Rn. 60; § 81h, Rn. 7, 32; ders., JZ 2013, 874 ff.; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 7a; Schneider, NStZ 2018, 692 (693); Singelnstein/Derin, NJW 2017, 2646 (2648, 2652); Swoboda, StV 2013, 461 ff.; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 17. 19 BT-Drucks. 18/11277, S. 20; BR-Drucks. 796/16, S. 17; BGHSt 58, 84 (85); Bosch, in: KMR-StPO, § 81h StPO, Rn. 9; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 6; ders., Jura 2021, 41 (48); Brocke, StraFo 2011, 298 (299); Busch, NJW 2013, 1771 (1772); Doege/Frahm, in: FS Ostendorf, 227 (227 f.); Eisenberg, Rn. 1688, Fn. 206; Goers, in: Beck-StPO, § 81h, Rn. 4; Jahn, JuS 2013, 470; Kanz, ZJS 2013, 518; Magnus, ZStW 126 [2014], 695 (696), dies., ZRP 2015, 13; Niedernhuber, JA 2018, 169 (170); Rogall, JZ 2013, 874; Schneider, NStZ 2018, 692 (693); Singelnstein/Derin, NJW 2017, 2646 (2648); Swoboda, StV 2013, 461 (462); Trück, in: MüKoStPO I, § 81h, Rn. 17. 20 Vgl. für ein Erhebungsverbot nach alter Rechtslage etwa BGHSt 58, 84 (93); daneben vgl. die Nachweise in Fn. 732 (Kap. 4). 21 BGBl. I, S. 3202. 22 Vgl. etwa Schultz/Bartram, Bürgerrechte und Polizei 113 [2017], 69 (77 f.); ähnlich auch Petri, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 101 (108 ff.); ders., ZD 2018, 389 (390).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
werden. Belastet der Teilnehmer mit seiner Untersuchung einen Verwandten, ist dies so lange unproblematisch, wie er weiß, dass dies möglich ist. Dafür sorgt die novellierte Belehrungsvorschrift des § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 3 Var. 2 und 3 StPO23. Die Situation stellt sich im Wesentlichen gleich dar wie der Fall, in dem ein angehöriger Zeuge bewusst auf den Schutz des § 52 StPO verzichtet und aussagt. Dagegen sind keine datenschutzrechtlichen Bedenken durchschlagend. Verwandtschaft setzt notwendigerweise zwei Personen voraus. Es sind von dem Datum der Verwandtschaft beide betroffen, sodass sich der Spurenleger nicht darauf berufen kann, der Angehörige habe quasi über „seine Daten“ verfügt24. Auch Art. 6 GG vermittelt jedenfalls solange keinen Schutz gegen Angehörigenbelastung, wie diese freiwillig geschieht25. Nun erklären zahlreiche Publikationen die DNA-Reihenuntersuchung zur ultima ratio26. Man könnte deshalb die Frage stellen, warum im Vergleich zu § 81e StPO weniger Feststellungen zulässig sind, obschon die Reihenuntersuchung doch erst dann zum Einsatz kommen soll, wenn doch das Verbrechens bereits mit anderen Mitteln nicht erfolgreich aufgeklärt werden konnte. An dieser Stelle ist erneut auf den Gegenstand des § 81h StPO hinzuweisen. Bei diesem handelt es sich nur um die Zellen des Teilnehmers; die DNA des Spurenlegers unterliegt dem weiten Kreis möglicher Feststellungen gem. § 81e Abs. 2 StPO27. Ist das Ziel der Maßnahme – von dem seltenen Fall, dass der selbst Spurenleger teilnimmt abgesehen28 –, die Teilnehmer aus dem Kreis der möglichen Spurenleger auszuschließen und so gegen die 23
Zur Belehrung insgesamt s. Kap. 5 § 5 I. 3 und 4. So aber Frister, in: Lisken/Denninger, Hdb. PolR, F., Rn. 306. 25 Zutreffend BT-Drucks. 18/11277, S. 21 a. E. 26 Vgl. schon Sachstand der wissenschaftlichen Dienste des Bundestages zur DNA-Analyse, WD 7 – 3000 – 123/19, S. 8; Ademi, S. 258; Beck, S. 272; Benfer/Bialon, Rn. 972a; Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (165, Fn. 17); Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 6; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 5; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 16; Kuhne, Die Polizei 2001, 19 (24); Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 1; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 11; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (195, 197 f.); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 5; Swoboda, StV 2013, 461 (465, Fn. 38); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 7; ähnlich BT-Drucks. 15/5674, S. 13; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 4; Eisenberg, Rn. 1688, Rn. 204; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 4; Hasselbach, S. 150 f.; Hero, S. 181; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 381; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 10; für Reihenuntersuchungen insgesamt Busch, NJW 2001, 1335 (1336); GraalmannScheerer, ZRP 2002, 72 (76); dies., NStZ 2004, 297 (300); Hombert, S. 170 ff.; Sauter, S. 137; vgl. i. d. S. auch BT-Drucks. 15/56574, S. 13; für das österreichische Recht Schraml, S. 185; a. A. nur Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 19; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 16; ders., Jura 2021, 41 (48). 27 § 81e Abs. 1 StPO wird kaum einschlägig sein, denn wenn der Spurenleger bekannt ist, bleibt denknotwendig kein Anwendungsbereich für eine Maßnahme nach § 81h StPO. 28 Hombert, S. 133 spricht insofern von einem „Ausnahmefall“, ebenso Satzger, JZ 2001, 639 (647); ähnlich auch Rogall, JZ 2013, 874 (878); Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (31); a. A. indessen Beck, S. 260, Fn. 902, die eine Teilnahme des Spurenlegers in vielen Fällen behauptet und dies erklärt mit dem sozialen Druck, der zur Teilnahme nötige sowie einer Unkenntnis über die Effizienz der DNA-Analyse; Sauter, S. 220; für einen entsprechenden Beispielsfall auch Wolters, a. a. O., 23 (29). 24
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Nichtteilnehmenden präziser vorgehen zu können29, genügt der Ausschluss einer Übereinstimmung. Dafür ist einzig das DNA-Identifikationsmuster vonnöten. Weitere Informationen – etwa das Aussehen betreffend – sind unnötig, da der Teilnehmer vor dem Durchführenden in persona erscheinen muss. Die Feststellung des Geschlechts gründet eher als auf der kriminalistischen Notwendigkeit auf dem naturwissenschaftlichen Faktum, dass das DNA-Identifikationsmuster nicht festgestellt werden kann, ohne das Geschlecht zu bestimmen30. Es wird quasi als Nebenprodukt bestimmt. Man kann daher davon ausgehen, dass der Gesetzgeber die Feststellung dessen, was nicht nicht festgestellt werden kann, auch explizit ermöglichen wollte, um der Maßnahme den Makel zu nehmen, dass stets nicht zugelassene Informationen bei ihrer Durchführung erhoben werden.
II. Kein explizites Feststellungs- und Untersuchungsverbot – Ermöglichung der Abstammungsfeststellung über § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO? 1. Zur Frage einer möglichen Feststellung der Abstammung via § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO Ein Verbot weiterer Feststellungen und darauf gerichteter Untersuchungen ist in § 81h StPO nicht normiert. In der Fassung bis 2017 wurde in § 81h Abs. 3 S. 1 StPO a. F. auf das Untersuchungs- und Feststellungsverbot des § 81g Abs. 2 S. 2 StPO verwiesen, sodass diese Anwendung fanden31. Dieser Verweis wurde in der Novellierung gestrichen. § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO weist nunmehr nur darauf hin, dass der Teilnehmer darüber zu informieren ist, dass ausschließlich das DNAIdentifikationsmuster, das Geschlecht und die Abstimmung festgestellt werden; gem. § 81 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StPO ist auf den Vergleich mit der Spurenleger-DNA 29 Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 1; Schewe, S. 38; vgl. auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 19; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 16, der aus diesem Ziel der Reihenuntersuchung den Schluss zieht, es könne sich bei ihr nicht um die ultima ratio handeln. Dieser Ansatz überzeugt nicht, denn es ist durchaus möglich, dass die Ermittlungen zum Erliegen kommen würden, weil andere Maßnahmen ohne die Selektion des § 81h StPO gar nicht angeordnet werden könnten. Es kann also durchaus sein, dass die DNA-Reihenuntersuchung im Zeitpunkt ihrer Anordnung ultima ratio ist, und dennoch weitere Maßnahmen nachfolgen. 30 Dieses naturwissenschaftliche Faktum war tragendes Motiv zur Ermöglichung der Geschlechtsbestimmung im Bereich der gesamten DNA-Analytik für strafprozessuale Zwecke durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften (SexStrÄndG) vom 27. 12. 2003, BGBl. I, S. 3007. Vgl. dazu BT-Drucks. 15/350, S. 12; BR-Drucks. 402/02 (neu), S. 2; Anslinger/Rolf/Eisenmenger, DRiZ 2005, 165 (168); Duttge/Ho¨ rnle/Renzikowski, NJW 2004, 1065 (1071), Kische, in: Lange/Wedekamm (Hrsg.), Postfaktische Sicherheitspolitik, 9 (12); Krause, in: LR-StPO II, § 81e, Rn. 24; Rath, GSZ 2018, 67; Rogall, SK-StPO I, § 81e, Rn. 5; Volk, NStZ 2002, 561 (564); für die Ermöglichung der Geschlechtsfeststellung aus kriminalistischem Motiv Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (74). 31 Vgl. zur diesbezüglichen Krause, in: LR-StPO II, § 81h, s. v. Entstehungsgeschichte.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
hinzuweisen. Es fällt zunächst auf, dass gem. § 81h Abs. 4 StPO auf die Feststellbarkeit der Abstimmung hinzuweisen ist, während § 81h Abs. 1 StPO diese Feststellung im Gegensatz zu § 81e StPO gar nicht zulässt. Zwar könnte man mit dem Wort „Abstammung“ die Untersuchung auf Verwandtschaftsverhältnisse hin verbinden. Dafür würde sprechen, dass § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO zeitgleich mit der Einführung der Feststellbarkeit der Verwandtschaft novelliert wurde. Den Begriff der Abstammung verwendete das Gesetz zuvor nicht. Für die Feststellung der Verwandtschaft gibt es in § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StPO indes eine eigene Belehrungsvorschrift. Auch ist der Begriff der Abstammung enger als der Kreis möglicher Verwandtschaftsverhältnisse, denn Abstammung kann sich seinem Wortsinn nach nur auf vorherige Generationen beziehen, während die Novellierung des § 81h Abs. 1 StPO auch die Feststellung ermöglich, dass der Teilnehmer etwa als Vater des Spurenlegers in Betracht kommt. Die Gesetzgebungsmaterialien verstricken sich selbst in Widerspruch hinsichtlich der vorliegenden Frage. Der Begriff der Abstammung wird erst seit der Novellierung im Jahre 2017 verwendet, zuvor war gem. § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO nur darauf hinzuweisen, dass die „die entnommenen Körperzellen ausschließlich für die Untersuchung nach Absatz 1 verwendet […] werden“. Es bestand somit durch das Blankett des § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO ein steter Gleichlauf von Belehrung und Umfang der Maßnahme. Auch neuere, nach 2017 veröffentliche Publikationen weisen lediglich darauf hin, nach § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO müsse auf den Umfang der Untersuchung nach § 81h Abs. 1 StPO hingewiesen werden, obschon die novellierte Fassung der Publikation zugrunde liegt32. Ausweislich der Materialien zur Novellierung 2017 weist der Gesetzgeber33 u. a. auf zwei Zwecke hin, die er mit der Änderung des § 81h Abs. 4 StPO verfolgte: Erstens auf die Anpassung an die erweiterten Feststellungsmöglichkeiten des § 81h Abs. 1 StPO, d. h. die Zulassung des Beinahetreffers, und zweitens allgemein auf die ausführlichere Ausgestaltung der Belehrungspflichten. Dadurch solle gewährleistet werden, dass der Teilnehmer der Reihenuntersuchung die Folgen seiner Teilnahme besser abschätzen könne. Die folgenden Ausführungen sind das eigentlich Widersprüchliche: Bei § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO handle es sich um eine „inhaltliche Klarstellung“. Es werde nun die Untersuchung explizit benannt, statt nur auf Abs. 1 zu verweisen. Hieran zeigt sich zunächst, dass der Gesetzgeber nicht plante, den Umfang der Untersuchung auf die Abstammung 32 So etwa Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 12; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 6; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 33; ähnlich Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 9; s. auch bei Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 20 f., der die Abstammung völlig außer Acht lässt; neutral dagegen Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 13; ders., SSW-StPO, § 81h, Rn. 10; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 14; die lediglich von einer Belehrung über den Verwendungszweck sprechen. 33 Zum Ganzen BT-Drucks. 18/11277, S. 23.
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auszudehnen. Bestätigt wird dies durch den anschließenden Satz, die Körperzellen dürften gem. § 81h Abs. 1 Nr. 3 nur zur Feststellung des DNA-Identifikationsmuster und des Geschlechts verwendet werden. Dies ist der Sache nach richtig, jedoch ist die Anknüpfung an Nr. 3 falsch; die Einschränkungen findet sich in Nr. 2. Der Gesetzgeber „benennt“ in § 81h Abs. 4 S. 4 Nr. 1 StPO Untersuchungen, die er gar nicht erlauben wollte. Es zeigt jedoch zusammenfassend, dass die Aufnahme der Abstammung in § 81h Abs. 4 S. 2. Nr. 1 StPO wohl eher als redaktionelles Versehen zu bezeichnen ist, als dass darauf ein erweiterter Umfang der DNA-Analyse gründen könnte. Welche Auswirkungen dies auf die Einwilligung hat, ist Gegenstand einer ausführlicheren Untersuchung34. 2. Implizites Feststellungs- und Untersuchungsverbot Fraglich bleibt, ob mangels expliziter Regelung kein Feststellungsverbot bzw. kein Untersuchungsverbot hinsichtlich anderer Informationen besteht. Zwar könnte man e contrario §§ 81e Abs. 1 S. 2, 81g Abs. 2 S. 2 StPO ein solches verneinen. Ein solches ist gleichwohl anzunehmen. Dafür spricht zum einen, dass mit § 81h StPO grundrechtlich geschützte Positionen von Personen berührt werden, gegen die nicht mal ein Anfangsverdacht gegeben ist35. Wenn aber schon bei Maßnahmen gegen Beschuldigte gem. § 81e Abs. 1 StPO bzw. gegen Unbekannte gem. § 81e Abs. 2 StPO ein Feststellungs- und Untersuchungsverbot besteht (vgl. § 81e Abs. 1 S. 2 StPO bzw. den Verweis in § 81e Abs. 2 S. 3 StPO), dann muss dies erst recht für unbeschuldigte Bekannte gelten36. Man könnte hier versucht sein, methodisch die Norm des § 81e Abs. 1 S. 2 StPO analog heranzuziehen. Man könnte auch eine Gesamtanalogie bemühen, denn neben § 81e Abs. 1 S. 2 StPO statuiert auch § 81g Abs. 2 S. 2 StPO ein Feststellungs- und Untersuchungsverbot für Informationen jenseits der dort für zulässig erklärten37. Der gesamte gesetzlich geregelte Bereich der DNA-Analytik im Dienste der Strafverfolgung enthält Feststellungs- und Untersuchungsverbote; warum dies gerade dann, wenn Unbeschuldigte ihre DNA zur Verfügung stellen, anders sein sollte, ist nicht ersichtlich. Des methodischen Kunstgriffes der (Gesamt-)Analogie bedarf es indessen gar nicht. Denn Gesetzgeber hat wie aufzeigt die Informationen aufgezählt, die festgestellt werden dürfen. Fraglich ist indes, wie es sich auswirkt, dass der ursprüngliche Verweis in § 81h Abs. 3 S. 1 34
Dazu unten Kap. 5 § 5 I. 3. Zu den grundrechtlichen Dimensionen einer DNA-Analyse oben Kap. 3 § 3; Kap. 4 § 1 I. 1. b) dd), ee) (1); für Nachweise hinsichtlich der Heranziehung Nichtbeschuldigter vgl. Fn. 15 (Kap. 5). 36 Zum Vorrang von Maßnahmen gegen Beschuldigte erneut BVerfGE 44, 353 (371); Kuhlmann, DRiZ 1978, 238. 37 Dazu unten Kap. 6 § 3. 35
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
StPO a. F. auf § 81g Abs. 2 S. 2 StPO mit der Novellierung 2017 entfallen ist. Der Gesetzgeber ging davon aus, der Verweis im alten Recht sei entbehrlichen geworden durch den neuen § 81h Abs. 3 S. 2 StPO38. Dieser ordnet für die Körperzellen ihre Vernichtung an, sobald sie nicht mehr für Untersuchungen nach § 81h Abs. 1 StPO benötigt werden. Eine entsprechende Regelung in der alten Fassung fehlte, sodass mit Blick auf das Vernichtungsgebot von einer Präzision gesprochen werden kann. Ansonsten hätte man mit ähnlich umfangreicher inhaltsähnlicher Argumentation wie im Bereich des § 81e StPO zu einem Vernichtungsgebot kommen müssen, wenn die Zellen nicht mehr benötigt werden39. Nun sind Feststellungs- und Untersuchungsverbot einer- und ein Vernichtungsgebot andererseits aber grundsätzlich unterschiedliche Instrumente. Denn während das Vernichtungsgebot regelt, was nach der DNA-Analyse zu geschehen hat, zielen Feststellungs- und Untersuchungsverbot auf eine Regulation der DNA-Analyse vor bzw. während ihrer Durchführung. Gleichwohl lässt die Regelung die Annahme eines Feststellungs- und Untersuchungsverbotes unberührt. Erstens, weil die bisher vorgenommene Auslegung solche ergibt und der Gesetzgeber gerade nicht mit der Novellierung darauf verzichten wollte. Zweitens – und insofern sind Vernichtungsgebot und Feststellungs- bzw. Untersuchungsverbot artverwandt – nimmt § 81h Abs. 3 S. 2 StPO auf die explizit zugelassenen Feststellungen des Abs. 1 Bezug. Die sich „unverzüglich“ anschließende Vernichtung soll eine weitere Analyse verhindern. Zwar könnte man – § 81h Abs. 3 S. 2 StPO isoliert betrachtet – die These aufstellen, die Zellen würden für die Untersuchung nach § 81h Abs. 1 StPO benötigt, wenn zuerst nicht zugelassene Informationen festgestellt werden, weil für die zugelassenen dann das Material noch benötigt würde. Dies zeigt zwar das gesetzgeberische Missgeschick auf, ändert an der anderslautenden Intention der Novellierung und dem anderslautenden Ergebnis der bisherigen Auslegung aber nichts. Für andere als die zugelassenen Informationen wird man insgesamt annehmen dürfen, dass diese nicht erhoben werden dürfen. Jenseits dieses systematischen Argumentes, das sich auf die Gesetzgebungstechnik innerhalb des § 81h StPO bezieht, spricht dafür der systematische Vergleich mit den anderen DNA-Vorschriften sowie der Wille des Gesetzgebers, der selbstredend davon ausgeht, dass nicht mehr als das DNA-Identifikationsmuster, das Geschlecht, Identität und Verwandtschaft festgestellt werden dürfen. Auch wenn ein gewisser Gleichlauf von §§ 81e – 81h StPO in der Gesetzgebungstechnik wünschenswert gewesen wäre, lässt sich festhalten, dass § 81h StPO zwar kein explizites, aber ein implizites Verbot für Feststellungen, die nicht ausdrücklich zugelassen sind, und auf ihre Erhebung gerichtete Untersuchungen enthält.
38 39
BT-Drucks. 18/11277, S. 23. Vgl. Kap. 4 § 3 II. 2.
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§ 3 Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen Im Rahmen der Untersuchung der §§ 81e, 81f StPO ist bereits darauf hingewiesen worden, dass von Verfassungs wegen jede Norm, die zur Datenerhebung ermächtigt, eine Zweckbindung enthalten muss40. Dies gilt demgemäß selbstredend auch für § 81h StPO. Es ist am selben Ort bereits das Zweckbindungsgebot definiert worden. Diese Definition soll der Untersuchung solcher Zweckbindungsgebote in § 81h StPO vorangestellt sein: Eine Zweckbindung regelt a priori den Umgang mit zu erhebenden Daten41.
I. Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen im Hinblick auf die Körperzellen 1. Vernichtungsgebot, § 81h Abs. 3 S. 2 StPO Gemäß § 81h Abs. 3 S. 2 StPO sind die entnommenen Körperzellen „unverzüglich zu vernichten, sobald sie für die Untersuchung nach Absatz 1 nicht mehr benötigt werden“. Die Norm schränkt damit den Einsatzbereich der Körperzellen gegenüber dem Pendant des § 81a Abs. 3 Hs. 2 StPO erheblich ein. Nach § 81a Abs. 3 Hs. 2 StPO greift die Vernichtung nämlich erst, wenn die Zellen nicht mehr für das der Entnahme zugrunde liegende Strafverfahren oder ein anderes, bereits anhängiges Verfahren benötigt werden. Im Gegensatz dazu nimmt § 81h StPO nicht auf das Strafverfahren, sondern auf die Untersuchung nach § 81h Abs. 1 StPO Bezug. Als Zeitpunkt, wann die Zellen für die Untersuchung nach Abs. 1 nicht mehr erforderlich seien, wird in der Literatur zum Teil auf die „Speicherung“ (wohl i. S. e. Feststellung und kurzzeitigen Aufbewahrung zu Zwecken des Abgleichs) des DNAIdentifikationsmusters abgestellt42. Indessen wird auch die Feststellung des Spurenlegers respektive die Verjährung des Verbrechens als maßgeblicher Zeitpunkt angesehen43. 40
Kap. 4 § 3 I. S. schon Kap. 4 § 3 I. 42 Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 18; ders., SSW-StPO, § 81h, Rn. 15; unklar dagegen bei Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 18, der ein Vernichtungsgebot nach „nach Durchführung der Untersuchung“ annimmt; i. d. S. wohl auch Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1690. 43 Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 10; unklar dagegen Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 12, der zwar einerseits davon ausgeht, die Zellen dürften nur solange aufbewahrt bleiben, wie sie für die Untersuchung nach Abs. 1 benötigt würden, andererseits aber meint, die Vernichtung habe nach dem Ausschluss der Probanden zu erfolgen. Dies würde aber bedeuten, dass die Zellen trotz Erlangung des DNA-Identifikationsmuster bis zum Abgleich aufbewahrt würden. Hierfür besteht indessen kein Bedürfnis, weil das Identifikationsmuster selbst für den Abgleich ausreicht. 41
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Letzteres kann jedenfalls für den Umgang mit den Körperzellen nicht gelten. Das zeigt der Wortlaut, der auf die Untersuchung nach Absatz 1 und nicht auf die Reihenuntersuchung insgesamt Bezug nimmt. Selbst wenn man dies alleine nicht gelten lassen wollte, so zeigt doch der systematische Vergleich mit § 81a Abs. 3 Hs. 2 StPO, dass der Gesetzgeber dort, wo ein Bedürfnis zur Aufbewahrung der Körperzellen über die eigentliche Analyse hinaus sieht, dies auch zum Ausdruck bringt. Neben jenen Argumenten sprechen auch praktische Gründe gegen letztgenannte Ansicht. Es fehlt für so späte Vernichtung schlicht an einem praktischen Bedürfnis. Denn die beiden, sogleich genannten Möglichkeiten des Ausgangs der Untersuchung bieten keinen Grund zur längeren Aufbewahrung. Ergibt ein Abgleich des DNA-Identifikationsmusters des Teilnehmers und dem des Spurenlegers, dass keine Übereinstimmung vorliegt, so scheidet der Teilnehmer als Spurenleger mit großer Wahrscheinlichkeit aus. Folgemaßnahmen, für die seine Zellen benötigt werden können, sind sodann nicht zu erwarten. Ergibt der Abgleich eine zumindest Übereinstimmung, so rückt der Teilnehmer zwar eher in den Fokus der Ermittlung. Jedoch kommt auch dann nicht er nicht als Spurenleger in Betracht. Liegt ein Beinahetreffer vor, so kann das nähere familiäre Umfeld auf potentielle Spurenleger untersucht werden, gegenüber jenen sind weitere Ermittlungsmaßnahmen zu erwarten, nicht gegen den Teilnehmer. Liegt ein Treffer vor, so ist der Teilnehmer mit großer Wahrscheinlichkeit der Spurenleger. Auch in diesen Fällen sind aber weitere Ermittlungsmaßnahmen, für welche die Körperzellen benötigt würden, nicht erwartbar. Ihr einziger Einsatzbereich könnte in einer Maßnahme nach § 81e StPO liegen, für die pauschal aber kein Raum besteht, weil sie das Ergebnis des vorgenommenen Abgleiches nur bestätigen könnte44. Sie wäre mit juristischen Worten nicht erforderlich um den Nachweis einer Übereinstimmung der DNA-Identifikationsmuster zu führen und damit nicht unverhältnismäßig. Dies gilt nur dann nicht, wenn durch § 81e StPO eine Abstammungsuntersuchung durchgeführt werden soll, die wie aufgezeigt von § 81h StPO nicht ermöglicht wird. Nur in diesen seltenen Fällen kommen Körperzellen des Teilnehmers erneut zum Einsatz. Aus Verhältnismäßigkeitserwägungen nur für diesen Fall Körperzellen zu behalten überzeugt nicht. Das Einzige, was durch eine Aufbewahrung dem Betroffen erspart bliebe, wäre das Unterbleiben eines weiteren Wangenabstriches. Dieser ist aber von so geringer Intensität, dass er es nicht vermag, die oben genannten grammatischen und systematischen Argumente zu entkräften45.
44 Vgl. indessen aber BT-Drucks. 15/5674, S. 14, wo der Gesetzgeber in Anschluss an die Reihenuntersuchung bei einem Ergebnis übereinstimmender DNA-Identifikationsmuster von einer „Kontrolluntersuchung“ ausgeht. Wofür es einer solchen aber bedürfen sollte, erklärt der Gesetzgeber nicht. Allenfalls könnte man sub specie der Pseudonymisierung eine solche zum dem Zwecke des Ausschlusses von Verwechslungen durchführen. Falls dies aber ein in der Praxis häufiges auftretendes Phänomen wäre, müsste die DNA-Reihenuntersuchung insgesamt auf ihre Tauglichkeit hinterfragt werden. Je nach Anzahl der Teilnehmer bietet sich Kontrolluntersuchung auch an, um Zufallstreffer ausschließen zu können. Während man dies bei 20 Teilnehmern eher ausschließen kann, mag es bei 10.000 dagegen sinnvoll sein. 45 S. schon oben Kap. 4 § 1 III. 3. e) cc).
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Fraglich ist indessen, ob es richtig ist, das Ende der Untersuchung nach § 81h Abs. 1 StPO mit der Speicherung des DNA-Identifikationsmusters gleichzusetzen. Denn der Wortlaut des § 81h StPO erwähnt die Möglichkeit einer Speicherung nicht. Wenn aber nicht einmal für kurze Zeit das DNA-Identifikationsmuster gespeichert werden dürfte, führte dies in der Konsequenz dazu, dass nicht zunächst die DNAIdentifikationsmuster aller Teilnehmer erstellt und dann auf einmal abgeglichen werden dürften, sondern dass nach jeder Feststellung direkt abgeglichen werden müsste. Eine derartig detaillierte Vorgabe für das Analyseverfahren lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen46. Daher ist anzunehmen, dass eine Speicherung des DNAIdentifikationsmuster bis zum Abgleich desjenigen des Teilnehmers mit dem des Spurenlegers zulässig. Sollte der Abgleich aber in der Praxis nach jedem Muster stattfinden, bleibt für eine Speicherung kein Raum. Das Vernichtungsgebot greift daher, sobald das DNA-Identifikationsmuster des Teilnehmers mit dem des Spurenlegers verglichen wurde. Die Körperzellen sind unabhängig vom Ergebnis sodann zu vernichten. Nach § 81h Abs. 3 S. 4 StPO muss die Vernichtung dokumentiert werden. 2. Einsatz nur im Anlassverfahren Während ein Pendant zu § 81a Abs. 3 Hs. 2 StPO in Form der Vernichtungsregelung i. R. d. § 81h StPO gegeben ist, fehlt ein solches zu § 81a Abs. 3 Hs. 1 StPO. Es gibt i. R. d. DNA-Reihenuntersuchung expressis verbis keine Begrenzung des Einsatzes der auf Basis von § 81h StPO entnommenen Körperzellen auf ein bestimmtes Verfahren. Gleichwohl wäre es voreilig und im Ergebnis falsch, ohne nähere Untersuchung deshalb davon auszugehen, einem Einsatz dieser Zellen in anderen Strafverfahren sei Tür und Tor geöffnet. Genau gut ließe sich nämlich e contrario § 81a Abs. 3 StPO vertreten, nur dort sei eine über das Anlassverfahren hinausgehende Verwendung zulässig, sodass sie im Übrigen ausscheiden müsse47. a) Normative Überlegungen Normativ lässt sich eine Begrenzung zunächst an § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 4 StPO festmachen. Der Teilnehmer der DNA-Reihenuntersuchung ist darauf hinzuweisen, dass sein DNA-Identifikationsmuster nicht zu den Zwecken des § 81g StPO gespeichert wird. Zwar ist damit keine ausdrückliche Aussage zu den Körperzellen verbunden. Er erschiene aber paradox, wenn einerseits das DNA-Identifikationsmuster eines Teilnehmers, das aus den gem. § 81h StPO entnommenen Körperzellen gewonnen wurde, nicht zu Zwecken des § 81g StPO eingesetzt werden könnte, gleichzeitig dieselben Zellen aber erneut analysiert werden und dann zu Zwecken des § 81g StPO eingesetzt würden. Auch das soeben besprochene Vernichtungsgebot 46 47
So dann aber wohl Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 12. So Eisenberg, Rn. 1688.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
spricht gegen ein solches Verständnis. Es wäre zwar vom Wortlaut des § 81h Abs. 3 S. 2 StPO gedeckt, die Zellen aufzubewahren, solange keine Analyse nach § 81h Abs. 1 StPO stattgefunden hat. Solange sind sie dazu noch erforderlich. Gleichwohl spricht die ratio des § 81h Abs. 1 StPO, der die Dauer der Asservierung der Zellen gerade beschränken will, gegen ein solches Verständnis. Ist also die Analyse nach § 81h StPO nach der Entnahme zeitnah durchzuführen und sind die Zellen als bald zu vernichten, so muss daraus geschlussfolgert werden, dass ein Einsatz in futuro gerade nicht dem Plan des Gesetzgebers entspricht. b) Konkretisierung Freilich bedarf diese Feststellung der Konkretisierung, denn bis hierhin ist nur festgestellt, dass eine unbegrenzte Nutzung der Zellen nicht möglich sein kann. Konkret geht es dabei um zwei Fragen: Erstens, ob die Zellen in anderen, bereits anhängigen Strafverfahren Einsatz finden können. Sodann wäre ein Gleichlauf mit § 81a Abs. 3 Hs. 1 StPO festzustellen. Zweitens wird der Frage nachzugehen sein, ob jede Form der Nutzung in zukünftigen Strafverfahren ausgeschlossen ist. Verneint man ersteres und bejaht gleichzeitig zweiteres, so wäre das Ergebnis, dass die gem. § 81h StPO nur im Anlassverfahren Verwendung finden können. Gemäß § 81h Abs. 1 Nr. 3 StPO darf das DNA-Identifikationsmuster des Teilnehmers mit dem „von Spurenmaterial“ abgeglichen werden. Nun beschränkt § 81h StPO den Abgleich auf Spurenmaterial, das der Anordnung der Reihenuntersuchung zugrunde liegt48. Der Begriff des Spurenmaterials in § 81h Abs. 1 StPO kann nicht ein anderer als ein auf das Anlassverfahren begrenzter sein. Eisenbergs Umkehrschluss aus § 81a Abs. 3 StPO49 ist ein erstes Argument gegen ein Verbot der Verwendung in anderen, bereits anhängigen Verfahren. Wenn § 81a Abs. 3 Hs. 1 StPO eine weitere Verwendung ermöglicht, so muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber dies, so er es möchte, auch anderen Orts explizit anordnet. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Ermöglichung eines Abgleichs in anderen Verfahren den Beschuldigten und den unbeschuldigten Teilnehmer gleich behandeln würde, was nicht sachgerecht erscheint50. Es würden nämlich die Voraussetzung der Inkulpation der §§ 81a, 81e StPO umgangen51. Das Verbot des Abgleichs in anderen Verfahren findet sich indessen auch in § 81h StPO direkt. Ansonsten wäre es nämlich möglich, dass die Körperzellen mit anderen Beweismitteln aus bereits anhängigen 48 Vgl. hinsichtlich der gewonnen DNA-Identifikationsmuster auch Beck, S. 299. Die Argumentation ist übertragbar, denn wenn der Umgang mit dem DNA-Identifikationsmuster reglementiert wird, darf diese Beschränkung nicht durch eine erneute Analyse der Zellen umgangen werden; i. E. auch Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1689 f. 49 Eisenberg, Rn. 1688; ebenso Rogall, JZ 2013, 874 (877). 50 Vgl. erneut BVerfGE 44, 353 (371); vgl. auch Kuhlmann, DRiZ 1978, 238. 51 Vgl. hinsichtlich der gewonnen DNA-Identifikationsmuster auch Beck, S. 298. Die Argumentation ist auch hier aufgrund der vorvorstehenden Argumentation übertragbar.
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Verfahren abgeglichen werden könnten. Ob dies möglich sein soll, ist freilich die These, die nicht mit sich selbst belegt werden kann. Ein solcher Abgleich widerspräche indessen weiter der gesetzgeberischen Konzeption des § 81h StPO. Dies zeigt um einen die Belehrungsvorschrift des § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO, wonach darauf hinzuweisen ist, dass die Körperzellen nur für die (auch nicht eine andere, ebenso in § 81h StPO ihre Rechtsgrundlage findende) Untersuchung nach Abs. 1 verwendet werden. Dem widerspräche es, wenn sie gleichzeitig für andere anhängige Verfahren fruchtbar gemacht werden könnten. Zum anderen zeigt auch die Belehrungsvorschrift des § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 4 StPO die Richtigkeit dieses Ergebnisses. Denn demgemäß ist darauf hinzuweisen, dass die DNA-Identifikationsmuster nicht gespeichert werden. Die Norm drückt damit in Verbindung mit der Verwendungsbeschränkung für das DNA-Identifikationsmuster ein implizites Speicherungsverbot aus52. Eines expliziten bedarf es deshalb nicht, weil erstens § 81g StPO die Körperzellen, die durch Maßnahmen nach § 81h StPO gewonnen wurden nicht zu tauglichen Untersuchungsobjekten erklärt53, und zweitens der Grundrechtseingriff in Form der Speicherung einer Rechtsgrundlage bedarf, nicht die Unterlassung desselben. Es wäre sinnlos, wenn die DNA-Identifikationsmuster nicht gespeichert, die Zellen aber weiter verwendet werden dürften. Für ihre Aufbewahrung besteht kein Bedürfnis. Denn eine Analyse erlaubt die StPO nicht; neben dem bereits genannten § 81g StPO scheidet § 81e StPO mangels Beschuldigtenstatus (§ 81a StPO) bzw. Tatrelevanz (§ 81c StPO) aus. Eine anlasslose Vorratshaltung von Daten in Form der Aufbewahrung des Datenträgers wäre mit dem grundsätzlichen Verbot der Vorratsdatenspeicherung54 nicht in Einklang zu bringen. Hieraus ergibt sich auch das Verbot des Einsatzes in zukünftigen Strafverfahren. Jene sind denknotwendig der Analyse nach § 81h StPO nachgelagert, ansonsten wären sie nicht zukünftig. Um dort Verwendung finden zu können, müssten die Zellen aber zeitlich über die Reihenuntersuchung nach § 81h StPO hinaus aufbewahrt werden, was wie aufgezeigt weder § 81h noch §§ 81e, 81g StPO hergeben. Dies gilt freilich jenseits davon, dass mit § 81g StPO eine explizite Ermächtigungsgrundlage für DNA-Analysen in künftigen Strafverfahren besteht, deren
52 Vgl. dazu BT-Drucks. 15/5674, S. 14; Beck, S. 263; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 2; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1690; Eisenberg, Rn. 1688; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 8, 9; Hasselbach, S. 149; Hero, S. 170; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (63); Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 35; Mertin, ZRP 2005, 37 (38); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 382; Pommer, JA 2007, 621 (626); Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 33; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 11, 18; vor Einführung des § 81h StPO entsprechend Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (693). 53 Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 33; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 19. Dazu ausführlicher Kap. 6 § 1, § 7 V. 54 Dazu EuGH, NJW 2014, 2169 ff.; BVerfGE 125, 260 ff.; Schantz, in: BeckOK-DatenschutzR, Art. 5 DSGVO, Rn. 33; ausführlich EuGH, NJW 2021, 531 ff.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Voraussetzungen umgangen würden, wenn nach § 81h StPO gewonnene Zellen analysiert werden könnten, was in systematischer Hinsicht bedenklich wäre55. Die aufgestellte These hat sich damit bestätigt: Die gem. § 81h StPO gewonnenen Körperzellen dürfen nur im Anlassverfahren verwendet werden.
II. Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen im Hinblick auf das Analyseergebnis 1. Löschungsgebot, § 81h Abs. 3 S. 3 StPO Gemäß § 81h Abs. 3 S. 3 StPO sind „die Aufzeichnungen über die durch die Maßnahme festgestellten DNA-Identifikationsmuster“ unverzüglich zu löschen, „soweit [sie] zur Erforschung des Sachverhaltes nicht mehr erforderlich sind“. Nach S. 4 ist wie die Vernichtung auch die Löschung zu dokumentieren. § 81h Abs. 3 S. 3 StPO erweist sich damit als Verbot einer Speicherung nach Zweckerreichung und konkretisiert mithin die allgemeinen §§ 47 Nr. 5, 75 Abs. 2 BDSG. a) Konkretisierung anhand der Gesetzmaterialien: Ermittlung des Spurenlegers und Verjährung der Anlasstat als maßgebliche Zeitpunkte Die Gesetzgebungsmaterialien umschreiben den Zeitpunkt, zu dem zu löschen sei, als „regelmäßig“ gegeben, „sobald der Reihengentest und daran anschließend eine auf der Grundlage des § 81e StPO durchgeführte Kontrolluntersuchung zur Feststellung des Spurenlegers geführt ha[be]“, da die von den übrigen Teilnehmern stammenden Identifikationsmuster von da an nicht mehr zur Sachverhaltsaufklärung benötigt würden. Sollte bei den Teilnehmern kein Treffer vorliegen, seien jedenfalls spätestens mit Verjährung der Anlasstat die Muster zu löschen56. Der Gesetzgeber beschäftigt sich damit mit zwei der drei möglichen Ausgänge der Reihenuntersuchung. Liegt ein Treffer vor, so sei eine DNA-Analyse gem. § 81e Abs. 1 StPO bei demjenigen durchzuführen, bei dem die Reihenuntersuchung eine Übereinstimmung ergeben hat. Bestätigt diese weitere DNA-Analyse das Ergebnis der Reihenuntersuchung, seien alle durch sie festgestellten DNA-Identifikationsmuster zu löschen. Gibt es insgesamt keinen Treffer, so geben die Gesetzgebungsmaterialien keinen genaueren Zeitpunkt an, nur der vage Hinweis auf die Verjährung wird als finaler Zeitpunkt genannt. 55 Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 33; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 19. Vgl. hinsichtlich der gewonnen DNA-Identifikationsmuster auch Beck, S. 299. 56 Zu beidem BT-Drucks. 15/5674, S. 14.
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Mit dem Fall des Beinahetreffers können sich die die ursprünglichen Gesetzgebungsmaterialien freilich nicht beschäftigen, da dieser erst im Jahre 2017 ermöglicht wurde. Die diesbezüglichen Gesetzgebungsmaterialen beschäftigen sich mit der Löschungsfrage nicht weiter. Indessen wird man unter Beachtung der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers davon ausgehen dürfen, dass auch hier eine Löschung durchzuführen sein soll in dem Zeitpunkt, in dem bei dem so aufgespürten Familienmitglied des Teilnehmers eine DNA-Analyse durchgeführt wurde, die dieses als Spurenleger ausweist. Für den Fall, dass kein Familienmitglied aufgespürt werden kann oder die DNA-Analyse beim Aufgespürten ihn nicht als Spurenleger bestätigt, wird man bis zum Eintritt der Verjährung keine Löschungspflicht annehmen müssen. b) Der Ansatz von Literatur und Rechtsprechung: Kritik an der Verjährung als maßgeblicher Zeitpunkt Zum Teil schließt sich die Literatur der gesetzgeberischen Konzeption an, rekurriert auf den Gesetzgeber und fasst zusammen, die Löschung habe zu erfolgen, wenn der Spurenleger feststehe, anderenfalls im Zeitpunkt der Verjährung57. So sehr Einigkeit in der Literatur darüber besteht, dass das DNA-Identifikationsmuster der Teilnehmer zu löschen sei, sobald der Spurenleger bestimmt werden konnte, wird die gesetzgeberische Bezugnahme auf die Verjährung der Anlasstat kritisch beurteilt: Teilweise auch unter Bezugnahme auf die Gesetzgebungsmaterialien geht eine starke Meinung der Literatur davon aus, das DNA-Identifikationsmuster sei nicht erst im Zeitpunkt der Verjährung zu löschen, sondern sobald der Abgleich mit dem Spurenmaterial den Teilnehmer als Spurenleger ausschließe58. Begründet wird diese Abweichung von der gesetzgeberischen Konzeption, die zu einer Vorverlagerung der Löschung führt, damit, dass bei sicherem Ausschluss des Teilnehmers die Legitimation für die Speicherung mit der Zweckerreichung fortfiele59. Auch wird eine faktische Grundrechtsbeeinträchtigung der Teilnehmer ins Felde geführt60. Man müsse berücksichtigen, dass ein Abstellung auf die Verjährung schon deshalb schwierig sei, weil etwa Mord gem. § 78 Abs. 2 StGB überhaupt nicht verjähre61. Eher am Wortlaut des § 81h StPO orientiert wird für ein solches Verständnis auch argumentiert, im Falle des sicheren Ausschlusses sei das DNA57 Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 10; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 13; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 17. 58 Beck, S. 300; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 11; Eisenberg, Rn. 1688; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 8; Hero, S. 170; Pommer, JA 2007, 621 (626); Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (198); Senge, NJW 2005, 3028 (3032); einschränkend für Ausnahmefälle Ademi, S. 273; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 18; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 15; Hasselbach, S. 149 f.; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 30; Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 8; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 30. 59 Beck, S. 300; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 18; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 15. 60 Beck a. a. O. 61 Beck a. a. O.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Identifikationsmuster des Teilnehmers gerade nicht mehr zur Aufklärung des Anlasssachverhaltes erforderlich62. Trück hält beide Zeitpunkte (Feststellung des Spurenlegers und Ausschluss der Teilnehmers) für möglich und mit dem Gesetz vereinbar und stellt als letztmöglichen Zeitpunkt ebenso auf die Verjährung ab63. Der BGH hat sich mit der Löschungsfrage nicht vertieft auseinandergesetzt, jedoch in seinem Urteil über die Verwertbarkeit des Beinahetreffers zumindest festgestellt, dass sich aus dem Gesetzeswortlaut keine Pflicht zur sofortigen Löschung nach dem negativen Abgleich ergebe64. Man kann daher davon ausgehen, dass der BGH damit zumindest der zweitgenannten Literaturansicht, die inzwischen wohl als herrschend bezeichnet werden kann, eine Absage erteilt hat. c) Stellungnahme zu den Ansätzen und eigener Vorschlag Der Wortlaut der Löschungsregelung ist unpräzise und ermöglicht die Annahme von mehreren maßgeblichen Zeitpunkten. Sicher wird man festhalten können, dass die DNA-Identifikationsmuster der Teilnehmer spätestens dann nicht mehr benötigt werden, wenn ein Spurenleger ermittelt wurde. Insofern herrscht ein Einigkeit auch in der Literatur65. Dass der Fall der Teilnahme des Spurenlegers einen Ausnahmefall darstellt, wurde bereits erwähnt66. Rogall konstatiert daher zu Recht, dass der DNA-Reihenuntersuchung auch das Prädikat des Erfolges verliehen werden kann, wenn zwar der Spurenleger durch sie nicht ermittelt, der Kreis der Verdächtigen aber so verkleinert werden kann, dass Maßnahmen priorisiert werden können67. Man wird sogar sagen können, dass die Ermittlungsbehörden vielmehr davon ausgehen werden, dass kein Spurenleger an der Untersuchung teilnimmt. Die Frage, was mit den DNAIdentifikationsmustern zu geschehen hat, wenn kein Spurenleger ermittelt werden kann, ist also keine, die nur in atypischen Fällen auftritt; man wird sie im Gegenteil 62 Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 11; Hasselbach, S. 149 f.; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 30; Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 8; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 30; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (198); vgl. auch Hero, S. 170; ähnlich hinsichtlich Reihenuntersuchungen vor Einführung des § 81h StPO Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (301). 63 Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 18. 64 BGHSt 58, 84 (88, Rn. 11), zust. Rogall, JZ 2013, 874 (878, Fn. 61). 65 Vgl. Ademi, S. 272; Beck, S. 299; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 18; ders., in: SSWStPO, § 81h, Rn. 15; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 11; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 10; Hasselbach, S. 149; Hero, S. 170; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 30; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 30; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (198); Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 13; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 18; Walther, in: AnwKoStPO, § 81h, Rn. 17; wohl auch Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 8, der insofern von Erfolg spricht und Erfolglosigkeit als Nichtfeststellung des Spurenlegers definiert. 66 S. oben Kap. 5 § 2 I. 67 Rogall, JZ 2013, 874 (878).
§ 3 Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen
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als den Regelfall ansehen können. In der Zeitspanne zwischen dem Vergleich von Spurenleger-DNA und Teilnehmer-DNA einerseits und der Ermittlung eines Spurenlegers bzw. der Verjährung der Tat kann ein großer Zeitraum verstreichen, in dem die DNA-Identifikationsmuster gespeichert sind. Dies stellt einen Grundrechtseingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, der der Rechtfertigung bedarf68, was eine genauere Auseinandersetzung mit der Löschungsfrage bereits notwendig macht. aa) Löschung bei Feststellung des Spurenlegers oder eines Beinahetreffers Ausgangspunkt der Auseinandersetzung sollen die Gesetzgebungsmaterialien sein, die aber aus mehreren Gründen nicht überzeugen: Erstens muss es in dem Falle des Übereinstimmens von Teilnehmer-DNA und Spurenleger-DNA keine Kontrolluntersuchung geben. Eine solche wäre nicht erforderlich, da sie das Ergebnis der Reihenuntersuchung nur bestätigen kann, sollten nicht ausnahmsweise Anhaltspunkte für einen Fehler bei der Reihenuntersuchung vorliegen. Die Maßnahme nach § 81h StPO ist nach der Feststellung der Übereinstimmung vielmehr abzubrechen, es dürfen keine weiteren DNA-Identifikationsmuster festgestellt werden und die bereits erhobenen sind zu löschen. Dies ergibt sich einerseits aus dem Gesetzeswortlaut, andererseits aber auch direkt aus der Verfassung. (1) Der Wortlaut des Gesetzes und seine historische Entwicklung – zugleich zum Zweck der DNA-Reihenuntersuchung Das Gesetzeswort sieht eine Löschungspflicht vor, sobald die DNA-Identifikationsmuster zur „Erforschung des Sachverhaltes“ nicht mehr erforderlich sind. Bis ins Jahre 2017 war zu löschen, soweit die DNA-Identifikationsmuster „zur Aufklärung des Verbrechens“ nicht mehr erforderlich waren. Man kann diese Begriffstopoi – Erforschung des Sachverhalts und Aufklärung des Verbrechens – synonym gebrauchen, wenn man mit Aufklärung des Verbrechens schlicht den Sachverhalt meint, der der Anordnung der Reihenuntersuchung zugrunde liegt. Ein solches Verständnis liegt nahe, wenn man die Gesetzgebungsmaterialien zu der Änderung betrachtet, denn dem Gesetzgeber ging es demnach nur um eine „sprachliche Angleichung“ an § 81e StPO69. Man kann aber auch den Begriff der Erforschung des Sachverhalts enger verstehen als den der Aufklärung des Verbrechens, was einen praktischen Unterschied mit sich brächte: 68
S. Kap. 3 § 3. I. 3. a). BT-Drucks. 18/11277, S. 22 a. E. Gegen eine Änderung inhaltlicher Art auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 18; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 15; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1690. 69
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Die Aufklärung des Verbrechens ist nicht schon beendet, wenn festgestellt wurde, wer der Spurenleger ist. Sie ist erst recht nicht beendet, wenn nur festgestellt wird, dass der Teilnehmer nicht der Spurenleger ist70. Es stellen sich fallabhängig weitere Fragen, zumindest aber in jedem Fall, wie die DNA an den Ort des Auffindens kam71. Bei Vergewaltigungsdelikten wird regelmäßig zu prüfen sein, ob der Geschlechtsverkehr freiwillig geschah. Andere Beweismittel werden ebenso noch herangezogen werden müssen. Erst dann ist das Verbrechen aufgeklärt. Der der Reihenuntersuchung zugrundeliegende Zweck – die Aufklärung Verbrechens – wäre erst dann fortgefallen. Er kann mit der Reihenuntersuchung alleine gar nicht erreicht werden, wie eine Tat mit keiner DNA-Analyse alleine aufgeklärt werden kann72. Es wäre widersinnig, der DNA-Reihenuntersuchung einen solchen Zweck zugrunde zu legen, wenn dieser nie durch die Maßnahme erreicht werden kann. Deshalb ist das Wort „Sachverhalt“ im Hinblick auf das begrenze Erkenntnispotenzial des § 81h StPO zu verstehen. Der Sachverhalt ist deshalb spätestens dann erforscht, wenn der Spurenleger feststeht. Dies ergibt sich teilweise bereits aus den materiellen Anordnungsvorrausetzungen des § 81h Abs. 1 StPO73, wo die Durchführung der DNA-Reihenuntersuchung neben anderen Voraussetzungen unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit im Hinblick auf die Erkenntnis steht, „ob das Spurenmaterial von diesen Personen“ stammt – womit die Teilnehmer gemeint sind. Um dem Argument vorzubeugen, damit würden die sprachlichen Unterschiede von Abs. 1 und Abs. 3 ignoriert, sei darauf hingewiesen, dass ein weiteres Verständnis in Abs. 3 deshalb keinen Sinn ergibt, weil ansonsten etwas in Abs. 3 zum Zweck der Maßnahme erhoben würde, was die Anordnung gem. Abs. 1 nicht rechtfertigen würde. Ist der Spurenleger festgestellt, sind die DNA-Identifikationsmuster nicht mehr nur nicht erforderlich, wie es in der Gegenauffassung in der Literatur stets in Anlehnung an den Wortlaut heißt74, sondern bereits nicht mehr geeignet, um den Zweck zu erreichen, da dieser bereits erreicht wurde. Sie sind damit zu löschen. (2) Verfassungsrechtliche Argumentation – zugleich zur Reichweite der Einwilligung Soweit man dies nicht nur am Gesetzeswortlaut, sondern auch an der Verfassung normativ festmachen möchte, stellen sich dieselben Fragen, die sich bereits i. R. d. 70
A. A. aber Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 8, der diese Auffassung zwar nur auf die Teilnehmer bezieht, damit aber den Begriff der Aufklärung des Verbrechens so reduziert, dass er mit dem Wortsinn nicht mehr vereinbar ist. 71 Vgl. Kap. 2 § 4 III. 1. 72 Kap. 2 § 4 IV. 73 Auf die unten genauer eingegangen werden wird, Kap. 5 § 4. 74 Vgl. Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 11; Hasselbach, S. 149 f.; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 30; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 30; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (198); vgl. auch Hero, S. 170; ähnlich hinsichtlich Reihenuntersuchungen vor Einführung des § 81h StPO Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (301).
§ 3 Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen
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Körperzellentnahme gestellt haben. Denn vor dem Hintergrund der Einwilligung ist für Verhältnismäßigkeitserwägungen grundsätzlich kein Raum mehr75. Die Belehrungsvorschrift des § 81h Abs. 4 StPO sieht ebenso keine Belehrung über die Löschungspflicht vor76, sodass nicht aufgrund der Belehrung etwa argumentiert werden kann, bei einer nicht sofortigen Löschung sei das Exekutivhandeln nicht mehr der Einwilligung gedeckt und habe daher Eingriffscharakter. Indessen bezieht sich die Einwilligung auf die gesamte Maßnahme. Dies ergibt sich neben einer realistischen Auslegung auch aus dem § 81h Abs. 4 S. 1 StPO, in dem es heißt, die Maßnahme könne nur mit Einwilligung durchgeführt werden. Die Einwilligung bezieht sich somit auf die Maßnahme in den in § 81h StPO insgesamt gesteckten Grenzen. Wenn aber eine Speicherung nicht mehr von § 81h StPO gedeckt ist, so kann sich die Einwilligung auch nicht mehr auf sie beziehen. Damit ist wieder ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gegeben bzw. auf Rechtfertigungsebene der Weg frei für jenseits der Einwilligung liegende Erwägungen. Somit kann letzten Endes doch unter Bemühung des Verhältnismäßigkeitsprinzips eine Löschung verlangt werden, sobald der Spurenleger feststeht, weil die Speicherung nicht mehr geeignet ist, der Erforschung des Sachverhaltes zu dienen. Dies gilt freilich auch für die Erhebung aus noch nicht analysierten Zellen. Weiter muss dies auch dann gelten, wenn der Spurenleger nicht durch § 81h StPO, sondern auf anderem Wege habhaft gemacht wurde77. Ob er als Täter in Betracht kommt, ist erst recht irrelevant78. (3) Keine Geltung beim Beinahetreffer Nicht gelten kann dies indessen für den Fall des Beinahetreffers. Dort ist man dem Spurenleger zwar näher, aber nicht habhaft geworden. Der Zweck der Maßnahme ist nicht erreicht. Weitere DNA-Identifikationsmuster können geeignet sind, dem Spurenleger näher zu kommen. Denn u. U. ist der Spurenleger unter den weiteren Teilnehmern, oder aber es findet sich ein weiterer Verwandter, womit nur noch die Schnittmenge der Verwandten der zwei Teilnehmer, deren DNA einen Beinahetreffer erzeugte, als Spurenleger in Betracht käme. Die Feststellung eines Beinahetreffers ist daher nicht mit der Feststellung des Spurenlegers gleichzusetzen. Sobald aber vom Beinahetreffer ausgehend der Spurenleger ermittelt wurde, gilt uneingeschränkt das Vorstehende und die DNA-Identifikationsmuster der Verwandten (und der anderen Teilnehmer) sind zu löschen. Das gilt auch, falls aufgrund der Schnittmenge und weiteren Indizien gegen den Verdächtigen gem. §§ 81a, 81e StPO vorgegangen werden kann. Aus rechtsstaatlicher Perspektive können nicht Unverdächtige anstelle eines Verdächtigen zu Maßnahmen mit Grundrechtsrelevanz herangezogen werden, soweit ihre Heranziehung nicht einen weiteren Erkenntnisgewinn bedeutet, wie dies 75 76 77 78
Oben Kap. 5 § 1. S. ausführlicher unten Kap. 5 § 5 I. 4. c). Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 30. Zutreffend Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 11.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
bspw. bei einer Zeugenaussage der Fall ist79. Insoweit herrscht ein Stufenverhältnis zwischen §§ 81e und 81h StPO; letztere muss bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 81e StPO gegenüber jener Maßnahme subsidiär sein80. Hier ist dann eine weitere DNA-Analyse erforderlich, die aber keine Kontrolluntersuchung ist, denn bisher wurde nur der Nachweis der Verwandtschaft, nicht aber der Nachweis über das Vorhandensein der DNA des Verdächtigen am Ort des Auffindens geführt81. (4) Keine Vorgaben für das Analyseverfahren? Der BGH hat im erwähnten Urteil entschieden, dass dem Gesetz nicht zu entnehmen sei, dass nach jeder Untersuchung auch direkt zu löschen sei82. Ein Verstoß gegen das Löschungsgebot begründet der BGH damit, dass noch 800 Speicherproben zur Analyse ausstanden83. Dem steht die Auffassung entgegen, dass sofort zu löschen sei, wenn ein negativer Abgleich stattgefunden habe, weil ab dann die DNA-Identifikationsmuster nicht mehr zur Sachverhaltsaufklärung benötigt würden84. Es handelt sich um die ganz praktische Frage, ob das Untersuchungsverfahren beim Sachverständigen nach dem Schema „Abgleich – negatives Ergebnis – Löschen – Abgleich – … – Treffer/Ende“ oder nach dem Schema „Abgleich- negatives Ergebnis – Abgleich – negatives Ergebnis – … – Treffer/Ende – Löschen“ vonstatten gehen muss. Ein sehr strenges Verständnis dessen, was gerade im Vorstehenden vertreten wurde, würde zu ersterem führen. Indessen muss berücksichtigt werden, dass damit stark in die Arbeit des Sachverständigen eingriffen würde. Unter Umständen würde – je nach der praktischen Handhabung – das Verfahren verkompliziert85. Dem gegenüber steht nur eine zeitlich geringe Speicherung beim Sachverständigen, der die DNA-Identifikationsmuster, die zu keinem Treffer führten, auch an die Strafverfolgungsbehörden nicht weitergeben darf. Man wird daher nicht nach jedem Abgleich eine Löschung verlangen können. Dem Sachverständigen ist hierbei ein gewisser Gestaltungsspielraum zu lassen. Ob man indessen die ganze Untersuchung abwarten kann, ist eine Frage der 79
Dies ist letztlich Ausfluss des ultima-ratio-Charakters des § 81h StPO. Zur dogmatischen Begründung unten Kap. 5 § 4 III. 80 I. E. Kretschmer, HRRS 2012, 183 (187); Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 5. 81 So zutreffend BT-Drucks. 18/11277, S. 21. 82 BGHSt 58, 84 (88, Rn. 11); ebenso unter Bezugnahme auf den BGH Neuhaus, in: HKGS, § 81h StPO, Rn. 8; zust. Rogall, JZ 2013, 874 (878, Fn. 61 a. E.); i. d. S. auch Hasselbach, S. 150, die auf den Ausgang der Reihenuntersuchungen (und damit nicht auf den einzelnen Test) abstellt. 83 BGH a. a. O. 84 Eisenberg, Rn. 1688; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 8; Hero, S. 170. 85 Laut Auskunft eines privaten DNA-Labors, das in der Forensik tätig ist und hier nicht genannt werden möchte, ist es in der Praxis so, dass es dem Sachverständigen gar vertraglich verboten ist, die DNA-Identifikationsmuster kraft eigener Entscheidung zu löschen. Vielmehr sei er aufgrund vertraglichen Verpflichtung angehalten, die DNA-Identifikationsmuster erst nach einer entsprechenden Aufforderung durch die Strafverfolgungsbehörden zu löschen.
§ 3 Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen
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Länge der Untersuchung und damit des Einzelfalles. Wird diese binnen weniger Tage abschlossen, so kann man auf Zwischenlöschungen verzichten, dauert sie hingegen mehrere Wochen, ist eine zwischenzeitliche Löschung der nicht relevanten DNAIdentifikationsmuster zu fordern, um den verfassungsrechtlichen Belangen Geltung zu verschaffen. Dass auf derart praktische Argumente auch innerhalb der rechtlichen Auseinandersetzung eingegangen werden darf, zeigt i. Ü. auch § 58 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BDSG. Demnach kann anstelle zu löschen auch eine Einschränkung der Verarbeitung vorgenommen werden, falls die Löschung mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden ist. Da bei einem automatisierten Abgleich man von einem solchen ausgehen dürfte, wird es reichen, wenn über die kurze Zeit der Speicherung lediglich sichergestellt wird, dass keine weitere Verwendung erfolgt86. (5) Zwischenergebnis Damit ist festgehalten, dass jedenfalls nach der Feststellung Spurenlegers die DNA-Identifikationsmuster der übrigen Teilnehmer zu löschen sind. Eine sofortige Löschung nach dem Abgleich erscheint nicht sachgerecht, ob indessen Zwischenlöschungen zu fordern sind, richtet sich nach der Dauer der Untersuchung. bb) Löschung, wenn kein Spurenleger ermittelt werden konnte Die gesetzgeberische Konzeption ist zweitens auch kritikwürdig, soweit sie auf den Zeitpunkt der Verjährung abstellt, falls kein Spurenleger gefunden wird. Dass das Verjährungskriterium aus datenschutzrechtlicher Perspektive untauglich, zumindest aber schwer handhabbar ist, wurde oben schon aufgezeigt worden87. Becks Ansatz an der Unverjährbarkeit des Mordes gem. § 78 Abs. 2 StGB88 ist zwar der Anknüpfungspunkt für die Problematik, bedarf aber noch der Ergänzung. Problematisch ist nämlich (zumindest aus datenschutzrechtlicher Perspektive89) nicht, dass bei Mord keine Verjährung eintritt. Problematisch ist, dass der Verjährungsmoment nicht nur bei Mord, sondern bei allen Tötungsdelikten typischerweise nicht ohne weitergehende Informationen bestimmt werden kann, an des mangeln wird, wenn § 81h StPO in Betracht kommt. Denn ob ein Tötungsakt einen Mord oder einen Totschlag darstellt, hängt teilweise auch von inneren Motiven ab, wie die täterbezogenen Mordmerkmale der ersten und dritten Gruppe des § 211 Abs. 2 StGB zeigen. Ob der Tötungshandlung Vorsatz anhaftete, kann ohne weitere Ermittlungen überhaupt nicht prognostiziert werden, sodass im Extremfall die DNA-Identifika86
Zur (Un-)zulässigkeit weiterer Verwendung der Daten s. sogleich Kap. 5 § 3 II. Kap. 4 § 3 II. 2. e) cc). 88 Beck, S. 300. 89 Zur Legitimation der Unverjährbarkeit des Mordes (heute) und Kritik an der Regelung Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 78, Rn. 1; Saliger, in: NK-StGB, § 78, Rn. 6, jeweils m. w. N.; krit. zum Bedürfnis für die Unverjährbarkeit heute bzw. im Jahr 2014 Mitsch, StV 2014, 366 (338). 87
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
tionsmuster der unbeschuldigten Teilnehmer ad infintum gespeichert werden, obschon de facto gar kein Mord vorlag, u. U. nicht einmal ein Totschlag, sondern nur eine Körperverletzung mit Todesfolge gem. § 227 StGB oder eine fahrlässiger Tötung gem. § 222 StGB, aufgrund der eine Maßnahme nach § 81h StPO nicht einmal angeordnet werden dürfte90. Das Verjährungskriterium ist im Ergebnis so vage, dass es gerade bei Tötungsdelikten de facto auf eine Speicherung ad infintum hinausliefe. Für eine solche ist aber keine rechtliche Legitimation gegeben. Es fehlt an einer solchen aber auch, wenn der Verjährungszeitraum genauer bestimmt werden kann, etwa bei Entführungsdelikten. Betrachtet man den Strafrahmen der §§ 239a, 239b StGB, der Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ohne begrenztes Höchstmaß (was gem. § 38 Abs. 2 StGB zu einem Höchstmaß von 15 Jahren führt) vorsieht, so käme man gem. § 78 Abs. 3 Nr. 2 StGB zu einer Verfolgungsverjährungsfrist von 20 Jahren, bei Todesfolge gem. § 78 Abs. 3 Nr. 1 StGB i. V. m. § 239a Abs. 3 StGB ggf. i. V. m. § 239b Abs. 2 StGB sogar zu einer Verjährungsfrist von 30 Jahren. Für eine Speicherung der DNA-Identifikationsmuster über einen solchen Zeitraum besteht aber kein Grund. Sie haben nach einem negativen Abgleich keinen wie auch immer gearteten Einsatzbereich mehr. Der Nachweis, dass der Teilnehmer nicht der Spurenleger ist, wurde erbracht. Obschon der Spurenleger nicht ermittelt wurde, muss dann der Zweck des § 81h StPO als erreicht angesehen werden. Ist der Zweck wie aufgezeigt anhand des Erkenntnispotenzials der Maßnahme zu bestimmen, so gilt zu sehen, dass der Spurenleger ausgehend von der Nichtübereinstimmung von Spurenleger-DNA und Teilnehmer-DNA zumindest nicht ermittelt werden kann. Es handelt sich damit bei der Speicherung um einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Teilnehmers (dass die Einwilligung nur soweit reicht, wie die Ausführung selbst durch § 81h StPO gedeckt ist, wurde aufgezeigt91), der nicht mehr gerechtfertigt werden kann. Die DNA-Identifikationsmuster der Teilnehmer sind zur Erforschung des Sachverhalts nicht mehr geeignet, sodass die Speicherung unverhältnismäßig ist. Die Situation liegt mithin gleich wie in den Fällen, in denen ein Spurenleger ermittelt werden konnte. Die DNA-Identifikationsmuster der Teilnehmer sind grundsätzlich nach negativem Abgleich zu löschen, wobei dem Sachverständigen eine gewisse Frist aus Gründen der Praktibilität einzuräumen ist. Die Feststellung des Spurenlegers kann nur eine frühzeitige Löschung und ein Verbot der weiteren Erhebung bewirken. Seine Nichtfeststellung ermöglicht umgekehrt keine längere Speicherung. Da das Kriterium der Verjährung nicht als Anknüpfungspunkt taugt und verfassungsrechtliche Argumente gegen eine entsprechende Speicherung sprechen, ist 90
Dieses Argument führt Singelnstein, in: BeckOK-StPO, § 362, Rn. 12 mit Recht auch gegen die Erweiterung des § 362 StPO ins Feld. Zur Voraussetzung der qualifizierten Anlasstat i. R. d. § 81h StPO Kap. 5 § 4 I., zur Folge eines Verstoßes Kap. 5 § 6 II. 91 Kap. 5 § 3 II. 1. c) aa) (2).
§ 3 Zweckbindungsgebote und Verwendungsbeschränkungen
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§ 81h StPO entgegen den Gesetzgebungsmaterialen so auszulegen, dass die Löschung auch dann, wenn kein Spurenleger ermittelt werden konnte, spätestens mit Abschluss der Maßnahme zu erfolgen hat.
2. Verwendung nur im Anlassverfahren Eng verbunden mit der Frage nach der Löschung ist die Frage nach der Begrenzung des Einsatzes des DNA-Identifikationsmusters in speziellen Verfahren. Bereits i. R. d. Auseinandersetzung um den Einsatz von Körperzellen ging es um zwei konkrete Fragen, die auch Gegenstand der Auseinandersetzung um den Einsatz des DNA-Identifikationsmuster sind: Erstens um den Einsatz in anderen, bereits anhängigen Strafverfahren und zweitens um den Einsatz in zukünftigen Strafverfahren, wobei bei Verneinung der Zulässigkeit von beidem in consequentiam eine Begrenzung auf das Anlassverfahren stünde92. An einer ausdrücklichen Regelung mangelt es in § 81h StPO. Auch die Gesetzgebungsmaterialen machen diesbezüglich kein Ergebnis expressis verbis an einem Passus des § 81h StPO fest. Indessen findet sich dort in Bezug auf die Belehrungspflicht ob der unterbleibenden Speicherung des DNA-Identifikationsmusters in der DNA-Analyse-Datei des BKA, die heute in § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 4 StPO normiert ist, der Hinweis, diese Belehrung werde in der Intention normiert, damit einer vermuteten Befürchtung der Teilnehmer entgegenzutreten, dass „die Daten […] zu anderen Zwecken als der Aufklärung der verfahrensgegenständlichen Straftat erhoben und – vorübergehend – gespeichert“ würden93. Zwar ist weder mit der besagten Belehrungsvorschrift eine Beschränkung der Nutzung der Teilnehmer-DNA auf die Anlasstat verbunden – rein den Wortlaut betrachtet ergibt sich nur ein Verbot der Speicherung, nicht aber andersweitiger Nutzung – noch mit der Aussage des Gesetzgebers – nur die Erhebung und Speicherung, nicht die weitere Verwendung wird thematisiert. Eine solche wäre im Wege einer gesetzgeberisch angeordneten oder wenigstens durch Auslegung ermöglichten Zweckänderung denkbar. Die Intention des Gesetzgebers wird indessen deutlich. Auch die Literaturmeinung ist insofern eindeutig für eine Beschränkung der Verwendung auf das Anlassverfahren94. Normativ lässt sich die Beschränkung der Verwendung der DNA-Identifikationsmuster auf das Anlassverfahren mehrfach festmachen: Einerseits ist auf das Erforderlichkeitskriterium des § 81h Abs. 1 StPO hinzuweisen, nach dem die ganze Maßnahme nur dann angeordnet und durchgeführt 92
Kap. 5 § 3 I. 2. BT-Drucks. 15/5674, S. 14. 94 Beck, S. 299; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 11; Eisenberg, Rn 1688; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 8; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 21; Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 8; Senge, NJW 2005, 3028 (3032); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 18. 93
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
werden darf, soweit dies zur Feststellung erforderlich ist, ob der Teilnehmer der Spurenleger ist95. Es erschiene indessen auch hier inkonsequent, die Datenerhebung enger zu begrenzen als die Verwendung96. Freilich ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass die Voraussetzungen der §§ 81e, 81a Abs. 3 und 81g StPO, die jeweils entweder eine Beschuldigteneigenschaft oder eine Negativprognose voraussetzen, umgangen würden, ließe man eine weitere Verwendung zu97. Hinsichtlich der Verwendung in zukünftigen Strafverfahren ist auf deren Inkompatibilität mit dem Löschungsgebot hinzuweisen. Geht man wie hier davon aus, dass kraft gesetzlicher Anordnung das DNA-Identifikationsmuster des Teilnehmers grundsätzlich nach dem Abgleich mit dem des Spurenlegers gelöscht werden muss98, so bleibt für eine zukünftige Verwendung kein Raum, weil notwendige Voraussetzung dafür wäre, dass das DNA-Identifikationsmuster nicht gelöscht, sondern gespeichert werden dürfte bzw. müsste. Anderseits kann aber auch auf die Verwendungsbegrenzung der Körperzellen Bezug genommen werden: Wenn diese nur im Anlassverfahren verwendet werden dürfen99, so muss dies auch für das DNA-Identifikationsmuster gelten. Die Erwägungen, die zur Beschränkung des Einsatzes der Körperzellen geführt haben, würden ansonsten gleichsam unterminiert, wenn sie zwar nicht mehr analysiert werden dürften und könnten, das Ergebnis aber zur weiteren Verwendung noch vorrätig wäre und eingesetzt werden könnte. Demgemäß ist auch der Einsatz des DNA-Identifikationsmusters auf das Anlassverfahren beschränkt.
§ 4 Materielle Anordnungsvoraussetzungen Wie auf den ersten Blick erkennbar, hängt die Anordnung einer Maßnahme nach § 81h StPO von wesentlich höheren Anordnungsvoraussetzungen ab als eine „einfache“, auf einen Einzelnen beschränkte DNA-Analyse gem. §§ 81e, 81f StPO. Es handelt es sich bei den materiellen Voraussetzungen dabei um die Erfordernisse einer qualifizierten Anlasstat und der Erfüllung spezieller Prüfungsmerkmale; weiter finden sich explizite Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit. 95
Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 21. S. schon Kap. 5 § 3 II. 1. c) aa) (1). 97 Beck, S. 299, wobei die von ihr in Bezug auf § 81g StPO genannte Voraussetzungen der qualifizierten Anlasstat wohl nicht umgangen würde, da der Kreis möglicher Anlasstaten i. R. d. § 81h StPO enger ist als i. R. d. § 81g StPO. Vgl. in diesem Sinne auch Eisenberg, Rn. 1688; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 33. 98 Kap. 5 § 3 II. 1. 99 Kap. 5 § 3 I. 96
§ 4 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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I. Qualifizierte Anlasstaten Eine DNA-Reihenuntersuchung kann nicht zur Aufklärung jedweder Straftat eingesetzt werden. Ihre Anordnung steht gem. § 81h Abs. 1 StPO unter dem Vorbehalt, dass „bestimmte Tatsachen den Verdacht [begründen], dass ein Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung begangen worden ist“. So erfährt die Anordnung der DNA-Reihenuntersuchung schon zwei Einschränkungen: Einmal sorgt die Beschränkung auf Verbrechen für eine Beschränkung auf Straftaten, denen bereits per definitionem ein qualitativ erhöhter Unrechtsgehalt zugeschrieben wird100. Weiter ist aber auch bei Vorliegen eines Verbrechens die Anordnung der DNAReihenuntersuchung nicht uneingeschränkt statthaft. Es muss sich um qualifizierte Verbrechen handeln, wobei mit Qualifikation nicht die Steigerung eines Grunddeliktes i. S. d. materiellen Strafrechts gemeint ist. Vielmehr sind nur solche Verbrechen taugliche Anlasstaten, die sich gegen die aufgezählten Rechtsgüter richten. 1. Verbrechen gegen bestimmte Rechtsgüter a) Der Verbrechensbegriff des materiellen Strafrechts als erstes Selektionskriterium Der Verbrechensbegriff ergibt sich aus § 12 Abs. 1 StGB in Abgrenzung zum Vergehensbegriff des § 12 Abs. 2 StGB101. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Unbeachtlichkeit einer Verschärfung und Milderung der Strafandrohung bei besonders oder minder schweren oder Fällen oder bei Verschärfungen bzw. Milderungen nach den Regeln des Allgemeinen Teils gem. § 12 Abs. 3 StGB hinzuweisen. Somit ist taugliche Anlasstat für § 81h StPO nur eine im Mindestmaß mit einem Jahr 100
Krit. dazu aber Hölscher/Retemeyer, in: HK-GS, § 12 StGB, Rn. 2, die davon ausgehen, nur in der öffentlichen Meinung wohne Verbrechenstatbestanden ein höherer Unrechtsgehalt inne; die Zweiteilung von Straftaten nach § 12 StGB habe aus juristischer Sicht „in erster Linie gesetzestechnische Bedeutung“; ebenso Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 12, Rn. 4; v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 12, Rn. 2; Radtke, in: MüKo-StGB I, § 12, Rn. 6; Saliger, in: NK-StGB, § 12, Rn. 2; zum historischen Verlust der Bedeutung vgl. auch Radtke a. a. O., Rn. 9. Man wird dieser Betonung der technischen Bedeutung angesichts der zahlreichen Verweisen im materiellen (vgl. etwa § 23 Abs. 1 StGB) wie im formellen Recht (vgl. etwa neben § 81h StPO auch §§ 153, 153a StPO) kaum widersprechen können. Dass mit einer erhöhten Mindeststrafe aber auch ein gewisser Unrechtsgehalt intendiert ist, wird man ebenso kaum leugnen können, denn der Gesetzgeber wäre frei, trotz des Charakters einer Straftat als Vergehen eine hohe Höchststrafe einzuführen, wie dies etwa bei § 224 StGB geschehen ist. Gerade durch die Mindestfreiheitsstrafe legt er aber fest, dass das Delikt als solches ohne besondere Beachtung des Einzelfalls in erheblichem Maße strafwürdig ist. 101 Vgl. die Bezugnahme des Gesetzgebers auf § 12 Abs. 1 StGB bei BT-Drucks. 13/5674, S. 13; i. E. auch Jahn, JuS 2013, 470.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Freiheitsstrafe bedrohte Straftat unter Außerachtlassung der Verschärfungs- und Milderungsregeln, in die in § 12 Abs. 3 StGB aufgezählt sind. b) Das geschützte Rechtsgut als zweites Kriterium – Abschnittsbezogenes oder rechtsgutsbezogenes Verständnis? Obschon durch die Notwendigkeit eines Verbrechens bereits an enger Maßstab an die Unrechtsqualität angelegt wird, begrenzen die vier aufgezählten Rechtsgüter, gegen die sich die Tat richten muss, den Kreis der tauglichen Anlasstaten weiter. aa) Abschnittsbezogener Ansatz (1) Konsequenz und Inhalt eines abschnittsbezogenen Verständnisses Die Rechtsgüter werden dabei sprachlich in genau der Diktion beschrieben, wie die amtlichen Überschriften des besonderen Teils die Abschnitte des StGB gliedern. Somit besteht die Möglichkeit, sich am materiellen Strafrecht zu orientieren und die Verbrechen der Abschnitte 13 und 16 bis 18 als taugliche Anlasstat zu benennen102. Dies wäre ein enges Verständnis. Beispielsweise Brandstiftungsdelikte müssten als Anlasstaten ausscheiden – diese sind im 28. Abschnitt geregelt. (2) Die DNA-Reihenuntersuchung als ultima ratio Für ein enges Verständnis könnte der ultima -ratio-Charakters des § 81h StPO103 sprechen. Es ließe sich argumentieren, deshalb sei die Maßnahme auf möglichst wenige Verbrechen zu begrenzen104. Freilich würden bei einem rechtsgutsbezogenen Verständnis nämlich auch die Verbrechen in den entsprechenden Abschnitten erfasst. Gleichzeitig würden aber andere außerhalb der Abschnitte miteinbezogen (z. B. § 306c StGB), was zu einer nicht unerheblichen Ausweitung führen könnte.
102 Explizit dafür Hasselbach, S. 131 ff.; 158; wohl auch Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 2, der nur die in den betreffenden Abschnitten normierten Verbrechen (auszugsweise und nicht vollständig) als Anlasstaten aufzählt, ebenso Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 4; ähnlich Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 8; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 5, der ebenso aus den Abschnitten einzelne Verbrechenstatbestände benennt, im Bereich der Straftaten gegen das Leben aber gar nicht zwischen Verbrechen und Vergehen differenziert und schlicht auf §§ 211 – 222 StGB verweist; ebenso Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 10, der die Verbrechen der entsprechenden Abschnitte zwar aufzählt, aber auf die fehlende Erweiterbarkeit hinweist und in Fn. 73 diejenigen als a. A. nennt, die Verbrechen mit Todesfolge aus anderen Abschnitten miteinbeziehen. 103 Vgl. dazu schon die entsprechenden Nachweise in Fn. 26 (Kap. 5). Zur dogmatischen Begründung dieses Charakters s. Kap. 5 § 4 III. 104 So Hero, S. 168.
§ 4 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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(3) Die gesetzgeberische Intention Hasselbach führt für ein abschnittsbezogenes Verständnis ins Feld, dem Gesetzgeber sei es gerade darum gegangen, einen abschließenden Katalog an Anlasstaten aufzustellen. Sie weist darauf hin, dass im Falle einer isolierten Betrachtung des Rechtsgutes nicht nur § 251 StGB, sondern bereits der einfache Raub gem. § 249 StGB wegen seiner Nötigungskomponente, die sich gegen die persönliche Freiheit richte, taugliche Anlasstat sei105. Der Kreis der Anlasstaten solle ferner „gering gehalten werden“, weil es dem Gesetzsetzgeber bei der Einführung des § 81h StPO nur darum gegangen sei, die bisherige Praxis auf eine Rechtsgrundlage zu stellen, nicht aber darum, sie unverhältnismäßig auszuweiten106. (4) Vergleich mit der Rechtsprechung des BGH zur nachträglichen Sicherungsverwahrung gem. § 66b StGB a. F. Weiter führt Hero ein Urteil des BGH aus dem Jahre 2006107 zu § 66b StGB a. F. an . 108
Gemäß § 66b StGB a. F. konnte nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden, wenn der Betroffene u. a. wegen „eines Verbrechens gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder eines Verbrechens nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit den §§ 252, 255 [StGB], oder […]“ verurteilt wurde. Der erste Passus des Gesetzeszitats gleicht dem des § 81h StPO. Der BGH entschied damals, ein Verbrechen gegen die körperliche Unversehrtheit könne nur ein solches sein, das im entsprechenden Abschnitt des StGB normiert sei. Das gelte für die anderen Anlasstaten des § 66b StGB a. F. entsprechend109. Der BGH vertrat mithin einen abschnittsbezogenen Ansatz. Zwar sei ein abschnittsbezogenes Verständnis den Gesetzgebungsmaterialien nicht zu entnehmen110. Indessen sei jenen zu entnehmen, dass der Kreis möglicher Anlasstaten für eine nachträgliche Sicherheitsverwahrung „eher klein denn groß zu fassen sei“111. Hauptargument des 105 Hasselbach, S. 131. Vgl. auch die Beispiele Hasselbachs auf S. 132, die dann ihrer Ansicht nach Anlasstaten wären. 106 Hasselbach, S. 134. 107 NJW 2006, 1745 f. = BGHSt 51, 25 ff. 108 Hero, S. 168, auch Bezug nehmend, aber eine Übertragbarkeit wegen des „Sinnzusammenhang[s] der gesetzlichen Entstehungsgeschichte“ abl. Hasselbach, S. 132 ff. 109 Vgl. bereits den Leitsatz bei BGHSt 51, 25. 110 BGHSt 51, 25 (26 f., Rn. 6 ff.). 111 Zitat nach Hasselbach, S. 133; die hierbei auf die Bezugnahme des BGH auf die Ausführungen des GBA (BGHSt 51, 25 (26 f., Rn. 7 ff.)) rekurriert, die der BGH als zutreffend bezeichnet (S. 26, Rn. 7). Der BGH formulierte, die Situation liege so, „daß nach dem Willen des Gesetzgebers ehe wenige Delikte und nicht möglichst viele Delikte als Grundlage für eine solche Anordnung in Betracht kommen soll[t]en“ (S. 27, Rn. 10).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
BGH war ein systematisches, das darauf Bezug nahm, dass u. a. die §§ 250, 251 StGB als Anlasstaten explizit normiert waren: Es wäre „unklar und verwirrend“, wenn der Raub gem. § 249 StGB aufgrund seiner Nötigungskomponente eine Anlasstat i. S. d. § 66b StGB a. F. sei, denn eine solche wohne den §§ 250, 251 StGB ebenso inne. Wieso sollten also einige Raubtatbestände explizit normiert werden, andere aber nicht, wenn doch alle Raubformen schon vom Begriff des Verbrechens gegen die persönliche Freiheit erfasst sein112 ? Hero spricht dieser Entscheidung eine „Indizwirkung“ für ein generelles, abschnittsbezogenes Verständnis zu113. (5) Kriminalistische Ungeeignetheit der DNA-Reihenuntersuchung zur Aufklärung weiterer Delikte Außerdem sei eine DNA-Reihenuntersuchung nicht sinnvoll bei dem Großteil der Straften, die bei einem rechtsgutsbezogen Verständnis in den Kreis der Anlasstaten miteinbezogen würden, wie etwa Verbrechen aus der Gattung der gemeingefährlichen Straftaten oder der Umweltdelikte114. Selbst falls ausnahmsweise DNA zur Verfügung stünde – womit eine Reihenuntersuchung erst technisch durchführbar wäre –, seinen Maßnahmen wie Observation oder eine Telekommunikationsüberwachung erfolgsversprechender. Der logistische und finanzielle Aufwand bei einer DNA-Analyse lohne kaum115. (6) Abstumpfungseffekte bei der Bevölkerung Letztlich sei nach Hasselbach auch zu bedenken, dass die Strafverfolgungsbehörden i. R. d. § 81h StPO wegen des Erfordernisses der Einwilligung auf die Mitwirkung der Bevölkerung angewiesen seien. Sollten die Ermittlungsbehörden zu oft zur Teilnahme an der DNA-Reihenuntersuchung aufrufen, seien „Abstumpfungserscheinungen“ zu befürchten. Die Bereitschaft der Bevölkerung zur Mitwirkung an 112
Vgl. BGHSt 51, 25 (27 f., Rn. 12 f.). Hero, S. 168. 114 Hasselbach, S. 134. 115 Hasselbach, S. 134 unter Bezugnahme auf Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (299). Das Zitat ist indessen unpräzise und teilweise gar sinnverfälschend. Zum einen gilt es zu bedenken, dass Graalmann-Scheerer einen Entwurf für eine gesetzliche Grundlage der DNAReihenuntersuchung verfasst und nicht eine bestehende Norm auslegt. Dies ist ein Unterschied, denn während der Schaffung eines Gesetzes spielen Zweckmäßigkeitsüberlegungen naturgemäß eine größere Rolle als bei der Gesetzesauslegung. Zweitens sieht Graalmann-Scheerer zwar verdeckte Ermittlungsmaßnahmen bei den Verbrechen, die sie nicht in einem etwaigen Straftatenkatalog enthalten wissen wollte (laut ihr schwere Raubdelikte und Verbrechen i. S. d. BtMG), als erfolgsversprechender an. Das Argument betreffend die Ökonomie verwendet Graalmann-Scheerer nicht. Selbst wenn man dies ignoriert, taugt die Bezugnahme auf Graalmann-Scheerer schon deshalb nicht, weil diese erstens gemeingefährliche Verbrechen wie § 306b StGB als Anlasstat erfasst haben wollte (vgl. Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (300)) und für einen Katalog an Straftaten und nicht für eine abschnittsbezogene Aufzählung von Rechtsgütern – also für ein völlig anderes Regelungssystem – plädierte. 113
§ 4 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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den DNA-Reihenuntersuchungen würde „überstrapaziert“. Deshalb sollten die Maßnahme bei anderen als den in den 13. und 16. bis 18. Abschnitt des StGB normierten Verbrechen nicht angeordnet werden116. (7) Der Ansatz Rogalls – Verlagerung der Eingrenzung auf Verhältnismäßigkeitsebene? Eher rechtspolitisch kritisiert Rogall an einem engen Verständnis, dieses würde andere Verbrechen oder sonstige schwere Straftaten ausschließen. Die Notwendigkeit der Verhältnismäßigkeitsprüfung, wie sie in § 81h StPO angelegt ist, hätte ihm zu Folge erst dann Sinn ergeben, wenn man weitere Verbrechen miteinbezöge117. Dabei scheint Rogall aber die Begrenzung anzuerkennen, wenngleich er sie für verfehlt zu halten scheint. (8) Rechtssicherheit Als Argument könnte man alledem freilich noch hinzufügen, dass es eher für Rechtssicherheit oder wenigstens für Rechtsklarheit sorgen würde, wenn der Kreis an Anlasstaten des § 81h StGB mit einem einfachen Blick ins StGB bestimmt werden könnte. Demgegenüber müsste bei einem abschnittsbezogenen Verständnis jeder Verbrechenstatbestand auf sein Schutzgut überprüft werden. Dass dabei mehrere Auffassungen vertreten werden können, während der systematische Standort eines Delikts im StGB unbestritten ist, erschließt sich. bb) Rechtsgutsbezogener Ansatz – zugleich Stellungnahme Eine rein grammatische Auslegung führt nicht weiter118. Denn der Wortlaut gibt beide Verständnisse her. (1) Die gesetzgeberische Intention und Konsequenz Gleichwohl griffe ein rein abschnittsbezogener Ansatz zu kurz, denn der Gesetzgeber wollte die DNA-Reihenuntersuchung bei Einführung des § 81h StPO auf solche Verbrechen begrenzt wissen, die auf eine „massive[…] Verletzung eines höchstpersönlichen Rechtsguts“ zielten119. Hätte dem Gesetzgeber ein abschnittsbezogenes Verständnis vorgeschwebt, so hätte er wenigstens in den Gesetzgebungsmaterialien darauf Rekurs nehmen und damit für Rechtsklarheit sorgen können.
116 Hasselbach, S. 134; vgl. freilich ohne Berücksichtigung des § 81h StPO bereits ähnlich Hombert, S. 177. 117 Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (710, vgl. auch Fn. 162). 118 Soweit zutreffend Hero, S. 167. 119 BT-Drucks. 15/5674, S. 14; ähnlich auch Müller, Die Polizei 2006, 40 (48).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Entscheidend ist deshalb nicht, in welchem Abschnitt des StGB das Verbrechen normiert ist, entscheidend ist nur das geschützte Rechtsgut. Somit sind mit Verbrechen gegen das Leben nicht nur die sprichwörtlichen Mord und Totschlag gemeint, sondern etwa auch andere Verbrechen mit Todesfolge120 wie etwa Raub mit Todesfolge gem. § 251 StGB121, bei dem als geschütztes Rechtsgut das Leben anerkannt ist122, obschon § 251 StGB im 20. Abschnitt des StGB systematisch verortet wurde. Zutreffenderweise müssen auch andere Verbrechen Anlasstaten i. S. d. § 81h StPO sein, die eine Todesfolge nicht zwingend voraussetzen, aber als Schutzgut das Leben (und damit zwangsläufig auch die körperliche Unversehrtheit) mit erfassen – etwa eine besonders schwere Brandstiftung gem. § 306b StGB123. (2) Kritik am abschnittsbezogenen Verständnis Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass bereits die Argumente der Befürworter eines abschnittsbezogenen Verständnisses nicht überzeugen. (a) Berücksichtigung des ultima-ratio-Charakters Zum einen ist, auch wenn man den ultima-ratio-Charakter der DNA-Reihenuntersuchung anerkennt, ihrer Ausweitung nicht Tür und Tor geöffnet, wenn Straftaten jenseits der bezeichneten Abschnitte Anlasstaten i. S. d. § 81h StPO wären124. Nur weil bspw. die §§ 251 oder 306b StGB in den Kreis der Anlasstaten einträten, müsste nicht stets bei derartigen Verbrechen eine DNA-Reihenuntersuchung stattfinden. Eine Selektion wäre stets möglich und auch notwendig infolge einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, die in § 81h StPO gesetzlich normiert ist125. Ein rechtsguts- und nicht abschnittsbezogenes Verständnis wäre auch im Sinne Rogalls, weil dann Verhältnismäßigkeitserwägungen eine größere Rolle spielten126. Soweit Rogall aber eine Einengung dergestalt beklagt, dass sonstige schwere Straftaten nicht Anlasstaten sind, kann ein solches Ergebnis mittels Auslegung nicht begründet werden, weil 120
Ademi, S. 254; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 3; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 1; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 9; Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 2; Saliger/ Ademi, JuS 2008, 193 (195); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 3; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 5. 121 Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 9; vgl. i. d. S. vor Einführung des § 81h StPO bereits Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (300). 122 Vgl. Duttge, in: HK-GS, § 251 StGB, Rn. 2. 123 Vgl. zum Charakter des § 306b StGB als Anlasstat i. S. d. § 81h StPO Krause, in: LRStPO II, § 81h, Rn. 9; dafür vor Einführung des § 81h StPO auch bereits Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (300); zu den Schutzgütern Leben und körperliche Unversehrtheit des § 306b StGB v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 306b, Rn. 3; Kudlich, NStZ 2003, 458 (459, dort auch Fn. 6, 7); Radtke, S. 328; ders., ZStW 110 [1998], 848 (859); ders., in: MüKo-StGB V, 3. Aufl., § 306b, Rn. 1, 3; vgl. für §§ 306 ff. StGB insgesamt Krüger/Maurer, JA 2018, 321 (324); Lesch, JA 1998, 474 (478). 124 Hero, S. 168 f. 125 Ausführlich dazu Kap. 5 § 4 III. 126 Zu diesem Ansatz vgl. Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (710, insb. Fn. 162).
§ 4 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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die Erfordernisse eines Verbrechens und der Betroffenheit eines der aufgezählten Rechtsgüter nach dem Wortlaut eindeutig sind. Gleichwohl darf aber angemerkt werden, dass der Ansatz Rogalls nicht frei von Sinn ist, denn nicht umsonst hat etwa das Vergehen des § 224 StGB eine Strafobergrenze von fünf Jahren. Warum etwa bei § 226 StGB eine Reihenuntersuchung möglich sein soll, obschon man sich u. U. bei der Bestrafung im unteren Bereich des dortigen Strafrahmens bewegt, während sie bei § 224 StGB a priori ausgeschlossen ist, obschon das Opfer u. U. mittels brutaler Gewalt an den Rand des Todes gebracht werden kann und damit der obere Bereich des dortigen Strafrahmens in Betracht zu ziehen wäre, erschließt sich nicht. Eine etwaige Änderung muss aber aus der Hand des Gesetzgebers kommen. (b) Zur Gesetzgebungstechnik Hasselbachs Argumente gegen ein rechtsgutsbezogenes Verständnis sind teilweise widersprüchlich, teilweise unjuristisch, insgesamt aber nicht durchschlagend. Falsch ist bereits die Prämisse, dem Gesetzgeber sei es darum gegangen, einen abschließenden Katalog an Straftaten zu schaffen. Sollte dies stimmen, warum der Gesetzgeber dann – im Gegensatz zu etwa § 100a StPO – keinen geschaffen hat127. Widersprüchlich ist, die mangelnde Übertragbarkeit der Grundsätze des Urteils des BGH mit der Entstehungsgeschichte des § 81h StPO dergestalt zu begründen, dass aus ihr kein Abschnittsbezug hergeleitet werden könne, gleichzeig aber die Entstehungsgeschichte für ein abschnittsbezogenes Verständnis anzuführen. Zwar ist richtig, dass der Gesetzgeber eine Maßnahme nach § 81h StPO auf gewichtige Taten begrenzt wissen wollte. Dies ergibt sich zwar nicht aus den Materialien, sondern aus dem Erfordernis einer qualifizierten Anlasstat schlechthin. Die Begrenzung erreicht aber sowohl ein abschnitts- als auch ein rechtsgutsbezogenes Verständnis, sodass dieser Gesetz gewordene Wille des Gesetzgebers nicht als Argument taugt. Richtig ist auch, dass mit § 81h StPO eine gesetzliche Grundlage für den in der Praxis schon verbreitete DNA-Reihenuntersuchung geschaffen wurde. Dass damit aber keine Ausweitung des Kreises der Anlasstaten erfolgen sollte, ist ebenso klar wie es als Argument belanglos erscheint. Denn wie soll der Gesetzgeber etwas ausweiten, was vorher nicht geregelt war? Wenn zuvor bereits die Maßnahme durch die juristische Dogmatik auf gewisse Straftaten aufgrund Beachtung der Verhältnismäßigkeit beschränkt war, kann der Gesetzgeber durch die Normierung einer Rechtsgrundlage überhaupt nicht den Kreis an Anlasstaten erweitern. Erstens, weil keine Erweiterung von etwas stattfinden kann, was es vorher nicht gab, und zweitens, weil der Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit nach wie vor gilt und daher eine Ausweitung über das bisher als rechtmäßig, weil verhältnismäßig Erachtete hinaus nicht vollzogen werden kann. Es ist daher unwahrscheinlich, dass ein einfacher Raub nach § 249 StGB zur Anlasstat einer DNA-Reihenuntersuchung wird, nur weil man ihm die grundsätzliche 127 A. A. indessen Jansen, ZIS 2020, 233 (238); Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (710), die auch von einem Straftatenkatalog sprechen. Ein Katalog, den etwa § 100a StPO verwendet, zeichnet sich aber durch die numerische Aufzählung von Taten aus.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Fähigkeit zubilligt, Anlasstat zu sein. Alleine die bloße Möglichkeit der Einbeziehung des Raubes wäre darüber hinaus bloße Folge einer entsprechenden Auslegung und für sich genommenen noch gar kein Argument. (c) Keine Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu § 66b StGB a. F. Zuzustimmen ist Hasselbach im Ergebnis gleichwohl in der Feststellung, dass das Urteil des BGH auf die Auslegung des § 81h StPO nicht übertragen werden kann. Dies liegt aber weniger an der Entstehungsgeschichte der Normen, sondern am Wortlaut des § 66b StGB a. F., der einige Verbrechen außerhalb der Abschnitte als Anlasstaten inkorporierte. Tatsächlich wäre es schwer, aber nicht gänzlich unverständlich gewesen, wenn Straftaten (in concreto die §§ 250 f StGB) explizit als Anlasstat aufgezählt worden wären, die schon als Verbrechen gegen die persönliche Freiheit Anlasstaten waren. Man hätte allerdings insofern auch von einer klarstellenden Funktion der expliziten Erwähnung ausgehen können. Jedenfalls aber unterscheiden sich die Wortlaute der § 66b StGB a. F. und § 81h StPO so sehr, dass keine Parallelen zu ziehen sind. Freilich gilt es auch zu sehen gilt, dass eine nachträgliche Sicherungsverwahrung wesentlich intensiver in Grundrechte des Betroffenen eingreift128 als die freiwillige (!) Teilnahme an einer DNA-Reihenuntersuchung. Das gebietet auch ein strengeres Verständnis bei ersterer. (d) Eignung der DNA-Analytik als Kriterium der Verhältnismäßigkeit Soweit Hasselbach damit argumentiert, dass die DNA-Reihenuntersuchung zur Aufklärung von Straftaten aus den von ihr genannten Bereichen der Umweltdelikte und gemeingefährlichen Delikte häufig nicht geeignet sei, ist dies erstens ohne empirische Belege fragwürdig und zweitens als Argument auch dogmatisch falsch verortet. Ist eine DNA-Reihenuntersuchung gar nicht geeignet zur Aufklärung einer Tat, so ist die Anordnung und Durchführung unverhältnismäßig129. Dies gilt i. Ü. auch für solche Anlasstaten, die selbst bei einem abschnittsbezogenen Verständnis bereits erfasst sind. Somit ist der Ansatz mangelnder Eignung zur Aufklärung allenfalls eine Frage der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall, aber kein tauglicher Ansatz, um abstrakt ganze Deliktsgruppen a priori auszuschließen. (e) Das Legalitätsprinzip als Absage an rein ökonomische und logistische Argumentation i. R. d. Gesetzesauslegung Soweit logistische und finanzielle Belange bemüht werden, kann dies als Argument ebenso nicht durchschlagen. Ganz allgemein gesprochen ist dies zunächst auch eine Frage des Einzelfalles und nicht ein Argument für eine abstrakte Beschränkung des Anlasstaten-Kreises. Die Kosten der Maßnahme und der logistische Aufwand 128
Zur Eingriffsintensität der Anordnung der nachträglicher Sicherungsverwahrung sub specie Grund- und Menschenrechten vgl. Drenkhahn, in: MüKo-StGB II, § 66b, Rn. 29 ff. m w. N. aus der Rechtsprechung und Literatur. 129 Zutreffend Hero, S. 168.
§ 4 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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werden wohl hauptsächlich von der Anzahl der Teilnehmer abhängen, die sowohl bei Mord als auch bei Brandstiftung hoch oder niedrig sein kann. Weiter aber erscheint es fragwürdig, rein ökonomische – nicht rechtsökonomische130 – Belange i. R. d. Verfolgung von Schwerstkriminalität ein so großes Gewicht beizumessen. Das Legalitätsprinzip des § 152 Abs. 2 StPO verpflichtet die Staatsanwaltschaft zur Aufklärung von Straftaten; dabei kann es nicht darauf ankommen, ob dies aus ökonomischer Sicht lohnt. Zutreffend formuliert Diemer: „Aus rein fiskalischen Erwägungen darf das Legalitätsprinzip nicht beeinträchtigt werden“131. Das BVerfG hat mehrmals den Staatsauftrag zur Aufklärung gerade von Schwerstkriminalität betont132. Damit scheint eine Begrenzung aus ökonomischen Gesichtspunkten schwer bis gar nicht vereinbar, zumal die Frage erlaubt sei, wo aus ökonomischer Sicht denn die Grenze zu ziehen wäre133. Das gilt grundsätzlich für das Wirken des Legislative, erst recht aber für Exekutive: Eine Abweichung von § 152 Abs. 2StPO ist nur möglich, wo sie gesetzlich normiert ist (vgl. bereits den entsprechenden Wortlaut § 152 Abs. 2 StPO, der die Verfolgung als Regel statuiert134); bei § 81h StPO fehlt eine solche Möglichkeit. Noch weniger dürfen entsprechende Erwägungen bei Auslegung von Gesetzen eine Rolle spielen, denn die sich stets in Änderung befindliche finanzielle Lage des Staates ist zu variabel, um daraus normative Erwägungen abzuleiten135. Sofern logistische Schwierigkeiten bemüht werden, sollte deren Überwindung denjenigen zu überlassen, die die Ermittlung auch tatsächlich durchführen136. Auch für diese sollte Logistik aber kein großes Problem darstellen, ansonsten befindet sich der Rechtsstaat in einer Schieflage137. Letztlich sei zu diesem Punkt angemerkt, dass daher gilt, dass eine DNA-Reihenuntersuchung, wenn sie zur Aufklärung beitragen kann, auch anzuordnen ist – freilich unter Beachtung ihrer Voraussetzungen. Dazu 130
Man muss innerhalb ökonomischer Argumentationsmuster unterscheiden, ob ein rechtliches Ziel mit möglichst ökonomisch-sinnvollen Mitteln erreicht werden soll und kann (was ein zulässiges und erstrebenswertes Ziel darstellt), oder ob das Recht bildlich gesprochen der Ökonomie untergeordnet werden soll (was zumindest in einem von Werten geprägten Rechtssystem nicht alleiniger Maßstab sein kann); vgl. dazu Nestler, JA 2012, 88 ff. 131 Diemer, in: KK-StPO, § 152, Rn. 4; ähnlich Nestler, JA 2012, 88 (90); Volk, NStZ 2002, 561 (562); krit. dazu aber Peters, in: MüKo-StPO II, § 152, Rn. 52; Weßlau/Deiters, in: SKStPO III, Vorb. §§ 151 ff., Rn. 27, 30; § 152, Rn. 12c. 132 BVerfGE 29, 193 (194); 33, 367 (383); 36, 174 (186). 133 Vgl. Weßlau/Deiters: in: SK-StPO III, § 152, Rn. 12c. 134 Gercke, in: HK-StPO, § 152, Rn. 17. 135 Vgl. i. E. Erb, in: LR-StPO V/2, § 160, Rn. 49 f.; Wohlers/Deiters, in: SK-StPO III, § 160, Rn 37. Die häufig anzutreffende implizite Einschränkung, Sparsamkeit dürfe nicht zu Lasten des Beschuldigten gehen, ist verallgemeinerungsfähig. Denn sie darf auch nicht zu Lasten der Rechtspflege gehen, was i. Ü. mittelbar zu Lasten des Opfers und seiner Angehörigen gehen würde. 136 Vgl. i. d. S. Sauter, S. 223, der darauf hinweist, dass die praktische Entscheidung, wann welche Maßnahme anzuordnen ist, innerhalb des rechtlichen Rahmens den Strafverfolgungsbehörden obliegt. 137 Vgl. Diemer, in: KK-StPO, § 152, Rn. 4; Hamm, NJW 1996, 236 (237); Herzog, StV 1995, 372 (376).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
verpflichtet das Legalitätsprinzip. Die Voraussetzungen dürfen nicht mit Blick auf die Haushaltslage verstanden werden. (f) Keine „Abstumpfungserscheinungen“ bei der Bevölkerung Gänzlich ungeeignet zur Klärung des Verständnisses der Anlasstat ist schließlich der Hinweis auf „Abstumpfungserscheinungen“ und „[Ü]berstrapazier[ung]“ hinsichtlich der Mitwirkungsbereitschaft der Bevölkerung. Auch ohne empirische Grundlage sei die These gewagt, dass die Bevölkerung nicht „abgestumpft“ wird, falls sie zur Mithilfe an der Aufklärung eines Raubes, in dessen Verlauf der Täter Menschen getötet hat, oder gar einer schweren Sprengstoffexplosion (§ 308 StGB) beitragen kann138. Allenfalls wäre zu befürchten, dass in derartigen Fällen ein Abstumpfungseffekt gegenüber jenen Straftaten wie § 226 StGB eintritt, die bereits nach dem abschnittsbezogenen Verständnis Anlasstaten sind. Auch dies wäre aber kein Argument, Schwerstkriminalität nicht als Anlasstat i. S. d. § 81h StPO zu begreifen. Ansonsten würden Straftaten, die zwar im Einzelfall für das Individuum wie auch für die Gesellschaft erschütternde Wirkung haben können, der Aufklärung von Verbrechen vorgezogen, die dies ganz gewiss haben. Auch zu diesem Argument muss weiter gefragt werden, wo denn die Grenze zu ziehen wäre und wann der Punkt erreicht ist, an dem die Bevölkerung „überstrapaziert“ ist139. (g) Das Argument der Rechtssicherheit Letztlich bleibt damit das Argument der Rechtssicherheit. Zweifelsohne gilt: Je konkreter die Norm bzw. ihr Verständnis, desto sicherer ihre Anwendung. Es gilt aber auch: Je abstrakter die Norm bzw. ihr Verständnis, desto größer die Möglichkeit einer sachgerechten Anwendung im Einzelfall. Sowohl für den Gesetzgeber bei der Schaffung von Recht als auch für den Gesetzesanwender bei der Auslegung von Recht gilt es, eine entsprechende Abwägung vorzunehmen. Im hier diskutierten Fall droht kein großes Maß an Rechtsunsicherheit, denn das Rechtsgut einer Norm lässt sich meistens mit hinreichender Klarheit bestimmen. Dass eine Norm, die die Strafe für eine an sich bereits verbotene Tat beim Tod eines Menschen nochmals verschärft, mit der Verschärfung gerade das Leben schützen will, erscheint logisch. Ferner gilt es die bereits vorhandenen gesetzlichen Einschränkungen wie das Verbrechenserfordernis zu sehen, die den Kreis der Anlasstaten bereits einschränken. Demgegenüber steht der Verfassungsauftrag zur Aufklärung von Straftaten in Form der effizienten
138 Vgl. zu den Motiven, die die aufgerufene Bevölkerung typischerweise zur Teilnahme bewegt Hombert, S. 176 f. 139 Vgl. aber auch Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 188, die quasi aus anderer Blickrichtung zutreffend darauf aufmerksam machen, dass die mit der Ansprache der Bevölkerung verbundenen Offenbarung zwar nicht der gesamten Ermittlungsstrategie, aber immerhin der Taktik auch kriminalistische Nachteile mit sich bringen kann, etwa, weil der Täter sodann sein Verhalten anzupassen vermag. Jedenfalls handelt es sich bei solchen Überlegungen aber um solche der Kriminalistik, nicht der Rechtsauslegung.
§ 4 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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Strafrechtspflege140, gerade von Schwerstkriminalität141, sodass das geringe Maß an Unsicherheit, das mit einem rechtsgutsbezogenen Verständnis verbunden ist, in diesem Interesse hinzunehmen ist. (3) Argumentation pro Rechtsgutsbezug Damit ist aber nur der Argumentation für ein abschnittsbezogenes Verständnis begegnet. Was für ein rechtsgutsbezogenes sprechen soll, ist offen geblieben. (a) Der höchstpersönliche Charakter des angegriffenen Rechtsguts als gesetzgeberisches Kriterium Erneut ist auf den Willen des Gesetzgebers hinzuweisen, der wie aufgezeigt besonders wichtige, höchstpersönliche Rechtsgüter – bzw. Verbrechen, die gegen solche gerichtet sind – erfasst wissen wollte. Die zugegebenermaßen eher gesetzgebungstechnisch als normativ vorgenommene Charakterisierung einer Tat als Verbrechen oder Vergehen142 wird dem alleine nicht gerecht. Bereits i. R. d. Auseinandersetzung mit Rogall ist auf die Schwierigkeit hingewiesen worden, bei einer schweren Variante des § 224 StGB keine DNA-Reihenuntersuchung, bei einer leichten Variante des § 226 StGB eine solche aber anordnen zu können143. Nimmt man den Gesetzgeber erst, kann es keinen Unterschied machen, ob die Tat gem. § 212 oder gem. § 306c StGB bestraft wird. Dann das angegriffene Rechtsgut – im Beispiel das Leben – bleibt dasselbe. (b) Fehlende Eignung der Abschnittseinteilung im StGB für die (strafverfahrensrechtliche) Gesetzesauflegung Gänzlich nicht mehr zu erklären wäre, wenn die Möglichkeit der Durchführung einer DNA-Reihenuntersuchung von der rein willkürlichen bzw. „geschmacksabhängigen“ Verortung eines Delikts in einem speziellen Abschnitt des StGB abhängig wäre. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass sich auch außerhalb der 16. bzw. 17. Abschnitts des StGB Delikte befinden, die auch das Leben und die körperliche Unversehrtheit angreifen, wie etwa §§ 251, 306b StGB. Dass die Zuteilung eines Deliktes in einen speziellen Abschnitt nicht immer stringent ist, zeigt innerhalb der Brandstiftungsdelikte, die allesamt im 28. Abschnitt verortet sind, die Norm des § 306 StGB. Dessen Schutzgut ist hauptsächlich das Eigentum, was sich daraus ergibt, dass ausschließlich für den Täter fremde Objekte auch Tatobjekte sind144. Die 140
Vgl. dazu die Nachweise in Fn. 393 (Kap. 4). BVerfGE 29, 193 (194); 33, 367 (383); 36, 174 (186). 142 Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 12, Rn. 4; v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOKStGB, § 12, Rn. 2; Hölscher/Retemeyer, in: HK-GS, § 12 StGB, Rn. 2; Radtke, in: MüKo-StGB I, § 12, Rn. 6; Saliger, in: NK-StGB, § 12, Rn. 2. 143 Vgl. o. Kap. 5 § 4 I. 1. b) bb) (2) (a). 144 Eisele, JA 1999, 542; Fischer, StGB, § 306, Rn. 1; Geppert, Jura 1998, 597 (599); Heine/ Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 306, Rn. 1; v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, 141
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
§§ 306a ff. StGB schützen dagegen hauptsächlich Leben und körperliche Unversehrtheit145. Auch der 13. Abschnitt umfasst keineswegs nur Delikte, die zum Schutzgut die sexuelle Selbstbestimmung haben. Das wird sich in den Ausführungen zu § 81g StPO noch zeigen146. Die Abschnitte des StGB sind folglich gar nicht geeignet, sie zum Maßstab für einen intendierten Rechtsgüterschutz zu erheben – auf den es dem Gesetzgeber i. R. d. § 81h StPO aber ankam. Dies ist nicht ausschließlich einer inneren Inkonsistenz des Gesetzgebers anzulasten. Es liegt vielmehr in der Natur des Verbrechens (im normativen bzw. kriminologischen, nicht auf § 12 StGB rekurrierenden Sinne), dass mehrere Rechtsgüter von einer Straftat betroffen sein können. Gleichwohl müssen die einzelnen rechtlichen Tatbestände zumindest unter Geltung der Gliederung des StGB einem Abschnitt zugeordnet werden. Deren Bedeutung, die in der Übersichtlichkeit sicher gefunden werden kann, darf aber indessen nicht überschätzt werden.
§ 306, Rn. 2, 4; Hörnle, JA 1998, 169 (180); Immel, StV 2001, 477; Kargl, in: NK-StGB, Vorb. §§ 306 ff., Rn. 4; Knauth, Jura 2005, 230 (231); Kreß, NJW 1998, 633 (640); Kudlich, NStZ 2003, 458 (459, dort v. a. Fn. 11); Krüger/Maurer, JA 2018, 321 (324); Lesch, JA 1998, 474 (478); Liesching, S. 35, 73; Piel, StV 2012, 502; Radtke, in: MüKo-StGB V, 3. Aufl., § 306, Rn. 1; Range, S. 38; Rengier, JuS 1998, 397 (397 f.; 400); Sinn, Jura 2001, 803 (804); Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung in das 6. Strafrechtsreformgesetz 1998, S. 93 f., Rn. 37; Wolters, JZ 1998, 397 (400); krit. zur Stellung des § 306 StGB deshalb auch Cantzler, JA 1999, 474; Radtke, ZStW 110 [1998], 848 (857); Wolff, JR 2002, 94 (96); vgl. aber auch BTDrucks. 13/8587, S. 87. Ebenso zu § 308 Abs. 1 Alt. 1 StGB a. F. RGSt 11, 345 (346); Bruch, S. 203 f.; Geppert, Jura 1989, 473 (473 f., 477); Geerds, Brandermittlung, 15 (27 f.); ders., in: Brandkriminalistik, 37 (49); Kindhäuser, StV 1990, 160 (162); Kratzsch, JuS 1994, 372 (378); Wanjeck, GS 31 [1879], 1 (13); vgl. auch BGH bei Holtz, MDR 1988, 98 (101). Für einen kombinierten Rechtsgüterschutz (Eigentum, Leben und Gesundheit) durch § 306 StGB aber Radtke, S. 382, ebenso bereits Osenbru¨ ggen, Archiv des Criminalrechts n. F. 1850, 605 (612); explizit dagegen Liesching, S. 73 – 75. 145 Vgl. hinsichtlich § 306b StGB bereits die Nachweise in Fn. 123 (Kap. 5); vgl. für § 306a StGB außerdem BGHSt 51, 25 (26, Rn. 5); Cantzler, JA 1999, 474 (476); Geppert, in: FS Weber, 427 (ebd., 436); Fischer, StGB, § 306a, Rn. 1; Heine/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 306a, Rn. 1; v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 306a, Rn. 2; Hörnle, JA 1998, 169 (180); Immel, StV 2001, 477; Kargl, in: NK-StGB, § 306a, Rn. 1; Liesching, S. 66; Piel, StV 2012, 502; Radtke, S. 161, 211, 276 f.; ders., in: MüKo-StGB V, 3. Aufl., § 306a, Rn. 4; Range, S. 67; Rengier, JuS 1998, 397 (399); Sinn, Jura 2001, 803 (804); Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung in das 6. Strafrechtsreformgesetz 1998, S. 76, Rn. 3; vgl. auch BGH, NStZ 2014, 404 (406, Rn. 19); zu § 306 Nr. 2 StGB a. F. BGHSt 26, 121 (123), 34, 115 (118); BGH, StV 1984, 246 (247); Bohnert, JuS 1984, 182 (183, 185); Brehm, JuS 1976, 22; Geerds, in: Brandermittlung, 15 (28); Graul, S. 218, Fn. 433; Kindhäuser, StV 1990, 160 (163); Schröder, ZStW 81 [1969], 7 (16); Wanjeck, GS 31 [1879], 1 (13); vgl. dazu auch BGH, NStZ 1982, 420 (421); Bruch, S. 204 f., der zumindest auch Leben und Gesundheit als Schutzzweck sieht; Hälschner, BT, 2. Abt., S. 616; Wolter, S. 296 (nur Leben). 146 S. unten Kap. 6 § 5 I. 2. b) bb) (2).
§ 4 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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(c) Besserstellung des brutaleren Täters im abschnittsbezogenen Verständnis aufgrund der Gesetzeskonkurrenz Vor allem spricht für ein rechtsgutsbezogenes Verständnis das Paradoxon, das bei einem abschnittsbezogenen Verständnis zu Tage träte: Nimmt man die Strafdrohung als Indikator für den Unrechtsgehalt einer Straftat, so kommt man nicht umher, der Tat eines Räubers, der seinem Opfer schwere Gesundheitsschädigungen zufügt (§ 250 Abs. 3 Nr. 2 lit. a StGB) einen höheren Unrechtsgehalt in qualitativer wie quantitativer Hinsicht zu attestieren als derjenigen, der nur den Körperverletzungserfolg herbeiführt (§ 226 StGB), weil beim Räuber noch die Stoßrichtung gegen das Eigentum hinzutritt. Dasselbe gilt für den die Tat des Brandstifters gem. § 306b Abs. 1 StGB, weil er sich noch gemeingefährlicher Mittel bedient. Nimmt man nun aber an, dass in den Fällen, in denen ein Erfolg i. S. d. § 226 StGB Tatbestandsmerkmal des jeweiligen Brandstiftungs- bzw. Raubdeliktes ist, ein Zurücktreten des § 226 StGB die Folge ist147, würde der Brandstifter bzw. Räuber von dem erhöhten Unrechtsgehalt profitieren, weil dann keine DNA-Reihenuntersuchung zu seiner Verfolgung angeordnet werden könnte, während beim bloßen Körperverletzer (§ 226 StGB) dies möglich wäre. Dies gilt ferner sogar beim Räuber, der einen anderen Menschen durch den Raubes tötet (§ 251 StGB), weil dahinter § 227 StGB zurücktritt148, sodass der Räuber besser stünde als der Körperverletzer. Um dem Argument zu entgegnen, dass i. R. d. § 81h StPO Konkurrenzen keine Rollen spielen können, ist darauf hinzuweisen, dass sie dies tun müssen, weil ansonsten ein Widerspruch aufträte. Es würde wegen einer Straftat auf Basis von 147 Hinsichtlich § 250 Abs. 2 Nr. 3 lit. a StGB für Tateinheit indessen BGH, NStZ 1998, 461; Hardtung, in: MüKo-StGB IV, § 226, Rn. 53; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 226, Rn. 39. Vgl. hinsichtlich § 306b StGB zutreffend Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung in das 6. Strafrechtsreformgesetz 1998, S. 103, Rn. 61 f., der den Begriff der schweren Gesundheitsschädigung in Anlehnung an § 226 StGB definiert, weil dies der einzige Maßstab sei, den das Gesetz selbst enthalte. Ähnlich auch Geppert, Jura 1998, 597 (603), der den Begriff der schweren Gesundheitsschädigung zwar an § 226 StGB angelehnt definiert, ihn aber gleichsam weiter weiterauslegt; ebenso Rengier, JuS 1998, 397 (399 f.), a. A. Liesching, S. 109 f.; Range, S. 104 f. Die Argumentation der Befürworter einer Gesetzeskonkurrenz der §§ 306b, 226 StGB kann und muss auf die Fälle des § 250 StGB übertragen werden. Demgemäß tritt § 226 StGB wenigstens typischerweise neben §§ 250 Abs. 2 Nr. 3 lit. a StGB bzw. § 306b Abs. 1 StGB, sodass man auf Konkurrenzebene von Konsumtion, wenn nicht gar von Spezialität ausgehen wird dürfen. 148 BGHSt 46, 24 (26); Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 251, Rn. 9; Duttge, in: HKGS, § 251 StGB, Rn. 14; Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 227, Rn. 25; Fischer, StGB, § 227, Rn. 12; ders., § 251, Rn. 12; Hardtung, in: MüKo-StGB IV, § 227, Rn. 28; Paeffgen/Böse, in: NK-StGB, § 227, Rn. 36 a. E.; Sander, in: MüKo-StGB IV, § 251, Rn. 16; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 227, Rn. 12; Wittig, in: BeckOK-StGB, § 251, Rn. 12; vgl. zu § 226 StGB a. F. BGH, NJW 1965, 2116, ebenso Geilen, Jura 1979, 613 (614); Hruschka, GA 1967, 42 (51); Schröder, NJW 1956, 1737 (1738); Schünemann, JA 1980, 393 (397); Widmann, MDR 1966, 554 (ebd., Fn. 6); a. A. indessen bei nur versuchtem Raub mit Todesfolge Dölling, in: HKGS, § 227 StGB, Rn. 7; Kindhäuser, NStZ 2001, 31 f., die Tateinheit annehmen; a. A. auch bei Vollendung Fuchs, NJW 1966, 868; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 251, Rn. 12.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Beweisen verurteilt, die aufgrund dieser Straftat gar nicht erhoben hätten werden dürfen. Umgekehrt würden Beweise wegen einer Straftat erhoben, auf die sich das Urteil nicht beziehen wird. Das wäre vorher auch bekannt – steht nämlich § 251 StGB im Raum, wird nicht (zusätzlich) wegen § 227 StGB ermittelt werden. cc) Zusammenfassung Es läge damit bei einem abschnittsbezogenen Verständnis nicht nur so, dass Delikte, für deren Einbeziehung ein Bedürfnis besteht, nicht einbezogen würden, es käme sogar zu einer Nichteinbeziehung von Delikten mit höherem Unrechtsgehalt. Jenseits der Beispiele kann generell gesagt werden, dass abstrakte Gefährdungsdelikte typischerweise das Leben und die Gesundheit schützen, aber selten in den entsprechenden Abschnitten normiert sind, weil die Ordnung des StGB die Handlung des Täters in den Vordergrund rückt, was angesichts des fehlenden Erfordernisses eines tatbestandsmäßigen Erfolges zumindest nicht unschlüssig ist149. Nachdem summa summarum ein abschnittsbezogenes Verständnis nicht überzeugen kann, ist § 81h StPO rechtsgutsbezogen zu verstehen, was dazu führt, dass freilich alle Verbrechen, die in den entsprechenden Abschnitten verortet sind, auch Anlasstaten i. d. S. sind; darüber hinaus aber auch all diejenigen Verbrechen, die eines der genannten Rechtsgüter ebenso angreifen. c) Keine „Erweiterungsfähigkeit“ In der Literatur findet sich in Bezug auf die Anlasstaten des § 81h StPO der Hinweis, dieser Katalog150 sei abschließend und nicht erweiterungsfähig151. Was genau damit gesagt sein möchte, ist indessen unklar. Es zeigt sich jedoch, dass der Begriff mindestens in zwei Bedeutungen verwendet wird. Während nahezu alle Autoren diesen Hinweis nicht einmal implizit begründen, setzt Rogall ihn in Gegensatz zu denjenigen Stimmen, die einen rechtsgutsbezogenen
149 Vgl. i. d. S. auch Graul, S. 218, Fn. 433, die zutreffend darauf hinweist, dass gerade bei abstrakten Gefährdungsdelikten typischerweise die geschützten Rechtsgüter nicht durch den Tatbestand ausgewiesen werden. 150 Es handelt sich – im Gegensatz etwa zu § 100a StPO – bei § 81h StPO gar nicht um einen Katalog, denn enumerativ aufgezählt, was eine Anlasstat sein soll, wird nicht. Vgl. schon o. Kap. 5 § 4 I. 1. b) bb) (2) (b), s. dort auch Fn. 127 (Kap. 5). 151 Ademi, S. 254; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 8; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 3; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 2; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 9; Rogall, in: SKStPO I, § 81h, Rn. 10; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (195); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 5; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 4; vgl. auch Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 2, der von „abschließend bezeichneten Individualrechtsgüter[n]“ spricht; ähnlich auch Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (710).
§ 4 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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Ansatz bei der Bestimmung der Anlasstat vertreten152. Dass dies nicht sachgerecht ist, wurde dargelegt153. Begreift man demnach den Hinweis auf die fehlende Erweiterungsfähigkeit so, dass nicht möglich sein soll, eine Maßnahme nach § 81h StPO etwa bei Vergehen gegen die aufgezählten Rechtsgüter anzuordnen, die aber mit einem Verbrechen von der Unrechtsqualität her vergleichbar sind (vgl. dazu das Beispiel um §§ 224, 226 StGB154), oder aber bei Verbrechen anzuordnen, die die aufgezählten Rechtsgüter gar nicht erfassen, aber von Unrechtswert denen gleichstehen, so ergibt sich dies bereits aus dem Wortlaut, wenngleich eine entsprechende Änderung zumindest für Vergehen mit vergleichbarem Unrechtsgehalt nicht frei von Sinn wäre155. Eine analoge Anwendung müsste de lege lata an der fehlenden Planwidrigkeit einer Gesetzeslücke scheitern, da der Gesetzgeber die Begrenzung so bewusst vorgenommen hat156, obschon eine vergleichbare Interessenlage in manchen Fällen durchaus gegeben wäre. Einen großen Sinngehalt kann man dem Hinweis auf die fehlende Erweiterungsfähigkeit demgemäß nicht beimessen. 2. Verdachtsgrad Während Rogall in Bezug auf § 81h StPO vom Erfordernis einer „qualifizierten Verdachtslage“ spricht157, geht die ganz herrschende Meinung davon aus, dass ein einfacher bzw. ein Anfangsverdacht158 genüge. Ausgangspunkt soll hinsichtlich der Frage, welche Qualität der Verdacht haben muss, der Wortlaut des § 81h Abs. 1 StPO sein, nachdem „bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen müssen, dass ein Verbrechen gegen die bezeichneten Rechts152 Vgl. Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 10, Fn. 73, der dort als a. A. zur fehlenden Erweiterungsfähigkeit diejenigen Stimmen nennt, die bei der Auslegung der Anlasstat einen rechtsgutsbezogenen Ansatz vertreten. 153 Vgl. Kap. 5 § 4 I. 1. b) bb). 154 S. o. Kap. 5 § 4 I. 1. b) bb) (2) (a). 155 S. o. Kap. 5 § 4 I. 1. b) bb) (2) (a). 156 Vgl. BT-Drucks. 15/5674, S. 13. 157 Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (710). 158 Ademi, S. 254; Beck, S. 253; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 3; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 9; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 6; ders., Jura 2021, 41 (47); Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 3; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 1; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 2; Hasselbach, S. 135; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 10; Naumann, Die Polizei 2013, 333; Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 2; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (195); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 3; Trück, in: MüKoStPO I, § 81h, Rn. 5; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 5; i. E. auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 11; ähnlich auch Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1686; Senge, NJW 2005, 3028 (3032), die keine besondere Eingriffsschwelle ausmachen; von einem einfachen Verdacht ging auch das LG Dortmund, NStZ 2008, 175 (176) aus, als eine DNA-Reihenuntersuchung für rechtmäßig erklärte.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
güter begangen worden ist. Diese Formulierung findet sich auch in § 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO. Das BVerfG hat dazu entschieden, dass „die Verdachtsgründe über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen müss[t]en. Bloßes Gerede, nicht überprüfbare Gerüchte und Vermutungen reich[t]en nicht“159. Es bedürfe vielmehr einer konkretisierten Verdachtslage, für die konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis vorhanden sein müssten160. Damit unterliege der durch bestimmte Tatsachen begründete Verdacht höheren Anforderungen als der bloße Anfangsverdacht. Er erreiche aber nicht den Grad des hinreichenden oder dringenden Tatverdachtes161. Nimmt man diese Vorgaben des BVerfG als Maßstab, so könnte es nicht überzeugen, sub specie des Wortlauts des § 81h Abs. 1 StPO nur einen einfachen bzw. Anfangsverdachts zu verlangen. Allerdings stellt das BVerfG selbst klar, dass ein neuer Grad von Verdacht nicht begründet werden sollte, sodass man in Anlehnung an die Rechtsprechung einen verfestigten Anfangsverdacht wird verlangen können, zumal das Gesetz dort, wo ein Anfangsverdacht nicht ausreicht, dies auch explizit normiert (vgl. §§ 170, 112a, 203 StPO). Der Umkehrschluss, dass ansonsten Anfangsverdacht ausreicht, liegt mithin nahe. Bloßes Gerede und Gerüchte reichen nämlich für einen Anfangsverdacht nie aus, ebenso ist eine Tatsachengrundlage stets Voraussetzung für einen Verdacht (vgl. bereits den Wortlaut des § 152 Abs. 2 StPO)162. Nichts anderes verlangt der Bezug auf bestimmte Tatsachen163. Eine allzu hohe Einsatzschwelle würde dem Faktum nicht gerecht, dass die DNAReihenuntersuchung gerade weitere Maßnahmen ermöglichen soll und daher typi159 BVerfG, NJW 2007, 2752 (2752 f.); zu § 100c StPO ebenso BVerfG, NJW 2006, 2974 (2975). 160 BVerfGE 109, 279 (350 f.); vgl. auch BVerfGE 100, 313 (395). 161 BVerfGE 109, 279 (350). 162 Kühne, § 20, Rn. 336; vgl. auch etwa BVerfG, NJW 2015, 851 (852, Rn. 15;); NJW 2014, 3085 (3087, Rn. 38); NVwZ 2005, 1304 (1306); NJW 2004, 1517 (1518); NJW 1994, 783 (784); NStZ 1982, 430; BGH, NStZ 1994, 499 (500); NJW 1989, 96 (97); VerfGH Berlin, JR 2000, 317 (318); OLG Düsseldorf, NJW 2005, 1791; OLG Hamburg, GA 1984, 298 (299); LG München, wistra 2005, 398 (399); Benfer/Bialon, Rn. 83; Beukelmann, in: BeckOK-StPO, § 152, Rn. 4; Bruns, in: GS Kaufmann, 863 (866); Dahs, NJW 1985, 1113 (1114); Diemer, in: KK-StPO, § 152, Rn. 7; Eschelbach, ZAP 2013, F. 22, 661 (662); Geerds, GA 1965, 321 (327); Gercke, in: HK-StPO, § 152, Rn. 12; Hund, ZRP 1991, 463 (464); Kühne, NJW 1979, 617 (618); Kuhlmann, NStZ 1983, 130; Lange, DRiZ 2002, 264 (270); Lüttger, GA 1957, 193 (194); Mavany, in: LR-StPO V/1, § 152, Rn. 32; Peters, in: MüKo-StPO II, § 152, Rn. 42; Pfordte, StraFo 2016, S. 53 (54); Radtke, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 152, Rn. 16; Schmitt, in: MeyerGoßner/Schmitt, StPO, § 152, Rn. 4; Schnabl, in: SSW-StPO, § 152, Rn. 6; Walder, ZStW 95 [1983], 862 (867 ff.); Walther, in: AnwKo-StPO, § 152, Rn. 5; Weßlau/Deiters, in: SK-StPO III, § 152, Rn. 12; ferner BVerfGE 44, 353 (371); 115, 166 (197 f.); krit. aber Jahn, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. I, Rn. 48; Kulhanek, in: KMR-StPO, § 152, Rn. 17 ff. 163 Kühne, § 20, Rn. 336; vgl. Walder, ZStW 95 [1983], 862 (867); Weßlau/Deiters, in: SKStPO III, § 152, Rn. 14; vgl. auch Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1686; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 10; vgl. krit. zu weiteren Attributionen des Verdachts deshalb Kühne, NJW 1979, 617 (618).
§ 4 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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scherweise erst eingesetzt wird, wenn alle anderen Maßnahmen erfolglos waren. Außerdem gilt es zu sehen, dass die Mitwirkung freiwillig ist und im Gegensatz etwa zu § 100a StPO nicht in die Grundrechte einer bestimmten Person eingegriffen wird. Nichts anderes kann man Rogalls Ausführungen entnehmen, denn das von ihm postulierte Erfordernis einer qualifizierten Verdachtslage verlangt nicht etwa eine gesteigerte Überzeugung, sondern meint eine Qualifikation in dem Sinne, dass der Verdacht eine der speziellen Anlasstaten beziehen muss. So geschehen ist nicht der Grad, sondern das Objekt des Verdachtes ein qualifiziertes. 3. Stadium der Tat Ohne Gegenstimme schließt die Literatur der sich der in den Gesetzgebungsmaterialien zum Ausdruck kommenden164 Auffassung an, die Anlasstat müsse nicht zwingend vollendet sein; vielmehr reiche aus, sollte sich der Täter ins strafbare Versuchsstadium (§ 22 StGB) begeben haben165. Beck merkt dazu an, der Wortlaut würde indessen eher das Erfordernis der Vollendung nahelegen166. Dafür ließe sich anführen, dass der die Verwendung des Perfekt Passiv („begangen worden ist“) einen Abschluss der Tat verlangt. Allerdings kann auch ein Versuch beendet sein, sodass der Wortlaut nicht eindeutig ist. Der ganz herrschenden Meinung ist im Hinblick auf den Willen des Gesetzgebers mithin zuzustimmen. Die Einbeziehung des Versuches ist der Sache nach auch sachgerecht, denn eine im Versuchsstadium stecken gebliebenen Tat kann dieselbe rechtserschütternde Wirkung wie die Vollendung haben. Normativ lässt sich dies an § 23 Abs. 2 StGB festmachen, nachdem der Versuch nur fakultativ milder zu bestrafen ist. Zumindest das Handlungsunrecht des Versuchs steht dem der Vollendung qualitativ in Nichts nach. 4. Prognoseentscheidung Wichtig ist hier zu erwähnen, dass es sich bei der Frage, ob eine Anlasstat i. S. d. § 81h StPO vorliegt, um eine Prognoseentscheidung handelt. Das gilt schon deshalb, 164
BT-Drucks. 15/5674, S. 13. Ademi, S. 254; Beck, S. 252 f., Fn. 882; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 3; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 8; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 5; Brauer, in: HKStPO, § 81h, Rn. 3; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1686; Goers, in: BeckOKStPO, § 81h, Rn. 1; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 2; Hasselbach, S. 130; Hero, S. 167; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 9; Müller, Die Polizei 2006, 40 (48); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 377; Naumann, Die Polizei 2013, 333; Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 2; Pommer, JA 2007, 621 (626); Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 10; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (195); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 3; Senge, NJW 2005, 3028 (3032); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 5; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 4. 166 Beck, S. 253, Fn. 882. 165
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
weil zur Entscheidung, ob eine Anlasstat des § 81h StPO tatsächlich begangen wurde, das erkennende Gericht berufen ist, was ob des Verbrechenscharakter entweder das Landgericht oder aber das Schöffengericht ist (vgl. §§ 28, 25 bzw. 72 Nr. 2 GVG). Die Anordnung der DNA-Reihenuntersuchung obliegt indessen gem. § 162 StPO dem Ermittlungsrichter am Amtsgericht. Ungeachtet dessen muss es sich aber auch um eine Prognoseentscheidung handeln wegen des schlichten Faktums, dass im Zeitpunkt der Anordnung nicht feststeht, welches Verbrechen genau begangen wurde. Auf die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen bei der Abgrenzung von Mord, Totschlag, Verbrechen mit Todesfolge und einer bloßen fahrlässigen Tötung ist an anderer Stelle hingewiesen worden167. Man kann daher nicht verlangen, dass am Ende des Verfahrens wegen des Verbrechens verurteilt wird, dessen halber die DNA-Reihenuntersuchung angeordnet wurde168. Verlangen kann man nur, dass die Prognoseentscheidung nicht willkürlich oder sachfremd gefällt wurde. Mit anderen Worten muss sich der Anfangsverdacht hinsichtlich der konkreten Tat nicht bestätigen. Wie bei allen anderen Zwangsmaßnahmen ist die Rechtmäßigkeit aus einer ex ante Perspektive zu beurteilen. Bestätigt sich der Verdacht nicht, ist dies keine Frage eines Beweisverwertungsverbotes, weil es schon an einem Erhebungsverbot mangelt und ein selbstständiges Verwertungsverbot nicht statuiert ist. Ein Beweisverwertungsverbot läge nur vor, wenn bereits die Annahme eines Verbrechens i. S. d. § 81h Abs. 1 StPO im Zeitpunkt der Anordnung nicht gerechtfertigt war169. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass dies nicht im Widerspruch steht zur Notwendigkeit der Berücksichtigung von Konkurrenzfragen bei der Bestimmung der Anlasstat170. Zwar ließe sich vorbringen, die Berücksichtigung von Konkurrenzfragen scheitere daran, dass der genaue rechtliche Gehalt der Tat im Zeitpunkt der Anordnung der DNA-Reihenuntersuchung noch gar nicht feststehen könne, weil es sich eben um eine Prognoseentscheidung handele. Indessen geht es bei der Konkurrenzberücksichtigung darum zu verhindern, dass die DNA-Reihenuntersuchung angeordnet wird zur Aufklärung von Straftaten, derentwegen sodann nicht aus rechtlicher Sicht verurteilt werden wird. Bei der Prognoseentscheidung geht es indessen darum, innerhalb des rechtlichen Rahmens die gerichtliche Entscheidung zu antizipieren, um damit den Einsatzbereich der Reihenuntersuchung zu begrenzen.
167 Vgl. diesbezüglich die Ausführungen zur Ungeeignetheit des Verjährungsargumentes bei der Frage nach der Vernichtung von Körperzellen (Kap. 4 § 3 II. 2. e) cc)) und der Löschung der DNA-Identifikationsmuster (Kap. 5 § 3 II. 1. c) bb)). 168 Beck, S. 253; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 10; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 5. 169 Zu den Folgen dann unten Kap. 5 § 6 II. 170 S. o. Kap. 5 § 4 I. 1. b) bb) (3) (c).
§ 4 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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II. Prüfungsmerkmale – Eingeschränkter Teilnehmerkreis Laut § 81h Abs. 1 StPO können nur solche Personen als Teilnehmer der DNAReihenuntersuchung herangezogen werden, „die bestimmte171, vermutlich auf den Täter zutreffende Prüfungsmerkmale erfüllen“. Es handelt sich dabei um alle denkbaren Informationen („Eigenschaften, Verhältnisse und Umstände“172), die die Strafverfolgungsbehörden über den Täter zu wissen glauben. Beispiele sind etwa das Geschlecht, das Alter, das gesamte äußere Erscheinungsbild – Größe, Haut-, Augen-, Haarfarbe und Frisur –, aber auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe wie einer Berufsgruppe oder der Gruppe der Gäste einer Feier, die Haltereigenschaften hinsichtlich eines speziellen KFZs sowie etwa die Herkunft aus einem speziellen Gebiet und der Dialekt bzw. Akzent oder ein spezielles Handlungsmuster173. Auch krimi-
171 Vgl. auch Benfer/Bialon, Rn. 972, die fordern, die Behörde müsse ihre Kriterien offen legen, weil nur dann sie als bestimmt gelten könnten. Jenseits einer rechtlichen Verpflichtung (§ 81h Abs. 2 S. 3 Alt. 1 StPO) muss die Behörde die Merkmale indessen deshalb schon offen legen, weil sie bei der DNA-Reihenuntersuchung keine namentlichen bekannten Adressaten hat und somit nur durch die Veröffentlichung überhaupt Teilnehmer gewinnen kann, weil nur so diese wissen, dass sie zur Teilnahme aufgefordert werden. Eine DNA-Reihenuntersuchung ohne Offenlegung der Merkmale ist daher gar nicht möglich. 172 Ademi, S. 254; Beck, S. 253; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 10; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 7; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 3; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 11; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 13; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (195); Walther, in: AnwKoStPO, § 81h, Rn. 6. 173 Vgl. die Beispiele bei BT-Drucks. 11/6092, S. 3 (Fraktion der Grünen); Niedersächsische LT-Drucks. 14/425, Ziff. 27.5.2, S. 127 f.; BVerfG, NJW 1996, 3071 (3072); BGHSt 58, 84 (85, Rn. 3); LG Dortmund, NStZ 2008, 175 (176, Rn. 5); LG Mannheim, NStZ-RR 2004, 301 (302); LG Regensburg, StraFo 2003, 127; Ademi, S. 256; Altendorfer, S. 90 f.; Beck, S. 253 f.; ders., KriPoZ 2017, 160 (163); Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 3; Beulke/ Swoboda, Rn. 377; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 10; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 7; ders., Jura 2021, 41 (47); Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 4; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 185; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1686; Foldenauer, S. 75 f.; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 2; Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (300); ders., ZRP 2002, 72 (75); Gössner, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 1999, Heft, 67; Gronke/Gronke, NStZ 2021, 141 (146); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 3; Hasselbach, S. 139; Heitborn/Steinbild, Kriminalistik 1990, 185 (187); Hero, S. 169; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (69); Hombert, S. 170 f.; Hoppmann, Kriminalistik 2013, 291 (295); Hother, S. 49 – 51; Jahn, JuS 2013, 470; Kaefer, Kriminalistik 2000, 282; Kanz, ZJS 2013, 518 (519); Kerner/ Trüg, in: FS Weber, 457 (458 f.); Klumpe, S. 188; König, Kriminalistik 2004, 262 (265); Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 11; Kreuz, S. 36; Krieglstein, S. 106 f.; Latotzky, S. 128 f.; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 380; Naumann, Die Polizei 2013, 333 (333 f.); Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 3; Oberwetter, S. 21, 24; Pommer, JA 2007, 621 (626); Ritter, S. 114; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 13; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (195); Satzger, JZ 2001, 639 (640); Sauter, S. 134 ff.; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 4; Senge, NJW 2005, 3028 (3032); Simon, MDR 1991, 5 (11); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 6; Volk, NStZ 2002, 561 (563); Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 6; Zuck, NJW 2002, 1924 (1925).
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nalistische Erfahrung kann zur Einengung des Betroffenenkreises führen174. Man verlangt insofern ein „Täterprofil“175. Die Merkmale müssen ausweislich des Wortlautes auf den Täter zutreffen, wodurch wohl verdeutlich werden soll, dass ein konkreter Bezug zur Anlasstat bestehen muss176. Diese Formulierung ist in mehrerlei Hinsicht missglückt. Zum einen muss neben dem Täter auch der Teilnehmer erfasst sein177. Dies ist aber mittels eines strafverfahrensautonomen Verständnisses des Täterbegriffes möglich178. Ferner aber ist sie auch deshalb missglückt, weil der Spurenleger – nur dessen Identität vermag die DNA-Analyse aufzuklären – nicht zwingend Täter oder Teilnehmer sein muss. Ihren Beitrag zur Aufklärung des Verbrechens liefert die DNA-Reihenuntersuchung gleichwohl, weil u. U. vom Spurenleger dann auf einen Tatbeteiligten geschlossen werden. Die gleichzeitig in der Literatur anzutreffende Kritik, der Begriff des Prüfungsmerkmals sei fehl am Platze, weil die Merkmale keiner weiteren Prüfung unterlägen179, trifft zwar zu, ist aber rein sprachlicher Natur und rechtlich ohne Belang. Dass jene nicht mit Gewissheit feststehen müssen, ergibt sich aus dem Wort „vermutlich“180. Namentlich feststehen müssen die Teilnehmer schon gar nicht181. 174 Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 6; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 6; a. A. Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 11. Für die Einbeziehung spricht kriminalistischer Erfahrungsschätze spricht indessen, dass die Merkmale bloß vermutlich zu treffen müssen. 175 Ademi, S. 255; Beck, S. 254; Beck, KriPoZ 2017, 160 (163); Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 4; Brocke, StraFo 2013, 298; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 3; Hasselbach, S. 136 f.; Hero, S. 169; Naumann, Die Polizei 2013, 333 (334); Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 3; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 13; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (195); Swoboda, StV 2013, 461 (463); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 6; Walther, in: AnwKoStPO, § 81h, Rn. 6; vor Einführung des § 81h StPO schon LG Mannheim, NStZ-RR 2004, 301 (302). 176 Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 11; Mertin, ZRP 2005, 37 (38). 177 Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 11; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 13, Fn. 83; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (195). 178 Dies entspricht der Übung, die auch bei anderen strafprozessualen Maßnahmen gepflegt wird, die expressis verbis sich nur auf den Täter beziehen, vgl. etwa zu § 98a StPO Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 98a, Rn. 7; zu § 100a StPO ders., a. a. O., § 100a StPO, Rn. 12. 179 Ademi, S. 254; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 11; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 13; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (195). 180 Vgl. LG Dortmund, NStZ 2008, 175 (176, Rn. 10); Beck, S. 254; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 10; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 7; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 4; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 6; vgl. auch Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 380, der insoweit einen Überzeugungsgrad in der Stärke eines Anfangsverdachtes fordert; Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 3; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (195); Swoboda, StV 2013, 461 (463) verlangen eine „situative Verdachtslage“. 181 BT-Drucks. 15/5674, S. 13; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 4; Goers, in: BeckOKStPO, § 81h, Rn. 2; Hero, S. 181; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 11; Naumann, Die Polizei 2013, 333 (334); Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (195); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 4; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 6.
§ 4 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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Deshalb soll Berücksichtigung finden können, falls ein Umstand in der konkreten Person eine Verbindung zur Täterschaft ausschließt, wie dies etwa ein Alibi tut182. Zwar trifft dies der Sache nach zu. Da die Kriterien mangels Kenntnis der betroffenen Personen aber notwendigerweise objektive sein müssen183 und ein Alibi ein auf den einzelnen Teilnehmer bezogenes, subjektives Merkmal ist, erscheint dies nicht als Frage der Prüfungsmerkmale184. Es handelt sich dabei um eine Frage der Geeignetheit bzw. Erforderlichkeit der Teilnahme des einzelnen potentiellen Teilnehmers, was dogmatisch eine Frage der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall ist185. Die Beschränkung auf die Merkmale dient dazu, die Streubreite der Maßnahme so gering wie möglich zu halten186, was nicht nur vor dem praktischen Hintergrund der so effektiven Strafverfolgung187, sondern auch aus Verhältnismäßigkeitserwägungen notwendig erscheint. Unrichtig ist indessen die Auffassung, die Begrenzung diene der Vollstreckung der Maßnahme188, da der Terminus der Vollstreckung die Durchsetzung mit Zwang nahelegt, was aufgrund des Freiwilligkeitserfordernisses aber nicht geschehen kann.
182 BT-Drucks. 15/5674, S. 13; Ademi, S. 256; Beck, S. 272 f.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 10; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 4; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 2; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 4; dafür auch Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 3; Hasselbach, S. 139; Hero, S. 181; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 13; Saliger/ Ademi, JuS 2008, 193 (195); Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 6. 183 Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 11; von „gruppenspezifischen Merkmalen“ sprechen insoweit Benfer/Bialon, Rn. 972; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 1; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 1; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1686; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 3; Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 3; Senge, NJW 2005, 3028 (3032); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 6; für Einführung des § 81h StPO bereits Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (300), die insoweit von einer „Objektivierung“ und „objektiv feststellbare[n] Vorgänge[n]“ spricht; Volk, NStZ 2002, 561 (563); ähnlich Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 380. 184 Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 11. 185 Zutreffend Beck, S. 272 f.; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 11; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 381; wohl auch Hero, S. 181. 186 Vgl. BT-Drucks. 15/5674, S. 13; Beck, S. 254; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 10; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 7; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 4; Eisenberg, Rn. 1688; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 3; Hero, S. 169; Kanz, ZJS 2013, 518 (519); Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 11; Murmann, in; Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 380; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 13; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (195); Senge, NJW 2005, 3028 (3032); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 6; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 6; vgl. i. d. S. auch LG Magdeburg, StV 2006, 125 (126). 187 Je mehr Kriterien, desto kleiner der Teilnehmerkreis, desto effektiver die Maßnahme, vgl. BT-Drucks. 15/5674, S. 13; Beck, S. 254; dies., KriPoZ 2017, 160 (163); Rogall, JZ 2013, 874 (878). 188 So aber Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (300); Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 11.
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III. Verhältnismäßigkeit Explizite Erwähnung im Wortlaut hat gefunden, was scheinbar eine verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit ist bzw. sein sollte, nämlich, dass die Maßnahme verhältnismäßig sein muss. Indessen räumt die Erwähnung Unsicherheiten aus, die dadurch entstehen könnten, dass die Maßnahme nur mit Einwilligung durchgeführt werden kann189. § 81h Abs. 1 StPO stellt die Durchführung der Reihenuntersuchung unter den Vorbehalt, dass „die Maßnahme insbesondere im Hinblick auf die Anzahl der von ihr betroffenen Personen nicht außer Verhältnis zur Schwere der Tat steht.“ Damit ist die Maßnahme an sich in ihrer Gesamtheit angesprochen. Daneben gilt es jedoch zu sehen, dass nicht nur die Maßnahme als solche, sondern auch ihre Durchführung im Einzelnen beim konkreten Teilnehmer verhältnismäßig sein muss. Insoweit ist ersteres Voraussetzung für letzteres, weil eine unverhältnismäßige Maßnahme nicht verhältnismäßig durchgeführt werden kann; umgekehrt kann eine verhältnismäßige Maßnahme im Einzelfall unverhältnismäßig sein. Notwendig ist daher, die Verhältnismäßigkeit in zweierlei Hinsicht zu betrachten190. 1. Verhältnismäßigkeit der Maßnahme insgesamt Auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme insgesamt bezieht sich der Wortlaut des § 81h StPO. Als besondere Ausprägung der Erforderlichkeit bestimmt der Wortlaut, die Maßnahme müsse erforderlich sein, um herauszufinden, ob der Teilnehmer als Spurenleger in Betracht kommt191. Begreift man Erforderlichkeit als mildest möglichstes Mittel, so ergibt sich daraus ein Vorrang von Maßnahmen, die die Identität des Spurenlegers anderweitig aufklären können, was dogmatisch erklärt, warum § 81h StPO ultima ratio sein soll192. Hieraus zeigt sich im einfachen Recht der Vorrang einer Maßnahme gegen den Beschuldigten gem. § 81e StPO193.
189
Vgl. dazu Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 11; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 8. Für eine solche Zweiteilung nur Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 15 ff., 22; ähnlich aber Ademi, S. 258; Beck, S. 272 ff. 191 Zur dogmatischen Einordnung dieses Gesetzespassus auch als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vgl. BT-Drucks. 15/5674, S. 13; Beck, S. 272; Beukelmann, in. Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 4; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 6; Goers, in: BeckOKStPO, § 81h, Rn. 5; Hero, S. 180; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 16; Rogall, JZ 2013, 874 (880); Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (195); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 5; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 7. 192 Vgl. i. E. dazu schon die Nachweise oben in Fn. 26 (Kap. 5). 193 Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 16; i. E. auch Kretschmer, HRRS 2012, 183 (187); Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 5; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (198); zur Notwendigkeit aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten vgl. schon BVerfGE 44, 353 (371). 190
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Als Abwägungskriterien für die Angemessenheit werden die Schwere der Tat und die Anzahl der betroffenen Personen genannt. Letzteres kann nur insoweit vor Anordnung bestimmt werden, wie die jeweiligen Merkmale für den in Frage kommenden Teilnehmerkreis bereits Personen zuordenbar sind – etwa, weil die Angaben in Melde- oder Personalausweisregister gespeichert sind194 oder Teilnehmerkreis räumlich fassbar ist195. Problematisch wird eine Prognose, wie viele Personen betroffen sein werden, soweit die Verteilung der Merkmale nicht bekannt ist, wie dies etwa bei der Hautfarbe der Fall ist. Eine Höchstzahl, bei der die Maßnahme stets als unverhältnismäßig anzusehen ist, kann nicht genannt werden196. Zu unterschiedlich kann die Schwere Tat selbst in Fällen liegen, bei denen jeweils dasselbe Rechtsgut betroffen ist197. Man denke an Fälle der Massentötung198, etwa durch eine Sprengstoffexplosion. Anderseits ist gerade bei bloßen Versuchstaten Vorsicht walten zu lassen199. Das Wort „insbesondere“ zeigt, dass die genannten Kriterien nicht die einzigen sind200. Ein weiteres, nicht explizit genanntes Kriterium kann bspw. sein, 194 Dies gilt etwa für das Merkmal der Größe, das zumindest bei Deutschen bereits im Personalausweis aufgeführt ist, vgl. auch Hoppmann, Kriminalistik 2013, 291 (293); wie auch für das Alter, das sich aus dem Geburtstag ergibt, vgl. Jansen, ZIS 2020, 233 (236). 195 Etwa, wenn nur die Gäste einer Feier als Teilnehmer in Betracht kommen, vgl. Saliger/ Ademi, JuS 2008, 193 (196); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 9. 196 Beck, S. 274, Fn. 941; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 11; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 8; ders., Jura 2021, 41 (47); Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 6; Goers, in: BeckOKStPO, § 81h, Rn. 5; Hero, S. 181 f.; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 22; Trück, in: MüKoStPO I, § 81h, Rn. 9; so aber Naumann, Die Polizei 2013, 333 (337); Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 3 (Grenze bei mehr als ca. 10.000 Teilnehmern), die ebenso wie Krause (dort Fn. 73) dabei auf Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 5 rekurrieren. Indessen nennt Schmitt nicht eine quantitative Grenze mit Blick auf die Anzahl an Teilnehmer, sondern verbindet damit nur einen höheren Geldaufwand, der aus seiner Sicht relevant sein soll; zumindest für eine Orientierung an 10.000 Teilnehmern Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (196), gleichsam unter Rekurs auf Schmitt; so auch Ademi, S. 264; ebenso auf Schmitt abstellend Gronke/Gronke, NStZ 2021, 141 (146). 197 Vgl. aber Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 20; ders., in: FS F.-C. Schroeder, 691 (710), der ob der geringen Zahl an Anlasstaten mit Verbrechenscharakter davon ausgeht, die Schwere der Tat werde selten nicht im erforderlichen Maße gegeben sein; ähnlich auch Bosch, in: KMRStPO, § 81h, Rn. 11; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 8; Walter, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 10; dagegen aber Ademi, S. 259; Hero, S. 182; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 22, Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (196); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 9, die zu bedenken geben, es könne nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, bei jeder Anlasstat die Verhältnismäßigkeit zu bejahen. Im Ergebnis wird man die beiden Ansätze in Einklang bringen können, indem man die grundsätzliche Möglichkeit der Durchführung der Maßnahme bei Vorliegen einer Anlasstat bejaht, ihr Gewicht im Einzelfall aber auf Verhältnismäßigkeitsebene berücksichtigt. So wird bspw. ein Verbrechen nach § 226 StGB, dem (im Einzelfall) ein relativ niedriger Unrechtsgehalt innewohnt, wohl keine DNA-Reihenuntersuchung mit mehreren tausend Teilnehmern rechtfertigen, vgl. i. d. S. auch Beck, S. 273. 198 Vgl. Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 9, der die Anzahl der Opfer als Kriterium für die Abwägung ausweist; ähnlich Beck, S. 273; Hero, S. 182; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (195). 199 Beck, S. 273; Hero, S. 182; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 22. 200 Vgl. für weitere Kriterien Beck, S. 273; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 4; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 6; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 11; ders., in:
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wie hoch die Erfolgschancen im konkreten Fall sind201. Berücksichtigt werden muss freilich weiter, dass die Maßnahme sich gegen Nichtbeschuldigte richtet202. Kein taugliches Kriterium sind indessen die Kosten der Reihenuntersuchung203, da dies nicht mit dem Legalitätsprinzip des § 152 Abs. 2 StPO in Einklang zu bringen wäre204. 2. Verhältnismäßigkeit der Durchführung im Einzelnen Während die bisherigen Kriterien dazu dienen, die Rechtmäßigkeit der gesamten Anordnung der DNA-Reihenuntersuchung zu beurteilen, wohnt dem Erfordernis der Erforderlichkeit zur Feststellung einer Identität von Teilnehmer und Spurenleger aber auch eine individuelle Komponente inne205. Zwar kann die DNA-Reihenuntersuchung insgesamt nämlich erforderlich sein, um des Spurenlegers habhaft zu werden; kann indessen einer der potentiellen Teilnehmer mittels eines Alibis206 SSW-StPO, § 81h, Rn. 8; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 5; Hero, S. 181; Krause, in: LRStPO II, § 81h, Rn. 22; Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 3; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (196); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 5; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 9. 201 Hierfür etwa Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 22; abwegig Beukelmann, in: Radtke/ Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 4, der einen „Eingriff in die Intimsphäre“ abwägen will, obschon ein solcher wie aufgezeigt automatisch eine Verletzung der Menschenwürde darstellen würde. 202 Vgl. BT-Drucks. 15/5674, S. 13; Beck, S. 273; Beukelmann, in. Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 4; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 11; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 8; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 6; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 5; Hero, S. 182; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 22; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 7. Termini wie „Eingriffsintensität“ oder „Grundrechtsbetroffenheit“ o. ä. sind indessen unpräzise, weil sie die Freiwilligkeit der Teilnahme, damit die Einwilligung und damit den Grundrechtsverzicht zumindest begrifflich nicht abbilden; vgl. dazu Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 11; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 8. 203 So aber Ademi, S. 262; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 4; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 11, ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 8; ders., Jura 2021, 41 (47); Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 22; Naumann, Die Polizei 2013, 333 (337); Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 3; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 5; wohl auch Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 5; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 8; i. E. auch Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (196), wobei diese zumindest anerkennen, dass es sich dabei eher vom eine faktische als rechtliche Limitierung handelt. Entgegen Hombert, S. 185 dürfen die Kosten aber auch aus ermittlungsstrategischer Sicht keine Rolle spielen. 204 Vgl. schon oben Kap. 5 § 4 I. 1. b) bb) (2) (e). 205 Beck, S. 272 f.; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 17; i. E. auch Hero, S. 181; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 381. 206 So i. E. bereits BT-Drucks. 15/5674, S. 13; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 10; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 4; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 2; Schmitt, in: MeyerGoßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 4; dafür auch Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 3; Hasselbach, S. 139; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 13; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (195); Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 6; vgl. aber BVerfG, NJW 1996, 3071 (3073), wo das BVerfG die Begründung des LG jedenfalls billigt, nach der die Vernehmung eines Alibizeugen nicht gleichermaßen geeignet sei zum Beweis fehlender Tatortnähe. In diesem Kontext ist aber
§ 4 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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beweisen, dass er bspw. zur Tatzeit im Ausland war, so ist der Abgleich in diesem Einzelfall nicht mehr erforderlich. Dogmatisch sind individuelle Anknüpfungspunkte deshalb keine Prüfungsmerkmale im oben beschriebenen Sinne, sondern Erwägungen, die i. R. d. Verhältnismäßigkeit relevant werden207. Zwar könnte der Verneinung der Notwendigkeit der Teilnahme in diesen Fällen das Argument entgegengesetzt werden, der Spurenleger müsse nicht zwingend am Tatort anwesend gewesen sein. Freilich könnte der Teilnehmer auch in dem Falle eines Alibis zu Verwandten führen; in diesen Fällen wäre sein Alibi unbeachtlich. Indessen wird man sub specie der gesetzgeberischen Intention, den Teilnehmerkreis möglichst eng zu halten208, darauf verzichten, in das Raster der Prüfungsmerkmale Fallende in die Untersuchung miteinzubeziehen, wenn diese als Spurenleger mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in Betracht kommen. Als Teilnehmer soll ferner nur in Betracht kommen, wer der Spurenleger sein könnte – nicht, wer mit ihm verwandt sein könnte209. Bleibt die Untersuchung in einem ersten Durchgang erfolglos und bestehen darüber hinaus etwa Anhaltspunkte dafür, dass der zuvor nicht Untersuchte der Spurenleger sein könnte (weil Indizien darauf hinweisen, dass ein anderer seine DNA absichtlich platziert hat), so kann er in einem weiteren Durchgang immer noch einbezogen werden. Auch ohne Anhaltspunkte dergestalt kann dies notwendig erscheinen, weil die Aufklärung der Spurenlegerindentität in diesen Fällen wenigstens dazu führen kann, dass nicht die Fokussierung auf die DNA-Analyse, die im Ergebnis nicht weiter führt, über längere Zeit auch weiter fortgesetzt wird. In diesen Fällen kann dann wenigstens der weitere Ermittlungsvorgang priorisiert werden. Als Konsequenz bedeutet dies, dass die Strafverfolgungsbehörden solche potentiellen Teilnehmer, von denen sie bereits wissen, dass sie als Spurenleger mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in Betracht kommen, auch nicht zur Teilnahme auffordern dürfen. Nicht bedeutet dies aber, dass sie bei jedem der Teilnehmer groß angelegte Recherchearbeiten vornehmen müssen, ob es andersartige Nachweise gibt. Das wäre erstens bei großen Teilnehmerzahlen praktisch nicht durchführbar und zweitens mit einer intensiveren Beeinträchtigung des potentiellen Teilnehmers verbunden als die Teilnahme selbst.
zu berücksichtigen, dass es sich im zugrundeliegende Fall um eine der Reihenuntersuchung nachfolgende Zwangsmaßnahme nach § 81a StPO handelte. 207 Zutreffend Beck, S. 272 f.; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 11, 17; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 381. 208 BT-Drucks. 15/5674, S. 13. 209 Vgl. Kap. 5 § 2 I.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
§ 5 Formelle Voraussetzungen Die formellen Voraussetzungen der DNA-Reihenuntersuchung, wie sie über alle Absätze des § 81h StPO verteilt sind, stellen insofern ein Unikum des Strafverfahrensrechtes dar210, als die Maßnahme nur mit Einwilligung des Teilnehmers durchgeführt darf (Abs. 1), gleichzeitig aber der gerichtlichen Anordnung bedarf (Abs. 2). Gänzlich kein Unikat stellen die Anforderungen an den Sachverständigen dar (Abs. 3 S. 1). Insoweit wird schlicht im Gesetz wie hier auf § 81f Abs. 2 StPO bzw. die Ausführungen dazu verwiesen211. Im Vordergrund stehen soll im Folgenden nicht zuletzt wegen der datenschutzrechtlichen Relevanz die in § 81h Abs. 1 StPO vorausgesetzte Einwilligung des Teilnehmers, der gem. Abs. 4 eine dort näher beschriebene Belehrung behördlicherseits vorausgehen muss. Nach einer sich anschließenden, kurzen Erläuterung des Gebotes der richterlichen Anordnung soll bewertet werden, ob das Unikat tatsächlich das opus horribile ist, wie Teile der Literatur es darbieten212. Insgesamt von „Anordnungs“voraussetzungen zu sprechen wäre unrichtig, denn während eine richterliche Anordnung eine solche ist, kann man die Einwilligung nicht als solche bezeichnen. Sie ist nicht Voraussetzung für die Anordnung, sie setzt die Anordnung voraus. § 81h StPO enthält in formeller Hinsicht eine formelle Anordnungsvoraussetzung und eine formelle Voraussetzung für die Durchführung.
I. Freiwillige Teilnahme – Einwilligung und Belehrung Nach § 81h Abs. 1 StPO darf die Maßnahme nur mit Einwilligung des Betroffenen durchgeführt werden. Entgegen der allgemeinen, zumindest de jure, wenn auch nicht de facto bestehenden Formfreiheit der Einwilligung im Strafprozess213 bedarf die Einwilligung in die Teilnahme an der DNA-Reihenuntersuchung der Schriftform. Jenseits der Belehrungsvorschriften des Abs. 4 regelt § 81h StPO keine weiteren Voraussetzungen, die an die Einwilligung zu stellen sind; nicht einmal das Erfordernis das Freiwilligkeit. Deshalb müssen denknotwendig die allgemeinen 210
Vgl. Ademi, S. 245 (strafprozessuale Eigenart); Hero, S. 183 (Sonderstellung); Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 4 (Sonderstellung); Kretschmer, HRRS 2013, 183 (ungewöhnliche und in der StPO einmalige Kombination); Kühne, § 28, Rn. 495 (einmalig); Neuhaus, in: HKGS, § 81h StPO, Rn. 1 (ohne Vorbild); Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 4 (Unikat); Saliger/ Ademi, JuS 2008, 193 (194) (Sonderstellung und ohne Vorbild); Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 2 (rechtssystematisches Unikat); in der Sache gleich, indessen krit. Trück, in: MüKoStPO I, § 81h, Rn. 19 (systematischer Fremdkörper). 211 Dazu s. o. Kap. 4 § 4 II. 212 Vgl. an dieser Stelle v. a. Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 3 f.; ders., in: FS F.-C. Schroeder, 691 (711). 213 Dazu oben Kap. 3 § 5 V. 3.
§ 5 Formelle Voraussetzungen
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Voraussetzungen der Einwilligung auch i. R. d. § 81h StPO gegeben sein, wenngleich sie nicht normiert sind214. Wie schon allgemein ist auch i. R. d. § 81h StPO das Freiwilligkeitserfordernis die Voraussetzung, die am meisten Schwierigkeiten bereitet. Die anzutreffenden Argumente, mit denen teilweise die Möglichkeit einer freiwilligen Teilnahme gänzlich negiert wird, sollen im Folgenden dargestellt werden, ehe zu ihnen Stellung genommen wird. Innerhalb der Stellungnahme soll auch auf die Belehrungsvorschrift des § 81h Abs. 4 StPO eingegangen werden. Ferner die es zu untersuchen, wie § 81h Abs. 4 StPO sich in die Dogmatik der allgemeinen Freiwilligkeitsvoraussetzungen einfügt. 1. Zweifel an der Möglichkeit einer freiwilligen Teilnahme a) Sozialer Druck zur Teilnahme Problematisiert werden kann zuvorderst ein nicht von den Strafverfolgungsbehörden, sondern von der Gesellschaft ausgehender Druck. Verweigert der potentielle Teilnehmer aus welchen Gründen auch immer die Teilnahme, bedarf das aus rechtlicher Sicht keiner Rechtfertigung. Indessen kann der Verweigerer von der Gesellschaft damit konfrontiert werden, bestenfalls dem Verbrechen gleichgültig gegenüber zu stehen und nichts zu seiner Aufklärung beizutragen, schlimmstenfalls aber selbst in das Verbrechen verwickelt zu sein. Der zwar rechtsstaatlichen Standards widersprechenden, aber wohl in der Bevölkerung verankerte Grundsatz, wer nichts zu verbregen habe, könne auch die Karten offen legen, würde den Einzelnen damit zur Teilnahme zwingen, und zwar unabhängig davon, ob er als Spurenleger in Betracht kommt oder nicht215. Teilweise wird in Bezug darauf vertreten, eine Wahlfreiheit für oder gegen die Teilnahme, die Voraussetzung für die Freiwilligkeit 214 Ademi, S. 264; Finger, Kriminalistik 2006, 696 (698); Hasselbach, S. 140; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 14; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 14; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 7; für das Erfordernis einer freiwilligen Teilnahme deshalb selbstredend und ohne weitere Begründung zutreffend Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 1, 9; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 5; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 4; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 13; Eisenberg, Rn. 1688; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 6; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 5; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 383; Petri, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 101 (106); Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (194, 196); Trück, in: MüKoStPO I, § 81h, Rn. 13; zum dogmatischen Hintergrund, warum jede Einwilligung freiwillig zu erfolgen hat Amelung, StV 1985, 257 (261); i. d. S. auch Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (29), der die „Kernfrage“ der Einwilligung mit § 81h StPO nicht als gelöst ansieht. 215 In diesem Zusammenhang verweist U. Wagner, S. 201 auf das Szenario des Betroffenen, „auf Dauer als jemand, der etwas zu verbregen habe, gebrandmarkt zu werden“; ähnlich Knierim, in: FS Dahs, 313 (315), der die wohl rhetorische Frage stellt, ob derjenige, der nichts zu verbergen haben, noch „mit Anstand“ die Einwilligung verweigern könne und insofern auf den Druck der anderen Teilnehmer verweist; vgl. i. d. S. auch Gössner, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 1999, Heft 4, 67 (68).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
der Entscheidung ist, bestehe gerade nicht (mehr)216. Ronellenfitsch verweist gerade bei homogegen Gemeinschaften wie einer Dorfbevölkerung auf die Möglichkeit, als Außenseiter im Falle der Verweigerung zu gelten, und nennt die Freiwilligkeit eine „reine Fiktion“217. In diesem Zusammenhang findest sich bei Wüsteney der Ansatz, dass der prima facie nur gesellschaftliche Druck durch die Strafverfolgungsbehörden selbst erst verursacht werde, indem die DNA-Reihenuntersuchung durchgeführt werde218. Hasselbach mutmaßt zumindest, die Polizei spekuliere auf derartiges gesellschaftliches Verhalten219. Hochgartz bestätigt dies, wenn er euphorisch über einen Ermittlungserfolg durch DNA-Reihenuntersuchungen schreibt: „Verwandte hatten entschieden: Wir gehen gemeinsam hin. Er [d. h. der Spurenleger] konnte sich nicht mehr glaubhaft der Teilnahme entziehen. Das Konzept oder die Hoffnung auf den Gruppendruck war aufgegangen“220. Wüsteney selbst schließt daraus, eine autonome Entscheidung des Einzelnen sei schon ausgeschlossen, wenn die Strafverfolgungsbehörden zur Teilnahme aufforderten221. Ein wie auch immer gearteter moralisch-sozialer Druck wird indessen aber auch für schlicht unbeachtlich erklärt222. Da der Gesetzgeber die Problematik erkannt habe, liege dem § 81h StPO ein Freiwilligkeitskonzept zugrunde, auf dessen Basis sozialer Druck Freiwilligkeit nicht ausschließe223. Druck könne aus abwehrrechtlichem Gesichtspunkt nur dann relevant sei, wenn er vom Staat komme224. Hero entgegnet diesem Ansatz indessen, nicht relevant sei, wer den Druck ausübe, relevant sei nur, ob der Betroffene ihn verspüre225.
216
Vgl. etwa Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (298); Hasselbach, S. 145 f.; Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 5; ähnlich auch Wüsteney, S. 233 f.; einen Druck zwar bejahend, aber schweigend zur Konsequenz Niedersächsische LT-Drucks. 14/425, Ziff. 27.5.2, S. 128; Altendorfer, S. 92; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 1; Brauer, in: HKStPO, § 81h, Rn. 12 a. E.; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (69); Kretschmer, HRRS 2013, 183 (185); Mertin, ZRP 2005, 37 f.; Rath, GSZ 2018, 67 (69); Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (197); Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (30). 217 Ronellenfitsch, NJW 2006, 321 (325); ganz ähnlich Krieglstein, S. 109. 218 Wüsteney, S. 235; ähnlich Volk; NStZ 2002, 561 (563); laut Sauter, S. 232 kann dies eine Taktik der Polizei sein, um zur Teilnahme zu bewegen; der Ansatz findet sich auch bei Ademi, S. 265. 219 Hasselbach, S. 145; ebenso Hero, S. 176. 220 Hochgartz, Kriminalistik 2000, 322 (327). 221 Wüsteney, S. 235; i. E. auch Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (471 f.). 222 Vgl. Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 5; Fahl, S. 209; Oberwetter, S. 27; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 15; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 13, der bei in Rn. 20 bezweifelt, ob ein solcher überhaupt pauschal unterstellt werden könne; zweifelnd auch Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 14; vgl. auch Satzger, JZ 2001, 639 (648). 223 Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 14; i. d. S. auch Ademi, S. 265. 224 Hombert, S. 166. 225 Hero, S. 176 f.
§ 5 Formelle Voraussetzungen
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Schließlich findet sich eine Verknüpfung eines sozialen Drucks mit dem rechtlichen dergestalt, dass es gerade der soziale Druck sei, der es dem Betroffenen verbiete, rational und rechtlich die Folgen einer etwaigen Verweigerung der Einwilligung zu bewerten226. b) Die Folgen der verweigerten Einwilligung Problematisiert wird weiter, der Betroffene rechne u. U. damit, dass er sich verdächtig machen würde, sollte er nicht teilnehmen. Aufgrund dieser Furcht füge er sich quasi dem Unausweichlichen, weil er ansonsten eben mit Zwang der DNAUntersuchung unterzogen würde. aa) Unwirksamkeit der Einwilligung, wenn aus der Verweigerung ein Tatverdacht geschlussfolgert wird Sollte der potentielle Teilnehmer damit rechnen müssen, soll dem einer Ansicht nach die Unwirksamkeit der Einwilligung unweigerlich folgen227. Der Betroffene hätte nur die Wahl zwischen Inkulpation oder Teilnahme, sodass eine rechtliche Drucksituation entstehe, die über die soziale weit hinaus ginge und eine freie Willensbildung ausschließe228. Eine wirkliche Entscheidungsfreiheit, wie das Merkmal der Freiwilligkeit umschrieben wird, bestehe dann gerade nicht229. Auch der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass die Einwilligungsverweigerung verdachtsneutral sein müsse, weil es ansonsten keine freiwillige Entscheidung geben könne230. Dieser misst der Aufforderung zur Teilnahme ein Gewicht bei, das der Maßnahme 226
Hasselbach, S. 146. Vgl. BT-Drucks. 18/11277, S. 21; Ademi, S. 264; Beck, S. 261 f., 266; Benfer, NStZ 1997, 397 (398); Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1689, 1701; Foldenauer, S. 80; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 6; Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (298); Gusy, JZ 1996, 1175 (1177); Hasselbach, S. 142; Hombert, S. 164 f.; Jung, MSchrKrim 72 [1989], 103 (105); Klumpe, S. 189; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 14; Kretschmer, HRRS 2013, 183 (185); Mittag, S. 111; Petri, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 101 (107); Rinio, JR 2001, 167 (169); Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (196); Satzger, JZ 2001, 639 (647); Sauter, S. 229 f.; U. Wagner, S. 201 f.; Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (30); vgl. i. d. S. auch Benfer, NStZ 1997, 397 (398); Burr, S. 126; Geserick, in: Fischer/Geißler (Hrsg.), Genetik, 185 (196); Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (69); vgl. zum schweizerischen Recht auch Bommer, ZStrR 188 [2000], 131 (156); unklar zur Konsequenz indessen Niedersächsische LT-Drucks. 14/425, Ziff. 27.5.2, S. 128; allgemein für dieses Verständnis i. R. d. Einwilligungsdogmatik Amelung, StV 1985, 257 (261 f.) anhand des Beispiels einer freiwilligen „Fingerabdruck-Reihenuntersuchung“. 228 Beulke/Swoboda, Rn. 378; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 14; Sauter, S. 229 f.; vgl. auch Kopf, S. 195 f.; Krieglstein, S. 109, die indessen noch auf § 81a StPO als Ermächtigungsgrundlage abstellen. 229 Beck, S. 268; Benfer, NStZ 1997, 397 (398); Foldenauer, S. 80; Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (298); Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 5. 230 Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 14; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (196 f.). 227
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
nach § 81h StPO den Charakter einer Zwangsmaßnahme zu verleihen geeignet sei231. Nur die strikte Verdachtsneutralität der Verweigerung ermögliche dem Betroffene, wirklich aus freiem Willen einwilligen zu können232. bb) Unwirksamkeit der Einwilligung, wenn die Verweigerung bereits mittelbar mit anderen Beweisen zur Verdachtsbegründung führt Für eine strenge Auffassung ist weiter schon zweifelhaft, ob eine freiwillige Teilnahme gegeben ist, wenn zwar nicht aus der Einwilligungsverweigerung, aber aus anderen Beweisen (z. B. Verdichtung des Personenkreises auf eine sehr geringe Zahl) ein Verdacht entstehen könnte, der eine gezielte Inanspruchnahme des Verweigerers rechtfertigt233. Somit wird freilich die Verfassungsmäßigkeit des § 81h StPO selbst in Frage gestellt234, weil darauf die Maßnahme ja zielt. Insgesamt wird bemängelt, es käme durch eine etwaige Möglichkeit der Inkulpation durch Teilnahmeverweigerung faktisch zu einer Umkehrung der Unschuldsvermutung235. cc) Die Kenntnis des Betroffenen von der Verdachtsneutralität In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass der Standpunkt, die Einwilligungsverweigerung dürfe nicht verdachtsbegründend wirken, ein akademischer sei, der nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch bei den Strafverfolgungsbehörden nicht verinnerlicht sei. In der Praxis komme durchaus vor, dass aufgrund der Verweigerung Beschlüsse nach § 81a StPO beantragt, erlassen und vollstreckt würden236. Wolters bezeichnet das Einwilligungserfordernis deshalb als 231
BT-Drucks. 15/5674, S. 7. Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (196). 233 Eisenberg, Rn. 1688. 234 Explizit zweifelnd Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 5 a. E. 235 BT-Drucks. 11/6092, S. 3 (Fraktion der Grünen); Foldenauer, S. 80; Gössner, Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 1999, Heft 4, 67 (68); Hero, S. 177; Hother, S. 51; ihm zust. Satzger, JZ 2001, 639 (647); weiter Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (70); Koriath, JA 1993, 270 (271); Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (30); vgl. i. d. S. auch Rademacher, ZRP 1990, 380 (383), die die Umkehrung der Unschuldsvermutung aber nicht am Beispiel der Reihenuntersuchung, sondern anhand der aus ihrer Sicht de facto erzwungenen Einwilligung eines konkreten Beschuldigten festmachen will; für das schweizerischen Recht Hausheer, ZSR 117/2 [1998], 449 (465). 236 Vgl. Altendorfer, S. 92; Beck, S. 261; Beulke/Swoboda, Rn. 378; Dix, DuD 1989, 235 (237); Foldenauer, S. 79 f.; Graalmann-Scheerer, NStZ 204, 297 (298); Hasselbach, S. 144 ff.; Wüsteney, S. 234; i. d. S. vgl. auch den Fall bei Heitborn/Steinbild, Kriminalistik 1990, 185 (188); darauf Bezug nehmend Hother, S. 50; Oberwetter, S. 22; weiter Hero, S. 173 f.; Klumpe, S. 188 f.; Krieglstein, S. 106; Rademacher, ZRP 1990, 380 (383); Sauter, S. 232 f.; Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (31); Zuck NJW 2002, 1924 (1925); i. E. hinsichtlich Einwilligungen i. R. d. §§ 81e, 81f StPO auch Golembiewski, NJW 2001, 1036 (1037); vgl. in diesem Zusammenhang auch die Argumentationen der Instanzgerichte bei BGHSt 45, 367 ff.; 49, 232
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„Mogelpackung“237, mit der „Sand in die Augen des um die Wahrung des Rechtsstaates Bemühten gestreut“238 würde. Zu dem Kriterium der tatsächlichen Verdachtsneutralität tritt damit ein subjektives, ein persönliches Momentum der Kenntnis hinzu, dass für die Freiwilligkeit essentiell sein soll239. Freilich gilt, das sei hier schon angemerkt, jenes nur für den Betroffenen; etwaige rechtswidrige Entscheidungen von Gerichten und Exekutive müssen insofern unbeachtlich sein, als dass jene aufgehoben bzw. überprüft werden müssen, um ihnen zu begegnen. Es darf aber nicht die Rechtswidrigkeit staatlichen Handelns die Möglichkeit des Bürgers, freiwillig zu handeln, beeinträchtigen. dd) Nemo tenetur se ipsum accusare und Einwilligungsverweigerung Teilweise findet sich gar die Auffassung, der Betroffene belaste sich u. U. selbst, indem er sich dem Druck füge und an der Reihenuntersuchung teilnehme. Im Hinblick auf die verfassungsrechtlich verbürgte Selbstbelastungsfreiheit erscheine dies bedenklich240. Beck geht sogar so weit, die Effizienz der DNA-Reihenuntersuchung und die Wahrung der Selbstbelastungsfreiheit in Form einer Verdachtsneutralität der Einwilligung schlössen sich „denknotwendig und kategorisch gegenseitig aus“241. Sie begründet dies damit, dass gegen den nemo-tenetur Grundsatz nicht nur dann verstoßen werde, wenn unmittelbar auf der Verweigerung der Tatverdacht gründe, sondern bereits auch dann, wenn dies mittelbar geschehe, was dann der Fall sei, wenn aus der Nichtteilnahme in Verbindung mit der Teilnahme der anderen Aufgeforderten der Rückschluss gezogen würde, es könne kein anderer als Täter in Betracht kommen als der Verweigerer242. Dürfte dieser Schluss nicht ge-
56 ff.; dagegen aber Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 189 f., die insofern auf die Öffentlichkeitsarbeit verweisen; Mertin, ZRP 2005, 37 (38), der zwar von entsprechenden Vorfällen berichtet, gleichzeig aber vorträgt, durch das stete Hinweisen auf das Freiwilligkeitserfordernis könne dem Einhalt geboten werden. 237 Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (34). 238 Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (28). 239 Hasselbach, S. 142; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (68); Krieglstein, S. 108; Wüsteney, S. 234; dazu allgemein, nicht nur auf die Selbstbelastungsfreiheit bezogen i. R. d. § 81h StPO Singelnstein/Derin, NJW 2017, 2646 (2648); selbst eine etwaige Kenntnis für nicht stets ausreichend erachtend Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (33). 240 Vgl. Beck, S. 266 ff.; Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (298); Klumpe, S. 189 f.; Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 5. Weitergehend noch Cierniak/Herb, NZV 2012, 409 (412), die alleine durch Aufforderung zur Teilnahme die Selbstbelastungsfreiheit berührt sehen, woran „kein Zweifel bestehen“ könne. Nimmt man diesen Gedankengang ernst, so müsste man aber entweder jegliche Form der Mitwirkung kritisch beäugen, weil auch der zur Aussage aufgeforderte Zeuge sich u. U. selbst belastet, oder aber die Selbstbelastungsfreiheit als Konsequenz eines so weiten Verständnisses dann korrekturhalber für leichter einschränkbar erachten. Beides überzeugt nicht. 241 Beck, S. 269. 242 Beck, S. 265, 267.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
zogen werde, haben die Reihenuntersuchungen aber insgesamt keinen Nutzen243. In diesem Sinne lässt sich auch Eckstein verstehen, der im Zusammenhang mit § 81h StPO anmerkt, es läge eine „verdeckte Aufforderung an die Strafverfolgungsbehörden [vor], aus verweigerter Einwilligung Verdacht zu schöpfen, ohne es sich anmerken lassen“244. ee) Unbeachtlichkeit eines Irrtums über die Tatverdachtsneutralität Es finden sich aber auch Stimmen, die unter der Voraussetzung, dass die Strafverfolgungsbehörden nicht den Irrtum selbst herbeigeführt haben, den Irrtum über eine mögliche Inanspruchnahme aufgrund der Verweigerung als unbeachtlichen Motivirrtum abtun245. Nach dem BVerfG gilt dies sogar, wenn der Betroffene davon ausgeht, der verweigerten Einwilligung folge die Durchführung auf dem Zwangsweg nach246. Dies begründet das BVerfG damit, der Betroffene könne in diesen Fällen nach § 304 StPO auf dem Beschwerdeweg die Rechtmäßigkeit einer etwaigen Anordnung überprüfen lassen247. Im Rahmen der Beschwerde trete dann zu Tage, dass die Verweigerung der Einwilligung wie die Einlegung der Beschwerde an sich nicht verdachtsbegründend herangezogen werden hätte dürfen248. Oberwetter ist noch weitergehend der Auffassung, selbst eine Drohung, bei fehlender Einwilligung auf dem Zwangswege vorzugehen, beeinträchtige die Freiwilligkeit nicht, da mit dem Richter, der die Zwangsmaßnahme anordnen müsse, noch eine unabhängige Instanz über die Wahrung der Rechte des Einzelnen und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wache249. Insgesamt wird auch darauf hingewiesen, als Unschuldiger unter Rechtfertigungsdruck zu geraten sei unwahrscheinlich, weil dies nur in Fällen geschehe, in denen zufällig oder gezielt die DNA des Unschuldigen an den Tatort gelangt sei und dieser sich unter den potentiellen Teilnehmern befände250.
243
Beck, S. 264. Eckstein, Ermittlungen zu Lasten Dritter, S. 355; zust. Heghmanns, GA 2014, 475 (476 f.). 245 BVerfG, NJW 1996, 1587 (1588); Hombert, S. 165; Sprenger/Fischer, NJW 1999, 1830 (1833, Fn. 46); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 13; i. d. S. wohl auch Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 383. 246 BVerfG, NJW 1996, 1587 (1588). 247 BVerfG, NJW 1996, 1587 (1588); zust. Hombert, S. 166. 248 BVerfG, NJW 1996, 1587 (1588); zust. Hombert, S. 165; dagegen aber Sauter, S. 233, der unterstellt, die Richter am LG würden gleich entscheiden wie ihre Kollegen am AG; krit. ebenso Beck, S. 265; krit. auch Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (34). 249 Oberwetter, S. 27 f. unter Bezugnahme auf § 81a StPO. Da der Richtervorbehalt und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch i. R. d. §§ 81e, 81f und 81h StPO gilt, kann die Argumentation übertragen werden. 250 Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 13. 244
§ 5 Formelle Voraussetzungen
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2. Stellungnahme a) Zur Beachtlichkeit rein sozialen Drucks Die Möglichkeit, dass von gesellschaftlicher Seite ein gewisser Druck besteht, an einem Strafverfahren mitzuwirken, ist nichts, was der DNA-Reihenuntersuchung eigen ist251. Man wird nicht in Abrede stellen können, dass selbst bei einem Beschuldigten die Wahrnehmung seines aus dem nemo-tenetur-Grundsatz herrührenden Rechtes auf Mitwirkungsverweigerung von der Gesellschaft als Schuldeingeständnis interpretiert wird. Würde derartiger Druck für rechtlich relevant erachtet, müsste man jede Mitwirkung eines Menschen im Strafverfahren kritisch beurteilen. Das gilt v. a. für das Verhalten eines Beschuldigten, dessen aktive Mitwirkung schließlich immer freiwillig ist bzw. zu sein hat. Seinem Geständnis die Freiwilligkeit abzusprechen wegen einer irrtümlichen Interpretation Dritter vermag aber nicht zu überzeugen252. Zunächst einmal erscheint es bereits fragwürdig, wie denn der rein soziale Druck zur Teilnahme überhaupt festgestellt werden sollte. Denn während der eine einen solchen u. U. gar nicht empfindet, mag es sein, dass er im genau gleichen Fall beim anderen erdrückende Wirkung hat253. Wären die Strafverfolgungsbehörden gehalten, etwa durch Befragung vor Durchführung der DNA-Reihenuntersuchung herauszufinden, ob der konkrete Teilnehmer sozialen Druck empfinde, und würde der Betroffene dies bejahen, so erscheint es mehr als fragwürdig, seine Mitwirkung mit dem Argument zu verbieten, aufgrund des Druckes könne er nicht wirksam einwilligen. Der soziale Druck würde rechtlich erst relevant, weil man seine Existenz überprüfte. Die Worte Rogalls, „[w]er ostentativ auf die Freiwilligkeit seiner Mitwirkung hingewiesen w[ürde], stehe erst recht unter dem Druck, mitzumachen und seine Beteiligung am Test nicht zu verweigern“254, können insofern verallgemeinert werden. Vermeintlich notwenige, ostentative Überprüfung von Freiwilligkeit darf nicht zu ihrem Ausschluss führen. Eine Verneinung der Freiwilligkeit aufgrund sozialen Drucks führte aber auch dazu, dass dem potentiellen Teilnehmer aufgrund des Verhaltens Dritter verweigert wird, aus eigenem Entschluss seine Unschuld darzulegen, sodass er im Nachhinein u. U. Zwangsmaßnahmen erdulden müsste. Dies erscheint aus Verhältnismäßigkeitsgründen bedenklich. Auch der Ansatz, der soziale Druck sei auf die staatliche Aufforderung zur Teilnahme zurückzuführen, führt im Ergebnis nicht weiter. Freilich ist zuzugeben, dass ohne die DNA-Reihenuntersuchung der Druck nicht entstünde. Die ganze 251
Naumann, Die Polizei 2013, 333 (335). Krit. zu diesem Vergleich aber Bommer, ZStrR 188 [2000], 131 (157 f.), der seine Kritik v. a. damit begründet, beim Geständnis stehe fest, dass das Unterlassen eines solchen nicht verdachtsbegründend bzw. -bestärkend interpretiert werden dürfe, und weiter ausführt, das Recht auf rechtliches Gehör sei auch ein Recht zum Geständnis. 253 Wüsteney, S. 234. 254 Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 34. 252
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Problematik stellte sich erst gar nicht, wenn keine Maßnahme nach § 81h StPO im Raum stünde. Abstrahierte man diesen Gedankengang, so würde bei jeder Maßnahme im Strafverfahren, die der freiwilligen Mitwirkung zugänglich ist (sei es in Form einer Einwilligung oder auch in Form einer sonstigen Mitwirkung, wie etwa eines Geständnisses) die Reaktion der Gesellschaft die Möglichkeiten des Einzelnen beschneiden. Das gilt für die DNA-Reihenuntersuchung wie für die Einwilligung in eine Maßnahme nach § 81a StPO. Die Zurechnung des gesellschaftlichen Drucks an den Staat würde zudem zu einem paradoxen Ergebnis führen. Es ist davon auszugehen, dass der Druck der Gesellschaft gegenüber dem Einzelnen, er möge doch seinen Beitrag zur Aufklärung des Verbrechens leisten, in seiner Stärke abhängig ist vom Unrechtsgehalt der aufzuklärenden Straftat: Je schlimmer die Anlasstat, desto eher wird eine gesamtgesellschaftliche Stimmung entstehen, die den Einzelnen dazu auffordert, an der Aufklärung mitzuwirken. Eine grausame Tötung wird eher eine solche Stimmung entstehen lassen als ein Diebstahl. Nähme man es nun ernst damit, den gesamtgesellschaftlichen Druck dem Staate zuzurechnen, so führte dies dazu, dass der Wohnungsinhaber, der die Strafverfolgungsbehörden in seine Wohnung lassen möchte, um zu zeigen, dass das Diebesgut nicht bei ihm gelagert ist, dies ohne Probleme dürfte. Denn gerade bei Massendelikten ohne jedwede Besonderheiten wird kaum gesellschaftlicher Druck vorhanden sein. Umgekehrt dürfte aber im Falle einer grausamen Tötung kaum ein Williger an der Strafaufklärung mitwirken, weil man ihm stets die Möglichkeit dazu absprechen müsste mit dem Argument, er könne ja gar nicht freiwillig handeln ob des gesellschaftlichen Drucks. Die Mitwirkungsmöglichkeiten des Einzelnen wären mithin eingeschränkter, je schlimmer die Straftat ist. Umgekehrt liegt die Situation aber so, dass gerade bei Verbrechen mit hohem Unrechtsgehalt ein besonderer Auftrag zu Aufklärung an den Staat gegeben ist255. Er hätte im Hinblick auf die Einwilligung weniger Mittel, je schlimmer die Straftat ist. Dass er bei der Erfüllung dieses seines Auftrages aber auf weniger Möglichkeiten zurückgreifen muss, vermag nicht zu überzeugen. Im Übrigen kann an dieser Stelle auf den Zweck des Freiwilligkeitserfordernisses verwiesen werden, wie er in den allgemeinen Ausführungen zur Einwilligung dargestellt wurde: Es geht bei dem Erfordernis der Freiwilligkeit i. R. d. Bürger-StaatVerhältnisses darum, abzugrenzen, ob ein Handeln dem Staat oder dem Bürger zuzurechnen ist. Deshalb kann nur staatlicher Zwang die Freiwilligkeit ausscheiden lassen256. Kann man den gesellschaftlichen Zwang wie aufgezeigt dem Staat nicht zurechnen, so ergibt sich, dass der Druck, den der Einzelne von gesellschaftlicher Seite durchaus spüren mag, nicht geeignet ist, die Freiwilligkeit seiner Teilnahme in Abrede zu stellen. Entgegen Hero kommt es demgemäß schließlich doch drauf an, ob der Druck vom Staat kommt. Ansonsten wäre der Begriff des Drucks bzw. Zwangs in allen seinen Facetten und Dimensionen nicht in den Griff zu bekommen257. 255 256 257
Vgl. BVerfGE 29, 193 (194); 33, 367 (383); 36, 174 (186); Jansen, ZIS 2020, 233 (236). Vgl. dazu oben Kap. 3 § 5 V. 2. d) aa) (2), (3). Vgl. dazu oben Kap. 3 § 5 V. 2. b).
§ 5 Formelle Voraussetzungen
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b) Die Folgen der Einwilligungsverweigerung – Problem und Lösung auch anhand der Belehrungsvorschrift aa) Verdachtsbegründung alleine aufgrund der Verweigerung (1) Unzulässigkeit der Verdachtsbegründung nur aufgrund der Verweigerung Dass alleine die Verweigerung der Teilnahme an sich nicht herangezogen werden kann, um einen Anfangsverdacht i. S. d. § 152 Abs. 2 StPO gegen den Verweigerer zu begründen und dem folgend gegen ihn auf Grundlage der §§ 81a, 81e StPO vorzugehen, ist einhellig in Schrifttum258 und Rechtsprechung259 anerkannt. Auch der Gesetzgeber geht hiervon aus260. Dogmatischer Anknüpfungspunkt ist die Selbstbelastungsfreiheit261. Der nemotenetur-Grundsatz besagt primär (nur), dass niemand dazu verpflichtet ist, an seiner 258 Ademi, S. 265, 274; Altendorfer, S. 91; Beck, S. 261; Beulke/Swoboda, Rn. 378, 760; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 1; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 13; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 192; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1689, 1701; Burr, S. 125; Busch, NJW 2001, 1335 (ebd., Fn. 2); Dix, DuD 1989, 235 (237); Eisenberg, Rn. 1688; Fahl, S. 207; Foldenauer, S. 80; Geppert, in: FS F.-C. Schroeder, 675 (684 f.); Giesen, in: FS Hamm, 107 (116); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 6.1; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 5; Hasselbach, S. 144; Hero, S. 171 – 173, 185 f.; Hombert, S. 123; Kaefer, Kriminalistik 2000, 282; Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (465 f.); Kölbel, S. 68; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 7; Kreuz, S. 37; Kretschmer, HRRS 2012, 183 (185); Lammer, StraFo 2003, 127 (129 f.); Magnus, ZStW 126 [2014], 695 (718); Mertin, ZRP 2005, 37 (37 f.); Müller, Die Polizei 2006, 40 (48); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 383; Naumann, Die Polizei 2013, 333 (335); Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 5; Petri, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 101 (107); Pommer, JA 2007, 621 (626); Rogall, NStZ 1997, 398 (400); ders., in: FS F.-C. Schroeder, 691 (712 f.); ders., in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 6; Saliger/ Ademi, JuS 2008, 193 (196 f.); Sauter, S. 230; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 18; Senge, NJW 2005, 3028 (3032); Sprenger/Fischer, NJW 1999, 1830 (1833, Fn. 46); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 3, vgl. auch Rn. 12; Volk, NStZ 2002, 561 (563); vgl. Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 24, der zumindest aus der Verweigerung „regelmäßig“ keinen Verdacht begründen möchte; krit. indessen Bommer, ZStrR 188 [2000], 131 (155), der davon ausgeht, es lasse sich in praxi kaum feststellen, ob der Verdacht alleine auf der Verweigerung oder (auch) auf anderen Indizien gründe; ähnlich auch Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (30 ff.); Freiwilligkeit i. R. d. Reihenuntersuchung wegen einer möglichen Inkulpation abl. Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 19; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 16; Klumpe, S. 189 f.; Kopf, S. 195; Krieglstein, S. 109 f.; U. Wagner, S. 201 f.; Wüsteney, S. 234, wobei indes auf S. 103 das rechtliche Verbot anerkannt wird; a. A. einzig Ritter, S. 115, der die Testverweigerung explizit als Kriterium zur Verdachtsbegründung heranziehen will; Kühne, § 28, Rn. 495 geht davon aus, die Literatur billige eine Verdachtsbegründung, um dann im Wege des § 81c StPO Proben zu entnehmen. 259 BVerfG, NJW 1996, 1587 (1588); NJW 1996, 3071 (3072); zust. BGHSt 49, 56 (58) und LG Mannheim, NStZ-RR 2004, 301 (301 f.); so auch LG Regensburg, StraFo 2003, 127 (128) m. zust. Anm. v. Lammer a. a. O. S. 129 f. 260 BT-Drucks. 15/5674, S. 14; nochmals bekräftigt bei BT-Drucks. 18/11277, S. 21. 261 BGHSt 49, 56 (59); Ademi, S. 265, 274; Beck, S. 261; Fahl, S. 207; Geppert, in: FS F.C. Schroeder, 675 (684); Giesen, in: FS Hamm, 107 (116); Hero, S. 172; Hombert, S. 122 f.; Kölbel, S. 68; Petri, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 101 (107); Sauter, S. 210.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
eigenen Überführung mitzuwirken262. Dieses Recht des Einzelnen würde aber zur Makulatur, wenn aus der Inanspruchnahme des Rechtes eo ipso dazu führte, dass auf dem Zwangswege das erreichet wird, dessen sich der Betroffene vorher berechtigterweise verweigert hatte263. Mit einem rechtlich zulässigem Verhalten kann daher kein Anfangsanfangsverdacht begründet werden264. Aus dem nemo-tenetur-Grundsatz folgt mithin das Verbot einer Verdachtsbegründung alleine aufgrund der Einwilligungsverweigerung. Aus diesem Grund kann der Einwilligungsverweigerung ebenso nicht verdachtsverstärkende Wirkung zugesprochen werden, sei es auch in Kombination mit anderen Anhaltspunkten265. Auch hierin läge eine Verwendung eines zulässigen Verhaltens zu Lasten des Betroffenen. Ist die Einwilligung verweigert, existiert sie nicht nur nicht, es existiert auch streng genommen keine Verweigerung als spiegelbildliches Gegenstück, das man interpretieren könnte. Es 262 BVerfGE 38, 105 (113); 56, 37 (43); BGHSt 1, 332 (332 f.); 5, 332 (334); 14, 358 (364 f.); 34, 39 (46); 38, 214 (220); 38, 302 (305); 40, 66 (71); 45, 363 (364); 45, 367 (368); 49, 56 (57 f.); BGH NStZ 2019, 36 (37); M. Deutsch, S. 239; Geppert, in: FS F.-C. Schroeder, 675 (684); Golembiewski, NJW 2001, 1036 (1038); Graalmann-Scheerer, JR 1999, 453 (454); Kasiske, JuS 2014, 15; Lammer, S. 160; Kliemannel, Die Polizei 2021, 53 (54); Rogall, Beschuldigter, S. 249; Schuhr, in: MüKo-StPO I, Vorb. §§ 133 ff., Rn. 79. 263 Vgl. BGHSt 49, 56 (58, 59); Epik, ZStW 131 [2019], 133 (135); Kaefer, Kriminalistik 2000, 282; Kretschmer, HRRS 2012, 183 (185); i. d. S. auch Beck, S. 261. Schraml, S. 191, erblickt in einer solchen Schlussfolgerung einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung. Unter Anknüpfung an die Selbstbelastungsfreiheit hinsichtlich des Schweigens des Angeklagten ebenso Eser, ZStW 79 [1967], 565 (619); Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1538); Rogall, Beschuldigter, S. 249; Rüping, JR 1974, 135 (137 f.); Rzepka, S. 389; Seibert, NJW 1965, 1706; diff. dazu allerdings Günther, JR 1978, 89 ff.; allgemein dazu Beulke/Swoboda, Rn. 191, 760. 264 Vgl. hinsichtlich der Verdachtsbegründung aufgrund des Einlegens einer Beschwerde BVerfG, NJW 1996, 1587 (1588); zust. dazu LG Mannheim, NStZ-RR 2004, 301 (301 f.); Lammer, StraFo 2003, 127 (130); vgl. zum Verbot der Verdachtsbegründung aufgrund des Umstandes, dass der Teilnehmer sich durch einen Rechtsanwalt begleiten ließ BGHSt 45, 367 (372); i. E. auch abstrahierend BVerfG, NJW 1996, 3071 (3072); Altendorfer, S. 91; Müller, Die Polizei 2006, 40 (48); Sauter, S. 230 (Verstoß eines solchen Verdachtsbegründung gegen rechtsstaatliche Grundsätze); vgl. zum Verbot der Berücksichtigung des Schweigens des Angeklagten BGHSt 34, 324 (326); zum Verbot der Würdigung unterlassener Entbindung eines Arztes von der Schweigepflicht BGHSt 45, 363 (364); zum Verbot der Verdachtsbegründung aufgrund der zulässigen Weigerung, an einem Alkoholtest i. R. e. Verkehrskontrolle teilzunehmen Röger, S. 52. 265 BVerfG, NJW 1996, 1587 (1588); Altendorfer, S. 91; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 1; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 13; Hombert, S. 123; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 18; a. A. aber Senge, NJW 2005, 3028 (3032) unter Berufung auf BGHSt 49, 56 in Fn. 58. Der BGH (a. a. O., S. 59) hielt es aber einzig für möglich, verdachtsbestärkend heranzuziehen, wenn der Beschuldigte sich einer Anordnung nach §§ 81a, 81e StPO entzieht (was sub specie der Selbstbelastungsfreiheit i. Ü. auch mehr als bedenklich erscheint). Der Fall des BGH setzt einen Zustand voraus, indem der Betroffene bereits Beschuldigter ist (ansonsten käme eine Anordnung nach §§ 81a, 81e StPO gar nicht Betracht), während nach Senge der Betroffene erst dazu gemacht wird. Dieselbe fehlerhafte Bezugnahme und Interpretation findet sich bei Beck, S. 261, Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1689; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 5; Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 6, der einem solchen Verständnis immerhin zu Recht widerspricht; a. A. auch Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 3.
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handelt sich um rechtliches nullum266. Zulässig kann daher einzig sein, dass die anderen Anhaltspunkte für sich genommen so stark sind, dass sie einen Verdacht begründen – ohne Heranziehung der Einwilligungsverweigerung. Der Gesetzgeber begründet die Verdachtsneutralität seinerseits mit der Ausgestaltung des § 81h StPO als Befugnisnorm267, womit wohl gemeint ist, dass mit § 81h StPO keine Zwangsmaßnahme implementiert wurde268, sondern nur die Durchführung auf freiwilliger Basis gesichert werden sollte. Auch daraus folgt, dass es nicht angeht, eine Zwangsanwendung mit der verweigerten Mitwirkung zu rechtfertigen. Jenseits dieses rechtlich begründeten Verbotes wird ferner zu Recht darauf verwiesen, dass es seit der Einführung der Verwertbarkeit des Beinahetreffers auch faktisch falsch wäre, aus der Verweigerung der Einwilligung einen Verdacht dergestalt zu gründen, der Verweigerer sei wohl der Spurenleger. Vielmehr kann die Situation auch so liegen, dass der Spurenleger ein Verwandter des Teilnehmers ist und er diesen nicht belasten möchte269. Die Verweigerung ist summa summarum schon rein faktisch zu vielseitig interpretierbar, als dass ein Anfangsverdacht auf ihr begründet werden könnte. (2) Kenntnis der Unzulässigkeit – Defizite bei der Belehrung nach § 81h Abs. 4 StPO (a) Die Belehrung über die Freiwilligkeit gem. § 81h Abs. 4 S. 1 StPO Damit der Betroffene sich der Freiwilligkeit seines Handelns bewusst sich, ist er gem. § 81h Abs. 4 S. 1 StPO in Schriftform darüber zu belehren, dass die Maßnahme nur mit seiner Einwilligung durchgeführt werden kann. Die Intention des Gesetzgebers bei der Normierung dieses Teils der Belehrungspflicht war es, dass der Betroffene vor seiner Teilnahme weiß, dass seine Entscheidung über die Teilnahme freiwillig ist270. Wie aufgezeigt wurde, ist dies grundsätzlich auch notwendig, um eine freiwillige und damit wirksame Einwilligung zu ermöglichen271. Da Freiwilligkeit ein subjektives Merkmal272 ist, muss sie tatsächlich vorhanden sein, soll die Einwilligung eine staatliche Maßnahme legitimieren. Den Stimmen, die einen Irrtum über die Freiwilligkeit als unbeachtliches Motiv abtun, das die Wirksamkeit der Einwilligung unberührt lassen soll, muss deshalb entgegengetreten werden. Will der Staat sich des Bürgers bedienen, so muss er selbst die Voraussetzung 266
I. d. S. auch BGHSt 49, 56 (60): „Keine Beweisbedeutung“. BT-Drucks. 15/5674, S. 13 f. 268 Vgl. BT-Drucks. 15/5674, S. 7. 269 BT-Drucks. 18/11277, S. 21; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1701. 270 BT-Drucks. 15/5674, S. 9 mit Hinweisen zur Intention hinter der gesamten Belehrungsvorschrift; explizit zum angesprochen Teil der Belehrung s. S. 13 f., allerdings mit Bezug auf einen nie vorgesehen § 81h Abs. 5 StPO. 271 Kap. 3 § 5 V. 2. d) bb). 272 Golembiewski, NJW 2001, 1036 (1037). 267
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
schaffen, dass der Bürger ihm gegenüber wirksam handeln kann. Maßgeblich ist deshalb die Kenntnis der Betroffenen über die Freiwilligkeit seines Handelns. Es ist mithin schon aus allgemeinen Erwägungen notwendig, dass die Strafverfolgungsbehörden über die Freiwilligkeit der Teilnahme aufklären. § 81h Abs. 4 S. 1 StPO hat insofern nur deklaratorischen Charakter, wenngleich die Normierung der Belehrungspflicht aus Gründen der Rechtsklarheit insofern zu begrüßen ist273. (b) Qualifizierte Belehrung auch über die Verdachtsneutralität der Belehrung? Missbilligt wird hingegen, dass § 81h Abs. 4 StPO in S. 1 zwar eine Belehrungspflicht über die Freiwilligkeit, aber keine über die Verdachtsneutralität der Einwilligungsverweigerung kennt, die doch konstitutiv für Freiwilligkeit ist274. Insofern steht im Raume, über den Wortlaut des § 81h Abs. 4 StPO hinaus eine Belehrung auch über die Verdachtsneutralität zu verlangen275. Obschon die Vertreter dessen auch der Auffassung sind, eine solche Belehrung sei gesetzlich nicht vorgesehen276, sei eine entsprechende Belehrung notwendig, um dem Druck gegen den potentiellen Teilnehmer in wirksamer Weise zu begegnen277. Nur so erreiche die Belehrung die gesetzgeberische Intention278. Die Bedeutung der Verdachtsneutralität der Einwilligungsverweigerung für die Freiwilligkeit gebiete, über sie aufzuklären279. Der Gesetzgeber habe nur deshalb auf eine Normierung entsprechender Belehrung verzichtet, weil er dies für selbstverständlich gehalten habe ob der Rechtsprechung, dass aus der Einwilligungsverweigerung nichts zum Nachteil des
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A. A. Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 34, der meint, die Betonung der Freiwilligkeit könne gerade erst den Druck auslösen, die Teilnahme nicht zu verweigern; zust. Krause, in: LRStPO II, § 81h, Rn. 34. Zwar kann dies im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden; dann sind die Strafverfolgungsbehörden indessen gehalten, etwaigen Zweifeln entgegenzuwirken. Maßgeblich ist nämlich das Verständnis des Belehrungsempfängers, sodass sich die Behörden nicht darauf zurückziehen können, man habe schließlich erwähnt, die Teilnahme sei freiwillig, und somit seine Pflicht getan. 274 Vgl. dazu bereits Kap. 3 § 5 V. 2. d) bb). 275 Ademi, S. 267; Hero, S. 178; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 14, 34; Mertin, ZRP 2005, 37 (38); Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 34; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (197); wohl auch Hasselbach, S. 149; s. auch Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 15; de lege ferenda dafür Beck, S. 262 f.; für eine entsprechende Belehrung vor Einführung des § 81h StPO schon Volk, NStZ 2002, 561 (563). 276 Vgl. die Verwendung des Konjunktivs bei Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 34 a. E.; weiter auch Ademi, S. 266 f.; Beck, S. 262 f.; Hero, S. 178; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (197); a. A. aber Hasselbach, S. 149, die davon ausgeht, dies ergebe sich aus der Pflicht zur Aufklärung über das Einwilligungserfordernis; ähnlich auch Kühne, § 28, Rn. 495; vgl. auch Mertin, ZRP 2005, 37 (38), nach dem in der Anordnung ein entsprechender Hinweis enthalten sein sollte. 277 Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 34; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (197). 278 Beck, S. 262 f.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 34. 279 Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 14, 34; gleichsam Ademi, S. 267; Beck, S. 262 f.; Hero, S. 178; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (197).
§ 5 Formelle Voraussetzungen
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Betroffenen geschlussfolgert werden dürfe –, was indessen nichts an der Bedeutung der Kenntnis ändere280. Trück indessen wendet sich gegen eine erweiterte Belehrung. Da es sich bei § 81h Abs. 4 StPO um eine abschließende Aufzählung der notwendigen Belehrungsinhalte handle, sei kein Raum für eine erweiterte Belehrung auch über die Verdachtsneutralität der Einwilligungsverweigerung. Der Gesetzgeber habe schließlich die Problematik um die Folgen der Einwilligungsverweigerung gekannt und sich in Kenntnis dessen für die Belehrung entschieden, die nun Gesetz ist. Das zeige in systematischer Hinsicht die Ausdifferenzierung des § 81h Abs. 4 StPO im Übrigen281. Bosch wendet gegen eine entsprechende Belehrung ein, eine solche sei widersprüchlich, weil u. U. nach einer Reduktion des Teilnehmerkreises Zwang angewandt werden könnte, sodass eine Belehrung über die Verdachtsneutralität den tatsächlichen Gegebenheiten widerspreche. Belehrt müsste folglich – wenn überhaupt – über die Möglichkeit besagter Zwangsanwendung, was aber de lege lata nicht vorgeschrieben sei282. Trücks Begründung kann indessen nicht gefolgt werden. Widersprüchlich ist primär, dass er mit vorstehende Argumentation sich gegen eine Belehrung über die Verdachtsneutralität der Einwilligungsverweigerung wendet, gleichzeitig aber eine Belehrung über die Löschungsvorschrift des § 81h Abs. 3 S. 3 StPO empfiehlt, wenngleich sie nicht von Rechts wegen geboten sei, weil § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO nur auf die Vernichtung nach § 81h Abs. 3 S. 2 StPO Bezug nimmt283. Zuzugeben ist zwar, dass eine erweiterte Auslegung nicht in Betracht kommt. Dafür spricht in methodischer Hinsicht neben dem Wortlaut als Grenze der Auslegung freilich die Ausdifferenzierung des § 81h Abs. 4 StPO. Ein Gebot zur Aufklärung kann § 81h Abs. 4 StPO nicht entnommen werden. Hasselbach284 betont aber mit Recht, dass der Wortlaut nicht einer erweiterten Belehrung entgegensteht. Möglich bleibt es, eine Belehrung über die Verdachtsneutralität der Einwilligungsverweigerung zu verlangen, die sich nicht aus § 81h StPO ergibt, sondern aus den allgemeinen Voraussetzungen, die an die Wirksamkeit einer Einwilligung zu stellen sind, die neben die Voraussetzungen § 81h StPO treten285. Zu Recht betont Amelung ganz allgemein, aus der bloßen Existenz spezieller Belehrungsvorschriften dürfe nicht der Umkehrschluss gezogen werde, diese ver-
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Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (197). Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 12. 282 Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 13; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 10. 283 Trück, a. a. O. 284 Vgl. die Ausführungen von Hasselbach, S. 149, wonach die Aufklärung über das Einwilligungserfordernis quasi als Annex eine Aufklärung über die Verdachtsneutralität der Verweigerung beinhaltet. 285 Vgl. zur Geltung der allgemeinen Einwilligungsdogmatik neben § 81h StPO bereits die Ausführungen in Kap. 5 § 5 I. und die Nachweise dort in Fn. 214 (Kap. 5). 281
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
drängten allgemeine Erfordernisse286. Gerade mit Blick auf die von Trück bemühte gesetzgeberische Intention muss diese von ihrem Ziel her betrachtet sein: Nicht eine klipp und klar festgeschriebene Belehrung war geplant – warum sollte es einer solchen auch bedürfen? Mit der Belehrung informiert der Staat den Bürger, er greift nicht in seinen Rechtskreis ein, was u. U. eine eindeutige Regelung erforderlich machen könnte. Ein Mehr an Belehrung ist jedenfalls so lange unproblematisch, wie die Belehrung dem Gebot der Wahrheit entspricht. Ansonsten läge keine Belehrung, sondern eine Lüge vor. Dem Gesetzgeber ging es bei der Schaffung des § 81h Abs. 4 StPO insgesamt darum, die Freiwilligkeit sicherzustellen287. Wenn die Belehrung über die Verdachtsneutralität aber Voraussetzung ist, um freiwilliges Handeln zu ermöglichen – was i. R. d. § 81h StPO gerade Voraussetzung ist –, so erscheint es absurd, dem Gesetzgeber zu attestieren, er wolle lieber an seiner Fassung des § 81h StPO festhalten um den Preis der Rechtswidrigkeit aller auf § 81h StPO gestützten Maßnahmen als eine über Abs. 4 hinausgehende Belehrung zu wollen. Der Gesetzgeber torpedierte mit einem solchen Verhalten seine eigene Norm. Auch Boschs Einwand, wenn überhaupt müsse über die Möglichkeit der Verdachtsbegründung informiert werden, ist im Hinblick auf die gesetzgeberische Intention kontraproduktiv. Wie sich zeigen wird288, kann zwar u. U. gegen einen Verweigerer mit Zwang vorgegangen werden; dies jedoch wie aufgezeigt nicht aufgrund der Verweigerung der Einwilligung. Die schlechthinnige und pauschale (!) Behauptung, man informiere darüber, es komme eine Maßnahme nach §§ 81a, 81e StPO in Betracht, versetzt den Betroffenen u. U. erst in die Zwangslage, in der er nicht mehr freiwillig handeln kann. Allgemein gilt, dass es für das Merkmal der Freiwilligkeit essentiell ist, dass der Betroffene um die Konsequenzen der Einwilligungsverweigerung weiß289. Diese allgemeine, grundsätzliche Dogmatik hat in § 51 Abs. 4 S. 4 BDSG ihren Ausdruck gefunden, und gerade im Bereich der DNA-Reihenuntersuchung wird man es für erforderlich halten müssen, den Betroffenen entsprechend zu belehren, weil der durchschnittliche Bürger nicht davon ausgehen wird, es gebe keine rechtlichen Konsequenzen aus der Verweigerung eines Beitrages schwerster Verbrechen – zumal die grundsätzliche Pflicht des Zeugen, auszusagen (§ 48 Abs. 1 S. 2 StPO), diesen Eindruck einer Pflicht ja in anderen Teilen des Strafverfahrens gerade bestätigt. Dass § 51 Abs. 4 S. 4 BDSG im Strafverfahren Anwendung findet, zeigt § 500 Abs. 1 StPO290. Bei der Maßnahme nach § 81h StPO handelt es sich nicht um einen Ausnahmefall i. S. d. § 500 Abs. 2 StPO, der die allgemeinen Regeln ergänzt; es ist vielmehr ein Fall innerhalb der StPO, der der Ergänzung bedarf, wie der gesetzgeberische Wille zur Sicherstellung der Freiwilligkeit zeigt. Seine Intention, mit § 81h 286 287 288 289 290
Amelung, StV 1985, 257 (263). BT-Drucks. 15/5674, S. 14. Vgl. unten Kap. 5 § 5 I. 2. b) bb). Kap. 3 § 5 V. 2. d) bb). Kap. 3 § 4.
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Abs. 4 StPO die Freiwilligkeit sicherzustellen und seine mit § 51 Abs. 4 S. 4 StPO zum Ausdruck kommende Auffassung, Freiwilligkeit setze Information über die Einwilligungsverweigerung voraus, können im Zusammenspiel nicht das Gegenteil bewirken. Daher erscheint es geboten, über den Wortlaut des § 81h Abs. 4 StPO hinaus, gestützt auf § 51 Abs. 4 S. 4 BDSG i. V. m. § 500 Abs. 1 StPO den potentiellen Teilnehmer darüber in Kenntnis zu setzen, dass seine Verweigerung der Teilnahme per se keinen Verdacht begründet, um die Freiwilligkeit der Einwilligung im Interesse der Strafverfolgung zu gewährleisten. bb) Verdachtsbegründung trotz der Verweigerung mit anderen Momenten – zugleich zu Selbstbelastungsfreiheit und Unschuldsvermutung und den Ermittlungen nach der Reihenuntersuchung gem. §§ 81a, 81e StPO (1) Zur Notwendigkeit der Weiterermittlung Berücksichtigt man das Verbot der Verwertung der Teilnahmeverweigerung, drängt sich die Frage auf, wie mit demjenigen umzugehen ist, der völlig zu Recht die Teilnahme verweigert hat. Dass es möglich sein muss, in welcher Form auch immer gegen jenen noch zu ermitteln, zeigt Wolters treffend auf. Begriffe man nämlich § 81h StPO als abschließende Maßnahme der Ermittlung, so wären den Strafverfolgungsbehörden „Steine statt Brot“ in die Hände gelegt291. Nicht obwohl, sondern weil sie die Ermittlungen auf gesetzeskonformem Wege vorangetrieben haben, müssten die Akten geschlossen werden. Jedoch behandeln §§ 81a, 81e StPO eine Zwangsmaßnahme, § 81h StPO dagegen eine reine Befugnisnorm – daraus wird bereits deutlich, dass zwischen den Maßnahmen kein Exklusivitätsverhältnis besteht292. Auch der Gesetzgeber ging bei der Schaffung des § 81h StPO davon aus, das Einwilligungserfordernis i. R. d. DNA-Reihenuntersuchung stehe nicht generell im Widerspruch mit einem Vorgehen gegen nicht teilnehmende Personen auf Grundlage des § 81e StPO293. Die Anknüpfung an das Legalitätsprinzip durch des Gesetzgeber294 indessen mag zwar für seine politische Entscheidung maßgeblich gewesen sein, taugt zur Auslegung des § 81h StPO weiter aber nicht, weil mit dem Legalitätsprinzip ein extralegales Handeln nicht grundsätzlich295 gebilligt werden kann, sondern das Legalitätsprinzip eine Aufklärung von Straftaten i. R. d. Gesetzes verlangt. An291
Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (31). Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h StPO, Rn. 2. 293 BT-Drucks. 15/5674, S. 14; implizit bekräftigt vor dem Hintergrund der Ermöglichung der Verwertung des Beinahetreffers bei BT-Drucks. 18/11277, S. 21. 294 BT-Drucks. 15/5674, S. 14. 295 Dass der staatliche Auftrag zur Aufklärung von Straftaten aber i. R. d. Abwägungslehre, also der Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise, die Leitidee, gewissermaßen die strafprozessuale Konzeption darstellt, wird nicht verkannt; zust. zur gesetzgeberischen Konzeption aber Ademi, S. 274; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 5; ähnlich auch Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 23. 292
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
sonsten drohte ein Konflikt mit Art. 20 Abs. 3 GG. Im Ergebnis steht die Maßnahme nach § 81h nicht zwingend am Ende des Ermittlungsverfahrens; ein Vorgehen gegen Verweigerer ist durchaus möglich296. Ein Widerspruch zwischen dem weiteren Vorgehen und dem Charakter der DNA-Reihenuntersuchung als ultima ratio, die Bosch erkennen will297, ist indessen nicht gegeben. Bosch selbst differenziert hinsichtlich der Frage, ob die Prüfungsmerkmale einen Tatverdacht begründen können, zwischen dem Zeitpunkt der Anordnung der Reihenuntersuchung und dem Zeitpunkt nach der Durchführung298. Jene Differenzierung muss auch bei der Frage nach dem Verhältnis von ultima ratio-Charakter und weiterem Vorgehen gesehen werden: Denn im Zeitpunkt ihrer Anordnung kann die DNA-Reihenuntersuchung durchaus ultima ratio sein – nämlich dann, wenn im Wege konventioneller Ermittlungsmethoden kein Tatverdacht begründet werden kann. Ihre Anordnung ist dann in diesem Moment die letzte Möglichkeit, die Straftat noch aufzuklären. Ist es danach indessen möglich, gegen einen konkreten Beschuldigten vorzugehen, so ändert dies an der Lage der Ermittlungen zuvor nichts. Nach 296 Vgl. i. E. jedenfalls BGHSt 49, 56 (60); LG Mannheim, NStZ-RR 2004, 301 ff.; Ademi, S. 274; Beck, S. 267, 270; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 1; Beulke/ Swoboda, Rn. 378; Bommer, ZStrR 188 [2000], 131 (157); Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 13 f.; Burr, S. 126, Eisenberg, Rn. 1688; Foldenauer, S. 80; Geppert, in: FS F.C. Schroeder, 675 (684); Giesen, in: FS Hamm, 107 (116, 118); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 6.1; Hero, S. 173; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (69); Hombert, S. 125 ff.; Kaefer, Kriminalistik 2000, 282; Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (465, 469); Kölbel, S. 68; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 7; Kretschmer, HRRS 2012, 183 (184 ff., 187); Magnus, ZStW 126 [2014], 695 (704 f., 718); Müller, Die Polizei 2006, 40 (48); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 383; Pommer, JA 2006, 621 (626 f.); Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (712 ff.); Rogall, JZ 2013, 874 (878); ders., in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 5; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (198); Sauter, S. 234; Satzger, JZ 2001, 639 (648); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 19; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 2 f.; Volk, NStZ 2002, 561 (563); Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 23 f.; Wüsteney, S. 103, i. E. auch Benfer/Bialon, Rn. 972; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 19; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 16; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1689; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 5, Heitborn/Steinbild, Kriminalistik 1990, 185 (188); Hother, S. 52; Kopf, S. 195; Oberwetter, S. 143 f., Ritter, S. 115; Senge, NJW 2005, 3028 (3032); Taschke, in: ders./Breidenstein (Hrsg.), Genomanalyse, 198 (205 f.); U. Wagner, S. 201 f., Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (31), die jedoch an das Merkmal der Verweigerung in Kombination mit anderen Merkmalen anknüpfen wollen oder eine solche Anknüpfung zumindest behaupten, krit. dazu Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 6. Zur Kritik daran auch oben Kap. 5 § 5 I. 2. b) aa) (1); i. E. implizit zumindest auch BGHSt 58, 84 (94, Rn. 27), wo bei BGH aufgrund der Unzulässigkeit der Erhebung des Beinahetreffers einen Beschluss gegen den Verwandten nach § 81a StPO für rechtswidrig erklärt, jedoch nicht sich darauf zurückzieht, nach Durchführung der Maßnahme nach § 81h StPO sei das letzte Wort ohnehin gesprochen; aufgrund der Umstände des Einzelfalles, aber nicht generell abl. LG Regensburg, StraFo 2003, 127 (128); zust. dazu insofern Lammer a. a. O. auf S. 129; zumindest nicht abl. Krieglstein, S. 108. 297 Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 19; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 16; nicht überzeugend aber auch Ademi, S. 274; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (198), die mitunter aus dem ultima ratio-Charakter eine Sperrwirkung diskutieren. 298 Bosch, jeweils a. a. O.
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Durchführung der DNA-Reihenuntersuchung geht es abstrakt gesprochen um nichts anderes als um eine Neubewertung des Ermittlungsstandes299. (2) Problemstellung hinsichtlich der Verdachtsbegründung Fraglich ist aber, wann die Voraussetzungen gegeben sind, um den Teilnahmeverweigerer als Beschuldigten anzusehen und gegen ihn auf Basis der §§ 81a, 81e Abs. 1 StPO vorzugehen; konkreter, welche tatsächlichen Gelegenheiten rechtlich herangezogen werden dürfen, um sich nicht dem Vorwürfen auszusetzen, es sei nur eine sprachliche Umformulierung300, ein Trick gewissermaßen, wenn man andere Indizien zur Tatverdachtsbegründung heranzöge, weil es summa summarum doch wieder und einzig auf die Teilnahmeverweigerung als Anknüpfungspunkt hinausliefe. Innerhalb dieses Lagers argumentiert etwa Beck, mit der Anknüpfung an den Ausschluss der anderen Teilnehmer liege ein Trick vor, denn mittelbar knüpfe man die Teilnahmeverweigerung an301. Eckstein drückt es plakativer aus: De facto „verkomme“ das Einwilligungserfordernis in seiner Verbindung mit dem Verbot, aus der Verweigerung Rückschlüsse zu ziehen, zu einer „verdeckten Aufforderung an die Strafverfolgungsbehörden, aus verweigerter Einwilligung Verdacht zu schöpfen, ohne es sich anmerken zu lassen“302. Zwei Anknüpfungspunkte stehen zur Diskussion, die von den Stimmen, die nicht die Konzeption des § 81h StPO a priori ablehnen, als zusätzliche Indizien ins Spiel gebracht werden. Dies sind einmal die Merkmale, die bereits bei der Anordnung des § 81h StPO genannt wurden (also bspw. Geschlecht, Aussehen, Haltereigenschaft eines speziellen KFZ-Typus), sowie daneben anderen Indizien. (3) Die Zugehörigkeit zur Gruppe der Merkmalsträger nach Durchführung der Reihenuntersuchung – Inkulpation durch Dritte (a) Zur weiteren Benutzung der Merkmale – Voraussetzungen und Begründung der Inkulpation Freilich bleibt die Zugehörigkeit des Betroffenen zu der Gruppe der Merkmalsträger weiterhin ein Spurenansatz303. Diese Informationen stammen aus konven299
Vgl. Kretschmer, HRRS 2012, 183 (185); Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (712). Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 19 spricht insofern von einem „Sprachspiel“. 301 Beck, S. 267. 302 Eckstein, Ermittlungen zu Lasten Dritter, S. 355. 303 Vgl. BT-Drucks. 15/5674, S. 14; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 13; Hombert, S. 125; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 7; Kretschmer, HRRS 2012, 183 (185); Magnus, ZStW 126 [2014], 695 (718); Müller, Die Polizei 2006, 40 (48); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 383; Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (712); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 2 f.; vgl. auch Beulke/Swoboda, Rn. 378; Burr, S. 126, Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 6; Satzger, JZ 2001, 639 (647); Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (31); i. E. auch Ademi, S. 274 ff., der zwar differenziert, ob der Teilnehmerkreis überschaubar oder unüberschaubar ist, gleichsam aber ohne es zu nennen daran anknüpft, wie viele Verweigerer im Kreis der 300
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
tionellen Ermittlungsmethoden, und es wäre ein geradezu absurdes Ergebnis, wenn die gesetzeskonforme Durchführung der Reihenuntersuchung gesetzeskonform, auf anderem Weg erlangte Beweise ex tunc unverwertbar machen würde. Es läge die Situation dann so, dass die Strafverfolgungsbehörden einerseits angehalten wären, mit möglichst vielen Kriterien den Teilnehmerkreis des § 81h StPO einzuengen, andererseits aber aus ermittlungsstrategischen Gründen bemüht sein müssten, möglichst wenige Kriterien zu offenbaren, um im Anschluss an die Reihenuntersuchung noch weitere Beweise zu haben. Ob es indessen ausreicht, dass der Verweigerer zur Gruppe der Merkmalsträger gehört, um ihn zum Beschuldigten zu machen, ist neben den allgemeinen Voraussetzungen der Beschuldigteneigenschaft eine Frage, die davon abhängt, erstens wie viele Verweigerer es in Relation zu den Teilnehmern überhaupt gibt und zweitens wie zuverlässig die Merkmale sind. §§ 81a, 81e Abs. 1 StPO setzen tatbestandsmäßig voraus, dass der Betroffene Beschuldigter ist. Bei aller Unklarheit über den nicht legaldefinierten Beschuldigtenbegriff im Strafprozessrecht304 und auch unter Berücksichtigung der wohl herrschenden Meinung, dass mehrere Beschuldigte sein können, obschon sie sich als Täter gegenseitig ausschließen305 (das BVerfG sah es als verfassungsrechtlich nicht Merkmalsträger nach Durchführung der Reihenuntersuchung übrigbleiben, was deutlich wird, wenn man betrachtet, wie viel Gewicht Ademi der Qualität der Merkmale beimisst (vgl. S. 276); i. E. weiter auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 19, der allerdings damit verbunden an die Teilnahmeverweigerung anknüpft und deshalb die Konzeption des § 81h StPO ablehnt; ebenso Beck, S. 265; unklar dagegen, aber tendenziell dafür wohl BGHSt 49, 56 (60); Altendorfer, S. 91; Eisenberg, Rn. 1688; Foldenauer, S. 80; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 6.1; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 5; Pommer, JA 2006, 621 (626); Schmitt, in: MeyerGoßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 19, Senge, NJW 2005, 3028 (3032); Volk, NStZ 2002, 561 (563), die „sonstige“ bzw. „andere“ bzw. „weitere“ verdachtsbegründende Merkmale verlangen, was indes sowohl i. S. v. „mehr als die Verweigerung“ (was die Prüfungsmerkmale einschlösse) als auch i. S. v. „mehr als bisher vorhanden“ verstanden werden kann, was wiederum die Prüfungsmerkmale ausschlösse; ähnlich, sprachlich umgekehrt auch Geppert, in: FS F.-C. Schroeder, 675 (685); Hero, S. 173; Wüsteney, S. 103; die nur alleine aufgrund der Verweigerung keinen Verdacht begründen wollen; unklar auch bei Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (198), die „testexterne“ Anhaltspunkte für die Verdachtsbegründung verlangen, wobei ebenso unklar ist, ob „testextern“ nur ist, was in keiner Weise für die Durchführung der DNA-Reihenuntersuchung benötigt wurde oder bereits alles, was nicht die Verweigerung als solche ist. 304 Vgl. dazu zutreffend Sauter, S. 100, der in Anlehnung an Wissgott, S. 267, in der fehlenden Definition zutreffend einen Ausdruck des Scheiterns des Gesetzgebers erkennt; von einem Scheitern sprechen auch Geppert, in: FS F.-C. Schroeder, 675 (677); v. Heydebreck, S. 2; gleichsam krit. zu fehlenden Definition Beulke/Swoboda, Rn. 171 a. E.; „verwundert“ ob der fehlenden Definition angesichts der Wichtigkeit des Begriffes zeigt sich Hasselbach, S. 123. 305 Sog. disjunktive oder kontravalente Täterschaft, vgl. Beck, S. 256 f.; Bosch, in: KMRStPO, § 81h, Rn. 2; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 14; Erb, in: LR-StPO V/2, § 163a, Rn. 15; Fahl, S. 207; Fincke, ZStW 95 [1983], 918 (933 f.); v. Heydebreck, S. 80 ff.; Kohlhaas, NJW 1965, 1254 (1255); Kreuz, S. 37 f.; Latotzky, S. 131; Lenckner, in: FS Peters, 333 (340); Oberwetter, S. 23; Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 7; ders., in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 6; ders., NStZ 1997, 398 (400); ders., in: FS F.-C. Schroeder, 691 (712); Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, Einl., Rn. 78 a. E.; Schünemann, DRiZ 1979, 101 (104); Walther, in: AnwKo-
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zu beanstanden an, mehrere hundert Porsche-Fahrer gleichzeitig als Beschuldigte zu sehen306), muss der Beschuldigtenbegriff objektiv begrenzt sein. Denn mit der Erlangung dieses Status sind nur nicht Rechte verbunden307, es eröffnen sich für die Strafverfolgungsbehörden vielfach auch Eingriffsmöglichkeiten, die gegen Nichtbeschuldigte nicht gegeben sind308. Um diese Macht der Strafverfolgungsbehörden zu kontrollieren und zu begrenzen, ist es notwendig, die Erlangung des Status als Beschuldigter nicht nur vom subjektiven Willen der Behörden309, sondern daneben auch von objektiven bzw. materiellen Kriterien abhängig zu machen – was die herrschende Meinung durch das Erfordernis von tatsächlichen Anhaltpunkten tut, die die Verbindung des Betroffenen zu einer Straftat nahelegen310. Ohne Anschauung des Einzelfalles kann abstrakt nicht gesagt sein, wann jemand zum Beschuldigten wird. StPO, § 81h, Rn. 23; a. A. aber v. Gerlach, NJW 1969, 776 (780); Gundlach, S. 40, a. A. wohl auch Burr, S. 125, der darauf abstellt, § 81a StPO spreche im Singular vom dem, nicht den Beschuldigten. Zustimmung verdient die These aber nur dann, wenn damit gemeint sein sollte, dass es unzulässig erscheint, mehrere Verdächtige, die jeder für sich noch nicht Beschuldigter sind, zu einem Kollektiv zusammenzufassen, gegen das dann quasi als Resultat der Addition aller Indizien gegen das Mitglied dieses Kollektives vorzugehen. Damit wurde man Indizien des einen dem anderen zurechnen. Vielmehr muss aber jeder Betroffene selbst ohne Ansehung der Indizien gegen den anderen Beschuldigter sein; i. d. S. auch Gleß, in: LR-StPO IV/1, § 136, Rn. 10; Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (75); dies., NStZ 2004, 297 (298); Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (465); Lammer, StraFo 2003, 127 (129); Satzger, JZ 2001, 639 (643 f.); ferner Krause, in: LR-StPO II, § 81a, Rn. 8. 306 BVerfG, NJW 1996, 3071 (3072). Freilich ist, wie das BVerfG auch selbst betont, damit eine Aussage über die Richtigkeit dieses Ergebnisses aus einfachrechtlicher Sicht nicht verbunden. Es wurde nur ein Verstoß gegen das Willkürverbot verneint. Das BVerfG betont expressis verbis, dass es nicht zur Beantwortung der Frage, ob das einfache Strafprozessrecht eingehalten wurde, berufen ist; dies betonend vgl. auch die Anm. v. Gusy, JZ 1996, 1175 (1178) sowie Satzger, JZ 2001, 639 (644). 307 Aufgrund dessen nimmt die herrschende Meinung an, es gebe zumindest auch ein Bedürfnis, möglichst früh als Beschuldigter zu gelten und warnt davor, den Betroffenen deshalb nicht als solchen zu sehen, um ihm seiner Rechte zu berauben. Vgl. Altendorfer, S. 56; Beck, S. 257, Fn. 893; Eckstein, Ermittlungen zu Lasten Dritter, S. 14; Erb, in: LR-StPO V/2, § 163a, Rn. 8; Fahl, S. 206; Gusy, JZ 1996, 1175 (1177); Hasselbach, S. 124; Hombert, S. 77; Kerner/ Trüg, in: FS Weber, 457 (462 f.); Lesch, JA 1995, 157 (158 f.); Rogall, NStZ 1998, 398 (400); Satzger, JZ 2001, 639 (643); Trüg, StraFo 2005, 202; Wüsteney, S. 277; vgl. aber H. A. Wolff, S. 85, der darauf hinweist, dass der Vorteil der Beschuldigtenstellung sind in der Aussagefreiheit erschöpfe. 308 Altendorfer, S. 56; Beck, S. 257, Fn. 893; Bosch, S. 158; Dölling, in: HK-GS, Vorb. §§ 1 ff. StPO, Rn. 36; Fahl, S. 206 f.; Gusy, JZ 1996, 1175 (1177 f.); Hasselbach, S. 143; Hellmann, Rn. 433; Hombert, S. 77; Jahn, JuS 2007, 962 (963); Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (463); Lesch, JA 1995, 157 (158, 159 f.); Mikolajczyk, ZIS 2007, 565; Rogall, NStZ 1998, 398 (400); Satzger, JZ 2001, 639 (643); Wüsteney, S. 277; vgl. Beulke/Swoboda, Rn. 195 ff.; v. Heydebreck, S. 9 (zu §§ 81a, 81c StPO), S. 26 f.; Krey/Heinrich, Rn. 482; Kühne, § 4, Rn. 107; Trüg, StraFo 2005, 202; U. Wagner, S. 201; H. A. Wolff, S. 84 f.; s. auch die Übersicht bei Wissgott, S. 298 f.; vgl. aber auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 2; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 2; der die eingriffsbegrenzende Funktion der Inkulpation betont. 309 Gegen ein solches Erfordernis etwa Hellmann, Rn. 67, 427; v. Heydebreck, S. 72. 310 Für die Begründung der Beschuldigteneigenschaft durch subjektive und objektive Kriterien deshalb, teilweise unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 397 Abs. 1 AO statt
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Es mag Fälle geben, in denen die Beweislage so beschaffen ist, dass es ausnahmsweise möglich ist, alle Merkmalsträger als Beschuldigte heranzuziehen. Man denke an die Fälle, in denen nach einer Vergewaltigung nur die Gäste einer Feier als Täter in Betracht kommen und sich darunter nur zwei oder drei Männer befinden311. Dann kann man von der Durchführung der DNA-Reihenuntersuchung insgesamt absehen, da es effektiver und günstiger ist, gegen Beschuldigte vorzugehen als eine weiträumige Reihenuntersuchung zu starten. Desungeachtet gebieten das Erforderlichkeitskriterium des § 81h Abs. 1 StPO und die Verfassung einen Vorrang von Maßnahmen gegen den Beschuldigten nach §§ 81a, 81e StPO vor einer DNA-Reihenuntersuchung312. In den typischen, dem § 81h StPO zugrundeliegenden Fällen ist es indessen nicht der Fall, dass alle Merkmalsträger zeitgleich Beschuldigte sind, weil nicht alleine die Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Merkmalsträgern etwa hunderte oder tausende Männer zu inkulpieren vermag. Vereinfachter ausgedrückt: Wohnort und Geschlecht begründen (grundsätzlich) keine Beschuldigteneigenschaft313. Oder, in den Worten des LG Regensburg: „Dass alleine der Umstand, dass die Beschwerdeführerin eine Frau ist, nicht zu einem Anfangsverdacht führen kann, bedarf keiner weiteren Begründung.“314 Zum Beschuldigten würden die Merkmalsträger in diesen Fällen, falls vieler BGHSt 38, 214 (228); 51, 367 (370, Rn. Rn. 17), NStZ 2008, 48 (Rn. 3); NStZ 1997, 398; OLG Hamm, NStZ-RR 2009, 283 (284); OLG Hamburg, StV 1995, 588 (589); OLG Stuttgart, MDR 1977, 70; Ahlbrecht, in: HK-StPO, § 136, Rn. 6; Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 52; Benfer, NStZ 1997, 397 (398); ders., StV 1999, 402 (403); Beulke, in: SSW-StPO, Einl., Rn. 142 ff.; ders./Swoboda, Rn. 172 f.; Bringewat, JZ 1981, 289 (292); Dingeldey, JA 1984, 407 (410); Dölling, in: HK-GS, Vorb. §§ 1 ff. StPO, Rn. 36; Erb, in: LR-StPO V/2, § 163a, Rn. 9; Fischer, in: KK-StPO, Einl., Rn. 251; Geppert, in: FS Oehler, 323 (328); ders., in: FS F.-C. Schroeder, 675 (678 ff.); Geyer, S. 53; Gleß, in: LR-StPO IV/1, § 136, Rn. 4 f.; Hombert, S. 80 f.; Jahn, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. II, Rn. 98; ders., ZStW 115 [2003], 815 (830); ders., JuS 2007, 962 (963 f.), Kölbel, in: MüKo-StPO II, § 163a, Rn. 3 f.; Kulhanek, in: KMRStPO, § 136, Rn. 26; Lesch, JA 1995, 157 (158 ff.); Moos, in: FS Jescheck I, 725 (753 f.); Müller-Dietz, ZStW 91 [1983], 1177 (1224); Ranft, § 20, Rn. 323 f.; Rogall, in: SK-StPO II, Vorb. § 133, Rn. 32; ders., in: FS Frisch, 1199 (1220 f.); ders., NStZ 1998, 398 (400); ders., Beschuldigter, S. 29 ff.; Roxin/Schünemann, § 25, Rn. 11; Rüping, Kap. 2, Rn. 92; ter Veen, StV 1983, 293 (294); H. A. Wolff, S. 76 f.; krit. zur Anknüpfung an § 397 AO aber Bosch, S. 159; Roxin, in: FS Schöch, 823 (825). 311 Auch als „geschlossene Fälle“ bezeichnet, vgl. Ademi, S. 274 f.; Hero, S. 185 f.; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 7; Kretschmer, HRRS 2012, 183 (183–185); Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (198); für weitere Kriterien für diese Klassifikation Naumann, Die Polizei 2013, 333 (337). 312 S. o. § 5 Kap. 4 III. 1., vgl. ferner BVerfGE 44, 353 (371). 313 Vgl. Beck, S. 256 f.; Geserick, in: Fischer/Geißler (Hrsg.), Genetik, 185 (196); Zuck, NJW 2002, 1924 (1925); vgl. auch Fincke, ZStW 95 [1983], 918 (934): „Nicht alle 20jährigen Männer einer Stadt dürfen inkulpiert werden, nur weil man weiß, daß der Täter 20 Jahre alt ist und in der Stadt wohnt“. 314 LG Regensburg, StraFo 2003, 127 (128). So plakativ und so richtig die Worte im vom LG Regensburg zu entscheidenden Falle auch seien mögen: Richtig ist sicherlich generell, dass ohne Ansehung des Einzelfalles das Geschlecht nicht verdachtsbegründend wirken kann, Art. 3 GG. Wenn aber der Täter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Frau ist, und
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keine weiteren Beweise hinzutreten, erst dann, wenn eine DNA-Analyse sie als Spurenleger ausweist. Zwangsmaßnahmen, die nur gegen einen Beschuldigten durchgeführt werden dürfen, setzten dessen Inkulpation aber voraus, sie dürfen nur angeordnet werden, um den Verdacht zu verstärken oder zu entkräften, nicht aber, um ihn zu begründen315. Kann also nicht ausnahmsweise gegen alle Merkmalsträger auf Basis der §§ 81a, 81e StPO vorgegangen werden, weil sie noch keine Beschuldigten sind, so ist es zunächst nicht möglich, sie zu solchen im Wege der zwangsweisen DNA-Analyse zu machen. Zentrale Bedeutung kommt daher den negativen Testergebnissen der Teilnehmer zu, mittels derer aus der u. U. großen Menge der Merkmalsträger diejenigen herausgesiebt werden, die nicht als Spurenleger in Betracht kommen. Der Erfolg der DNA-Reihenuntersuchung steht und fällt mit der Anzahl der Teilnehmer. Die Anknüpfung an die Möglichkeit, Teilnehmer der Spurenleger ausschließen zu können, um den Verdacht gegen den Nichtteilnehmer respektive den Verweigerer zu begründen, wird in Teilen der Literatur kritisch beäugt, da man davon ausgeht, mittelbar liefe es darauf hinaus, an die Verweigerung doch anzuknüpfen316, was – wie aufgezeigt317 – sub specie der Selbstbelastungsfreiheit problematisch wäre. (b) Teilnahme und Verweigerung im Lichte negativer und positiver Selbstbelastungsfreiheit Dies mag aber allenfalls prima facie gelten. Denn nicht die Verweigerung ist Anknüpfungspunkt; sie wird tatsächlich als nicht existent behandelt. Anknüpfungspunkt ist, dass aus der Gruppe der Merkmalsträger die Teilnehmer ausscheiden und die Verweigerer zurückbleiben. Bleiben zu viele Merkmalsträger nach Durchführung der Reihenuntersuchung zurück, um sie als Beschuldigte anzusehen, hat die Verweigerung nicht einmal mittelbare Konsequenzen, weil die Reihenuntersuchung keine hat. Der nemo-tenetur-Grundsatz verbietet es den Strafverfolgungsbehörden, den Beschuldigten durch dessen aktive Mitwirkung zum Beweismittel gegen sich selbst
bspw. unter 20 Tatverdächtigten 19 Männer sind, so begründet das Geschlecht durchaus die Beschuldigteneigenschaft. 315 Vgl. Altendorfer, S. 58; Bommer, ZStrR 118 [2000], 131 (154); Eisenberg, Rn. 1624; Fischer, in: KK-StPO, Einl., Rn. 251; Foldenauer, S. 77; Geerds, GA 1965, 321 (327); Hombert, S. 84 f.; Klumpe, S. 176; Krause, in: LR-StPO II, § 81a, Rn. 8; Kretschmer, HRRS 2012, 183 (184); Lammer, StraFo 2003, 127 (129); Röger, S. 51 f.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81a, Rn. 6; ders., in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 6; vgl. allgemein auch Gercke, in: HK-StPO, § 152, Rn. 6, der betont, grundrechtsrelevante Maßnahmen seien zur Begründung eines Tatverdachtes i. S. d. § 152 StPO unzulässig, i. d. S. auch Lange, DRiZ 2002, 264 (270 f.). 316 Vgl. nur Beck, S. 267; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 19; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 16; Eckstein, Ermittlungen zu Lasten Dritter, S. 355; zust. Heghmanns, GA 2014, 475 (476 f.). 317 Kap. 5 § 5 I. 2. b) aa) (1).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
zu machen318. Seiner wird Genüge getan, wenn der Merkmalsträger nicht teilnehmen muss und aus der Verweigerung keine Schlussfolgerung gezogen werden. Tut der Teilnehmer es dennoch, macht er von seinem Recht Gebrauch, sich selbst zu belasten, das ihm in den Grenzen des § 136a StPO jederzeit zusteht. Denn jedermann darf ein Geständnis ablegen, sich freiwillig untersuchen lassen oder die Behörden zu Beweismitteln führen. Es herrscht neben der insofern negativen Selbstbelastungsfreiheit, der Freiheit von Selbstbelastung, auch eine positive Freiheit zur Selbstbelastung, die Selbstinkriminationsfreiheit319. Die negative Selbstbelastungsfreiheit verbietet nicht, dass Dritte den Merkmalsträger zum Beschuldigten machen. Jener bleibt passiv, er tut gar nichts. Denn freilich würde niemand die Selbstbelastungsfreiheit als Argument ins Felde führen, falls ein Ehegatte gegen den anderen Ehegatten aussagt, obschon gem. §§ 52, 55 StPO keine Verpflichtung besteht. Nichts anderes ist die Teilnahme an der DNA-Reihenuntersuchung. (c) Die Einwilligung in die DNA-Reihenuntersuchung – Eine „Einwilligung zu Lasten Dritter“? Von einer „Einwilligung zu Lasten Dritter“320 kann nur in einem sehr übertragenen Kontext gesprochen werden. Gemeint ist, der Teilnehmer greife mit der Teilnahme in die Rechtsposition des Verweigerers ein. Indessen muss bezweifelt, dass eine einzelne Teilnahme, also eine Einwilligung, es vermag, bei einem Dritten – dem Teilnahmeverweigerer – Verdacht zu begründen. Es ist – wenn überhaupt – die Summe der Teilnahmen, d. h. der Einwilligungen. Doch auch eine solche Argumentation greift nicht. Es ist nicht die Einwilligung des Teilnehmers, die den Verweigerer inkulpiert, sondern sein Verbleib in der potentiell verdächtigen Gruppe der Merkmalsträger321. Das Verbot einer Einwilligung zu Lasten eines Dritten, das normativ an der Dispositionsbefugnis des Einzelnen über seine Rechte festzumachen ist322, darf nicht so weit verstanden werden, dass damit jede Form der Beteiligung an einem Prozess ausgeschlossen ist, weil in irgendeiner Form ein Dritter davon betroffen sein könnte. Machte man mit diesen Gedanken 318
Vgl. die Nachweise oben in Fn. 262 (Kap. 5). Vgl. Hombert, S. 122; Meyer, JR 1966, 308 (310), der insofern von dem Recht, zu schweigen, als Verzicht auf das Recht sich zur Sache zu äußern spricht; i. d. S. auch Wollweber, StV 1999, 354 (355); s. auch H. A. Wolff, S. 86. 320 Vgl. Klumpe, S. 189 f.; vgl. im Hinblick auf die Verwertbarkeit des Beinahetreffers Petri, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 101 (104); ders., ZD 2018, 389 (390); vgl. auch Sauter, S. 207 ff., der sich aber wohl eher auf den mit der Teilnahme des Einzelnen steigenden sozialen Druckes auf den anderen bezieht; i. d. S. auch Kopf, S. 188. 321 Insofern zumindest ungenau Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 24, der den Verdacht aus dem negativen Ergebnis und der Verweigerung herleiten will. Es ist nicht das positive Handeln in Form einer Verweigerung maßgeblich, sondern einzig die Zugehörigkeit zum Kreis der Merkmalsträger, aus dem der Nichtteilnehmer nicht ausscheidet. 322 Dazu oben Kap. 3 § 5 V. 1., vgl. auch der Sicht des Grundrechtsverzichts auch Kap. 3 § 3 I. 3. c) cc). 319
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ernst, so dürfte kein angehöriger Zeuge von seinen Beobachtungen berichten. Im Bereich der DNA-Reihenuntersuchung müsste ein Alibi eines Merkmalsträgers unberücksichtigt bleiben, denn durch dieses wird kein anderer Nachweis erbracht als mit einem negativen Testergebnis, nämlich dass der Merkmalsträger nicht in Betracht kommt. Um ein deutlicheres Beispiel zu geben: Zweifelsohne der Disposition einer vergewaltigten Ehefrau entzogen wäre es, wenn diese „in Vertretung“ für ihren Ehemann in eine DNA-Analyse des Ehemannes einwilligen würde. Die Entscheidung, ob er auf sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verzichtet, obliegt nur ihm. Freilich kann aber die Ehefrau auf das ihr zustehende Untersuchungsverweigerungsrecht des § 81c Abs. 3 StPO verzichten und somit den Ehemann inkulpieren. Ansonsten würde aus dem Recht der Untersuchungsverweigerung eine Pflicht, die im Hinblick auf das Gebot einer effektiven Strafrechtspflege323 ausscheiden muss. Eine solche Pflicht kann schon nicht bestehen im Hinblick darauf, dass aus dem Gebot der effektiven Strafrechtspflege i. V. m. der Schutzpflicht des Staates für das betroffene Grundrecht ein Anspruch auf Strafverfolgung bei schweren Straftaten erwächst324. Um vergleichbare schwere Straftaten handelt es sich bei § 81h StPO. Die Grenze der Belastung eines Dritten durch einen Privaten kann mithin erst i. R. d. § 164 StGB liegen. Diese kann bei der freiwilligen DNA-Reihenuntersuchung schon deshalb nicht erreicht werden, weil der Teilnehmer damit nur den Nachweis erbringt, dass er nicht als Spurenleger in Betracht. Unwahr handeln kann er dabei gar nicht, denn die DNA-Analytik liefert ein objektives Ergebnis, auf das er keinen Einfluss hat. Der Teilnahme greift summa summarum nicht in die Rechte des Verweigerers ein; dies tut erst der Staat durch die Verwendung der Erkenntnis der DNAAnalyse beim Teilnehmer, wenn er einen Beschluss nach §§ 81a, 81e StPO beantragt, erlässt und vollstreckt. Unter den Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage ist er dazu aber berechtigt. (d) Die Unschuldsvermutung Auch die Unschuldsvermutung kann nicht als Argument gegen eine Inkulpation der Nichtteilnehmer; gleichgültig, unter welchem Aspekt man sie anführt. Zwar griffe es zweifelsohne zu kurz, wenn man die Unschuldsvermutung auf den an sich zutreffenden Aspekt reduzierte, weil der Betroffene als unschuldig zu gelten hat, sind die Strafverfolgungsorgane dazu gezwungen, ein rechtsstaatliches Verfahren zum Schuldnachweis durchzuführen, weil ihnen untersagt ist, eine vorherige 323
Vgl. dazu die Nachweise in Fn. 393 (Kap. 4). Vgl. dazu die Rechtsprechung des BVerfG, NStZ-RR 2021, 147 (ebd., LS) = Beschl. v. 22. 01. 2021 – 2 BvR 757/17; NJW 2020, 675 (676); NStZ-RR 2020, 51; NStZ-RR 2015, 117; NStZ-RR 2015, 347 (348); NJW 2015, 150 (Rn. 9 ff.); NJW 2015, 3500 (3501, Rn. 17 ff.), wo das Gericht zwar einerseits betont, dass es grundsätzlich keinen Anspruch des Einzelnen auf Strafverfolgung gibt (im Gegensatz zu einem anerkannten Gebot einer effizienten Strafrechtspflege im Allgemeinen), gleichzeitig einen solchen aber in Ausnahmefällen bejaht, wozu das Gericht u. a. schwere Straftaten zählt, zu denen die Anlasstaten des § 81h StPO freilich zählen. 324
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Strafe zu verhängen325. Sie gilt auch während des gesamten Straf-, gerade im Ermittlungsverfahren326. Die Unschuldsvermutung steht aber in einer solchen Weise nicht im Gegensatz zu strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen, dass der Betroffene sich gegen diese mit der Begründung zur Wehr setzen könnte, er müsse schließlich als unschuldig gelten327. Strafprozessuale Maßnahmen sind vielmehr Voraussetzung dafür, dass der Staat die Schuld beweisen kann. Ansonsten drohte das erstgenannte Ziel der Unschuldsvermutung – Zwang zum rechtsstaatlichen Schuldnachweis –, sich selbst zu torpedieren, weil der Schuldnachweis gar nicht erbracht werden könnte, wenn jede Ermittlungsmaßnahme mit dem Argument, der Beschuldigte sei zu behandeln, als sei er nicht schuldig, zu unterbleiben hätte328. Die Unschuldsvermutung verbietet weiter nicht, selbst zur Überführung beizutragen, solange dies freiwillig geschieht. Da niemand zur Teilnahme an der Reihenuntersuchung gezwungen werden kann, der Staat also nicht über Gebühr und ohne Anhaltspunkte für eine Widerlegung der Unschuldsvermutung329 aus dem Unschuldigen einen de facto Schuldigen macht, ist die Unschuldsvermutung ebenso wenig ein Argument gegen die Durchführung derselben wie gegen Maßnahmen nach §§ 81a, 81e StPO. Das gilt freilich nur solange, wie die Maßnahmen sich i. R. d. Anordnungsvoraussetzungen bewegen. Dies ist der Fall, solange Anknüpfungspunkt die Zugehörigkeit zu der verbleibenden Gruppe der Merkmalsträger ist und nicht die Verweigerung der Teilnahme. Maßgeblich ist auch hier die Verdachtsneutralität der Nichtteilnahme. Durch sie gibt es keine Beweislastumkehr dergestalt, dass der 325 Für diesen Aspekt zutreffend BVerfGE 74, 358 (370 f.); 82, 106 (114 f.); BVerfG, NJW 1988, 1715 (1716); Bruns, StV 1982, 17 (19); Esser, in: LR-StPO XI, 26. Aufl., Art. 6 EMRK, Rn. 445; Frister, S. 89 ff.; Gaede, in: MüKo-StPO III/2, Art. 6 EMRK, Rn. 126 m. w. N. aus der Rspr. des EGMR; ders., S. 228; Kühl, S. 12; Meyer, in: FS Tröndle, 61 (69); Ostendorf, StV 1992, 288; Stuckenberg, S. 530; ders., ZStW 111 [1999], 422 (454 f.); Vogler, in: FS Kleinknecht, 429 (436 f.); Weßlau, StV 1991, 226 (231); Wüsteney, S. 172; vgl. auch BVerfGE 19, 342 (347); Jarass, GRCh, Art. 48, Rn. 13; ähnlich auch Schulz, GA 2001, 226 (236). 326 OLG Köln, NJW 1987, 2682 (2684); OLG Koblenz, StV 1987, 430 (431); Esser, in: LRStPO XI, 26. Aufl., Art. 6 EMRK, Rn. 479; ders., S. 99 f.; Gaede., in: MüKo-StPO III/2, Art. 6 EMRK, Rn. 128; ders., S. 229 m. w. N. aus der Rspr. des EGMR; Marxen, GA 1980, 365 (ebd., Fn. 2); Meyer, in: FS Tröndle, 61 (71); Ulsamer, in: FS Zeidler II, 1799 (1806); Wüsteney, S. 172; vgl. Geppert, Jura 1993, 160 (161); Jebens, in: LAWildhaber, 207 (208 ff.); Reiß, in: GS Trazaskalik, 473 (475); auch Stuckenberg, ZStW 111 [1999], 422 (458). 327 Beck, S. 290; Esser, in: LR-StPO XI, 26. Aufl., Art. 6 EMRK, Rn. 449; ders., S. 623 ff.; Fischer, in: KK-StPO, Einl., Rn. 260; Gaede, in: MüKo-StPO III/2, Art. 6 EMRK, Rn. 134; ders., S. 231; Geppert, Jura 1993, 160 (161); Roxin/Schünemann, § 11, Rn. 3; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Art. 6 EMRK, Rn. 14; Wüsteney, S. 172, vgl. auch BVerfGE 74, 358 (372); 82, 106 (115); Beukelmann, NJW-Spezial 2016, 696; Gropp, JZ 1991, 804 (807); Jarass, GRCh, Art. 48, Rn. 19; Stuckenberg, S. 556; Ulsamer, in: FS Zeidler II, 1799 (1806). 328 Vgl. BVerfGE 82, 106 (115); Wüsteney, S. 174 f. 329 Laut Wüsteney, S. 174 ff. findet der Staat im Anfangsverdacht gerade die Legitimation, an der Unschuld des Beschuldigten zu zweifeln und zu versuchen, die Unschuldsvermutung zu widerlegen; ähnlich BVerfGE 74, 358 (372); 82, 106 (115).
§ 5 Formelle Voraussetzungen
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Unwillige teilnehmen muss um seine Unschuld zu beweisen. Er kann auch abwarten, ob überhaupt genügend Merkmalsträger an der Reihenuntersuchung teilnehmen. Ist dies nämlich nicht der Fall, so hat die Nichtteilnahme keine Konsequenzen. Es droht dann nicht die Inanspruchnahme mittels Zwang. Gerade wegen dieses Verhältnisses von Teilnahme und Verweigerungen kann überhaupt von freiwilligem Handeln gesprochen werden; könnte gegen den Verweigerer so wie so vorgegangen werden, so wäre eine gründliche Prüfung der Merkmale und eine hohe Teilnehmerquote aus Strafverfolgungssicht völlig irrelevant. Soweit mit dem Schlagwort der „Umkehrung der Unschuldsvermutung“ gemeint ist, dass ein sozialer Druck auf den hinsichtlich der Teilnahme Unwilligen lastet, der ihn zwingt, doch teilzunehmen, ist bereits aufgezeigt worden, dass dieser Druck unbeachtlich ist330. (e) Zwischenergebnis Im Ergebnis bleibt es daher möglich, nach Durchführung der DNA-Reihenuntersuchung gegen die Verweigerer auf Grundlage der §§ 81a, 81e StPO vorzugehen. Die Verweigerer können als Beschuldigte herangezogen werden, wenn genügend Merkmalsträger teilnehmen und damit nur ein kleiner Kreis an Merkmalsträgern verbleibt. Ob dieser klein genug ist, ist eine Frage des Einzelfalles. Bei zwei aus 1.000 wird man dies wohl annehmen dürfen, bei 1.000 aus 10.000 schon weniger. Diese notwendige Prüfung, ob die Verbleibenden Beschuldigte sind, zeigt deutlich, dass normativer Anknüpfungspunkt nicht die Verweigerung der Teilnahme sein kann. Ansonsten wäre nämlich der Schluss eo ipso zulässig, er verweigere, sei Beschuldigter. Freilich kann der Verbleib in der Gruppe der Merkmalsträger nur inkulpierend wirken, wenn eine gewisse Sicherheit ob der inhaltlichen Richtigkeit der Merkmale besteht. Gründen sie auf mehreren Zeugenaussagen oder gar auf Videoaufzeichnungen wird man die Zugehörigkeit zur Gruppe eher als Anhaltspunkt zur Begründung des Tatverdachtes verwenden dürfen, als wenn sie auf einer (bloßen) kriminalistischen Erfahrung beruhen331. (4) Weitere Erkenntnisse Sollte der Kreis der Nichtteilnehmer noch nicht in einem solchen Maße eingeengt sein, dass diese als Beschuldigte zu gelten haben, so können – soweit vorhanden – freilich auch Beweise jenseits der Zugehörigkeit zu der Gruppe der Merkmalsträger 330
S. Kap. 5 § 5 I. 2. a). Zutreffend Ademi, S. 276: „Je präziser aber die Prüfungsmerkmale sind, je schärfer das Täterprofil gezeichnet werden kann […]“, desto eher kann die Verengung des Personenkreises verdachtsverstärkend wirken; gleichsam Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (712); i. E. auch Sauter, S. 234. 331
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
die Beschuldigteneigenschaft begründen. Zu denken etwa ist an den Fall, dass ein Merkmalsträger ein falsches, widersprüchliches Alibi angibt332, um aus dem Kreis der potentiellen Teilnehmer a priori auszuscheiden. Anknüpfungspunkt ist auch hier nicht seine Nichtteilnahme, Anknüpfungspunkt ist im besprochenen Fall seine widersprüchliche Aussage. Es sind auch Fälle denkbar, in denen ein Zeuge erst durch die mit der Reihenuntersuchung verbundene öffentliche Kenntnisnahme auf das Verfahren aufmerksam wird, um dann weitere Erkenntnisse den Strafverfolgungsbehörden mitzuteilen. Es gilt, dass das Ende der Reihenuntersuchung nicht das Ende der Ermittlungen ist. (5) Ergebnis Es hat sich gezeigt, dass es u. U. möglich erscheint, im Anschluss an die DNAReihenuntersuchungen gegen Verweigerer – besser: Nichtteilnehmer333 – auf Basis der §§ 81a, 81e StPO vorzugehen, ohne unrechtmäßigerweise an die Nichtteilnahme an der DNA-Reihenuntersuchung anzuknüpfen. Damit ist jenen Stimmen begegnet, die mit Nachdruck darauf beharren, da immer an die Verweigerung angeknüpft werde, sei freiwilliges Handeln ausgeschlossen. Sollten die Strafverfolgungsbehörden indessen den Teilnehmer darauf „hinweisen“, dass im Falle der Nichtteilnahme im Wege der §§ 81a, 81e StPO vorgegangen wird, ist darin eine unzulässige, weil rechtswidrige Drohung zu erblicken, die Freiwilligkeit ausschließt334. Denn die Sicherheit, dass die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen eines solches Vorgehens gegeben sein werden, die der Hinweis postuliert, ist in diesem Zeitpunkt nicht gegeben, weil zunächst das Verhalten der anderen zur Teilnahme Aufgerufenen und damit das Ende der Reihenuntersuchung abgewartet werden muss. Erst dann kann über weitere Maßnahmen entschieden werden. Anders würde es sich jedoch verhalten, wenn die Strafverfolgungsbehörden nur auf Möglichkeit hinweisen, u. U. so zu verfahren. Dies würde der Wahrheit entsprechen und wäre dementsprechend für sich genommen zulässig. Da sie aber zeitgleich § 81h Abs. 4 S. 1 StPO angehalten sind, darüber zu belehren, dass die Teilnahmeverweigerung dies nicht zu begründen vermag, ist der Hinweis im Ergebnis wirkungslos, da die aufgebaute Argumentation zeitgleich widerlegt werden müsste. Im Gegenteil: Die Strafverfolgungsbehörden begeben sich, ohne dass es nützt, in die Gefahr, dass der Betroffene irrt, weil er ob des scheinbaren Widerspruchs verwirrt ist und dennoch meint, in irgendeiner Form sei er doch zur Teilnahme 332 Magnus, ZStW 126 [2014], 695 (718); Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (199); Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 7; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 3; zumindest gebilligt von BVerfG, NJW 1996, 3071 (3072). 333 Der Begriff der Verweigerung erscheint nicht vollends passend, denn der Aufgeforderte muss nicht etwa widersprechen, er kann einfach nichts tun. Da er sich aber eingebürgert zu haben scheint, wird er auch in dieser Arbeit verwendet. 334 Kap. 3 § 5 V. 2. d) aa) (4) (b).
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gezwungen. Dies hätte sub specie der Bedeutung der Kenntnis des Einzelnen über die Freiwilligkeit die Unwirksamkeit der Einwilligung zur Folge. Die Praxis sollte auf den Aufbau einer solcher Drohkulisse deshalb im eigenen Interesse verzichten335. cc) Vorgehen gegen den Verweigerer auf Grundlage des § 81c StPO i. V. m. § 81e StPO Wenn aber gegen die Nichtteilnehmer nach Durchführung der DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO nicht im Wege der §§ 81a, 81e StPO vorgegangen werden kann, weil der Kreis der verbliebenen Merkmalsträger so groß noch ist, dass die ihm Zugehörigen nicht Beschuldigte sind, so stellt sich die Frage, ob nicht wenigstens über §§ 81c, § 81e StPO vorgegangen werden kann. Gänzlich abwegig ist der Gedanke keineswegs, vergegenwärtigt man sich, dass § 81e Abs. StPO die Analyse von nach § 81c StPO erlangtem Material in genau demselben Maße zulässt wie die Analyse von nach § 81a StPO erlangtem. Dass § 81c Abs. 1 StPO nicht zur Zellgewinnung taugt, wurde dargestellt336. Der einzige Weg, doch noch die DNA des Nichtteilnehmers analysieren zu können, wäre daher der Weg über § 81c Abs. 2 S. 1 StPO337 i. V. m. § 81e StPO. Weil § 81e StPO die Grundlage für die eigentliche Analyse ist, schlägt der Einwand Boschs nicht durch, ein solches Vorgehen müsse schon daran scheitern, dass § 81c StPO keine aus datenschutzrechtlicher Sicht notwendige Zweckbestimmung beinhalte338. Diese findet sich in § 81e StPO. Diese Möglichkeit, Reihenuntersuchungen auf Grundlage der §§ 81c, 81e StPO durchzuführen, wurde diskutiert, teilweise bejaht339 und teilweise verneint340 –
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So i. E. auch Naumann, Die Polizei 2013, 333 (336). Kap. 4 § 1 I. 2. b) bb) (1). 337 Nach hier vertretener Auffassung in analoger Anwendung, vgl. Kap. 4 § 1 I. 2. b) gg). 338 Vgl. Bosch, Jura 2021, 41 (47). 339 LG Mannheim-NStZ-RR 2004, 301 ff.; LG Frankenthal, NStZ-RR 2000, 146; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 196 f.; Busch, NJW 2001, 1335 (1136 f.); Kaefer, Kriminalistik 2000, 282 (283 f.); unter Einschränkungen auch Fahl, S. 207 ff.; wegen des Grundsatzes der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde zumindest nicht für verfassungswidrig erklärt BVerfG, NJW 1996, 1587 f.; heute noch vertreten von Benfer/Bialon, Rn. 972; Beulke/Swoboda, Rn. 378; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 6.1; Kölbel, S. 68, Fn. 212 a. E.; Kretschmer, HRRS 2012, 183 (185 ff.); Pommer, JA 2007, 621 (626 f.); Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 6, 8; ders., in: FS F.-C. Schroeder, 691 (714 ff.) implizit auch ders., NStZ 1997, 398 (400, Fn. 12); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 20; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 4; Walter, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 23; vgl. auch VerfGH Berlin, NJW 2006, 1416 ff., wobei die dem Fall zugrundeliegende Maßnahme zwar nicht an eine DNA-Reihenuntersuchung anschließt, gleichwohl aber auf dem Wege des § 81c Abs. 2 StPO ein nur potentiell Tatverdächtiger untersucht wurde, um festzustellen, ob er als Täter in Betracht kommt.vgl. Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81e, Rn. 3a, der den Weg über § 81c Abs. 2 StPO als frühere Rechtsgrundlage für DNA-Reihenuntersuchungen bezeichnet, jene heute aber in § 81h 336
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freilich hauptsächlich vor der Schaffung des § 81h StPO. Jedoch können die Ansätze weiterhin fruchtbar gemacht werden, da sie, obwohl es bei ihnen um eine Stützung der Reihenuntersuchung auf §§ 81c, 81e StPO und es hier um eine Stützung von Folgemaßnahmen auf §§ 81c, 81e StPO geht, eine ähnliche Situation behandeln, nämlich die eine zwangsweise DNA-Analyse bei Merkmalsträgern, die nicht Beschuldigte sind. Ob dieser Status vor oder nach einer Reihenuntersuchung festzustellen ist, ist für die Argumente, jedenfalls soweit sie grundsätzlicher Natur sind, insoweit ohne Belang341. Zumindest das Hindernis der Erforderlichkeit einer Inkulpation ist auf diesem Wege nicht gegeben, da § 81c StPO ja gerade und ausdrücklich Maßnahmen am Nichtbeschuldigten zulässt. Vorweg muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass die Befürworter dieses Weges nicht so verstanden werden dürfen, dass ihrer Meinung nach eo ipso der Nichtteilnehmer auf Basis der §§ 81c, 81e StPO untersucht werden darf342. Dies wird deutlich, wenn man berücksichtigt, dass in zahlreichen Ansätzen, die die Zellent-
StPO erblicken mag und damit unberücksichtigt lässt, dass § 81h StPO keine Zwangsmaßnahme ist. 340 LG Regensburg, StraFo 2003, 127 ff.; wobei das LG seine Ablehnung nicht grundsätzlich (vgl. S. 129), sondern mit Umständen des Einzelfalles begründet; Ademi, S. 276 ff.; Altendorfer, S. 92; Beck, S. 258 ff., die jedoch in Fn. 900 Ausnahmen für denkbar erachtet; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 1 a. E.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 3 f.; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 3; ders., Jura 2021, 41 (47); Burr, S. 125; vgl. Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 14; Foldenauer, S. 78 f.; Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (75 f.); dies., NStZ 2004, 297 (299); die zwar die Körperzellentnahme gem. § 81c Abs. 2 StPO grundsätzlich billigt, aber die Zulässigkeit der sich anschließenden Analyse verneint; Hasselbach, S. 126, die dies jedoch entgegen der hier vertreten Auffassung u. a. damit begründet, den Teilnehmern einer Reihenuntersuchung würden Speichelproben entnommen, § 81c Abs. 2 StPO gestatte nur die Entnahme von Blutproben; Hero, S. 186 ff.; Hombert, S. 97 ff.; Kerner/ Trüg, in: FS Weber, 457 (466 ff.); Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 29; ders., in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 2; Latotzky, S. 135 ff.; Malek/Wohlers, Rn. 300; Satzger, JZ 2001, 639 (645 ff.), der eine spätere DNA-Analyse für unzulässig erachtet; Sauter, S. 166 ff.; Swoboda, StV 2013, 461 (465); Volk, NStZ 2002 561 (563); dagegen im schweizerischen Recht auch Bommer, ZStrR 188 [2000], 131 (154); zumindest nach Einführung des § 81h StPO abl. Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (199), die allerdings nur die Konstellation besprechen, in der §§ 81c, 81e StPO an die Stelle des § 81h StPO treten sollen; abl. wohl auch Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (32 f.); zumindest gegen den Begründungsansatz von Beulke Wüsteney, S. 106. 341 Vgl. aber insofern Ademi, S. 277 f.; und Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (199), die eine Sperrwirkung für zwangsweise Reihenuntersuchungen nach Einführungen des § 81h StPO annehmen; ähnlich Hero, S. 190. Es geht aber darum, aufgrund der §§ 81c, 81e StPO eine Maßnahme nach § 81h StPO zu ersetzen, sondern um die Frage, ob Maßnahmen nach §§ 81c, 81e StPO ihr nachfolgen können. 342 Ausdrücklich dagegen Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 20; vgl. auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 8; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 4; Walter, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 23, die sich jedoch nur auf das Verbot der Anordnung alleine aufgrund der Prüfungsmerkmale beziehen und damit die Aussiebung der Teilnehmer außer Acht lassen.
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nahme und DNA-Analyse auf §§ 81c, 81e StPO stützen wollen, die allgemeinen Voraussetzungen des § 81c StPO mal mehr343, mal weniger344 genau geprüft werden. Jedenfalls stünde einem solchen Vorgehen nicht entgegen, dass nach der Reihenuntersuchung Folgemaßnahmen generell unzulässig seien345. (1) Voraussetzungen des § 81c Abs. 2 StPO für die Zellgewinnung im Lichte der DNA-Reihenuntersuchung (a) Die Zumutbarkeitsgrenze des § 81c Abs. 4 StPO Richtig ist, wenn betont wird, es müsse sich bei den Herangezogenen um konkret beweisgeeignete Personen handeln, deren Untersuchung einen Beweiserfolg erwarten lässt346 – oder, allgemeiner: Es müsse doch eine gewisse Nähe des Betroffenen zur Tat gegeben sein347. Diese Eingrenzung ergibt sich aus dem Zumutbar-
343 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 196 f.; Busch, NJW 2001, 1335 (1136 f.); Kretschmer, HRRS 2012, 183 (185 ff.); Pommer, JA 2007, 621 (626 f.); Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 6, der auch kritisiert, die Notwendigkeit der Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen des § 81c StPO werde in die in Bezug auf die Reihenuntersuchung entstehende Problematik im Allgemeinen verkannt; ders., in: FS F.-C. Schroeder, 691 (714 ff.); Satzger, JZ 2001, 639 (645 f.); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 4; vgl. jedoch auch LG Mannheim, NStZ-RR 2004, 301 (302 f.), das zwar ausführlich die Maßnahme begründet, indessen aber die Anordnung ausschließlich mit der Zugehörigkeit des Betroffenen zu der Gruppe der Merkmalsträger begründet, ohne den Ausschluss anderer, auch auf das Täterprofil passender Männer zu erwähnen. 344 Vgl. etwa LG Frankenthal, NStZ-RR 2000, 146; Beulke/Swoboda, Rn. 378; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 6.1; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81e, Rn. 3a; Kaefer, Kriminalistik 2000, 282 (283 f.); Kölbel, S. 68, Fn. 212 a. E.; Rogall, NStZ 1997, 398 (400, Fn. 12); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 20; Walter, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 23. 345 S. o. Kap. 5 § 5 I. 2. b) bb) (1). 346 Vgl. LG Mannheim, NStZ-RR 2004, 301 (302 ff.); Ademi, S. 276 f.; Bosch, in: KMRStPO, § 81h, Rn. 3; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 3; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 6.1; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 8; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 20; Swoboda, StV 2013, 461 (464); Walter, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 23; für alle Merkmalsträger dies ausschließend Beck, S. 258 f.; Hasselbach, S. 126 f.; Kretschmer, HRRS 2012, 183 (185); Rogall., in: FS. F.-C. Schroeder, 691 (714); allgemein dazu i. R. d. § 81c StPO Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 36; s. auch Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 330, der zumindest den erwartbaren Aufklärungserfolg als maßgebliches Kriterium der Zumutbarkeit erklärt, ohne dies aber an der Person des Betroffenen festzumachen (was insofern aber unschädlich ist, als dass freilich nur eine Untersuchung einer solchen Person, die etwas mit Tatgeschehen in welcher Form auch immer zu tun hat, einen Aufklärungserfolg erwarten lässt, was mittelbar zur Bedeutung der Beweiseignung der Person führt); inhaltsgleich zu § 81c Abs. 1 StPO Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81c, Rn. 4; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81c, Rn. 4. 347 Vgl. LG Frankenthal, NStZ-RR 2000, 146, das den Kontakt der Herangezogenen mit dem Opfer betont, was aber die Frage offen lässt, warum jener dann nicht als Beschuldigter zu gelten hatte; Altendorfer, S. 92, der i. E. § 81c StPO deshalb als Rechtsgrundlage ablehnt; Busch, NJW 2001, 1335 (1137); Foldenauer, S. 78 f., der diese auch nicht zu erkennen vermag; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 4; U. Wagner, S. 177.
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keitskriterium des § 81c Abs. 4 StPO348. Hierin zeigt sich die Problematik der Stützung einer Folgemaßnahme auf § 81c Abs. 2 StPO. Denn zumutbar soll die Inanspruchnahme eines Nichtbeschuldigten nur dann sein, wenn mit ihr zumindest die Möglichkeit besteht, die Straftat aufzuklären349. Zwar gilt freilich zu sehen, dass im Kontext einer DNA-Reihenuntersuchung eine Straftat von bedeutendem Gewicht und mit hohem Aufklärungsinteresse im Raum steht (was als Abwägungskriterium in die Zumutbarkeitsprüfung miteinfließen soll350). Jedoch stellt sich die Frage, welche Form der Tatbeziehung gegeben sein soll, wenn man nach Durchführung der DNA-Reihenuntersuchung „nur“ noch 100 statt 1.000 oder 1.000 statt 10.000 Merkmalsträger hat. Soweit darauf hingewiesen wird, die Maßnahme nach § 81c StPO sei umso zumutbarer, je verdächtiger der Betroffene sei351, ist dies bereits deshalb kritisch zu beurteilen, weil es systematisch inkonsequent anmutet, wenn einerseits betont wird, eine Maßnahme nach § 81a StPO dürfe nur beim Beschuldigten angeordnet werden, und nicht, um ihn zum Beschuldigten zu machen352, andererseits aber derjenige, der potentiell verdächtig ist, gegen den aber kein Anfangsverdacht vorliegt, über § 81c StPO zum Beschuldigten gemacht werden soll. Auf nichts anderes zielt aber die Maßnahme nach §§ 81c, 81e StPO: Man möchte die Nichtteilnehmer solange testen, bis man einen Treffer hat353, oder zumindest, bis so wenige verbleiben, dass man diese dann als Beschuldigte untersuchen 348 Busch, NJW 2001, 1335 (1137); Hero, S. 188; Hombert, S. 105 f.; Trück, in: MüKoStPO I, § 81c, Rn. 43; ders., in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 4; ähnlich Geerds, Jura 1988, 1 (3); Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 72, die ausführen, die Stellung des Betroffenen im Verfahren spiele sub specie der Zumutbarkeit insofern eine Rolle, als dass bspw. dem Opfer einer Straftat mehr zugemutet werden könne als einem Dritten, der mit dem Tatgeschehen weniger zu tun habe; explizit zur Unzumutbarkeit von DNA-Reihenuntersuchungen aufgrund § 81c Abs. 2 StPO Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 29. 349 Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 21; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c, Rn. 43; vgl. auch VerfGH Berlin, NJW 2006, 1416 (1417); Busch, NJW 2001, 1335 (1137); Eisenberg, Rn. 1665; deshalb i. E. von Unzumutbarkeit bei DNA-Reihenuntersuchungen ausgehend Sauter, S. 170 f. 350 Vgl. BGH bei Dallinger, MDR 1956, 525 (527); VerfGH Berlin, NJW 2006, 1416 (1419); LG Regensburg, StraFo 2003, 127 (128); Benfer/Bialon, Rn. 1017; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81c, Rn. 11; Bosch, in: KMR-StPO, § 81c, Rn. 19; ders., in: SSWStPO, § 81c, Rn. 16; Brauer, in: HK-StPO, § 81c, Rn. 25; Busch, NJW 2001, 1335 (1136 f.); Eisenberg, Rn. 1669; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81c, Rn. 7; Hero, S. 188; Hombert, S. 105; Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 27 i. V. m. Rn. 21; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 329; Sauter, S. 170; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81c, Rn. 21 i. V. m. Rn. 17; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c, Rn. 43; umgekehrt für den Ausschluss von geringfügigen Delikten Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 72. 351 VerfGH Berlin, NJW 2006, 1416 (1417); Busch, NJW 2001, 1335 (1137); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c, Rn. 43; krit. dazu mit Recht Kühne, § 28, Rn. 495, der allerdings diesen Verdacht unzutreffend als Anfangsverdacht bezeichnet. Läge letzterer vor, so wäre § 81a StPO Mittel der Wahl. 352 Vgl. die Nachweise in Fn. 315 (Kap. 5). 353 Vgl. Bommer, ZStrR 118 [2000], 131 (154); Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (76); dies., NStZ 2004, 297 (299); Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (468); Pommer, JA 2007, 621 (627); Satzger, JZ 2001, 639 (646); Wüsteney, S. 108.
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kann354. Darauf zielt § 81h StPO zwar auch. Mit § 81h StPO wird aber versucht, Anordnungsvoraussetzungen für eine Untersuchung nach §§ 81a, 81e StPO zu schaffen. Dieses Ziel verfolgen §§ 81c, 81e StPO nicht, sie sollen Maßnahmen nach §§ 81a, 81e StPO überflüssig machen und an ihre Stelle treten. §§ 81c, 81e StPO würden mithin dann relevant, wenn zwar nach einer DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO der Kreis der potentieller Spurenleger kleiner, aber nicht so klein wurde, als dass die Verbliebenen allesamt Beschuldigte i. S. d. § 81a StPO wären. Zwar gilt bei der Heranziehung Nichtbeschuldigter auch, dass deren Eigenschaft als Beweisperson nicht durch die Verweigerung begründet werden darf355 – ansonsten wäre die Verweigerung zwar tatverdachtsneutral (ein Tatverdacht gegen den Betroffenen ist schließlich nicht Voraussetzung i. R. d. § 81c StPO); dies würde dem Betroffenen aber wenig bis nichts nützen, wenn er nun eben auf Basis des § 81c StPO statt auf Basis des § 81a StPO zu Zellentnahme gezwungen werden könnte356. Besonders deutlich wird dies, wenn man die Ausführungen von Kaefer betrachtet: „Falls ein Anfangsverdacht […] verneint wird, war die Entnahme einer Blutprobe nach § 81c Abs. 2 StPO zulässig“357. Breits der Konditionalsatz zeigt eine Verknüpfung zwischen fehlendem Tatverdacht und Inanspruchnahme aufgrund § 81c Abs. 2 StPO. Noch deutlicher weiter: „Um den Beurteilungsschwierigkeiten […] des § 81a Abs. 1 StPO […] auszuweichen, empfahl es sich, in der Praxis die Maßnahme auf § 81c Abs. 2 StPO zu stützen“358. Dies ist nichts anderes als die direkte Aufforderung an die Strafverfolgungsbehörden, man möge doch sicherheitshalber den Weg des § 81c StPO zu wählen, wenn man sich nicht sicher ist, ob man auf rechtmäßige Art und Weise den für § 81a StPO notwendigen Tatverdacht zu begründen vermag. Die apodiktische These Ecksteins, das Einwilligungserfordernis und das Schlussfolgerungsverbot verkämen zur verdeckten Aufforderung an die Strafverfolgungsbehörden, Verdacht zu begründen, ohne es sich anmerken zu lassen359, findet in den 354 Vgl. dazu treffend Hero, S. 189; Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (466), die dies im Kontext von § 81c Abs. 1 StPO diskutieren; Kühne, § 28, Rn. 494. Ebenso Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (32); für das schweizerische Recht s. Hausheer, ZSR 117/2 [1998], 449 (465); gegen eine Gleichbehandlung des nur Verdächtigen mit dem Beschuldigten auch Malek/ Wohlers, Rn. 300; allgemein für das Ziel, den Täter zu finden Hombert, S. 107. Für eine solche „Wandlung“ aber Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (714). 355 Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 5; i. d. S. auch Klumpe, S. 200, die betont, das Opfer müsse i. R. d. Untersuchung nach § 81c StPO aufgeklärt werden ob des Verbotes einer Nachteilszufügung im Falle der Weigerung; vgl. auch Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 383, der betont, aus der Verweigerung dürfe kein die Anordnung einer Maßnahme nach § 81c StPO rechtfertigender „Anfangsverdacht“ gezogen werden. 356 Vgl. auch Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (32 f.); i. d. S. auch Beck, S. 256 f., 258 ff., die die hiesige Problematik unter dem Aspekt der Freiwilligkeit prüft; Latotzky, S. 136; Rogall, NStZ 1997, 398 (400, Fn. 12) betont insofern mit Recht, das Bestreben des Betroffenen, möglichst spät als beschuldigt zu gelten, führe nicht weit, falls er auf Basis des § 81c Abs. 2 StPO herangezogen werden könnte. 357 Kaefer, Kriminalistik 2000, 282 (283). 358 Kaefer, a. a. O. 359 Eckstein, Ermittlungen zu Lasten Dritter, S. 355.
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Ausführungen Kaefers eine ebenso eindrucksvolle wie bemerkenswerte Bestätigung; mehr noch, die Befürchtung wird gar übertroffenen, denn die Aufforderung ergeht hier nicht verdeckt, sondern kaum übertreffbar offen. Zur Makulatur wird die Selbstbelastungsfreiheit aber nicht nur dann, wenn aus der verweigerten Einwilligung ein Anfangsverdacht i. S. d. § 81a StPO erwächst – wovor berechtigterweise gewarnt wird360 –; zur Makulatur wird die Selbstbelastungsfreiheit auch, wenn dasselbe Ergebnis auf Umwegen über § 81c StPO erzielt wird. Rogall betont in diesem Zusammenhang zwar mit Recht, es sei keine Voraussetzung des § 81c StPO, dass der Betroffene als Täter ausgeschlossen werden könnte361. Eine solche Vorschrift hätte einen geringen Nutzen: Man stelle sich den klassischen Anwendungsbereich des § 81c StPO, nämlich die Zellentnahme beim Opfer vor362. Sollte man die schwerverletzte Frau deshalb nicht untersuchen wollen, weil man nicht ausschließen kann, dass nicht der Ehemann, sondern sie selbst sich Verletzungen zugefügt hat363? Die Vorschrift des § 60 Nr. 2 StPO zeigt, dass ein Zeuge verdächtig sein kann, ohne Beschuldigter zu sein364. Genau so kann die Beweisperson verdächtig sein, ohne Beschuldigter zu sein. Der Verdacht schließt § 81c StPO nicht aus. Es macht aber einen Unterschied, ob man den Betroffenen als Täter nicht ausschließen kann, weil er in gewisser Form nur verdächtig ist, oder ob man eine Maßnahme durchführt, um seine Täterschaft nachzuweisen oder ihn zum Beschuldigten zu machen. Im ersten Fall ist der Verdacht nicht störendes Nebenwerk, im zweiten Ausgangspunkt Motiv der Maßnahme. Mit Recht fragt Bosch, wo die Grenze denn zu ziehen sei, wann jemand schon so verdächtig ist, dass er noch nicht Beschuldigter ist, aber so verdächtig, dass er im Wege der §§ 81c, 81e StPO untersucht werden kann – und wann er selbst dies nicht 360 S. schon oben Kap. 5 § 5 I. 1. b) aa) m. w. N. Vgl. außerdem BGHSt 49, 56 (58, 59); Kaefer, Kriminalistik 2000, 282; Kretschmer, HRRS 2012, 183 (185); in diesem Sinne auch Beck, S. 261. 361 Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 8; ders., in: FS F.-C. Schroeder, 691 (713); i. E. auch Sauter, S. 161 f.; a. A. indessen Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (468 f.), die betonen, der aufgrund § 81c StPO heranzuziehende müsse soweit konkretisiert sein, dass sichergestellt sei, dass er als Beschuldigter nicht in Betracht kommen könne; darauf Bezug nehmend ebenso Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (32); im Kontext von § 81c Abs. 1 StPO Hasselbach, S. 125 f., nach deren Ansicht ein gruppenbezogener Tatverdacht die Zeugeneigenschaft ausschließe; unter Berufung auf das Untersuchungsverweigerungsrecht des § 81c Abs. 3 StPO für eine Klärung des Status des Betroffenen zur Tat Swoboda, StV 2013, 461 (464). 362 Zum Opfer als Hauptadressat des § 81c Abs. 1 StPO Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 23; Sauter, S. 164. 363 Man darf in diesem Falle das Wort „Täter“ in diesem Zusammenhang nicht technisch im Sinne einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit verstehen, ansonsten müsste die Frau im Beispiel nämlich a priori als Täter auszuschließen sein, weil die Selbstverletzung grundsätzlich (zu den Ausnahmen s. §§ 109 StGB, 17 WStG) nicht strafbar ist. Vielmehr muss der Begriff des Täters wörtlich, nämlich in dem Sinne, dass der gemeint ist, der gehandelt hat, verstanden werden. 364 Die ist u. a. der Grund, warum ein rein objektiver Beschuldigtenbegriff mit dem aktuellen Recht nicht zu vereinen wäre, vgl. dazu im Einzelnen BGHSt 51, 367 (371 m. w. N.).
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ist365. Während i. R. d. §§ 81a, 81e StPO wenigstens das Erfordernis der Beschuldigteneigenschaft insofern tatsächlich eingriffslimitierend wirkt366, würde eine solche Grenze i. R. d. § 81c StPO tatsächlich nicht bestehen. Es ist im Ergebnis deshalb nicht zumutbar, nur deshalb als Beweisperson herangezogen zu werden, weil man zufällig dieselben Merkmale aufweist wie die Spurenleger und somit wie ein Beschuldigter behandelt zu werden367. § 81c StPO ist nicht darauf zugeschnitten, einen nur Verdächtigen zum Beschuldigten zu machen368. Vielmehr setzt § 81c StPO einen Tatverdacht voraus, der aber nicht gegenüber dem Betroffenen besteht369. An dieser Wertung ändert es auch nichts, wenn man bedenkt, dass die Entnahme von Zellen mittels Wangenabstrich kein besonders intensiver Grundrechtseingriff ist370. Es passt ins Bilde, wenn die Befürworter der Stützung auf § 81c StPO zwar Beispiele nennen, wann scheinbar § 81c StPO einschlägig sein soll, aber keine Begründung darbieten können, wann denn in ihren Beispielsfällen die Grenze erreicht wäre, in denen der Bezug auf § 81c Abs. 2 StPO fehlginge371.
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Rn. 2.
Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 4. Vgl. zur Formulierung Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 2; ders., in: SSW-StPO, § 81h,
367 Vgl. i. E. Altendorfer, S. 92, der implizit begründet, es fehle an der erforderlichen Tatnähe; Bosch, Jura 2021, 41 (47); Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 29; a. A. aber wohl Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 197, die die Zumutbarkeit auf die Zugehörigkeit zur Gruppe der Merkmalsträger stützen wollen; treffend zur Gleichbehandlung von Beschuldigtem und Nichtbeschuldigtem Foldenauer, S. 78 f.; Hombert, S. 106 f.; dazu hinsichtlich körperlicher Untersuchungen auch Geppert, in: FS F.-C. Schroeder, 675 (681 f.). 368 Vgl. Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (469, Fn. 55), die mit Recht darauf hinweisen, ansonsten würde die in §§ 81a und 81c StPO zum Ausdruck kommende Differenzierung zwischen Beschuldigten und Unbeschuldigten keinen Sinn ergeben; s. auch Bosch, in: KMRStPO, § 81c, Rn. 24 a. E. 369 Geerds, Jura 1988, 1 (9 f.). 370 Zutreffend LG Regensburg, StraFo 2003, 127 (129); so aber VerfGH Berlin, NJW 2006, 1416 (1419); LG Mannheim, NStZ-RR 2004, 301 (302); Hero, S. 187; vgl. aber auch Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 29, der die Anwendung der §§ 81c, 81e StPO gerade wegen der Eingriffsintensität ablehnt. 371 Exemplarisch s. Busch, NJW 2001, 1335 (1137), der darauf hinweist, 138 Besucher eines Balles könnten gem. § 81c Abs. 2 StPO herangezogen werden, nicht aber 1.899 Bewohner einer Kaserne oder 17.900 Männer aus einer Region, und dies damit begründet, bei den Besuchern eines Balles handle es sich um eine nicht mehr änderbare Eigenschaft, dabei aber verkennt, dass in den anderen Fällen auch nicht die Bewohner und Männer generell, sondern nur die zur Tatzeit dort befindlichen Bewohner oder Männer als Merkmalsträger in Frage kommen können; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 8, der darauf hinweist, 595 Besucher eines Jahrmarktes kämen als Betroffene in Frage, gleichzeitig aber betont, nur allzu häufig setzten Größe des Teilnehmerkreises und Unsicherheit bei der Merkmalsbestimmung der Maßnahme nach § 81c StPO Grenzen; noch allgemeiner Beulke/Swoboda, Rn. 378, die darauf hinweisen, der Teilnehmerkreis sei so überschaubar, dass eine zwangsweise Testung auf Basis der §§ 81c, 81e StPO möglich sein soll, wenn die negativen Testergebnisse den Kreis der Merkmalsträger verkleinerten, aber dabei außer Acht lassen, dass von 1.000 Merkmalsträger 999, aber auch nur zwei teilnehmen können.
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Jenseits dieser Erwägungen zeigt aber die Zumutbarkeitsgrenze des § 81c Abs. 4 StPO, dass § 81c Abs. 2 StPO überhaupt nicht für Eingriffe bei einer größeren Menge von Personen konstruiert ist372. Freilich ist § 81c StPO genauso wenig gesperrt wie § 81a StPO, wenn mehr als eine Person als Betroffener im Raume steht. Denn wie es mehrere Beschuldigte geben kann, kann es freilich auch mehrere Beweispersonen geben. Indessen zeigt § 81c Abs. 4 StPO, dass die Prüfung, ob jemand gem. § 81c StPO herangezogen werden soll, eine individualbezogene ist. Was für den einen nämlich zumutbar ist, kann für den anderen unzumutbar sein373. Diese individualbezogene Prüfung wird aber konterkariert, wenn eine Mehrzahl von Merkmalsträgern nur wegen dieser Eigenschaft herangezogen wird. (b) Das Untersuchungsverweigerungsrecht des § 81c Abs. 3 StPO Das Ergebnis, dass § 81c StPO von seiner Konstruktion her nicht dafür gemacht ist, einen bis dato Unbeschuldigten zum Beschuldigten zu machen, wird bestätigt durch das Untersuchungsverweigerungsrecht des § 81c Abs. 3 StPO. Zwar bezieht sich dieses nicht auf § 55 StPO und bietet damit keinen unmittelbaren Schutz vor Selbstbelastung374. Eine solche drohte i. Ü. auch nicht, denn ge372
Busch, NJW 2001, 1335 (1336); Foldenauer, S. 79; Pommer, JA 2007, 621 (627), die jedoch eine objektiv nachvollziehbare Eingrenzung für zulässig erachtet, allerdings der Erklärung schuldig bleibt, wann eine solche gegeben sein soll; Satzger, JZ 2001, 639 (646), der die Belastungen der einzelnen Betroffenen addieren möchte; i. E. auch Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 29; einschränkend zumindest Beck, S. 259, Fn. 900; s. auch Burr, S. 125, dessen Begründung aber wie i. R. d. § 81a StPO darauf abzielt, dies aus der singulären Formulierung des § 81c StPO abzuleiten; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 8, der diese Einschränkung zwar anerkennt, aber sie am Tatbestand des § 81c StPO festmacht und nicht an der Zumutbarkeit, indessen aber nicht nennt, welches Tatbestandsmerkmal Anknüpfungspunkt sein soll; explizit zum Verbot von Reihenuntersuchungen, allerdings in § 81c Abs. 1 StPO Benfer/Bialon, Rn. 1006 a. E., 1009 a. E.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81c, Rn. 8; ders., in: SSW-StPO, § 81c, Rn. 7; Dünnebier, GA 1953, 65 (68); Eisenberg, Rn. 1663; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81c, Rn. 1; Hombert, S. 108 f.; Krause, JZ 1976, 124 (125); Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 12; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 319; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81c, Rn. 14; krit. dazu Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 11; ähnlich auch Brauer, in: HK-StPO, § 81c, Rn. 6, der hinsichtlich Reihenuntersuchungen ausschließlich auf § 81h StPO verweist; diff. Hero, S. 187. 373 Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 21. 374 Eine Berufung auf den Rechtsgedanken des § 55 StPO wird sowohl unter dem Aspekt der Zumutbarkeit als auch unter dem des Untersuchungsverweigerungsrecht diskutiert, vgl. jeweils abl. Beulke/Swoboda, Rn. 378, 381; Beck, S. 259, Fn. 900, S. 330; Brauer, in: HKStPO, § 81c, Rn. 19; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 2940; Dzendzalowski, S. 30 f.; Fahl, S. 208; Fischer, JZ 1992, 570 (574); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81c, Rn. 20; Güntge, in: Alsberg, Beweisantrag, Kap. 5, Rn. 169; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81c, Rn. 10; Hombert, S. 96 – 104; Kohlhaas, S. 52; Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 39 f.; Krey/Heinrich, Rn. 1271; Latotzky, S. 137 ff.; Magnus, ZStW 126 [2014], 695 (710); Ranft, § 29, Rn. 737; Rüping, Kap. 3, Rn. 270; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81c, Rn. 21, 23; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c, Rn. 25; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81c, Rn. 12; vgl. dafür aber OLG Braunschweig, NJW 1954, 1052 (1053); Altendorfer, S. 77; Benfer/Bialon, Rn. 1020; Eisenberg, Rn. 1699, 1670; Etterich, S. 71; Gössel, § 26, C., I., b), 2. a. E.; Krause, JZ 1976, 124
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nauso wenig wie der Beschuldigte i. R. d. § 81a StPO zur aktiven Mitwirkung gezwungen werden darf, weil die Norm als solche ansonsten gegen die Selbstbelastungsfreiheit verstieße, wird der Nichtbeschuldigte i. R. d. § 81c StPO zur aktiven Selbstbelastung gezwungen. Die Modalitäten der Untersuchung von Beschuldigten und Unbeschuldigten sind die gleichen375. Auch der im Zusammenhang mit dem Beinahetreffer zu sehende Ansatz Becks, gerade weil die Teilnahme an der DNAReihenuntersuchung freiwillig sei, liege eine aktive Handlung in Form der Teilnahme vor376, ist nicht überzeugend. Er erklärt sich nur, wenn man berücksichtigt, dass Becks ceterum censeo es ist, Freiwilligkeit bei DNA-Reihenuntersuchungen nicht anzuerkennen, weil Freiwilligkeit und Effektivität der Maßnahme sich angeblich ausschlössen377. Zwar ist zuzugeben, dass von einer bloßen Duldung man eigentlich nicht mehr sprechen kann, da Passivbleiben und Teilnahme sich ausschließen. Da jedoch entgegen Beck hier von der Möglichkeit freiwilligen Handelns ausgegangen wird, erscheint die konsequente Fortsetzung dieses Gedankens – die lauten muss, von einer Duldung sei dann erst zu sprechen, wenn die Untersuchung eine zwangsweise wäre, weil es erst dann keiner Mitwirkung in Form einer Teilnahme mehr bedarf378 –, als Perversion des Untersuchungsverweigerungsrecht. Denn – die Richtigkeit der Beck’schen These unterstellt – die Konsequenz dessen wäre die Erkenntnis, dass Angehörigen- bzw. Selbstbelastung nur dann vermieden werden, wenn gegenüber anderen grundsätzlich die Möglichkeit des Zwanges offensteht. Die Intention des § 81c Abs. 3 StPO – Schutz vor Angehörigenbelastung oder wenn man eine Bezugnahme auf § 55 StPO dennoch annimmt, auch vor Belastung seiner selbst (126); ders./Nehring, § 81c StPO, Rn. 5; Kretschmer, HRRS 2012, 183 (185, 187); Neuhaus, in: HK-GS, § 81c StPO, Rn 8; Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 45; ders., in: FS F.-C. Schroeder, 691 (715); Sauter, S. 172 ff.; wohl auch OLG Saarbrücken, FamRZ 1959, 35 (36), das die Berufung auch § 55 StPO i. E. nicht prinzipiell, sondern nur deshalb ablehnte, weil der zu erbringende Beweis keine Strafbarkeit hätte begründen können; Busch, NJW 2001, 1335 (1136); Kohlhaas, JR 1974, 89 (91); für eine Erstreckung auf § 55 StPO soweit eine Angehörigenbelastung, gegen eine solche aber soweit eine Selbstbelastung im Raume steht Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 332; Suffa, S. 101 ff.; i. E. auch Bosch, in: KMRStPO, § 81c, Rn. 24; ders., in: SSW-StPO, § 81c, Rn. 20; ohne expliziten Ausschluss der Selbstbelastung, i. Ü. ebenso Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81c, Rn. 12; für eine Belehrung gem. § 55 Abs. 2 StPO auch beim Untersuchungsverweigerungsrecht zumindest BGHSt 5, 132 (134 f.); vgl. auch Lammer, StraFo 2003, 127 (130), der im Allgemeinen und losgelöst von dem von ihm besprochenen Fall dem § 55 StPO bei der Frage nach Reihenuntersuchungen auf Basis des § 81c StPO eine hohe Bedeutung beimisst. 375 Vgl. auch Satzger, JZ 2001, 639 (645), der ausführt, die Form der Selbstbelastung in Form passiven Duldens sei vom Gesetzgeber für zulässig erachtet, wie § 81a StPO zeige; i. E. auch Hombert, S. 104; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c, Rn. 25 a. E.; ähnlich auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81c, Rn. 24. 376 Vgl. Beck, S. 331, die damit begründen möchte, dass im Falle der Verwertung des Beinahetreffers der Teilnehmer aktiv einen Angehörigen belasten würde. Dieser Standpunkt lässt sich insofern generalisieren, als dass, wenn man der Grundthese folgt, die freiwillige Teilnahme sei aktives Handeln, der Teilnehmer sich selbst aktiv belasten würde. 377 Dazu Beck, S. 264 ff. und in diesem Zusammenhang S. 334. 378 So konsequenterweise Beck, S. 335.
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– wird aber durch das Freiwilligkeitserfordernis überschießend verwirklicht. Es handelt es sich um ein Mehr gegenüber einem Weigerungsrecht, sei es nun dem aus § 52 StPO oder dem aus § 81c Abs. 3 StPO, denn während der sich Berufende dort zu einem insofern privilegierten Personenkreis gehören muss, und ggf. auch glaubhaft machen muss, dass er zur Verweigerung berechtigt ist (s. für §§ 52 ff. StPO nur § 56 StPO), kann er i. R. d. § 81h StPO prinzipiell nicht teilnehmen. Die Einführung eines entsprechenden Untersuchungsverweigerungsrechtes, für die Beck im Fall der damals noch nicht erfolgten gesetzlichen Normierung der Feststellbarkeit eines Beinahetreffers wenigstens plädieren würde379, wäre mithin ein Rückschritt gegenüber der jetzigen Regelung. Sie wäre Korrektiv für ein Problem, das ohne den Versuch seiner Lösung gar nicht entsteht. Indessen zeigt die Existenz des § 81c Abs. 3 StPO, dass die Norm das Ziel verfolgt, einen Dritten zum Beweismittel gegen einen anderen und nicht ihn zum Beweismittel gegen sich selbst zu machen. Die Unanwendbarkeit des § 55 StPO, die durch die Bezugnahme des § 81c Abs. 3 StPO auf § 52 StPO zum Ausdruck kommt, ist nicht von der Idee geleitet, den Untersuchten schlechter zu stellen als den Zeugen, für den § 55 StPO unmittelbar gilt. Es handelt sich bei ihr auch nicht um ein Versehen oder Missgeschick des Gesetzgebers380, sondern vielmehr um einen Ausdruck der Stoßrichtung, des Einsatzfeldes des § 81c StPO381: Die Ausgestaltung des § 81c Abs. 3 StPO ist von dem Gedanken beseelt, dass es de facto für den Angehörigen keinen Unterschied macht, ob er gegen seinen Verwandten aussagt oder anderweitig zu seiner Überführung beiträgt382; obschon der de jure bestehende Unterschied, ob er 379
Vgl. Beck, S. 334. So aber wohl Kretschmer, HRRS 2012, 183 (185, 187). 381 Vgl. Beck, S. 328 zum Unterschied zwischen Zeugenvernehmung und Teilnahme an der DNA-Reihenuntersuchung im Hinblick auf den Beinahetreffer. 382 Der BGH spricht bei BGHSt 5, 132 (134) von einem „enge[n] sachliche[n] Zusammenhang zwischen […] Zeugnispflicht und […] Duldungspflicht“; von einer „Verwandtschaft“ der beiden Pflichten spricht bereits Beling, ZStW 15 [1896], 471 (490) ebenso wie Etterich, S. 66 f. und Huß, S. 45; bei BGHSt 12, 235 (238) spricht der BGH vom Untersuchungsverweigerungsrecht als „Gegenstück zum § 52 StPO“; vgl. auch BGHSt 13, 394 (399); 32, 140 (143); Bosch, in: KMR-StPO, § 81c, Rn. 21; ders., in: SSW-StPO, § 81c, Rn. 18, der Untersuchungs- und Zeugnisverweigerungsrecht auf eine „einheitliche [r]atio“ zurückführt; Hombert, S. 96, der in Anlehnung an den BGH vom Untersuchungsverweigerungsrecht als „Gegenstück zu § 52 StPO“ bezeichnet; Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 31, der eine Verwandtschaft der beiden Rechte annimmt; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 331 a. E.; Neuhaus, in: HK-GS, § 81c StPO, Rn. 8, der von einem Ablegen des Zeugnisses mit dem Körper spricht; fast wörtlich gleich auch Kühne, § 28, Rn. 492.2; Peters, § 30, II.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 41, der das Untersuchungsverweigerungsrecht als „Ergänzung und Fortschreibung des Zeugnisverweigerungsrechts“ bezeichnet; Sauter, S. 172; Schmidt, JR 1959, 369 (370); P. Schmitt, S. 41 f.; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81c, Rn. 23, der eine Anknüpfung an § 52 StPO annimmt; fast wortgleich dazu Beukelmann, in: Radtke/ Hohmann, StPO, § 81c, Rn. 12; Brauer, in: HK-StPO, § 81c, Rn. 19; Suffa, S. 15 ff.; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c, Rn. 40 spricht insofern von einer Gleichstellung und weist in Rn. 2 a. E. auf eine Annäherung des § 81c StPO an Zeugenpflichten und -rechte hin; Velten, in: SK-StPO V, § 252, Rn. 20; ohne Anknüpfung an einzelne Rechte zum Recht des Betroffenen, selbst über die 380
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aktiv aussagt oder passiv nur Untersuchungen duldet, nicht verkannt werden darf383. Freilich kann ein Zeuge sich mit seiner Aussage selbst in einen Zustand versetzen, in dem er als Beschuldigter sich mit staatlichen Zwangsmaßnahmen als bald konfrontiert sehen wird – z. B., wenn er entgegen § 55 StPO sich selbst belastet, sei es aus Versehen, sei es aus anderen Motiven. Schließlich konstituiert § 55 StPO ein Recht zur Auskunftsverweigerung, keine Pflicht. Jemanden aber als Zeugen zu vernehmen, um die Beschuldigtenrechte auszuhebeln und zu umgehen, wird von der ganz h. M. Angehörigenbelastung zu entscheiden vgl. Busch, in: FS Schmidt, 569 (571); Dünnebier, GA 1953, 65 (71), die allerdings etwas zu weit greifend an die Menschenwürde anknüpfen; schlicht auf die Freiheit des Einzelnen abstellend Beck, S. 329; zur Anknüpfung an § 52 StPO vgl. bereits die Ausführungen des Abg. Dr. Arndt (SPD), BT-Plen.-Prot. 1/81, S. 3072 B. 383 Vgl. bereits freilich ohne Anknüpfung an § 81c StPO RGSt 19, 364 (366 f.), wo das RG die Pflicht, als Zeuge auszusagen als eine „völlig verschiedene[…] Pflicht“ im Vergleich zur Untersuchungspflicht charakterisiert und dies explizit damit begründet, dass der Betroffene i. R. d. Untersuchung „sich lediglich passiv zu verhalten und das Resultat der Darlegung dritter Personen zu überlassen ha[be]“; ähnlich zuvor schon RGSt 14, 189 (191); i. d. S. auch schon Beling, ZStW 15 [1896], 471 (490); Huß, S. 45; Kohler, GA 1913, 212 (214); Pollmann, S. 10 ff.; Rosenmeyer, GS 63 [1904], 41 (49); i. E. auch Klaus, S. 13 f.; vgl. weiter aus der aktuelleren, an § 81c StPO anknüpfenden Literatur Bosch, in: KMR-StPO, § 81c, Rn. 1; ders., in: SSW-StPO, § 81c, Rn. 1; Busch, in: FS Schmidt, 569 (571); Busch, NJW 2013, 1771 (1772); Eckstein, Ermittlungen zu Lasten Dritter, S. 425 f.; Etterich, S. 67; Geerds, Jura 1988, 1 (10); Güntge, in: Alsberg, Beweisantrag, Kap. 5, Rn. 169 a. E.; Kohlhaas, S. 51; Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 40; Magnus, ZStW 126 [2014], 695 (710); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 331; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c, Rn. 25; Velten, in: SK-StPO V, § 252, Rn. 20; Weigend, Gutachten für den 62. DJT, C 1 (C 117); s. auch Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81c, Rn. 23; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 2939; Eisenberg, Rn. 1658; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81c, Rn. 6; Kühne, Rn. 492; Neuhaus, in: HK-GS, § 81c StPO, Rn. 3; Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 31, die betonen, § 81c StPO verpflichte nur zur Duldung, nicht zur aktiven Mitwirkung, wobei mit Rogall festzustellen ist, dass aber zahlreiche der vorstehenden Autoren widersprüchlicherweise die Verpflichtung zum (aktiven) Ablegen von Kleidung desungeachtet von § 81c StPO gedeckt ansehen; zu § 81c Abs. 1 StPO inhaltsgleich Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 321; Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 81c, Rn. 16; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81c, Rn. 7; vgl. i. d. S. auch BGHSt 14, 21 (23); Bockelmann, GA 1955, 321 (332); Schmidt, NJW 1962, 664 (665); vgl. aber auch Goers, in: BeckOK-StPO, § 81c, Rn. 21, der die „Zurverfügungstellung“ des Betroffenen als ein aktives Verhalten charakterisiert; den Unterschied zwischen Dulden und aktivem Handeln in diesem Kontext für unbeachtlich erklärend Suffa, S. 14. Teilweise wird deshalb vertreten, beim Untersuchungsverweigerungsrecht handle es sich im Gegensatz zum Zeugnisverweigerungsrecht nicht um eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, sondern um ein rechtsstaatlich zu begrüßendes Extra, s. Beck, S. 329, 331; Bosch, in: KMR-StPO, § 81c, Rn. 21; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 331; Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 40 a. E.; vgl. weitergehend noch Eckstein, Ermittlungen zu Lasten Dritter, S. 427, der für die Abschaffung des Untersuchungsverweigerungsrechtes plädiert und ausführt: „Defizitäre Legitimation lässt § 81c Abs. 3 StPO als luxuriöse Wohltat des Gesetzgebers erscheinen“; ähnlich auch Weigend, Gutachten für den 62. DJT, C 1 (C 117): „[Ü]bertriebene Rücksichtnahme auf innerfamiliäre Sensibilität“; für die Abschaffung außerdem v. Weber, MDR 1962, 169 (171); wohl auch Kohlhaas, S. 51. Desungeachtet ändert dies nichts an der Wertung des Gesetzgebers, einen gewissen Gleichlauf von Angehörigenbelastung, unabhängig auf welchem Wege sie erfolgt, anzunehmen, der, wenn nicht verfassungsrechtlich zwingend geboten, wenigstens sub specie Art. 6 GG positiv zu sehen ist.
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als rechtswidrige Überschreitung des Beurteilungsspielraumes bei der Beschuldigtenbestimmung gesehen384. Aus der sich konsequenterweise anschließenden unterlassenen Beschuldigtenbelehrung folgt inzwischen385 auch nach der ganz h. M. sogar ein Beweisverwertungsverbot386. Zwar besteht zu der hier im Raume stehenden Situation insofern ein Unterschied, als dass der Beschuldigte gar nicht aussagen muss, der Zeuge nur in den personellen Grenzen des § 52 StPO das Zeugnis und in den inhaltlichen Grenzen des § 55 StPO die Auskunft verweigern kann387, der Beschuldigte i. R. d. § 81a StPO aber dasselbe dulden muss wie der Dritte i. R. d. § 81c StPO. Dem Beschuldigten würden damit keine Rechte genommen, wie dies im Falle der Vernehmung als Zeuge statt als Beschuldigter der Fall ist388. Gleichwohl gibt es 384 Vgl. zum Verbot, einen nach objektiven Kriterien Beschuldigten als Zeugen zu vernehmen BVerfG, NJW 2000, 3775 (3776), wo das Gericht dem scheinbaren Zeugen die Rechte aus §§ 136, 163a StPO zubilligt; zum Recht des objektiv Beschuldigten auf Anwesenheit des Verteidigers bei richterlicher Vernehmung, selbst wenn er als Zeuge vernommen wird BGHSt 51, 150 (156 f.); zur rechtwidrigen Überschreitung des Beurteilungsspielraumes, wenn trotz starken Tatverdachtes nicht von der Zeugen- zur Beschuldigtenvernehmung übergegangen wird BGHSt 10, 8 (12); 37, 48 (51 f.); BGHSt 38, 214 (228); 51, 367 (371 f., Rn. 19); 53, 112 (114, Rn. 9); NStZ-RR 2012, 49; NJW 2009, 3589; NStZ 2008, 48 (48 f., Rn. 4); StraFo 2005, 27; NStZ-RR 2004, 368; NStZ 1997, 398; NStZ 1996, 200; BGH bei Becker, NStZ-RR 2002, 65 (67); statt vieler aus der Literatur Ahlbrecht, in: HK-StPO, § 136, Rn. 6; Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 52; Amelung, StV 1991, 454 (456); Beck, S. 257, Fn. 893; Benfer/Bialon, Rn. 98a; Beulke, in: SSW-StPO, Einl., Rn. 143, in: KK-StPO, § 136, Rn. 4; Eschelbach, in: SSW-StPO, § 136, Rn. 14; Geppert, in: FS Oehler, 323 (336); v. Gerlach, NJW 1969, 776 (779 f.); Gleß, in: LR-StPO IV/1, § 136, Rn. 6, 9; Kretschmer, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 136, Rn. 4; Kühne, § 4, Rn. 102.2; Kulhanek, in: KMR-StPO, § 136, Rn. 31; Lesch, JA 1995, 157 (159); Monka, in: BeckOK-StPO, § 136, Rn. 4; Müller-Dietz, ZStW 91 [1983], 1177 (1224); Rogall, in: SK-StPO II, Vorb. § 133, Rn. 17; überhaupt gegen einen Beurteilungsspielraum der Strafverfolgungsbehörden Störmer, ZStW 108 [1996], 494 (521 f.); Trüg, StraFo 2005, 202 (203). 385 Gegen ein Verwertungsverbot noch BGHSt 22, 170 (173 f.); 31, 395 (399); BGH bei Pfeiffer, NStZ 1981, 93 (94); BGH NJW 1966, 1718 (1719); GA 1962, 148; OLG Hamm, NJW 1967, 1524; OLG Hamburg, JR 1967, 307 (308); OLG Oldenburg, VRS 32, 129 (134 f.); OLG Zweibrücken, VRS 31, 280 (281); OLG Hamburg, NJW 1966, 1278 (1281); OLG Hamm, JMBl. NRW 1966, 95 (96); Heinitz, JR 1961, 241 (243); Rejewski, NJW 1967, 1999 (2000). 386 Einschränkend für den Verstoß gegen § 243 Abs. 5 S. 1 StPO (= Abs. 4 S. 1 a. F.) noch BGHSt 25, 325 (331); weitergehend auch für Verstöße im Vorverfahren, jedenfalls, solange der Betroffene sein Schweigerecht nicht kannte angestoßen von OLG Celle, NStZ 1991, 403 f. s. BGHSt 38, 214 (220); 39, 349 (351); 42, 15 (22); 47, 172 (173 a. E.); 51, 367 (376, Rn. 30); 53, 112 (115, Rn. 10); NStZ-RR 2007, 80 (81); NJW 2005, 2723 (2725); BGH bei Becker, NStZRR 2002, 65 (67); BGH, StV 1999, 354; NStZ 1996, 200 (201); NJW 1994, 3364 (3365); aus der Literatur statt vieler m. w. N. nur Albrecht, ZStW 131 [2019], 97 (118); Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 52; Diemer, in: KK-StPO, § 136, Rn. 26; Epik, ZStW 131 [2019], 133 (135); Gleß, in: LR-StPO IV/1, § 136, Rn. 77; Rogall, in: SK-StPO II, Vorb. § 133, Rn. 33 a. E.; § 136, Rn. 77 f.; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 136, Rn. 20a. 387 Zum Vergleich der Rechtsstellung eines Zeugen mit der eines Beschuldigten im Hinblick auf die Aussagefreiheit substantiell H. A. Wolff, S. 80 ff. 388 Vgl. in diesem Zusammenhang aber Satzger, JZ 2001, 639 (646); Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (33), die darauf hinweisen, dass es nicht einerlei sei, ob man den Betroffenen nun aufgrund des § 81a oder aufgrund des § 81c StPO untersucht, und in diesem Sinne
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einen jenseits von den Rechten des Beschuldigten bestehenden Unterschied zwischen ihm und dem Zeugen, der sich bspw. in der Pflicht des Zeugen zeigt, auf Ladung vor dem Richter zu erscheinen und auszusagen (§ 48 Abs. 1 StPO) und die Aussage ggf. gem. §§ 59 ff. StPO zu beeidigen. All diese Pflichten sind erzwingbar, s. § 70 StPO. Diese Pflichten bestehen für den Beschuldigten nicht. So wie es einen Unterschied zwischen einem Beschuldigten und einem Zeugen gibt, so gibt es auch einen Unterschied zwischen einem Beschuldigten und einem Dritten gem. § 81c StPO. Weder die Zeugenrolle ist dazu bestimmt, den Zeugen zum Beschuldigten zu machen, noch ist es die Rolle der Beweisperson i. S. d. § 81c Abs. 2 StPO. Daher kann dem Erst-Recht-Schluss Rogalls, der Nichtteilnehmer an einer Reihenuntersuchung könne erst recht Beweisperson sein, wenn er unter Voraussetzungen schon Beschuldigter sein könne389, nicht gefolgt werden. Die Eigenschaft als Beweisperson i. S. d. § 81c Abs. 2 StPO ist keine Vorstufe, kein minus zur Beschuldigteneigenschaft, sondern ein aliud. Jenseits davon setzt freilich die Inanspruchnahme des Zeugnisverweigerungsrechtes nach § 52 StPO voraus, dass es einen Beschuldigten gibt, der mit dem Zeugen verwandt ist390. Dass dieser nicht im Zeitpunkt der Zeugenvernehmung bekannt sein muss, zeigt § 252 StPO, der dem Zeugen die Möglichkeit gibt, im Nachhinein dem Prozess seine Aussage zu entziehen; dies sogar, wenn er im Zeitpunkt der Aussage wusste, dass es sich beim Beschuldigten um seinen Verwandten handelt391. Auch i. R. d. § 81c StPO muss der zu Untersuchende wissen, dass der potentiell392 Be-
darauf verweisen, dass es ein widersinniges Ergebnis wäre, wenn klassische Fingerbadrücke gem. § 81b StPO nur beim Beschuldigten, „genetische“ aber auch beim Nichtbeschuldigten genommen werden dürften. Diesem Gedanken muss aber, jedenfalls soweit auf § 81b StPO rekurriert wird, entgegengehalten werden, dass die Möglichkeit der Erstellung eines DNAIdentifikationsmusters beim Nichtbeschuldigten gem. §§ 81c, 81e StPO losgelöst von der DNA-Reihenuntersuchung zweifelsohne zulässig ist und man den fehlenden Gleichlauf von Fingerabdruck und genetischem Fingerabdruck daher als eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers verstehen muss, über dessen Motiv man zwar streiten kann, dessen Entscheidung aber gleichwohl den Rechtsanwender bindet; vgl. für die Erhebung eines Daktylogramms beim Nichtbeschuldigten zumindest zur Klärung von Abstammungsfragen auf Basis des § 81c StPO auch Hero, S. 191 m. w. N. in Fn. 1067. 389 Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (714). 390 Beck, S. 328; Magnus, ZStW 126 [2014], 695 (709); Mikolajczyk, ZIS 2007, 565; i. d. S. auch BGHSt 40, 211 (214). 391 Vgl. zur Begründung, weil derselbe Konflikt besteht nur BGHSt 20, 384 (385); Etterich, S. 76 f.; zur Anwendbarkeit des § 252 StPO selbst für den Zeugen der Hauptverhandlung, der als früherer Mitangeklagter bzw. Mitbeschuldigter im Ermittlungsverfahren gem. § 52 StPO belehrt wurde BGHSt 10, 186 (189 f.); Diemer, in: KK-StPO, § 136, Rn. 11; Ganter, in: BeckOK-StPO, § 252, Rn. 9. 392 Um einen Beschuldigten im oben beschriebenen Sinne muss es sich freilich nicht handeln. Man denke an den Fall, in dem eine vergewaltige Frau Bekannten oder Freunden von einer Vergewaltigung erzählt, nicht aber davon, dass Täter der Ehemann ist. Verständigen die Freunde die Strafverfolgungsbehörden, und beruft sich die Frau bei der sich ankündigenden Untersuchung auf ihr Verweigerungsrecht, so fehlt es an einem Willensakt der Strafverfol-
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
schuldigte sein Verwandter ist, um sein Recht auf Verweigerung wahrzunehmen; dies gilt i. R. d. § 81c StPO umso mehr, weil es an der Korrekturmöglichkeit des § 252 StPO fehlt393. Nicht nur in einzelnen Situationen, sondern prinzipiell fehlt es nach DNA-Reihenuntersuchungen an einem Beschuldigten, wenn § 81c StPO als Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden soll394. Ansonsten wäre schließlich der Weg des § 81a StPO eröffnet, der auch zu gehen wäre, denn es mutet verfassungsrechtlich bedenklich an, wenn eher der Nichtbeschuldigte denn der Beschuldigte mit Zwang untersucht würde395. Das Untersuchungsverweigerungsrecht kann in solchen Situationen zwar de facto wahrgenommen werden, wenn der Betroffene weiß, wer der Täter ist. Es wäre aber sinnlos, denn die Maßnahme nach § 81c Abs. 2 StPO zielt nach einer DNA-Reihenuntersuchung ja gar nicht darauf ab, einen Dritten zum Beschuldigten zu machen, woran der Betroffene nicht mitwirken müsste, sondern darauf, ihn selbst zum Beschuldigten zu machen. Für das Untersuchungsverweigerungsrecht des § 81c Abs. 3 StPO verbliebe damit in praxi gar kein Anwendungsbereich. Das zeigt, dass § 81c StPO nicht auf die ihm Raume stehenden Maßnahmen passt. Denn ein Untersuchungsverweigerungsrecht hat nur da seine Berechtigung, wo es einen Beschuldigten oder Betroffenen gibt, zu dessen Gunsten der zu Untersuchende weigerungsberechtigt ist.
gungsbehörden, den Ehemann zu inkulpieren, weil sie nicht wissen, wer überhaupt als Täter in Betracht kommt. Wenigstens die Frau weiß aber, wen sie belasten würde. 393 Zur Unanwendbarkeit des § 252 StPO auf das Untersuchungsverweigerungsrecht s. OLG Hamm, NStZ 2012, 53 (54); Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81c, Rn. 16 a. E.; Busch, NJW 2013, 1771 (1774); Güntge, in: Alsberg, Beweisantrag, Kap. 5, Rn. 188; Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 36 f..; Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 63; Schmitt, in: MeyerGoßner/Schmitt, StPO, § 252, Rn. 6; gegen eine analoge Anwendung des § 252 StPO, auch wenn das Weigerungsrecht erst nach Untersuchung entstand s. u. a. Bosch, in: KMR-StPO, § 81c, Rn. 29; ders. in: SSW-StPO, § 81c, Rn. 24 f.; Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 36; i. E. auch BGHSt 12, 235 (242); Benfer/Bialon, Rn. 1001; Bosch, in: KMR-StPO, § 81c, Rn. 30; Brauer, in: HK-StPO, § 81c, Rn. 23; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81c, Rn. 20; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81c, Rn. 14; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81c, Rn. 25; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c, Rn. 36; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81c, Rn. 15, die ausführen, die vor Widerruf des Verzichtes auf das Weigerungsrecht erlangten Beweise seien verwertbar, was aber mit § 252 StPO nicht in Einklang zu bringen wäre; ähnlich Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 2948 für den Widerruf der Einwilligung, was aber der Nichtausübung des Verweigerungsrecht nahesteht; für die analoge Anwendung des § 252 StPO aber Eisenberg, Rn. 1673 bei nachträglicher Begründung des Angehörigenverhältnisses, i. Ü. Rn. 1673a, 2318; Etterich, S. 77; Geppert, Jura 1988, 363 (365); Neuhaus, in: HK-GS, § 81c StPO, Rn. 13; Rengier, Jura 1981, 299 (304); Schmidt, JR 1959, 369 (373); Velten, in: SK-StPO V, § 252, Rn. 11, 20; wohl auch Schäfer/Sander, Rn. 977. 394 So auch im Fall von BGHSt 58, 84 ff. wie Beck, S. 328 und Magnus, ZStW 126 [2014], 695 (709) treffend bemerken; vgl. Beck, S. 259, die aufgrund der Unbekanntheit eine Umgehung des Untersuchungsverweigerungsrechtes befürchtet; gleichsam Swoboda, StV 2013, 461 (464 vor der Reihenuntersuchung und 465 danach), vgl. auch Hombert, S. 102, der aufzeigt, dass das Untersuchungsverweigerungsrecht in den Fällen von Reihenuntersuchungen de facto leer läuft. 395 Vgl. schon BVerfGE 44, 353 (371).
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Das Untersuchungsverweigerungsrecht des § 81c Abs. 3 StPO zeigt mithin summa summarum, dass die Vorschrift des § 81c StPO nicht der Zielrichtung entspricht, die nach oder bei DNA-Reihenuntersuchungen verfolgt wird. Es steht der Anwendung des § 81c StPO mithin nicht nur in einzelnen Situationen, sondern prinzipiell entgegen, weil es zeigt, dass § 81c StPO nicht den Untersuchenden zum Beweismittel gegen sich, sondern gegen einen Dritten machen soll, worauf die Untersuchung nach einer Reihenuntersuchung aber nicht abzielt. (c) Der historische Wille des Gesetzgebers als Anhaltspunkt für einen individualbezogenen Ansatz Als Argument gegen die Zulassung von Reihenuntersuchungen gem. § 81c Abs. 2 StPO kann auch der historische Wille des Gesetzgebers ins Felde geführt werden396. Hierzu gilt es die historische Entwicklung des § 81c StPO näher zu beleuchten. Ursprünglich galt der sog. Spurengrundsatz des § 81c Abs. 1 StPO auch für die Untersuchungen nach Abs. 2. Jener Spurengrundsatz würde einer Zellentnahme zum Zwecke der DNA-Analyse entgegenstehen, da es bei derselben gerade nicht darum geht, eine Spur oder Folge einer Straftat am Körper des Dritten festzustellen397. Dies hindert die Stützung des Wangenabstrichs auf § 81c Abs. 1 StPO freilich neben den oben genannten Argumenten398. Der Gedanke, der den Gesetzgeber im Jahre 1953 beseelt hatte, den Spurengrundsatz für Untersuchungen des Abs. 2 zu streichen, war, dass jemand als Beweisperson dienen kann, ohne dass er Spuren oder Folgen einer Straftat an sich trägt399. Als Beispiel diente dem Gesetzgeber der Fall, dass es bei einem Meineidsprozess darauf ankommen könne, eine Blutgruppenuntersuchung durchzuführen400. Damit sollte bspw. der Vater überführt werden, der unter Beeidigung im Zivilprozess sein nichteheliches Kind durch Bestreiten des Geschlechtsverkehrs mit der Mutter verleugnete, um sich der Unterhaltsverpflichtung zu entziehen, indem die Verwandtschaft von Vater und Kind mittels Untersuchung der Blutgruppen belegt werden sollte401. Ein solcher Verwandtschaftsnachweis, erfolge er nun mittels Blutgruppenuntersuchung oder mittels DNA-Analytik, wäre aber unter der Ein396
So auch Busch, NJW 2001, 1335 (1336); Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (467 f.). Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (75), Hero, S. 186; Hombert, S. 96; Kaefer, Kriminalistik 2000, 282 (283); Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (466); Latotzky, S. 136; Satzger, JZ 2001, 639 (645); Sauter, S. 164 f. 398 Vgl. zu diesen oben Kap. 4 § 1 I. 2. b) bb) (1). 399 Vgl. BT-Drucks. 1/3713, S. 49; i. Ü. zum Motiv des Gesetzgebers Busch, NJW 2001, 1335 (1336); Costa, MDR 1953, 577 (579); Dünnebier, GA 1953, 65 (67); Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (467 f.); für die Geltung des Spurengrundsatzes auch i. R. d. § 81c Abs. 2 StPO aber offenbar Malek/Wohlers, Rn. 300. 400 BT-Drucks. 1/3713, S. 49. 401 Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81c, Rn. 8; Busch, NJW 2001, 1335 (1336); Dünnebier, GA 1954, 65 (66); Hombert, S. 108 f.; Rüping, Kap. 3, Rn. 269; Trück, in: MüKoStPO I, § 81c StPO, Rn. 4; zu dem besprochenen Fall nach alter Rechtslage auch RGSt 64, 160 ff.; ähnlich auch der Fall bei Benfer/Bialon, Rn. 1013. 397
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
schränkung des Spurengrundsatzes nicht zu führen, da an dem nichtehelichen Kind weder eine Spur noch eine Folge des Meineides zu finden ist402. Damit hatte der Gesetzgeber einen Fall vor Augen, der nicht in der Untersuchung ganzer „Reihen“ von Personen bestand, sondern in der Untersuchung eines Einzelnen. Eine erhebliche Ausweitung des § 81c StPO in personeller Hinsicht, wie sie mit DNA-Reihenuntersuchungen gem. § 81c Abs. 2, 81e StPO oder mit DNAAnalysen nach Reihenuntersuchungen gem. § 81h StPO verbunden wäre, war also nicht der Sinn der gesetzgeberischen Entscheidung zur Streichung des Spurengrundsatzes. Vielmehr sollte der individualbezogene Ansatz, wie der Spurengrundsatz ihn postuliert, erhalten blieben. Diesem Argument ließe sich nun zwar entgegenhalten, dass der Gesetzgeber selbst den angesprochen Fall nur als ein Beispiel sieht403. Er führt selbst aus, es könne auf eine Blutgruppenuntersuchung „in vielen Fällen entscheidend ankommen“404. Der prima facie naheliegenden Gedanke, der Gesetzgeber habe mithin nicht nur ein konkretes Problem bzw. vergleichbare Probleme lösen, sondern prinzipiell den personellen Anwendungsbereich des § 81c StPO erweitern wollen, ginge aber dennoch fehl. Denn freilich hat der Gesetzgeber im Jahre 1953 keine DNA-Reihenuntersuchungen vor Augen gehabt, er hatte auch keine „Blutgruppen-Reihenuntersuchungen“ vor Augen, mit denen eine Vielzahl von Kindern auf Verwandtschaft mit dem Vater untersucht werden sollten, sondern nur eine Untersuchung des Kindes, hinsichtlich dem die Vaterschaft unter Eid geleugnet wurde. So ist Übereinstimmung mit Kerner/Trüg zu konstatieren, dass der historische Wille des Gesetzgebers nichts am Wortlaut des § 81c StPO ändert, der Gedanke aber fruchtbar zu machen ist: Die vielen Fälle, die der Gesetzgeber postuliert, sind alle auf eine einzelne Person gemünzt, nicht auf mehrere405. Der historische Wille des Gesetzgebers spricht daher für ein individualbezogenes Verständnis des § 81c StPO, dem bei flächendeckenden Untersuchungen nicht entsprochen wäre. 402 BGH bei Dallinger, MDR 1953, 147 (148); wo der BGH selbst von „Lücken des geltenden Rechts“ spricht und es für „bemerkenswert“ hält, dass nach damaliger lex lata im Zivilprozess gem. § 372a ZPO Untersuchungen in weiterem Umfang möglich waren als im Strafprozess nach der Parallelvorschrift des § 81c StPO; s. weiter Busch, NJW 2001, 1335 (1336); Dzendzalowski, S. 28; Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (467); Krause, in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 24; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 323; Rogall, in: SK-StPO I, § 81c, Rn. 11; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c, Rn. 4; zur Möglichkeit de lege lata Rn. 20; dazu auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81c, Rn. 14; ders., in: SSW-StPO, § 81c, Rn. 11. Anders könnte die Situation aber liegen, wenn Gegenstand des strafgerichtlichen Verfahrens nicht der Meineid im Zivilprozess, sondern ein gem. § 172 StGB a. F. strafbarer Ehebruch wäre, aus dem das Kind stimmt. Sodann könnte man das nichteheliche Kind durchaus als Folge der Straftat bezeichnen; vgl. i. E. abl. OLG Braunschweig, NJW 1954, 1052 (1053). 403 BT-Drucks. 1/3713, S. 49: „z. B.“. 404 BT-Drucks. a. a. O. 405 Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (467 f.).
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(2) Voraussetzungen des § 81e StPO im Lichte der Reihenuntersuchung Überholt ist inzwischen hingegen das in der älteren Literatur und Rechtsprechung anzutreffende Argument, dem Weg über §§ 81c, 81e StPO stehe entgegen, dass eine DNA-Analyse nach § 81e Abs. 1 StPO nur soweit zulässig sei, als sie der Feststellung diene, ob das Spurenmaterial vom Beschuldigten oder Verletzten stamme, was der Merkmalsträger in der hier besprochenen Situation aber nicht sei406. Dieser Auffassung folgend wäre nicht nur eine DNA-Analyse der Probe nicht möglich gewesen. Man hätte konsequenterweise auch gar nicht erst eine Zellgewinnung forcieren dürfen, weil jene eo ipso unverhältnismäßig ist, wenn mit ihr nichts anzufangen ist und sie damit überhaupt nicht zur Aufklärung der Anlasstat beitragen könnte407. Inzwischen, seit 2017, darf nach § 81e Abs. 1 S. 1 StPO u. a. das DNA-Identifikationsmuster der Person, d. h. im Falle der Zellgewinnung nach § 81a StPO des Beschuldigten, im Falle der Gewinnung nach § 81c StPO der Beweisperson, festgestellt werden und mit Vergleichsmaterial abgeglichen werden, soweit dies zur Erforschung des Sachverhaltes erforderlich ist. Durch die Präzisierung durch den Gesetzgeber408 wäre eine DNA-Analyse nun mehr möglich, wenn von den Nichtteilnehmern Zellen auf Basis des § 81c StPO gewonnen worden wären. Eine Billigung einer entsprechenden Praxis durch den Gesetzgeber ist in der Änderung des § 81e Abs. 1 S. 1 StPO jedoch nicht zu erblicken, da die Gesetzgebungsmaterialien 406 So aber noch Ademi, S. 277; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 14; Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (76); dies., NStZ 2004, 297 (299); Hero, S. 189 ff.; Hombert, S. 110 ff.; Kerner/ Trüg, in: FS Weber, 457 (468); Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 2; ders., in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 29; Lammer, StraFo 2003, 127 (130); Latotzky, S. 139; Satzger, JZ 2001, 639 (646, s. ferner 647 o. links); Sauter, S. 180 f.; Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (32 f.); zumindest mit dieser Begründung zweifelnd Volk, NStZ 2002, 561 (563); i. E., aber ohne Bezug zu Reihenuntersuchung Altendorfer, S. 100, 102; heute noch vertreten von Bosch, Jura 2021, 41 (47). Dagegen bereits explizit LG Mannheim, NStZ-RR 2004, 301 (302 f.); Beck, S. 258; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 196 f.; Busch, NJW 2001, 1335 (1336); Kretschmer, HRRS 2012, 183 (186); Pommer, JA 2007, 621 (627); Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 8; ders., in: FS F.-C. Schroeder, 691 (715 f.); tendenziell auch Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1665, der ausführt, die alte Fassung habe die Feststellung erlaubt, ob das Material vom Dritten stamme; Fahl, S. 208, der in Fn. 1498 die gegenteiligen Ansichten als abweichend zitiert; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (199 mit Verweis auf 193); implizit auch LG Frankenthal, NStZ-RR 2000, 146, wobei hier die Heranziehung von § 81c StPO angesichts der gegen den Betroffenen vorliegenden Beweise nicht glücklich erscheint; vgl. implizit weiter die oben in Fn. 393 (Kap. 5) aufgeführten Befürworter einer Stützung auf §§ 81c Abs. 2, 81e StPO, die sich zwar nicht mit der Problematik auseinandersetzten, gleichwohl aber über das Problem hinweggekommen sein müssen, weil ansonsten konsequenterweise die Maßnahme ausscheiden müsste; ebenso implizit ohne auf die Spezifika der Reihenuntersuchung einzugehen Bosch, in: SSW-StPO, § 81e, Rn. 8; zumindest gebilligt von BVerfG, NJW 1996, 1587 f.; VerfGH Berlin, NJW 2006, 1416 (1418). Zutreffend inzwischen wohl auch, wenn auch zweifelnd Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 3 a. E. 407 Zutreffend Lammer, StraFo 2003, 127 (130); a. A. ohne Auseinandersetzung mit der Problematik Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (75); dies., NStZ 2004, 297 (299); Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 2; widersprüchlich insofern gleichwohl bereits gegen die Zellentnahme mit der Begründung, diese ziele auf eine DNA-Analyse ders., in: LR-StPO II, § 81c, Rn. 29. 408 Vgl. BT-Drucks. 18/11277, S. 22.
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die hier besprochene Konstellation nicht nennen. Der Grund für die Novellierung erschöpft sich in der Beseitigung der DNA-Analysen nach § 81e StPO eigenen Problemen, die unabhängig von der hiesigen Problematik bestanden. (3) Ergebnis Sollte der verbleibende Kreis der Merkmalsträger nicht Beschuldigte sein, so ist den Strafverfolgungsbehörden verwehrt, ihn dazu zu machen, indem im Wege der §§ 81c, 81e StPO gegen sie vorgegangen wird. Ein solches Vorgehen wäre nicht zumutbar i. S. d. § 81c Abs. 4 StPO, weiter steht die im Untersuchungsverweigerungsrecht zum Ausdruck kommende Konzeption des § 81c StPO entgegen. Nicht (mehr) scheitert ein solches Vorgehen aber an § 81e StPO, weil die Vorschrift inzwischen novelliert wurde, sodass eine vertiefte Auseinandersetzung mit § 81c StPO, die frühere Publikationen mit Verweis auf die jedenfalls nach § 81e StPO angeblich unzulässige DNA-Analyse aussparten409, notwendig wurde. dd) Zusammenfassung zu den Folgen der Einwilligungsverweigerung Es lässt sich damit festhalten, dass die Verweigerung der Teilnahme an der DNAReihenuntersuchung per se keine negativen Folgenden für den Nichtteilnehmer hat, sodass die Einwilligungserklärung des Teilnehmers unter diesem Aspekt als freiwillig betrachtet werden kann. Weder wird der Verweigerer ipso jure zum Beschuldigten – hierfür wäre nicht seine Verweigerung, sondern die Teilnahme der anderen maßgeblich –, noch ist es den Strafverfolgungsbehörden möglich, gegen ihn auf dem Wege der §§ 81c, 81e StPO vorzugehen. 3. Die Belehrungsvorschrift des § 81h Abs. 4 StPO im Gefüge der allgemeinen Einwilligungs- und Freiwilligkeitsdogmatik Aus der Belehrungsvorschrift des § 81h Abs. 4 StPO ist bis hierin nur auf die Belehrung über die Freiwilligkeit gem. S. 1 hingewiesen worden. Um der Vorschrift zu genügen, muss der zur Belehrung Berufene indes gem. S. 2 auf weitere Punkte hinweisen: Dass die Untersuchung der Körperzellen nur der Feststellung des DNA-Identifikationsmusters, der Abstammung und des Geschlechtes dient (Nr. 1); dass die Zellen nach Feststellung vernichtet werden (Nr. 1); dass die Feststellungen sowohl zu Lasten des Teilnehmers als auch eines Verwandten mit dem zur Verfügung stehenden Material abgeglichen werden (Nr. 2 und 3) und dass das DNA-Identifikationsmuster nicht zum Zwecke der Beweisführung in künftigen Strafverfahren beim BKA gespeichert wird (Nr. 4).
409
S. u. a. Lammer, StraFo 2003, 127 (130).
§ 5 Formelle Voraussetzungen
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Diese Belehrung nach § 81h Abs. 4 StPO soll den Zweck verfolgen, die Freiwilligkeit der Einwilligung zu sichern410. Betrachtet man die Gesetzgebungsmaterialien genauer, so zeigt sich ein differenziertes Bild411: Während S. 1 tatsächlich nur dieser Zweck zugeschrieben wird412, soll S. 2 nach der gesetzgeberischen Konzeption Ängsten entgegenwirken und somit die zur Teilnahme Aufgerufenen zur Teilnahmen bewegen413. Wie aber bereits aufgezeigt wurde, kann freiwillig eine Einwilligung nur erfolgen, soweit der Einwilligende sich der Reichweite dessen bewusst ist, in das er einwilligt414. Mit anderen Worten muss er abschätzen können, wie intensiv die Maßnahme in seine grundrechtlich geschützte Sphäre eingreifen würde, wenn sie mit Zwang erfolgte. Für die Beurteilung, inwieweit eine staatliche Maßnahme das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung berührt, ist dabei von entscheidender Wichtigkeit, wie genau die „Verarbeitung“ erfolgt. Unter dem Begriff der Verarbeitung können sich nämlich Maßnahmen von unterschiedlichster Eingriffsintensität verbergen, was die Frage aufwirft, ob es sich um einen klugen gesetzgeberischen Akt gehandelt hat, alle Formen des Umgangs mit Daten dem Begriff der Verarbeitung zu unterwerfen. Schlüsselt man ihn auf, so erschließt sich prima vista jedenfalls, dass eine Speicherung von Daten wesentlich eingriffsintensiver ist als eine bloße Feststellung. Sie würde quasi den Eingriff perpetuieren. § 81h Abs. 4 S. 2 StPO informiert den Betroffenen im Wesentlichen wenigstens implizit über die potentielle Eingriffsintensität. Die erweiterte Belehrung nach § 81h Abs. 4 S. 2 StPO muss daher im Lichte ihrer freiwilligkeitssichernden Funktion gesehen werden415 und nicht im Lichte einer teilnahmefördernden Funktion, denn letztere mag für den Gesetzgeber, nicht aber für den Gesetzanwender von Bedeutung sein. Deshalb ist nicht nur positiv zu sehen, dass das Verbot der Verwendung der i. R. d. DNA-Reihenuntersuchung angefallen Daten in künftigen Strafverfahren, das § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 4 StPO nicht konstituiert, sondern voraussetzt416, gegenüber dem Betroffenen offenbar werden muss. In diesem Lichte ist auch die Belehrung über die Körperzellvernichtung gem. § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO zu sehen. Sie ergänzt quasi die Kenntnis über die verbotene Speicherung um die Kenntnis des Verbotes einer 410
Vgl. BT-Drucks. 15/5674, S. 13 mit Verweis auf einen weder existierenden noch geplanten § 81h Abs. 5 StPO, s. ferner aber zu Abs. 4 S. 14; Ademi, S. 268; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 11; krit. dazu Beck, S. 262; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 13; ders., in: SSWStPO, § 81h, Rn. 10; Eisenberg, Rn. 1688; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 13; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 34; Stief, StV 2017, 470 (476 f.); Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 20. 411 Zutreffend Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 34 f.; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 383; Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (711); Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (197); vgl. auch Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 12. 412 BT-Drucks. 15/5674, S. 14, rechte Spalte, 2. Abs. am Anfang. 413 BT-Drucks. 15/5674, S. 14, rechte Spalte, 2. Abs. a. E. 414 Kap. 3 § 4 V. 2. d) bb) a. E. 415 Vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 14; i. d. S. hinsichtlich der Verwertbarkeit des Beinahetreffers auch BT-Drucks. 18/11277, S. 21. 416 S. o. Kap. 5 § 3 II. 2.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
erneuten Datenerhebung ohne Kenntnis des Betroffenen. Indes muss die Belehrung über die den beschränkten Feststellungsumfang und die Körperzellvernichtung in einem Punkt auch kritisch beurteilt werden, weil sie nur implizit ausdrückt, was für den Betroffenen wichtig ist, um die Reichweite seiner Entscheidung beurteilen zu können: Die Aufbewahrung der Körperzellen bis zum Vernichtungszeitpunkt. Freilich ist logisch, dass die Zellen bis zur Erhebung der betreffenden Daten aufbewahrt werden; ansonsten könnte die Maßnahme ja nicht durchgeführt werden. Wer – metaphorisch gesprochen – sich damit einverstanden erklärt, dass Daten von einem überlassenen Datenträger kopiert werden, der muss damit rechnen, dass der Datenträger bis zum Ende des Kopiervorgangs benötigt wird. Der Vorschrift zu attestieren, sie verfehle ihr Ziel, ginge deshalb zu weit; indessen wäre eine explizite Normierung wünschenswert, dass bis zur Erhebung die Zellen aufbewahrt werden und sie erst danach vernichtet werden. Zu begrüßen ist jedoch, dass explizit die Verwertbarkeit eines Beinahetreffers bekannt gegeben werden muss, denn während man wohl unterstellen können wird, dass in der Bevölkerung bekannt ist, dass der Vergleich zweier DNA-Identifikationsmuster mit großer Wahrscheinlichkeit Übereinstimmung bzw. Verschiedenheit nachweisen kann, wird man ebenso unterstellen müssen, dass die Möglichkeit. mit demselben Verfahren eine Verwandtschaft nachzuweisen, eher unbekannt sein dürfte. Deshalb hat der Gesetzgeber gut daran getan, gleichzeitig mit der Ermöglichung des Verwertung Beinahetreffers auch die Belehrungsvorschrift entsprechend anzupassen. Damit erschöpft sich die potentielle Eingriffsintensität der Maßnahme in der Feststellung der ermöglichten Informationen und ihrer Verwendung im Anlassverfahren. Vor diesem Hintergrund ist positiv zu bewerten, dass der Gesetzgeber explizit auch die Möglichkeit der Verwertung zu Lasten des Teilnehmers hinweist. Kritisch zu sehen ist indes die bereits dargestellte Inkongruenz von feststellbaren Informationen und Belehrung417. Denn während § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO u. a. die Abstammung als mögliche Feststellung nennt, ist eine solche zur Erhebung nicht vorgesehen. Da damit die Belehrung nicht hinter dem zurückbleibt, was festgestellt wird, kann in der Belehrung entsprechend der lex lata keine Manipulation o. ä. gesehen werden und es können deshalb auch nicht ernsthaft Zweifel an der Freiwilligkeit der Einwilligung auf sie gestützt werden. Unnötig bleibt die Belehrung über die Abstammung gleichwohl; daher würde der Gesetzgeber gut daran tun, de lege ferenda auch in diesem Punkt eine Angleichung herbeizuführen. Da die Belehrungen zusammengefasst dazu dienen, über den Zweck der Datenerhebung zu informieren, können sie als besondere Ausgestaltung des § 51 Abs. 4 S. 3 BDSG verstanden werden, wenngleich nicht geleugnet werden soll, dass man eine entsprechende Intuition des Gesetzgebers bei der Schaffung des § 81h Abs. 4 StPO nicht unterstellen kann, da diese zeitlich vor der Novellierung des BDSG erfolgte. 417
Kap. 5 § 2 II. 1.
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4. Belehrungserfordernisse jenseits von § 81h StPO i. R. d. DNA-Reihenuntersuchung a) Weitergehende Erklärungen über den Sinngehalt der Belehrung Zweifelsohne wird man dem Gesetzgeber attestieren dürfen, mit der Belehrungsvorschrift des § 81h Abs. 4 StPO den spezifischen Problemen begegnet zu sein, die i. R. e. DNA-Reihenuntersuchung auftreten. Indessen erschöpft sich die Notwendigkeit von Belehrungen nicht – vereinfacht gesagt – in einem sturen Ablesen des § 81h Abs. 4 StPO durch die Strafverfolgungsbehörden418. Ihnen obliegt zunächst die Pflicht, Sorge dafür zu tragen, dass der Betroffene den Inhalt dessen versteht, was § 81h Abs. 4 StPO ihm verständlich machen will. Weiß der Betroffene bspw. nicht, was ein DNA-Identifikationsmuster ist (was angesichts dessen, dass der Begriff wegen seiner begrifflichen Fokussierung auf die Identifikation eher rechtlich als naturwissenschaftlich oder gar umgangssprachlich konnotiert ist, die wahrscheinliche Variante ist), so muss die Strafverfolgungsbehörde ihn diesbezüglich ebenso aufklären, auch wenn § 81h Abs. 4 StPO dies nicht voraussetzt419. Dies ergibt sich bereits aus dem télos des § 81h Abs. 4 StPO, der gerade die Freiwilligkeit der Entscheidung über die Teilnahme sichern will. Ist die Teilnahme aber nur freiwillig, wenn der Betroffene überblicken kann, um was es geht, und ist dieser Überblick nur durch weitere Belehrungen – oder in diesem Kontext besser Erklärungen – zu leisten, so wäre es geradezu widersinnig, sie mit dem Hinweis zu unterlassen, § 81h Abs. 4 StPO sähe dies nicht vor. b) Belehrung über die Widerrufsmöglichkeit Weitergehend ist von Finger bereits im Jahre 2006 eine Belehrung über den Widerruf verlangt worden, obschon dies weder zu jener Zeit, noch zuvor, und auch nicht heute in § 81h StPO verlangt wird420. Eine solche Belehrungspflicht ist unbedingt zu bejahen. § 51 Abs. 3 S. 1 StPO erklärt die Widerrufsmöglichkeit einer Einwilligung auch im Strafverfahren expressis verbis für anwendbar; S. 3 verlangt einen entspre-
418
Die Verwendung sog. Formblätter bleibt möglich, solange diese erstens verständlich, zweitens ausführlich genug sind und drittens die Möglichkeit zur Rückfrage besteht, vgl. Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 8; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 11 mit Verweis auf Finger, Kriminalistik 1996, 696 (698), wobei letzterer allerdings nur von einer vorformulierten Einwilligungserklärung spricht. 419 Für eine entsprechende Belehrung über das naturwissenschaftliche Verfahren bereits Sauter, S. 234. An der Einschätzung, da die DNA-Analytik ein neues Verfahren sei, erscheine dies angemessen, wird sich auch mit zunehmendem Alter der Methode wenig geändert haben. 420 Finger, Kriminalistik 2006, 696 (698); ohne Anknüpfung an § 81h StPO Sauter, S. 234; ohne Anerkennung einer gesetzlichen Verpflichtung dafür auch Hasselbach, S. 149.
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chenden Hinweis421. Nun ist bereits auf die Geltung der allgemeinen Einwilligungsdogmatik auch i. R. d. § 81h StPO hingewiesen worden422. Im Übrigen ist auf die Geltung des BDSG auch im Strafverfahren hinzuweisen423. Nun ließe sich zwar anführen, man müsse dem auch in § 500 Abs. 2 Nr. 1 StPO zum Ausdruck kommenden Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“ i. R. d. § 81h StPO insofern Geltung verleihen, als dass die Belehrungsvorschrift des § 81h Abs. 4 StPO eine abschließende Spezialvorschrift sei und somit die allgemeinen Vorschriften verdränge. Dieses Argument hätte zumindest für sich, dass man tatsächlich davon ausgehen muss, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung und bei der Novellierung des § 81h Abs. 4 StPO davon ausging, eine abschließende Vorschrift zu erschaffen, die alles Maßgebliche beinhaltete424. Die Begründung dieser These zur gesetzgeberischen Intention widerlegt aber zeitgleich ihre Tauglichkeit als Argument im hiesigen Kontext. Denn eine so geartete Absicht des Gesetzgebers war und ist nur insoweit notwendig, falls keine allgemeinen Regelungen vorhanden sind, die bereits entsprechende Belehrung gebieten. Dies war bis zur Novellierung des BDSG der Fall, und die allgemeine Einwilligungsdogmatik in der Literatur war zu verworren, als dass der Gesetzgeber auf sie vertrauend eine von ihm erwünschte Belehrung nicht hätte anordnen sollen. Der Gesetzgeber hat deshalb § 81h Abs. 4 StPO so ausführlich wie ihm notwendig erscheinend ausgestaltet, weil es keine generelle Vorschrift gab. Da es aber keine generelle Vorschrift gab, kann § 81h Abs. 4 StPO auch nicht von gesetzgeberischer Intention her als Spezialvorschrift gedacht sein. Denn eine Spezialvorschrift setzt eine allgemeine voraus; erstere kann nur zu etwas erschaffen werden, das bereits existiert. Da die allgemeine Vorschrift des BDSG aber bei der Schaffung des § 81h Abs. 4 StPO nicht existierte, kann eine Charakterisierung des § 81h StPO als Spezialvorschrift nicht mit dem Willen des Gesetzgebers begründet werden. Dieser Charakter des § 81h StPO ergibt sich vielmehr daraus, dass in § 81h Abs. 4 StPO so spezielle Belehrungserfordernisse statuiert sind, die in einer allgemeinen Vorschrift völlig fehl am Platze wären. Man denke an die Belehrung über die Kör421 Das Wort „hiervon“ in § 51 Abs. 3 S. 3 BDSG bezieht sich nicht nur auf die fehlenden Auswirkungen des Widerrufs auf die bisherige Verarbeitung gem. S. 2 (was man nur den Wortlaut betrachtend annehmen könnte), sondern auf das Widerrufsrecht insgesamt, vgl. Heckmann/Paschke, in: Gola/Heckmann, BDSG, § 51, Rn. 43; Johannes/Weinhold, in: HKBDSG, § 51, Rn. 38; Stemmer/Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, § 51 BDSG, Rn. 25. Dieses Ergebnis erscheint auch deshalb sachgerecht, weil es wenig Sinn darbrächte, dem Betroffenen die Folgen der Ausübung eines Rechtes (S. 2) mitzuteilen; ihm gleichzeitig aber nicht zu sagen, dass er das entsprechende Recht überhaupt innehat. 422 Kap. 5 § 5 I. 423 Dazu Kap. 3 § 4. 424 Vgl. für eine abschließende Regelung an Belehrungspflichten in § 81h StPO Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 12, der aber gleichwohl eine Belehrung über die Löschung der Aufzeichnungen für empfehlenswert erachtet; i. d. S. auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 33, der dies damit begründet, das Freiwilligkeitserfordernis sei weitreichender als andere Rechte, über die belehrt werden könnte.
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perzellvernichtung, die in einer allgemeinen, sich nicht mit Spezifika molekulargenetischer Untersuchungen beschäftigenden Vorschrift keine Berechtigung hätte. Aus dem Charakter des § 81h StPO als Spezialvorschrift ist indes nicht zu schlussfolgern, dass diese auch abschließend dergestalt zu sein habe, als dass die allgemeinen Vorschriften des BDSG nicht mehr anwendbar seien. Vielmehr können die einzelnen Bestimmungen, soweit sie sich nicht ausschließen, auch nebeneinander stehen. Ob dieses der Fall ist, muss durch Auslegung ermittelt werden. Hierzu ist zunächst eine teleologisch-historische Auslegung anzustrengen, die den Zweck des § 81h Abs. 4 StPO in den Vordergrund rückt, den der Gesetzgeber bei der Schaffung zu erreichen suchte. Mehr als die Frage, ob die Vorschrift des § 81h Abs. 4 StPO nun abschließend oder ergänzbar ist, verdient Beachtung, dass durch die Belehrung der Gesetzgeber erreichen wollte, dass der zur Teilnahme Aufgerufene seine Entscheidung für oder wider die Teilnahme in Kenntnis der maßgeblichen Folgen der Entscheidung trifft425. Zumindest stünde es diesem Gedanken nicht entgegen, wenn ein Mehr an Belehrung erfolgte, das diesem Ziel dient. Weiter noch würde es wohl diesem Ziel zuwiderlaufen, wenn man ein Mehr an Belehrung verböte, obwohl der Gesetzgeber eine vollumfängliche Kenntnis als Voraussetzung für eine freiwillige Entscheidung ansah. Zwar ließe sich nun die geringe Bedeutung eines Widerspruches i. R. d. § 81h StPO als Argument heranziehen, um somit die These aufzustellen, der zur Teilnahme Aufgerufene treffe auch ohne Information über sein Widerrufsrecht eine Entscheidung in Kenntnis des Maßgeblichen. In der Tat wird der Widerruf i. R. d. § 81h StPO sich häufig als stumpfes Schwert herausstellen, wenn man bedenkt, dass die bis zu seiner Erklärung erfolgte Datenerhebung und -verarbeitung gem. § 51 Abs. 3 S. 2 BDSG rechtmäßig bleibt, so sie es zuvor bereits war. Denn während eine Speicherung, die bei DNA-Reihenuntersuchungen grundsätzlich nicht über einen längeren Zeitraum erfolgt, ein langer Vorgang ist, ist die Feststellung des DNA-Identifikationsmuster und der anschließende Abgleich ein relativ schneller, sodass der Widerruf nach einmal erteilter Einwilligung wohl häufig zu spät käme. Allerdings gilt es auch zu sehen, dass die hier vertretene Meinung, eine Speicherung bis zur Verjährung der Anlasstat sei unzulässig426, zumindest noch nicht herrschend ist. Folgte man der Anknüpfung an den Gesetzgeber, dass bei negativem Abgleich die DNA-Identifikationsmuster bis zur Verjährung gespeichert werden dürfte427, so hätte der Widerruf erhebliche Folgen, sodass bereits aus praktischer Sicht für eine Belehrung über das Recht zu ihm ein Bedürfnis besteht. Selbst desungeachtet ist die praktisch fehlende Relevanz eines Widerrufes kein Argument gegen eine Belehrung. Ganz allgemein muss man erwidern, dass die Tatsache, dass 425 Vgl. noch diff. in BT-Drucks. 15/5674, S. 14; i. d. S. jedoch dann BT-Drucks. 18/11277, S. 21 zur in § 81h Abs. 4 S. 2 StPO normierten Belehrung über die Verwertung eines etwaigen Beinahetreffers. 426 Kap. 5 § 3 II. 1. c). 427 BT-Drucks. 15/5674, S. 14, vgl. weiter Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 10; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 13; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 17.
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für den Widerruf in der hiesigen Konstellation kaum Zeit bleibt, umso mehr für eine Belehrung spricht. Denn wenn schon die Rechtsausübung sich in praxi schwierig gestaltet, dann muss wenigstens dafür gesorgt werden, dass der Betroffene die volle, wenn auch kurze Zeitspanne zur Verfügung hat. Der kurzen Zeitspanne als tatsächliches Problem ist mit den Mitteln des Rechts zu begegnen, nicht umgekehrt428. Ansonsten würde ein durch die tatsächlichen Gegebenheiten der DNA-Reihenuntersuchung bereits abgewertetes Recht völlig entwertet, was wohl kaum i. S. d. Gesetzgebers sein dürfte. Es würde wenig Sinn ergeben, wenn der Gesetzgeber ein Recht statuierte, das selten bis nie zur Geltung kommen kann, wenngleich freilich nicht verkannt werden darf, dass das Widerrufsrecht nicht gänzlich entwertet wäre, nur, weil bei DNA-Reihenuntersuchungen es keine große Anwendung fände. Weiter ist auf Folgendes hinzuweisen: Sollte eine Einwilligung erfolgen, so trägt das Risiko des Zuspätkommens des Widerrufes der Teilnehmer. Ihm dieses Risiko aufzubürden, ist aber nur sachgerecht, wenn er weiß, dass er überhaupt ein Widerrufsrecht hat, weil nur dann gesagt werden kann, dass er das Risiko durch seine Einwilligung erst schafft. Ansonsten hat er de facto nicht ein stumpfes, sondern gar kein Schwert – oder, in den Worten Ransieks: „Nur wer über seine Rechte informiert ist, hat die Möglichkeit, diese Rechte wahrzunehmen“429. Das dieser allgemeine Formulierung entgegengesetzte allgemeine Argument von Cierniak/Herb, sei kein Grundsatz, dass der Beschuldigte über jede Form von Verteidigung belehrt werden müsste430, kann jedenfalls auf die Konstellation der DNA-Reihenuntersuchung nicht übertragen werden. Denn hier fehlt es bereits an einem Beschuldigten, der sich verteidigen müsse (gegen welchen rechtlichen Vorwurf auch?). Außerdem können die Strafverfolgungsbehörden u. U. bei Verweigerung einer freiwilligen Teilnahme an Atemalkoholkontrollen im Wege des § 81a StPO eine Aufklärung mit Zwang herbeiführen; bei DNA-Reihenuntersuchungen nicht. Die Strafverfolgungsbehörden müssen deshalb mehr aufklären als in Fällen, in denen die Aufklärung von Straftaten der Mitwirkung des Betroffenen nicht zwingend bedarf. Daher spricht bereits aus telelogisch-historischer Sicht viel für eine Belehrung über das Widerrufsrecht jenseits von § 81h Abs. 4 StPO. Bestätigung findet dieses Ergebnis aber auch in einer unionsrechtskonformen Auslegung. Berücksichtigung muss finden, dass die Novellierung des BDSG auf der Umsetzung der JI-RL beruht. Wie aufgezeigt, definiert die JI-RL den Begriff der Einwilligung nicht, sondern setzt ihn lediglich in den Erw.-Gr. 35 und 37 voraus. Indessen ist bereits in der Einleitung dieser Arbeit als ein Ziel der EU herausgestellt 428 Vgl. in Bezug auf das Untersuchungsverweigerungsrecht des § 81c Abs. 3 StPO Etterich, S. 66: „Der Gesetzgeber hat entschieden, aus seiner Entscheidung die Konsequenzen für die Anwendung des geltenden Rechtes zu ziehen, ist hier die Aufgabe“. Dieser Satz ist in Bezug auf den Widerruf bei DNA-Reihenuntersuchungen genauso anwendbar wie er verallgemeinerungsfähig und -würdig erscheint. 429 Ransiek, S. 88 in Bezug auf die Belehrung nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO; ähnlich Kliemannel, Die Polizei 2021, 53 (55): „Autonom kann nur entscheiden, wer seine Rechte kennt.“. 430 Cierniak/Herb, NZV 2012, 409 (412).
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worden, in ihr ein einheitliches Niveau an Datenschutz zu gewährleisten, vgl. Erw.Gr. 9 und 10 DSGVO431. Die ersten drei Sätze des Art. 7 Abs. 3 DSGVO, die dem § 51 Abs. 3 BDSG entsprechen, setzen die Widerrufsmöglich expressis verbis voraus. Es ist davon auszugehen, dass der JI-RL-Geber bei der Verwendung des Terminus der „Einwilligung“ eine solche i. S. d. DSGVO meinte432. Dem kann nicht die Unanwendbarkeit der DSGVO im Strafverfahren entgegengehalten werden433, denn wie, wenn nicht i. S. d. gleichzeitig in Kraft getretenen DSGVO soll der Unionrechtsgeber den Begriff der Einwilligung verstehen? Der nationale Gesetzgeber selbst knüpft i. R. d. § 51 BDSG an die DSGVO an434. Da die bereits erfolgte Datenverarbeitung trotz Widerruf unberührt bleibt, können auch keine Besonderheiten des Strafverfahrens als Argument ins Spiel gebracht werden. Sieht man ferner, dass i. R. d. JI-RL die Einwilligung nur in eingeschränktem Maße zulässig sein soll435, so wäre es verwunderlich, wenn ein Widerruf gerade im Strafverfahren nicht möglich sein sollte. Geht man deshalb davon aus, dass § 51 Abs. 3 BDSG zumindest implizit einen europarechtlichen Hintergrund hat, so erschiene vor dem Hintergrund einer europarechtskonformen Auslegung des § 81h Abs. 4 StPO und des § 51 Abs. 3 BDSG fragwürdig, wenn nicht über den Widerruf belehrt werden müsste. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber mit § 51 Abs. 3 BDSG bestehendes Recht insoweit ergänzen wollte wie das Unionsrecht dies gebietet. Daher ist summa summarum von einem Nebeneinander des § 81h Abs. 4 StPO und des § 51 Abs. 3 BDSG auszugehen. Jenseits des Wortlautes des § 81h Abs. 4 StPO muss daher auch über die Widerrufsmöglichkeit des Teilnehmers belehrt werden. Eine Ergänzung des § 81h Abs. 4 StPO im Stile eines „§ 51 BDSG bleibt unberührt“ oder aber die Aufnahme einer Belehrungspflicht über die Widerrufsmöglichkeit in § 81h Abs. 4 StPO aus Gründen der Rechtsklarheit bleibt wünschenswert, wenn das Recht auch de lege lata nicht einem diesbezüglichen Defizit leidet. c) Weitere Belehrungserfordernisse nach dem BDSG, insbesondere zur Löschung Fraglich ist indessen, ob es auch über die Löschung der Aufzeichnungen zu belehren gilt, wenngleich § 81h StPO dazu sich nicht äußert.
431
Stief, StV 2017, 470 (473). Zur Anknüpfung an die DSGVO in § 51 BDSG s. Schwichtenberg, in: Kühling/Buchner, DSGVO/BDSG § 51 BDSG, Rn. 2; Greve, NVwZ 2017, 737 (741). 433 Vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. d DSGVO 434 BT-Drucks. 18/11325, S. 112. 435 Vgl. dazu oben Kap. 3 § 5 IV. 5.; i. E. auch Heckmann/Paschke, in: Gola/Heckmann, BDSG, § 51, Rn. 9. 432
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In der Literatur gibt es Stimmen, die diesbezügliche erweiterte Belehrungspflichten ablehnen, wenngleich sie sie empfehlen436. Andere Stimmen wiederum halten eine entsprechende Belehrung über Löschung für obligatorisch437. Zustimmung verdienen weder die Argumente der Gegner der Belehrung über das Löschungsgebot noch die der Befürworter. Soweit nämlich für die erweiterte Belehrung plädiert wird, findet sich zur Begründung nur der Hinweis auf das Ziel des Gesetzgebers, möglichst viele Merkmalsträger zur Teilnahme zu motivieren438. Zwar ist diesem Argument zuzugeben, dass – die Richtigkeit der gesetzgeberischen These, entsprechende Aufklärung würde den Betroffenen zur Teilnahme motivieren, vorausgesetzt – eine Belehrung über die Löschung tatsächlich geeignet wäre, eine etwaige Angst vor einer langen Speicherung beim zur Teilnahme Aufgerufenen entgegenzutreten. Indessen kann daraus nicht gefolgert werden, dass das Unterlassen einer Belehrung über das Löschungsgebot die Belehrung unvollständig macht. Denn ob der potentielle Teilnehmer nun motiviert ist oder nicht ist aus rechtlicher Sicht irrelevant. Wie motiviert der Merkmalsträger ist, ist kein sich auf die Einwilligungserklärung auswirkendes Kriterien. Wollte man die Relevanz begründen, so müsste man bei der Frage ansetzen, ob der Teilnehmer die Reichweite seiner Entscheidung ohne Information zur Löschung überblicken kann. Dafür ist jedoch das gesetzgeberische Motiv der Motivationssteigerung der falsche Ansatzpunkt. Nicht anders verhält es sich mit dem Argument der Gegner einer entsprechenden Belehrung. Soweit diese auf den angeblich abschließenden Charakter des § 81h Abs. 4 StPO und damit auf nichts anderes als den Wortlaut abstellen439, ist dem mit dem hier i. R. d. Erörterung über eine Belehrungspflicht sowohl bezüglich der Tatverdachtsneutralität der Einwilligungsverweigerung440 als auch bezüglich des Widerrufsrechts441 verwendeten Argument entgegenzutreten, dass der Gesetzgeber wohl kaum lieber eine mangels notwendiger Belehrung unwirksame Einwilligung als eine durch den Wortlaut des § 81h Abs. 4 StPO überschreitende Belehrung wirksame Einwilligung wollte. Ob hinsichtlich des Löschungsgebotes belehrt werden muss ist daher eine Frage, der ausführlicher nachgegangen werden soll. Relativ einfach zu beantworten wäre sie, falls das BDSG eine ähnlich klare Regelung für die Löschung wie § 51 Abs. 3 S. 3 BDSG für das Widerrufsrecht enthielte. Eine solche fehlt indes. Einzig in § 58 Abs. 2 BDSG findet sich das Recht des Betroffenen, „unverzüglich die Löschung sie betreffender Daten zu verlangen, 436 437 438 439 440 441
Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 12 a. E. Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 9; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 35 a. E. Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 35 a. E. Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 12 a. E. Kap. 5 § 5 I. 2. b) aa) (2). Kap. 5 § 5 I. 4. b).
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wenn deren Verarbeitung unzulässig ist, deren Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist oder diese zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gelöscht werden müssen“. Die Voraussetzungen dieses Löschungsanspruches liegen prinzipiell mit negativem Abgleich des DNA-Identifikationsmuster von Spurenleger und Teilnehmer vor. Ergibt sich dabei nämlich weder ein Beinahetreffer noch überhaupt eine Übereinstimmung, so ist der Erkenntniswert der Untersuchung erschöpft. Weitergehende Verarbeitung ist bereits deshalb unzulässig, weil sie keinem Zweck mehr dient; weiter ist sie auch nicht mehr zur Aufklärung der Anlasstat erforderlich442. Auch die Voraussetzungen des § 58 Abs. 3 BDSG, der an die Stelle der Löschung eine Einschränkung der Verarbeitung setzt, sind nicht einschlägig; insbesondere bedarf es der Speicherung zu Beweiszwecken nicht. Damit sind die Voraussetzungen des Löschungsanspruchs in der hier besprochenen Konstellation gegeben. Allerdings ist deshalb noch nichts darüber gesagt, ob die Strafverfolgungsbehörden den Betroffenen auf diesen Anspruch auch hinweisen müssen. Eine solche Pflicht ergibt sich grundsätzlich aus § 55 Nr. 2 BDSG. Da demnach aber nur auf das Recht, Löschung zu verlangen, hinzuweisen ist, und nicht darauf, ab wann eine Löschung von Amts wegen zu erfolgen hat, wie dies i. R. v. DNA-Reihenuntersuchungen der Fall ist, führt die Bezugnahme hierauf nicht weiter. Allerdings ist festzuhalten, dass gem. § 55 Nr. 2 BDSG die Strafverfolgungsbehörden über ein Löschungsrecht hinweisen müssen, wenngleich damit eine Belehrung im Stile von § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO, die lauten müsste, „dass die Feststellungen gelöscht werden, sobald sie zur Aufklärung der Anlasstat nicht mehr erforderlich sind“, damit nicht verbunden ist. Eine solche Vorschrift wäre aber auch im Hinblick darauf, dass sie dem Betroffenen helfen soll, die Reichweite seiner Entscheidung zu überblicken, nicht zu wünschen. Wie im Bereich der Körperzellen aufgezeigt wurde, ist für den Betroffenen weniger wichtig zu wissen, wann die Daten gelöscht werden. Wichtig ist, wie lange sie gespeichert werden. Das gilt i. R. v. § 81h StPO ganz besonders. Zum einen ist auf die Vorschrift des § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 4 StPO einzugehen, nachdem der Teilnehmer darauf hinzuweisen ist, dass eine Speicherung beim BKA für künftige Strafverfahren nicht erfolgen darf. Bei oberflächlicher Lesart bzw. ohne nähere Gedanken wird man schnell zu dem Schluss kommen, dass überhaupt keine Speicherung erfolgt. Dem ist aber nicht so. Denn – darauf ist zum anderen hinzuweisen – eine Speicherung erfolgt selbst nach dem hier vertreten, restriktiven Ansatz zumindest für eine kurze Zeit443, nach der gesetzgeberischen Konzeption u. U. bis zur Verjährung444. Somit steht eine Verarbeitung in Form einer Speicherung im Raum. Darauf würde zwar implizit hingewiesen, wenn gesagt würde, wann gelöscht wird 442
S. schon die Argumentation in Kap. 5 § 3 II. Kap. 5 § II. 1. c). 444 BT-Drucks. 15/5674, S. 14, vgl. weiter Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 10; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 13; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 17. 443
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(denn bis dahin muss logischerweise gespeichert werden, sonst gäbe es nichts zu löschen), gleichwohl wäre aber eine explizite Belehrung die bessere Alternative. Damit lässt sich summa summarum festhalten, dass eine Belehrung über die Löschung nicht vorgesehen und auch nicht notwendig ist. Erfolgt sie aber nicht, so wird es notwendig, den Betroffenen darüber in Kenntnis zu setzen, dass seine Daten nach hier vertretener Auffassung bis nach dem Abgleich, nach Auffassung des Gesetzgebers bis zur Feststellung eines Spurenlegers oder gar bis zur Verjährung, mithin solange, wie sie zur Aufklärung des Verbrechens erforderlich sind, gespeichert werden. Daneben tritt freilich die Belehrung über den Löschungsanspruch nach § 55 Nr. 2 BDSG. Dazu treten die weiteren Belehrungspflichten nach § 55 BDSG, von denen hier insbesondere auf das Belehrungserfordernis über den Zweck der Verarbeitung nach Nr. 1 hingewiesen sei, wobei ein Hinweis auf die Aufklärung der Anlasstat dazu ausreichend sein dürfte, weil kein Teilnehmer ernsthaft wird einwenden können, er wisse nicht, dass eine Straftat aufgeklärt werden solle. Da weitere Daten des Teilnehmers wie Name und Adresse und Geburtsjahr gespeichert werden (ersteres, damit die Strafverfolgungsbehörden sich bei einem Treffer oder Beinahetreffer an den – hier wörtlich – Betroffenen wenden können; letzteres, weil das Geburtsjahr e contrario § 81h Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 81f Abs. 2 S. 3 StPO dem Sachverständigen mitgeteilt wird), sollte auch hierüber belehrt werden, auch wenn eigentlich die Speicherung solcher Daten logischerweise mit der Teilnahme verbunden ist. Dasselbe gilt für die Übermittlung einzelner Daten an den Sachverständigen445, weil diese Übermittlung einen weiteren Eingriff darstellt. 5. Zur Reformbedürftigkeit der Vorschrift – zugleich Kritik zu bereits geforderten Reformvorhaben a) Zum Nebeneinander von BDSG und StPO Die bisherige Untersuchung der Freiwilligkeit der Teilnahme an einer DNAReihenuntersuchung zeigt deutlich, dass mit einem nicht unerheblichen Begründungsumfang verbunden ist, den Umfang notwendiger Belehrung zu konkretisieren. Dies mag daran liegen, dass viele Bestandteile der Belehrung sich aus dem BDSG ergeben, das – wie Basar/Hiéramente treffend formuliert haben – bis jetzt nicht täglich’ Brot des Strafprozessrechtsanwenders war446. Dass dies sich im Laufe der Zeit ändern wird, ist zu hoffen. Es wäre verfehlt zu meinen, Normklarheit würde geschaffen, wenn alle sich aus dem BDSG mehr oder weniger eindeutig ergebenden Belehrungspflichten zusätzlich in die StPO übernommen würden. Im Rahmen des § 81h Abs. 4 StPO wäre das Einfügen eines dritten Satzes, der klarstellt, dass weitere 445 446
So schon Hasselbach, S. 149. Vgl. Basar/Hiéramente, HRRS 2018, 336 (340).
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Belehrungspflichten unberührt bleiben, gleichwohl zu wünschen, um dem Argument entgegenzutreten, es handle sich bei § 81h StPO um eine abschließende Vorschrift. Für den Fall der Belehrung über die Tatverdachtsneutralität der Einwilligungsverweigerung, die sich aus § 51 Abs. 4 S. 4 BDSG ergibt, ist indessen eine Ausnahme zu erwägen. Diese ist so konstitutiv für die Freiwilligkeit der Erklärung des Betroffenen, dass sie aus dem Wortlaut des § 81h Abs. 4 StPO selbst hervorgehen sollte, sodass der erste Blick reicht, um sie zu begreifen. Denn während bei anderen Maßnahmen bei Fehlern i. R. d. Belehrung immerhin noch eine richterliche Anordnung möglich ist (vgl. bspw. § 81a Abs. 2 StPO), so fehlt diese Möglichkeit i. R. d. § 81h StPO. Aufgrund dieses Ausnahmecharakters der DNA-Reihenuntersuchung erscheint es notwendig, die Freiwilligkeit der Teilnahme durch entsprechende Gesetzesänderung besonders zu sichern. Angesichts der Bedeutung für die Entscheidung des Betroffenen sollte dies ferner gelten für die Belehrung über eine Speicherung jenseits einer solchen beim BKA. b) Zur sprachlichen Gestaltung der Belehrung Anders ist allerdings die Art und Weise der Belehrung zu beurteilen. Diese erscheint, fehlgeleitet durch das gesetzgeberische Motiv, möglichst viele Merkmalsträger zur Teilnahme zu bewegen, irreführend. Dies betrifft erstens die Vorschrift des § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO und zweitens die Belehrung über die Löschung, wenn man sie entgegen der hier vertretenen Formulierung angelehnt an § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StPO so formuliert, dass die Daten vernichtet würden, sobald sie zur Aufklärung des Verbrechens nicht mehr erforderlich seien. Freilich kommt die potentielle Eingriffsintensität der Maßnahme implizit zum Ausdruck. Die explizite Betonung des aus Adressatensicht positiven Endes der Eingriffe erscheint aber fragwürdig. Sie erinnert an die Situation des § 136 Abs. 1 S. 2 StPO vor der Novellierung desselben, die immerhin erst und bereits im Jahre 1964 erfolgte. Damals verpflichtete der § 136 StPO die Strafverfolgungsbehörden nicht zur Belehrung, dass es dem Beschuldigten freistehe, sich zu äußern; sie hatten den Beschuldigten zu „befragen, ob er etwas auf die Beschuldigung erwidern wolle“. Der ehemalige Reichsjustizmister Gustav Radbruch bemerkte zu diesen „sehr unbestimmten Worten“447 im Jahre 1949 – zu einem Zeitpunkt mithin, in dem die Vorschrift in dieser Form noch mehr als 15 Jahre Bestand haben sollte – nicht frei von Kritik, „es [werde] also dem freien Gehör des Beschuldigten zugemutet, aus der Form der Frage, ,ob er etwas‘, nicht: ,was er‘ auf die Beschuldigung erwidern wolle, herauszuhören, daß er nicht zu
447
Radbruch, in: FS Sauer, 121.
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antworten brauche“448. Es werde „ihm nicht gesagt, daß ihm das Recht der Aussageverweigerung zustehe (…)“449. Abstrahiert man diesen Gedanken Radbruchs, so lässt sich zusammenfassen, dass eine unverständliche Belehrung de facto keine Belehrung ist. Obschon das Wort „ob“ bei § 136 StPO a. F. dem genauen Leser – oder in der Diktion Radbruchs dem feinhörigen Empfänger der Belehrung – implizit zeigt, dass er nichts sagen muss – die Verwendung der Konjunktion „ob“ zeigt, dass das ihr Folgende nicht zwingend eintreten muss450 –, meint Radbruch mithin, es läge gar keine Belehrung vor. Die scheinbare Antinomie „Implizite Belehrung ist keine Belehrung“ lässt sich nur teleologisch erklären. Betrachtet man nämlich den Sinngehalt einer Belehrung über die Aussagefreiheit, so lässt sich festhalten, dass sie dazu dient, dem Beschuldigten eine Entscheidung für die oder wider die Aussage in der Kenntnis zu ermöglichen, dass er nicht muss451. Dieser Zweck wird nicht erreicht, wenn der Beschuldigte die an ihn gerichtete Belehrung, in welcher Form auch immer sie geschehe, nicht richtig versteht. Überträgt man diese Argumentation auf die Situation bei DNA-Reihenuntersuchungen, wo die Belehrung dazu dient, dem Betroffenen eine Entscheidung für oder wider die Teilnahme zu in der Kenntnis ermöglichen, dass er weiß, worum es geht, so wird klar, dass eine implizite Belehrung diesem Ziele nur schwer Genüge tut. Gegen diesen Vergleich ließe sich nun freilich ins Feld führen, dass bei § 136 StPO ein Beschuldigter im Raum stehe, der sich mit einem strafrechtlichen Vorwurf 448
Radbruch, a a. O.; zust. Schmidt, NJW 1968, 1209 (1210). Radbruch a. a. O.; auch Schlauri, S. 224 spricht davon, erst mit der Novellierung des § 136 sei eine „echte Belehrungspflicht“ in die StPO Einzug gehalten. 450 So auch BGH, NJW 1966, 1718 (1719). 451 Zu diesem Sinngehalt der Belehrung BT-Drucks. 4/178, S. 32; BGHSt 25, 325 (330); 42, 139 (147); NJW 2009, 3589 (Rn. 8); BayObLGSt 50, 108 (115); OLG Oldenburg, NJW 1969, 806; Benfer/Bialon, Rn. 1424; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 3737, 3740; Diemer, in: KK-StPO, § 136, Rn. 11; Ellbogen, NStZ 2010, 464; Eschelbach, in: SSW-StPO, § 136, Rn. 44; Hellmann, Rn. 444; Jäger, in: HK-GS, § 136 StPO, Rn. 17; ders., S. 162; Kulhanek, in: KMR-StPO, § 136, Rn. 49; Mittag, JR 2005, 385 (387); Rogall, in: SK-StPO II, § 136, Rn. 43; Rudolphi, MDR 1970, 93 (99); Salditt, GA 1992, 51 (71); Schmitt, in: MeyerGoßner/Schmitt, StPO, § 136, Rn. 7; Schuhr, in: MüKo-StPO I, § 136, Rn. 26; Schurig, S. 114 f.; Stree, JZ 1966, 593; Verrel, NStZ 1997, 415 (416); ders., S. 119 ff.; Walther, in: AnwKo-StPO, § 136, Rn. 15; Weßlau, ZStW 110 [1998], 1 (12); i. d. S. auch Eisenberg, Rn. 564; Franke, JR 2000, 467 (470); Kretschmer, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 136, Rn. 14; Renzikowski, JZ 1997, 710 (710 f.); vgl. auch Ahlbrecht, in: HK-StPO, § 136, Rn. 20; Monka, in: BeckOK-StPO, § 136, Rn. 8 a. E., die darauf hinweisen, eine gleichwohl empfehlenswerte Belehrung streng nach dem Wortlaut sei solange nicht notwendig, wie die alternative Form Klarheit über die Aussagefreiheit verschaffe; so auch, wenn auch im konkreten Fall unzutreffenderweise bejaht BGH, NJW 1966, 1718 (1719); explizit zu diesem Ziel der Novellierung 1965 Gleß, in: LR-StPO IV/1, § 136, Rn. 28; vgl. jedoch zur Zielerreichung alleine durch die Belehrung krit. Herrmann, NStZ 1997, 209; noch weitergehender Bosch, S. 141 ff.; Fezer, NStZ 1997, 289 (290); Ransiek, S. 56 ff.; Roxin, NStZ 1995, 465 (466); ders., NStZ 1997, 18; Schlauri, S. 224 ff. 449
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konfrontiert sieht, bei § 81h StPO aber ein Nichtbeschuldigter, der sich keinem solchen Vorwurf gegenübersieht. So richtig diese Aussage wäre, so bedeutungslos wäre sie auch. Denn die Belehrungen dienen dazu, dem Adressaten eine Entscheidung in Kenntnis des Maßgeblichen zu ermöglichen. Ob der Adressat nun Beschuldigter oder Nichtbeschuldigter ist, ändert an der Zielrichtung der Belehrung wenig. Gewichtiger wäre schon der Einwand, die Belehrung des § 136 Abs. 1 S. 2 StPO erschöpfe sich darin, über das Recht zu Schweigen zu belehren, was inhaltlich der Belehrung nach § 81h Abs. 4 S. 1 StPO (also der Belehrung über die Freiwilligkeit der Teilnahme), nicht aber der nach § 81h Abs. 4 S. 2 StPO entspreche. An diesem Einwand wäre richtig, dass § 81h Abs. 4 S. 1 StPO dem § 136 Abs. 1 S. 2 StPO näher steht, denn in beiden Fällen geht es darum, dem Adressaten der Belehrung aufzuzeigen, dass er die Hoffnung der Strafverfolgungsbehörden (auf Aussage bzw. Teilnahme) auch enttäuschen darf. Eine Parallelvorschrift zu § 81h Abs. 4 S. 2 StPO wäre mithin ein solche, die dem Beschuldigten aufzeigt, was mit seiner Aussage passiert, wenn er sich zu einer solchen bereit erklärt. Es müsste bspw. belehrt werden, dass die Aussage gem. § 136 Abs. 4 StPO auf Bild und Ton aufgezeichnet wird, dass sie gegen den Beschuldigten verwendet werden kann oder wie lange sie aufbewahrt wird. Daran fehlt es aber, sodass man meinen könnte, der Gesetzgeber sei bei der Gestaltung der Belehrung über zusätzliche Informationen freier als ihn der grundsätzlichen Belehrung über die Freiwilligkeit eines Handelns. Dieser Einwand wäre aber zu kurz gegriffen, denn er würde verkennen, dass der Erkenntnisgewinn von Körperzellen und DNA-Identifikationsmustern um ein Vielfaches höher liegt als der einer aufgezeichneten Aussage. Denn inhaltlich ist die Erkenntnis bei der Vernehmung auf das beschränkt, was der Beschuldigte von sich gibt. Sagt er zu einem gewissen Thema nichts, so können daraus u. U. zwar Rückschlüsse gezogen werden452, aber eine einer Aussage entsprechende Gewissheit über den Geschehens452 Zur Zulässigkeit der Berücksichtigung sog. teilweisen Schweigens des Beschuldigten zumindest in den Fällen, in denen sich das Schweigen sich auf inhaltliche (und nicht zeitliche) Momente bezieht s. BGHSt 20, 298 (300); 32, 140 (145); 38, 302 (306); 45, 367 (369); NStZ 2015, 601; NStZ-RR 2005, 147 (148); NJW 2002, 2260; NStZ 2000, 494 (495); NStZ 1999, 47; StV 1981, 56; BGH bei Dallinger, MDR 1971, 15 (18); BGH bei Dallinger, MDR 1968, 200 (203); vgl. auch BGH, StV 2011, 269 (270); NStZ 2001, 440; OLG Zweibrücken, StV 1986, 290 (290 f.); OLG Stuttgart, NStZ 1981, 272 (273); OLG Köln, VRS 57, 429; OLG Celle, NJW 1974, 202; OLG Hamm, NJW 1974, 1880 (1881); OLG Saarbrücken, VRS 47, 438 (439); OLG Hamm, NJW 1973, 1708; OLG Oldenburg, NJW 1969, 806; OLG Braunschweig, NJW 1966, 214 (215); implizit auch OLG Hamm, JMBl. NRW 1968, 154; Castringius, S. 66; Diemer, in: KK-StPO, § 136, Rn. 10; Frister, in: SK-StPO IV, § 243, Rn. 72; Gleß, in: LR-StPO IV/1, § 136, Rn. 38; Ott, in: KK-StPO, § 261, Rn. 135; Schmidt, JZ 1970, 337 (341 f.); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 261, Rn. 17; Stürner, NJW 1981, 1757 (1758); Verrel, S. 35; Wessels, JuS 1966, 169 (172); gebilligt aus verfassungsrechtlicher Sicht zumindest v. BVerfG, NJW 2005, 1640 (1641 a. E.); krit. zumindest Eser, ZStW 79 [1967], 565 (576); Kölbel, S. 38 f.; Schmidt-Leichner, NJW 1966, 189 (190 f.); Schneider, NStZ 2017, 73 (75 ff.); gegen die Würdigung teilweisen Schweigens des Beschuldigten aber Arndt, NJW 1966, 869 (870); Aselmann, JR 2001, 79 (81 f.); Eisenberg, Rn. 909; Gössel, § 30, C., III., b); Hammerstein, in: FS Middendorff, 111 (114 f.); Kühl, JuS 1986, 115 (120 f.); Park, StV 2001, 589 (590 ff.); Rau,
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ablauf ist damit nicht verbunden. Eine derartige Herrschaft des Betroffenen über die Erkenntnis der Strafverfolgungsbehörden ist der DNA-Analytik gerade fremd. Sind die Zellen einmal im Herrschaftsbereich des Staates, so ist der Betroffene darauf angewiesen, dass der Staat wirklich nur das aus ihnen herausliest, was ihm von Gesetzes wegen gestattet ist. Er kann nicht entscheiden, dass er nur die Bestimmung seines DNA-Identifikationsmusters, aber nicht seines Geschlechtes oder seiner Verwandtschaft zu anderen ermöglichen will453. Während der Vernommene jederzeit seine Aussage abbrechen oder Korrekturen an seinem Verhalten vornehmen kann, ist dem Teilnehmer an einer DNA-Reihenuntersuchung dies verwehrt. Er gibt mit den Zellen den Schlüssel zu der in ihnen enthaltenen Erkenntnis aus der Hand. Auf die geringe Wirksamkeit eines Widerrufes sei nochmals ausdrücklich hingewiesen454. Ferner sind die Verwendungsmöglichkeiten eines DNA-Identifikationsmusters auch ausgeprägter als die einer Aussage. Sagt bspw. der Beschuldigte aus, er sei es gewesen, der den Raub begangen oder die Verletzte vergewaltigt habe, so können die Strafverfolgungsbehörden ihn zwar dieser Tat guten Gewissens anklagen (zumindest sofern das Geständnis glaubhaft ist455); hat er aber andere Straftaten noch begangen, S. 157; Richter II, StV 1994, 687 (690 f.); Rogall, Beschuldigter, S. 250 ff., 254 ff.; Rüping, JR 1974, 315 (318); Rzepka, S. 389.; Schneider, Jura 1990, 572 (578 ff.); Schurig, S. 47 ff.; Stree, JZ 1966, 593 (597); Velten, in: SK-StPO V, § 261, Rn. 66; gegen die Würdigung nur anfänglichen Schweigens weiter auch BGH, StV 1994, 413; StV 1988, 329. 453 Abwegig deshalb der Vorschlag von Singelnstein/Derin, NJW 2017, 2646 (2648) zur Teilnahme unter Ausschluss der Verwertbarkeit des Beinahetreffers, dem sich Neuhaus, in: HKGS, § 81h StPO, Rn. 7 aber angeschlossen hat. Ein solches Vorgehen scheitert erstens wohl aus praktischen Gründen daran, dass für den Sachverständigen eine kaum zu leistende Mehrarbeit wäre, wenn er technisch dafür Sorge tragen müsste, dass bei der Analyse einzelner Proben kein Beinahetreffer angezeigt werden kann oder, sollte dies nicht gehen, er den Strafverfolgungsbehörden nicht mitgeteilt werden darf. Zweitens würde der potentielle Teilnehmer, wenn er wüsste, dass ein Angehöriger möglicherweise der Spurenleger ist, nicht eingeschränkt, sondern gar nicht teilnehmen, wenn er letzteren nicht belasten will, denn ansonsten liefe er Gefahr, dass aus seiner Einschränkung (verbotenerweise, aber dennoch) die Strafverfolgungsbehörden erst auf den Angehörigen aufmerksam würden. Wenn er die Eigenschaft des Angehörigen als Spurenleger weder kennt noch vermutet, würde er erst recht keinen Gebrauch machen von der Einschränkung. Dass eine entsprechende Einschränkung der Einwilligungserklärung rechtlich gleichwohl wirksam wäre, weil der Betroffene freilich über den Umfang seiner Einwilligung bestimmen kann, ändert nichts daran. Insofern gilt, was Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 33 a. E. ausführt: Belehrungen über Weigerungsrechte – überhaupt besondere Weigerungsrechte – sind grundsätzlich überflüssig, weil die Freiwilligkeit der Teilnahme weiter reicht als jede jedes Weigerungsrecht; ähnlich auch Brocke, StraFo 2011, 298 (302). 454 S. o. Kap. 5 § 5 I. 4. b). 455 Drizin/Leo, North Carolina Law Rev. Vol. 82 [2004], 891 (902, 905 – 907 jeweils m. w. N.) wiesen bereits 2004 darauf hin, dass bis zu 25 % der Fehlurteile in den USA auf durch DNA-Analytik als falsch klassifizierten Geständnissen beruhten; auch in Japan scheint der DNA-Analytik in diesem Bereich große Bedeutung zuzukommen, vgl. Ida, in: FS Rengier, 493 f. Zum u. U. geringen Beweiswert von Geständnissen vgl. Hirschberg, S. 16 ff.; R. Lange, S. 90 ff.; Steller, in: FS Eisenberg, 213 (215 ff.). Zur Notwendigkeit entsprechender Prüfung im deutschen Strafverfahrensrecht vgl. BVerfGE 133, 168 (209); BGHSt 39, 291 (303); 43, 195 (204); 48, 161 (167); 50, 40 (49); 52, 78 (83, Rn. 19); NStZ-RR 2016, 147; NStZ 2014, 170; NStZ 2014, 53; NStZ-RR 2012, 256; Urt. v. 06. 12. 2007 – 3 StR 325/07 = BeckRS 2008, 01213,
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so bringt die entsprechende Aussage, soweit sie sich auf jenen Vorwurf beschränkt, die Strafverfolgungsbehörden keinen Millimeter näher zur Aufklärung derselben. Anders liegt die Situation beim DNA-Identifikationsmuster: Erfolgt hier ein Abgleich mit bis dato unbekannten Daten und führt dieser zur Übereinstimmung des DNA-Identifikationsmusters des Teilnehmers mit dem des unbekannten Spurenlegers, so wäre ein solcher Abgleich zwar rechtswidrig456, doch selbst wenn man Beweisverwertungsverbote in diesen Fällen annähme457, so wäre der Vorwurf im Raum und der Weg zur Verurteilung doch schon zu einem großen Stück gegangen. Damit ist die Gefährdungslage bei der Teilnahme an einer DNA-Reihenuntersuchung anders als bei einer bloßen Aussage. Sie ist wesentlich ausgeprägter. Anders und ausgeprägter muss folglich auch die entsprechende Belehrung sein. Aus rechtstaatlichen Gründen geboten erscheint daher, nicht Vernichtung und Löschung, sondern Aufbewahrung und Speicherung in den Vordergrund der Belehrung zu rücken. Dieses Ergebnis wird bestätigt, wenn man der datenschutzrechtlichen Implikation des § 81h Abs. 4 S. 2 StPO Beachtung schenkt. Das ganze Datenschutzrecht ist geprägt von dem Befehl an den Verarbeiter, die Informationen, die er dem Betroffenen zu geben hat, klar zu formulieren458. Quaas formuliert dazu treffend: „Informationen verfehlen ihren Zweck, wenn sie vom Adressaten nicht verstanden werden (…)“459. § 51 Abs. 2 BDSG verpflichtet bei einer Einwilligungserklärung, die mehrere Sachverhalte betreffen soll, das Ersuchen um sie „in verständlicher (…) Form in einer klaren und einfachen Sprache“ zu formulieren. § 59 Abs. 1 BDSG schreibt eine einfache und leicht verständliche Kommunikation vor, wenn es um die Ausübung von Rechten des Betroffenen geht. Entsprechendes wurde in Art. 12 JI-RL gefordert460. Ob dem Genüge getan wird, wenn schlicht gesagt wird, es werde vernichtet bzw. gelöscht, wenn Aufbewahrung und Speicherung nicht mehr erforderlich Rn. 8; NJW 1999, 370 (371); BGH bei Kusch, NStZ 1996, 323 (325, dort Nr. 15); BGH, NStZ 1987, 474; vgl. auch BGHSt 2, 269 (270); 34, 29 (34); StV 1987, 378; OLG Stuttgart, NJW 1999, 375 (376); aus der Literatur auszugsweise Becker, in: LR-StPO VI, § 244, Rn. 9 ff.; Beulke/Stoffer, JZ 2013, 662 (664); Busam, S. 27 f.; Eisenberg, Rn. 15a; Frister, in: SK-StPO IV, § 244, Rn. 11; 31b; Kargl/Rüdiger, NStZ 2003, 672 (673); Kölbel/Selter, JR 2009, 447 (449); Krehl, in: KK-StPO, § 244, Rn. 4; Kucklein/Pfister, in: FS 50 Jahre BGH, 641 (656); Landau/Eschelbach, NJW 1999, 321 (325); Mosbacher, NZWiSt 2013, 201 (206); Nack, StV 2002, 510 (514 f.); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 261, Rn. 6a; Schlüchter, in: FS Spendel, 737 (747 ff.); Schurig, S. 66; Stuckenberg, in: KMR-StPO, § 261, Rn. 51; Volbert, in: FS Eisenberg, 205; Weigend, NStZ 1999, 57 (62); vgl. auch Förschner, StV 2008, 443 (444); Schmitt, GA 2001, 411 (419 ff.); ausführlich zur dogmatischen Rolle des Geständnisses Dencker, ZStW 102 [1990], 51 ff. 456 S. o. Kap. 5 § 3 II. 2. 457 Ausführlich zu den Beweisverwertungsverboten i. R. d. § 81h StPO unten Kap. 5 § 6. 458 Vgl. Greve, in: HK-DSGVO, Art. 12, Rn. 5, 12; Quaas, in: BeckOK-DatenschutzR, Art. 12 DSGVO, vor Rn. 1. 459 Quaas, in: BeckOK-DatenschutzR, Art. 12 DSGVO, vor Rn. 1. 460 Zu § 59 BDSG als Umsetzung von Art. 12 JI-RL vgl. BT-Drucks. 18/11325, S. 115; a. A. indessen Johannes/Weinhold, § 1, Rn. 175.
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seien, muss bezweifelt werden, wenn man sich den Umfang der Diskussion ansieht461, der notwendig war, um diesen Zeitpunkt zu konkretisieren. § 51 Abs. 2 BDSG gilt entsprechend im Anwendungsbereich der DSGVO, vgl. Art. 7 Abs. 2 DSGVO. Ein dem § 59 BDSG entsprechendes Gebot der Verwendung einfacher und verständlicher Sprache gilt gem. Art. 12 Abs. 1 DSGVO. Gemäß Art. 13 Abs. 2 lit. a DSGVO muss der Betroffene deshalb in verständlicher Art und Weise darauf hingewiesen werden, wie lange Daten gespeichert werden oder es müssen wenigstens die Kriterien für die Festlegung der Dauer offenbart werden. Wäre die DSGVO im Strafverfahren anwendbar, so müsste man für die Löschung zu dem Ergebnis gelangen, dass mangels vorhersehbarer Dauer wenigstens gesagt wird, dass keine Erforderlichkeit mehr vorliegt, wenn ein negativer Abgleich den Teilnehmer aus dem Kreis potentiell Beschuldigter ausscheiden lässt. Vergegenwärtigt man sich, dass die Einwilligung im Bereich der DSGVO gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO explizit als Grundlage für Datenverarbeitung vorgesehen ist, während sie im Bereich der JI-RL äußerst skeptisch beäugt ist (vgl. Erw.-Gr. 35 JI-RL), so erscheint er geradezu widersprüchlich, im Bereich der DSGVO hinsichtlich des Gebotes einer klaren und unmissverständlichen Belehrung restriktiver zu verfahren als im Bereich der Strafverfolgung. Was insofern in der DSGVO gilt, muss erst recht i. R. d. Strafverfolgung gelten. Daher ist der Gesetzgeber auch mit Rücksicht auf die im Datenschutzrecht vorherrschende Pflicht zu klarer Sprache angehalten, § 81h Abs. 4 StPO deutlicher zu formulieren. Dies ist nicht zwangsläufig damit verbunden, dass der Gesetzgeber nicht mehr mitteilen soll, wann er löscht und vernichtet. Es bleibt ihm unbenommen, so die Motivation zur Teilnahme zu fördern. Er sollte aber wenigstens gleichzeitig auf die mit der Teilnahme verbundenen potentiellen Eingriffe hinweisen. Zu weit ginge es aber freilich, wenn man mit Hero einen expliziten Hinweis auf die Freiwilligkeit der Einwilligung fordern würde462. Durch die Belehrung über das Einwilligungserfordernis, die explizit in § 81h Abs. 4 S. 1 StPO normiert ist, sowie durch die Belehrung über die Tatverdachtsneutralität der Nichtteilnahme kommt der Sinngehalt eines solchen Hinweises schon zum Ausdruck. Denn eine unfreiwillige Einwilligung ist keine Einwilligung, sondern Zwang. Nicht jede Stilistik, die dem Leser nicht gefällt, ist zugleich ein Verstoß gegen die Rechtsklarheit.
II. Gebot richterlicher Anordnung Zu Beginn der Untersuchung zu den formellen Voraussetzungen des § 81h StPO ist darauf hingewiesen worden, dass die Konzeption der DNA-Reihenuntersuchung 461
S. dazu insgesamt oben Kap. 5 § 3. Hero, S. 179 unter Verweis auf Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (167), wobei diese davon expressis verbis jedenfalls nicht sprechen. 462
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sich durch die Verbindung eines Einwilligungserfordernisses mit dem Gebot richterlicher Anordnung von anderen Maßnahmen der StPO unterscheidet463. Während die Einwilligung in die Teilnahme an der DNA-Reihenuntersuchung einige Spezifika aufweist, sind die Unterschiede der richterlichen Anordnung i. R. d. § 81h StPO im Vergleich zu gerichtlichen Anordnungen anderer Maßnahmen weniger bedeutsam. Dass überhaupt eine richterliche Anordnung ergehen muss, ergibt sich aus S. 1 des § 81h Abs. 2 StPO. Mangels besonders geregelter Zuständigkeit ist gem. § 162 StPO der Ermittlungsrichter zur Entscheidung berufen. Er soll die Einhaltung der materiellen Anordnungsvoraussetzungen überprüfen464 ; dies erschien dem Gesetzgeber gerade im Hinblick der Vielzahl betroffener Personen notwendig465. Die Anordnung hat gem. S. 2 schriftlich zu ergehen, die „Prüfungsmerkmale“ gem. S. 3 zu bezeichnen und begründet zu sein466. Damit sollen die Einschränkung des Adressatenkreises und das Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen transparent werden467. Darüber hinaus wird man auch verlangen müssen, dass in der Anordnung der beauftragte Sachverständige genannt wird468. Der Verweis des § 81h Abs. 3 S. 1 StPO auf § 81f Abs. 2 StPO erscheint insofern unglücklich. Er beschränkt den Verweis ausweislich des Wortlautes auf die „Durchführung der Maßnahme“. § 81f Abs. 2 StPO regelt die Durchführung grundsätzlich aber in den S. 2 ff., nicht in S. 1, der die Pflicht zur richterlichen Benennung konstituiert. Man kann aber angesichts der Besonderheiten der DNA-Reihenuntersuchung gegenüber der einfachen DNA-Analyse nach § 81e StPO nicht annehmen, der Gesetzgeber habe bei letzterer die Bestimmung des Sachverständigen dem Richter und bei ersterer dem Staatsanwalt übertragen. Wenn schon i. R. d. § 81e StPO der Richter entscheiden muss, dann erst recht i. R. d. § 81h StPO. § 81h Abs. 3 S. 1 StPO ist daher so auszulegen, 463
Kap. 5 § 5. BT-Drucks. 15/5674, S. 14; Ademi, S. 269; Hasselbach, S. 147; Hero, S. 183; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 23; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (197); Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 11; krit. dazu Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 6; Rogall, in: FS F.C. Schroeder, 691 (711); einschränkend Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 14; ders., in: SSWStPO, § 81h, Rn. 11 (nur bzw. v. a. „Gesamtabwägung“); vgl. auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 21; Wickert, S. 70; wohl auch Beck, S. 275, die allerdings von der Notwendigkeit der Überprüfung im „Einzelfall“ spricht (was nur Zustimmung verdient, wenn Einzelfall die einzelne DNA-Reihenuntersuchung meint, nicht aber, sollte damit die Untersuchung des einzelnen Teilnehmers gemeint sein; Kühne, § 28, Rn. 495 a. E. 465 BT-Drucks. 15/5674, S. 9. 466 Die Begründungspflicht zur Ablehnung des Antrages folgt aus § 34 StPO. § 81h Abs. 2 S. 3 StPO erfasst nur die Anordnung. 467 BT-Drucks. 15/5674, S. 14; Ademi, S. 270; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 15; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 12; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 8; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 24; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 22; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (197); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 9; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 12; exemplarisch Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 7; Hasselbach, Novellierung, S. 148. 468 I. E. schon Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 7. 464
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dass § 81f Abs. 2 StPO insgesamt gelten muss. Laut Ademi dienten die Schriftform und die Begründungspflicht darüber hinaus auch der besseren Überprüfbarkeit etwaiger Beschlüsse zur Anordnung von Zwangsmaßnahmen gegen Verweigerer469. Die Gesetzgebungsmaterialen erwähnen einen solchen Zweck nicht. Einer Anhörung der jeweiligen Merkmalsträger bedarf es gem. S. 4 nicht; die Anordnung ist nach S. 5 nicht anfechtbar. Ersteres begründet das Gesetzgeber zum einen mit dem Faktum, dass im Zeitpunkt der Anordnung die Merkmalsträger persönlich nicht bekannt sind (man kann nicht anhören)470 und zum anderen mit der aufgrund der Freiwilligkeit der Maßnahme fehlenden (grundrechtlichen) Betroffenheit des Merkmalträgers (man müsste es auch nicht)471. Mit dem letzteren Begründungsteil wird auch kein Bedürfnis für eine Anfechtung der einzelnen Maßnahmen wie Körperzellentnahme oder der gesamten Anordnung gesehen472. Die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der DNA-Reihenuntersuchung kann e contrario gem. und unter den Voraussetzungen473 des § 304 StPO mit der Beschwerde durch die Staatsanwaltschaft angegriffen werden474. 469
Ademi, S. 270. BT-Drucks. 15/5674, S. 14; so auch Ademi, S. 270; Beck, S. 276; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 16; Hasselbach, S. 148; Hero, S. 183; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 25; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 24; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (197); Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 14; Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (36). 471 BT-Drucks. 15/5674, S. 14; so auch Ademi, S. 270 f.; Beck, S. 276; Bosch, in: KMRStPO, § 81h, Rn. 16; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 13; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 15; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 10; Hasselbach, S. 148; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 25; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 24; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (197 f.); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 10; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 14; Wickert, S. 73; wohl auch Kühne, § 28, Rn. 495.1 a. E.; a. A. indessen Lorenz, JZ 2005, 1121 (1128), der in dem Gebot der richterlichen Anordnung gerade die individuelle Betroffenheit verdeutlicht sieht; a. A. wohl auch Hero, S. 183; vgl. insofern widersprüchlich S. 184. 472 BT-Drucks. 15/5674, S. 14; Ademi, S. 271; Beck, S. 276; Beukelmann, in: Radtke/ Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 7; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 20; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 17; Hasselbach, S. 148; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 26; Müller, Die Polizei 2006, 40 (49); Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 35; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (198); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 16; Wickert, S. 73; Trück, in: MüKoStPO I, § 81h, Rn. 22; wohl auch Kühne, § 28, Rn. 495.1 a. E. Diff. dagegen Hero, S. 184, die eine Beschwerde annimmt, wenn Belehrungsmängel vorlägen und sich dabei auf Rogall, in: SK-StPO und Senge, in: KK-StPO bezieht (vgl. Fn. 1029). Jedoch schlagen Verweis und Ergebnis fehl. Während Rogall sich zumindest in der heutigen Fassung mit einer solchen Ausnahme nicht beschäftigt, erwog Senge in der 6. Aufl. des KK-StPO, die im Zeitpunkt der Publikation Heros die aktuelle war, in Fällen von Belehrungsmängeln nur eine ausnahmsweise Begründetheit der Revision trotz Einwilligung, vgl. Senge, in: KK-StPO, 6. Aufl., § 81h, Rn. 11. Dies erscheint auch sachgerecht, weil etwaige Fehler, soweit sie belasten (etwa durch ein auf sie gestütztes Urteil) mit der Revision geltend gemacht werden können, sodass kein Bedürfnis besteht, an dem eindeutig in Wortlaut und Gesetzgebungsmaterial zum Ausdruck kommenden Ausschluss der Beschwerde etwas zu ändern. 473 Zur Einschränkung der § 304 Abs. 4, 5 StPO und dem Ausschluss der weiteren Beschwerde nach § 310 StPO Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 20; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 17; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 11; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 10; 470
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III. Die Kopplung von Einwilligung und richterlicher Anordnung – eine Kritik 1. Kritik in der Literatur an § 81h StPO a) Ansätze für eine Streichung des Richtervorbehalts bei gleichzeitiger Beibehaltung des Freiwilligkeitserfordernisses Gerade im dem Werk Rogalls ist das Unikum einer Kopplung von Freiwilligkeit und richterlicher Anordnung auf gravierende Ablehnung gestoßen: So bezeichnet er die Regelung als „contradictio in adjecto, die beseitigt werden sollte“475 – als Widerspruch in sich –, verleiht ihr „das Prädikat der Absurdität“476 – wobei angesichts seiner Ablehnung eher vom Fällen eines Verdikts als von einer Prädikatisierung zu sprechen ist – und bezeichnet § 81h StPO insgesamt deshalb als „paternalistische Disziplinierungsnorm […], deren rechtspolitische Bewertung verheerend ausfallen“ müsse477. In der Sache kritisiert Rogall v. a., das Gebot richterlicher Anordnung sei deshalb bereits ein problematisches, weil Freiwilligkeit nicht ohne Ansehung des konkreten Falles beurteilt werden und der Ermittlungsrichter sie überhaupt nicht überprüfen könne, weil er den Teilnehmer gem. § 81h Abs. 2 S. 4 StPO gar nicht anzuhören brauche478. Gerade deswegen bedürfe es des Richtervorbehalts nicht479. Denn als Kontrollobjekt übrig blieben somit nur die materiellen Anordnungsvoraussetzungen des § 81h StPO, hinsichtlich derer Rogall ohnehin fragt, ob diese nicht zu eng geraten seien480. Letztlich würde damit nur der „Disziplinierungs- oder EindämmungsgeKrause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 26; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 35; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 16; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 21. 474 BT-Drucks. 15/5674, S. 14; vgl. auch den Fall des LG Dortmund, NStZ 2008, 175 f.; so auch Ademi, S. 271; Beck, S. 276; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 7; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 20; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 17; Brauer, in: HKStPO, § 81h, Rn. 15; Eisenberg, Rn. 1688; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 11; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 10; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 26; Neuhaus, in: HKGS, § 81h StPO, Rn. 4; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 35; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (198); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 16; Senge, NJW 2005, 3028 (3032); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 22; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 21. 475 Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 4; vgl. auch ders., JZ 2013, 874 (877 f.); von einer Widersprüchlichkeit spricht auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 6; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 4; ganz ähnlich Giesen, in: FS Hamm, 107 (120): „Ein nichtverpflichtendes Gesetz ist ein Widerspruch in sich.“. 476 Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (711); zust. Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 6; zumindest teilweise zust. Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (36 f.); Hero, S. 182 findet dies „überspitzt“. 477 Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 3. 478 Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 3; vgl. auch ders., in: FS F.-C. Schroeder, 691 (711); ebenso Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (36). 479 Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (711). 480 Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (711).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
danke“ offenbar, gespeist aus der Befürchtung, die Strafverfolgungsbehörden würden in großem Umfang und nach Gutdünken DNA-Reihenuntersuchungen anordnen. Das sei aber schon alleine wegen der mit Reihenuntersuchungen verbundenen Kosten und wegen des mit ihnen verbundenen Umfanges unwahrscheinlich481. An die Konzeption des Richtervorbehaltes als Ausfluss von Misstrauen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden anknüpfend fragt Wolter, worauf das Misstrauen dann überhaupt gestützt werde, wenn doch eine eigenverantwortliche Einwilligung vorläge482. Hadamitzky bemängelt weiter einen fehlenden Gleichlauf des § 81h StPO mit §§ 81e, f und 81g StPO, weil bei letzteren Vorschriften die Einwilligung nicht neben die richterliche Anordnung träte, sondern diese ersetze483. Man wird diesen Ansatz auch in die Reihe derjenigen einordnen dürfen, die sich gegen die Geltung des absoluten Richtervorbehaltes wenden, denn die von Hadamitzky gewünschte Parallele des § 81h StPO mit den übrigen Vorschriften die DNA-Analytik wäre dann gegeben, wenn die Einwilligung die richterliche Anordnung entbehrlich machte. Da i. R. d. § 81h StPO immer die Einwilligung konstitutive Voraussetzung ist, würde dies summa summarum dann den Richtervorbehalt gänzlich beseitigen. Denselben Ansatzpunkt wählt Walther: Die Einführung einer Einwilligungsmöglichkeit i. R. d. §§ 81e, 81f StPO beruhe auf der gesetzgeberischen Erkenntnis, dass der Bürger über seine im Fall der DNA-Reihenuntersuchung betroffenen Grundrechte disponieren könne484. Diese „Erkenntnis“ – neutraler müsste man wohl eher von einer Wertung oder einem Gedanken sprechen – müsse man konsequenterweise auf die Konstellation des § 81h StPO übertragen: Begründe man ein Einwilligungserfordernis, bedürfte es folglich des Richtervorbehaltes nicht. Walther schlussfolgert daraus, dass es daher besser gewesen wäre, den § 81h StPO – trotz rechtspolitischer und verfassungsrechtlicher Bedenken – als Zwangsmaßnahme auszugestalten oder aber auf eine Regelung gänzlich zu verzichten; wobei letzteres – jenseits der übrigen Einschränkungen – de facto ein reines Freiwilligkeitsmodell konstituierte. Kritik am Richtervorbehalt findet sich ferner bei Beck485. Ihr diesbezüglicher Ansatz ist freilich ein hypothetischer, denn – darauf wurde hingewiesen – Beck sieht in Freiwilligkeit und Erfolg der DNA-Reihenuntersuchung einen Widerspruch in 481
Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 3; hinsichtlich der Kosten ähnlich, freilich ohne Anknüpfung an § 81h StPO Oberwetter, S. 144 f. 482 Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (36). Nicht unerwähnt bleiben darf hier bereits, dass Wolters keine rhetorische Frage stellt, sondern die Antwort – zusammenfasst – in der Unübersichtlichkeit Maßnahme und ihrer Gefährlichkeit sub specie der betroffenen Grundrechte findet, vgl. a. a. O. S. 37. 483 Hadamitzky, in KK-StPO, § 81h, Rn. 6; dazu vgl. auch Sprenger/Fischer, NJW 1999, 1830 (1833, insb. Fn. 46). 484 Zum Ganzen Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 2. 485 Zur Kritik im Ganzen Beck, S. 279 ff.
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sich486 und plädiert für ein Zwangsmodell487. Gehe man aber davon aus, dass eine freiwillige Einwilligung auch bei DNA-Reihenuntersuchungen möglich sei, so bedürfe es bei ihr erst recht keiner richterlichen Anordnungen, denn bereits bei wirklichen Zwangsmaßnahmen (also solchen, die gegen den Willen des Betroffenen durchgeführt werden können) ersetze die Einwilligung die Anordnung. Ansonsten sei der Richtervorbehalt „nichts anderes als Entmündigung des Bürgers“. Begründe man die richterliche Anordnung mit einem auch nur latenten Zwang, sei damit das gesamte Freiwilligkeitskonzept fraglich. Ferner gelte es zu sehen, dass die Staatsanwaltschaft die Einhaltung der materiellen Anordnungsvoraussetzungen ebenso gut wie der Richter überprüfen könnte. Auch Beck weist ferner auf Kosten und Aufwand der DNA-Reihenuntersuchung als immanente Schranke hin, die einem zu großen Einsatzfeld der DNA-Reihenuntersuchung entgegenstünden. Das Misstrauen, das sie in Anlehnung an Rogall in dem Richtervorbehalt zu erblicken meint, sei in der Sache nicht gerechtfertigt, weil der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 81h StPO nur die bis dahin bestehende Praxis habe gesetzlich regeln wollen und bereits nach damaliger lex lata die DNA-Reihenuntersuchung nur als ultima ratio eingesetzt worden wäre. Ferner weist auch sie darauf hin, dass der Richter die Freiwilligkeit schon aus dem Faktum nicht überprüfen könne, weil die Einwilligung nach der Anordnung erfolge. Die richterliche Anordnung führe auch nicht zu einer höheren Akzeptanz der Maßnahme in der Bevölkerung. Da Beck jedoch die Hauptproblematik der lex lata in der aus ihrer Sicht fehlenden Freiwilligkeit i. R. v. DNA-Reihenuntersuchungen sieht, ist es nur konsequent, wenn sie daher den Fokus auf der Tilgung des Einwilligungserfordernisses und nicht auf der des Richtervorbehaltes sieht. Warum trotz dieser aller Argumente, die mit Ausnahme der fehlenden Überprüfung der Freiwilligkeit durch den Richter losgelöst von der Einwilligung Geltung beanspruchen, auf den Richtervorbehalt „nicht verzichtet werden“ könne, erschließt sich hingegen nicht. b) Ansätze für die Streichung des Freiwilligkeitserfordernisses bei gleichzeitiger Beibehaltung des Gebotes richterlicher Anordnung – § 81h StPO als Zwangsmodell Im Vergleich zu Rogall geradezu zurückhaltend bezeichnet Trück § 81h StPO wegen der Kopplung von Richtervorbehalt und Einwilligung als „systematischen Fremdkörper in der StPO (…), der in der Sache keine Rechtfertigung“ fände und „dringend reformbedürftig“ sei488. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit tue alleine der Richtervorbehalt Genüge. Durch die mit ihm bedingte Kontrolle der materiellen Anordnungsvoraussetzungen und Einschränkung des betroffenen Personenkreises bleibe der Ausnahmecharakter der DNA-Reihenuntersuchung gewahrt. Demgegenüber stehe ein nur geringer und zeitlich begrenzter Eingriff in das 486 487 488
Vgl. hier nur Beck, S. 264 ff. Dazu Beck, S. 281 ff. Ausführlicher sogleich Kap. 5 § 5 1. b). Zum Ganzen Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 19 f.
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Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, da der Informationsgehalt des DNA-Identifikationsmusters doch überschaubar sei. Ohne dass er Kind zu diesem Zeitpunkt beim Namen zu nennen wagt, muss Trück, wenn er den Richtervorbehalt zumindest billigt und die Kopplung dennoch missbilligt, gleichwohl hier schon so verstanden werden, dass seine Kritik im Gegensatz zu Rogall nicht dem Richtervorbehalt, sondern dem Erfordernis der Einwilligung gilt. Denn weiter heißt es, die gesamte Diskussion um den § 81h StPO leide an Einseitigkeit, wenn sie einerseits vor sozialem Druck zur Teilnahme warne, dessen Existenz pauschal zweifelhaft erscheine, und die Teilnehmer damit „lediglich als isolierte Selbstverwirklicher und nicht als Teil der Rechtsgemeinschaft“ darstelle, während das Opfer, das wegen des Verbrechens, das § 81h StPO ja fordert, häufig mit gravierenden Folgen zu rechnen habe, als Mitglied ebenjener Rechtsgemeinschaft und die Solidarität mit ihm keine Rolle spiele489. Zwar könne Solidarität mit dem Opfer nicht grenzenlos erzwungen werden; es sei gleichsam aber ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit, ein Mindestmaß an Solidarität dergestalt zu zeigen, dass an einer Untersuchung, deren Umfang durch Gesetz festgelegt und durch Gericht überprüft sei, teilgenommen werde490. Gänzlich verfehlt sei jedenfalls eine Anknüpfung am nemo-tenetur-Grundsatz als Argument für das Freiwilligkeitserfordernis, weil ansonsten sämtliche Ermittlungsmaßnahmen der StPO, die sich gegen den Beschuldigten richteten, abgeschafft werden müssten. Indessen erlaube die StPO etwa bei der Wohnraumüberwachung sogar die Verwertung von Erkenntnissen gegen Dritte – und dies selbst dann, wenn das in Rede stehende Delikt nicht ein so schweres wie i. R. d. § 81h StPO gefordert sei. Insgesamt sei das Freiwilligkeitserfordernis deshalb zu streichen und stattdessen mittels einer Novelle des § 81 h Abs. 2 S. 5 StPO dem Betroffenen, d. h. dem potentiellen Teilnehmer, ein Beschwerderecht zuzugestehen. Bosch hält den § 81h StPO mangels Geeignetheit verfassungsrechtlich für bedenklich, da der Gesetzgeber nicht geregelt habe, wann die Reihenuntersuchung auch unter Zwangsanwendung durchgeführt werden könne491. Gerade dies müsse aber möglich sein, wenn die Maßnahme ihr Ziel, das Bosch als Konkretisierung des Tatverdachtes definiert, erreichen solle. Er gibt zu bedenken, dass trotz Einwilligung ein faktischer Grundrechtseingriff vorliege. Kritisch sieht Bosch weiter, dass Gesetzgeber die Folgen der Verweigerung nicht selbst geregelt habe, und dass letztlich aus der Verweigerung der Teilnahme doch Rückschlüsse gezogen würden, auch wenn andere Anknüpfungspunkte vorgeschoben würden492. Dies als zutreffend unterstellt wäre das Einwilligungserfordernis freilich nichts als Augenwischerei. Die Ausweiterung der Belehrungspflichten, die 2017 durch die Novellierung des § 81h StPO erfolgte, bezeichnet Bosch in der Folge als „Pervertierung des ohnehin ungeeigneten Freiwilligkeitsmodells“. 489
Zum Argument des sozialen Drucks vgl. schon ders., a. a. O., Rn. 13. Vgl. dazu auch ders., in: MüKo-StPO I, Rn. 13. 491 Zum Ganzen Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 6; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 4; ders., Jura 2021, 41 (45, Fn. 36). 492 Dazu Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 19; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 16. 490
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Ganz ähnlich argumentiert Giesen, der in § 81h StPO eine „verunglückte Norm“ sieht493. Die an „den Säulen des Rechtsstaates“ rüttelnde Konstruktion der Einwilligungsmöglichkeit führe zu nichts anderem, als dass der Staat hinter eine „Maske“ arbeite, indem er durch die Mitwirkung von Privaten einen Verdacht begründet, der konstitutiv für Maßnahmen gegen den Verdächtigen sei. Etwas weniger metaphorisch: Der Staat dürfe nur dasjenige sich auf freiwillige Art geben lassen, dass er notfalls auch mit Zwang sich holen könne494. Einwilligungen gegenüber dem Staat seitens des Privaten gebe es nicht. Freiwilligkeit ei nämlich kein Kriterium, mit dem eine grundrechtsrelevante staatliche Maßnahme in ihrer Intensität abgemildert würde. Vielmehr lasse die grundsätzliche Legitimation des Staates, d. h. die Anerkennung seiner Existenzberechtigung, Eingriffsintensität als ein Beurteilungskriterium entfallen. Wie aber die Zeugenpflicht exemplarische aufzeige, müsse auch der Nichtbeschuldigte staatlich angeordneten Zwang gegen sich gelten lassen. Als Konsequenz des Ausschlusses einer Einwilligung für eine Maßnahme, die nicht mit Zwang durchsetzbar ist, ergebe sich mithin für § 81h StPO die Lösung, der richterlichen Anordnung des § 81h StPO verbindliche Wirkung für jedermann, der betroffen ist, zuzubilligen, denn „nur der befehlende Staat wahr[e] die gebotene Distanz“. Als Verfechterin eines Zwangsmodelles erweist sich auch Beck495. Den Vorwurf, die Umgestaltung des § 81h StPO hin zu einer Zwangsmaßnahme verstoße gegen die gesetzliche Systematik, weil Zwangsmaßnahmen der Bestätigung, nicht aber der Begründung eines Tatverdachtes dienten496, lässt sie nicht gelten. Die StPO kenne eine ganze Reihe von Zwangsmaßnahmen gegen Nichtbeschuldigte, wobei wegen der fehlenden Verbindung des Betroffenen mit der Straftat zwischen DNA-Reihenuntersuchung und Rasterfahndung nach § 98a StPO am ehesten eine Vergleichbarkeit bestünde. Ein Unterscheid sei insofern gegeben, als i. R. v. § 81h StPO Daten erhoben würden, während sie i. R. v. § 98a StPO schon vorhanden seien. Ein Unterschied liege weiter in der Eingriffsintensität der Maßnahmen, denn während eine DNA-Analyse nur nicht persönlichkeitsrelevante Daten verwendet, und somit, zumindest solange jene nicht gespeichert würden, nur ein Eingriff mittlerer Intensität vorläge, könne i. R. e. Rasterfahndung die Eingriffsintensität, abhängig vom Detailgrad der sich abzeichnenden Bildes, wesentlich höher liegen. Sie werde auch dadurch erhöht, dass eine Rasterfahndung heimlich durchgeführt werden könne. Gleichwohl sei die Rasterfahndung aber unter weniger strengen Voraussetzungen zulässig als die DNA-Reihenuntersuchung. Der Katalog tauglicher Anlasstaten des § 98a StPO sei weiter gefasst als der des § 81h StPO und nur bei DNA-Reihenuntersuchung bedürfe es einer Einwilligung des Betroffenen. Wenn zusammengefasst also eine von der Art des Vorgehens vergleichbare und u. U. eingriffsintensivere 493 494 495 496
Zum Ganzen Giesen, in: FS Hamm, 107 (116 ff.). I. E. auch Klumpe, S. 190. Zum Ganzen Beck, S. 281 ff. So aber Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (473 f.).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Maßnahme unter leichteren Voraussetzungen durchgeführt werden könne, zeige dies, dass einer Umwandlung des § 81h StPO in eine Zwangsmaßnahme die gesetzliche Systematik jedenfalls nicht entgegenstünde. Gleichsam führe eine Tilgung des Einwilligungserfordernisses in § 81h StPO nicht zu einer Störung des Abstufungsverhältnisses innerhalb der §§ 81a, 81e; 81c, 81e und 81h StPO. Weil § 81h StPO mehrere Schutzmechanismen beinhaltete (wie z. B. das Erfordernis einer qualifizierten Anlasstat, der besonderen Erwähnung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie der Möglichkeit, sich durch Angabe eines Alibis der Maßnahme zu entziehen) und das Einwilligungserfordernis nach Beck ohnehin ungeeignet sei, die Eingriffsintensität der Maßnahme zu beeinflussen, wäre es auch nach einer Novellierung des § 81h StPO nicht möglich, gegen Personen, die in keinerlei Verbindung mit der Straftaten stehen, unter leichteren Voraussetzungen vorzugehen als gegen den Beschuldigten oder den Dritten i. S. v. § 81c Abs. 2 StPO. Auch das Untersuchungsverweigerungsrecht des § 81c Abs. 3 StPO drohe nicht umgangen zu werden, da dieses ohnehin keinen Schutz vor Selbstbelastung böte. Unter Berufung auf die u. U. mögliche Zulassung einer nicht anlass- und grenzenlosen Vorratsdatenspeicherung durch BVerfG und EuGH meint Beck ferner, dies zeige, dass das Grundgesetz jedenfalls nicht prinzipiell einer Inanspruchnahme von Unbeteiligten entgegenstünde. Auch die Selbstbelastungsfreiheit stünde einer Novellierung des § 81h StPO nicht entgegen. Denn genauso wie i. R. d. § 81a StPO werde der Betroffene nicht zur aktiven Mitwirkung, sondern nur zur passiven Duldung von Körperzellentnahme und DNA-Analyse gezwungen. Gleiches gelte für die Unschuldsvermutung. Diese schütze nicht vor auf Tatverdacht beruhenden Strafverfolgungsmaßnahmen; die die Strafverfolgungsbehörden brächten durch die Anordnung nicht die Schuld des Betroffenen zum Ausdruck. Zwar sei bei Maßnahmen gegen Unverdächtige ein strengerer Maßstab anzulegen. Diesem werde § 81h StPO jedoch auch bei Tilgung des Einwilligungserfordernisses durch seine hohen Anordnungsvoraussetzungen jedenfalls gerecht. Die Menschenwürde stünde einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchungen ebenso nicht entgegen, denn ob des besonderen Gewichts dieses Grundrechts verböte sich ein inflationärer Gebrauch dergestalt, dass jede Maßnahme gegen Unverdächtige gegen sie verstoßen würde. Entscheidend zu messen sei der von Beck dargebrachte Vorschlag daher am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Hier gelte es zu sehen, dass die DNA-Reihenuntersuchung der Aufklärung schwerster Straftaten und damit einem legitimen Zweck diente, sie mit einem Aufklärungserfolg i. H. v. 50 % auch geeignet wäre und sie durch die Ausgestaltung als ultima ratio auch erforderlich zur Erreichung des Zweckes sei. Trotz Bedenken wegen der Vielzahl betroffener Personen sei auch die Angemessenheit einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung zu bejahen. Mit derselben Argumentation wie i. R. d. Vergleiches von DNA-Reihenuntersuchung und
§ 5 Formelle Voraussetzungen
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Rasterfahndung kennzeichnet sie eine zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung als Zwangsmaßnahme mittlerer Eingriffsintensität. Dem gegenüber stehe in Form der Aufklärung von Schwerstkriminalität ein Allgemeinwohlinteresse, das es dem Volkszählungsurteil nach rechtfertige, dem Einzelnen Eingriffe in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zuzumuten. Nicht zu letzt die Ausgestaltung als ultima ratio trage zur Angemessenheit bei. Weiter koste die DNA-Reihenuntersuchung den Betroffenen wenig Zeit. Letztlich sei auch zu beachten, dass eine Zulassung der Feststellung phänotypischer Merkmale beim unbekannten Spurenleger, die von Beck befürwortet wurde und inzwischen Gesetz ist, die Anzahl betroffener Personen deutlichen verringern und damit entscheidend die Angemessenheit der zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung gewährleiste. Beck konstatiert mithin, eine zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung verstoße nicht gegen das Grundgesetz. Gleichwohl seien Änderung in zwei Punkten vonnöten: Zum einen müsse der Betroffenen entgegen dem jetzigen § 81h Abs. 2 S. 4 StPO angehört werden, da der Betroffene bei zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung im Gegensatz zur jetzigen lex lata belastet sei, obschon die allgemeine Vorschrift des § 33 Abs. 3 StPO dies nicht nahelege. Dies begründet sie damit, dass eine Vielzahl von Personen betroffen sei. Das sowohl hinsichtlich Anhörung als auch hinsichtlich Durchführung generell bestehende Problem, dass die Betroffenen im Zeitpunkt der Anordnung nicht namentlich bekannt seien, könne gelöst werden, indem die gerichtliche Entscheidung, verbunden mit der Aufforderung, Einwände soweit vorhanden geltend zu machen, an die Personen übersandt werde, die das Raster erfüllten. Aufgrund der durch die Umgestaltung als Zwangsmaßnahme entstehende Betroffenheit sei ferner § 81h Abs. 2 S. 5 StPO zu tilgen – mit der Folge, dass gem. der allgemeinen Regel des § 304 StPO sodann ein Beschwerderecht dem Betroffen erwachsen würde. Wegen der Schutzwürdigkeit der Betroffenen sei die Belehrungsvorschrift des § 81h Abs. 4 StPO, insbesondere S. 2, jedenfalls soweit sie sich nicht auf die Freiwilligkeit beziehe, aber aufrecht zu erhalten. Mit ähnlicher Argumentation plädiert Wickert für eine Umgestaltung des § 81h StPO in eine Zwangsmaßnahme, jedoch mit erheblich strengeren Einschränkungen im Vergleich zur jetzigen Fassung497. Zunächst verneint auch sie eine Berührung der Menschenwürde durch eine zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung und einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung. Letzteres begründet sie damit, dass die Unschuldsvermutung nur für Beschuldigte gelte. Ferner könne schon alleine deshalb nicht von einer Vorwegnahme der Schuld die Rede sein, weil sicher sei, dass der Großteil der Betroffenen als Spurenleger ausscheiden müsse. Ein Scheitern zwangsweisen Vorgehens an der Selbstbelastungsfreiheit lehnt Wickert mit dem Argument ab, jene gelte ebenso wie die Unschuldsvermutung nur für den Beschuldigten. Selbst bei anderer Meinung stehe das nemo-tenetur-Prinzip 497
Zum Ganzen Wickert, S. 422 ff.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
nicht entgegen, da die Modalitäten i. R. e. zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung dieselben seien wie i. R. v. §§ 81a, 81e StPO. Hier wie dort werde nur zur Duldung gezwungen. Aufmerksamkeit genießt bei Wickert ebenso wie bei Beck die Frage der Verhältnismäßigkeit. Während die Verfolgung eines legitimen Zwecks und die Eignung außer Frage stünden, sei die Erforderlichkeit mit dem Argument zu bejahen, dass die freiwillige DNA-Reihenuntersuchung kein milderes darstelle, weil auch nach Wickerts Konzeption freiwilliges Handeln i. R. v. DNA-Reihenuntersuchungen nicht möglich sei. Damit stellt sich wie bei Beck die Frage nach der Angemessenheit der Maßnahme. Im Gegensatz zu Beck bezeichnet Wickert die Eingriffsintensität sub specie des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung als hoch. Obschon nur eine begrenze Anzahl an Informationen aus den Proben erlangt würde und eine DNAReihenuntersuchung daher kein „klassischer Informationseingriff“ sei, und wenngleich sie wenigstens nicht heimlich erfolge, bestehe eine Missbrauchsgefahr im doppelten Sinne: Einmal, weil aus der DNA hochsensible Informationen herausgelesen werden könnten, und weiter, weil die Gefahr bestünde, dass die gewonnenen Daten contra legem in anderen Strafverfahren verwendet würden. Die Eingriffsintensität würde ferner erhöht durch die Inanspruchnahme einer Vielzahl von Personen, die in keinerlei Verbindung zu Straftat stünden, die auch selbst keinerlei Anlass für den Grundrechtseingriff gegeben hätten. Auch die stigmatisierende Wirkung einer entsprechenden Anordnung dürfe nicht unbeachtet bleiben. Dem gegenüber sei freilich nicht zu übersehen, dass der in Rede stehenden Strafverfolgung von Schwerstkriminalität ebenso große Bedeutung zukäme. Um einen möglichst schonenden Ausgleich der in Rede stehenden Positionen zu gewährleisten, erwiesen sich die die Schutzmechanismen des § 81h StPO in der jetzigen Fassung nach Wickerts Auffassung als nicht ausreichend. Zwar sei aktuelle Begrenzung auf Anlasstaten im Grundsatz positiv zu sehen; unzureichend sei indessen die bloße Begrenzung auf Verbrechen, weil diese zwar generell die Gefährlichkeit des Täters und die Schwere der Tat indiziere, jedoch nichts über die Bedeutung der Straftat im Einzelfall aussage. Gerade bei Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit sei fragwürdig, ob jene eine zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung rechtfertigten. Daher seien die bereits de lege lata qualifizierten Anlasstaten weiter zu qualifizieren, indem weiter das Erfordernis einer Straftat von erheblicher Bedeutung in § 81h StPO eingefügt wird. Weiter bedürfe es einer expliziten Subsidiaritätsklausel, die eine strenge sein müsse498. Darunter versteht Wickert eine solche, wie sie in §§ 100a, 100f, 110a und 100c StPO zu finden sei, was zur Folge hätte, dass eine DNA-Reihenuntersuchung nur dann möglich wäre, wenn „die Ermittlung des Täters auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre“499. Ferner müsse sichergestellt werden, dass die Prüfungsmerkmale beson498
Wickert, S. 473. Zur Definition Wickert, S. 464 f.; zur genauen Formulierung siehe den Entwurf auf S. 487. 499
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deren Qualitätsansprüchen genügten und damit eine wirkliche Einengung des Betroffenenkreises ermöglichten. In formaler Hinsicht müsse die richterliche Anordnung beibehalten und dergestalt ausgeweitet werden, dass der Richter bei einer Zwangsmaßnahme zusätzlich die „Festlegung des konkret betroffenen Personenkreises überprüf[e] und benenn[e]“. Dies folge daraus, dass bereits die Ermittlung der Betroffenen grundrechtliche Relevanz besitze. Aufgrund der nunmehr vorhandenen grundrechtlichen Betroffenheit müsse schon alleine wegen Art. 19 Abs. 4 GG dem Betroffenen weiter ein Beschwerderecht zugestanden werden, welches sich nach Abschaffung des § 81h Abs. 2 S. 5 StPO aus den allgemeinen Regeln ergebe. Abschließend sei in Anlehnung an § 81c Abs. 6 StPO explizit zu normieren, dass und wie ggf. Zwang angewendet werden könne. Die explizite Erwähnung im Gesetz sei deshalb notwendig, weil eine Vielzahl Unbeteiligter betroffen sei; die Möglichkeit zu Zwang ergebe sich aus der Überlegung, dass bei einer Vielzahl von Verweigerungen der Erfolg der Maßnahme gefährdet werde, was dazu führen soll, dass der Eingriff in die Rechte der Teilnehmer schwerer wöge. Ähnlich strenge Voraussetzungen für eine zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung fordert Graalmann-Scheerer, wenngleich hervorzuheben ist, dass manche ihrer Vorschläge, die freilich aus einer Zeit stammen, in der § 81h StPO noch nicht geschaffen war und damit freiwillige DNA-Reihenuntersuchungen noch nicht auf gesetzliche Regelungen gestützt werden konnten, für zwangsweise Untersuchungen weniger strikte Regeln aufstellen als jene, die de lege lata für freiwillige Untersuchungen gelten. Auch wenn Graalmann-Scheerer sich freilich nicht mit einer Novellierung des § 81h StPO auseinandersetzt, sind ihre rechtspolitischen Vorschläge gleichwohl als Zwangsmodell zu charakterisieren500. Dies kommt nicht zuletzt in ihrer Ablehnung der Stützung von DNA-Reihenuntersuchungen auf die Einwilligung des Betroffenen zum Ausdruck, die sie mit Unmöglichkeit freiwilligen Handelns i. R. v. DNA-Reihenuntersuchungen wegen latenten staatlichen Drucks begründet. Wegen des mit einer DNA-Reihenuntersuchung verbundenen Eingriffes in die Grundrechte vieler Unbeschuldigter gebiete der verfassungsrechtlich verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die Maßnahme unter strenge Voraussetzungen zu stellen, wenngleich es zu sehen gelte, dass Maßnahmen gegen Unverdächtige der StPO nicht völlig fremd seien. Es müsste aber das Strafaufklärungsinteresse des Staates mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der konkret Betroffenen abgewogen werden. Die von Graalmann-Scheerer geforderte hohe Eingriffsschwelle würde einmal in einem Straftatenkatlog zum Ausdruck kommen, der das Einsatzfeld der zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung auf besonders schwere Straftaten begrenzen würde. In einer früheren Publikation hieß es dazu, dieser müsse abschließend und beschränkt sein auf schwere Straftaten gegen das Leben und die sexuelle Selbstbestimmung501. Eine jüngere Publikation fordert zwar auch einen Straftatenkatlog502, 500 501
Zum Ganzen Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (298 ff.); dies., ZRP 2002, 72 (75 f.). Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (76).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
weitet diesen gegenüber der vorherigen Forderung erheblich aus. Zwar gibt es auch hier eine Einschränkung im Vergleich zur heutigen Fassung des § 81h StPO dergestalt, als dass nur solche schweren Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung taugliche Anordnungstat sein sollen, bei denen typischerweise kein Kontakt von Täter und Opfer gegeben ist. Eine solche Einschränkung kennt das aktuelle Recht nicht. Umgekehrt aber findet sich neben der schon zuvor geforderten Einschränkung auf schwere Straftaten gegen Leben und sexuelle Selbstbestimmung aber eine Erweiterung dergestalt, dass auch solche gegen körperliche Unversehrtheit, persönliche Freiheit und – weitergehend als i. R. d. § 81h StPO – auch gemeingefährliche, schwere Straftaten erfasst sein sollen. Eine Beschränkung auf Verbrechen wie in § 81h StPO sieht der Vorschlag nicht vor, jedoch entspricht die Beschränkung auf schwere Straftaten einer solchen. Der von Graalmann-Scheerer exemplarisch dargebotene Katalog nennt nur Straftaten, die Verbrechenscharakter i. S. d. § 12 StGB haben. Auch § 177 StGB, der in der Publikation noch vollumfänglich erfasst war, ist in Abs. 1 erst seit 2016 als Vergehen ausgestaltet503, zuvor und zum Zeitpunkt der Publikation handelte es sich auch bei ihm um ein Verbrechen. Bemerkenswert an diesem Katalog ist indessen, dass dieser auch Straftaten umfasst, die nach einem engen, abschnittsbezogenen Verständnis eine Anordnung des § 81h StPO de lege lata nicht rechtfertigen würde504, wie z. B. § 316a StGB. Allerdings sollen aber nach der hier präferierten Auslegung taugliche Anlasstaten wie ein schwerer Raub ausscheiden, weil dort andere Ermittlungsmaßnahmen erfolgsversprechender seien. Zur Einschränkung der Maßnahme bedürfe es ferner einer genauen Prüfung und einer präzisen Angabe der Prüfungsmerkmale – dies sei Voraussetzung für die spätere Vollstreckung der Maßnahme. Der Untersuchungszweck müsste ferner auf die Prüfung der Übereinstimmung von Spurenleger- und Betroffenen-DNA beschränkt sein, was de facto, wenn nicht de jure auf ein Feststellungsverbot für alle Informationen mit Ausnahme des DNA-Identifikationsmusters hinausliefe. In beiden Publikationen fordert Graalmann-Scheerer weiter die Einführung einer Subsidiaritätsklausel, wie sich später dann auch von Wickert gefordert wurde. Mit dieser sollte die zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung erst dann zulässiges Instrument strafrechtlicher Verfolgung sein, „wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre“505. Dass Wickert eine so geartete Subsidiaritätsklausel als „strenge“506, Graalmann-Scheerer aber als „qualifizierte“ bezeichnet507, ändert an der inhaltliche Parallele nichts. Die Einführung der Subsidiaritätsklausel soll sicherstellen, dass die zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung 502
Zu diesem Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (300). Novelliert durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung v. 4. 11. 2016 – BGBl. I, S. 2460 ff. 504 Zur Diskussion s. o. Kap. 5 § 4 I. 1. b). 505 Graalmann-Scheerer, 2002, 72 (76); ganz ähnlich dies., NStZ 2004, 297 (300). 506 Wickert, S. 473, 464 f. 507 Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (300); zur Begriffsverwendung bei Wickert s. DNA-Massentest, S. 463 f. 503
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nur als ultima ratio zum Einsatz kommen könne. Die Grundrechtsintensität der Maßnahme erfordere auch im Hinblick auf die Adressaten, die Nichtbeschuldigte sind, weiter einen Richtervorbehalt; für eine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungsbeamten bestehe weder rechtlich Raum noch praktisch ein Bedürfnis. Verfahrenssichernd sei ferner die Einführung einer Verwendungsregel geboten. Ergebe der Abgleich des DNA-Identifikationsmusters des Betroffenen mit den in der DNA-Analyse-Datei beim BKA gespeicherten einen Treffer, müsse diese sicherstellen, dass dieser „Zufallsfund“ nur in Verfahren wegen solchen Straftaten verwendet werden dürfte, die auch die Anordnung der DNA-Reihenuntersuchung gerechtfertigt hätten. Sollte damit gemeint sein, dass ein entsprechender Abgleich unter dieser Voraussetzung zulässig sein soll, wofür zwar einerseits die Verwendung des Indikativs am Anfang des entsprechendes Abschnittes („kann der Abgleich […] ergeben“), wogegen andererseits aber die Verwendung des Begriffes „Zufallsfund“ spricht, so wäre damit eine erhebliche Ausweitung der Verwendungsmöglichkeiten im Vergleich zu lex lata gegeben, in der die Verwendung auf das Anlassverfahren beschränkt ist508. Abschließend plädiert Graalmann-Scheerer für eine „Vernichtungsregel“ im Stile von § 100b Abs. 6 StPO a. F., die nur noch in rudimentären Grundzügen in § 100e Abs. 6 Nr. 2 StPO enthalten ist. Inhaltlich ging es bei keineswegs um die Vernichtung von Körperzellen o. ä., wie ein heutiges Verständnis des Wortes „Vernichtung“ nahelegt. Vielmehr ging es in § 100b Abs. 6 StPO a. F. um das Gebot der Vernichtung von Unterlagen, also der Löschung von Aufzeichnungen, wenn diese zu Strafverfolgungszwecken nicht mehr benötigt wurden. In heutiger Diktion würde man daher eher von einem Löschungsgebot sprechen. Damit sollte die Löschung des DNA-Identifikationsmusters dann erfolgen, wenn dieses nicht mehr zur Aufklärung der Anlasstat oder – im Hinblick auf die erweiterte Verwendungsmöglichkeit durchaus konsequent – einer in einem anderen Verfahren verfolgten Katalogtat erforderlich wäre. Obschon der Abgleich mit gespeicherten Daten offenbar möglich sein sollen, sei die Speicherung des im Wege der Reihenuntersuchung gewonnen DNA-Identifikationsmusters beim BKA grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme sei indessen zu machen für das Muster des durch die DNA-Reihenuntersuchung zum Beschuldigten gewordenen. Diese solle im Wege der Umwidmung des Erhebungszweckes gespeichert werden dürfen. Bereits 1991 hat weiter auch Simon zur DNA-Reihenuntersuchung, der als „Rasterfahndung“ bezeichnete, angemerkt, diese dürfe seines Erachtens, wenn überhaupt, nur erfolgen, wenn eine Begrenzung der gewonnenen Daten auf das Anlassverfahren, eine strenge Zweckbindung und Speicherverbot bestünde509. Jene Voraussetzungen erfüllt § 81h StPO de lege lata bereits, unabhängig vom Einwilligungserfordernis. Dass Simon mit seinen Ausführungen ein Zwangsmodell charakterisiert, ergibt sich daraus, dass er weiter ausführt, „ansonsten“ seien DNAAnalysen im Gerichtsverfahren nur auf freiwilliger Basis möglich. 508 509
S. Kap. 5 § 3 II. 2. Zum Ganzen Simon, MDR 1991, 5 (11).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Satzger sah die Frage nach der Einführung einer Rechtsgrundlage für DNAReihenuntersuchungen eher als rechtspolitisch denn als rechtlich präjudizierte Frage an. Wenn aber man sich schon für die Einführung einer entsprechenden Rechtsgrundlage entscheide, so müsse diese wenigstens den Besonderheiten der DNAReihenuntersuchung dergestalt Rechnung tragen, als dass eine Begrenzung des Anwendungsfeldes durch die Einführung eines Straftatenkataloges erfolgen müsste, der in Anlehnung an § 98a StPO auf schwere Straftaten begrenzt sei510. 2. Alternative Möglichkeiten und deren Bewertung Nimmt man die aufgezeigten Stimmen beim Wort und erkennt einen Widerspruch zwischen richterlicher Anordnung und der Notwendigkeit der Einwilligung an, stellt sich die Frage, wie § 81h StPO dann konstruiert sein sollte. Möglich bleiben – neben dem gänzlichen Verzicht auf Reihenuntersuchungen, der aber nicht ernsthaft im Raume steht511 – zwei Optionen: Erstens die Streichung des Gebots Einwilligung – damit würde § 81h StPO zur Zwangsmaßnahme im eigentlichen Sinne –, oder aber der Verzicht auf eine richterliche Anordnung – was als Konsequenz hätte, dass die Maßnahme eine Interaktion rein zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei auf der einen Seite und des Teilnehmers auf der anderen würde. Diese Möglichkeiten sollen im Folgenden auf ihre Tauglichkeit untersucht werden. a) Zwangsweise Reihenuntersuchung – Durchführung auch ohne Einwilligung Eine Durchführung der Maßnahme nach § 81h StPO gegen den Willen des Betroffenen ist de lege lata nicht möglich. Soll er herangezogen werden, muss oder müsste die Zwangsmaßnahme auf eine andere Ermächtigungsgrundlage gestützt werden. aa) Zwangsweise Reihenuntersuchungen de lege lata In der Vergangenheit sind dazu zwei Möglichkeiten angedacht worden, hauptsächlich aufgrund der faktischen Notwendigkeit vor der Normierung des § 81h StPO: erstens die Heranziehung des Betroffenen als Beschuldigten, was eine Zellentnahme gem. § 81a StPO und eine DNA-Analyse gem. § 81e Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StPO be-
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Satzger, JZ 2001, 639 (649). Vgl. Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (299), die für die Regelung von DNAReihenuntersuchungen ein dringendes Bedürfnis sah als es an der Regelung des § 81h StPO noch mangelte; Hero, S. 192, die die Durchführung von DNA-Reihenuntersuchungen für die Strafverfolgungsbehörden als „ebenso reizvoll wie herausfordernd“ bezeichnet; Oberwetter, S. 144; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 3. 511
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deuten würde, oder zweitens die Heranziehung des Betroffenen auf Grundlage der §§ 81c, 81e Abs. 1 S. 1. Alt. 2 StPO. Die Diskussion hat freilich mit der Einführung des § 81h StPO an Bedeutung verloren. Die Frage, ob sie überhaupt sub specie des Begriffes des „Massengentests“ diskutiert werden sollte, hängt freilich davon ab, wann der entsprechende Verwender dieses Begriffes von einer „Masse“ noch zu sprechen vermag. Es handelt sich dann um ein sprachliches Problem des Verwenders, nicht um eine sprachliches Problem des Gesetzes, das den Begriff gar nicht gebraucht512. Gänzlich ohne Bedeutung ist die Diskussion heute indessen nicht, denn es können Situationen auftreten, in denen die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO nicht ermöglicht hat, gezielt gegen einen Einzelnen vorzugehen – etwa, weil nicht einer von 100, sondern 500 von 1.000 Merkmalsträgern die Teilnahme verweigert haben. Dieses Beispiel ist insofern hier zwar unpräzise, weil mit der vorgeschlagenen Novellierung des § 81h StPO das aufgezeigte Problem gar nicht entstünde. Vielmehr würden direkt alle 100 bzw. 1.000 Merkmalsträger herangezogen. Es geht mithin um eine andere Situation: Während bereits oben der Frage nachgegangen wurde, ob nach einer Maßnahme nach § 81h StPO gegen die verbliebenden Merkmalsträger, die nicht teilgenommen haben, vorgegangen werden kann513, geht es bei der Frage nach einem Zwangsmodell um eine Situation, in der anstelle einer Maßnahme nach § 81h StPO alle Merkmalsträger herangezogen werden sollen. Das Beispiel hat aber insofern seine Berechtigung, weil es freilich Überschneidungen mit der oben diskutierten Problematik gibt. Jenseits davon ist freilich an den Anwendungsbereich zu denken, in dem die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO an den materiellen Anordnungsvoraussetzungen scheitert. (1) Reihenuntersuchungen gem. §§ 81a, 81e StPO Die Frage, ob §§ 81a, 81e StPO eine zwangsweise Reihenuntersuchung ermöglichen, kann hier kurz behandelt werden, weil die obigen Ergebnisse zur Anwendbarkeit der §§ 81a, 81e StPO nach der Durchführung einer Reihenuntersuchung sie präjudizieren.
512 Vgl. Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (198, Fn. 92), die betonen, „begrifflich“ liege kein Massengentest vor mehr, wenn über § 81a StPO einem Betroffenen DNA entnommen und diese gem. § 81e StPO analysiert werde. Daran ist richtig, dass es sich in diesen Fällen um keine DNA-Reihenuntersuchung handelt, denn diese liegt nur vor, wenn das entsprechende Behördenhandeln in § 81h StPO seine Rechtsgrundlage findet. Falsch ist gleichsam, falls damit impliziert werden soll, ein Massengentest läge vor, wenn die Maßnahme auf § 81h StPO gestützt wird, denn dann handelt es sich um eine DNA-Reihenuntersuchung. Einen Massengentest gibt es sub specie der naturwissenschaftlichen Ungenauigkeit, um nicht zu sagen Falschheit dieses Begriffes in diesem Kontext, gar nicht, unabhängig davon, auf welche Rechtsgrundlage sich die jeweilige Maßnahme stützt, unabhängig davon, wie viele Betroffene es gibt. Krit. schon oben Kap. 5 am Anfang. 513 Dazu oben Kap. 5 § 5 I. 2. b) bb).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Es mag die sehr übersichtlichen Fälle geben, in denen gegen eine Vielzahl von Merkmalsträgern als Beschuldigte vorgegangen werden kann. Dann bedarf es aber des § 81h StPO nicht, da dieser gerade dann ansetzt, wenn dies nicht möglich ist. Warum sollte der lange Weg des § 81h StPO mit all seinen hohen Voraussetzungen beschritten werden, wenn doch der kürzere Weg über die §§ 81a, 81e StPO offensteht, der – um in der Metapher zu bleiben – nicht mit den schweren Steinen der eingeschränkten Anlasstat gepflastert ist? Schwerer als die praktischen Überlegungen wiegt jedoch, dass es wie mehrfach betont rechtlich nicht angeht, § 81h StPO den Vorzug zu geben, wenn §§ 81a, 81e StPO einschlägig sind. Daher ist entweder über §§ 81a, 81e StPO zu gehen – des § 81h StPO bedarf es dann nicht –, oder § 81h StPO ist zu wählen, weil es i. R. d. §§ 81a, 81e StPO an deren Voraussetzungen mangelt. §§ 81a, 81e und § 81h StPO können daher nur nebeneinander stehen. Dass §§ 81a, 81e StPO den § 81h StPO de lege lata schon ersetzen, ist nicht möglich, weil beide andere, voneinander unabhängige Einsatzfelder haben. Das gilt alles freilich neben dem grundsätzlichen Problem, dass §§ 81a, 81e StPO einen Beschuldigten voraussetzen, der typischerweise fehlt, wenn § 81h StPO im Raume steht. Die DNAReihenuntersuchung ist nämlich als Maßnahme gegen Nichtbeschuldigte konzipiert. (2) Reihenuntersuchungen gem. §§ 81c, 81e StPO Ebenso muss § 81c StPO ausscheiden, denn ist oben bereits aufgezeigt worden, dass wegen des Zumutbarkeitskriteriums des § 81c Abs. 4 StPO schon nach der Reihenuntersuchung nach § 81h StPO nicht die Verbliebenen auf dem Wege der §§ 81c, 81e StPO zur Untersuchung gezwungen werden können514. Dies gilt dann erst recht, wenn keine Reihenuntersuchung nach § 81h StPO stattfinden konnte, und damit §§ 81c, 81e StPO an die Stelle des § 81h StPO treten sollen. Der Kreis der Betroffenen wäre noch größer, was es unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten noch schwerer macht, eine solche zu begründen. Die grundsätzlichen Bedenken gegen ein entsprechendes Vorgehen wegen der Existenz des Untersuchungsverweigerungsrecht gelten freilich auch in diesem Kontext515. (3) Zusammenfassung zur Möglichkeit zwangsweiser DNA-Reihenuntersuchungen de lege lata Demgemäß kann de lege lata nicht auf Basis der §§ 81a bzw. 81c i. V. m. 81e StPO eine Maßnahme nach dem Muster des § 81h StPO durchgeführt werden. Dies gilt völlig unabhängig davon, ob man die Einführung des § 81h StPO als Sperre für zwangsweise Reihenuntersuchungen interpretieren möchte516. 514
Kap. 5 § 5 I. 2. b) cc) (1) (a). Kap. 5 § 5 I. 2. b) cc) (1) (b). 516 Darauf sich stützend Ademi, S. 277 f.; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (199); Wickert, S. 420; dagegen aber Kretschmer, HRRS 2012, 183 (186); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 2. 515
§ 5 Formelle Voraussetzungen
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Zwar hat der Gesetzgeber mit der Einführung des § 81h StPO den Unsicherheiten, die mit DNA-Reihenuntersuchungen verbunden waren, zu begegnen versucht517; ob er damit aber nach den allgemeinen Regelungen der §§ 81a, 81c StPO zulässige Maßnahmen verbieten wollte, erscheint zweifelhaft. Freilich hat dieses Argument aber insofern seine Berechtigung, als dass es inkonsequent anmutet, wenn eine zwangsweise Untersuchung unter leichteren Voraussetzungen möglich wäre als eine freiwillige518, was der Fall wäre, wenn §§ 81a oder 81c i. V. m. 81e StPO einen Alternative böten, wenn die materiellen Voraussetzungen des § 81h StPO nicht vorlägen519. Über dieses Problem ließe sich aber hinwegkommen, wenn man verlangen würde, dass neben den Voraussetzungen der §§ 81a, 81e bzw. 81c, 81e StPO auch jene des § 81h StPO mit Ausnahme der Einwilligung vorliegen müssten. Die mehr rhetorische denn praktische Frage Ademis, „wann § 81h StPO hiernach überhaupt anwendbar sein soll[e]“520, ließe sich beantworten, indem auf Konstellationen verweist, in die Voraussetzungen des § 81h, nicht aber die der §§ 81c, 81e StPO vorliegen. Da es aber an den Voraussetzungen des §§ 81a, 81e StPO fehlt, sind zwangsweisen Reihenuntersuchung auf sie nicht zu stützen, unabhängig davon, ob § 81h StPO daneben eine Berechtigung hätte oder erst beseitigt werden müsste. Eine zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung müsste daher zukünftig auf einen novellierten § 81h StPO oder auf eine neue Regelung gestützt werden. bb) Zwangsweise Reihenuntersuchung im eigentlichen Sinne de lege ferenda Fraglich ist aber, ob eine solche de lege ferenda wenigstens ermöglicht werden könnte. Es könnte sich dann bei der Rechtsgrundlage um eine solche handeln, die im Wesentlichen die Anordnungsvoraussetzungen des § 81h StPO übernimmt (Anlasstat, Prüfungsmerkmale, Verhältnismäßigkeit, Gebot richterlicher Anordnung), aber auf das Kriterium der Einwilligung verzichtet. (1) Entgegenstehen der Menschenwürde? Jedwede Diskussion über die Einführung einer Ermächtigungsgrundlage für zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung in die StPO wäre unabhängig von der genauen Ausgestaltung fruchtlos, so man zu dem Ergebnis käme, dass die Menschenwürde berührt würde.
517
Vgl. BT-Drucks. 15/5674, S. 9. Ademi, S. 278; Hero, S. 190; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (199). 519 A. A. Kretschmer, HRRS 2012, 183 (186), der darauf hinweist, dass i. R. d. § 81c StPO die Begrenzung des Personenkreises strenger sei. 520 Ademi, S. 278. 518
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Angenommen wird dies von Ademi521 und Wüsteney522, während Beck523 und Wickert524 einen entsprechenden Verstoß ablehnen. Der Ansatz Wüsteneys erscheint differenziert525. Er stellt darauf ab, dass der Zweck zwangsweiser DNA-Reihenuntersuchungen sich in der Selektion Unschuldiger aus dem Kreis der Merkmalsträger erschöpfe. Eine solche Maßnahme würde insofern ein Novum darstellen, als sie nicht auf die Führung des Schuldnachweises gegen den Straftäter gerichtet sei. Staatliche Zwangsanwendung fände ihre Legitimation aber ausschließlich in dem Zweck, den Beschuldigten für die von ihm begangene Straftat verantwortlich zu machen. Ein solches Vorgehen sei deshalb kein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG, weil die Sanktionierung strafbaren Verhaltens notwendig sei, um die Freiheit der Bürger vor anderen Privaten zu schützen, damit nicht ein Zustand der Unfreiheit des Verletzten durch einen Privaten eintrete, vor welchem der Bürger durch den Staat gerade geschützt sein sollte. Bei zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung gehe es aber nicht darum, den Adressaten für begangenes Unrecht zur Verantwortung zu ziehen; es würden vielmehr Menschen herangezogen, die selbst keinerlei Anlass für ihre Inanspruchnahme gegeben hätten. Diene die Maßnahmen einzig dem Zweck, durch Ausscheiden der Vielen sich auf die Wenigen konzentrieren zu können, so würden erstere zum Objekt der Durchsetzung des staatlichen Machtanspruches degradiert. Die Begründung des MenschenwürdeVerstoßes liege daher abstrahiert in der „Entkopplung von Tatverdacht und Untersuchungshandlung“. Dies zugrunde legend käme ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG dann nicht in Betracht, wenn eine große Gruppe herangezogen würde, die einen spezifischen Bezug zur Tat hat. Gemeint sind Fälle, in denen man den Täter sicher unter den Betroffenen vermutet. Ein Beispiel möge der Fall sein, in dem der Vergewaltiger unter den Gästen einer Feier zu suchen ist und alle männlichen Gäste herangezogen würden. Dann sei nämlich nicht mehr die Effektivierung staatlichen Handelns durch Selektion der Merkmalsträger, sondern die Überführung des einen Gastes Zweck der Maßnahme. Damit sei indessen das Verdikt der Verfassungswidrigkeit über solche DNA-Reihenuntersuchungen, die ausschließlich Selektionszwecken dienten, noch nicht gefällt, denn auf freiwilliger Basis erschienen diesen weiterhin möglich. Unter Anknüpfung daran begründet Ademi526 einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG damit, dass durch eine zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung oftmals bis dato völlig Unverdächtige zu bloßen „Selektionsmitteln“ herabgewürdigt würden, was
521 522 523 524 525 526
Ademi, S. 55 ff., 279. Wüsteney, S. 128 ff. Beck, S. 292 f. Wickert, S. 422. Vgl. zu diesem im Ganzen Wüsteney, S. 128 ff. Vgl. teilweise wortgleich Ademi, S. 56 f.
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Art. 1 Abs. 1 GG aber gerade verbiete527. Den Strafverfolgungsbehörden sei a priori klar, dass die Mehrzahl der zu Untersuchenden als Täter ausscheiden müsste528. Dieser Argumentation tritt Beck entgegen. Nicht, ob der Betroffene nun verdächtig oder unverdächtig sei, bestimmte darüber, ob eine Verletzung der Menschenwürde im Raum stehe, sondern einzig die Intensität staatlichen Handelns529. Es gelte zu sehen, dass bei Etikettierung jedes noch so unbedeutenden Grundrechtseingriffes bei einem Unverdächtigen als Menschenwürde-Verstoß eine Entwertung des Gehaltes der Menschenwürde durch inflationären Gebrauch drohte530. Die Menschenwürde sei Ausgangspunkt aller dem Art. 1 GG folgenden Grundrechte und damit Stützpfeiler des freiheitlich demokratischen Rechtsstaates. Diesen Stellenwert büßte Art. 1 Abs. 1 GG ein, würde „stets, wenn eine Person im Rahmen der Strafverfolgung von den Behörden in Anspruch genommen wird, eine Menschenwürdeverletzung angenommen“531. So sehr im Ergebnis Beck Recht zu geben ist, so wenig aber überzeugt deren Begründung. Sie ist teilweise so allgemein gehalten, dass es schon schwer fällt, überhaupt zu widersprechen. Es ist zweifelsohne richtig, dass der Vorwurf einer Verletzung des Anspruches auf Achtung der Menschenwürde ein äußerst scharfes Schwert darstellt, bei dessen Einsatz Zurückhaltung geboten ist532. Dies hat bereits den praktischen Grund, dass mit dem scharfen Schwert der Menschenwürde – weiterhin bildlich gesprochen – keine Feinjustierung mehr, sondern nur ein Kahlschlag möglich ist. Weil Eingriff und Verletzung innerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 1 Abs. 1 GG dasselbe sind533, muss genau geprüft werden, ob eine staatliche Maßnahme ungeachtet jedweder Einschränkung wirklich die Menschenwürde tangiert. Und auch aus rechtlicher Sicht ist Zurückhaltung geboten, sieht man – wie Beck richtigerweise bemerkt –, dass alle anderen Grundrechte die Menschenwürde konkretisieren bzw. dass die Menschenwürde alle anderen Grundrechte beeinflusst534. Das Grundgesetz selbst 527
Ademi, S. 55 ff., 279. Ademi, S. 56. 529 Beck, S. 292 unter Berufung auf Siebrecht, S. 74. 530 Beck, S. 292; ebenso bereits Siebrecht, S. 74; zu derartigen Problemen losgelöst von DNA-Analysen ausführlich Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 1, Rn. 47 ff. 531 Beck, S. 292 f. 532 Kap. 3 § 3 II. m. w. N. 533 Kap. 3 § 3 II. m. w. N. 534 Vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 1, Rn. 160 ff.; Enders, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 1 GG, Rn. 9, der treffend zusammenfasst: „Ohne Menschenwürde gibt es keine (Grund-)Rechte, ohne Grundrechte aber auch keine Menschenwürde“; Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 1, Rn. 24 f. spricht von „wechselseitige[r] Ausstrahlung“; ähnlich Hillgruber, in: BeckOK-GG, Art. 1, Rn. 1; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1, Rn. 67 spricht insofern zutreffend vom „Grundsatz der partiellen Spezialität und Subsidiarität“; ähnlich auch Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 1, Rn. 82; Kunig/Kotzur, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, Art. 1, Rn. 90 ff.; Zippelius, in: BK-GG I, Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 GG, 528
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nimmt mithin eine Abstufung vor, sodass rechtlich für einen Rückgriff auf die Menschenwürde nur Fälle verbleiben, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht in Einklang gebracht werden können, obschon kein anderes Grundrecht entsprechenden Schutz gewährt535. Dass nicht „jede behördliche Inanspruchnahme eine Menschenwürdeverletzung bedeutet“536, ergibt sich im Übrigen aus der Konsequenz dieses zu allgemeinen Gedankens. Denn dann würde das Grundgesetz ja selbst Strafverfolgung unmöglich machen, wobei es diese in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 95 Abs. 1, 96 Abs. 2, 5, 103 Abs. 2 voraussetzt und ihrer auch bedarf, damit grundrechtlich verbürgte Freiheiten nicht von anderen Grundrechtsträgern unterminiert werden537. Gleichwohl ersetzt die Warnung vor dem inflationären Gebrauch der Menschenwürde nicht die argumentative Auseinandersetzung mit Sache. Denn dass es staatliche Maßnahmen gibt oder zumindest geben kann, die den Achtungsanspruch der Menschenwürde verletzten, ist unbestritten; und auch ihnen könnte man die Warnung entgegensetzen, die Menschenwürde dürfe nicht inflationär bemüht werden. Eine deflationäre Anwendung des Art. 1 Abs. 1 GG entwertet diesen genauso wie eine inflationäre. Freilich Zustimmung verdient, dass der Schutz der Menschenwürde sowohl für den Beschuldigten als auch für den Nichtbeschuldigten gilt538 ; es ist schließlich nicht des Beschuldigten, nicht des Verletzten, sondern des Menschen Würde. Dies erkennen aber auch Ademi und Wüsteney an, die ausführen, was für den Beschuldigten gelte, gelte auch für den Unbeschuldigten539. Der Begründungsansatz Wüsteneys kann aber ebenso wenig überzeugen, weil die Prämisse, die DNA-Reihenuntersuchung diene nur Selektionszwecken und mache deshalb den Betroffenen zum Objekt, falsch ist. Dass dies der entscheidende Ausgangspunkt in der Argumentation Wüsteneys ist, erkannt man daran, dass er solche DNA-Reihenuntersuchungen, bei denen der Spurenleger unter den Teilnehmern sicher angenommen wird, mit Verweis darauf für zulässig erachtet, dass hier gerade keine Entkopplung von Tatverdacht und Strafverfolgungsmaßnahme stattfände.
Rn. 13; vgl. auch Podlech, in: AK-GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 16 ff.; zur Auslegung anderer Grundrechte im Lichte des Art. 1 GG BVerfGE 6, 32 (36); 109, 279 (313); zur Überprüfung von Verfassungsrecht hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Art. 1 GG s. BVerfGE 109, 279 (311 ff.); zum Verhältnis von Lebensschutz gem. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Menschenwürde Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 1 GG, Rn. 20 ff. 535 Vgl. Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1, Rn. 67 sowie Zippelius, in: BK-GG I, Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 GG, Rn. 28: „letzte Verteidigungslinie“; zuvor ähnlich Vitzthum, JZ 1985, 201 (203): „eiserne Ration, (…) the last refuge (…)“; ähnlich Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 1, Rn. 58: „Minimalgarantie“. 536 Explizit bezogen auf den Strafprozess BVerfGE 109, 279 (312 f.). 537 Zum Verfassungsrang einer effizienten Strafrechtspflege vgl. die Nachweise in Fn. 393 (Kap. 4). 538 S. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 1, Rn. 58. 539 Ademi, S. 56; Wüsteney, S. 128.
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Ob eine zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung, die ausschließlich Selektionszwecken dient, verfassungs- und insbesondere menschenwürdekonform wäre, mag jedoch solange dahinstehen, wie eine solche nicht einmal angedacht wird. Würde man den § 81h StPO nämlich insofern novellieren, dass man schlicht das Einwilligungserfordernis tilgte, so bliebe schließlich der Passus weiter bestehen, nach dem zur Teilnahme „aufgefordert“ – oder besser: gezwungen – werden kann, wer Prüfungsmerkmale erfüllt, die vermutlich auf den Täter zutreffen. Somit muss stets zumindest die Möglichkeit bestehen, dass der Täter unter den Teilnehmern ist540. Die DNA-Reihenuntersuchung verfolgt damit stets beide von Wüsteney skizzierten Zwecke – Selektion und Täterverfolgung. Sie tut dies, wenn sie zwangsweise durchgeführt wird, sogar eher als auf freiwilliger Basis, weil bei zwangsweiser Durchführung der „Überführungszweck“ eher in den Vordergrund rückt, denn man muss nicht befürchten, dass der Spurenleger schlicht nicht teilnimmt. Zwangsweise DNA-Reihenuntersuchungen dienen damit eher Zweck, den Täter zu überführen als freiwillige. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, müsste man, entgegen Wüsteney, über freiwillige Tests erst recht das Verdikt der Verfassungswidrigkeit fällen – jenseits davon, dass das, was die Menschenwürde tangiert, auch freiwillig nicht durchgeführt werden könnte, weil ein Verzicht auf den Achtungsanspruch der Menschenwürde nicht möglich ist541. Die Behauptung, die Heranziehung der Betroffenen degradiere diese zu Selektionsmitteln, verkennt mithin einen wesentlichen Zweck der (zwangsweisen) DNA-Reihenuntersuchung. Richtig ist gleichwohl, dass Personen betroffenen sind, die nichts dazu beigetragen haben, nun mit staatlichen Zwangsmaßnahmen konfrontiert zu werden. Teilweise wird die Zulässigkeit staatlichen Vorgehens gegen solche Personen in der staatsrechtlichen Literatur unter dem Terminus „verdacht(s)loser Eingriff“ an Art. 1 GG gemessen542. Die Diskussion findet dabei zwar hauptsächlich im Gefahrenabwehrrecht statt; sie lässt sich aber auf das Strafverfahrensrecht übertragen. Dort findet man Gercke den Satz „[i]n jedem Fall s[eien] aber grundrechtsberührende Maßnahmen zur Ermittlung des Vorliegens eines Tatverdachtes iSv § 152 Abs. 2 unzulässig“543. Das BVerfG selbst spricht den Punkt der „Verfangenheit des Adressaten“ – also den Bezug von Betroffenen zu Gefahr oder Straftat – i. R. d. Verhältnismäßigkeit an544 und sieht im Fehlen einer solchen Verfangenheit ein intensitätssteigerndes Kriterium545.
540
Satzger, JZ 2001, 639 (645) ohne Bezug zum entsprechenden Passus des § 81h StPO. Kap. 3 § 3 I. 3 c) aa) (1) m. w. N. in Fn. 109 (Kap. 3). 542 Enders, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 1 GG, Rn. 77, der aber darauf hinweist, dass nach st. Rspr. des BVerfG ein entsprechendes Verbot aus dem jeweils betroffenen Grundrecht i. V. m. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergeben solle. 543 Gercke, in: HK-StPO, § 152, Rn. 6. 544 Vgl. BVerfGE 140, 220 (271); ähnlich zuvor BVerfGE 120, 274 (329); 125, 260 (330). 545 Vgl. BVerfG, NVwZ 2021, 226 (232, Rn. 96). 541
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Soweit mit „verdachtslosem Eingriff“ eine Maßnahme gemeint ist, bei der noch überhaupt nicht feststeht, ob eine Straftat vorliegt, gilt es zu bemerken, dass die DNA-Reihenuntersuchung der Aufklärung eines Verdachtes dient. Ein entsprechender Verdacht ist Voraussetzung für die Anordnung einer DNA-Reihenuntersuchung – bereits unter Geltung des § 81h StPO in der jetzigen Fassung –, sodass eine Entkopplung von Tatverdacht und Strafverfolgungsmaßnahme nicht droht. Man kann aber den Begriff des verdachtslosen Eingriffes auch so verstehen, dass der Eingriffsadressat selbst nicht der Verdächtige ist. Die DNA-Reihenuntersuchung setzt zwar Verdacht, aber keinen Verdächtigen oder gar Beschuldigten voraus. Das ist aber i. R. d. § 81c StPO nicht anders. Auch dem vergewaltigten Opfer kann man nicht ernsthaft – oder allenfalls mit viel Zynismus – vorwerfen, es selbst habe Anlass gegeben, Adressat von grundrechtsberührenden, staatlichen Ermittlungsmaßnahmen zu werden. Den Anlass hat vielmehr der Vergewaltiger gegeben. Soweit ersichtlich ist gegenüber § 81c StPO aber noch nie der Vorwurf erhoben worden, die Menschenwürde sei verletzt546. Hieraus lässt sich ableiten, dass es also auch unter der Geltung des Art. 1 Abs. 1 GG möglich sein muss, zum Zwecke der Strafverfolgung Nichtbeschuldigte gegen ihren Willen heranzuziehen. Dass ein solches Vorgehen wie alles staatliche Handeln, jedenfalls soweit es gegen den Willen des Betroffenen durchgesetzt wird, Grenzen hat bzw. haben muss, ist unbestritten. Diese ergeben sich dann aber aus anderen Grundrechten bzw. Verfassungsprinzipien und nicht aus der Menschenwürde. Zwar muss man, soweit man die Parallele zu § 81c StPO bemüht, zwei maßgebliche Unterschiede sehen: Zum einen ist Opfer einer Straftat viel näher am Tatgeschehen als der Merkmalsträger i. R. d. DNA-Reihenuntersuchung. Zum anderen dient, wie aufgezeigt, § 81c StPO gerade und im Gegensatz zu einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung nicht dem Zweck, den Betroffenen zu überführen547. Allerdings sind diese Unterschiede nicht geeignet, den Vorwurf des Menschenwürde-Verstoßes zu begründen, weil schwerlich begründet werden kann, durch diese Unterschiede würde erst die Subjektsqualität des Betroffenen in Frage gestellt. Sie mögen aber im Bereich der Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffes i. R. d. Verhältnismäßigkeit Relevanz erfahren. (2) Entgegenstehen der Unschuldsvermutung? Zutreffend wird ein Entgegenstehen der Unschuldsvermutung von der herrschenden Meinung ablehnt548. Soweit dies mit der Vereinbarkeit von Unschuldsvermutung und Strafverfolgungsmaßnahmen begründet wird549, kann insofern auf 546
Vgl. BVerfGE 5, 13 ff zur Parallelvorschrift des § 372a ZPO, wo das BVerfG Art. 1 GG nicht einmal anspricht. 547 Kap. 5 § 5 I. 2. b) cc) (1). 548 Beck, S. 290 – 292; Eckstein, Ermittlungen zu Lasten Dritter, S. 354 f.; Wickert, S. 422 f.; Wüsteney, S. 178. 549 Beck, S. 290.
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die Ausführungen zur Vereinbarkeit von Unschuldsvermutung und freiwilliger Reihenuntersuchung verwiesen werden550. Richtig ist weiter, dass die Durchführung einer DNA-Reihenuntersuchung weder Strafcharakter hat noch in ihr eine Vorverurteilung zum Ausdruck komme -letzteres schon deshalb, weil a priori klar ist, dass nicht alle Merkmalsträger Täter sind551. Soweit allerdings ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung damit abgelehnt wird, dass die Unschuldsvermutung nur für den Beschuldigten gelte552, muss widersprochen werden. Der Beschuldigte, mithin eine Person, den die Strafverfolgungsbehörden bereits als möglichen Täter ins Auge gefasst haben, schwebt freilich in einer gegenüber den Unbeschuldigten erhöhten Gefährdungslage, Adressat die Unschuldsvermutung verletzender Maßnahmen zu werden. Wenn aber entsprechende Maßnahmen beim Beschuldigten unzulässig sind, obwohl Tatsachen die Widerlegung der für ihn streitenden Unschuldsvermutung nahelegen, dann müssen sie erst recht bei demjenigen unzulässig sein, bei dem nichts für eine entsprechende Widerlegung spricht. Ferner kann ein Gebot der Unschuldsvermutung, Maßnahmen gegen Nichtbeschuldigte nur unter strengeren Voraussetzungen als gegen Beschuldigte zuzulassen, entgegen Beck553 nicht angenommen werden. Isoliert die Unschuldsvermutung betrachtend dürfte man sogar die Beschuldigteneigenschaft gar nicht als Argument für eine priorisierte Inanspruchnahme heranziehen, weil der Beschuldigte gleichermaßen wie der Nichtbeschuldigte als unschuldig bis zur Widerlegung zu gelten hat554. Im Ergebnis gleich ergibt sich ein entsprechende Abstufung aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit555. Diesem ist ein Gebot zu entnehmen, bei mehreren zur Verfügung stehenden Beweismitteln dasjenige zu wählen, das am meisten Erfolg verspricht556. Dies tut im Regelfall557 die in Inanspruchnahme des Beschuldigten eher558. Denn gerade bei diesem legt der Verdacht die Täterschaft nahe. (3) Entgegenstehen der Selbstbelastungsfreiheit? Im Gegensatz zur Unschuldsvermutung wird einer Einführung einer Zwangsmaßnahme der nemo-tenetur-Grundsatz tatsächlich entgegengehalten – und ein
550
S. o. Kap. 5 § 5 I. 2. b) bb) (3) (d). Wickert, S. 422 f. 552 Wickert, S. 422 f. 553 Beck, S. 290 ff. so auch SK-StPO II, Vorb. § 94, Rn. 4 (kein Bearbeiter). 554 Diff. Eckstein, Ermittlungen zu Lasten Dritter, S. 332 f.; vgl. auch Frister, S. 113. 555 Eckstein, Ermittlungen zu Lasten Dritter, S. 333 f., vgl. auch BVerfGE 44, 353 (371); Rogall, in: SK-StPO I, § 81c StPO, Rn. 23. 556 Vgl. Eckstein, Ermittlungen zu Lasten Dritter, S. 333 f. 557 Zu Ausnahmefällen, in denen die Inanspruchnahme Dritter i. R. d. § 81c StPO erfolgsversprechender ist s. Eckstein, Ermittlungen zu Lasten Dritter, S. 332. 558 Vgl. Frister, S. 113. 551
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Entgegenstehen nicht nur diskutiert559. Eine Begründung hierfür lassen die meisten indessen vermissen560. Die meisten Stimmen in der Literatur lehnen einen Verstoß gegen den nemotenetur-Grundsatz bei zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchungen ab561, wenngleich nicht alle dargebrachten Begründungen überzeugen. Soweit Trück einem etwaigen Verstoß gegen die Selbstbelastungsfreiheit entgegenhält, damit ernstgemacht „müsste man sämtliche Ermittlungsmaßnahmen der StPO abschaffen, die sich in irgendeiner Weise gegen den Beschuldigten richten oder seine Person zum Gegenstand haben“562, ist dies freilich recht pauschal. Ohne dass dies im Hinblick auf die Selbstbelastungsfreiheit ausschlaggebend wäre, impliziert die Aussage, dass zwangsweise DNA-Reihenuntersuchungen sich gegen Beschuldigte richten würden oder zumindest des Beschuldigten Person zum Gegenstand hätten. Beides ist falsch. Wären die Betroffenen Beschuldigten, wäre §§ 81a, 81e StPO die richtige Ermächtigungsgrundlage. Des § 81h StPO, als Einwilligungs- oder als Zwangsmodell, bedürfte es in keiner Weise. Gegen die Person des Beschuldigten kann sich die Maßnahme schon deshalb nicht richten, weil es einen solchen gar nicht gibt im Zeitpunkt der Anordnung. Dass, wie Trück bemerkt, die StPO i. R. v. Wohnraumüberwachungen die Verwertung von Erkenntnissen gegen Dritte zulässt563, hat nichts mit der Selbstbelastungsfreiheit zu tun. Es handelt sich vielmehr um eine Frage der Zweckbindung, weil es darum geht, ob Daten, die eigentlich dem Zwecke der Beweisführung gegen den einen dienen, nun zum Zwecke der Beweisführung gegen anderen genutzt werden können. In dem vom Trück angeführten Fall belastet der Abgehörte sich selbst gerade nicht. Nicht überzeugend ist ferner das Argument Wickerts, wonach die Selbstbelastungsfreiheit nur den Beschuldigten schützen solle564. Konsequent freilich wäre es, dann einen verbotenen Zwang zur Selbstbelastung nicht anzunehmen, weil bei Reihenuntersuchungen die Betroffenen nicht Beschuldigte sind. § 55 Abs. 1 StPO indes, der dem Zeugen das Recht gibt, auf Fragen, deren Beantwortung ihn in Gefahr brächte, Adressat von Strafverfolgungsmaßnahmen zu werden, die Auskunft zu verweigern, und der Ausfluss des nemo-tenetur-Grundsatzes ist565, zeigt, dass die 559
Jahn, JuS 2013, 470 (472); Mertin, ZRP 2005, 37 (38). Bei Jahn, a. a. O. findet sich nur der Hinweis, die Einführung eines Zwangsmodelles sei „im Hinblick auf den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit verfassungsrechtlich problematisch“; ähnlich knapp auch Mertin, a. a. O. 561 Beck, S. 289 f.; Satzger, JZ 2001, 639 (645); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 20; Wickert, S. 423 ff.; Wüsteney, S. 167 ff. 562 Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 20. 563 Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 20. 564 Vgl. Wickert, S. 437 – 439; dagegen bereits Beck, S. 289. 565 Vgl. nur BVerfGE 38, 105 (113); 56, 37 (45); wistra 2010, 299 (300, Rn. 18); NJW 2002, 1411 (1412); NJW 2000, 3775 (3776); NJW 1999, 779; NStZ 1985, 277; BGHSt 1, 39 (40); 38, 302 (305); Bader, in: KK-StPO, § 55, Rn. 1; Benfer/Bialon, Rn. 1453; Bringewat, JZ 1981, 289 (294); Dahs, NStZ 1999, 386; ders./Langkeit, NStZ 1993, 213 (214); Dingeldey, JA 1984, 407 560
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Selbstbelastungsfreiheit nicht an die Beschuldigteneigenschaft anknüpft. Zwar ließe sich methodisch einwenden, § 55 StPO zeige gerade, dass das Auskunftsverweigerungsrecht des Zeugen nur einfachrechtlich konstituiert und nicht verfassungsrechtlich determiniert sei. Dies deshalb, weil die Selbstbelastungsfreiheit des Beschuldigten in der StPO zwar u. a. in den §§ 115 Abs. 3 S. 1, 136 Abs. 1 S. 2, 243 Abs. 5 S. 1 StPO vorausgesetzt, aber im Gegensatz zu § 55 Abs. 1 StPO eben nicht einfachrechtlich normiert ist566. Konsequenterweise, so könnte man fortführen, hätte es des § 55 Abs. 1 StPO ebenso wenig bedurft, wenn die Selbstbelastungsfreiheit doch den Regelungsgehalt des § 55 Abs. 1 StPO schon umfasste567. Ein solches Vorgehen wäre aber methodisch in mehrerlei Hinsicht fragwürdig. Zum einen würde damit aus dem einfachen Recht der StPO auf das verfassungsmäßige Recht der Selbstbelastungsfreiheit geschlossen568. Zum anderen, so könnte man entgegnen, könnte § 55 StPO auch deshalb positivrechtlich normiert sein, weil i. R. d. Zeugenbeweises die Selbstbelastungsfreiheit nicht im selben Maße anerkannt ist wie beim Beschuldigten. Im Ergebnis aber erscheint es einzig sachgerecht, eine Freiheit von Zwang zur Selbstbelastung anzuerkennen – ungeachtet der Prozessrolle des Betroffenen569. Müsste sich der Betroffene vor Erlangung der Beschuldigtenstellung selbst belasten, so würde ihm sein Schweigerecht im Laufe des Prozesses gegen ihn (410); Gercke, in: HK-StPO, § 55, Rn. 1; H. Hauser, S. 94; Kölbel, S. 58, 437; Maier, in: MüKo-StPO I, § 55, Rn. 1; Marlie, ZIS 2017, 230; Neubeck, in: KMR-StPO, § 55, Rn. 1; Otte, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 55, Rn. 1; Rengier, S. 54; Rogall, Beschuldigter, S. 61, 104; ders., JR 1993, 378 (380); ders., in: SK-StPO I, Vorb. § 48, Rn. 154; § 55, Rn. 1; Verrel, S. 269; Weßlau, ZStW 110 [1998], 1 (35); H. A. Wolff, S. 80 ff.; ähnlich BGHSt 17, 245 (246): Persönlichkeitsrecht des Zeugen; implizit auch Henkel, § 49, III., 3.; Jescheck, Generalgutachten für den 46. DJT, 1 (25); Leipold, NJW-Spezial 2005, 231 (232); Spendel, NJW 1966, 1102 (1106); vgl. auch Eschelbach, in: SSW-StPO, § 55, Rn. 1, der zwar treffend von der Selbstbelastungsfreiheit des Zeugen spricht, aber insofern unverständlichen diese als nachrangig gegenüber § 136 Abs. 1 S. 2 StPO bezeichnet; v. Schlieffen, in: AnwKo-StPO, § 55, Rn. 1, der in der Norm eine Ergänzung zu §§ 52, 136 Abs. 1 S. 2 StPO sieht und damit wenigstens mittelbar an den nemo-tenetur-Grundsatz anknüpft; gleichsam Bosch, S. 251 f.; Ignor/Bertheau, in: LR-StPO II, § 55, Rn. 1; Rinio, JuS 2008, 600; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 55, Rn. 1; Trüg, in: HK-GS, § 55 StPO, Rn. 1; zuvor bereits zu § 54 StPO a. F., der heute dem § 55 StPO weitgehend entspricht RGSt 36, 114 (116) unter Heranziehung des entsprechenden gesetzgeberischen Motives, welches bei Hahn (Hrsg.), Materialien zur StPO I, S. 108 abgedruckt ist; daran anknüpfend BGHSt 11, 213 (216); R. Hauser, S. 161; insofern widersprüchlich auch Wickert, S. 437, Fn. 1262. 566 Dazu BVerfG, NJW 2000, 3775 (3776); BGHSt 1, 39 (40); 1, 342 (343); 25, 325 (330); 38, 302 (205); NJW 1966, 1718 (1719); Kliemannel, Die Polizei 2021, 53 (53 f.); Rogall, Beschuldigter, S. 104, 108; vgl. auch BGHSt 14, 358 (364 f.). 567 Vgl. diesen Unterschied zwischen der Selbstbelastungsfreiheit des Zeugen und der des Beschuldigten betonend Verrel, S. 269. 568 I. d. S. hier nur Dahs/Langkeit, NStZ 1993, 213 (214); vgl. aber auch Kopf, S. 161. 569 Beck, S. 289, vgl. auch Rogall, in: SK-StPO II, Vorb. § 133, Rn. 155 – 159; zur allgemeinen Geltung der Selbstbelastungsfreiheit BVerfGE 38, 105 (113); 56, 37 (43 ff.); NJW 2000, 3775 (3776); NJW 1999, 779; NStZ 1985, 277; BGHSt 27, 374 (379); Gercke, in: HK-StPO, § 55, Rn. 1; Rogall, Beschuldigter, S. 103, 108; zur verfassungsrechtlichen Bedeutung des § 55 StPO Ignor/Bertheau, in: LR-StPO II, § 55, Rn. 1.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
nichts nützen, weil sein früheres Verhalten mangels einer dem § 252 StPO vergleichbaren Regelung in das Verfahren gegen ihn eingeführt werden könnte. Der Unbeschuldigte müsste sich also nolens volens in die Beschuldigteneigenschaft hineinbegeben570. Der nemo-tenetur-Grundsatz erreicht seinen Zweck folglich erst, wenn er unabhängig von der prozessualen Rolle Geltung hat571. Im Rahmen von DNA-Reihenuntersuchung ist aber – worauf in der Literatur zutreffend hingewiesen wird572 – der Betroffene ungeachtet seiner prozessualen Rolle nicht verpflichtet, überhaupt aktiv, erst recht aber an seiner Überführung mitzuwirken. Das gilt logischerweise für denjenigen, der nicht der Spurenleger ist, weil er sich nicht belasten kann573. Aber für den Spurenleger unter den Merkmalsträgern gilt nichts anderes: Sowohl die DNA-Analyse als auch die ihr vorausgehende Körperzellentnahme sind ohne Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz möglich574. Ansonsten wären §§ 81a, 81c, 81e StPO bereits jetzt verfassungswidrig, weil die Modalitäten dort wie bei Reihenuntersuchungen dieselben sind575. (4) Verhältnismäßigkeit einer entsprechenden Regelung Sind sodann mit Menschenwürde, Unschuldsvermutung und Selbstbelastungsfreiheit drei mögliche Argumente entkräftet, die zwangsläufig zur Unzulässigkeit der Ermöglichung einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung geführt hätten576, gilt 570 Baier, S. 63; H. Hauser, S. 94; Rogall, in: SK-StPO I, § 55, Rn. 1; vgl. auch Geerds, in: FS Stock, 171 (185), der vom Zeugen i. S. d. § 55 StPO als „potentiellen Beschuldigten“ spricht; gleichsam auch Nothhelfer, S. 93. 571 Trüg, in: HK-GS, § 55 StPO, Rn. 1; Weßlau, ZStW 110 [1998], 1 (35); explizit zur Selbstbelastungsfreiheit des Zeugen BGHSt 47, 220 (223); vgl. i. d. S. auch BVerfG, NJW 2000, 3775 (3776), das bei der Anwendung des § 55 StPO den nemo-tenetur-Grundsatz bemüht; s. auch Dahs, NStZ 1999, 386, der von einer „rechtsähnlichen Prozeßsituation“ mit Blick auf Zeugen und Beschuldigte spricht; ähnlich Nothhelfer, S. 92 f. 572 Beck, S. 290; Satzger, JZ 2001, 639 (645); Wickert, S. 435; vgl. Wüsteney, S. 167 f. 573 Wickert, S. 432 f. 574 Vgl. hier nur Gössel, in: GS Meyer, 121 (136 f.); a. A. aber sub specie § 81a StPO Kopf, S. 159 – 170. 575 Vgl. Beck, S. 290; Satzger, JZ 2001, 639 (645); Wickert, S. 435. 576 Ob ein Berührung der Selbstbelastungsfreiheit zwangsläufig zur Unzulässigkeit führen würden, hängt freilich sowohl davon ab, in welchem Grundrecht oder Verfassungsprinzip man sie verankert wissen möchte, als auch davon, ob man Duldungspflichten von ihr als erfasst ansieht. Geht man von letzterem aus, so wäre sie zwar i. R. v. DNA-Reihenuntersuchungen berührt. Dies würde aber nicht zwangsläufig mit der Verfassungswidrigkeit entsprechender Maßnahmen einhergehen. Sähe man – quasi als Korrektur eines so weiten Verständnisses – dann den nemo-tenetur-Grundsatz in irgendeinem anderen Grundrecht als Art. 1 GG verankert, so könnte der entsprechende Eingriff schließlich gerechtfertigt werden. Sieht man passive Duldungspflichten von der Selbstbelastungsfreiheit als gar nicht erfasst an, wäre eine Verankerung in Art. 1 GG i. R. d. Frage der Zulässigkeit von zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchungen ebenso unproblematisch. Zur Unzulässigkeit führte es mithin nur, wenn man die Selbstbelastungsfreiheit weit auslegte und in Art. 1 GG verankert sähe. Dies führte aber zeitgleich zur Unzulässigkeit der §§ 81a – 81h StPO insgesamt. Einzig nicht möglich erscheint der Ansatz von
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es festzuhalten, dass damit der Weg für zwangsweise DNA-Reihenuntersuchungen noch nicht offensteht. Denn freilich handelt es sich bei ihnen um grundrechts-, insbesondere das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung berührende Maßnahmen577. Daraus ergibt sich, dass eine entsprechende Regelung wie alles staatliche Handeln dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu genügen hat578. Dass zwangsweise DNA-Reihenuntersuchungen in Form von Strafverfolgung einem legitimen Zweck dienen, ist unbestritten579. Gleiches gilt für die Eignung580. Auf die Zahlen bei Sauter581, die der freiwilligem DNA-Reihenuntersuchung eine Aufklärungsquote von 50 % attestieren, sei in diesem Kontext hingewiesen. Ausführlicherer Begründung bedürfen dagegen Erforderlichkeit und Angemessenheit in ihren spezifischen Ausprägungen. Bevor darauf eingegangen wird, soll jedoch das Konzept einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung verglichen werden mit anderen Maßnahmen der StPO, die sich gegen Nichtbeschuldigte richten. Zeigen sich hierbei Parallelen, so erschiene es möglich, diese insofern fruchtbar zu machen, als man aus ihnen schlussfolgern könnte, welche spezifischen Anforderungen der Gesetzgeber für derartige Maßnahmen typischerweise aufstellt. (5) Die zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung als grundrechtsberührende Maßnahme gegen eine Mehrzahl bis dahin Nichtbeschuldigter zur Begründung eines Tatverdachtes – Ein (weiteres) Unikum innerhalb der StPO? Drei Spezifika einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung heben diese besonders ab vom Standardfall einer Ermächtigungsgrundlage innerhalb der StPO. Erstens, es würde sich um eine Maßnahme handeln, die ausschließlich Nichtbeschuldigte zum Adressaten hat. Zweitens, sie dient nicht der Erhärtung eines Tatverdachtes gegenüber irgendjemandem, sondern der Begründung. Und drittens, es ist eine Vielzahl von Personen betroffenen. (a) Allgemeiner Vergleich mit Maßnahmen gegen Nichtbeschuldigte Wenngleich sich wohl die meisten Zwangsmaßnahmen gegen den Beschuldigten richten, so sind Maßnahmen, die Nichtbeschuldigte betreffen, an sich nichts Un-
Kliemannel, Die Polizei 2021, 53, an die Menschenwürde anzuknüpfen, gleichzeitig auf S. 54 von einer entsprechenden Begrenzung zu sprechen. 577 Zur Grundrechtsrelevanz von DNA-Analysen unter diesem Aspekt Kap. 3 § 3 I. 578 Kühne, in: LR-StPO I, Einl., Abschnitt I, Rn. 96; ders., § 24, Rn. 406. 579 Beck, S. 293; Wickert, S. 453; i. R. v. § 81c StPO Altendorfer, S. 92; Busch, NJW 2001, 1335 (1336); implizit auch VerfGH Berlin, NJW 2006, 1416 (1417); LG Mannheim, NStZ 2004, 301 (302 f.). 580 Beck, S. 293; Wickert, S. 453. 581 Sauter, S. 25 f.; darauf Bezug nehmend auch Beck, S. 293.
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gewöhnliches582 : Man denke an die hier schon vielfach angesprochene Untersuchung des unverdächtigen Dritten gem. § 81c, die DNA-Analyse beim selben gem. § 81e Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StPO, die Beschlagnahme nach § 94 StPO, der gem. § 95 Abs. 2 S. 2 StPO nur Zeugnisverweigerungsberechtigte die Folge verweigern dürfen, die e contrario Unbeschuldigte aber dulden müssen, die Rasterfahndung gem. § 98a StPO, überhaupt an den maschinellen Abgleich von Daten nach § 98c StPO, an die Überwachung der Telekommunikationsüberwachung gem. § 100a StPO, die nach Abs. 3 Alt. 2 auch bei anderen als Beschuldigten stattfinden darf, an die OnlineDurchsuchung gem. § 100b StPO, für die nach Abs. 3 S. 2 dasselbe gilt, an die Wohnraumüberwachung gem. § 100c StPO, die unter den Voraussetzungen des Abs. 2 S. 2 sich auch gegen andere Personen richten darf, an die akustische Überwachung außerhalb des Wohnraums gem. § 100f StPO (vgl. dort Abs. 2 S. 2), an die Durchsuchung des oder beim Nichtbeschuldigten gem. § 103 StPO, an den Einsatz von verdeckten Ermittlern gem. §§ 110a ff. StPO, die typischerweise auch mit anderen Personen als Beschuldigten in Kontakt treten583, an die Errichtung von Kontrollstellen gem. § 111 StPO, an die Veröffentlichung von Bildern des Zeugen gem. § 131b Abs. 2 StPO, an Maßnahmen zur Identitätsfeststellung bei Nichtverdächtigen nach § 163b Abs. 2 StPO mit der Möglichkeit zur Freiheitsentziehung gem. § 163c StPO, an die Schleppnetzfahndung nach § 163d StPO, an Maßnahmen nach § 163e Abs. 1 S. 3 StPO und an die die längerfristige Observation gem. § 163f StPO, die gem. Abs. 1 S. 3 auch gegen andere als Beschuldigte angeordnet werden kann und gem. Abs. 2 diese auch betreffen darf. Kölbel nennt in diesem Zusammenhang zutreffend auch die Zeugenpflichten gem. §§ 48 ff. StPO, denn auch hier werden Personen, bei denen man typischerweise keine strafrechtliche Beteiligung vermutet, in den Dienst der Strafverfolgung gestellt584 – wenngleich das Wort „Zwangsmaßnahme“ in diesem Kontext wohl nur im weitesten Sinne passend erscheint. Und letztlich kann die DNA-Analyse, die DNAReihenuntersuchung nach § 81h StPO selbst, und zwar bereits de lege lata, Dritte, die bis dahin zumindest Nichtbeschuldigte waren, betreffen, wenn man bedankt, dass im Falle eines Beinahetreffers eine große Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Verwandter der Spurenleger ist, was im Fall von BGHSt 58, 84 ff. zu einer zwangsweisen Anordnung nach §§ 81a, 81e StPO und später – darauf gestützt – zur Verurteilung des Spurenlegers führte. Nun unterscheiden viele der genannten Beispiele sich von der in Rede stehenden, zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung in einem entscheidenden Kriterium: Die Durchführung der entsprechenden Maßnahmen betrifft Dritte mehr oder weniger nebenbei; es geht bei ihnen nicht um eine gezielte Maßnahme gegen den Nichtbeschuldigten. §§ 100b Abs. 3 S. 3, 100c Abs. 2 S. 3, 100f Abs. 3, 163f Abs. 2 S. 1 582 Dies bereits betonend Beck, S. 282; Foldenauer, S. 78 f.; Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (299); Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (69); Kölbel, S. 67; Sauter, S. 170 f. 583 Zu fehlenden personellen Begrenzung Günther, in: MüKo-StPO I, § 110a, Rn. 6. 584 Kölbel, S. 67.
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StPO bringen dies wenigstens insofern zum Ausdruck, als dass die Betroffenheit Dritter unschädlich ist, solange sie unvermeidbar ist. Und auch im Bereich der Reihenuntersuchung de lege lata ist ein gezieltes Vorgehen gegen Nichtteilnehmer quasi im Umweg über einen Beinahetreffer Teilnehmer nicht möglich, da die Merkmale auf den Spurenleger zutreffen müssen, nicht auf seinen Verwandten.585 Dort, wo die Maßnahmen gezielt Nichtbeschuldigte betreffen, wird zumeist und im Gegensatz zur DNA-Reihenuntersuchung eine konkrete Verbindung des Einzelnen zu Täter oder Tat verlangt586. Der Zeuge muss logischerweise irgendwas von der Tat oder dem Täter mitbekommen haben, ansonsten stellte sich die Frage, über die er Zeugnis ablegen soll. Der beschlagnahmte Gegenstand muss gem. § 94 Abs. 1 StPO Beweisbedeutung haben. Die Überwachung der Telekommunikation des Nichtbeschuldigten setzt gem. § 100a Abs. 3 StPO voraus, dass er für den Beschuldigten kommuniziert oder jener seine technischen Anlagen benutzt. Letzteres gilt auch für die Online-Durchsuchung gem. § 100b Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StPO. Wohnraumüberwachungen beim Nichtbeschuldigten setzen im Grundsatz gem. § 100c Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StPO voraus, dass der Beschuldigte sich vermutlich in der Wohnung aufhält. Eine Verbindung zum Beschuldigten verlangt expressis verbis die Überwachung des Nichtbeschuldigten außerhalb einer Wohnung gem. § 100f Abs. 2 S. 2 StPO. Durchsuchungen beim Dritten setzen gem. § 103 Abs. 1 S. 1 StPO voraus, dass die Ergreifung des Beschuldigten oder das Auffinden von Spuren der Straftat oder von zu beschlagnehmenden Gegenständen wahrscheinlich erscheint. Die Bezugnahme auf die Beschlagnahme verlangt auch hier Beweisbedeutung. Der Einsatz verdeckter Ermittler kennt ein entsprechendes Verbindungserfordernis nicht. Seine Anordnung geschieht aber hauptsächlich im Bereich der organisierten Kriminalität587 und betrifft daher Personen, die im entsprechenden „Milieu“ verkehren und somit eine Verbindung zur Straftat aufweisen. Die Veröffentlichung von Bildern gem. § 131b Abs. 2 S. 1 StPO setzt voraus, dass der Gezeigte als Zeuge in Betracht kommt. Er muss mithin ebenso über irgendetwas, was Bezug zu Straftat oder Straftäter aufweist, Zeugnis ablegen können. Überhaupt müssen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung der Aufklärung der Straftat dienen, wenn sie gem. § 163b Abs. 2 StPO beim Nichtverdächtigen durchgeführt werden sollen; und schließlich kann eine längerfristige Observation Nichtbeschuldigter gem. § 163f Abs. 1 S. 3 StPO nur dann erfolgen, wenn diese „mit dem Täter in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird“. Im Rahmen des § 81c StPO ergibt sich ein solches Verbindungserfordernis zwar nicht aus dem Wortlaut; es wird aber aus 585
Siehe dazu die Argumentation oben Kap. 5 § 2 I. Beck, S. 283. 587 Vgl. BT-Drucks. 12/989, S. 41; Bruns, in: KK-StPO, § 110a, Rn. 1, 3 f.; Gercke, in: HKStPO, § 110a, Rn. 2; Hadamitzky/Eschelbach, in: SSW-StPO, § 110a, Rn. 3; Hauck, in: LRStPO III/1, § 110a, Rn. 1 f.; Hegmann, in: BeckOK-StPO, § 110a, Rn. 1; Löffelmann, in: AnwKo-StPO, § 110a, Rn. 2; Möhrenschlager, wistra 1992, 326 (330); Rebmann, NJW 1985, 1 (2); Roxin/Schünemann, § 37, Rn. 1; vgl. auch Malek/Wohlers, Rn. 479; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 411; Pegel, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 110a, Rn. 1; Wolter/ Jäger, in: SK-StPO II, § 110a, Rn. 5 f. 586
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Zumutbarkeitserfordernis abgeleitet588 und gilt damit auch für die DNA-Analyse gem. § 81e Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StPO. Zusammengefasst muss der Aussage, es handle sich bei Maßnahmen gegen Nichtbeschuldigte in der StPO keineswegs um Unikate, entgegengehalten werden, dass die zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung sich von jenen schon alleine insofern unterscheiden würde, als dass sie gezielt Nichtbeschuldigte ohne Verbindung zur Straftat heranzöge589. Sucht man nach Maßnahmen innerhalb der StPO, von denen sich die DNAReihenuntersuchung insofern nicht unterscheidet, so stößt man unweigerlich auf §§ 98a, 98c, 111 und 163d StPO. Hier ist jeweils von vorherein klar, dass auch Menschen betroffen werden, die mit Tat oder Täter nichts zu tun haben. (b) Vergleich mit der Rasterfahndung nach §§ 98a f. StPO und dem Datenabgleich nach § 98c StPO Gerade der Vergleich mit der Rasterfahndung nach § 98a StPO wird bei der Diskussion um DNA-Reihenuntersuchungen gerne und häufig gezogen590. Teilweise ist von einer „genetischen Rasterfahndung“ die Rede591. Bei der Rasterfahndung handelt es sich zusammengefasst um einen gem. § 98a Abs. 1 S. 2 StPO gegenüber anderen Ermittlungsmethoden subsidiären Vergleich von Daten, die für andere als Strafverfolgungszwecke erhoben und bei anderen als Strafverfolgungsbehörden gespeichert sind592, der gem. § 98b StPO gerichtlicher Anordnung bedarf. 588
S. Kap. 5 § 5 I. 2. b) cc) (1) (a). A. A. indessen Petri, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 101 (109), der dies damit mit der Übereinstimmung der Prüfungsmerkmale begründet. Freilich ist der Begriff „Verbindung mit Tat oder Täter“ kein gesetzlicher, schon gar kein gesetzlich definierter. Allerdings erscheint es dennoch schwer, von einer Verbindung schon deshalb zu sprechen, weil jemand dieselben Merkmale aufweist wie der Spurenleger bzw. Täter. Verwendet man den Begriff so weit, so stellt sich die Frage, ob denn alle in der Bundesrepublik Deutschland wohnenden Männer eine Verbindung aufweisen, wenn man nur weiß, dass der Gesuchte männlichen Geschlechts ist. 590 Ademi, S. 195 f.; Beck, S. 283 f.; Dix, DuD 1989, 235 (237); Hasselbach, S. 127; Kerner/ Trüg, in: FS Weber, 457 (461); Kühne, § 28, Rn. 494, § 31, Rn. 549; Magnus, ZStW 126 [2014], 695 (706 f.); Petri, in: BAV (Hrsg.), Einwilligung, 101 (109); Rogall, JZ 2013, 874 (878); ders., in: SK-StPO II, § 81h, Rn. 1; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (194); Sauter, S. 185 ff.; Simon, MDR 1991, 5 (11); Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 1; Wickert, S. 223 ff.; Wüsteney, S. 265 ff. 591 Dix, DuD 1989, 235 (237); ausführlich dazu Sauter, S. 185 ff.; anfangs ohne das Attribut „genetisch“ Simon, MDR 1991, 5 (11). 592 Beulke/Swoboda, Rn. 411; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 3929; Eisenberg, Rn. 1894a; Gercke, in: HK-StPO, § 98a, Rn. 1; Gerhold, in: BeckOK-StPO, § 98a, Rn. 14; Günther, in: MüKo-StPO I, § 98a, Rn. 5; Hilger, NStZ 1992, 457 (460); Jäger, in: KMR-StPO, § 98a, Rn. 1; ders., in: SSW-StPO, § 98a, Rn. 1; Jahn, in; Hdb. Strafverfahren, Kap. II, Rn. 45; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 98a, Rn. 2; Körffer, DANA 2014, 146 (147 f.); Malek/Wohlers, Rn. 576; Menges, in: LR-StPO III/1, § 98a, Rn. 2, 4; Pehl, S. 12 f.; Rogall, in: GS Schlüchter, 611 (627); Roxin/Schünemann, § 32, Rn. 12; Siebrecht, S. 18, 20 f.; 589
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Jenseits der Betroffenheit von Personen, die zwar dieselben Merkmale wie der Täter, aber keinerlei Verbindung zu Tat oder Täter aufweisen, soll eine Parallele gegeben sein, weil sowohl bei der Rasterfahndung als auch bei der DNA-Reihenuntersuchung eine Vielzahl von Personen betroffen sei593. Ferner verfolgten Rasterfahndung und Reihenuntersuchung dieselbe Zielrichtung: Das Aussieben Unschuldiger aus einer Gruppe von Merkmalsträgern, um die Ermittlungen zu präzisieren594. Daneben wird auch die Parallele im Hinblick auf den Zweck betont, gegen ein Mitglied der Gruppe der Merkmalsträger Verdacht zu begründen595. Damit wird auf beide Zwecke abgestellt, die die DNA-Reihenuntersuchung verfolgt, nämlich Selektion (Ausschluss von Merkmalsträgern) und Verdachtsbegründung (Überführung des (teilnehmenden) Spurenlegers). Beide Zwecke kann auch die Rasterfahndung verfolgen. Sie dient ausweislich § 98a Abs. 1 StPO sowohl dem Ausschluss Nichtverdächtiger, also der Selektion, als auch der Ermittlungen von Personen, die weitere ermittlungsrelevante Merkmale erfüllen. Letzteres stellt zwar ebenso wenig wie die Überstimmung zweier DNA-Identifikationsmuster einen Tatnachweis dar, rückt aber gleichsam, wenn auch nicht in gleicher Stärke, den Betroffenen in der Kreis potentieller Verdächtiger596. Man spricht insofern von negativer bzw. positiver Rasterfahndung597. Jedenfalls erscheint daher die Durchführung einer Maßnahme zur Verdachtsbegründung (und nicht zur -bestätigung) nicht als Novum. Wickert fasst dies treffend zusammen, wenn sie im Hinblick auf das Wittig, JuS 1997, 961 (968); Wohlers/Greco, in: SK-StPO I, § 98a, Rn. 2; zum genauen Vorgang auch Greven, in: KK-StPO, § 98a, Rn. 2; Jäger, in: KMR-StPO, § 98a, Rn. 2; ders., in: SSWStPO, § 98a, Rn. 2; Malek/Wohlers, Rn. 585; Menges, in: LR-StPO III/1, § 98a, Rn. 8 ff.; Rogall, in: GS Schlüchter, 611 (619); Wohlers/Greco, in: SK-StPO I, § 98a, Rn. 2. 593 Ademi, S. 195 f.; Beck, S. 283; Hasselbach, S. 127; Magnus, ZStW 126 [2014], 695 (706); zuvor bereits Simon, MDR 1991, 5 (11); dazu für die Rasterfahndung vor Schaffung der §§ 98a f. StPO bereits Rogall, GA 1985, 1 (4), krit. dazu Weber, DRiZ 1990, 306. 594 Ademi, S. 196; Magnus, ZStW 126 [2014], 695 (707); Rogall, JZ 2013, 874 (878); ders., in: SK-StPO II, § 81h, Rn. 1; Sauter, S. 188 f.; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 1; Wickert, S. 223; ähnlich Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (461). 595 Kühne, § 28, Rn. 494; Rogall, in: SK-StPO II, § 81h, Rn. 1; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 1; Wüsteney, S. 266 f. 596 Vgl. Rogall, in: GS Schlüchter, 611 (617): „Ob sie [d. h. die Merkmalsträger i. R. e. Rasterfahndung] als Täter in Betracht kommen, wird sich häufig erst nach weiteren Ermittlungen herausstellen“; ferner S. 618: „Am Ende steht daher in aller Regel nicht ,der‘ Täter. Er muß erst noch gesucht werden“. 597 Vgl. BT-Drucks. 12/989, S. 36; Ademi, S. 195; Arloth, CR 1998, 574 (575); Beck, S. 283 f.; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 3929; Gercke, in: HK-StPO, § 98a, Rn. 4 f.; Gerhold, in: BeckOK-StPO, § 98a, Rn. 8; Greven, in: KK-StPO, § 98a, Rn. 2; Hartmann, in: HK-GS, § 98a StPO, Rn. 1; Hilger, NStZ 1992, 457 (460); Jäger, in: KMRStPO, § 98a, Rn. 2; ders., in: SSW-StPO, § 98a, Rn. 2; Joecks, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 98a StPO, Rn. 3 a. E.; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 98a, Rn. 2; Löffelmann, in: AnwKo-StPO, § 98a, Rn. 2; Malek/Wohlers, Rn. 577; Menges, in: LR-StPO III/1, § 98a, Rn. 7; Möhrenschlager, wistra 1992, 326 (327); Pehl, S. 13 f.; Ranft, § 35, Rn. 843; Rogall, in: GS Schlüchter, 611 (620 ff., 630); Siebrecht, S. 22 ff.; Wittig, JuS 1997, 961 (969); Wohlers/Greco, in: SK-StPO I, § 98a, Rn. 2.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung festhält, dass Rasterfahndung wie DNA-Reihenuntersuchung nicht darauf gerecht seien, „Kenntnisse über bestimmte Begebenheiten des Menschen zu erlangen“, sondern sich in einem Abgleich von Daten auf Übereinstimmung erschöpften598. Gleichwohl unterscheidet sich die Rasterfahndung von einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung. Bei der Rasterfahndung werden keine neuen Daten erhoben, nur vorhandene abgeglichen599. § 98a StPO ist keine Ermächtigungsgrundlage für originäre Datenerhebung vom Inhaber600. Dies ist i. R. d. DNA-Reihenuntersuchung anders601. Beck, die diesen Unterschied anerkennt, meint indessen, dies hindere den Vergleich nicht602. Zur Begründung trägt zusammengefasst603 vor: Die Eingriffsintensität der Rasterfahndung läge höher, weil erstens ein detailliertes Bild gezeichnet werde und zweitens sie heimlich geschähe. Weil der Straftatenkatalog des § 98a StPO weiter gefasst sei und die Rasterfahndung keine Einwilligung verlange604, zeige dies alles, dass eine Zwangsmaßnahme gegen eine Vielzahl Nichtbeschuldigter jedenfalls nach Meinung des Gesetzgebers grundsätzlich möglich erscheine. Dass die DNA-Reihenuntersuchung wegen des Erfordernisses einer Körperzellentnahme nicht heimlich, sondern offen durchgeführt werden muss, erscheint aber – das sei vorweggenommen – als schwacher Trost. Geht man davon aus, dass heimliches Handeln im Rechtsstaat die Ausnahme ist605, so sind zwar heimliche
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Wickert, S. 453. Joecks, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 98a, Rn. 4; Wohlers/Greco, in: SK-StPO I, § 98a, Rn. 3; a. A. wohl Gerhold, in: BeckOK-StPO, § 98a, Rn. 14; Körffer, DANA 2014, 146 (147 f.). Das Verbot von Datenhebung für die Rasterfahndung trifft nicht nur die mit der Rasterfahndung betraute Strafverfolgungsbehörde, sondern auch die speichernde, angefragte Stelle, s. Gercke, in: HK-StPO, § 98a, Rn. 18; W. Graf, S. 99; Hilger, NStZ 1992, 457 (460); Menges, in: LRStPO III/1, § 98a, Rn. 32; Siebrecht, S. 127; Wittig, JuS 1997, 961 (969). 600 Freilich aber gem. § 98a Abs. 2 StPO von der speichernden Stelle, soweit man hier von Datenerhebung sprechen möchte, vgl. dazu Greven, in: KK-StPO, § 98a, Rn. 26 ff.; Jäger, in: KMR-StPO, § 98a, Rn. 1; ders., in: SSW-StPO, § 98a, Rn. 1; Rogall, in: GS Schlüchter, 611 (619); Wittig, JuS 1997, 961 (969). 601 Beck, S. 284; Hasselbach, S. 127; Hero, S. 171 f., Fn. 963; Kerner/Trüg, in: FS Weber, 457 (461), die allerdings insofern widersprüchlich bemerken, die i. R. d. DNA-Reihenuntersuchung erhobenen Daten seien vorher gespeichert worden. Wenn dem aber so wäre, dann hätten sie nicht nochmals erhoben werden müssen; Sauter, S. 189. 602 Vgl. hier nur Beck, S. 284 f. 603 Ausführlicher vgl. die Darstellung oben Kap. 5 § 5 III. 1. b). 604 Ebenso Magnus, ZStW 126 [2014], 695 (707); Rogall, JZ 2013, 874 (878, Fn. 53); Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (194). 605 BVerfG, NVwZ 2021, 226 (231 f., Rn. 87, 96); NJW 2008, 822 (830); NJW 2007, 2464 (2489 f.); BGH, StV 2007, 60 (62), ausführlich dazu s. o. Kap. 4 § 1 III. 3. e) aa) (3). 599
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Maßnahmen generell kritisch zu sehen, offene aber deswegen noch lange nicht unproblematisch606. Gegen die Parallele von freiwilliger (!) DNA-Reihenuntersuchung und Rasterfahndung wendet Bosch – obwohl die Selektionsrichtung beider Maßnahmen anerkennend – ein, es gäbe zwischen den Maßnahmen nur wenige strukturelle Gemeinsamkeiten. Während bei Rasterfahndung hauptsächlich der Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und der sich anschließende Ermittlungsdruck im Vordergrund stünden, sei i. R. d. DNA-Reihenuntersuchung auf freiwilliger Basis die Annahme eines Grundrechtseingriffes schwierig, vielmehr stelle sich hier aber das Problem der Konsequenzen der Nichtteilnahme607. Nun ist Bosch mehr im Ergebnis als in der Begründung zuzustimmen. Jedenfalls dann, wenn die DNA-Reihenuntersuchung zwangsweise durchgeführt werden kann, würden die von ihm angenommenen Probleme sich erübrigen: Tilgte man nämlich das Einwilligungserfordernis, so wäre die Begründung eines Grundrechtseingriffes ein einfaches und auch die Konsequenz der Verweigerung wären dieselbe wie bei anderen Maßnahmen der StPO – nämlich Vollstreckung. Gleichwohl scheint es voreilig, zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung und Rasterfahndung unter Außerachtlassung der Unterschiede auf eine Stufe zu stellen. Dagegen spricht zwar nicht zwingend die Tatsache, dass i. R. d. § 98a StPO vorhandene Daten nur abgeglichen, bei DNA-Reihenuntersuchung aber zuvor noch solche erhoben werden müssen. Überhaupt ist das von Beck gebrauchte Argument der unterschiedlichen Eingriffsintensität ein ziemlich schwaches, weil höchst normatives. Betont man i. R. d. DNA-Analytik den Abgleich zweier DNA-Identifikationsmuster als weniger gewichtig als die Auswertung der DNA, so würde die Datenerhebung besonders relevant. Dieser Ansatz erschiene schon alleine deshalb keineswegs abwegig, weil der Abgleich sich grundsätzlich in der Aussage erschöpft, dass der Probengeber wohl der Spurenleger ist, wenngleich die damit verbundene faktische Verschiebung der Beweislast zuungunsten des Betroffenen nicht geleugnet werden kann. Die Auswertung der DNA hingegen – also der bio-chemische Prozess – gibt dem Staat den Schlüssel zu der Unmenge an Informationen, die darin enthalten sind. Das Missbrauchsrisiko liegt ungleich höher – was nach dem BVerfG die 606 Den hinsichtlich der Heimlichkeit bestehenden Gegensatz der DNA-Reihenuntersuchung zu § 98a StPO betont aber neben Beck auch Wickert, S. 454 f.; abwegig dagegen Foldenauer, S. 79, der die Heimlichkeit anderer Maßnahmen deshalb als positives Gegenstück zur DNA-Analytik betont, weil mangels Kenntnis die Betroffenen sich nicht wie Verdächtige vorkämen. Mit dieser Argumentation käme man dazu, dass die Strafverfolgungsbehörden zu verdecktem Handeln aufgefordert werden müssten, wenn die Natur der Maßnahme nicht offenes Handeln gebietet. Dass dies gerade im Bereich der DNA-Analytik höchst bedenklich erscheint, wurde oben dargestellt, vgl. Kap. 4 § 1 III. 3. Der stigmatisierende Effekt von Strafverfolgungsmaßnahmen wird i. Ü. durch heimliches Vorgehen keineswegs beseitigt, weil nach heimlichen Vorgehen gem. § 101 StPO der Betroffene typischerweise benachrichtigt werden muss. Der Eintritt der Stigmatisierung wird, wenn man diesen anerkennen will, wenn dann überhaupt zeitlich verzögert, aber nicht verhindert. 607 Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 7.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Eingriffsintensität steigert608. Um es zu verallgemeinern: Hat der Staat nur das DNAIdentifikationsmuster, kann er damit zwar entsprechende Nachweise führen. Das kann er eine entsprechende biologische Probe besitzend aber nach deren Auswertung auch. Er kann in dem Fall die Probe zusätzlich weiter auswerten, was er dann nicht kann, wenn er nur das Ergebnis, nicht aber seinen Ursprung hat. Dies betonend wäre es deshalb nicht verfehlt, entgegen Beck die Eingriffsintensität einer DNA-Reihenuntersuchung schon deshalb als hoch einzuschätzen609. Zuzugeben ist, dass der Straftatenkatalog des § 98a StPO de lege lata weiter gefasst ist als die Begrenzung des § 81h StPO. Dies mag aber auch daran liegen, dass zahlreiche Straftaten, die die Anordnung einer Rasterfahndung rechtfertigen, mittels DNA-Analytik selten bis nie aufzuklären wären. Man denke etwa an § 241a StGB (Politische Verdächtigung, vgl. § 98a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO i. V. m. § 74a Abs. 1 Nr. 6 GVG). Wichtiger als der Unterschied zwischen notwendiger Datenerhebung i. R. d. zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung und ihrer Entbehrlichkeit i. R. d. Rasterfahndung an sich ist die praktische Konsequenz. Weil die Daten i. R. d. § 98a StPO schon vorhanden sind, muss niemand gezwungen werden, sie preiszugeben. Mit anderen Worten: Die Rasterfahndung bedarf keiner Vollstreckung. Wenn indessen ein Merkmalsträger i. R. d. zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung sich der Mitwirkung entzieht, so muss er ganz analog zu den Modalitäten der §§ 81a, 81c, 81e StPO zwangsweise untersucht werden können. Bliebe man auf die Mitwirkung des Betroffenen angewiesen, würde eine neue Regelung keinen Sinn ergeben; man bliebe de facto auf dem Stand de lege lata. Es stellt sich prima facie zunächst das praktische Problem, woher die Strafverfolgungsbehörden denn wissen wollen, wer die Prüfungsmerkmale im Einzelnen erfüllt. Freilich sind das Geschlecht und die die Haltereigenschaft bzgl. eines speziellen KFZ-Typus bei der zuständigen Behörde hinterlegt; indes: Die Hautfarbe ist dies nicht, die Haarfarbe bzw. die Frisur ist dies nicht, der Dialekt bzw. die Sprache sind dies nicht. Soll die DNA-Reihenuntersuchung de lege ferenda eine Zwangsmaßnahme sein, müssen die Strafverfolgungsbehörden vereinfacht gesagt wissen, wen sie eigentlich zwingen sollen. Der Hinweis Wickerts, eine entsprechende Ermächtigungsgrundlagen müsse die Befugnis zu Zwang ähnlich § 81c Abs. 6 StPO beinhalten610, ist sinnlos, solange nicht klar ist, gegen wen Zwang sich denn richten soll. Notwendige Vorarbeit einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung ist daher die Erforschung der einzelnen, konkret betroffenen Personen. Um diese Vorarbeit zu leisten, schlägt Beck vor, die Strafverfolgungsbehörden sollten den die Reihenun608 BVerfGE 155, 119 (178, Rn. 128) m. Anm. v. Holznagel, NJW 2020, 2725, Löffelmann, GSZ 2020, 182 (184 ff.) und Petri, ZD 2020, 580 (588 f.); BVerfG, NVwZ 2021, 226 (232 Rn. 96). 609 So im Kontext von zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchungen expressis verbis Wickert, S. 454. 610 Wickert, S. 483 f.
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tersuchung anordnenden Bescheid an alle „das Raster“ erfüllenden Personen versenden, verbunden mit dem Hinweis, etwaige Einwände binnen 14 Tagen nach Zustellung beim anordnenden Gericht zu erheben611. Dabei geht Beck zwar zutreffend davon aus, dem anordnenden Gericht seien die Merkmalsträger unbekannt612. De facto werden sie aber auch den Strafverfolgungsbehörden unbekannt sein. Soweit Beck nun vorschlägt, man könne diese quasi mit einem Abgleich aus vorhandenen Daten bekannt machen, so ist darauf hinzuweisen, dass damit erneut grundrechtliche Belastungen einhergingen. Im Vergleich zur Rasterfahndung wäre damit nicht nur die Datenerhebung als solche intensitätssteigernd, sondern auch die Vorarbeit. Außerdem müssten dann viele Merkmale außen vor bleiben, die heute i. R. d. § 81h StPO Verwendung finden, weil sie nirgends gespeichert sind. Man denke an Dialekt, Frisur, Gangart etc. Dies hätte als Konsequenz, dass i. R. e. freiwilligen DNA-Reihenuntersuchung die Strafverfolgungsbehörden angehalten sind, möglichst viele Merkmale zu verwenden, während sie bei der zwangsweisen auf bekannte Merkmale verzichten müssen. Der Betroffenenkreis würde mithin größer, wenn die Maßnahme mit Zwang exekutiert werden kann. Das erscheint bedenklich. Gleichwohl kann nicht geleugnet werden, dass damit nicht das Verdikt der praktischen Unbrauchbarkeit über zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung gefällt ist. Gerade in den sog. „geschlossenen Fällen“ wird die Bekanntheit der Betroffenen kein Problem darstellen. Als Beispiel kann dienen der Fall, in dem eine Vergewaltigung stattfand und der Spurenleger unter den Gästen einer Feier zu suchen ist. Diese namentlich festzustellen ist leichter als dasselbe zu tun bei allen männlichen Einwohnern eines Ortes mit blauen Augen, badischem Dialekt und aufrechter Gangart. Ob eine zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung die freiwillige, die ja auch einen größeren Kreis erfassen kann, zu ersetzen vermag, ist deshalb fraglich. Der Vergleich mit der Rasterfahndung zeigt jedoch, dass aufgrund der typischerweise mit der DNA-Reihenuntersuchung einhergehenden, grundrechtsbelastenden Vorarbeit strenge Maßstäbe an sie anzulegen wären als an eine Rasterfahndung. Der maschinelle Abgleich von Daten gem. § 98c StPO unterscheidet sich hinsichtlich der Modalitäten von der Rasterfahndung darin, dass die dort verwendeten Daten bereits zu Strafverfolgungs-, -vollstreckungs- oder Gefahrenabwehrzwecken erhoben und für solche gespeichert wurden613. Man könnte insofern von der Gene611
Beck, S. 286; zur Rasterfahndung als eine DNA-Reihenuntersuchung vorbereitende Maßnahme Eisenberg, Rn. 1894a; Eschelbach/Jäger, in: SSW-StPO, Vorb. § 98a ff., Rn. 3; Jäger, in: KMR-StPO, Vorb. §§ 98a bis 98c, Rn. 3; Pehl, S. 249 f., 266 f., 290; Wohlers/Greco, in: SK-StPO I, § 98a, Rn. 8. 612 Beck, a. a. O. 613 Eschelbach/Jäger, in: SSW-StPO, Vorb. § 98a ff., Rn. 1; Gercke, in: HK-StPO, § 98c, Rn. 1; Greco, in: SK-StPO II, § 98c, Rn. 1; Günther, in: MüKo-StPO I, § 98a, Rn. 5; ders., in: MüKo-StPO I, § 98c, Rn. 18; Hartmann, in: HK-GS, § 98a StPO, Rn. 2; Hilger, NStZ 1992, 457 (461); Jäger, in: KMR-StPO, Vorb. §§ 98a bis 98c, Rn. 1; ders., in: KMR-StPO, § 98c, Rn. 1; ders., in: SSW-StPO, § 98c, Rn. 1; Joecks, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 98c, Rn. 1;
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
ralklausel maschineller strafrechtlicher Datenverarbeitung sprechen, wobei teilweise der Begriff „Rasterfahndung“ auch für alle Maßnahmen nach §§ 98a bis 98c StPO Verwendung findet614. Der Anwendungsbereich des § 98c StPO ist wesentlich größer als der des § 98a StPO, was sich schon darin zeigt, dass an die aufzuklärende Straftat ganz im Gegensatz zu § 98a StPO keine besonderen Anforderungen gestellt werden615. Der Grund dieser Diskrepanz zwischen § 98a und § 98c StPO liegt darin, dass i. R. d. § 98a StPO die vorhandenen Daten einem gänzlich neuen Zweck zugeführt werden und damit eine zweckentfremdete Datenverarbeitung erfolgt616, während sie i. R. d. § 98c StPO bereits – zumindest die Daten gefahrenabwehrrechtlichen Ursprung ausgeklammert – zu originär strafrechtlichen Zwecken erhoben wurden617. Löffelmann, in: AnwKo-StPO, § 98a, Rn. 1; ders., in: AnwKo-StPO, § 98c, Rn. 1; Malek/ Wohlers, Rn. 593; Menges, in: LR-StPO III/1, § 98a, Rn. 4; dies., in: LR-StPO III/1, § 98c, Rn. 1; Pehl, S. 13; Ranft, § 35, Rn. 844; Rogall, in: GS Schlüchter, 611 (627); Roxin/Schünemann, § 32, Rn. 15; Siebrecht, S. 18, 21; Wittig, JuS 1997, 961 (970); Wohlers/Greco, in: SKStPO I, § 98a, Rn. 1; a. A. aber Gerhold, in: BeckOK-StPO, § 98a, Rn. 4 ff. 614 S. etwa Greven, in: KK-StPO, § 98a, Rn. 2; widersprüchlicherweise a. A. insofern ders., in: KK-StPO, § 98c, Rn. 1; so aber auch noch die ursprünglichen Gesetzgebungsmaterialien BT-Drucks. 12/989, S. 36; krit. dazu Gerhold, in: BeckOK-StPO, § 98a, Rn. 2; Rogall, in: GS Schlüchter, 611 (627); Siebrecht, S. 110; anders bei Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1630; Eschelbach/Jäger, in: SSW-StPO, Vorb. § 98a ff., Rn. 1; Gercke, in: HK-StPO, § 98c, Rn. 1; Greco, in: SK-StPO II, § 98c, Rn. 1; Günther, in: MüKo-StPO I, § 98a, Rn. 1; Jäger, in: KMR-StPO, Vorb. §§ 98a bis 98c, Rn. 1; ders., in: KMR-StPO, § 98c, Rn. 1; ders., in: SSW-StPO, § 98c, Rn. 1; Jahn, in; Hdb. Strafverfahren, Kap. II, Rn. 45; Joecks, in: Radtke/ Hohmann, StPO, § 98c, Rn. 2; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 98c, Rn. 1; Körffer, DANA 2014, 146 (147); Malek/Wohlers, Rn. 593; Menges, in: LR-StPO III/1, § 98a, Rn. 1; Roxin/Schünemann, § 32, Rn. 15; Wittig, JuS 1997, 961 (ebd., 968, 970). 615 Dazu auch Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1632 ff.; Eisenberg, Rn. 1894a a. E.; Gercke, in: HK-StPO, § 98c, Rn. 5; Gerhold, in: BeckOK-StPO, § 98c, Rn. 1, 10; Greco, in: SK-StPO II, § 98c, Rn. 1 f.; Greven, in: KK-StPO, § 98c, Rn. 1; Günther, in: MüKo-StPO I, § 98c, Rn. 4; Hartmann, in: HK-GS, § 98c StPO, Rn. 2; Hilger, NStZ 1992, 457 (461); Jäger, in: KMR-StPO, § 98c, Rn. 2; ders., in: SSW-StPO, § 98c, Rn. 2; Joecks, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 98c, Rn. 2; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 98c, Rn. 2; Körffer, DANA 2014, 146 (148); Löffelmann, in: AnwKo-StPO, § 98c, Rn. 2; Malek/Wohlers, Rn. 594; Menges, in: LR-StPO III/1, § 98c, Rn. 10; Ranft, § 35, Rn. 844, 853; Rogall, in: GS Schlüchter, 611 (627, 632); Roxin/Schünemann, § 32, Rn. 15; Siebrecht, S. 21, 147; ders., StV 1996, 566 (567); Wittig, JuS 1997, 961 (970). 616 Siebrecht, S. 106. 617 Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1632; Hartmann, in: HK-GS, § 98c StPO, Rn. 1; Krey/Haubrich, JR 1992, 309 (312); Rogall, in: GS Schlüchter, 611 (627); vgl. auch Hilger, NStZ 1992, 457 (461), nach dem die niedrigere Einsatzschwelle ihre Begründung darin fände, dass nur vorhandenes Wissen genutzt werden; ähnlich Arloth, CR 1998, 574 (575); Gercke, in: HK-StPO, § 98c, Rn. 5; Greco, in: SK-StPO II, § 98c, Rn. 2 a. E.; Jäger, in: KMRStPO, § 98c, Rn. 2; ders., in: SSW-StPO, § 98c, Rn. 2; Löffelmann, in: AnwKo-StPO, § 98c, Rn. 2; Menges, in: LR-StPO III/1, § 98c, Rn. 10; Roxin/Schünemann, § 32, Rn. 15; Wittig, JuS 1997, 961 (970); krit. dazu Körffer, DANA 2014, 146 (148); teilweise krit. Gercke, in: HKStPO, § 98c, Rn. 5; Joecks, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 98c, Rn. 3; a. A. auch Siebrecht, S. 148 ff., ders., StV 1996, 566 (567); der von einer Zweckentfremdung auch i. R. d. § 98c StPO ausgeht und deshalb mangels Schutzvorkehrungen (S. 159 f.) von der Verfassungswidrigkeit des § 98c StPO ausgeht; ähnlich Hassemer, KJ 25 [1992], 64 (70); Greco, in: SK-StPO II,
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Die obenstehende Argumentation zur Rasterfahndung lässt sich indes auf Fälle des § 98c StPO übertragen, sodass ein Vergleich der zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung mit dem maschinellen Abgleich wegen des Erfordernisses der Vollstreckung sich darin erschöpft, dass die Anforderungen von ersterem nicht hinter letzterem zurückbleiben dürfen – was aber angesichts der geringen Hürden des § 98c StPO nicht ernsthaft vertreten wird. (c) Vergleich mit der Errichtung von Kontrollstellen gem. § 111 StPO Gemäß § 111 Abs. 1 S. 1 StPO können die Strafverfolgungsbehörden unter strengen materiellen wie formellen Voraussetzungen Kontrollstellen an öffentlichen Plätzen errichten. Neben der in Abs. 2 bezeichneten formellen Voraussetzungen bedarf es u. a. gem. § 111 Abs. 1 S. 1 StPO des Verdachtes einer dort näher bezeichneten Straftat. Wie i. R. d. Rasterfahndung bedarf es i. R. d. § 111 StPO indes keines personenbezogenen Verdachtes618. Dies verbindet die genannten Maßnahmen mit der DNA-Reihenuntersuchung – auf freiwilliger Basis oder mit Zwang durchgeführt. Nun ist aber die die bloße Anordnung der Errichtung einer Kontrollstelle nicht mit Eingriffen in die Rechte eines Einzelnen verbunden. Daraus erklärt sich, dass auch kein Rechtsschutz gegen die Anordnung besteht619. Mit einem Rechtseingriff verbunden ist erst das, was geschieht, wenn der Einzelne an der Kontrollstelle betroffen ist. Gemäß § 111 Abs. 1 S. 2 StPO ist „jedermann“ verpflichtet, die Feststellung seiner Identität oder die Durchsuchung seiner mitgeführten Sachen zu dulden. Betroffen sind daher auch hier eine Vielzahl von Personen – nämlich alle Passanten, die
§ 98c, Rn. 4; der Kritik zustimmend Günther, in: MüKo-StPO I, § 98c, Rn. 1; krit. zu dem Argument allgemein Müller/Schwabenbauer, in: Lisken/Denninger, Hdb. PolR, G., 933; dagegen aber Arloth, CR 1998, 574 (575); Gercke, in: HK-StPO, § 98c, Rn. 1; Gerhold, in: BeckOK-StPO, § 98c, Rn. 2; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 98c, Rn. 1; Rogall, in: GS Schlüchter, 611 (626), der das Fällen des Verdiktes der Verfassungswidrigkeit über die §§ 98a ff. StPO als „unseriös“ bezeichnet. 618 Zu diesem Vergleich der §§ 98a f. StPO und § 111 StPO s. Siebrecht, CR 1996, 545 (546); allgemein dazu Benfer/Bialon, Rn. 1348; für § 111 StPO Steinke, NJW 1978, 1962 (1963). 619 BGHSt 35, 363 (364) m. Anm. v. Achenbach, NStZ 1989, 81 (82 f.); BGH, NStZ 1989, 189 f.; Benfer/Bialon, Rn. 1354; Bruns, in: KK-StPO, § 111, Rn. 18; Eschelbach, in: SSWStPO, § 111, Rn. 17; Gercke, in: HK-StPO, § 111, Rn. 17; Günther, in: MüKo-StPO I, § 111, Rn. 33; Hauck, in: LR-StPO III/1, § 111, Rn. 33; Löffelmann, in: AnwKo-StPO, § 111, Rn. 11; Pegel, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 111, Rn. 16; Roxin/Schünemann, § 35, Rn. 23; Staudinger, in: KMR-StPO, § 111, Rn. 26; Wolter in: SK-StPO II, § 111, Rn. 17, 30; zur fehlenden Grundrechtsrelevanz der Anordnung Gintzel, Die Polizei 1979, 1; Kurth, NJW 1979, 1377 (1381, Fn. 76); Sangenstedt, StV 1985, 117 (118); Steinke, NJW 1978, 1962 (1963); zumindest gegen die Möglichkeit einer Beschwerde gegen die Anordnung Hartmann, in: HK-GS, § 111 StPO, Rn. 12; Huber, in: BeckOK-StPO, § 111, Rn. 19; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 111, Rn. 20; jedoch von einer Grundrechtsbeeinträchtigung durch die Anordnung ausgehend Benfer, Die Polizei 1978, 282 (285); Kuhlmann, DRiZ 1978, 238 (239).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
mit der Straftat in keinerlei Verbindung stehen620. Gleichwohl wird der Vergleich von DNA-Reihenuntersuchung und einer Maßnahme nach § 111 StPO seltener bemüht als der von Reihenuntersuchung und Rasterfahndung621. Scheinbar differenziert die Vorschrift ebenso wenig wie Rasterfahndung oder DNA-Reihenuntersuchung danach, ob der an der Kontrollstelle angetroffene Passant nun Beschuldigter ist oder nicht; jedenfalls aber erfasst sie beide622. Zu beachten sind jedoch die Einschränkungen des § 111 Abs. 3 StPO i. V. m. den Vorschriften, auf die Bezug genommen wird. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang § 163b StPO, der mangels Einschränkung in § 111 Abs. 3 StPO zur Gänze gilt623. Nach dessen Abs. 2 S. 2 Hs. 1 muss beim Unverdächtigen beachtet werden, dass nur unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Hinblick auf die „Bedeutung der Sache“ es zulässig ist, ihn zum Zwecke der Identitätsfeststellung festzuhalten. Die Durchsuchung seiner Sachen ist gem. – oder besser e contrario – § 163b Abs. 2 S. 2 Hs. 2 StPO nur mit seiner Einwilligung zulässig, während sie beim Verdächtigen gem. § 163b Abs. 1 S. 3 StPO auch erzwingbar ist. Letzteres würde nach § 163b Abs. 2 S. 2 Hs. 2 i. V. m. Abs. 1 S. 3 StPO auch für die erkennungsdienstliche Behandlung gelten, dazu ermächtigt § 111 StPO indessen nicht. Alleine durch diese Differenzierung unterscheiden sich Maßnahmen nach § 111 StPO von der zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung und der Rasterfahndung. 620
Kuhlmann, DRiZ 1978, 238 (239). Vgl. nur ansatzweise Ademi, S. 194; Wüsteney, S. 178. 622 Achenbach, JA 1981, 660 (664); Bruns, in: KK-StPO, § 111, Rn. 2 f.; Eschelbach, in: SSW-StPO, § 111, Rn. 7; Gercke, in: HK-StPO, § 111, Rn. 11; Günther, in: MüKo-StPO I, § 111, Rn. 1, 24; Hauck, in: LR-StPO III/1, § 111, Rn. 1; Hartmann, in: HK-GS, § 111 StPO, Rn. 9; Huber, in: BeckOK-StPO, § 111, Rn. 10; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 111, Rn. 10; Kühl, NJW 1987, 741 (742); Kühne, § 31, Rn. 539; Kuhlmann, DRiZ 1978, 238 (238 f.); Kurth, NJW 1979, 1377 (1382); Löffelmann, in: AnwKo-StPO, § 111, Rn. 5; Pegel, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 111, Rn. 1; Riegel, BayVBl. 1978, 589 (594 f.); ders., Kriminalistik 1979, 127 (129); ders., NJW 1979, 147 (148); Rogall, NStZ 1986, 386 (387); Roxin/Schünemann, § 35, Rn. 21; Sangenstedt, StV 1985, 117 (119); Schmid, DNP 1979, 5 (6); Steinke, NJW 1978, 1962 (1962 f.); Suden/Weitemeier, Die Polizei 1980, 333 (338); vgl. auch Benfer/Bialon, Rn. 1348; Steinke, Kriminalistik 1978, 415; krit. dazu Wolter, in: SK-StPO II, § 111, Rn. 3 a. E., 22; expressis verbis a. A. Malek/Wohlers, Rn. 604. 623 Achenbach, JA 1981, 660 (665 f.); Benfer, Die Polizei 1978, 282 (284); Bruns, in: KKStPO, § 111, Rn. 14; Hauck, in: LR-StPO III/1, § 111, Rn. 29; Hartmann, in: HK-GS, § 111 StPO, Rn. 10; Kurth, NJW 1979, 1377 (1382); Roxin/Schünemann, § 35, Rn. 21; Sangenstedt, StV 1985, 117 (122 ff.); Wolter in: SK-StPO II, § 111, Rn. 23; implizit auch Bermig, S. 51; Gercke, in: HK-StPO, § 111, Rn. 12; Kühne, § 31, Rn. 540; Malek/Wohlers, Rn. 604; Staudinger, in: KMR-StPO, § 111, Rn. 24; a. A. Huber, in: BeckOK-StPO, § 111, Rn. 11; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 111, Rn. 11; Löffelmann, in: AnwKo-StPO, § 111, Rn. 5; Pegel, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 111, Rn. 8; Riegel, BayVBl. 1978, 589 (595 f.); ders., Kriminalistik 1979, 127 (129); ders., NJW 1979, 147 (148); Suden/Weitemeier, Die Polizei 1980, 333 (338); Vogel, NJW 1978, 1217 (1227, dort insb. Fn. 162); wohl auch Kuhlmann, DRiZ 1978, 238 (239); Rogall, NStZ 1986, 386 (387); Schmid, DNP 1979, 5 (6 f.); Vogel, Deutsche Polizei 1978, Heft 11, S. 14; vgl. diff. Günther, in: MüKo-StPO I, § 111, Rn. 26; unklar bei Benfer/Bialon, Rn. 1348, 1358. 621
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Differenzen bestehen auch hinsichtlich des Zieles der Maßnahmen. § 111 StPO bestimmt als Zweck der Kontrollstelleneinrichtung die Ergreifung des Täters oder das Auffinden von Beweismitteln. Letzteres können weder DNA-Analyse noch Rasterfahndung leisten, ersteres grundsätzlich auch nicht, denn weder die Übereinstimmung von DNA-Identifikationsmustern noch die der Raster begründen die Tätereigenschaft. Sie unterscheiden sich weiter in der Intensität des Grundrechtseingriffes. Ob man bei einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung von einem mittleren oder starken Grundrechtseingriff sprechen mag, oder ob bei der Rasterfahndung nun im einem Fall von einem Eingriff von größerer und in anderen Fall geringerer Intensität auszugehen ist – fest steht, dass die verarbeiteten Daten einzeln oder in ihrer Gesamtheit betrachtet i. R. v. Rasterfahndung und DNA-Analyse wesentlich sensibler sind. Denn die Identitätsfeststellung an einer Kontrollstelle geschieht durch das bloße Angeben der Personalien, es besteht nicht einmal die Pflicht, Ausweispapiere vorzuzeigen624. Es werden keine neuen Daten erhoben und schon erhobene auch nicht kombiniert625. Bedenkt man nun, dass also zusammengefasst Unverdächtige nur verpflichtet sind, ihre Personalien anzugeben, weiter keine Daten erhoben, die erhobenen gem. § 111 StPO nicht gespeichert werden dürfen626 und die Errichtung der Kontrollstelle selbst noch gar nicht belastend wirkt, so erscheint es fraglich, warum der Gesetzgeber sich für einen mehr oder weniger strengen Katalog von Anlasstaten entschieden hat, nach dem nur der Verdacht einer dort aufgezählten Straftat die Anordnung einer Maßnahme nach § 111 StPO rechtfertigt. Beachtet man, dass im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auch eine weitere Fassung des Anlasstatenkataloges vorgesehen war, der Gesetzgeber sich aber für die strengere Alternative entschieden hat627, so bleibt als einzig vernünftiger Erklärungsansatz für die Einschränkung nur die Betroffenheit vieler Personen, gegen die sich kein Tatverdacht richtet628 – mithin das, was Parallelen zur DNA-Reihenuntersuchung aufweist. Der Streit um die genaue Ausgestaltung des Straftatenkataloges und sein Ausgang zeigen, dass die Anzahl Betroffener und das Maß des gegen sie 624 Gercke, in: HK-StPO, § 111, Rn. 12; Günther, in: MüKo-StPO I, § 111, Rn. 23; Hartmann, in: HK-GS, § 111 StPO, Rn. 10; Hauck, in: LR-StPO III/1, § 111, Rn. 27; Huber, in: BeckOK-StPO, § 111, Rn. 11; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 111, Rn. 11; Löffelmann, in: AnwKo-StPO, § 111, Rn. 7; Staudinger, in: KMR-StPO, § 111, Rn. 24; diff. Wolter in: SK-StPO II, § 111, Rn. 26. 625 Zum Schutz vor Datenverknüpfung durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung s. erst jüngst BVerfG, NVwZ 2021, 226 (237, Rn. 55); zuvor bereits BVerfGE 133, 277 (317). 626 Zu § 163d StPO zugleich, s. Kap. 5 § 5 III. 2. a) bb) (5) (d). 627 Vgl. BT-Drucks. 8/1482, S. 10. 628 S. die Ausführungen des Abg. Dr. Emmerlich (SPD) in der Gesetzgebungsdebatte, BTPlen.-Prot. 8/72, 5655 C (5659 A, B); für eine restriktive Auslegung des § 111 StPO mit dieser Begründung Steinke, Die Polizei 1979, 41.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
gerichteten Verdachtes auch bei datenschutzrechtlich nicht besonders schwerwiegenden Maßnahmen zumindest nach Ansicht des Gesetzgebers zu Vorsicht anhalten. Allerdings gilt es auch zu beachten, dass § 111 StPO nicht in dem Sinne vollstreckt werden kann, dass Menschen gezwungen werden, sich an der Kontrollstelle aufzuhalten. Schon vor diesem Hintergrund muss die DNA-Reihenuntersuchung daher ungeachtet der erhobenen Daten als eingriffsintensivere Maßnahme bewertet werden. (d) Vergleich mit der Schleppnetzfahndung gem. § 163d StPO Ebenso wie an § 111 StPO wird i. R. d. Diskussion um eine zwangsweise DNAReihenuntersuchung an die sog. Schleppnetzfahndung nach § 163d StPO angeknüpft629. Mit § 163d Abs. 1 S. 1 StPO wurde eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen für die Speicherung u. a. der i. R. d. einer Maßnahme nach § 111 StPO angefallen Daten geschaffen630. Diese dürfen nach § 163d Abs. 1 S. 3 StPO ausschließlich an Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden. § 163d StPO ermächtigt mithin weder zur Erhebung neuer Daten631 und noch zu deren weiteren632 Verarbeitung. Erstere richtet sich gem. § 163d Abs. 1 S. 1 StPO nach § 111 StPO oder § 23 BPolG für eine grenzpolizeiliche Maßnahmen633; letztere richtet sich, soweit es um Daten des Strafverfahrens geht, nach der Generalklausel634 des § 483 StPO635 oder bei ma629
Vgl. Ademi, S. 195; Wickert, S. 223 ff. Vgl. Paßgesetz und Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung v. 19. 04. 1986, BGBl. I, S. 537. 631 Baumann, StV 1986, 494 (497, 498); Benfer/Bialon, Rn. 1382; Bermig, S. 130; Erb, in: LR-StPO V/2, § 163d, Rn. 9 a. E.; Göhring, S. 39; v. Häfen, in: BeckOK-StPO, § 163d, Rn. 4; Kölbel, in: MüKo-StPO II, § 163d, Rn. 12; Malek/Wohlers, Rn. 616; Ranft, § 35, Rn. 832; Rogall, NStZ 1986, 385 (389); Wittig, JuS 1997, 961 (963); Wolter, in: SK-StPO III, § 163d, Rn. 16/17; Zöller, in: HK-StPO, § 163d, Rn. 4; vgl. auch Beulke/Swoboda, Rn. 410; Höltkemeier, in: SSW-StPO, § 163d, Rn. 2; Kühne, § 31, Rn. 546; Siebrecht, S. 25 f.; a. A. Ambos, in: HK-GS, § 163d StPO, Rn. 1, 3; Riegel, CR 1986, 138 (141); wohl auch Noltensmeier-v. Osten, in: KMR-StPO, § 163d, Rn. 15, 21; krit. dazu Kühl, NJW 1987, 741 (742): „[U]nerkannte oder zumindest versteckte Datenerhebungsnorm“. 632 Freilich unterfällt auch die Speicherung als solche dem sehr weiten Begriff der Datenverarbeitung, s. dazu Kap. 3 § 2 II. 1. a) Fn. 18 (Kap. 3). 633 Dazu, auch unter Angabe der zuständigen Behörden in den Bundesländern Erb, in: LRStPO V/2, § 163d, Rn. 24 ff.; v. Häfen, in: BeckOK-StPO, § 163d, Rn. 4; Höltkemeier, in: SSWStPO, § 163d, Rn. 6; Kölbel, in: MüKo-StPO II, § 163d, Rn. 13; Kretschmer, in: Radtke/ Hohmann, StPO, § 163d, Rn. 4; Moldenhauer, in: KK-StPO, § 163d, Rn. 10; Noltensmeierv. Osten, in: KMR-StPO, § 163d, Rn. 7; Wittig, JuS 1997, 961 (965); Wolter, in: SK-StPO III, § 163d, Rn. 2; Zöller, in: HK-StPO, § 163d, Rn. 5; hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlage im BPolG noch a. A. Malek/Wohlers, Rn. 616. 634 Vgl. zu dieser Bezeichnung BT-Drucks. 14/1484, S. 31; Gemählich, in: KMR-StPO, § 483, Rn. 2; Gieg, in: KK-StPO, § 483, Rn. 1; Hilger, in: LR-StPO IX, 26. Aufl., § 483, Rn. 1; Hölscher/Jacobs, in: HK-GS, § 483 StPO, Rn. 1; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 483, Rn. 1; Otte, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 483, Rn. 5; Pananis, in: AnwKo-StPO, § 483, 630
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schinellen Abgleichen nach § 98c StPO636, soweit es um Daten geht, die bei anderen Behörden gespeichert sind, nach § 98a StPO637. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass § 163d StPO selbst und nicht § 483 StPO oder § 98c StPO zur Verarbeitung ermächtige, soweit es um bei den Strafverfolgungsbehörden gespeicherte Daten gehe638. Zwar verbindet § 163d Abs. 1 S. 1 StPO die Speicherung mit der weiteren Verarbeitung dergestalt, dass die Speicherung nur zulässig ist, wenn die Auswertung der Daten erfolgsversprechend erscheint. Auch wäre die Speicherung ohne Auswertung sinnlos und im Hinblick auf das Geeignetheitsgebot als Ausschnitt des Verhältnismäßigkeitsprinzips damit verfassungswidrig. Angesichts des klaren Wortlautes des § 163d StPO, der nur von Speicherung spricht639, kann der Norm aber auch unter Berücksichtigung des Gebotes der Normklarheit, dem das BVerfG bei Eingriffen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung besonderen Wert zumisst640, keine Befugnis zur Rn. 3; Ritscher/Klinge, in: SSW-StPO, § 483, Rn. 2, 4; Temming, in: HK-StPO, § 483, Rn. 1; Weßlau/Deiters, in: SK-StPO VIII, § 483, Rn. 1; Wittig, in: BeckOK-StPO, § 483, Rn. 1; vgl. auch Singelnstein, in: MüKo-StPO III/1, § 483, Rn. 1: „Grundnorm“. 635 Erb, in: LR-StPO V/2, § 163d, Rn. 44; Roxin/Schünemann, § 32, Rn. 10; Zöller, in: HKStPO, § 163d, Rn. 9; teilweise auch Kölbel, in: MüKo-StPO II, § 163d, Rn. 19. 636 Erb, in: LR-StPO V/2, § 163d, Rn. 44; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 163d, Rn. 7; Wittig, JuS 1997, 961 (966); Zöller, in: HK-StPO, § 163d, Rn. 9; wohl auch teilweise auch Kölbel, in: MüKo-StPO II, § 163d, Rn. 19; krit. dazu Wolter, in: SK-StPO III, § 163d, Rn. 19. 637 Erb, in: LR-StPO V/2, § 163d, Rn. 44; Höltkemeier, in: SSW-StPO, § 163d, Rn. 10; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 163d, Rn. 7; Kölbel, in: MüKo-StPO II, § 163d, Rn. 19; Kretschmer, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 163d, Rn. 6; Moldenhauer, in: KK-StPO, § 163d, Rn. 16; Noltensmeier-v. Osten, in: KMR-StPO, § 163d, Rn. 3; Rogall, NStZ 1986, 385 (390); Roxin/Schünemann, § 32, Rn. 10; Walther, in: AnwKo-StPO, § 163d, Rn. 11; Wittig, JuS 1997, 961 (966); Wolter, in: SK-StPO III, § 163d, Rn. 31 – 34; Zöller, in: HK-StPO, § 163d, Rn. 9; implizit auch Göhring, S. 45 f.; Kühne, § 31, Rn. 548. 638 Ambos, in: HK-GS, § 163d StPO, Rn. 1, 3; Baumann, StV 1986, 494 (497, 498); Benfer/ Bialon, Rn. 1386, Beulke/Swoboda, Rn. 410; Burhoff/Laudon, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 3225; v. Häfen, in: BeckOK-StPO, § 163d, Rn. 4; Höltkemeier, in: SSW-StPO, § 163d, Rn. 10; Kretschmer, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 163d, Rn. 1, 5, 6; Malek/Wohlers, Rn. 610, 616; Moldenhauer, in: KK-StPO, § 163d, Rn. 16; Noltensmeier-v. Osten, in: KMR-StPO, § 163d, Rn. 3; Ranft, § 35, Rn. 832, 835; Riegel, CR 1986, 138 (141); Rogall, NStZ 1986, 385 (388 ff.); Walther, in: AnwKo-StPO, § 163d, Rn. 11; krit. Wolter, in: SK-StPO III, § 163d, Rn. 18 ff.; implizit auch Kühne, § 31, Rn. 548; diff. dagegen Kölbel, in: MüKo-StPO II, § 163d, Rn. 19; Wittig, JuS 1997, 961 (962, insb. 963); wohl auch Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 163d, Rn. 7; vgl. aber auch Zöller, in: HK-StPO, § 163d, Rn. 1, 4, der in Rn. 9 insofern widersprüchlich auf § 483 StPO rekurriert. 639 A. A. Wittig, JuS 1997, 961 (963), die davon ausgeht, § 163d Abs. 1 S. 3 StPO spreche von einer weiteren Verarbeitung. Tatsächlich schließt der Satz als eine Art lex specialis aber nur einen denkbaren Teil weiterer Verarbeitung aus, ohne zu dem anderen zu ermächtigen; gleichsam aber Erb, in: LR-StPO V/2, § 163d, Rn. 37. 640 S. aus der jüngeren Rechtsprechung BVerfGE 155, 119 (181, Rn. 133; 206, Rn. 190) m. Anm. v. Holznagel, NJW 2020, 2725, Löffelmann, GSZ 2020, 182 (184 ff.) und Petri, ZD 2020, 580 (588 f.); BVerfG, NVwZ 2021, 226 (231 f., Rn. 88, 98); zuvor bereits BVerfGE 100, 313 (359 f.); 110, 33 (53); 113, 29 (51); 115, 166 (190 f.); 115, 320 (365); 118, 168 (186 f.); 125, 260
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
weiteren Datenverarbeitung entnommen werden641. § 163d StPO regelt mithin nur einen sehr kleinen Ausschnitt des gesamten Vorgangs der Datenverarbeitung642: Wollte man dies schematisch darstellen, sähe es wie folgt aus: Datenerhebung § 111 StPO § 23 BPolG
!
Speicherung/Übermittlung § 163d StPO
!
Datenverarbeitung §§ 98c StPO, 483 StPO §§ 98a ff. StPO
Alle diese Vorgänge sind bei der DNA-Reihenuntersuchung de lege lata in § 81h StPO geregelt. Auch der Begriff der DNA-Reihenuntersuchung ist losgelöst von den einzelnen Schritten ein ganzheitlicher, der alle hier aufgezählten Maßnahmen erfasst. Gemeinsamkeiten von § 163d StPO und einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung bestehen insofern, als auch die Schleppnetzfahndung als den Abgleich vorbereitende Maßnahme mittelbar Selektionszwecken dient643. Sie betrifft wie die DNA-Reihenuntersuchung eine Vielzahl von Bürgern (nämlich alle, die i. R. d. Datenerhebungsmaßnahme kontrolliert wurden), gegen die sich typischerweise keinerlei Tatverdacht richtet644. Die gem. § 163d Abs. 2 StPO grundsätzlich richterlicher Anordnung bedürfende Schleppnetzfahndung ist dabei abhängig vom Tatverdacht einer qualifizierten Anlasstat nach Abs. 1 S. 1. Sieht man, dass somit auch bei dem bloßen Teilaspekt der Speicherung nicht jede Straftat ausreichend ist, spricht im Ergebnis viel dafür, eine entsprechende Begrenzung auch bei der Implementierung einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung zu verlangen. Dasselbe gilt für das Gebot richterlicher Anordnung.
(328); begründet in BVerfGE 65, 1 (44 ff., 54); hinsichtlich Art. 10 GG i. R. d. Telekommunikationsüberwachung BVerfGE 113, 348 (375). 641 So zutreffend auch Riepl, S. 240. 642 Moldenhauer, in: KK-StPO, § 163d, Rn. 7; Rogall, NStZ 1986, 385 (388); vgl. auch Siebrecht, S. 26. Deshalb für die Ablehnung der Vorschrift im Bundesrat die Länder Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Saarland, BR-Drucks. 98/1/96, S. 11; krit. dazu aber Moldenhauer, a a. O., Rn. 4. 643 Vgl. Beulke/Swoboda, Rn. 410; Erb, in: LR-StPO V/2, § 163d, Rn. 33; Kühne, § 31, Rn. 547; Wolter, in: SK-StPO III, § 163d, Rn. 65. 644 Benfer/Bialon, Rn. 1381; Bermig, S. 39 ff., 51; Beulke/Swoboda, Rn. 410; Erb, in: LRStPO V/2, § 163d, Rn. 33; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 163d, Rn. 1; Kölbel, in: MüKo-StPO II, § 163d, Rn. 1; Kretschmer, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 163d, Rn. 7; Moldenhauer, in: KK-StPO, § 163d, Rn. 12; Riegel, CR 1986, 138 (140); Roxin/Schünemann, § 32, Rn. 10; Walther, in: AnwKo-StPO, § 163d, Rn. 7; Wittig, JuS 1997, 961 (962); Wolter, in: SKStPO III, § 163d, Rn. 65; krit. dazu auch vgl. Baumann, CR 1986, 123; diese Gemeinsamkeit betonend Wickert, S. 223.
§ 5 Formelle Voraussetzungen
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(e) Zusammenfassung Die Einführung einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung verdiente im Gegensatz zu § 81h StPO nicht das Prädikat, ein Unikum zu sein. Zu verwandt wäre sie in verschiedenen Weisen mit bereits bestehenden Ermittlungsmaßnahmen. Aus deren Bestehen lässt sich indessen schlussfolgern: Dort, wo viele Personen von einer staatlichen Zwangsmaßnahme betroffen sind, liegt ein schwerer Grundrechtseingriff vor. Wenn diese dann noch Unverdächtige sind, die keinerlei Anlass gegeben haben, Adressat der Maßnahme zu werden, steigert dies die Eingriffsintensität erneut645. Der Gesetzgeber hat dem zu begegnen versucht, in dem er bei jedem Teileingriff – Datenerhebung, Datenspeicherung und Datenverarbeitung im engeren Sinne – einen Verdacht einer qualifizierten Anlasstat als Voraussetzung statuierte (vgl. §§ 98a Abs. 1 S. 1 StPO, 111 Abs. 1 S. 1 StPO, 163d Abs. 1 S. 1 StPO). Auch kennzeichnen die mit der DNA-Reihenuntersuchung in Vergleich gesetzten Maßnahmen das Erfordernis richterlicher Anordnung. § 98a StPO ist gem. Abs. 1 S. 2 außerdem gegenüber anderen Ermittlungsmaßnahmen subsidiär. Betrachtet man nun die DNA-Reihenuntersuchung als ganzheitliche Maßnahme, die Datenerhebung, kurzzeitige Speicherung und Verwendung umfasst, so wäre es gleichwohl nicht richtig, die Eingriffsintensitäten oben stehender Maßnahme zu addieren. Denn auch die §§ 98a f., 111, 163d StPO können nicht isoliert betrachtet werden, weil sie aufeinander aufbauen. Zum Beispiel darf die Schleppnetzfahndung (also die Speicherung) nur angeordnet werden, wenn die Datenverarbeitung (die Auswertung) der Strafverfolgung dient. Da aber jede Einzelmaßnahme selbst einen Eingriff darstellt646, der von eigenen Anforderungen abhängig gemacht ist, kann nicht die alles umfassende zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung hinter diesen zurückbleiben. Auch gilt es zu sehen, dass bei den drei angesprochenen Ermächtigungsgrundlagen drei Mal von richterlicher Seite die Anordnungsvoraussetzungen geprüft werden. Was sich daraus für die zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung ableiten lässt, soll unten genauere Beachtung finden647. Die Regelung zwangsweiser DNA-Reihenuntersuchungen wäre allenfalls insofern ein Novum, als dass sie alle Formen der Datenverarbeitung bei Eingriffen in die Grundrechte einer Vielzahl von Bürgern in einem Paragraphen regeln würde. Aus 645 Jeweils BVerfGE 155, 119 (178 f., Rn. 129) m. Anm. v. Holznagel, NJW 2020, 2725, Löffelmann, GSZ 2020, 182 (184 ff.) und Petri, ZD 2020, 580 (588 f.); BVerfG, NVwZ 2021, 226 (232, Rn. 96). 646 BVerfGE 155, 119 (167, Rn. 93) m. Anm. v. Holznagel, NJW 2020, 2725, Löffelmann, GSZ 2020, 182 (184 ff.) und Petri, ZD 2020, 580 (588 f.); vgl. zuvor bereits BVerfGE 100, 313 (366 f.); 120, 378 (400 f.); inhaltsgleich zu Art. 10 GG BVerfGE 125, 260 (310); hinsichtlich Art. 7 GRCh s. EuGH, NJW 2014, 2169 (2170, Rn. 34 f.); hinsichtlich Art. 8 EMRK s. ähnlich EGMR, 04. 12. 2004, s. u. Marper ./. GBR, Nr. 30562/04, Ziff. 67 = EuGRZ 2009, 299 (307). 647 S. u. Kap. 5 § 5 III. 2. bb) (6) (f).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Normklarheitsgründen wäre dies zu begrüßen, und freilich sinkt die Eingriffsintensität nicht dadurch, dass die einzelnen Maßnahmen in unterschiedlichen Vorschriften geregelt sind. Es ergeben sich ferner keine Unterschiede, wenn man bedenkt, dass der Speicherungsvorgang nach § 163d StPO und der Verarbeitungsvorgang nach §§ 98a ff., 483 StPO heimlich erfolgt648. Denn wie i. R. d. § 111 StPO die Datenerhebung offen, die weiteren Maßnahmen heimlich erfolgen, so geschieht die Körperzellentnahme bei DNA-Reihenuntersuchungen in Kenntnis, deren weitere Verarbeitung, sowie die Verarbeitung der aus den Körperzellen erlangten Informationen ohne Kenntnis des Betroffenen. Die §§ 98a, 111 und 163d StPO zeigen damit, welche Maßstäbe an ein entsprechendes gesetzgeberisches Unterfangen anzulegen wären. (6) Argumente pro und contra zwangsweiser DNA-Reihenuntersuchungen i. R. d. Verhältnismäßigkeit (a) Opferschutz als Rechtfertigungsargument – Zum Ansatz Trücks Trück wirbt eindringlich für die Ermöglichung einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung und begründet dies, gewiss hyperbolisch, größtenteils mit dem Gedanke des Opferschutzes649, der als legitimes, wenn nicht als das Anliegen des Straf(verfahrens)rechtes durchaus gesetzgeberische, auch grundrechtsintensive Maßnahmen zu rechtfertigen vermag650. Die Schwäche des Ansatzes zeigt sich aber bereits in der Behauptung, bei der zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung läge nur ein wenig intensiver Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vor651. Wie normativ dieses Argument ist, lässt sich veranschaulichen, wenn man sieht, dass die hier schon besprochenen Ansätze von Beck und Wickert einmal von einem Eingriff mittlerer652 und auf der anderen Seite von einem Eingriff hoher653 Intensität sprechen. Bedenkt man nun, dass die Eingriffsintensität ein und derselben Maßnahme sowohl gering als auch hoch attribuiert wurde, wird offenkundig, dass dieses Kriterium zu vage ist, um daraus Forderungen für oder wider die Ermöglichung einer gesetzlichen Grundlage für irgendeine strafprozessuale Maßnahme zu ziehen. Einzig ausgenommen bleiben müssen solchen Überlegung, die gewissermaßen „KO-Kriterien“ wären, wie z. B. die angesprochenen Menschenwürde, Selbstbelastungsfreiheit oder Unschuldsvermutung. Vielmehr muss es darum gehen, die zweifelsohne vorhandene Eingriffsintensität unabhängig von ihrer Stärke weitgehend zu mindern. 648 Die besonderen Voraussetzungen des § 163d StPO damit begründend Rogall, Informationseingriff, S. 98. 649 Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 19 f. 650 Eckstein, Ermittlungen zu Lasten Dritter, S. 332. 651 Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 19. 652 Beck, S. 284. 653 Wickert, S. 454.
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Noch schwächer ist allerdings die Behauptung, die lex lata mache den zur Teilnahme Aufgerufenen zum „isolierten Selbstverwirklicher“ und manövriere das Opfer aus der Rechtsgemeinschaft heraus654. Unklar bleibt, was genau mit der abwertenden Bezeichnung des Selbstverwirklichers gemeint ist. Überhaupt darf bezweifelt werden, dass ein Merkmalsträger sich selbst verwirklicht, indem er dem Ruf zur Teilnehme folgt bzw. sich ihm verweigert. In beiden Fällen macht er von einem ihm eingeräumten Recht Gebrauch. Auch wenn der Vorwurf freilich nicht an den Betroffenen gerichtet ist, sondern an den Gesetzgeber, so führt er doch in der Sache nicht weiter. Einzig relevant bleibt die Betrachtung des Opfers, das im Übrigen aber durch fehlende Implementierung der zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung weder aus der Rechtsgemeinschaft verdrängt wird noch dem gegenüber ein „Mindestmaß an Solidarität“ fehlt. Nicht vertieft werden soll hier die Frage, ob Solidarität überhaupt erzwungen werden kann, oder ob nicht mit Zwang Solidarität gerade ausgeschlossen wird und erzwungene Solidarität nicht eine contradictio in verbis wäre. Sollte mit der Verdrängung des Opfers aus der Rechtsgemeinschaft gemeint sein, dass dieser Zustand dadurch eintritt, dass die Entscheidung über die weiteren Ermittlungen in die Hände des Bürgers gelegt wird, so muss dem entgegen gehalten werden, dass dieser Zustand der StPO nicht fremd ist. Als Beispiel sei der gem. § 52 StPO zeugnisverweigerungsberechtigte Zeuge genannt, der mit seiner Aussage den Täter zu überführen vermag, aber sich gleichwohl dagegen entscheidet. Durch die Einräumung dieses Rechtes (ungeachtet jedweder verfassungsrechtlichen Determination) nimmt der Gesetzgeber schlicht auf die Belange des betroffenen Zeugen bzw. Merkmalsträgers Rücksicht, ohne damit das Opfer aus der Rechtsgemeinschaft verstoßen zu wollen. Richtig ist, wenn Trück ausführt, „naturgemäß“ könne und dürfe Solidarität mit dem Opfer nicht grenzenlos erzwungen werden655. Ungeachtet der Frage, was hier „naturgemäß“ bedeutet – Grenzen der Natur? Grenzen des Naturrechts? Grenzen des positiv-rechtlich Möglichen? –, ergibt sich dies aus dem Gedanken, dass auf der anderen Seite ein Grundrechtseingriff beim Betroffenen steht. Die unterschiedlichen Positionen, d. h. das Interesse des Opfers an Tataufklärung und das Interesse des Betroffenen, nicht Adressat staatlicher Zwangsmaßnahmen zu werden, sind in einen möglichst schonenden Ausgleich zu bringen656. Dem würde eine einseitige Fokussierung auf die sicherlich berechtigten Interessen des Opfers ebenso wenig gerecht wie eine auf die auch berechtigen Interessen des Betroffenen. Der Gesetzgeber hat einen weiten Gestaltungsspielraum657, dessen Grenzen er erst überschreitet, wenn er die Interessen eines der beiden in ungerechtfertigter Weise vernachlässigt. Beim Opfer ergeben sich diese Grenzen aus 654
Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 20 Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 20 656 Vgl. dazu BVerfGE 39, 1 (43), wo das BVerfG die abwehrrechtliche Funktion des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG hinsichtlich einer Schwangeren in Ausgleich mit der schutzrechtlichen Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG eines nasciturus in Ausgleich bringt. 657 S. BVerfGE 39, 1 (44); 46, 160 (164 f.); 77, 170 (214 f.); 88, 203 (261 f.); 96, 56 (64); 110, 141 (159); 111, 10 (39 f., 43); 121, 317 (356 f.). 655
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
seinem Anspruch auf Strafverfolgung, der sich in Fällen schwerer Beeinträchtigung von grundrechtlich geschützten Positionen aus dem jeweils tangierten Grundrecht ergibt658. Dieser nur ausnahmsweise bestehende Anspruch findet seinen dogmatischen Ursprung in der Schutzpflicht des Staates659. Eine Verletzung derselben nimmt das BVerfG nur in evidenten Fällen an; nämlich dann, wenn der Staat zum Schutz des Grundrechts nichts oder nur völlig Ungeeignetes unternimmt, mithin, wenn seine Entscheidung „nicht mehr vertretbar“ erscheint660. Es geht also im Bereich des Strafrechts um Fälle, in denen fehlendes Tätigwerden des Staates das auf dem Gewaltmonopol des Staates gründende Vertrauen des Bürgers in ihn erschüttert würde661. Diese Grenzen sind nicht überschritten, nur weil der Gesetzgeber aus § 81h StPO keine Zwangsmaßnahme macht. Zwar muss man den i. R. d. § 81h Abs. 1 StPO genannten Rechtsgütern ein besonderes Gewicht zumessen. Jedoch kann das auch ohne die Maßnahme stattfindende Strafverfahren weder als nicht existent noch als völlig unzulänglich klassifiziert werden. Ansonsten müsste man – den Gedanken fortgedacht – jedes geeignete Strafverfahren vor der Einführung des § 81h StPO als unzulänglich klassifizieren, denn weniger als die im Moment geltende Einwilligungslösung bei DNA-Reihenuntersuchungen ist schließlich der völlige Verzicht auf die Maßnahme. Somit bleibt der Ansatz Trücks, was er wohl (auch) sein sollen: Ein Ansatz für ein rechtspolitisches Plädoyer für die Implementierung einer Ermächtigungsgrundlage für zwangsweise DNA-Reihenuntersuchungen. Als rechtlicher Ausgangspunkt für die Verpflichtung des Gesetzgebers dazu taugt er nicht. (b) Angemessenheit durch Straftatenkatalog? Nahezu jede sich mit der Möglichkeit zwangsweiser DNA-Reihenuntersuchung beschäftigende Arbeit kommt früher oder später auf die Notwendigkeit eines Straftatenkataloges zu sprechen662. Während Beck indessen die Begrenzung auf „Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung“, wie sie in § 81h StPO bereits de lege lata zu finden ist, beibehalten möchte663, schlug Graalmann-Scheerer einen „ab658
Vgl. die Nachweise in Fn. 324 (Kap. 5). BVerfG, NJW 2020, 675 (676); ohne Nennung des Begriffes „Schutzpflicht“, aber inhaltlich gleichsam BVerfG, NStZ-RR 2020, 51. 660 Vgl. BVerfGE 88, 203 (262), vgl. auch BVerfGE 77, 170 (215), wonach i. R. d. Schutzpflicht Kontrollmaßstab sei, ob die gesetzgeberischen Maßnahmen „gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich“ sind. 661 BVerfG, NStZ-RR 2015, 347 (348); NJW 2015, 150 (Rn. 11); NJW 2015, 3500 (3501, Rn. 20). 662 Vgl. Beck, S. 287, 293, vgl. weiter den Gesetzgebungsvorschlag auf S. 295; GraalmannScheerer, ZRP 2002, 72 (76); dies., NStZ 2004, 297 (299 f.); Satzger, JZ 2001, 639 (649); Wickert, S. 459 ff. 663 S. den Gesetzgebungsvorschlag bei Beck, S. 295. 659
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schließenden Katalog schwerer Straftaten gegen das Leben und die sexuelle Selbstbestimmung“ vor664. Jenseits der Reduktion der betroffenen Rechtsgüter unterscheidet sich dieser Ansatz vom Status quo und damit von Becks Vorschlag in zweierlei Hinsicht. Zum einen wird auf das Erfordernis eines Verbrechens i. S. v. § 12 StGB verzichtet und stattdessen der Begriff der „schweren Straftat“ gebraucht, wie er bereits in § 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO gebraucht wird – freilich jedoch ohne die Definition in § 100a Abs. 2 StPO. Damit wäre es grundsätzlich denkbar, auch Vergehen als taugliche Anlasstat zu sehen, jedenfalls dann, wenn man das Kriterium der Schwere einzelfallbezogen ausfüllen würde. Allerdings wird es angesichts der genannten Rechtsgüter Leben und sexuelle Selbstbestimmung schwerfallen, schwere Straftaten zu finden, die als Vergehen ausgestaltet sind. Zum anderen, und dies erscheint bedeutsamer, würde ein „abschließender Katalog“ wohl in Anlehnung z. B. an § 100a Abs. 2 StPO die abschließende Aufzählung von Straftatbeständen bedeuten. Damit einhergehen würde einerseits ein Mehr an Rechtsklarheit, denn während der rechtsgutsbezogene Ansatz – wie aufgezeigt665 – Interpretationsspielraum lässt, welche Delikte nun genau erfasst sind, würde bei einer Aufzählung des konkreten Straftatbestandes dieser Spielraum verloren gehen. Freilich würde damit anderseits dem § 81h StPO auch sein Blankettcharakter genommen. Würde de lege lata ein neuer Straftatbestand, der die entsprechende Rechtsgüter schützen soll, in das StGB aufgenommen, wäre er von § 81h StPO automatisch erfasst. In der von Graalmann-Scheerer vorgeschlagenen Regelungstechnik wäre eine Novellierung notwendig. In einem später publizierten Beitrag bleibt Graalmann-Scheerer bei der Notwendigkeit, einen abschließenden Straftatenkatalog als materielle Eingriffsvoraussetzung einzuführen, erweitert diesen aber um die Rechtsgüter körperliche Unversehrtheit und persönliche Freiheit neben den bereits benannten Leben und sexuelle Selbstbestimmung666. Während dies rein das Rechtsgut betrachtend ebenso dem Stand de lege lata entsprechen würde, sollen nach Auffassung Graalmann-Scheerers außerdem gemeingefährliche Straftaten taugliche Anlasstaten sein667. Zur Aufklärung weitere schweren Straftaten wie Verbrechen gegen das BtMG solle die DNAReihenuntersuchung indessen nicht eingesetzt werden dürfen, da hier andere Ermittlungsmethoden wie der Einsatz von Telekommunikationsüberwachung erfolgsversprechender sei668. Aus den schweren Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmungen sollen solche ausgeklammert werden, bei denen Täter und Opfer typischerweise sich kennen669. Damit soll wohl die Subsidiarität der Maßnahme zum Ausdruck kommen. Im Ergebnis bleibt dann ein Straftatenkatalog, der im Wesent664 665 666 667 668 669
Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (76). Vgl. dazu die Diskussion zum Stand de lege lata oben Kap. 5 § 4 I. 1. b) bb) (2) (g). Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (299). Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (299). Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (299). Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (299 f.).
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lichen dem entspricht, was de lege lata unter einem abschnittsbezogenen Verständnis von § 81h StPO erfasst wäre – jedoch insofern erweitert, als auch Straftaten nach §§ 251, 306b f. oder 316a StGB erfasst wären670. Satzger wiederum plädiert ohne nähere Begründung für einen an § 98a Abs. 1 StPO angelehnten Straftatenkatalog671. Ausgehend von § 81h StPO plädiert Wickert ebenso für die Einführung eines Straftatenkatalog672, moniert aber, dass nach dem Stand de lege lata auch der Versuch des § 226 StGB taugliche Anlasstat sein könnte. Es gelte zu bedenken, dass die Qualifizierung einer Tat als Verbrechen abstrakt-generell geschehe und nichts über den Unrechtsgehalt im Einzelfall aussage. Anders sei dies, wenn wie in den §§ 98a, 163e und 163f StPO eine Straftat von erheblicher Bedeutung verlangt werde, weil dort anerkanntermaßen Umstände des Einzelfalles eine Rolle spielten. Da allerdings das Verbrechenskriterium insbesondere notwendig sei, um Bagatellkriminalität i. R. v. Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit auszuschließen, soll im Ergebnis deshalb der Kreis tauglicher Anlasstaten wie zurzeit verwendet übernommen werden, allerdings mit der Einschränkung, dass die Tat auch im Einzelfall von erheblicher Bedeutung sein müsste. Es gilt festzuhalten, dass die von Beck und Wickert vorgeschlagenen Ansätze sich in praxi kaum unterscheiden würden, obschon der von letzterer dargebotene Vorschlag durch das Erfordernis einer gewissen Schwere im Einzelfall ein strengerer zu sein scheint. Unterschiede bestehen gleichwohl nicht, weil mit der grundsätzlichen Qualifikation eines Straftatbestandes als taugliche Anlasstat noch nicht darüber entschieden ist, ob die Tat im Einzelfall die Anordnung der Maßnahme rechtfertigt. Dies gilt unabhängig davon, ob das Erfordernis einer schwer wiegenden Straftat nun positiv rechtlich normiert ist oder nicht. Denn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verbietet es bereits de lege lata, wegen des Versuches des § 226 StGB automatisch eine DNA-Reihenuntersuchung anzuordnen. Läge der Unrechtsgehalt der Tat im Einzelfall im unteren Bereich, so würde die Anordnung an der Verhältnismäßigkeit scheitern673. Das Erfordernis einer schwer wiegenden Straftat im Einzelfall wird erst dort relevant, wo der Kreis von Anlasstaten nicht von vornherein begrenzt ist. Soweit Satzger ohne nähere Begründung auf § 98a StPO verweist, gilt, dass bei Vergleichen mit den Straftatenkatalogen anderer Maßnahmen insofern Vorsicht geboten ist, weil häufig innerhalb derselben Straftaten anzutreffen sind, die mit der in Rede stehenden Maßnahme aufgeklärt werden können, nicht aber typischerweise mit der DNA-Reihenuntersuchung. So erfasst § 98a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO bspw. Straftaten nach BtMG. Diese vermögen zwar mit DNA-Analytik aufgeklärt zu 670
Vgl. den Vorschlag bei Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (300). Satzger, JZ 2001, 639 (649). 672 Hier nur Wickert, S. 459 ff. 673 In dieser Begrenzung sieht Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (710, Fn. 162) den eigentlichen Sinn der expliziten Normierung der Verhältnismäßigkeit in § 81h StPO. 671
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werden (etwa, indem DNA an einem Drogen-Päckchen gefunden wird), selten aber mit einer Reihenuntersuchung. Ob hingegen die DNA-Reihenuntersuchung zweckmäßig erscheint, oder ob andere Maßnahmen nicht besser geeignet sind, die Tataufklärung zu fördern, sollte, entgegen Graalmann-Scheerer, den Umständen des Einzelfalls und den Strafverfolgungsbehörden überlassen sein. Damit bleiben zwei Arten von Gesetzgebungstechniken im Raume stehen, nämlich, wie von Beck und Wickert vorgetragen, eine Aufzählung von Rechtsgütern, gegen die sich die Straftat richten muss, wie dies bereits heute in § 81h StPO gehandhabt ist, oder eine Aufzählung von konkreten Straftaten, wie GraalmannScheerer dies vorgeschlagen hat. Auf den Gewinn an Rechtsklarheit bei letzterer Methode ist bereits hingewiesen worden674. Der Vorhersehbarkeit eines Eingriffes misst das BVerfG wie gesagt bei Eingriffen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eine hohe Bedeutung zu675. Anderseits geht freilich mit der Festlegung auf konkrete Straftatbestände eine gewisse Flexibilität verloren. Würde man wie von Graalmann-Scheerer vorgeschlagen § 251, nicht aber § 250 StGB als taugliche Anlasstat implementieren, so könnte gegen eine bewaffnete Räuberbande, die viele Opfer in Todesgefahr gebracht hat (§ 250 Abs. 2 StGB), kategorisch keine DNA-Reihenuntersuchung angeordnet werden, gleich ob die von Graalmann-Scheerer vorgeschlagenen, angeblich besser geeigneten Ermittlungsmaßnahmen im konkreten Fall den erwünschten Erfolg erzielen, gleich ob eine DNA-Reihenuntersuchung im Einzelfall etwas zur Tataufklärung beitragen könnte. Dies erscheint nicht sachgerecht, so wenig wie es sachgerecht erscheint, an die Stellung eines Deliktes in einem gewissen Abschnitt im StGB anzuknüpfen676. Entweder müsste man so viele Straftatbestände in den Katalog aufnehmen, die u. U. irgendwann einmal die Anordnung einer DNA-Reihenuntersuchung rechtfertigen könnten, um die Entscheidung dann vom Einzelfall abhängig zu machen, dass der Gewinn an Rechtsklarheit damit aufgehoben würde, oder man würde die Strafverfolgungsarbeit unnötigerweise einengen. Das BVerfG selbst hat in seiner Schleyer-Entscheidung – freilich in anderem Kontext, aber dennoch übertragbar – entschieden, dass die Schutzpflicht des Staates hinsichtlich einer Lebensbedrohung nicht von vornherein auf bestimmte Mittel beschränkt, sondern vom konkreten Einzelfall abhängig ist677. Wenn wie aufgezeigt die Schutzpflicht des Staates die Implementierung zwangsweiser DNA-Reihenuntersuchungen nicht gebietet, so gebietet sie freilich erst nicht, ihr einen möglichst weiten Anwendungsbereich zu geben. Indessen erscheint für ein erweitertes Maß an Inflexibilität auch kein Bedürfnis. 674 675 676 677
Kap. 5 § 4 I. 1. b) aa) (8). Vgl. die Nachweise in Fn. 640 (Kap. 5). S. ausführlich Kap. 5 § 4 I. 1. b). BVerfGE 46, 160 (165).
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Andererseits hat aber das BVerfG in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung wie folgt differenziert: Während für die Strafverfolgung der Datenzugriff auf abschließend bestimmte Straftaten zu begrenzen sei, deren Schwere insbesondere im Strafrahmen zum Ausdruck kommen müsse, und die im Einzelfall auch schwer wiegen müssten678, sei im Bereich der Gefahrenabwehr an die betroffenen Rechtsgüter anzuknüpfen679. Hat das BVerfG damit einem rechtsgutsbezogenen Ansatz eine Absage erteilt? Man wird dem entgegnen müssen, dass im Bereich der Vorratsdatenspeicherung im Zeitpunkt der Erhebung ja gerade nicht feststeht, für welche konkrete Maßnahme die Daten späteren Zeitpunkts Verwendung finden werden, während bei DNA-Reihenuntersuchung ihre Verwendung auf das Anlassverfahren begrenzt ist. Damit ist eine vorherige Festlegung notwendiger als im hiesigen Bereich. Richtig ist indessen, wenn Wickert moniert, das Verbrechenserfordernis sage wenig über die Schwere der Tat im Einzelfall aus. Während bei ihr jedoch diese Feststellung nur der Untermauerung der These dient, dass auch ein Verbrechen im Einzelfall nicht schwer wiegen muss, so gilt umgekehrt, dass auch ein Vergehen im Einzelfall schwer wiegen kann. Die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen beschränkt sich schließlich nur auf die Mindeststrafe, und nicht ohne Grund kann gem. § 224 StGB auch auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre erkannt werden. Rogall hat deshalb mit seiner rechtspolitischen Kritik, die Fassung des § 81h StPO habe der Gesetzgeber hinsichtlich der Anlasstaten zu eng ausgestaltet680, nicht Unrecht. Aus rechtspolitische Sicht wäre es deshalb sinnvoll, unter Beibehaltung der bisherigen Rechtsgutsbezogenheit auf das Verbrechenserfordernis zu verzichten, gleichzeitig aber im Sinne Wickerts das Erfordernis der Schwere der Straftat im Einzelfall zu normieren, um nicht den Eindruck zu erwecken, § 224 StGB rechtfertige stets die Anordnung der DNA-Reihenuntersuchung. Außerdem sollte der im Gesetz de lege lata angelegte Streit, ob die Anlasstaten nur rechtsguts- oder abschnittsbezogen zu verstehen sind, geklärt werden. Dies könnte bspw. dadurch geschehen, dass der Gesetzgeber nicht mehr von „Verbrechen gegen (…)“ spricht und sich der Diktion des StGB bedient, sondern etwa die Formulierung „Straftaten, die sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit (…) richten“ benutzt. Dieser freilich nach dem hier vertretenen Verständnis nur sprachliche Unterschied könnte – auch unter Bemühung einer historischen Auslegung – für Klarheit sorgen. Im Ergebnis würde damit ein Kreis tauglicher Anlasstaten geschaffen, mit dem der Anwendungsbereich der zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung eingegrenzt wird, ohne gleichzeitig über Gebühr die Anordnung der Maßnahme auszuschließen.
678 679 680
BVerfGE 125, 260 (329). BVerfGE 125, 260 (329 f.); ähnlich zuvor BVerfGE 120, 274 (329). Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (710, insb. Fn. 162).
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(c) Angemessenheit durch Einführung der Subsidiaritätsklausel Ebenso wie die Notwendigkeit eines Straftatenkataloges wird in der Literatur die Einführung einer Subsidiaritätsklausel postuliert681. Soweit ein konkreter Vorschlag gemacht wird, wie das Gesetz auszusehen habe, herrscht Einigkeit darüber, dass die DNA-Reihenuntersuchung zwangsweise nur durchgeführt werden solle, „wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtlos oder wesentlich erschwert wäre“ – wenngleich die Charakterisierung der entsprechenden Subsidiaritätsklausel nicht einheitlich ist682. Von einem zwingenden Erfordernis einer entsprechenden Subsidiaritätsklausel von Verfassungs wegen kann indessen keine Rede sein. Sicher ist es richtig, wenn eine Subsidiaritätsklausel als besondere Ausgestaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzip bezeichnet wird683. Wenn indessen mit der Subsidiaritätsklausel der ultima ratio-Charakter der Maßnahme sichergestellt werden soll684, so muss dem entgegengehalten werden, dass dieser bereits de lege lata anerkannt ist685, obschon, wie Senge betont, § 81h StPO überhaupt keine Subsidiaritätsklausel enthält686. Eine Minimierung des Einsatzbereiches einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung gegenüber der freiwilligen wäre mit der Implementierung einer wie auch immer gearteten Subsidiaritätsklausel mithin gar nicht verbunden. Negativ konnotiert könnte man von einer bloßen sprachlichen Korrektur und Symbolgesetzgebung sprechen, positiv von einem Beitrag zur Rechtsklarheit, weil die Subsidiarität der Maßnahme nicht mehr erst durch Auslegung ermittelt muss, sondern ausdrücklich der Ermächtigungsgrundlage entnommen werden könnte. Indessen drängt sich die Frage auf, warum die zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung einem strengeren Subsidiaritätserfordernis unterworfen werden sollte als die Rasterfahndung, die gem. § 98a Abs. 1 S. 2 StPO dann angeordnet werden kann, wenn die Erforschung des Sachverhaltes „auf andere Weise erheblich weniger erfolgsversprechend oder wesentlich erschwert wäre“. Wickert verweist insofern darauf, dass § 98a StPO heute „[i]m Hinblick auf die aktuell bestehende Tendenz der Gesetzgebung, Grundrechtsbeschränkungen minimieren und das strafrechtliche Ermittlungsverfahren im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben regle681 Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (76); dies., NStZ 2004, 297 (300); Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (70); Wickert, S. 473 f.; de facto auch, wenngleich inhaltlich zur Unerlässlichkeit i. R. d. § 81c StPO Latotzky, S. 137; i. R. d. freiwilligen DNA-Reihenuntersuchung gegen eine Subsidiaritätsklausel Senge, NJW 2005, 3028 (3032) mit der Begründung, die Verhältnismäßigkeit komme bereits explizit zum Ausdruck. 682 Vgl. Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (76); ähnlich dies., NStZ 2004, 297 (300), die insofern von einer qualifizierten Subsidiaritätsklausel spricht, während Wickert, S. 473 von einer strengen Subsidiaritätsklausel spricht, damit aber, wie auf S. 464 deutlich wird, dasselbe meint. 683 Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (300). 684 So Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (300); Wickert, S. 473. 685 Vgl. schon die Nachweise in Fn. 26 (Kap. 5). 686 Senge, NJW 2005, 3028 (3032).
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mentieren zu wollen“, wohl nicht mehr mit diesem niedrigeren Subsidiaritätserfordernis erlassen würde687. Man wird aber bezweifeln dürfen, dass der Verfassung in ihrer Abstraktheit entnommen werden kann, ob eine Maßnahme mit der von Graalmann-Scheerer und Wickert vorgeschlagen Art von Subsidiaritätsklausel versehen werden muss. In diesem Bereich wird man dem Gesetzgeber einen nicht präjudizierten Gestaltungsspielraum hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung zubilligen müssen, der sowohl mit der von genannten Autorinnen vorgeschlagenen als auch mit einer an § 98a Abs. 1 S. 2 StPO angelehnten Subsidiaritätsklausel nicht überschritten würde. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass wegen der allgemeinen Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips unabhängig von der Existenz oder Ausgestaltung einer Subsidiaritätsklausel das mildeste Mittel zu wählen. Gegen die vorgeschlagene Ausgestaltung würde die mangelnde Vergleichbarkeit mit den Maßnahmen sprechen, die bereits de lege lata eine Subsidiaritätsklausel haben, nach der anderweitige Sachverhaltsaufklärung wesentlich erschwert oder aussichtslos sein müsse, wie bspw. § 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO oder § 100c Abs. 1 Nr. 4 StPO688. Diese sind wegen der mit ihnen verbundenen Heimlichkeit in besonderem Maße rechtfertigungsbedürftig689. Der Vergleichbarkeit mit § 98a StPO mag zwar entgegenstehen, dass die Rasterfahndung nur einen kleinen Teil des Datenverarbeitung im weitesten Sinne darstellt, der ganze Vorgang sich über mehrere Maßnahmen erstreckt690. Damit könnte man für zwangsweise DNA-Reihenuntersuchungen für einen strengeren Maßstab plädieren. Wenn man aber bedenkt, dass §§ 111, 163d StPO keinerlei Subsidiaritätsklausel aufweisen, relativiert sich dieses Argument. Im Hinblick auf die Parallele des oben skizierten Ermittlungsweges mit der zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung (viele Betroffene, kein personenbezogener Tatverdacht) dürfte daher eine an § 98a StPO angelehnte Subsidiaritätsklausel ausreichen. Dies gilt auch deshalb, weil der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz trotz Erfüllung einer Subsidiaritätsklausel gilt und der ultima ratio-Charakter der Maßnahme nicht verloren ginge. Freilich wäre der Gesetzgeber indessen frei, sich für die strengere Variante zu entscheiden. (d) Explizite Erwähnung der Verhältnismäßigkeit Die explizite Erwähnung der Verhältnismäßigkeit, wie sie ausschnittsweise in § 81h StPO Abs. 1 StPO normiert ist, könnte zwar beibehalten werden, wäre indessen
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Wickert, S. 474. A. A. aber Wickert, S. 471 f. 689 Dazu BVerfG, NJW 2007, 2464 (2489 f.); NJW 2008, 822 (830); BGH, StV 2007, 60 (62); vgl. gerade für den Bereich der Datenvereinbarung jüngst BVerfG, NVwZ 2021, 226 (231 f., Rn. 87, 96). 690 Zum Ganzen Verarbeitungsvorgang s. das Schema bei Kap. 5 § 5 III. 2. bb) (5) (d). 688
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der Sache nach überflüssig691. Einen eigenständigen Regelungsgehalt des entsprechenden Passus de lege lata mag man darin sehen, dass unter Geltung des Freiwilligkeitserfordernisses möglicherweise kein Platz mehr für Verhältnismäßigkeitserwägungen ist, wobei man dem entgegenhalten wird können, dass der Bürger wohl auch seine Einwilligung nur soweit zu erteilen vermag, als dies zur Erreichung des intendierten Zweckes notwendig ist692. Im Falle der Ausgestaltung der DNA-Reihenuntersuchung als Zwangsmaßnahme erübrigen sich diese Überlegungen. Dass die Zahl der Betroffenen mit dem verfolgten Zweck in angemessenen Verhältnis stehen muss, ist von BVerfG anerkannt auch in solchen Fällen, in denen ein entsprechenden Erfordernis nicht ausdrücklich postuliert ist693. Dies gilt freilich deshalb, weil das Verhältnismäßigkeitsprinzip insgesamt bei allen staatlichen Zwangsmaßnahmen zu beachten ist. Die einfachrechtliche Ausgestaltung wäre deshalb nicht mehr als eine inhaltliche Klarstellung ohne eigenständigen Gehalt. Sie würde in keinem Fall zu einer Milderung der Eingriffsintensität führen, da sie lediglich eine Voraussetzung aufstellt, die ohnehin einzuhalten ist. (e) Zur Notwendigkeit eines Weigerungsrechtes § 81h StPO sieht de lege lata kein Weigerungsrecht für Angehörige des Täters vor. Ein solches ergäbe auch wenig Sinn: Weiß der zur Teilnahme Aufgerufene, dass er mit seiner Teilnahme einen Verwandten der Gefahr der Strafverfolgung preisgeben würde, so muss er nicht die Teilnahme verweigern, sondern einfach nicht teilnehmen. Das Einwilligungserfordernis macht insofern jedes weitere Weigerungsrecht überflüssig694. Liegt der Fall so, dass der Aufgerufene um die mögliche Belastung eines Angehörigen nicht weiß, weil er nicht davon ausgeht, dass ein solcher Spurenleger sein könnte, so trifft er seine Entscheidung für oder gegen die Teilnahme unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Weigerungsrechtes. Zur Diskussion um das Erfordernis eines Untersuchungsverweigerungsrechtes auch i. R. d. § 81h StPO de lege lata kam es indessen im Fall von BGHSt 58, 84, als zwei Angehörige des später Verurteilten zur Überführung ihres Verwandten beitrugen. Der BGH hat dabei zwar die Erlangung der Erkenntnisse mittels Beinahetreffer für rechtswidrig, die Verwertung aber für zulässig erachtet695. Die von der Revision intendierte analoge Anwendung der §§ 52 Abs. 1, 81c Abs. 3 StPO696 hat 691 Vgl. aber BT-Drucks. 15/5674, S. 9; Beck, S. 287; Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (35) zur lex lata. 692 Zu beidem Kap. 5 § 1. 693 S. zum besonderen Gewicht der Streubreite einer grundrechtsrelevanten Maßnahme BVerfGE 155, 119 (178 f., Rn. 129) m. Anm. v. Holznagel, NJW 2020, 2725, Löffelmann, GSZ 2020, 182 (184 ff.) und Petri, ZD 2020, 580 (588 f.); BVerfG, NVwZ 2021, 226 (232, Rn. 96). 694 Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 33 a. E.; ähnlich auch Brocke, StraFo 2011, 298 (302). 695 BGHSt 58, 84 (94 ff., Rn. 27 ff.). 696 BGHSt 58, 84 (87, Rn. 5).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
der BGH zwar nicht angenommen, aber anerkannt, dass nachträglich (also als die abgegebenen Proben und die daraus resultierenden DNA-Identifikationsmuster gegen den Verwandten des Spurenlegers verwendet wurden) eine Situation entstanden sei, die mit derjenigen nach einem Verstoß gegen die §§ 52, 81c Abs. 3 StPO vergleichbar sei697. Würde man diesen Maßstab auf die Situation einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung übertragen, könnte man zur Notwendigkeit der Implementierung eines Untersuchungsverweigerungsrechtes gelangen. Dem Ansatz des BGH kann aber nicht gefolgt werden. Eine ähnliche Situation zur der i. R. d. §§ 52 Abs. 1, 81c Abs. 3 StPO war weder im zugrunde liegenden Fall gegeben, noch ist sie es bei zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchungen. Denn sowohl § 52 als auch § 81c Abs. 3 StPO setzten voraus, dass ein angehöriger Beschuldigter im Zeitpunkt der Aussage oder der Untersuchung existiert. Nachträglich greift nur § 252 StPO, der aber bereits i. R. d. § 81c Abs. 3 StPO keine Anwendung findet698. Insofern unterschied und unterscheidet sich die Situation bei der DNA-Reihenuntersuchung – auf freiwilliger oder auf zwangsweiser Basis699. Vergleichbar ist die Situation eher mit der des § 55 Abs. 1 StPO, der dem Zeugen das Recht gibt, die Auskunft auf solche Fragen zu verweigern, deren Beantwortung ihn oder einen Angehörigen der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen würde700. Sowohl bei der Reihenuntersuchung als auch bei § 55 Abs. 1 StPO geht es dem Betroffenen darum, dass nicht ein Angehöriger wegen seines Handelns zum Beschuldigten wird. Wie aufgezeigt ist der Rechtsgedanke des § 55 StPO dem § 81c Abs. 3 StPO aber nicht immanent701. Fraglich ist daher, ob die Situation bei zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchungen so von der des § 81c Abs. 3 StPO abweicht, dass es notwendig erschiene, ein Untersuchungsverweigerungsrecht nach Maßgabe des § 55 StPO zu implementieren. Dass die praktische Ausübung eines solchen in praxi häufig wohl daran scheitern würde, dass der Betroffene nicht weiß, ob er einen Angehörigen belasten würde, erscheint nicht als durchschlagendes Argument. Es sind Fälle denkbar, in denen der Betroffene um die Eigenschaft des Angehörigen als Spurenleger weiß. Nicht nur die, bei denen der Spurenleger seinem Angehörigen, der dieselben Merkmale erfüllt wie er, von dem aufzuklärenden Vorgang berichtet hat, sondern auch die sog. „geschlossenen Fälle“ bieten ein gutes Beispiel. Sind bspw. zwei Brüder Gäste einer Veranstaltung, die insgesamt 200 Personen besuchen, unter denen sich der Spurenleger befindet. Die Fälle unterscheiden sich freilich insofern voneinander, als dass 697
BGHSt 58, 84 (95, Rn. 29). Vgl. die Nachweise in Fn. 393 (Kap. 5). 699 Busch, NJW 2013, 1771 (1772); Magnus, ZStW 126 [2014], 696 (709); ähnlich auch Swoboda, StV 2013, 461 (464 f.). 700 Darauf abstellend auch Busch, NJW 2013, 1771 (1772); Magnus, ZStW 126 [2014], 696 (710). 701 Kap. 5 § 5 I. 2. b) cc) (1) (b). 698
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der Betroffene im letzten Fall zur Glaubhaftmachung (§ 56 StPO) wohl schlicht auf die Tatsache der Anwesenheit seines Angehörigen verweisen könnte, im ersteren Fall aber nicht, denn wenn es ausreichen würde, dass unter mehreren tausend Merkmalsträger sich ein Angehöriger eines Betroffenen befindet, so könnte eine Vielzahl von Personen die Teilnahme verweigern, was den Sinn der zwangsweisen Reihenuntersuchung in Frage stellen würde. Allerdings muss man feststellen, dass es wenig sachgerecht erscheint, dass ein Angehöriger zur Überführung seines bereits beschuldigten Angehörigen gem. § 81c Abs. 3 StPO nichts beitragen muss; aber den Strafverfolgungsbehörden gleichsam helfen müsste, seinen Angehörigen durch seine Untersuchung zum Beschuldigten zu machen. Dies hätte zur Konsequenz, dass sowohl der zu Untersuchende als auch der zu Überführende besser stünden, wenn bereits ausreichend Verdachtsgründe vorliegen, sodass letzterer Beschuldigter ist. Ein Untersuchungsverweigerungsrecht erscheint indessen nicht das beste Mittel zur Überwindung dieses unsachgerechten Zustandes, weil zugegebenermaßen allzu oft seine Voraussetzungen entweder nicht vorlägen oder diese aber so weit sein müssten, dass de facto die Maßnahme insgesamt zu scheitern drohte. Die Lösung dieses Problems könnte viel eher im Verzicht auf die zwangsweise Erhebung oder zumindest die Verwertung des Beinahetreffers zu sehen sein. Wenn nämlich alle Merkmalsträger sich untersuchen lassen müssen, kann die Verwertung des Beinahetreffers nicht mehr dazu dienen, einen anderen Merkmalsträger, der nicht teilgenommen hat, zu überführen. Einziger Anwendungsbereich bliebe, einen solchen Spurenleger zu überführen, der gar nicht Merkmalsträger ist und deshalb von der Anordnung der DNA-Reihenuntersuchung nicht erfasst ist. Allerdings muss dem entgegengehalten werden, dass der Beinahetreffer nicht nicht erhoben werden kann, weil er als „technisch bedingtes Nebenprodukt“702 ohnehin bei der Untersuchung anfällt. Ihn nicht zu verwerten hieße also, den Strafverfolgungsbehörden eine Information vorzuenthalten, die ohnehin bereits gegeben ist. Der Sachverständige müsste in den Strafverfolgungsbehörden also einen Ermittlungsansatz verschweigen, der mit großer Wahrscheinlichkeit zum Täter führt. Dies wäre zwar denkbar, aber unbefriedigend703. Allerdings kann der Sachverständige u. U. bereits de lege lata bei DNA-Analysen Erkenntnisse erhalten, die von der Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt sind – z. B. die Zugehörigkeit zu einer gewissen ethnischen Gruppe i. R. d. § 81e StPO. Auch hier gilt, dass diese nicht verwendet werden dürfen, sodass eine gewisse Selektion von Informationen der DNA-Analytik durchaus eigen ist. Es zeigt sich, dass bei zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchungen ein Konflikt mit dem im Gesetz (§§ 52, 55, 81c Abs. 3 StPO) verankerten Ziel besteht, den Angehörigen nicht zur Überführung eines Angehörigen zu zwingen. Der Gesetz702
So BT-Drucks. 18/11277, S. 20. Zu diesem Vorschlag de lege lata bereits Singelnstein/Derin, NJW 2017, 2646 (2648), zur Kritik hieran vgl. Fn. 453 (Kap. 5). 703
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
geber kann nicht mehr darauf verweisen, Art. 6 GG sei nicht betroffen, weil das Grundrecht nicht vor freiwilliger Hilfe des Angehörigen schütze704. Dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit könnte man wohl mit Verweis auf die hohen Anordnungsvoraussetzungen und die bloß passive Rolle des Betroffenen, der nicht aktiv zur Überführung beitragen muss705, begegnen. Ob die zwangsweise DNAReihenuntersuchung desungeachtet implementiert werden sollte, erscheint in dieser Hinsicht eher als rechtspolitische denn als juristische Frage. (f) Zur Beibehaltung oder Ausweitung des Richtervorbehaltes und zur Einführung von Rechtsschutzmöglichkeiten Freilich müsste die Implementierung einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung mit der Beibehalten des absoluten Richtervorbehaltes einhergehen706. Auch einer Eilkompetenz bedürfte es de lege ferenda nicht, weil auch hier gilt, dass der organisatorische Aufwand einer DNA-Reihenuntersuchung so groß ist, dass eine richterliche Anordnung immer eingeholt werden kann707. Die Notwendigkeit des Erfordernisses einer richterlichen Anordnung ergibt sich nicht nur aus dem Gedanken, dass die Voraussetzungen der zwangsweisen nicht hinter die der freiwilligen Untersuchung zurücktreten dürfen. Es ergibt sich auch aus der Gesetzessystematik. Im Bereich der DNA-Analytik ist die Anordnung durch den Richter obligatorisch, wenn mit Zwang in die Grundrechte eines zum Zeitpunkt der Analyse bekannten Betroffenen eingegriffen wird, vgl. § 81f Abs. 1 S. 1, ggf. i. V. m. § 81e Abs. 2 S. 4 StPO, sowie § 81g Abs. 3 StPO. Ferner gilt es zu sehen, dass der oben skizierte Vorgang nach §§ 111, 163d, 98a StPO ebenso unter Richtervorbehalt steht. Der Vergleich mit den letztgenannten Ermittlungsmaßnahmen zeigt indessen einen Unterschied zur Situation bei zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchungen. Während gem. §§ 111 Abs. 2, 163d Abs. 2, 98b Abs. 1 StPO jeder einzelne Vorgang (Datenerhebung, -speicherung und weitere Verarbeitung) der richterlichen Kontrolle unterliegt, insgesamt also drei richterliche Kontrollen stattfinden, wäre nach dem Muster des § 81h StPO nur eine, nämlich die Anordnung vorgesehen, während die Durchführung beim einzelnen Betroffenen den Strafverfolgungsbehörden obläge. Daher könnte man die Überlegung anstrengen, ob es nicht notwendig erscheinen
704
So nach BT-Drucks. 18/11277, S. 21 unten. Dazu s. Kap. 5 § 5 I. 2. b) cc) (1) (b). 706 Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (76); dies., NStZ 2004, 297 (300); Wickert, S. 482 ff.; implizit auch Beck, S. 296. 707 Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (76); dies., NStZ 2004, 297 (300); dies., in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 39 (44); dafür de lege lata Ademi, S. 269; Beck, S. 273; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 7; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 23; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 10; i. E. auch mit anderer Begründung Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 14 a. E.; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 11. 705
§ 5 Formelle Voraussetzungen
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könnte, auch die Durchführung beim einzelnen Betroffenen von einer richterlichen Anordnung abhängig zu machen. Wickert verlangt insofern, dass der Richter auch festlegen müsse, ob der Einzelne in den Kreis der Merkmalsträger falle. Hierfür soll sprechen, dass nicht nur die Festlegung der Prüfungsmerkmale zu Grundrechtsbeschränkungen führe, sondern auch die „Ermittlung“ des Betroffenen eine Grundrechtsverletzung mit sich bringen könnte – etwa, wenn die rechtmäßig festgelegten Merkmale falsch angewendet werden708. Beck hingegen plädiert weiterhin grundsätzlich für nur eine richterliche Kontrolle in Form der Anordnung. Da dem Richter im Zeitpunkt der Anordnung aber nicht bekannt sei, wer genau betroffen sein wird, müsse der Bescheid, der später dem Betroffenen zugestellt werden soll, den Hinweis erhalten, dass Einwände binnen einer Frist beim anordnenden Gericht zu erheben seien. Dies erfordere der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einer Vielzahl unbeteiligter Dritter709. Die beiden Ansätze haben gemein, dass jeweils eine der Anordnung nachfolgende, richterliche Kontrolle möglich erscheint. Während sie bei Wickert indessen von Amts wegen erfolgt, bedürfte laut Beck eines Einwandes seitens des Betroffenen. Unterschiede zeigen sich auch im Umfang der zweiten richterlichen Kontrolle: Während sie bei Wickert wohl nur der Klärung der Frage dienen soll, ob der Betroffene dem Kreis der Merkmalsträger angehört, kennt Beck keine solche Begrenzung. Die Diskussion um die Notwendigkeit der richterlichen Kontrolle verweist Parallelen zu § 111 StPO auf. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die bloße Anordnung der Kontrollstelle keinen Grundrechtseingriff darstellt710. Vielmehr sind es die an ihr erfolgenden Maßnahmen, zu denen § 111 StPO ermächtigt711. Gleichwohl bedarf gem. § 111 Abs. 2 StPO nur die Errichtung der Kontrollstelle richterlicher Anordnung, nicht aber die Durchführung der einzelnen Maßnahmen. Freilich hat die Errichtung einer Kontrollstelle insofern Bedeutung, als sie Voraussetzung dafür ist, dass die Kontrollmaßnahmen durchgeführt werden können. Ähnlich verhält es mit der Anordnung der DNA-Reihenuntersuchung. Auch diese ist entgegen Wickert für sich genommen keine grundrechtsbeeinträchtigende Maßnahme, weil sie gegenüber dem einzelnen Bürger (noch) keine unmittelbare Wirkung hat. Die Rechtswidrigkeit der Festlegung der Merkmale führt daher nicht unmittelbar zur Grundrechtsverletzung. Sind indessen die Merkmale auf rechtswidrige Weise festgelegt (oder liegen sonstige Fehler i. R. d. Anordnung vor – etwa, weil keine Anlasstat gegeben ist), so führt dies zwangsläufig zur Rechtswidrigkeit der 708 709 710 711
Wickert, S. 482 f. Beck, S. 296. S. Kap. 5 § 5 III. 2. a) bb) (5) (c). Gintzel, Die Polizei 1979, 1 (2 f.).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Durchführung der Maßnahme beim konkret Betroffenen. Dies stellt keinen Fall der Fernwirkung dar, weil der Fehler bereits in der Reihenuntersuchung selbst gegeben ist. Das Gebot richterlicher Anordnung i. R. d. DNA-Reihenuntersuchung ist daher ebenso wenig wie i. R. d. § 111 StPO ein Schutzinstrument etwa tangierter Grundrechte, sondern vielmehr ein verfahrensökonomisches Mittel, das verhindert, dass eine Maßnahme, die eine Vielzahl von Bürgern betrifft, grundsätzlich rechtswidrig durchgeführt wird712. Erkennt man mithin, dass die grundrechtsrelevante Maßnahme bei DNA-Reihenuntersuchungen nicht die Anordnung, sondern die Durchführung ist, so bedarf es hier einer richterlichen Kontrolle. Wenn §§ 81f Abs. 1, 81g Abs. 3 StPO für die DNA-Analyse grundsätzlich und §§ 163d Abs. 2 und 98b StPO für die weitere Nutzung der nach § 111 StPO erlangten Daten eine solche verlangen, muss dies erst für eine Maßnahme gelten, die die Modalitäten der §§ 81e ff. StPO mit dem Faktor der Unverdächtigkeit und der Vielzahl der Betroffenen i. R. d. §§ 163d, 98a StPO kombiniert. Fraglich ist aber, wie genau die Kontrolle ausgestaltet sein muss. Der Ansatz von Wickert hat zum Nachteil, dass nur die Zugehörigkeit des Betroffenen zur Gruppe der Merkmalsträger von richterlicher Seite festgestellt werden soll. Dies kann u. U. keinen großen Gewinn mit sich bringen, nämlich dann, wenn die Zugehörigkeit einfach nachzuvollziehen ist. Beispielsweise wird die Zugehörigkeit einfach zu überprüfen sein, wenn die Merkmale Körpergröße, Wohnort und Haltereigenschaft eines speziellen KFZ-Typs sind. Umgekehrt fehlt es aber am entscheidenden Prüfungskriterium der Verhältnismäßigkeit, konkret der Erforderlichkeit im Einzelfall. Kann ein Merkmalsträger ohne DNA-Analyse nachweisen, dass er nachweislich als Spurenleger nicht in Frage kommt, darf die Reihenuntersuchung bei ihm nicht zur Durchführung gelangen713. Diese wohl rechtlich schwerer zu beurteilende Frage muss der Richter beantworten – umso mehr, wenn man bedenkt, dass das BVerfG erst jüngst betont hat, Rechtsschutz gegen datenverarbeitende Maßnahmen bedürfe es für die Verfassungskonformität der Ermächtigungsgrundlage, während umgekehrt unverhältnismäßige Maßnahmen nicht durch die Implementierung von Rechtsschutz verfassungskonform gemacht werden könnten714. Von Bedeutung ist weiterhin, ob diese zweite Kontrolle von Amts wegen eingeleitet werden muss oder nur auf Einwand des Betroffenen. Dabei gilt es freilich aus rechtspolitischer Sicht zu bedenken, dass bei obligatorischer Kontrolle je nach Reichweite des betroffenen Personenkreises mehrere tausend Merkmalsträger vom Richter angehört werden müssten, auch wenn sie möglicherweise mit der DNAAnalyse einverstanden sind. Die Einschaltung des Richters wäre hier also nur Formalismus. Dies spricht dafür, die weitere richterliche Kontrolle von einem Antrag des 712 Ausführlich zur Funktion des Gebotes richterliche Anordnung i. R. d. § 81h StPO s. Kap. 5 § 5 III. 2. b). 713 Dazu schon Kap. 5 § 4 III. 2. 714 Vgl. BVerfG, NVwZ 2021, 226 (231, Rn. 89).
§ 5 Formelle Voraussetzungen
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Betroffenen abhängig zu machen. Im Ergebnis brächte dies mit sich, dass die Durchführung der Exekutive obläge. Der Antrag des Betroffenen wäre mithin der Sache nach nichts anderes als ein Antrag auf richterliche Entscheidung entsprechend § 98 Abs. 2 S. 2 StPO, der nach h. M. analoge Anwendung findet bei allen von Staatsanwaltschaft oder Polizei angeordneten Maßnahmen715. Es muss allerdings vermieden werden, dass der Betroffene den Eindruck gewinnt, die Anrufung des Richters brächte Nachteile mit sich. Daher sollte er darauf hingewiesen werden, dass die DNA-Analyse nur erfolgen soll, wenn der Betroffene nicht anderweitig als Spurenleger ausgeschlossen werden kann. Für weitere Belehrungen nach dem Muster des § 81h Abs. 4 StPO besteht indessen kein Bedürfnis716, da mangels Einwilligungsmöglichkeit nicht mehr die Freiwilligkeit des Handelns sicherzustellen ist. Zwar könnte man anführen, eine Belehrung sei notwendig, um dem Bürger die Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob er eine weitere richterliche Kontrolle verlangen soll. Indessen ist eine solche Belehrung auch i. R. d. §§ 81e, 81g StPO auch nicht vorgesehen. Überholt wäre mit der Implementierung einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung freilich auch das Argument, es bedürfe keiner Beschwerdemöglichkeit des Betroffenen, weil keine Grundrechte tangiert seien717. Es muss auch hier unterschieden werden zwischen der Anordnung und der Durchführung der Reihenuntersuchung. § 81h Abs. 2 S. 5 StPO schließt de lege lata nur die Anfechtung der Anordnung aus. Wäre die DNA-Reihenuntersuchung eine Zwangsmaßnahme, soll eine Beschwerde gem. § 304 StPO nach den allgemeinen Regeln gegen die Durchführung in Betracht kommen, weil sie nicht ausgeschlossen sei718. Dies würde allerdings gem. § 304 Abs. 1 StPO nur gelten, soweit der Richter die Durchführung anordnet hat. Hierzu bedarf eines vorherigen Antrages auf richterliche Entscheidung analog § 98 Abs. 2 S. 2 StPO. Einer Gesetzesänderung bedarf es aber so oder so dazu nicht 715 Allgemein Bachmann, NJW 1999, 2414 (2415); Beulke/Swoboda, Rn. 496; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 98, Rn. 23; Kühne, § 32, Rn. 563.2; Laser, NStZ 2001, 120 (121 f.); Malek/Wohlers, Rn. 122; Rabe v. Kühlewein, GA 2002, 637 (644); Ranft, § 27, Rn. 605; Roxin/Schünemann, § 29, Rn. 15; Rüping, Kap. 3, Rn. 31 ff.; Schäfer/Sander, Rn. 1915; Wohlers/Deiters, in: SK-StPO III, § 160, Rn. 55; vgl. zu § 110 StPO m. w. N. BVerfG, NStZ-RR 2002, 144 (145); jeweils zur Durchsuchung BGHSt 28, 57 (58); 44, 265 (268); Fezer, in: FS Rieß, 93 (95 ff.); Sommermeyer, NStZ 1991, 257 (260 f.); zu § 127 Abs. 2 StPO BGHSt 44, 171 (174); jeweils zu § 81b StPO OLG Koblenz, StV 2002, 127 (128); OLG Braunschweig, NStZ 1991, 551; OLG Stuttgart, MDR 1986, 689 (690); mit Verweisen auf die analoge Anwendung des § 98 Abs. 2 S. 2 StPO bei anderen Zwangsmaßnahmen auch OLG Oldenburg, NStZ 1990, 504; s. zu den unterschiedlichen Zwangsmaßnahmen auch Lehmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 450 ff.; Schroth, StV 1999, 117 ff.; krit. vgl. jedoch auch Amelung, in: FG Wissenschaft 50 Jahre BGH IV, 911 (925); diff. Bachmann, S. 227 ff.; ausführlich Amelung, Rechtsschutz, S. 25 ff.; Rieß/Thym, GA 1981, 189 ff. 716 A. A. aber Beck, S. 297. 717 Zur Begründung de lege lata s. Kap. 5 § 5 II. m. w. N. in Fn. 472 (Kap. 5). 718 Beck, S. 297; Wickert, S. 484.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
zwingend719, wenngleich aus Gründen der Rechtsklarheit eine Normierung der Antragsmöglichkeit gegenüber dem Antrag analog § 98 Abs. 2 S. 2 StPO vorzuziehen ist720. Jedoch muss angedacht werden, ob entgegen § 81h Abs. 2 S. 5 StPO auch die Anordnung der zwangsweisen Reihenuntersuchung anfechtbar sein sollte. Freilich gilt auch hier das Argument, dass mit ihr noch keine Grundrechtsbelastungen verbunden sind. Es muss aber Berücksichtigung finden, dass der Umfang der richterlichen Kontrolle i. R. d. Durchführung beim konkret Betroffenen nicht die allgemeinen Anordnungsvoraussetzungen wie die Qualifikation der Anlasstat oder die Festlegung der Merkmale erfassen kann. Ansonsten könnte die Situation eintreten, dass bei dem einen Merkmalsträger die Untersuchung wegen solcher Mängel nicht durchgeführt werden kann, beim anderen hingegen schon. Darunter würde die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung in demselben Fall erheblich leiden. Mithin wäre es notwendig, vor der Durchführung der Reihenuntersuchung das Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen verbindlich festzustellen. Aus rechtsstaatlichen Gründen würde aber genügen, dass die Anordnung selbst vom Richter stammen muss. Einer weiteren diesbezüglichen Anfechtungsmöglichkeit bedarf es nicht, wofür auch der Vergleich mit § 111 StPO streitet, der eine weitere richterliche Überprüfung der Anordnung ebenso nicht vorsieht. Im Ergebnis ist bei dem hier vorgeschlagenen Rechtsschutzsystem die Erfüllung jeder Tatbestandsvoraussetzung einer richterlichen Kontrolle zugänglich. Dessen ungeachtet richtig ist aber der Vorschlag Wickerts, bei zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchungen auf § 81c Abs. 6 StPO zu verweisen721, der der Anwendung unmittelbaren Zwangs gewisse Grenzen setzt. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der vergleichbaren Situation des Betroffenen i. R. d. § 81c StPO. (g) Steigerung der Eingriffsintensität durch Vorbereitungsmaßnahmen Jenseits der Eingriffsintensität einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung und ungeachtet der sie flankierenden Schutzmechanismen, die erstere soweit möglich abmildern sollen, gilt es freilich zu beachten, was – wenn überhaupt – mehr als praktischer Hinweis denn als rechtliche Problematik dargestellt wird. Aus praktischer Sicht stellt sich das Problem, dass dann, wenn die DNA-Reihenuntersuchung gegen den Willen des Betroffenen mit Zwang vollstreckt werden können soll, der Betroffene ja vorher namentlich bekannt sein muss. Ansonsten ist keine Vollstreckungshandlung möglich. Dieses Problem stellt sich de lege lata nicht, weil die Maßnahme wegen des Freiwilligkeitserfordernisses gar nicht vollstreckt werden kann722. 719
So aber Beck, S. 297. Vgl. hierzu schon Hilger, JR 1990, 485 (488). 721 Wickert, S. 486. 722 Vgl. bereits oben Kap. 5 § 5 II., anders aber Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (300); Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 11. 720
§ 5 Formelle Voraussetzungen
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De lege ferenda würde also zusammengefasst eine Individualisierung notwendig, die häufig ohne den Willen des Betroffenen zu geschehen hat, weil mangels Kenntnis die Strafverfolgungsbehörden gar nicht in der Lage sind, Einvernehmen hinsichtlich der Individualisierung mit dem Betroffenen herzustellen. Ansonsten bräuchte es die Individualisierung gar nicht. Ausnahmen sind nur denkbar in den geschlossenen Fällen, wenn mithin bspw. der Spurenleger unter dem abgegrenzten Kreis von 200 bekannten Gästen einer Feier zu suchen ist. Im Übrigen ist die Individualisierung stets mit einem Grundrechtseingriff verbunden. Treffend formuliert Beck sub specie Rechtsschutz, der Bescheid sei Personen, die das „Raster“ erfüllen, zuzustellen723. Die Verwendung dieses Begriffes zeigt, worauf es bei der Vorbereitung der zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung hinausliefe. Soweit es um Merkmale geht, die als Daten bereits von staatlicher Seite erhoben wurden, müssen diese abgeglichen werden. Hauptsächlich wird dabei um Melde- und solche Daten gehen, die im Personalausweis eingetragen sind, da stark individuelle Merkmale wie Dialekt oder Gangart tatsächlich gar nicht erhoben werden können, weil sie zu schwer fassbar sind. Die Vorbereitung der DNA-Reihenuntersuchung ist mithin mit einem vorbereitenden Abgleich vieler Daten verbunden, die für andere Zwecke als die Strafverfolgung erhoben und die in unterschiedlichen Systemen gespeichert werden. Hierin liegt ein nicht eigenständiger Grundrechtseingriff, dessen Intensität mit dem der Rasterfahndung zu vergleichen ist, wenn nicht gar § 98a StPO selbst die Vorbereitungsmaßnahme ist724. (h) Vernichtungs- und Löschungsvorschriften als eingriffsmildernde Verfahrenssicherung? Freilich müssen die bestehenden Vernichtungs- und Löschungsregeln (vgl. § 81h Abs. 3 S. 2 ff. StPO) de lege ferenda erhalten bleiben725. Dies führt allerdings nicht zu einer Milderung der Eingriffsintensität. Vielmehr sind Vorschriften die Datenlöschung betreffend zwingende Voraussetzung für die Verfassungskonformität einer Ermächtigungsgrundlage, auf deren Grundlage Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vorgenommen werden können726. Wenn Vorgaben zwingend sind, die ein Ende des Speicherns vorsehen, müssen solche Vorschriften, die die Vernichtung der Körperzellen vorsehen, im Bereich der DNA-Analytik von Verfassungs wegen ebenso obligatorisch sein. Dies ergibt sich aus dem der DNAAnalyse eigenen Faktum, dass zumindest im Fall der originären Erhebung von Daten 723
Vgl. Beck, S. 296. Dazu vgl. bereits Eisenberg, Rn. 1894a; Eschelbach/Jäger, in: SSW-StPO, Vorb. § 98a ff., Rn. 3; Jäger, in: KMR-StPO, Vorb. §§ 98a bis 98c, Rn. 3; Pehl, S. 249 f., 266 f., 290; Wohlers/Greco, in: SK-StPO I, § 98a, Rn. 8. 725 Für solche bereits Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (76); dies., NStZ 2004, 297 (301); Volk, NStZ 2002, 561 (564). 726 BVerfGE 141, 220 (285); 150, 244 (285); NVwZ 2021, 226 (231, Rn. 89); zurückhaltender noch BVerfGE 65, 1 (46): „wesentlich“. 724
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
aus der DNA die Körperzellen als „Datenträger“ sich im Zugriffsbereich des Staates befinden müssen. Soll die Löschung von Daten der missbräuchlichen, d. h. zweckwidrigen Verwendung vorbeugen727, so gilt es anzumerken, dass diese in demselben Umfang besteht, wenn der Staat zwar nicht die Daten speichert, aber gleichwohl in der Lage ist, sie sich jederzeit, unbemerkt und ohne jede richterliche oder auch nur private Kontrolle wieder zu verschaffen. (7) Systematik der Regelungen betreffend die DNA-Analytik im Strafprozess Die Frage, ob die Möglichkeit einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung mit den §§ 81e ff. StPO in Konflikt geraten könnte, ist in der bisherigen Diskussion in zweierlei Art virulent geworden. Die Ansätze unterscheiden sich insofern voneinander, als einerseits Ausgangspunkt ist, dass das Zwangsmodell das gegenwärtige Einwilligungsmodell ersetzen soll, und andererseits von einem hypothetischen Nebeneinander der Modelle ausgegangen wird. Während bei einer Ersetzung des § 81h StPO nur die § 81e bis § 81g StPO Vergleichsobjekt sind, müsste bei einem Nebeneinander die neue Regelung auch mit § 81h StPO in Einklang gebracht werden. Bei Beck wird dieser Frage nachgegangen vor dem Hintergrund, dass aus dem § 81h StPO ausschließlich das Erfordernis der Einwilligung getilgt werden soll. Mithin würde das geltende Freiwilligkeitsmodell des § 81h StPO ersetzt. Beck arbeitet dabei heraus, dass die Hürden der DNA-Analyse höher liegen, wenn der Betroffene nicht verdächtig ist. DNA-Analysen nach §§ 81c, 81e StPO unterlägen strengeren Voraussetzungen als solche nach §§ 81a, 81e StPO. Noch strengeren Voraussetzungen unterworfen sei schließlich nur die Inanspruchnahme des völlig Unbeteiligten i. S. d. § 81h StPO. Würde man nun das Einwilligungserfordernis aus § 81h StPO tilgen, so soll das Abstufungsverhältnis, das man mit den Worten „Je weniger Verdacht, desto höher die Eingriffsvoraussetzungen“ zusammenfassen könnte, nicht unterminiert werden. Insofern verweist Beck auf die zahlreichen „Schutzvorschriften“ des § 81h StPO, also auf die im Vergleich zu §§ 81a, 81c, 81e ff. StPO höher liegenden Eingriffsvoraussetzungen728. Von einem hypothetischen Nebeneinander von zwangsweisen und freiwilligen DNA-Reihenuntersuchung geht insbesondere Ademi aus729. Diese Möglichkeit wird ablehnt, weil ansonsten die Voraussetzungen für zwangsweise Untersuchungen höher lagen als für freiwillige730. Freilich gilt das nur – und auch nur insoweit ist die Aussage zu verstehen- für den rechtlichen Status quo, also im Falle einer Stützung der zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung auf §§ 81a bzw. 81c i. V. m. § 81e StPO731. Wenn aber eine neue Ermächtigungsgrundlage geschaffen würde für 727 728 729 730 731
BVerfGE 141, 220 (285 f.). Beck, S. 285 ff. Vgl. Ademi, S. 276 ff.; Hero, S. 190; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (199). Hero, S. 190; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (199). Zur Widerlegung dieser Ansätze oben Kap. 5 § 5 I. 2. b) bb) und cc).
§ 5 Formelle Voraussetzungen
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zwangsweise DNA-Reihenuntersuchungen, kann diese so ausgestaltet werden, dass die Voraussetzungen höher liegen. Auch der gesetzgeberische Wille, der de lege lata gegen die Zulässigkeit zwangsweiser Untersuchungen sprechen mag, wäre damit kein Argument mehr732. Während Beck zugestimmt werden kann, soweit sie die höheren Eingriffsvoraussetzungen in Form der gesteigerten Anforderungen an die Anlasstat und des ultima ratio-Charakters herausstellt, muss widersprochen werden, soweit auf andere, nur scheinbar höher liegende Voraussetzungen verwiesen wird. Soweit der besonderen Betonung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Bedeutung zugemessen wird, ist diese bereits widerlegt733. Dasselbe gilt für den Hinweis, i. R. d. § 81h StPO sei der Nachweis fehlender Spurenlegereigenschaft mittels Alibi möglich. Das gilt auch i. R. d. §§ 81a, 81c, 81e ff. StPO, weil es sich hierbei um nichts anders handelt als um eine Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, genauer gesagt der Erforderlichkeit734, der, auch das wurde bereits mehrfach dargelegt, bei allem staatlichen Handeln Geltung beansprucht. Soweit Beck dem Einwilligungserfordernis jedwede Wirkung abspricht, wird hier einer anderen Auffassung gefolgt735. Endlich Zustimmung verdient wiederum, dass die Existenz des Untersuchungsverweigerungsrechts (§ 81c Abs. 3 StPO) nicht als Argument dienen kann, einen Gleichlauf mit der DNA-Reihenuntersuchung zu erzwingen, weil seine praktische Bedeutung zu gering wäre736. Die zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung würde mithin nicht das Abstufungsverhältnis der zur DNA-Analyse ermächtigenden Normen unterminieren. Das Ansatz von Beck leidet indessen unter dem Defizit, dass er gar keine Einwilligungsmöglichkeit mehr vorsieht. Dies wiegt de lege lata deshalb umso schwerer, weil eine solche aus Gründen des Europarechtes explizit normiert sein muss, wenn der Bürger das Recht haben soll, in eine staatliche Maßnahme einzuwilligen737. Wenn man allerdings mit Beck freiwilliges Handeln des Bürgers ohnehin nicht als möglich erachtet, ist der Verzicht auf eine solche Möglichkeit schließlich aber nur folgerichtig. Verfolgt man wie hier einen anderen Ansatz, so erscheint es durchaus überlegenswert, ob nicht § 81h StPO neben der neu einzufügenden Ermächtigungsgrundlage für zwangsweise DNA-Reihenuntersuchungen treten sollte. Dafür spricht v. a. der praktische Gedanke, dass sowohl der organisatorische Aufwand der zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung unnötig erscheint, wenn doch auch auf freiwilligem Wege ein Ermittlungserfolg erzielt werden kann. Mehr noch sprechen aber rechtliche Gründe für ein Nebeneinander. Wie aufgezeigt, ist die Individuali732 733 734 735 736 737
Vgl. Hero, S. 190 f.; Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (199). Kap. 5 § 5 III. 2. a) bb) (6) (d). Dazu i. R. d. § 81h StPO Kap. 5 § 4 III. 2. Vgl. dazu Kap. 5 § 5 I. 2. Kap. 5 § 5 III. 2. a) bb) (6) (e). Kap. 3 § 5 IV. 5.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
sierung der zu Untersuchenden mit erheblichen Grundrechtseingriffen verbunden738. Für diese lässt sich keine Rechtfertigung finden, wenn die Merkmalsträger auch freiwillig mitwirken. Folgt man diesem Ansatz, so muss aber sichergestellt sein, dass nicht der Vorwurf erhoben werden kann, für DNA-Reihenuntersuchung auf freiwilliger Basis seien strengere Vorgaben einzuhalten als bei solchen, die mit Zwang exekutiert werden können. Nach den bisher aufgestellten Voraussetzungen für zwangsweise Untersuchungen wäre dieser Vorwurf grundsätzlich ohne Berechtigung. Nach der hiesigen Konzeption würde nämlich das System richterlicher Kontrolle erweitert739 und der Verzicht auf die Verwertung des Beinahetreffers zumindest nahe gelegt740. Der Vorwurf hätte nur insofern eine Berechtigung, wenn man mit dem hiesigen Vorschlag auf das Erfordernis eines Verbrechens als Anlasstat verzichtete741. Sollte also § 81h StPO neben der zwangsweisen Reihenuntersuchung beibehalten werden, bedarf § 81h StPO insofern einer Novellierung, als auch dort das Verbrechenserfordernis zu tilgen wäre. (8) Der Ansatz Boschs und Giesens – Zur Notwendigkeit eines Zwangsmodelles Obgleich bisher kein Argument vorgebracht werden konnte, das gravierende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Implementierung einer Ermächtigungsgrundlage für zwangsweise DNA-Reihenuntersuchungen hätte begründen können, gehen die Ansätze Boschs und Giesens zu weit. Nach diesen obläge dem Gesetzgeber die Pflicht, zwangsweise DNA-Reihenuntersuchungen zu regeln. Dem geltenden § 81h StPO spricht Bosch die von Verfassungs wegen notwendige Geeignetheit ab. Dies gelte deshalb, weil zur Verdachtsbegründung gegen den Nichtteilnehmer summa summarum an dessen Testverweigerung angeknüpft werden müsse, was aber aus rechtlichen Gründen nicht geschehen dürfe. Somit könne, zusammengefasst, die freiwillige DNA-Reihenuntersuchung ihren Zweck, d. h. die Verdachtsbegründung gegen den Nichtteilnehmer742 gar nicht erreichen. Der Gesetzgeber sei deshalb angehalten, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen eine zwangsweise Untersuchung möglich sein soll, weil nur somit der dargestellte Widerspruch zwischen Sollen und Dürfen aufgelöst und erst dann von einer Eignung gesprochen werden könne743. Abstrakter heißt es bei Giesen744, der Staat dürfe nur insoweit auf Grundlage einer Einwilligung des Bürgers operieren, als er auch mit Zwang agieren könnte. Dies folge aus der Verfassung, 738
Kap. 5 § 5 III. 2. a) bb) (6) (g). Dazu Kap. 5 § 5 III. 2. a) bb) (6) (f). 740 Dazu Kap. 5 § 5 III. 2. a) bb) (6) (e). 741 Kap. 5 § 5 III. 2. a) bb) (6) (b). 742 So ausdrücklich Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 6. 743 Zum Ganzen insgesamt Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 6, 19; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 4, 16. 744 Zum Folgenden Giesen, in: FS Hamm, 107 (116 ff.). 739
§ 5 Formelle Voraussetzungen
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zumal freiwilliges Handeln des Bürgers nicht weniger eingriffsintensiv sei als zwangsweises staatliches. „Ein nichtverpflichtendes Gesetz [sei] ein Widerspruch in sich“745. Da de lege lata eine DNA-Reihenuntersuchung nur auf Basis der Einwilligung durchgeführt werden kann, müsste nach diesem Ansatz § 81h StPO ebenso als verfassungswidrig eingestuft werden. Der Ansatz Boschs verdient schon deshalb keine Zustimmung, weil die Implementierung zwangsweiser DNA-Reihenuntersuchung keineswegs die einzige Möglichkeit wäre, den von ihm postulierten Widerspruch aufzulösen. Vielmehr könnte – den Widerspruch und die fehlende Eignung vorausgesetzt – auch einfach auf DNA-Reihenuntersuchungen gänzlich verzichtet werden. Weitergehend muss aber schon der Behauptung widersprochen werden, es sei nicht möglich, ohne Anknüpfung an die Verweigerung Tatverdacht zu begründen. Da § 81h StPO nicht zwingend am Ende eines Ermittlungsverfahrens stehen muss und es möglich erscheint, dass jenseits der Selektion der Merkmalsträger neue Erkenntnisse an die Ermittlungsbehörden herangetragen werden, sind diese nicht darauf angewiesen, die Verweigerung als Anknüpfungspunkt zur Verdachtsbegründung zu verwenden746. Ebenso muss Giesen entgegengetreten werden. Ein nicht verpflichtendes Gesetz ist keine contradictio in verbis. Die JI-Richtlinie bzw. die Umsetzung innerhalb des BDSG zwingen dazu, nicht verpflichtende Rechtsnormen zu erlassen, wenn eine Einwilligung des Bürgers möglich sein soll747. Zwar kann man zustimmen, soweit Gießen freiwilliges Handeln nicht als weniger eingriffsintensiv im Vergleich zum erzwungen Handeln bewertet. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man dem Eingriffsbegriff ein Element des Handelns gegen den Willen beimisst, Freiwilligkeit und Eingriff sich gegenseitig ausschließen748. Dann aber wäre das freiwillige Handeln nur deshalb nicht weniger eingriffsintensiv, weil es überhaupt nicht eingriffsintensiv ist. Es handelt es mithin eher um ein Sprachspiel. Im Übrigen ist die Möglichkeit des Grundrechtsverzichtes in Form der Einwilligung in der Verfassung selbst angelegt749. Es dem Staat also durchaus möglich, etwas anzunehmen, was er sich mit Zwang zu nehmen nicht vermag. Er kann sogar dazu verpflichtet sein, was insb. dann der Fall ist, wenn das vom Bürger angebotene (etwa die Speichelprobe) bei einem hypothetischen Eingriff weniger seine Grundrechte tangieren würde als das, was der Staat zu nehmen berechtigt ist (etwa die Entnahme von Blut)750. Da ferner nicht behauptet werden kann, der Staat verletze seine verfassungsrechtliche Schutzpflicht gegenüber dem Opfer, wenn er zwangsweise DNA-Rei-
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Ausdrücklich Giesen, in: FS Hamm, 107 (120). Zum Ganzen Kap. 5 § 5 I. 2. b) bb). 747 Dazu s. o. Kap. 3 § 5 IV. 5. 748 Kap. 3 § 3 I. 3. c) aa) (1). 749 Kap. 3 § 5 IV. 4. a). 750 Vgl. zu diesem von Amelung begründeten Ansatz sog. „eingriffsmildernder Einwilligungen“ Kap. 3 § 5 III. 2. a). 746
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
henuntersuchungen nicht durchführt751, ist kein wie auch immer gearteter Grund ersichtlich, warum der Staat zur Implementierung zwangsweiser DNA-Reihenuntersuchung verpflichtet sein soll. Es ist also durchaus möglich, dass § 81h StPO in seiner jetzt gültigen Fassung bestehen bleibt und keine Zwangsmaßnahme normiert wird. Der gegenwärtige Rechtszustand ist kein unvollendeter. (9) Ergebnis, Zusammenfassung und rechtspolitischer Ausblick Was hindert nach alledem – in den Worten Giesens – „den Gesetzgeber daran, das Verfahren nach § 81h StPO zu einer Pflichtveranstaltung zu machen“752 ? Die vorstehende Untersuchung hat gezeigt, dass weder die Verfassung noch die Systematik der StPO dies tun. Es ist aufgezeigt, dass ein Zwangsmodell unter Voraussetzungen durchaus in die StPO eingefügt werden könnte. Das heißt nicht, dass es zwingend eingefügt werden muss. Wie Satzger bereits im Jahre 2001 treffend formuliert hatte, handelt es bei der Frage, ob DNA-Reihenuntersuchungen zwangsweise durchgeführt werden dürfen, um eine rechtspolitische, um eine solche, welche „Strafverfolgungskultur“ zu pflegen gedacht wird753. Es gilt zu konstatieren, dass der Gesetzgeber mit einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage sich nahe der verfassungsrechtlichen Grenze strafprozessualen Handelns bewegen würde, wenn man bedenkt, dass die Faktoren der Veranlassung und der Betroffenenzahl in der Rechtsprechung des BVerfG bei der Bestimmung der Eingriffsintensität eine große Rolle spielen754. Im Gegensatz zu dem großen Teil der Verfechterinnen eines Zwangsmodells – Beck, Graalmann-Scheerer und Wickert – ist nach hier vertretener Auffassung des geltenden Freiwilligkeitsmodells kein innerer Widerspruch. Hält man freiwilliges Handeln auch i. R. d. § 81h StPO für möglich, so hat man in der lex lata eine Alternative. Eine zusätzliche Hilfe für die Strafverfolgungsbehörden wäre die Möglichkeit der Durchführung einer vollstreckbaren DNA-Reihenuntersuchung freilich nur in den Fällen, in denen die lex lata scheitert – also in solchen, in denen zu wenige Aufgerufene teilnehmen, um eine Selektion zu erzielen. Sollten alle Merkmalsträger teilnehmen und der Täter sich nicht unter ihnen befinden, so würde auch ein Zwangsmodell nicht weiterhelfen. Einziger Vorteil einer zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchung wäre mithin, über fehlende Bereitschaft der Bevölkerung hinwegzukommen. Ob dieses Problem ein so großes ist, dass es zwingend der Möglichkeit eines zwangsweisen Vorgehens bedarf, muss der Gesetzgeber entscheiden. Es darf aber bezweifelt werden.
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Kap. 5 § 5 III. 2. a) bb) (6) (a). Giesen, in: FS Hamm, 107 (116). Satzger, JZ 2001, 639 (649). S. dazu o. Kap. 5 § 5 III. 2. a) bb) (5) (e).
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b) Verzicht auf die richterliche Anordnung – reines Freiwilligkeitsmodell Soweit der Richtervorbehalt für entbehrlich gehalten wird, müsste als Konsequenz der Abs. 2 des § 81h StPO im Wesentlichen, auf jeden Fall aber S. 1 getilgt werden. Da, wie aufgezeigt, eine Einwilligung ohne Zulassung im Gesetz i. R. d. Strafverfahrensrechts nicht möglich ist755, könnte eine solche Novellierung nur unter Beibehaltung des § 81h StPO i. Ü. bestehen; eine komplette Tilgung der Regelung erscheint entgegen vereinzelt vertretener Ansichten756 nicht möglich. Darüber hinaus gilt es freilich zu bedenken, dass mit einer Tilgung des § 81h aus der StPO eine ganze Reihe neuer757 Probleme entstünde, auf die die StPO dann keine Antwort mehr gäbe. Man denke nur an die Frage, was mit den Körperzellen und Daten nach Untersuchung bzw. Abgleich zu geschehen hätte758. Nun sind zwei Fragen zu unterscheiden: Erstens, ob es des Richtervorbehaltes von Verfassungs wegen bedarf, seine Abschaffung also den § 81h StPO in die Verfassungswidrigkeit manövrieren würde. Zweitens wäre, wenn dem nicht so ist, zu fragen, ob die ihm zugewiesene Aufgabe eine sinnvolle ist, ob er dieser dient, oder ob der Richtervorbehalt nicht doch der Sache nach ungeeignet ist und deshalb guten Gewissens abgeschafft werden könnte. Jedenfalls aber gilt es voranzustellen, dass der Vorschlag, den Richtervorbehalt i. R. d. § 81h StPO abzuschaffen, jenseits aller Kritik aus der Literatur auch dem Gesetzgeber nicht neu ist. Schon im Jahre 2005 haben Innen- und Rechtsausschuss des Bundestages dem Bundesrat empfohlen, zum Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse, mit dem später § 81h StPO Gesetz wurde, eine Entschließung abzugeben, nach der der Bundesrat Handlungsbedarf sähe, „unnötige rechtliche Hemmnisse“ i. R. d. forensischen DNA-Analytik abzubauen. Zu diesen zählten insb. der „unnötige[…] Verwaltungsaufwand durch Richtervorbehalte“ sowie die „entbehrliche[n] rechtliche[n] Einschränkungen der Strafverfolgungsbehörden beim DNA-Reihengentest“759.
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S. o. Kap. 3 § 5 IV. 4. Vgl. Walther, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 2; s. auch Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (28), der sich zwar nicht expressis verbis für die Tilgung des § 81h aus der StPO ausspricht, gleichwohl aber konstatiert, jedenfalls soweit die DNA-Reihenuntersuchung nur mit Einwilligung durchgeführt wird, bedürfte sie keiner gesetzlichen Regelung. 757 Bzw. eher alter Probleme, denn vor der Einführung des § 81h StPO lag die Situation schließlich genauso. 758 Vgl. Klumpe, S. 190. 759 Insgesamt BT-Drucks. 521/1/05, S. 2. 756
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
aa) Notwendigkeit und Zweck präventiver richterlicher Kontrolle aus verfassungs- und strafrechtlicher Sicht (1) Zur verfassungsrechtlichen Notwendigkeit (a) Spezielle verfassungsrechtliche Vorgaben In der Systematik der StPO stehen zahlreiche Ermittlungsmaßnahmen unter Richtervorbehalt. Nur bei wenigen ist dies allerdings verfassungsrechtlich determiniert. Art. 13 Abs. 2 GG verlangt für Durchsuchungen von Wohnungen grundsätzlich eine richterliche Anordnung. Dies verlangt im einfachen Recht die konkrete Ausgestaltung des § 105 Abs. 1 S. 1 StPO, nach dem in der Regel der Richter und nur ausnahmsweise bei Gefahr im Verzug die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungsbeamten zur Anordnung von Wohnraumdurchsuchungen befugt sind – zumindest soweit es um die Durchsuchung von Wohnraumen i. S. d. Art. 13 GG geht760. Für die repressive761, akustische Wohnraumüberwachung verlangt Art. 13 Abs. 3 S. 1 GG neben dem Vorliegen materieller Voraussetzungen eine richterliche Anordnung, die nach S. 3 von drei Richtern getroffen werden muss. Entsprechendes sieht deshalb im einfachen Recht § 100e Abs. 2 S. 1 StPO i. V. m. §§ 74a Abs. 4, 76 GVG für akustische Wohnraumüberwachungen nach § 100c StPO vor762. 760 Vgl. BVerfGE 20, 162 (223); 103, 142 (153, 158, 162) m. Anm. v. Gusy, JZ 2001, 1029 (1033 ff.); dazu auch ders., StV 2002, 153 (156); Amelung, NStZ 2001, 337 ff. (insb. 343); Asbrock, StV 2001, 322 (323); Berg, StraFo 2007, 73 (74); Berkemann, in: AK-GG, Art. 13, Rn. 96; Beulke/Swoboda, Rn. 402; Bittmann, wistra 2001, 451 (453); Dagtoglou, JuS 1975, 753 (755 ff.); Einmahl, NJW 2001, 1393 (1394); Gercke, in: HK-StPO, § 105, Rn. 1, 47; Gornig, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 13, Rn. 60, 71; Hadamitzky, in: KMR-StPO, § 105, Rn. 3, 17 f.; dies., in: SSW-StPO, § 105, Rn. 3, 18; Hauschild, in: MüKo-StPO I, § 105, Rn. 6; Herdegen, in: BK-GG V, Art. 13 GG, Rn. 55 f.; 63 f.; Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 13, Rn. 31, 50; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 13, Rn. 17 f.; Kühne, § 29, Rn. 501; Kühne, in: Sachs, GG, Art. 13, Rn. 34; Ladiges, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 105, Rn. 4; Kath. Müller, S. 220; Niese, ZStW 63 [1951], 199 (215); Ostendorf/Brüning, JuS 2001, 1063; Rabe v. Kühlewein, GA 2002, 637 (653 ff.); Ransiek, StV 2002, 565 (569); Roxin/Schünemann, § 35, Rn. 8; Rüping, Kap. 3, Rn. 303; Stern, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 13 GG, Rn. 79, 168; Talaska, S. 63; Tsambikakis, in: LR-StPO III/1, § 105, Rn. 1, 25; Wohlers/Jäger, in: SKStPO II, § 105, Rn. 2; vgl. unter entsprechender Bezugnahme auf Art. 13 GG Bruns, in: KKStPO, § 105, Rn. 1; Hegmann, in: BeckOK-StPO, § 105, Rn. 6; für den Begriff der Wohnung ebenso Malek/Wohlers, Rn. 17; zur Verfassungswidrigkeit von Normen, die Durchsuchungen i. S. d. Art. 13 GG ohne richterliche Anordnung ermöglichen, obschon Art. 13 Abs. 2 GG unmittelbar anzuwenden ist vgl. zu Normen des Zwangsvollstreckungsrechtes BVerfGE 51, 97 (114); zur unmittelbaren Anwendbarkeit s. auch BVerfGE 57, 346 (355); s. zum Regel-Ausnahme-Verhältnis schon Hahn (Hrsg.), Materialien zur StPO I, S. 127. 761 Für die präventive gilt Abs. 4 des Art. 13 GG. 762 Vgl. insgesamt – auch zum alten Recht – BVerfGE 109, 279 (283 ff., 328 ff.); Berkemann, in: AK-GG, Art. 13, Rn. 136; Beulke/Swoboda, Rn. 415; Günther, in: MüKo-StPO I, § 100e, Rn. 1; Hartmann, in: HK-GS, § 100c StPO, Rn. 1 f.; Hauck, in: LR-StPO III/1, § 100e, Rn. 27 f.; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 13, Rn. 26 ff.; Kühne, in: Sachs, GG, Art. 13, Rn. 40, Fn. 91; Kunig/Berger, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, Art. 13, Rn. 59, Fn. 215;
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Hinzuweisen ist ferner auf Art. 104 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 GG, der freiheitsentziehende Maßnahmen grundsätzlich763 unter Richtervorbehalt stellt. Alleine diese verfassungsrechtliche Vorgabe, und insb. der Auftrag an den Gesetzgeber zur näheren Ausgestaltung in Art. 104 Abs. 2 S. 4 GG zwingt, die Entscheidung über die Untersuchungshaft ebenso präventiv dem Richter aufzuerlegen (vgl. § 114 Abs. 1 StPO)764 wie die Entscheidung über die vorläufige Unterbringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. § 126a Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 114 Abs. 1 StPO)765. Die Vorführungspflichten – etwa bei vorläufiger Festnahme gem. § 127 StPO (vgl. hier § 128 StPO) oder gem. § 115 StPO – sind ebenso in diesem Lichte zu sehen766. Auch die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Löffelmann, in: AnwKo-StPO, § 100d, Rn. 1; Kath. Müller, S. 126; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 257, 259; Stern, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 13 GG, Rn. 112 ff.; Wolter, in: SK-StPO II, § 100d, Rn. 3, 6, 15, 18; vgl. auch Gercke, in: HK-StPO, § 100c, Rn. 1; im Kontext der materiellen Eingriffsvoraussetzungen und der entsprechenden Kompetenzen auf Art. 13 rekurrierend Eisenberg, Rn. 2529a; im Hinblick auf das Befristungserfordernis Gornig, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 13, Rn. 100, insgesamt s. Papier, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 2, Art. 13, Rn. 70 ff. 763 Zu Einschränkungen dieses Grundsatzes s. Art. 104 Abs. 2 S. 2. ff. GG. 764 Zur entsprechenden Determination durch Art. 104 Abs. 2 GG Böhm/Werner, in: MüKoStPO I, § 114, Rn. 1; Graf, in: KK-StPO, § 114, Rn. 1; Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 104, Rn. 65; Herrmann, in: SSW-StPO, § 114, Rn. 1; Krauß, in: BeckOK-StPO, § 114, Rn. 1; Lammer, in: AnwKo-StPO, § 114, Rn. 1; Laue, in: HK-GS, § 114 StPO, Rn. 2; Lind, in: LR-StPO IV/1, § 114, Rn. 2; Meinen, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. IV, Rn. 143; Kath. Müller, S. 212; Paeffgen, in: SK-StPO II, § 114, Rn. 2; ders., in: SK-StPO II, Vorb. §§ 112 ff., Rn. 9a; Posthoff, in: HK-StPO, Vorb. §§ 112 ff., Rn. 6; Ranft, § 28, Rn. 618; Rüping, Kap. 3, Rn. 218; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 114, Rn. 1; Tsambikakis, in: Radtke/ Hohmann, StPO, § 114, Rn. 1; zur Untersuchungshaft als freiheitsentziehende Maßnahme i. S. d. Art. 104 GG Graf, in: KK-StPO, Vorb. §§ 112 ff., Rn. 6; Kunig/Saliger, in: v. Münch/ Kunig, GG, Bd. 2, Art. 104, Rn. 26; Müller-Franken, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 104 GG, Rn. 36; s. auch Rn. 80, 94 f.; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 104, Rn. 23, 25b; zur Verpflichtung des Gesetzgebers ungeachtet unmittelbarer Anwendbarkeit des Grundrechtes Richtervorbehalte zu implementieren s. BVerfGE 149, 293 (333) zur Freiheitsentziehung durch Fixierungen von Patienten; Radtke, in: BeckOK-GG, Art. 104, Rn. 10; zur unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 104 GG BVerfGE 10, 302 (329). 765 Hierzu nur Hilger, in: GS Meyer, 209 (215); Krauß, in: BeckOK-StPO, § 126a, Rn. 7; Kath. Müller, S. 138, 214. 766 Vgl. Benfer/Bialon, Rn. 846; Böhm/Werner, in: MüKo-StPO I, § 128, Rn. 3; Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 104, Rn. 66; Herrmann, in: SSW-StPO, § 128, Rn. 2, 17; Krauß, in: BeckOK-StPO, § 115, Vorb.; § 128, Vorb., Rn. 2 ff.; Laue, in: HK-GS, § 128 StPO, Rn. 2; Lind, in: LR-StPO IV/1, Vorb. § 112, Rn. 53; Müller-Franken, in: Stern/ Becker, Grundrechte, Art. 104 GG, Rn. 47; Paeffgen, in: SK-StPO II, § 128, Rn. 5 f.; Posthoff, in: HK-StPO, § 128, Rn. 7; Roxin/Schünemann, § 31, Rn. 17; Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 128, Rn. 6; Schultheis, in: KK-StPO, § 128, Rn. 5; Tsambikakis, in: Radtke/ Hohmann, StPO, § 128, Rn. 1; Wankel, in: KMR-StPO, § 128, Rn. 3; zur verfassungsrechtlichen Verankerung der Vorführungspflicht nach § 115 StPO BVerfG, NStZ 2002, 157 (158); Beulke/Swoboda, Rn. 333; Lammer, in: AnwKo-StPO, § 115, Rn. 1; Lind, in: LR-StPO IV/1, § 115, Rn. 1; Posthoff, in: HK-StPO, § 115, Rn. 1; Ranft, § 28, Rn. 661; Rüping, Kap. 3, Rn. 212; Tsambikakis, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 115, Rn. 3; zur Vereinbarkeit vorläufiger
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Krankenhaus zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand gem. § 81 StPO im Ermittlungsverfahren steht als Ausfluss des Art. 104 GG unter Richtervorbehalt767. Eine spezielle Regelung für die DNA-Analyse fehlt indes, was natürlich schon bereits darin begründet ist, dass DNA-Analytik zu einer Zeit erst eingesetzt wurde, in der das Grundgesetz schon geschaffen war. Allerdings erscheint es denkbar, auch i. R. d. DNA-Analytik ein Gebot aus allgemeineren Normen, Prinzipien oder Wertungen der Verfassung herzuleiten, nach denen bei DNA-Reihenuntersuchung eine richterliche Anordnung obligatorisch ist. (b) Allgemeine verfassungsrechtliche Vorgaben Sucht man nach einem normativen Anknüpfungspunkt für ein allgemeines Gebot, strafprozessuale Grundrechtseingriffe unter Richtervorbehalt zu stellen, scheint prima facie Art. 19 Abs. 4 GG dieser zu sein. Nach dessen S. 1 gilt: „Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen“. Bereits der Wortlaut zeigt aber, dass die Norm nicht zu begründen vermag, dass eine strafprozessuale Maßnahme, die Grundrechte berührt, nur durch die dritte Gewalt angeordnet werden kann. Vielmehr setzt Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG eine vorgelagerte Rechtsverletzung voraus, ehe der Richter angerufen werden kann. Art. 19 Abs. 4 GG regelt mithin grundsätzlich nur die Notwendigkeit repressiven, d. h. nachgelagerten Rechtsschutzes768. Dies ergibt sich aus der grammatikalischen Gestaltung des Satzes („wird (…) verletzt, [dann] …“). Weiter macht Art. 19 Abs. 4 S. 1
Festnahme mit Art. 104 GG Podlech, in: AK-GG, Art. 104, Rn. 28a; zur Vorführung als Eingriff Kunig/Saliger, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 104, Rn. 26. 767 Hilger, in: GS Meyer, 209 (215); Kath. Müller, S. 138, 215; Rogall, in: SK-StPO I, § 81, Rn. 1, 8; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81, Rn. 14; zur Eingriffscharakter von Maßnahmen nach § 81 StPO in Art. 104 GG s. Müller-Franken, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 104 GG, Rn. 27; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 104, Rn. 33; s. auch Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 3, Art. 104, Rn. 40; vgl. hinsichtlich Art. 5 Abs. 4 EMRK auch EGMR, NJW 2004, 2209 (2212, Rn. 68); für alle freiheitsentziehenden Maßnahmen Meyer-Mews, HRRS 2020, 286 (291). 768 BVerfGE 22, 49 (77); 51, 97 (114); Aschmann, S. 27; Brüning, S. 128; dies., ZIS 2006, 29 (30); Gusy, GA 2003, 672; Hillgruber, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 6, Art. 92, Rn. 50; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 19, Rn. 467; Lin, S. 217; Lorenz, S. 136; ders., Jura 1983, 394 (398); Kath. Müller, S. 158; Prechtel, S. 132; Ramsauer, in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 96; vgl. auch Amelung, Jura 2005, 447 (452; 455); Ostendorf/Brüning, JuS 2001, 1063; Papier, in: Hdb. Grundrechte IV, § 91, Rn. 13; ders., in: HbStR VIII, § 177, Rn. 44; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19, Rn. 148; Schenke, in: BK-GG VI, Art. 19 Abs. 4 GG, Rn. 536; Schmidt-Aßmann, NVwZ 1983, 1 (3): „Rückbezüglichkeit“; Tsambikakis, in: LR-StPO III/1, § 105, Rn. 25; M. Wolf, § 2, V., 2.; zur Rechtsverletzung als Tatbestandsvoraussetzung auch Enders, in: BeckOK-GG, Art. 19, Rn. 60 ff.; i. d. S. auch Kath. Müller, S. 142; M. Wolf, ZZP 99 [1986], 361 (384); i. E. auch Lepsius, Jura 2002, 259 (261); Lisken, ZRP 1980, 145; Rabe v. Kühlewein, GA 2002, 637 (644) (wenngleich hinsichtlich Art. 19 GG teils a. A., vgl. S. 638 f.); a. A. indessen Krekeler, NJW 1977, 1417 (1424); Talaska, S. 65.
§ 5 Formelle Voraussetzungen
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GG das Tätigwerden des Gerichts vom Willen des Verletzten abhängig769. Dass der Weg offen steht, heißt schließlich nicht, dass er gegangen werden muss. Der Richtervorbehalt ist aber zeitlich der potentiell grundrechtsverletzenden Maßnahme vorgelagert und greift unabhängig davon, ob der Betroffene richterliche Kontrolle überhaupt wünscht770. Die Existenz spezieller Richtervorbehalte in Art. 13 Abs. 2 ff., 104 Abs. 2 ff. GG kann in systematischer Hinsicht ebenso gegen ein allgemeines Gebot der Normierung von Richtervorbehalten ins Feld geführt werden771, ebenso die Tatsache, dass Richtervorbehalte einer Rechtstradition entstammen, die älter ist als das Grundgesetz772. Teilweise wird deshalb eine Notwendigkeit präventiv richterlicher Kontrolle aus dem Gebot der Waffengleichheit zwischen Strafverfolgung und Betroffenen geschlussfolgert. Die Einschaltung der neutralen Instanz des Richters sichere, dass die Strafverfolgungsbehörden keinen unlauteren Vorteil erlangen. Der Richtervorbehalt diene mithin dem Schutz der Betroffeneninteressen, weil dessen Grundrechte im Fokus der richterlichen Kontrolle stünden773. Damit wird der Richtervorbehalt zum Instrument der Sicherung von Grundrechten. Eine entsprechende Notwendigkeit wird erkannt insb. für heimliche Ermittlungsmaßnahmen, weil es hier dem Betroffenen nicht möglich sei, mittels Rechtsschutz für seine Interessen zu streiten774. Aus demselben Grund soll ein Bedürfnis vorsorglicher richterlicher Kontrolle bestehen bei Maßnahmen, die sich durch ein besonderes Überraschungs- oder Überrumpelungsmoment auszeichnen – bspw. Durchsuchungen, weil die Zeit fehle, Rechts-
769 Brüning, S. 128; dies., ZIS 2006, 29 (30); Ramsauer, in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 87; Schenke, in: BK-GG VI, Art. 19 Abs. 4 GG, Rn. 260; ders., Rechtsschutzgarantie, Rn. 82; dagegen aber Kath. Müller, S. 147 ff. 770 Schenke, in: BK-GG VI, Art. 19 Abs. 4 GG, Rn. 666. 771 Bettermann, AöR 92 [1967], 496 (500); Brüning, S. 135; dies., ZIS 2006, 29 (31); Hilger, in: GS Meyer, 209 (217 f.); so i. E. auch Lepsius, Jura 2002, 259 (261); Lorenz, S. 139; Welp, S. 11; dagegen aber Bachmann, S. 74; Prechtel, S. 130; M. Wolf, ZZP 99 [1986], 361 (386). 772 Brüning, S. 135 f.; ders., ZIS 2006, 29 (31); Kath. Müller, S. 139 f.; Ostendorf/Brüning, JuS 2001, 1063 (1065); Rabe v. Kühlewein, S. 89, 452; s. dazu auch Amelung, NJW 1991, 2533 (2537, Fn. 40); ders., Jura 2005, 447 (449 f.); Bachmann, S. 74; Prechtel, S. 130 f.; für einen gewissen zeitgeschichtlichen Zusammenhang zwischen Art. 19 Abs. 4 GG und dem Art. 13 Abs. 2 GG aber Amelung, NStZ 2001, 337 (343); Talaska, S. 63. 773 Brüning, ZIS 2006, 29 (31); Eppinger, S. 9. 774 Aschmann, S. 155 f.; Bachmann, S. 76; Brüning, ZIS 2006, 29 (31); Gusy, GA 2003, 672 (673 f.); Heyde, in: Hdb. VerfR, § 33, Rn. 52; Hüls, ZIS 2009, 160; Kintzi, DRiZ 2004, 83; Müller, AnwBl. 1992, 349; Ostendorf/Brüning, JuS 2001, 1063 (1064); Prechtel, S. 132, 135; Schnarr, NStZ 1991, 209 (210); Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 19 Abs. 4, Rn. 144; Talaska, S. 66; Voßkuhle, in: Hdb. Grundrechte V, § 131, Rn. 33; unter Anknüpfung an das Rechtsstaatsprinzip Hilger, in: GS Meyer, 209 (218 f.); unter Anknüpfung an Art. 19 Abs. 4 GG ders., JR 1990, 485; vgl. auch Brüning, S. 118 f.; dagegen aber Kath. Müller, S. 142 f. mit der Begründung, fast alle strafprozessualen Grundrechtseingriffe geschähen heimlich oder überraschend; insofern widersprüchlich aber vgl. S. 160 f.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
schutz zu erlangen775. Dies zugrunde legend müsste dann aber hinsichtlich der in Rede stehenden Maßnahme geprüft werden, ob die fehlende Implementierung bzw. Beachtung des Richtervorbehaltes die Waffengleichheit im Strafprozess zu vereiteln drohte. Ein allgemeines Gebot richterlicher, präventiver Kontrolle kann auch diesem Ansatz nicht entnommen werden. Für den Fall der DNA-Reihenuntersuchung wird man eine entsprechende Ungleichheit der Waffen bereits deshalb ablehnen dürfen, weil die Maßnahme nicht heimlich erfolgt und deshalb der Betroffene nicht zur vollendete Tatsachen gestellt wird. Ein besonderes Überraschungsmoment wohnt der Reihenuntersuchung wegen der Notwendigkeit des vorherigen Aufrufes zur Teilnahme erst recht nicht inne. (2) Grundrechtssicherung als Zweck des Richtervorbehaltes Dem angesprochenen Ansatz, die Notwendigkeit von Richtervorbehalten aus dem Fairnessgebot herzuleiten, ist im Gegensatz zu einer Anknüpfung an Art. 19 Abs. 4 GG eigen, dass er stark mit dem Zweck des Richtervorbehaltes verbunden ist. Mit anderen – und einfacheren – Worten müsste ein Richtervorbehalt implementiert werden, wenn er zur Sicherung der Betroffeneninteressen benötigt wird. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive wird dem Richtervorbehalt der Zweck des Grundrechtsschutzes zugeschrieben. Dies gilt für die verfassungsrechtlichen vorgegeben776 wie für die Richtervorbehalte, die keine explizite Verankerung im Grundgesetz haben777. Diesen Gedanken des Grundrechtsschutzes abstrahiert das 775
Amelung, Rechtsschutz, S. 62; ders., NStZ 2001, 337 (338); Aschmann, S. 135 ff., 145; Bachmann, S. 76; Eppinger, S. 9; Geppert, DRiZ 1992, 405 (409); Huber, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 19, Rn. 468; Hüls, ZIS 2009, 160; Krekeler, NJW 1977, 1417 (1424); Lepsius, Jura 2002, 259 (261); Nelles, S. 51 ff., 53; Prechtel, S. 132, 135, 140; Spaniol, in: FS Eser, 473 (475); Welp, S. 13 f., 17; vgl. ferner Brüning, S. 116 f.; Lorenz, S. 142 f.; dagegen aber Kath. Müller, S. 142 f. weil alle strafprozessualen Grundrechtseingriffe heimlich oder überraschend geschähen; insofern widersprüchlich aber vgl. S. 161; explizit dagegen Talaska, S. 68; ähnlich aber Lin, S. 274. 776 BVerfGE 139, 64 (135, Rn. 154); Gusy, ZRP 2003, 275; jeweils zu Art. 13 Abs. 2 GG BVerfGE 20, 162 (223); 51, 97 (114); 57, 346 (355); 76, 83 (91); 103, 142 (151, 153); NVwZ 2006, 925 (926); Amelung, ZZP 88 [1975], 74 (75, 80); ders., NStZ 2001, 337 (338); Gentz, S. 135; Gornig, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 13, Rn. 67; Krehl, NStZ 2003, 461 (462); Spaniol, in: FS Eser, 473; Tsambikakis, in: LR-StPO III/1, § 105, Rn. 25; vgl. auch Berkemann, in: AK-GG, Art. 13, Rn. 85; jeweils zu Art. 13 Abs. 2 ff. GG Hauck, in: LR-StPO III/1, § 100e, Rn. 27 ff.; Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 13, Rn. 31; jeweils zu Art. 2 Abs. 2, 104 Abs. 2 GG BVerfGE 105, 239 (248); 149, 293 (333); NVwZ 2011, 38; NVwZ 2007, 1044 (1045); NJW 2006, 247 (248); NStZ-RR 2005, 187 (188); Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 19, Rn. 468; Lind, in: LR-StPO IV/1, Vorb. § 112, Rn. 53; Mehde, in: Dürig/ Herzog/Scholz, GG, Bd. 6, Art. 104, Rn. 72; Müller-Franken, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 104 GG, Rn. 79; Radtke, in: BeckOK-GG, Art. 104, Rn. 10; krit. zur praktischen Wirkung hier Paeffgen, in: SK-StPO II, Vorb. §§ 112 ff., Rn. 9a. 777 BVerfGE 77, 1 (51); Gusy, ZRP 2003, 275; ohne Differenzierung Ademi, S. 200; Bettermann, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Grundrechte III/2, S. 781, 814; Brüning, S. 131; Gusy, GA 2003, 672 (ebd., 677); Kintzi, DRiZ 2004, 83; Kolz, S. 125, 129 ff.; Krey/ Reiche unter Mitarbeit von Roggenfelder, in: FS Schröder, 687 (691); Lin, S. 259 ff.; Kath.
§ 5 Formelle Voraussetzungen
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BVerfG. Einen verfassungsrechtlichen Hintergrund hätten auch solche bloß einfachgesetzlichen Richtervorbehalte, die bei besonders gravierenden Grundrechtseingriffen installiert seien778. Aus dem Bereich der DNA-Analytik ist der Beschluss des BVerfG vom 14. 12. 2000 hervorzuheben779. In dieser Entscheidung hat das Gericht die Verfassungskonformität der Speicherung von DNA-Identifikationsmustern verurteilter Straftäter insb. damit begründet, dass die Grundrechte durch den in § 81g StPO implementierten Richtervorbehalt geschützt würden780. Zusammengefasst heißt es, die Anordnung besonders schwerwiegender Grundrechtseingriffe müsse dem Richter vorenthalten bleiben781. Er, den das Grundgesetz in Art. 97 als „unabhängige und neutrale Instanz“782 charakterisiere, sei es, der die Rechte und In-
Müller, S. 157 f.; Nelles, S. 54; Prechtel, S. 130; Schnarr, NStZ 1991, 209 (210); Rabe v. Kühlewein, GA 2001, 637 (658); Talaska, S. 65; Voßkuhle, in: Hdb. Grundrechte V, § 131, Rn. 33. 778 BVerfGE 141, 220 (294); vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 24. 02. 2011 – 2 BvR 1596/10, 2 ¨ V 2011, 489 zu § 81a StPO; krit. dazu vgl. Krey/ BvR 2346/10, Rn. 17 = auszugsweise DO Reiche unter Mitarbeit von Roggenfelder, in: FS Schröder, 687 (692); ähnlich aber BVerfGE 100, 313 (361) zur Telekommunikationsüberwachung; BVerfGE 16, 194 (201) zu § 81a StPO; Überblick bei Voßkuhle, in: Hdb. Grundrechte V, § 131, Rn. 34 ff. m. w. N.; umgekehrt vom Richtervorbehalt als Indiz für die Schwere eines Grundrechtseingriffes ausgehend Möstl, in: HbStR VIII, § 177, Rn. 35. 779 BVerfGE 103, 21 ff. 780 BVerfGE 103, 21 (34). 781 Vgl. BVerfGE 141, 220 (294); Bettermann, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Grundrechte III/2, S. 781; Heyde, in: Hdb. VerfR, § 33, Rn. 52; Kath. Müller, S. 151 ff., 160; 161 ff.; Schnarr, NStZ 1991, 209 (210); Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 19 Abs. 4, Rn. 144; das Kriterium der Eingriffsschwere auch heranziehend Aschmann, S. 133; Brüning, S. 120 ff.; Gusy, GA 2003, 672 (673 f.); Hilger, in: GS Meyer, 213 (225); Lin, S. 255 ff.; Lorenz, S. 139 ff.; Nelles Kompetenzen, S. 46, 48, 53; Talaska, S. 68 f., 70; Welp, S. 16 f.; vgl. auch Bachmann, S. 76; M. Wolf, ZZP 99 [1986], 361 (386, 390 ff.); in der Argumentation auf die Eingriffstiefe abstellend BGHZ 82, 261 (270); hierzu aber krit. Lisken, NJW 1982, 1268; LG Köln, MDR 1988, 602 (603); Niese, ZStW 63 [1951], 199 (216); M. Wolf, § 2, V., 2.; damit die Notwendigkeit eines Richtervorbehaltes bei zwangsweisen DNA-Reihenuntersuchungen begründend Wickert, S. 482; diff. Ostendorf/Brüning, JuS 2001, 1063 (1064 f.); gegen diesen Gedanken aber Prechtel, S. 137 f.; Rabe v. Kühlewein, S. 452 ff. 782 BVerfGE 103, 142 (151); 107, 299 (325); 115, 166 (196); 139, 64 (135, Rn. 154); 149, 293 (333); NVwZ 2006, 925 (926); Gornig, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 13, Rn. 67; Hauck, in: LR-StPO III/1, § 100e, Rn. 27; Kintzi, DRiZ 2004, 83; Müller-Franken, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 104 GG, Rn. 79; Pohlreich, in: BK-GG XVIII, Art. 104 GG, Rn. 70; vgl. auch BVerfGE 20, 162 (223); 57, 346 (355 f.); 76, 83 (91); 77, 1 (51); 141, 220 (294); Ademi, S. 200; Amelung, ZZP 88 [1975], 74 (80); Aschmann, S. 155; Backes/Gusy, StV 2003, 249; Brüning, S. 122; Gusy, GA 2003, 672 (677); Hüls, ZIS 2009, 160 (161 f.); Krey/ Reiche unter Mitarbeit von Roggenfelder, in: FS Schröder, 687 (691); Ostendorf/Brüning, JuS 2001, 1063 (1065); Papier, in: HbStR VIII, § 177, Rn. 44; Radtke, in: BeckOK-GG, Art. 104, Rn. 10; Schenke, in: BK-GG VI, Art. 19 Abs. 4 GG, Rn. 219; Schnarr, NStZ 1991, 209 (210); Spaniol, in: FS Eser, 473 (475); Talaska, S. 64, 69, 70; Tsambikakis, in: LR-StPO III/1, § 105, Rn. 25; Wickert, S. 482; vgl. auch Nelles, S. 54, die auf S. 49 indes auch die Bindung der Staatsanwaltschaft an Recht und Gesetz herausstellt.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
teressen des Betroffenen am besten zu sichern wisse783. Dies liege daran, dass der Richter im Ermittlungsverfahren, das grundsätzlich von der Staatsanwaltschaft in eigener Verantwortung geführt werde, ein unbeteiligter Akteur sei784. Voßkuhle bezeichnet insofern den präventiven Richtervorbehalt als „unverzichtbares Kernelement der rechtsstaatlichen Grundstruktur der Bundesrepublik Deutschland“785. Auch der Gesetzgeber hat das Festhalten am Richtervorbehalt u. a. bei Beschlagnahmen und Postbeschlagnahmen damit begründet, dass es „verfassungspolitisch geboten [erschien], auch ähnlich tiefgreifende Eingriffe in die Freiheitsrechte des Bürgers gleich zu behandeln“, da „nach der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung des Grundgesetzes Eingriffe in den grundrechtlich geschützten Bereich der persönlichen Freiheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung bereits grundsätzlich vor ihrer Durchführung der Anordnung des Richter bedürfen“786. Im Unterschied zu den Fällen, die sich durch eine besondere Eingriffstiefe auszeichnen, steht es dem Gesetzgeber aber frei, in Fällen mit weniger Eingriffsintensität gleichwohl Richtervorbehalte zu implementieren oder auf sie zu verzichten787. (3) Doppelbelastung bei strafprozessualen Grundrechtseingriffen Ein differenzierterer Ansatz findet sich im Werk Brünings. Sie differenziert strafprozessuale Zwangsmaßnahmen danach, ob diese „beweissichernden“ oder „verfahren- und vollstreckungssichernden“ Charakter haben. Letztere hätten sanktionsgleiche Wirkung und würden als Vorgriff auf die spätere Schuld erscheinen – etwa die Anordnung von Untersuchungshaft. Wenn aber der 783 BVerfGE 9, 89 (97); 77, 1 (51); 103, 142 (151); 107, 299 (325); 115, 166 (196 f.); 149, 293 (333); NVwZ 2006, 925 (926); Brüning, S. 122; Gornig, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 13, Rn. 67; Hauck, in: LR-StPO III/1, § 100e, Rn. 27; Müller-Franken, in: Stern/ Becker, Grundrechte, Art. 104 GG, Rn. 79; Ostendorf/Brüning, JuS 2001, 1063 (1065); Schnarr, NStZ 1991, 209 (210); Spaniol, in: FS Eser, 473 (475); Tsambikakis, in: LR-StPO III/ 1, § 105, Rn. 25; Wickert, S. 482; hinsichtlich der praktischen Erreichung dieses Ziels krit. Kühne, § 24, Rn. 409 a. E. ff.; Meyer-Mews, HRRS 2020, 286 ff.; äußerst kritisch die Selbsteinschätzung der Richter bei Backes/Gusy, StV 2003, 249 (251, 252), wenngleich die Autoren jedenfalls diese Funktion in der Theorie wohl wenigstens anerkennen, vgl. S. 249; auf ein Misstrauen gegenüber dem Staatsanwalt als Ankläger abstellend auch Aschmann, S. 133 f., 135. 784 BVerfGE 103, 142 (151); Hauck, in: LR-StPO III/1, § 100e, Rn. 27; Kolz, S. 130; Krekeler, NJW 1977, 1417 (1424 f.); Spaniol, in: FS Eser, 473 (475); Talaska, S. 69; Wickert, S. 482. 785 Voßkuhle, in: Hdb. Grundrechte V, § 131, Rn. 1. 786 BT-Drucks. 7/551, S. 40. 787 Bettermann, AöR 92 [1967], 496 (501); Gusy, JZ 2001, 1029 (1034); Horn, DÖV 2003, 746 (755); Middelberg, S. 21; Lin, S. 251; Kath. Müller, S. 159; dazu und zu den Grenzen im Hinblick auf das Prinzip der Gewaltenteilung auch Krey/Reiche unter Mitarbeit von Roggenfelder, in: FS Schröder, 687 (693); vgl. auch Enzian, JR 1975, 277 (281); Nelles, S. 40; hierfür jenseits der verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art. 13 Abs. 2 ff., 104 Abs. 2 ff. GG Welp, S. 10 f.
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Schuldspruch selbst dem Richter vorbehalten sei, müsse dies auch für solche Maßnahmen gelten, die ihm dem Wesen nach gleich sind, aber zeitlich vor der Entscheidung über die Schuld erfolgten788. Beweissichernde Zwangsmaßnahmen zeichneten sich durch das „Schaffen vollendeter Tatsachen“ aus, indem Spuren oder Beweise festgehalten würden, die im Laufe des Strafprozesses gegen den Angeklagten Verwendung finden können789. Nicht nur die eigentliche Zwangsmaßnahme berühre den Betroffenen in seinen Grundrechten, sondern auch die anschließende Verwendung gegen ihn790. Diese doppelte Belastung sei dem Strafverfahren eigen; im präventiven Bereich erschöpfe sich die Grundrechtsberührung dagegen in der Maßnahme selbst791, weil hier einzig die Beseitigung der Gefahr Ziel der Maßnahme sei und keine Verwendung der Erkenntnisse792. Aschmann beschreibt Grundrechtseingriffe i. R. d. Polizeirechts daher als „ereignisbezogen“793. Diese auch in Art. 13 GG zum Ausdruck kommende Wertung (Art. 13 Abs. 3 S. 4 GG verlangt für die repressive, akustische Wohnraumüberwachung auch bei Gefahr in Verzug die Anordnung eines Richters, während Abs. 4 S. 2. Hs. 1 bei Gefahr in Verzug bei präventiven Überwachungsmaßnahmen auch anderen Stellen eine Anordnungskompetenz zubilligt) gebiete es, bei beweissichernden strafprozessualen Grundrechtseingriffen präventive richterliche Kontrolle zu verlangen794. In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass strafprozessuale Maßnahmen im Ermittlungsverfahren einen besonderen Einfluss auf die Hauptverhandlung hätten, sodass hier besondere Sorgfalt notwendig sei. Fehler könnten sich in gravierender Weise auswirken795. Die Tatsache, dass in der StPO auch solche Maßnahmen unter Richtervorbehalt stehen, die keinen beweissichernden Charakter hätten (etwa die Anordnung eines vorläufigen Berufsverbotes gem. § 132a StPO oder die Veröffentlichung von Bildern zu Fahndungszwecken gem. § 131b StPO), lasse sich u. a. damit erklären, dass der Charakter einer Zwangsmaßnahme als beweissichernd nicht alleiniges Kriterium für
788
Brüning, S. 122, 148 f.; dies., ZIS 2006, 29 (31). Brüning, S. 120; vgl. auch Kath. Müller, S. 156; Ostendorf/Brüning, JuS 2001, 1063 (1064). 790 Brüning, S. 120; vgl. ferner Ostendorf/Brüning, JuS 2001, 1063 (1064); Talaska, S. 69. 791 Brüning, S. 120; Ostendorf/Brüning, JuS 2001, 1063 (1064); zur doppelten Belastung auch Kath. Müller, S. 156; Talaska, S. 69. 792 Kath. Müller, S. 157. 793 Aschmann, S. 137. 794 Brüning, S. 120; Ostendorf/Brüning, JuS 2001, 1063 (1065); den Unterschied von repressiven und präventiven Grundrechtseingriffen ebenso unter Anknüpfung an Art. 13 GG herausstellend Aschmann, S. 137 f. 795 Brüning, S. 120; Kath. Müller, S. 156; dazu schon Prittwitz, in: FS Bemmann, 596 (604); Richter II, StV 1985, 382 (385 a. E.) m. zahlr. w. N. in Fn. 29; Rüping, ZStW 95 [1983], 894 (902); Weiler, GA 1994, 561 (561 f.). 789
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
die Notwendigkeit von Richtervorbehalten, sondern nur ein weiteres neben der Schwere des Eingriffes sei796. bb) Der Richtervorbehalt des § 81h Abs. 2 StPO als individualschützende Verfahrensvorschrift (1) Grundrechtsschutz Alle vorgestellten Erklärungsversuche zur Notwendigkeit von richterlichen Anordnungen im Rahmen spezieller Ermittlungsmaßnahmen vermögen nicht, den Sinn des § 81h Abs. 2 S. 1 StPO zu erklären. In den Gesetzgebungsmaterialien heißt es, der absolute Richtervorbehalt solle das Vorliegen der materiellen Anordnungsvoraussetzungen sichern797. Dies ist zwar einleuchtend, erklärt aber nicht, warum er dies tun soll, warum diese Prüfung notwendig sein soll. (a) Zur Bedeutung der Einwilligung und zum richterlichen Prüfungsumfang Ob eine DNA-Reihenuntersuchung, wenn sie zwangsweise durchgeführt würde, eine solche Eingriffsintensität hätte, dass der Richter aus verfassungsrechtlichen Gründen zwingend sie anordnen müsste, braucht hier nicht entschieden zu werden. Da die Analyse i. R. d. § 81h StPO de lege lata jedenfalls auf freiwilliger Basis verfolgt, muss eine Grundrechtsverletzung ausscheiden798. Den Schutz der Grundrechte, den der Richter bei Richtervorbehalten grundsätzlich gewährleisten soll, nimmt der Grundrechtsträger selbst wahr. Seine Einwilligung macht jede richterliche Überprüfung in der Sache überflüssig. Hier setzt auch die Kritik der Literatur an, die vorträgt, im Grundsatz mache die Einwilligung eine richterliche Anordnung obsolet und dabei etwa auf § 81f StPO verweist799. Grundrechtsschützende Funktion kann dem Richtervorbehalt im Hinblick auf die materiellen Anordnungsvoraussetzungen nicht attestiert werden800. 796
S. 69. 797
Brüning, S. 121; Ostendorf/Brüning, JuS 2001, 1063 (1065, 1066); so auch Talaska,
BT-Drucks. 15/5674, S. 14; so auch ohne weitere Begründung zuvor gefordert von Volk, NStZ 2002, 561 (563); konstatiert als alleiniger, grundloser Zweck von Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (711); etwas differenzierter dagegen ders., JZ 2013, 874 (877 f.). 798 S. o. Kap. 3 § 3 I. 3. c) aa) (1); anders aber Fritz, S. 55. 799 Beck, S. 279; Bosch, Jura 2021, 41 (46); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 6; Walter, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 2; im Kontext von § 81g StPO Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (693); vor Implementierung des § 81h StPO auch Sprenger/Fischer, NJW 1999, 1830 (1833, Fn. 46); ohne Anknüpfung an § 81h StPO Brüning, S. 157; ähnlich Knierim, in: FS Dahs, 313 (315), der fragt, ob der Richtervorbehalt überhaupt sinnvoll sei, wenn die Einwilligung doch de facto nicht verweigert werden könnte. Jenseits von Zweifeln, ob diese postulierte, faktische Zustand gegeben ist, muss dem entgegengehalten werden, dann § 81h StPO mangels möglicher Freiwilligkeit gar nicht anwendbar ist, ausführlich dazu sogleich. 800 Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 14; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 11; zutreffend grundsätzlich Mittag, S. 78; widersprüchlich insofern S. 78 a. E.
§ 5 Formelle Voraussetzungen
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Eine solche Funktion könnte man allenfalls dann zuschreiben, wenn der Richter die Wirksamkeit der Einwilligung prüfen würde. Ein entsprechendes rechtliches Bedürfnis könnte man für eine solche Prüfung durchaus erblicken, ist es doch die Einwilligung, die die Grundrechtsverletzung ausscheiden lässt. Eine entsprechende Prüfungskompetenz der Judikative würde abstrahiert zu einem Gleichlauf des § 81h StPO mit sonstigen Richtervorbehalten führen. Ist normalerweise die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale von Ermächtigungsgrundlagen Voraussetzung für den Grundrechtseingriff, wäre es i. R. d. § 81h die Erfüllung der Wirksamkeitsvoraussetzungen der Einwilligung. In beiden Fällen würde die dritte Gewalt die Legitimität der Maßnahme im Hinblick auf ihre mögliche Grundrechtsintensität prüfen. Indes ist eine solche Prüfungspflicht i. R. d. § 81h StPO gar nicht vorgesehen – wie die Literatur nicht müde wird hervorzuheben801. Ob eine solche Prüfung in praxi überhaupt möglich wäre angesichts der möglichen Vielzahl der Teilnehmer, mag deshalb dahinstehen802. (b) Richterliche Anordnung als Kompensation für fehlende Freiwilligkeit? Soweit verschiedene Ansätze in der richterlichen Anordnung eine Art Kompensation für nicht wirklich freiwillige Einwilligungen sehen, muss dem widersprochen werden. Diese in der Literatur zum Teil vertretene Ansicht803 findet aber eine Stütze in den Gesetzesmaterialien, wo es heißt, obschon die Reihenuntersuchung wegen des Einwilligungserfordernis keine Zwangsmaßnahme sei, rücke sie die doch in Richtung eines solchen ob des mit der Aufforderung zur Teilnahme verbundenen Druckes804. Es gibt aber keine „halben Zwangsmaßnahmen“. Treffend konstatiert Mittag zunächst, für präventiven Grundrechtsschutz durch den Richter bleibe kein Raum, weil dank der Einwilligung keine Grundrechtsverletzung möglich sei. Gleichwohl diene der Richtervorbehalt in § 81h StPO „in eigener Weise dem präventiven Grundrechtsschutz“805. Dies begründet er damit, dass der Gesetzgeber nicht festlegen könne, dass die Teilnahme an der Reihenuntersuchung freiwillig sei, sondern an den verfassungsrechtlich determinierten Begriff der Freiwilligkeit gebunden sei. In praxi bleibe aber wegen des aufgebauten Drucks der Strafverfolgungsbehörden die Freiwilligkeit der Teilnahme hinter den Vorgaben der Verfassung zurück. Der Gesetzgeber habe deshalb gut daran getan, den Anwen-
801 Vgl. Beck, S. 280; Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (711); ders., in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 3; Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (36). 802 Zu Recht zweifelnd vgl. Hero, S. 183; Mittag, S. 78; Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (36). 803 Vgl. etwa Mittag, S. 78; Kath. Müller, S. 247; ähnlich Kühne, § 28, Rn. 495 a. E. 804 BT-Drucks. 15/5674, S. 7. 805 Mittag, S. 78; ebenso Lorenz, JZ 2005, 1121 (1128); ähnlich Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (37 f.); von einem „faktische[n] Grundrechtseingriff“ spricht auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 5, 11; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 4.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
dungsbereich des § 81h StPO durch den Richter begrenzen und regulieren zu lassen806. Entweder die Maßnahme kann auf freiwilliger Basis der Betroffenen durchgeführt werden – dann muss wie soeben bereits erwähnt der Richter nicht auf Grundrechte des Betroffenen Acht geben, oder sie kann dies nicht, dann läge de facto eine zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung vor. Mittag verkennt, dass § 81h StPO überhaupt keine Ermächtigungsgrundlage für zwangsweise und damit grundrechtseingreifende DNA-Reihenuntersuchungen ist. Der Gesetzgeber legt nicht fest, dass die Teilnahme freiwillig ist, sondern er gibt vor, dass sie es zu sein hat. Da Mittag aber anderenorts deutlich hervorhebt, DNA-Reihenuntersuchungen seien Grundrechtseingriffe807, müsste er in der Konsequenz eigentlich Folgendes feststellen: Geht man davon aus, dass § 81h StPO nicht zu Grundrechtseingriffen ermächtigt, gleichzeitig die von § 81h StPO beschriebene Maßnahme aber ein solcher ist, so hätte die Norm keinen Anwendungsbereich. Sie würde zu etwas ermächtigen, dass es nicht gibt und wäre nie anwendbar. Dann bräuchte es aber auch keines Richtervorbehaltes. Wer mithin das Gebot richterlicher Anordnung in § 81h StPO mit dem Gedanken des Grundrechtsschutzes begründet, setzt damit Zweifel in das komplette Freiwilligkeitskonzept des und damit in den § 81h StPO insgesamt808. Dies kann man zwar tun – es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass es Stimmen in der Literatur gibt, die die Möglichkeit freiwilligen Handelns bei DNA-Reihenuntersuchungen an sich ablehnen809. Dann ist aber verfehlt, i. R. d. § 81h StPO den Richtervorbehalt als Rettungsanker auszuerkiesen. Wer der Meinung ist, § 81h StPO setze etwas voraus, was er nicht gibt, muss in der Konsequenz für die Novellierung oder Abschaffung der Norm plädieren, und nicht dem Richter die vermeintliche Aufgabe zuweisen, die Maßnahme nicht anzuordnen, weil sie nicht durchgeführt werden kann. Abzulehnen ist ferner die teilweise vertretene Ansicht, die Anordnung durch den Richter sichere die Freiwilligkeit, indem sie den Aufbau von Druck verhindere810. Warum ein Richter mehr als die Staatsanwaltschaft oder die Ermittlungsbeamten die Zweifel an der Freiwilligkeit beseitigen können soll, ist nicht ersichtlich. Dem Bürger begegnet der Richter im Ermittlungsverfahren wie die Staatsanwaltschaft als Person, die für Grundrechtseingriffe verantwortlich ist (vgl. nur § 105 StPO). Man wird ihm daher kaum mehr denn dem Staatsanwalt abnehmen, dass an die Einwilligungsverweigerung keine Nachteile geknüpft sind.
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Mittag, S. 78; mit ähnlicher Argumentation auch Lorenz, JZ 2005, 1121 (1128). Mittag, S. 111; ebenso Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (69), die in § 81h StPO den Versuch sieht, einen Grundrechtseingriff zu legitimieren; so auch Kath. Müller, S. 247, die dies mit dem Mangel an Freiwilligkeit begründet. 808 Vgl. Beck, S. 279, 281. 809 Vgl. hier nur und insbesondere Beck, S. 264 ff. 810 Vgl. Kuhne, Die Polizei 2001, 19 (21); Mertin, ZRP 2005, 37 (38); vgl. ferner Ademi, S. 200 f. 807
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(c) Gebot richterlicher Anordnung trotz Einwilligung wegen der hypothetischen Eingriffsintensität Daneben wird noch der Ansatz vertreten, eine richterliche Anordnung sei trotz Einwilligung notwendig, wenn es sich bei der in Rede stehenden Maßnahme um eine besonders schwerwiegende in Bezug auf das potentiell betroffene Grundrecht handle811. Dem kann aber nicht gefolgt werden. Auch bei schwerwiegender Berührung der grundrechtlich geschützten Sphäre kann der Betroffene bis zur Grenze der Betroffenheit anderer selbst entscheiden, ob er die entsprechende Maßnahme hinzunehmen vermag. Man wird hier allenfalls gesteigerte Anforderungen an die Belehrung stellen müssen, um Freiwilligkeit sicherzustellen812. Jenseits dieser grundsätzlichen Bedenken darf freilich bezweifelt werden, dass die DNA-Analytik die grundrechtlich geschützten Interessen des Betroffenen i. R. d. § 81h StPO so stark tangieren würde, dass die Einschaltung des Richters zwingend sein müsste. Ansonsten ließe sich nicht erklären, warum im Bereich der §§ 81e – 81g StPO die Einwilligung des Betroffenen die Anordnung des Richters überflüssig machen soll, bei Reihenuntersuchungen aber nicht, wenn doch die Modalitäten dieselben sind. (2) Vorgezogener Rechtsschutz wegen Heimlichkeit oder Überraschungseffekten? Mit einem heimlichen Charakter der Reihenuntersuchung kann man den Richtervorbehalt in § 81h StPO auch nicht erklären. Aus rechtlicher Sicht müsste man einem heimlichen Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden entgegenhalten, dass ein solches erst recht gegen eine Vielzahl Nichtbeschuldigter unzulässig ist, wenn es bereits gegenüber dem Beschuldigten i. R. d. § 81e StPO nicht zulässig erscheint813. Aus praktischer Sicht wiederum würde ein heimliches Vorgehen nur allzu häufig wohl daran scheitern, dass die Betroffenen namentlich nicht bekannt sind. Grundsätzlich überlegenswert wäre hingegen der Gedanke, der DNA-Reihenuntersuchung wohne ein Überraschungsmoment inne. Freilich ist der gesamte Vorgang per se publik, alleine schon durch den Aufruf zur Teilnahme. Auszuschließen ist aber nicht, dass ein Betroffener, der bis dahin kaum Kontakt mit den Strafverfolgungsbehörden hatte, sich u. U. von einem Schreiben, das die Bitte – oder den Aufruf – zur Teilnahme enthält, einschüchtern bzw. ängstigen lässt. Dem wird man aber entgegenhalten dürfen, dass die Notwendigkeit der Belehrung ersten Überrumpelungseffekten entgegenwirken müsste. Außerdem droht im Gegensatz zur Durchsuchung nicht, dass die Polizei wortwörtlich „vor der Haustüre“ zu stehen droht und damit rechtzeitiger Rechtsschutz vor Vollstreckung nicht mehr einzuholen
811 Amelung, StV 1985, 257 (259); Bosch, in: KMR-StPO, § 81a, Rn. 14; Brüning, S. 158; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81a, Rn. 3; Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (37 ff.); zu § 81g StPO s. mit dieser Argumentation Rinio, JR 2001, 167 (168); Golembiewski, NJW 2001, 1036 (1037 f.). 812 So i. R. d. des § 81g StPO zutreffend Golembiewski, NJW 2001, 1036 (1037 f.). 813 S. dazu ausführlich o. Kap. 4 § 1 III.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
wäre. § 81h StPO kann nicht vollstreckt werden814. Da wegen der Freiwilligkeit Rechtsschutz nicht nötig und mangels Beschwer auch nicht möglich erscheint, gibt es auch kein Bedürfnis, sein Fehlen durch die Einschaltung des Richters zu kompensieren. (3) Doppelfunktion strafprozessualer Zwangsmaßnahmen Näher läge dagegen der Gedanke, auf die doppelte Belastung strafprozessualer Maßnahmen abzustellen. Trotz aller Bedenken gegen eine Überschätzung des Beweiswertes von DNA-Analysen815 kann man deren praktische Existenz nicht leugnen. Nimmt ein Aufgerufener an der Untersuchung teil und bestätigt der Abgleich, dass es seine DNA ist, die am Tatort oder Opfer gefunden wurde, so wird er sich wenig Hoffnung machen dürfen, dass eine Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO noch eine realistische Option ist. Es wird viel eher einen großen Begründungsaufwand erfordern, gegenüber dem oder den Strafrichter(n) die Richtigkeit des Analyseergebnisses zu widerlegen oder jene davon zu überzeugen, dass das Vorhandensein der DNA am Fundort nicht für die Täterschaft spreche – etwa, weil ein Dritter sie dort platziert hatte. Da das DNA-Gutachten einen starken Beweis darstellt, könnte man eine DNAAnalyse nach §§ 81e, 81f StPO ohne weiteres als beweissichernde Zwangsmaßnahme bezeichnen, die eine doppelte Belastung darstellt und deshalb unter Richtervorbehalt zu stellen ist816. Allerdings gilt auch hier, dass angesichts der Freiwilligkeit der Teilnahme der Teilnehmer durch die Maßnahme als solche gar nicht in seinen Grundrechten berührt wird. Ob die Strafverfolgungsbehörden in den Besitz eines Beweises kommen, der möglicherweise später gegen ihn verwendet wird, kann der Grundrechtsträger selbst entscheiden. Daher ist auch sub specie einer doppelten Belastung kein gesteigertes Schutzbedürfnis bei Maßnahmen nach § 81h StPO festzustellen, das dazu zwingen könnte, das Gebot richterlicher Anordnung aufrechtzuerhalten. cc) Der Richtervorbehalt des § 81h Abs. 2 StPO als Mittel der Verfahrensregulierung (1) Regulierung der Teilnehmerzahl durch Kontrolle der Merkmale Die von Gesetzgeber gebrauchte Formulierung, durch die richterliche Anordnung werde der „Streubreite“ der Maßnahme entgegengewirkt817, hat in der Literatur eine bemerkenswerte Resonanz erfahren818. 814
S. Kap. 5 § 5 II. Dazu Kap. 2 § 4 II., III., IV. 816 A. A. Kath. Müller, S. 241 ff., die ohne hierauf einzugehen kein Bedürfnis für einen Richtervorbehalt erkennen kann. 817 BT-Drucks. 15/5674, S. 9. 815
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Gemeint ist damit, dass die richterliche Anordnung sicherstellen soll, dass der Kreis der potentiellen Teilnehmer so klein wie möglich gehalten wird, indem die Merkmale so eng wie möglich gefasst werden, weil die Maßnahme sich ihrer Natur nach gegen Personen richtet, gegen die es an Tatverdacht mangelt819. Ob allerdings die Einschaltung des Richters dieses Ziel fördert, erscheint fragwürdig. Wäre ein gebrauchtes Merkmal nicht valide genug und würde der Ermittlungsrichter seine Streichung verlangen (oder den Antrag auf Anordnung mit dieser Begründung ablehnen), so stiege die Zahl der Betroffenen – spätestens beim zweiten Antrag. Damit der Richter das Fehlen von Merkmalen beurteilen kann, bräuchte er einen ziemlich genauen Einblick in die vorherige Ermittlungsarbeit – für Kontrolle der Qualität eines Kriteriums i. Ü. ebenso. Um beurteilen zu können, ob die Teilnehmerzahl im Hinblick auf die Schwere der Straftat verhältnismäßig ist, müsste die Anzahl der Betroffenen erst einmal feststehen. In den sog. geschlossenen Fällen (100 Gäste einer Feier) mag dies der Fall sein, bei größer angelegten Untersuchungen aber kaum. Deshalb muss verlangt werden, dass die antragsstellende Staatsanwaltschaft einen ungefähren Überblick darüber dartun kann, wie viele Personen ihrer Meinung nach zur Teilnahme aufgerufen werden. Ohne an jenen Wissensvorsprung der ermittelnden Staatsanwaltschaft anzuknüpfen, meint Beck sicherlich nicht unzutreffend, die Staatsanwaltschaft könne die Begrenzung des Teilnehmerkreises ebenso gewährleisten820. Wichtiger als jene mehr praktischen denn rechtlichen Bedenken ist aber, dass es aus verfassungsrechtlicher Perspektive keinen Grund für eine richterliche Kontrolle gibt. Anzahl der betroffenen Personen und deren Verantwortlichkeit für eine Maßnahme sind nach der Rechtsprechung des BVerfG Kriterien, die zur Steigerung der Intensität eines Grundrechtseingriffs führen821. An einem solchen mangelt es hingegen i. R. d. § 81h StPO wegen der Einwilligung. So wenig Teilnehmer wie nötig durch so enge Kriterien wie möglich heranzuziehen, erscheint daher als durchaus begrüßenswertes, rechtspolitisches Ziel, aber nicht als juristisch determiniertes.
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Vgl. Ademi, S. 200, 252, 269; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 14; ders., in: SSWStPO, § 81h, Rn. 11; ders., Jura 2021, 41 (46); Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 7; Magnus, ZStW 126 [2014], 695 (698); Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (194, 197). 819 Vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 9; daran angelehnt Hero, S. 183. 820 Beck, S. 279. 821 S. BVerfGE 155, 119 (178 f., Rn. 129) m. Anm. v. Holznagel, NJW 2020, 2725, Löffelmann, GSZ 2020, 182 (184 ff.) und Petri, ZD 2020, 580 (588 f.); BVerfG, NVwZ 2021, 226 (232, Rn. 96).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
(2) Regulierung des Anwendungsbereiches – zugleich zum Bedeutungswandel des § 81h StPO durch die JI-RL und § 51 BDSG Jenseits einer Regulierung der Teilnehmerzahl im konkreten Fall soll der Richtervorbehalt nach einer weiteren Meinung auch dem Zweck dienen, dass die DNAReihenuntersuchung generell nicht prima ratio wird, sondern ultima ratio bleibt. Das Gebot richterlicher Anordnung sichere den Ausnahmecharakter der Maßnahme822. Nun ergibt sich dieser Charakter freilich nicht aus der Tatsache, dass der Richter die Maßnahme anzuordnen hat. Er ergibt sich vielmehr aus dem Kriterium der Erforderlichkeit823 Das gilt unabhängig davon, wem die Beurteilungskompetenz im Einzelfall obliegt. Überhaupt sind materielle Voraussetzungen maßgeblich für die Möglichkeit einer Anordnung einer Maßnahme im Allgemeinen – und nicht die Anordnungskompetenz. Die DNA-Reihenuntersuchung würde schließlich nicht dadurch nicht anordnungsunfähig, weil zu oft die Anordnungsvoraussetzung gegeben sind. Zweifel sind auch in die Aussage zu setzen, bereits der organisatorische Aufwand und die mit der Maßnahme verbundenen Kosten seien eine „immanente Schranke“824. Während die Organisation der Maßnahme u. U. zwar ein relativ stabiler Faktor ist, ist aufgrund des Fortschrittes der Technik eine Preissenkung bei DNA-Analysen nicht unwahrscheinlich. Wenn die Strafverfolgungsbehörden auf eine Maßnahme, die an sich zweckmäßig und rechtlich durchführbar erscheint, verzichten müssten, weil sie zu aufwändig oder zu teuer ist, wäre es mit dem viel gepriesenen Gebot einer effektiven Strafrechtspflege jedenfalls nicht weit her. Der Gesetzgeber geht anscheinend davon aus, dass der Richter im Zweifel eher einen strengeren Maßstab anzulegen pflegt als die Staatsanwaltschaft. Man mag dies freilich mit dem Gedanken begründen, dass der Richter im Ermittlungsverfahren neutraler Dritter und deshalb nicht in demselben Maße an einem Ermittlungserfolg interessiert ist wie die Ermittlungsbehörden im engeren Sinne825. Ob das Misstrauen gegenüber der Staatsanwaltschaft aber i. R. d. DNA-Reihenuntersuchung gerechtfertigt ist, muss bezweifelt werden. Es gilt zu bemerken, dass die Reihenuntersuchung schon von der Praxis als ultima ratio begriffen wurde, als der § 81h StPO mit seinen Restriktionen noch gar nicht Gesetz war826, dass sie erst eingesetzt wurde, 822 Ademi, S. 269; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 14; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 11; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 7; Hero, S. 183; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 4, 2; Mittag, S. 78; Müller, Die Polizei 2006, 40 (48); Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (197); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 9; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 19; Wolters, in: JSG KA (Hrsg.), Jbd. 2009, 23 (35); s. auch BT-Drucks. 15/5674, S. 9: „zudem“. 823 S. o. Kap. 5 § 4 III. 1. 824 Beck, S. 279; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 3; ähnlich auch Oberwetter, S. 144 f. 825 Dazu schon Kap. 5 § 5 III. 2. b) aa) (2). 826 Beck, S. 279; Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (711); s. auch die vor Einführung des § 81h StPO entstandenen Arbeiten von Hombert, S. 170 ff.; Sauter, S. 60 f., 137.
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wenn die Ermittler mit ihrem „,Kriminalistenlatein‘ am Ende“827 waren, was i. Ü dem Gesetzgeber auch bekannt war828. Dass für die „paternalistische Disziplinierungsnorm“829 ein Bedürfnis bestand, kann nicht angenommen werden830. Auch wenn diese Attribution des § 81h StPO jedenfalls nicht völlig ungerechtfertigt war, muss darauf hingewiesen werden, dass ungeachtet des Sinnes oder Unsinnes des Gebotes richterlicher Anordnung § 81h StPO inzwischen eine Aufgabe erfüllt, die ihm ursprünglich gar nicht zugedacht wurde. Bis zur Umsetzung der JIRL galt ein rechtlicher Zustand, in dem die Einwilligung eines Bürgers im Strafverfahren grundsätzlich möglich war und keiner Zulassung im Gesetz bedurfte831. Bedenkt man, dass die Einwilligung auch eine Form der Grundrechtsausübung ist832, so handelte es sich bei § 81h StPO ursprünglich um eine einwilligungs- und damit grundrechtseinschränkende Norm, die ihre Berechtigung nur finden konnte in dem grundsätzlichen Gedanken, nicht eine Vielzahl Unbeschuldigter in den Dienst der Strafverfolgung zu stellen. In Rogalls Duktus galt der paternalistische Charakter der Norm deshalb dem Bürger, während der Disziplinierungsteil der Staatsanwaltschaft bzw. ihren Ermittlungsbeamten galt. Erw.-Gr. 35 der JI-RL nennt die Einwilligung in DNA-Analysen als ein Beispiel, welches die Mitgliedstaaten einzuführen nicht gehindert werden sollen. Nachdem nun, entweder durch die JI-RL determiniert oder durch § 51 BDSG überschießend umgesetzt, die Einwilligung gesetzlich vorgesehen werden muss833, hat sich der Charakter des § 81h StPO hin zu einer einwilligungserlaubenden Norm gewandelt. Der „paternalistische“ Charakter der Norm ist damit verloren gegangen; wenn man einen solchen annehmen möchte, muss man ihn in der entweder von der EU stammenden oder jedenfalls vom deutschen Gesetzgeber bewirkten grundsätzlichen Ausschluss der Einwilligung sehen. An den Zweifeln an der Berechtigung des Disziplinierungsteils der Vorschrift in § 81h Abs. 2 S. 1 StPO ändert dies freilich wenig. (3) Erhöhte Teilnahmebereitschaft durch Richtervorbehalt Während oben bereits darauf hingewiesen wurde, dass die richterliche Prüfung zumindest nach der gesetzgeberischen Idee dafür sorgen soll, dass die „Streubreite“ der Maßnahme, mithin die Zahl der potentiellen Teilnehmer nicht zu groß wird, soll der Richtervorbehalt nach Ansicht anderer gleichzeitig dafür sorgen, dass diejenigen, 827 Heitborn/Steinbild, Kriminalistik 1990, 185 (187). Das scheint sich bis heute nicht geändert zu haben, vgl. Winkler, Kriminalistik 2021, 579 (580). 828 Vgl. BT-Drucks. 15/5674, S. 14. 829 Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 3; zustimmend Beck, S. 279 f. 830 Sich offen dazu bekennend aber Kath. Müller, S. 248. 831 Vgl. Kap. 3 § 5 IV. 1. – 4. 832 S. dazu schon Kap. 3 § 5 IV. 4. 833 S. Kap. 3 § 5 IV. 5.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
die in das durch richterliche Kontrolle möglichst eng gehaltene Raster fallen, auch wirklich teilnehmen. Der richterlicher Anordnung wird dabei eine größere Legitimation – ein schwereres Gewicht gewissermaßen – zugeschrieben834. Des Richters Anordnung soll die Aufgerufenen zur Teilnahme motivieren und die Angst vor Folgen der Teilnahmeverweigerung nehmen835. Dies sei notwendig, weil eine entsprechend hohe Bereitschaft der Aufgerufenen, an der Maßnahme teilzunehmen, für deren Erfolg unerlässlich sei836. Empirische Untersuchungen, ob diese Wirkung erzielt wird, fehlen aber soweit ersichtlich. Auch hier muss darauf verwiesen werden, dass DNA-Reihenuntersuchungen bereits vor Implementierung des § 81h StPO eine durchaus erfolgreiche Ermittlungsmethode waren. Den Ängsten vor Nachteilen durch die Nichtteilnahme wird wohl eher der tatsächlich Belehrende als der anordnende Richter begegnen. Außerdem gilt es zu bedenken, was die Redaktion der ZRP in einem Interview Herbert Mertin, den damaligen Justizminister des Landes Rheinland-Pfalz, 2005 bereits gefragt hatte: Kann die Tatsache, dass ein Richter hinter der Anordnung steht, nicht auch dazu führen, dass der von allen Seiten befürchtete Druck abermals verstärkt wird837 ? Beck meint gar, das Erfordernis richterlicher Anordnung sei der Bevölkerung weitgehend unbekannt und die Schwere der Straftat sei maßgeblich für die Motivation der Bevölkerung838. Die insoweit empirische Untersuchung Homberts zeigt jedenfalls nicht, dass die richterliche Anordnung es ist, die breite Massen der Bevölkerung zur Teilnahme motiviert. Vielmehr sind es neben der Schwere der Tat v. a. die Kriterien der Regionalität und der Bekanntheit des Falles839. Angesichts des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bei der Implementierung von Richtervorbehalten ist gegen das Motiv der Steigerung der Teilnahme wenig einzuwenden. Keineswegs aber sind die Bedenken dagegen so schwach, dass § 81h Abs. 2 StPO damit wirklich begründet werden könnte. dd) Der Richtervorbehalt des § 81h Abs. 2 StPO als verfahrensschützende Vorschrift Neben den angesprochenen Zwecken, die der Richtervorbehalt in § 81h Abs. 2 S. 1 StPO bewirkt, wird seine vielleicht wichtigste Bedeutung weitgehend übersehen. Die Einschaltung des Richters führt in praxi dazu, dass zusätzlich zu der staatsanwaltschaftlichen eine weitere Kontrolle tritt. Die Erfüllung der materiellen Voraussetzungen des § 81h Abs. 1 StPO wird mehrfach überprüft, was dagegen vorbeugt, dass in einem späteren Strafprozess festgestellt werden muss, dass jene 834 835 836 837 838 839
Vgl. Kuhne, Die Polizei 2001, 19 (21). Mertin, ZRP 2005, 37 f.; Rogall, JZ 2013, 874 (877). Kuhne, Die Polizei 2001, 19 (21). Vgl. ZRP 2005, 37 (38). Beck, S. 280. Vgl. Hombert, S. 176 ff.
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nicht vorlagen. Ein solcher Fehler wäre im Gegensatz zu einem Fehler i. R. d. Einwilligung eines einzelnen Teilnehmers von erheblich größerem Gewicht. Unabhängig von der Frage, was für Folgen entsprechende Fehler mit sich bringt840, würde ein Fehler bei den materiellen Anordnungsvoraussetzungen jedes einzelne Testergebnis berühren. Umgekehrt würde ein Fehler in der Einwilligung nur das einzelne Testergebnis betreffen. Angesichts der Kosten und des organisatorischen Aufwandes, die eine DNAReihenuntersuchung mit sich bringt, erweist sich daher als sinnvoll, sicherzustellen, dass die Durchführung am Ende auch verwertbare Ergebnisse liefert. Zusätzlich muss auch bedacht werden, dass es aus rechtsstaatlicher Perspektive ein unbefriedigendes Ergebnis wäre, wenn am Ende der Maßnahme eine Vielzahl von Teilnehmern, gegen die sich kein Verdacht richtete und richtet, umsonst in Anspruch genommen worden wäre. Zu befürchten wäre auch, dass das mehrfache Auftreten eines solchen Fehlers die Bereitschaft der Bevölkerung, an entsprechenden Untersuchungen teilzunehmen, beeinträchtigen könnte. Sollte der Bürger feststellen müssen, dass trotz seiner Teilnahme das Verbrechen wegen Fehlern der Strafverfolgungsbehörden nicht aufgeklärt werden konnte, so wird er sich beim nächsten Aufruf unweigerlich fragen, was seine Teilnahme denn bringen soll. Freilich kann die Einschaltung eines Richters nicht jedem Fehler vorbeugen. Umgekehrt ließe sich ebenso wenig die These aufstellen, der Verzicht auf die richterliche Anordnung würde zu mehr Fehlern führen. Insgesamt erweist sich aber aus dieser Perspektive der Richtervorbehalt des § 81h Abs. 2 StPO als verfahrenssicherndes und damit verfahrensökonomisches Mittel, das insofern eine Berechtigung durchaus innehat. ee) Zusammenfassung und Ergebnis Nun zwingt das eben Gesagte natürlich nicht, unter allen Umständen den Richtervorbehalt des § 81h StPO aufrecht zu erhalten. Alle aufgezeigten Gründe, die die Implementierung des Richtervorbehaltes verfolgt, sind im Wesentlichen rechtspolitischer Natur. Ob es zwingend der Einschaltung des Richters bedarf, um „die Streubreite“ der Maßnahme zu regulieren, darf ebenso bezweifelt werden wie ein Anstieg der Einsatzzahlen der Maßnahme, sollte kein Richter beteiligt sein. Empirische Untersuchungen gegen außerdem den Schluss nicht her, dass der Richter es sei, der der Maßnahme zu mehr Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung verhilft. Wenngleich nicht von überragender rechtlicher Bedeutung, sollte der verfahrenssichernde Charakter des Richtervorbehalts nicht übersehen werden. Das durch die Notwendigkeit richterlicher Prüfung im Gesetz verankerte Vier-Augen-Prinzip kann dazu beitragen, Fehler i. R. d. für jede einzelne Analyse beim Merkmalsträger 840
Ausführlich dazu unten Kap. 5 § 6.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
geltenden Anordnungsvoraussetzungen zu reduzieren. Alternative Regelungsmodelle sind hier schwer vorstellbar; man wird kaum der Staatsanwaltschaft rechtlich auftragen wollen, die Voraussetzung zwei Mal zu prüfen. Freilich muss man aber anmerken, dass dieser Verfahrensschutz gar nicht nötig wäre, wenn der Gesetzgeber sich nicht dazu entschieden hätte, die Reihenuntersuchung, die nichts anderes ist als viele DNA-Analysen, auf eine Ermächtigungsgrundlage zu stützen. Müsste jede Analyse auf Vorschriften wie §§ 81a, 81e oder §§ 81c, 81e StPO gestützt werden, würde ein Fehler sich auch dann nur auf die einzelne Analyse auswirken, wenn er materielle Tatbestandsvoraussetzungen der entsprechenden Maßnahmen beträfe. Der Richtervorbehalt des § 81h Abs. 2 StPO kann gleichwohl nicht als Teil „unnötiger rechtlicher Hemmnisse“, als „unnötiger Verwaltungsaufwand“ oder als komplett „entbehrliche rechtliche Einschränkung“ begriffen werden, wie Rechtsund Innenausschuss meinten841. 3. Konsequenz aus der Kritik und den alternativen Möglichkeiten Die vorstehenden Argumente haben gezeigt, dass § 81h StPO in der jetzigen Fassung weder der Weisheit letzter Schluss noch die größte Fehlleistung des Gesetzgebers in der jüngeren Geschichte ist. Grundsätzlich erscheinen als alternative Möglichkeiten sowohl die Implementierung einer Ermächtigungsgrundlage für zwangsweise DNA-Reihenuntersuchung als auch die Eliminierung des Richtervorbehaltes rechtlich gangbar. Ersteres würde indessen wohl an die äußerste Grenze dessen gehen, was die Verfassung hergibt. Auch über die geforderten Schutzmechanismen hinausgehende Einschränkungen würden daran nichts ändern, weil ihre Wirkung doch beschränkt wäre. Der Gesetzgeber muss sich die Frage stellen, inwieweit er bereit ist, „Solidarität mit dem Opfer“, wie Trück es nennt842, zu erzwingen. Dass ein gravierendes rechtliches Bedürfnis dafür besteht, kann jedenfalls nicht angenommen werden, was zu der Frage führt, ob die Inanspruchnahme unbeteiligter Dritter in wohl selten dagewesenem Ausmaß ein Instrument ist, dass der Staat wirklich benutzten sollte, um eine trotz manchen Schwächen bereits heute effiziente Strafrechtspflege effektiver zu machen. Der viel beschworene Satz, oder eher die Aufforderung „Keine Wahrheitsfindung um jeden Preis!“843 sollte jedenfalls in mahnender Erinnerung bleiben. Abschließend sei abermals die Bemerkung gestattet, ob nicht erzwungene Solidarität die eigentliche contradictio in verbis wäre. Während die Feststellung, die Verknüpfung von Richtervorbehalt und Einwilligung sei ein Unikat, durchaus Berechtigung hat, muss im Ergebnis dem Vorwurf, hierbei handle es sich um eine solche contradictio in adjecto, widersprochen werden. Dies begründet sich damit, dass der Richtervorbehalt in § 81h StPO einen gewis841 842 843
Vgl. BR-Drucks. 521/1/05, S. 2. Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 20. Nachweise in Fn. 392 (Kap. 4).
§ 6 Beweisverwertungsverbote
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sermaßen atypischen Zweck verfolgt. Dient er sonst dem Grundrechtsschutz, übernimmt diese Aufgabe das Einwilligungserfordernis, und für den Richtervorbehalt bleibt eine verfahrenssichernde Aufgabe. Der sonst undifferenzierte Vorwurf gegen den Richtervorbehalt, er sei „zahnloser Tiger“844, ein „Wachhund, der weder beißt noch bellt“845 und summa summarum daher ein abschaffungswürdiges Bürokratikum, das mehr Arbeit um wenig Nutzen schafft846, trifft nicht zu. Im Rahmen des § 81h StPO ist er nicht zwingend ein Verfahrenshemmnis, sondern eher eine Verfahrensabsicherung, der man sub specie des organisatorischen Aufwandes, die eine DNA-Reihenuntersuchung de facto zwangsläufig mit sich bringt, nicht ernsthaft den Vorwurf großer Mehrarbeitsschaffung entgegen halten kann. Dass der Richtervorbehalt des § 81h Abs. 2 StPO wirklich abgeschafft werden muss, kann daher verneint werden; ob er es sollte, muss bezweifelt werden. Bedenkt man der Charakterwandel des § 81h StPO von einer einwilligungseinschränkenden hin zu einer einwilligungsermöglichenden Norm, sollte Vorsicht geboten sein, falls man die Argumente aus der Zeit vor Umsetzung der JI-RL übertragen möchte. Jedenfalls erscheint § 81h StPO insgesamt nicht als das opus horribile, wie es häufig behauptet wird. Die lex lata erscheint nicht als so fehlerhaft, als dass sie zwingend einer Reform bedürfte.
§ 6 Beweisverwertungsverbote Die Frage nach den Beweisverwertungsverboten bei Verstößen gegen die Voraussetzungen des § 81h StPO weist eine Besonderheit auf, die es lohnend erscheinen lässt, ihre Antwort nicht bereits in der Anwendbarkeit der Abwägungslehre durch den BGH847 auch i. R. d. § 81h StPO zu sehen. Eine Verknüpfung mit der Abwägungslehre lässt sich indessen insofern herstellen, als dass an dieser Stelle daran erinnert sein mag, dass auch bei ihrer Anwendung eines von mehreren Kriterien ist, ob im konkreten Einzelfall die Beweisgewinnung auf rechtmäßige Weise hätte erfolgen können848. Besondere Berücksichtigung i. R. d. § 81h StPO verdient, dass ohne Einwilligung eine Beweiserhebung gar nicht erfolgen kann. Daher stellen sich zwei grundsätzliche 844
Vgl. Brüning, ZIS 2006, 29 ff. Müller, AnwBl. 1992, 349 (351). 846 Vgl. die von Hüls, ZIS 2009, 160 konstatierte Kritik der Praxis; vgl. ferner exemplarisch die nahezu einmündige Kritik an § 81f Abs. 1 S. 1 StPO a. F., der eine richterliche Anordnung auch für die Analyse sog. Spurenmaterials verlangte o. Kap. 4 § 4 I. 2., dort insb. Fn. 611 (Kap. 4). 847 Dazu BGHSt 58, 84 (96, Rn. 31 ff.). 848 Kap. 4 § 5 I. 845
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Probleme, nämlich erstens die Auswirkung von Fehlern bei der Einwilligung und zweitens die Auswirkung des Nichtvorliegens der sonstigen Voraussetzungen des § 81h StPO bei gleichzeitigem Vorliegen einer scheinbar wirksamen Einwilligung.
I. Einwilligungsmängel Schenkt man der Tatsache Beachtung, dass § 81h StPO ein unbedingtes Einwilligungserfordernis für die Beweiserhebung statuiert, so rücken die die sonstigen Voraussetzungen des § 81h StPO erst einmal in den Hintergrund. Zentraler Legitimationsstrang für die Beweis-, d. h. für die Datenerhebung ist die Einwilligung849. Das Gebot richterlicher Anordnung erscheint im Vergleich zur Einwilligung eher nachrangig. Das Einwilligungserfordernis ist es, das § 81h StPO charakterisiert und prägt: Tilgte man den Richtervorbehalt aus § 81h StPO, der – wie erwähnt850 – kaum rechtliche, sondern vielmehr rechtspolitische Bedeutung hat, würde die Maßnahme in ihrem Kern dieselbe bleiben. Tilgte man hingegen das Einwilligungserfordernis, hätte man einen Wandel des § 81h StPO hin zu einer wirklichen Zwangsmaßnahme. Daher stellt sich die Frage der Konsequenz der Einwilligung anhaftender Mängel. Solche können einerseits darin zu sehen sein, dass es an allgemeinen Voraussetzungen einer Einwilligung mangelt (z. B., wenn ein Jugendlicher ohne die notwendige Verstandsreife eine Einwilligung abgibt), andererseits aber auch etwa in einem Verstoß gegen die Spezifika des § 81h StPO, etwa, weil eine Belehrung fehlt851. 1. Fehlerfolgen von Einwilligungsmängeln bei anderen Zwangsmaßnahmen am Beispiel des § 81f Abs. 1 StPO § 81f Abs. 1 S. 1 StPO regelt den gesetzlichen Regelfall, dass die Einwilligung eine richterliche Anordnung entbehrlich macht. Verzichten die Strafverfolgungsbehörden auf die Einschaltung des Richters, weil der Beschuldigte (oder im Fall des 849 Vgl. Ademi, S. 249 ff., 252; Hero, S. 190; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 4 a. E.; Naumann, Die Polizei 2013, 333 (334); Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (194), die Einwilligung und Richtervorbehalt stets in Verbindung als zwei Legitimationsstränge des § 81h StPO bezeichnen; s. ferner Lorenz, JZ 2005, 1121 (1128), der die Einwilligung als Voraussetzung der Verfassungskonformität ansieht. 850 Kap. 5 § 5 III. 2. b). 851 Zur Belehrung als Wirksamkeitsvoraussetzung Ademi, S. 268 f.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 13; ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 10; Eisenberg, Rn. 1688; Goers, in: BeckOKStPO, § 81h, Rn. 6; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 9; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 13; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 383; Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 5; Pommer, JA 2007, 621 (626); Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (196); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 6; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 11; Walter, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 7.
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§ 81c StPO der Dritte) einwilligt, und stellt sich heraus, dass die Einwilligung fehlerbehaftet war, wird teilweise davon ausgegangen, ein Verwertungsverbot folge der Gesetzesverletzung nicht852. Anderes könne nur gelten, wenn die Einwilligung deshalb unwirksam sei, weil sie erschlichen wurde und man davon ausgehen könnte, dass der Richtervorbehalt bewusst umgangen wurde853. Auch die Stimmen, die ein grundsätzliches Verwertungsverbot postulieren, wollen jedenfalls dann davon abrücken, wenn die Voraussetzungen für die richterliche Anordnung noch vorliegen bzw. vorgelegen hätten854. Hierin spiegelt sich der aus der Abwägungslehre bekannte Gedanke der hypothetisch möglichen rechtmäßigen Gewinnung von Beweismittel wider. Legt man insgesamt die Abwägungslehre bei Einwilligungsmängeln i. R. d. § 81f Abs. 1 StPO zu zugrunde855, kommt man zu dem Ergebnis, dass der Einwilligung anhaftenden Fehlern im Bereich des § 81e StPO wohl selten ein Beweisverwertungsverbot folgen wird. Die gegenteilige Auffassung, nach der ein Verwertungsverbot beim Fehlen der richterlichen Anordnung grundsätzlich die Folge sei, geht entweder nicht auf die Spezifika der Einwilligung ein856 oder behauptet schlicht, sei die Einwilligung unwirksam, fehle es an ihrer legitimierenden Wirkung857. Damit ist aber nichts über die Fehlerfolgen ausgesagt. Soweit auf eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2010858 verwiesen wird859, muss dem widersprochen werden. Der BGH hat in diesem Beschluss die Revision, die sich auf einen Verstoß gegen das Schriftlichkeitsgebot des § 81f StPO stützte, nur mangels Widerspruch verworfen860. Ob ein Widerspruch zum Durchdringen des Vortrages geführt hätte, weil der Verstoß ein Verwertungsverbot nach sich gezogen hätte, lässt der BGH offen. Der BGH betont sogar, dass im Falle des Widerspruches das Tatgericht sofort eine neue DNA-Analyse hätte anordnen müssen861. Dies ähnelt dem Argumentationsmuster der hypothetisch rechtmäßigen Gewinnung von Beweismitteln. 852
Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 22; hinsichtlich der der DNA-Analyse vorausgehenden Körperzellentnahme Graalmann-Scheerer, in: FS Rieß, 153 (160). 853 Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 28; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81f, Rn. 22; hinsichtlich der der DNA-Analyse vorausgehenden Körperzellentnahme Graalmann-Scheerer, in: FS Rieß, 153 (160 f.). 854 Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 11; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 37 a. E.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81f, Rn. 28. 855 Dies explizit fordernd Eisenberg, Rn. 1687, der sich allerdings in Rn. 1693 gleichwohl für ein grundsätzliches Verwertungsverbot ausspricht. 856 Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81f, Rn. 5; Brauer, in: HK-StPO, § 81f, Rn. 9; Finger, Kriminalistik 2006, 696 (698); Malek/Wohlers, Rn. 311; Schmitt, in: MeyerGoßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 9; Walter, in: AnwKo-StPO, § 81f, Rn. 15. 857 Neuhaus, in: HK-GS, § 81f StPO, Rn. 8; i. E. auch Eisenberg, Rn. 1693, vgl. ferner Senge, NJW 2005, 3028 (3030). 858 BGH, NStZ 2010, 157 f. 859 Goers, in: BeckOK-StPO, § 81f, Rn. 11. 860 BGH, NStZ 2010, 157 (158). 861 BGH a. a. O.
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Ein Grund, nach dem von dem Grundsatz, dass ein Beweisverwertungsverbot nicht zwingende Folge von Verfahrensfehlern ist, im Bereich von Einwilligungsmängeln i. R. d. § 81f StPO abgewichen werden soll, ist nicht ersichtlich. Vielmehr gilt auch hier, dass ein Verstoß jedenfalls solange unbeachtlich ist, wie das grundsätzliche Gebot richterlicher Anordnung nicht insofern umgangen wurde, als die Einwilligung unter bewusstem Verstoß gegen das Recht oder erkennbar falscher Rechtsanwendung erlangt wurde. Anzunehmen wäre dies etwa, wenn die Strafverfolgungsbehörden dem Betroffenen vortäuschten, er sei zur Abgabe der Einwilligung verpflichtet oder aber Nachteile im Falle des Unterlassens in Aussicht stellten. Man wird aber davon ausgehen dürfen, dass dies in praxi kaum den Regelfall darstellen wird. 2. Vorgefundene Ansätze zu den Fehlerfolgen von Einwilligungsmängeln i. R. d. § 81h StPO Von einer grundsätzlichen Unbeachtlichkeit von Einwilligungsmängel scheint in der Literatur niemand auszugehen. Im Gegenteil geht die herrschende Meinung davon aus, dass Einwilligungsmängel i. R. d. § 81h StPO grundsätzlich ein Beweisverwertungsverbot nach sich zögen862. Dies sei etwa der Fall, wenn die Belehrung nach § 81h Abs. 4 StPO unzulänglich sei863. Teilweise heißt es hierzu in Ergänzung, dies gelte auch, wenn der Mangel auf Gründen beruhe, die die Ermittlungsbehörden zu vertreten hätten864. Bei Saliger/Ademi heißt es allgemein, „die Nichteinhaltung der prozeduralen Einwilligungsvoraussetzungen aus § 81h I, IV StPO führ[e] zur Unwirksamkeit der Einwilligung des Merkmalsträgers und damit zur Unverwertbarkeit des Untersuchungsergebnisses“865. Ob damit gemeint ist, dass nur der Verstoß gegen in § 81h StPO normierte Voraussetzungen der Einwilligung zur Unwirksamkeit führt, wird indessen nicht klar. Eine differenzierende Ansicht möchte auch bei Einwilligungsmängel, die etwa unzulänglicher Belehrungen oder auch Zwang und Täuschung erfassen können, die Abwägungslehre heranziehen und im Einzelfall entscheiden866. So soll nach Krause etwa der Verstoß gegen das Schriftformerfordernis dann unschädlich sein, wenn das
862 So allgemein Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 8; Naumann, Die Polizei 2013, 333 (336); Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 9; Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 36; Roxin/Schünemann, § 33, Rn. 34; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 17; Walter, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 22; ohne an die Spezifika des § 81h StPO anknüpfend dies für alle Ermittlungsmaßnahmen annehmend, die auf einer Einwilligung basieren Kliemannel, Die Polizei 2021, 53 (57). 863 Hierzu Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 15; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 14; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 11; Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 37. 864 Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 15. 865 Saliger/Ademi, JuS 2008, 193 (197); ähnlich später auch Ademi, S. 268 f. 866 Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 23.
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Vorliegen einer wirksamen Einwilligung anderweitig nachgewiesen werden kann867. In diese Reihe sind auch diejenigen Stimmen einzuordnen, die betonen, es müsse überprüft werden, ob die konkrete Einwilligungsvoraussetzung gerade den Betroffenen schützen will. So müsse man annehmen, dass ein Verstoß gegen die Belehrungsvorschrift des § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 3 Var. 2 und 3 StPO (Verwertung des Analyseergebnisses zu Lasten von Familienangehörigen) zu keinem Beweisverwertungsverbot beim Spurenleger führe868. Während die Vertreter dieser Ansicht im Ergebnis nach der Art des Fehlers unterscheiden wollen, differenziert eine weitere Ansicht nach dem Ergebnis der Reihenuntersuchung. Lägen nach ihrer Durchführung die Voraussetzungen der §§ 81a, 81e StPO vor, soll das Ergebnis der DNA-Reihenuntersuchung gleichwohl verwertet werden dürfen, weil eine erneute Beweisaufnahme sinnlos sei869. In einem neueren Beitrag erklärt Bosch, der vorstehende Meinung hauptsächlich vertritt, ein Verwertungsverbot bei unterlassener Belehrung sei „völlig absurd“870. Hinter diesem Gedanken verbirgt sich der Argumentationstopos der hypothetisch möglichen rechtmäßigen Beweisgewinnung, das aus der Abwägungslehre bekannt ist. Fasst man die Ansichten zusammen, lässt sich zunächst einmal konstatieren, dass wohl Übereinkunft besteht, dass der Grundsatz, nach dem im Regelfall Beweiserhebungsfehlern kein Verwertungsverbot folgt, bei Einwilligungsmängeln i. R. d. § 81h StPO nicht gilt. Eher müsste man umgekehrt formulieren, dass bei der Einwilligung anhaftenden Mängeln das Verwertungsverbot die Regel ist. Diejenigen, die Ausnahmen zulassen wollen, argumentieren mit Mustern, die aus der Abwägungslehre bekannt sind. Gebraucht wurden die Argumentationstopoi der Möglichkeit einer rechtmäßigen Gewinnung, der Vorwerfbarkeit des Verstoßes und der Schutzrichtung der entsprechenden Norm. 3. Stellungnahme a) Keine Unterscheidung nach spezifischen und allgemeinen Einwilligungsvoraussetzungen Nicht weiterführend erscheint der Ansatz, nach dem bloß ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 81h Abs. 4 StPO ein Verwertungsverbot nach sich ziehen soll. Freilich wird man feststellen können, dass gerade § 81h Abs. 4 StPO den spezifischen Problemen einer Einwilligung in DNA-Reihenuntersuchungen entgegenzutreten versucht. Gleichwohl regelt § 81h StPO nicht jede Anforderung, die an die 867
Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 37. Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn. 36; anders inzwischen wohl Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1704. 869 Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 21, ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 18; zust. auch Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 23. 870 Bosch, Jura 2021, 41 (46). 868
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Einwilligung zu stellen ist871. Man denke etwa an die Voraussetzung der Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen. Diese muss bei allen Einwilligungen, nicht nur bei DNA-Reihenuntersuchungen gegeben sein. Entschiede sich der Gesetzgeber, sie i. R. d. § 81h StPO positiv rechtlich zu normieren, müsste er dies folglich in jeder Norm tun, die eine Einwilligungsmöglichkeit vorsieht. Ob das sinnvoll erscheint oder – was wohl eher zutreffend wäre – eine reine Symbolgesetzgebung darstellt, die am Rechtszustand nichts ändert, den Gesetzestext aber unnötigerweise in die Länge zieht, ist eine gesetzgeberische Entscheidung, die ausschließlich die Gestaltung des Gesetzes betrifft. Zumal keine Anhaltspunkte gegeben sind, dass die zurzeit als Gesetz geltende Entscheidung einen tieferen Hintergrund hat, können aus ihre keine Schlussfolgerungen hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens eines Verwertungsverbotes gezogen werden. Erst recht kann nicht angenommen werden, die explizit normierten Voraussetzungen seien wichtiger als die allgemeinen, nicht normierten. b) Zur Schutzrichtung der Normen bei Familienbelastung Das Argument, es gelte zu berücksichtigen, dass die Belehrung über eine mögliche Verwertung des Analyseergebnisses nur dem Schutz des zu Untersuchenden diene, nicht aber dem, auf dessen Spurenleger-Eigenschaft es hindeutet, kann nicht durchschlagen. Inhaltlich ist dies bereits zweifelhaft. In der Literatur wird zu Recht darauf verwiesen, dass der Angeklagte sich auch auf eine Verletzung des § 52 StPO berufen kann, obschon der Schutzzweck der Norm primär darin liegt, dem Zeugen einen Konflikt zwischen Familienfrieden und Wahrheitspflicht zu ersparen872. Tatsächlich handelt es sich bei dem angesprochenen Problem aber um eines der Fernwirkungsthematik. Sollte der Spurenleger selbst an der DNA-Reihenuntersuchung teilgenommen haben, muss das bei der Untersuchung seines Verwandten angefallene Analyseergebnis gar nicht gegen ihn verwendet werden. Schließlich liegt ein Gutachten vor, das seine Spurenleger-Eigenschaft beweist. Das Problem würde daher nur relevant, wenn der Spurenleger nicht, ein Verwandter aber schon teilnimmt. In diesen Fällen kann es u. U. dazu kommen, dass gegen Spurenleger im Wege der §§ 81a, 81e StPO vorgegangen wird, wobei der Verdacht mit der Ähnlichkeit der i. R. e. Maßnahme nach § 81h StPO verglichenen DNA-Identifikationsmuster begründet wird. Zusammengefasst geht es also darum, ob der Fehler i. R. d. § 81h StPO sich auf die Maßnahme nach §§ 81a, 81e StPO durchschlägt. Um die Verwertung des Ergebnisses der DNA-Reihenuntersuchung originär geht es nicht. 871
Zur Geltung der allgemeinen Einwilligungsdogmatik in s. Kap. 5 § 5 I. m. w. N. in Fn. 214 (Kap. 5). 872 Vgl. Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 7; zum Schutzzweck des § 52 StPO insoweit die Nachweise in Kap. 4 § 4 II. 2. b) cc), dort Fn. 669 (Kap. 4); zur Möglichkeiten des Angeklagten, Verletzungen des § 52 StPO zu rügen vgl. m. w. N. Bader, in: KK-StPO, § 52, Rn. 46 f.
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Bemerkenswert erscheint es, dass die Konstellation den Fall BGHSt 58, 84 ff. mehr oder weniger abbildet, der BGH aber mit keinem Wort die Fernwirkungsproblematik angesprochen hat873. Einziger Unterschied zum hier beschriebenen Fall war, dass im Fall des BGH eine Belehrung über die mögliche Verwertung zu Lasten des Verwandten gar nicht gefordert war, weil eine Verwertung zu Lasten des Verwandten in Form von Erhebung und Abgleich des Beinahetreffers durch die damalige lex lata nicht vorgesehen war. Es ging mithin um einen Verstoß gegen die materiellen Grenzen des § 81h StPO und nicht (nur) um einen formellen Fehler bei der Einwilligung. Bleibt man bei dem Grundsatz, dass eine Fernwirkung dem deutschen Strafverfahrensrecht grundsätzlich fremd ist874, so kommt man bei Belehrungsfehlern nach § 81h Abs. 4 S. 2 Nr. 3 Var. 2 und 3 StPO zu dem Ergebnis, dass diese unbeachtlich sind. c) Unterscheidung in echte und unechte Einwilligungsvoraussetzungen Sinnvoll lässt sich die Problematik um Einwilligungsmängel dann lösen, wenn unterschieden wird, ob der Mangel einer echten oder einer unechten Einwilligungsvoraussetzung anhaftet. Zur Begriffsbestimmung: Unter echten Einwilligungsvoraussetzungen sollen solchen verstanden sein, die die Einwilligung als solche ausmachen. Hierbei geht es um die Voraussetzungen, die auch im dritten Kapitel dieser Arbeit angesprochen wurden875 – also um das Vorliegen einer Erklärung, der Freiwilligkeit, der Einwilligungsfähigkeit des Einwilligenden und der Einwilligungsmöglichkeit im Hinblick auf den Einwilligungsgegenstand. Das Fehlen dieser Voraussetzungen führt zu der Feststellung, dass nicht eine mangelhafte, sondern gar keine Einwilligung vorliegt. Folgendes Beispiel zur Verdeutlichung: Ist die Einwilligung nicht freiwillig in dem dem jeweiligen Freiwilligkeitsbegriff zugrunde liegenden Sinn, liegt Zwang vor. Zwang in diesem Sinne und Einwilligung schließen einander aber aus. Unechte Einwilligungsvoraussetzungen dagegen sind solche, die dazu dienen, die echten Einwilligungsvoraussetzungen zu sichern. Ihr Fehlen kann nur insofern beachtlich sein, als es zur Konsequenz hat, dass es einer echten Voraussetzung mangelt. Ein gutes Beispiel hierfür sind Belehrungsvorschriften. Diese sind – allgemein gesprochen – kein Selbstzweck, sondern sollen die Freiwilligkeit der Entscheidung des Einwilligenden sichern876. Ist diese aber anderweitig gesichert, ist kein Bedürfnis ersichtlich, warum ein Beweisverwertungsverbot die Folge ihres Fehlens sein sollte. 873 Mit Löffelmann, JR 2013, 270 (279) darin aber eine spektakuläre Abstandnahme des BGH von seiner bisherigen Rechtsprechung zur Fernwirkung anzunehmen, erscheint gleichwohl voreilig. Diese hätte der BGH wohl mit mehr als einer Randnummer begründet. 874 Vgl. schon die Nachweise in Fn. 720, zu Ausnahmen Fn. 719 (jeweils Kap. 4). 875 Kap. 3 § 5 V. 876 Zur Bedeutung von Belehrungen im Hinblick auf die Freiwilligkeit Kap. 3 § 5 V. 2. d) bb).
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Auf den Sonderfall der Form der Erklärung wird indessen noch ausführlicher einzugehen sein. aa) Echte Einwilligungsvoraussetzungen Zentraler Legitimationsstrang des § 81h StPO ist die Einwilligung. Fehlt es an einer solchen, weil echte Einwilligungsvoraussetzungen nicht vorliegen, muss ein Beweisverwertungsverbot zwingende Folge sein. Fehlt es mithin an einer Einwilligungserklärung, deren Freiwilligkeit oder an der Einwilligungsfähigkeit des Einwilligenden877, dürfen die Erkenntnisse im Strafverfahren gegen den Spurenleger nicht verwendet werden. Dass es im Bereich der DNA-Reihenuntersuchung an der Möglichkeit zur Einwilligung fehlt, weil der Einwilligende die Verfügungsbefugnis über das betroffene Grundrechtsgut nicht hat, wird selten der Fall sein, da solche Analysen, die den Kern der Persönlichkeit oder gar die Menschenwürde betreffen, angesichts des Feststellungsverbotes in § 81h StPO weder vorgesehen sind noch im Interesse der Strafverfolgungsbehörden liegen, weil sie nicht zur Strafverfolgung benötigt werden. Ob man in dem Fall, dass die Freiwilligkeit durch Methoden des § 136a Abs. 1 und 2 StPO ausgeschlossen ist, mit Kliemannel878 das Verwertungsverbot des § 136a Abs. 3 StPO heranzieht, oder sich darauf zurückzieht, dass § 136a StPO nur für Vernehmungen gilt879, ist dabei einerlei. Fehlt es an der Freiwilligkeit, fehlt es an einer Einwilligung – unabhängig des Ursprungs des Mangels. Dieses Ergebnis kann mit den hergebrachten Kriterien der Abwägungslehre begründet werden. Wenn die Einwilligung so essentiell ist, dass die ganze Maßnahme kennzeichnet, muss ihr Fehlen als Verstoß besonderen Gewichts gewertet werden. Auf eine Vorwerfbarkeit kommt es dann nicht mehr an. Obschon die Anlasstaten des § 81h StPO zweifelsohne schwere sind, muss auch berücksichtigt werden, dass das Fehlen einer Einwilligung beim einzelnen Teilnehmer nur dessen Ergebnis, nicht aber die ganze Maßnahme betrifft. Der Gesetzgeber hat sich mit § 81h StPO bewusst für das unbedingte Erfordernis einer Einwilligung entschieden, obwohl es – wie diese Untersuchung gezeigt hat880 – anders gegangen wäre. Diese Grundentscheidung des Gesetzgebers kann nicht durch die Rechtsanwendung dergestalt modifiziert werden, dass Folge des Fehlens einer Einwilligung gleichwohl die Verwertung sein kann. Dies würde de facto den § 81h StPO zu etwas machen, was er bewusst nicht sein sollte, nämlich zu einer Zwangsmaßnahme. Die Judikative würde sich damit zum Gesetzgeber aufschwingen. 877 878 879 880
Grundlegend Putzhammer, S. 151. Kliemannel, Die Polizei 2021, 53 (57). Statt vieler hier nur Rogall, in: SK-StPO II, § 136a, Rn. 22. m. w. N. Kap. 5 § 5 III. 2. a) bb).
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bb) Unechte Einwilligungsvoraussetzungen, insb. zur Belehrungsund Formproblematik (1) Fehler bei der Erteilung der Belehrung Anders verhält es sich bei den unechten Einwilligungsvoraussetzungen, zu denen die Belehrung nach § 81h Abs. 4 StPO zählt. Der Gesetzgeber hat diese mit dem Zweck verbunden, sie solle sicherstellen, dass der Merkmalsträger sich frei von empfundenen Zwang und in Kenntnis der Reichweite seiner Entscheidung für oder gegen die Teilnahme entscheiden kann881. Dass die Belehrung mithin kein Selbstzweck, sondern nur dazu bestimmt ist, das übergeordnete Ziel der Freiwilligkeit zu sichern, ergibt sich mithin aus den Gesetzgebungsmaterialien. Auch die ganze herrschende Meinung sieht in der Belehrungsnotwendigkeit diesen übergeordneten Zweck882. Warum dann aber zwingende (!) Folge eines Belehrungsfehlers ein Beweisverwertungsverbot sein soll, erschließt sich nicht. Ein solches ist vielmehr nur dann anzunehmen, wenn die Freiwilligkeit nicht anderweitig sichergestellt ist. Allerdings muss konstatiert werden, dass eine entsprechende Belehrung grundsätzlich essentiell für die Freiwilligkeit ist883. Daher kann festgehalten werden, dass ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht Unfreiwilligkeit und daher ein Verwertungsverbot nach dem oben Gesagten indiziert884. Diese Rechtsfolge ist aber nicht zwingend, sondern nur widerlegbar vermutet885. Neben der Verlautbarung des falsch Belehrten, er habe gewusst886, um was es gehe, weil er sich vorher informiert habe, kann bspw. als Indiz für trotz falscher Belehrung vorhandene Freiwilligkeit herangezogen werden, dass der Betroffene schon oftmals an DNA-Reihenuntersuchung teilgenommen hat. Gleichwohl führt auch dies aber nicht eo ipso zu Freiwilligkeit. Liegt die letzte Teilnahme Jahre zurück, muss eher davon ausgegangen werden, dass der Teilnehmer sich nicht an alle Einzelheiten erinnert. Gleiches gilt, wenn die letzte Teilnahme vor der Änderung des § 81h StPO im Jahre 2017 war und der Belehrungsfehler die Verwertbarkeit des Beinahetreffers betrifft. Ferner muss bei einer mangelhaften Belehrung zu Vorsicht aufgerufen werden. Wird der Bürger in seiner tatsächlich richtigen Auffassung durch inhaltlich falsche Belehrung durch den Staat scheinbar widerlegt, kann von ihm nicht gefordert werden, dass er dem Staat keinen Glauben schenkt und bei seiner Meinung verharrt. Insgesamt liegt der vorstehenden Differenzierung der Gedanke zugrunde, dass der zentrale Legitimationsstrang Einwilligung gegeben ist, wenn Freiwilligkeit trotz 881 Vgl. zwischen diesem Zweck und der Motivation zur Teilnahme diff. BT-Drucks. 15/ 5674, S. 13 f. Zur Maßgeblichkeit alleine des freiwilligkeitsgewährleistenden Zweckes o. Kap. 5 § 5 I. 3. 882 Vgl. schon oben Kap. 5 § 5 I. 3. m. w. N. in Fn. 410 (Kap. 5). 883 Grundlegend Kap. 3 § 5 V. 2. d) bb). 884 Grundsätzlich bei Belehrungsfehlern Putzhammer, S. 149. 885 Vgl. Putzhammer, S. 150 a. E.: Zweifel gehen zu Lasten der Strafverfolgungsbehörden. 886 Vgl. zur Kenntnis als Argument gegen ein Verwertungsverbot Putzhammer, S. 150.
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mangelbehafteter oder ausgebliebener Belehrung gegeben ist. Die Wiederholung der Untersuchung nach einer erneuten oder erstmaligen Belehrung, deren Zweck schon erfüllt war, würde sich als reiner Formalismus erweisen. Dieser Gedanke kann sich auf die Dogmatik zum Beweisverwertungsverbot bei unterlassene Belehrung nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO stützen und eine Parallele ziehen887. Die Lage der Betroffenen – also bei § 136 StPO des Beschuldigten, bei § 81h StPO des Teilnehmers – ist insofern vergleichbar, weil in beiden Fällen der Staat in den Genuss eines Handelns des Bürgers kommt, das er nicht erzwingen könnte. Dass bei Vernehmungen die Selbstbelastungsfreiheit dies vorschreibt, während bei § 81h StPO ein zwangsweises Vorgehen durchaus de lege ferenda möglich wäre, hindert den Vergleich nicht; ebenso wenig die Tatsache, dass es einerseits um einen Beschuldigten und andererseits um einen Nichtbeschuldigten geht888. Die lex lata ist jedenfalls gleich. Als Zweck der Belehrung des § 136 Abs. 1 S. 2 StPO wird angenommen, dem Beschuldigten eine Entscheidung für oder wider die Aussage zu ermöglichen889. Es geht mithin um nichts anderes als um eine Belehrung über die Freiwilligkeit und damit um die Freiwilligkeit selbst. Nach heute ganz herrschender, nahezu unumstrittener Meinung folgt dem Verstoß gegen § 136 Abs. 1 S. 2 StPO ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der Aussage890. Nicht in demselben Maße unumstritten, aber anerkannt ist die Ausnahme zur Regel: Kein Verbot der Beweisverwertung soll eingreifen, wenn der Beschuldigte seine Rechte auch ohne die Belehrung kannte891. Begründet wird diese nur die Verwertungsfrage, nicht aber die 887 Diese Parallele für alle Einwilligungen und Belehrungsverstöße ziehend vgl. Kliemannel, Die Polizei 2021, 53 (57); Putzhammer, S. 149. 888 Generell zum Vergleich mit § 136 StPO bereits Kap. 5 § 5 I. 5. b). 889 Zum Sinngehalt des § 136 Abs. 1 S. 2 StPO s. in Kap. 5 § 5 I. 5. b) m. w. N. in Fn. 451 (Kap. 5). 890 Vgl. nur Kap. 5 § 5 I. 2. b) cc) (1) (b) m. w. N. in Fn. 385 (Kap. 5); zu Nachweisen für die ältere, ein Beweisverwertungsverbot ablehnende Ansicht a. a. O. Fn. 385 (Kap. 5). 891 S. nur BGHSt 38, 214 (224); 47, 172 (173); OLG Hamm, NStZ-RR 2006, 47; OLG Celle, NJW 1993, 545; Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 53; Amelung, StV 1991, 454 (455); Bauer, S. 175 f.; Beulke, NStZ 1996, 257; ders., Jura 2008, 653 (657); Diemer, in: KKStPO, § 136, Rn. 26, 27; Dingeldey, JA 1984, 407 (414); Eschelbach, in: SSW-StPO, § 136, Rn. 67 ff.; Frank, S. 151; Geppert, in: FS Oehler, 323 (337 f.); Gleß, in: LR-StPO IV/1, § 136, Rn. 79; Gundlach, S. 38; Güntge, in: Alsberg, Beweisantrag, Kap. 5, Rn. 256; v. Heydebreck, S. 131 f.; Kunert, MDR 1967, 549 (542); Lesch, JA 1995, 157 (161); Mittag, JR 2005, 385 (387); Petry, S. 113; Rieß, JA 1980, 293 (300); Rogall, Beschuldigter, S. 217 f.; ders., in: SK-StPO II, § 136, Rn. 78; Schmidt, NJW 1968, 1209 (1217); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 136, Rn. 20a; vgl. auch OLG Nürnberg, StV 2015, 155; LG Münster, StV 1981, 613 (615 f.); LG Saarbrücken, ZfS 2013, 590 (591); AG Bayreuth, NZV 2003, 202 (203); krit. jedenfalls Schurig, S. 127 ff.; Wulf, S. 247 f.; a. A. indessen Fincke, NJW 1969, 1014 (1016); Jahn, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. II, Rn. 113; ders., Gutachten für den 67. DJT, C 1 (C 73); Schuhr, in: MüKo-StPO I, § 136, Rn. 56; Wohlers, JR 2002, 290 (295); diff. Ransiek, S. 89, der Kenntnis nicht ausreichen lässt, sondern darauf abstellt, ob der Beschuldigte auch ohne Belehrung ausgesagt hätte. Dies kann man freilich verneinen, obschon Kenntnis bestand (z. B. der Beschuldigte zwar weiß, dass er bei Vernehmungen nicht aussagen muss, aber irrtümlicherweise
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Belehrungspflicht betreffende892 Ausnahme damit, dass bei Kenntnis des zu Belehrenden der Zweck der Belehrung durch den Verstoß nicht vereitelt wird893. „Ein Wissender braucht nicht mehr wissend gemacht zu werden“894. Auch hier gilt aber, dass Zweifel zu Lasten der Strafverfolgungsbehörden gehen, wenn die Belehrung nicht erfolgt ist. Erscheint es zwar möglich, dass der Beschuldigte um sein Verweigerungsrechte wusste, lässt sich dies aber nicht sicher feststellen, darf die Aussage nicht verwertet werden895. Damit lässt sich als Zusammenfassung der Satz formulieren, der Verstoß gegen § 136 Abs. 1 S. 2 StPO impliziere nur ein Beweisverwertungsverbot. Aufgrund des ebenso untergeordneten, zwecksichernden Charakter lässt sich für einen Verstoß gegen die Belehrungspflichten des § 81h Abs. 4 StPO dasselbe sagen. (2) Verstöße gegen die Schriftlichkeitsgebote Fraglich ist, ob dies auch auf Formfehler übertragen werden kann. Auch diese sind kein „Selbstzweck und deshalb und Berücksichtigung ihres Sinngehaltes auszulegen und anzuwenden“896. Hierbei ist zu differenzieren. Ist nur die Belehrung entgegen davon ausgeht, dass er noch gar nicht Beschuldigter sei und ihm deshalb ein solches Recht nicht zustehe); gleichsam Henkel, § 39, II., 3. a. E. 892 Diese bleibt ungeachtet etwaiger Kenntnis bestehen; ein Erhebungsfehler liegt also bei unterlassener oder mangelhafter Belehrung stets vor, vgl. BGHSt 38, 214 (224); 47, 172 (173); OLG Hamm, NStZ-RR 2006, 47; Diemer, in: KK-StPO, § 136, Rn. 27; Frank, S. 150; Gleß, in: LR-StPO IV/1, § 136, Rn. 33, 79; Kiehl, NJW 1993, 501 (502); Kretschmer, in: Radtke/ Hohmann, StPO, § 136, Rn. 29; Roxin, JZ 1992, 918 (924); a. A. LG Münster, StV 1981, 613 (615); Jäger, S. 160, der von einem Erhebungsverbot nur bei einer daraus resultierenden Beeinträchtigung des Schweigerechts ausgeht. 893 Vgl. BGHSt 25, 325 (331 f.) zu § 243 Abs. 4 S. 1 StPO a. F. = § 243 Abs. 5 S. 1 StPO n. F.; zur Geltung der Ausnahme eines Beweisverwertungsverbotes bei Kenntnis des Angeklagten hier vgl. OLG Stuttgart, NJW 1975, 703 (704). 894 Schmidt, NJW 1968, 1209 (1217); vgl. auch Mittag, JR 2005, 385 (387): „Diese Freiheit ist aber nicht gefährdet, wird einem Beschuldigten die Belehrung verweigert, der von seinem Schweigerecht selber weiß“. 895 BGHSt 47, 172 (173); NStZ-RR 2007, 80 (81); OLG Hamm, NStZ-RR 2006, 47; Bauer, S. 175; Eisenberg, Rn. 576; Gleß, in: LR-StPO IV/1, § 136, Rn. 79; Gundlach, S. 38 f.; Güntge, in: Alsberg, Beweisantrag, Kap. 5, Rn. 257; Hellmann, Rn. 51; v. Heydebreck, S. 132; Kretschmer, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 136, Rn. 29; Walther, in: AnwKo-StPO, § 136, Rn. 36; vgl. Monka, in: BeckOK-StPO, § 136, Rn. 24, der ein sicheres Feststehen der Kenntnis verlangt; i. E. auch Geppert, in: FS Oehler, 323 (337 f.); Schmidt, NJW 1968, 1209 (1217); vgl. hinsichtlich der Argumentation auch OLG Nürnberg, StV 2015, 155; OLG Celle, NJW 1993, 545; LG Saarbrücken, ZfS 2013, 590 (591); LG Münster, StV 1981, 613 (615 f.); AG Bayreuth, NZV 2003, 202 (203); a. A. aber BGHSt 38, 214 (224); vgl. ebenso den entsprechenden Vorlagebeschluss des OLG Celle, NStZ 1991, 403 (404) m. zust. Anm. v. Amelung, StV 1991, 454 (455 f.); ferner Ahlbrecht, in: HK-StPO, § 136, Rn. 41; Diemer, in: KK-StPO, § 136, Rn. 27, Rogall, in: SK-StPO II, § 136, Rn. 78, die nur bei völligem Fehlen von Anhaltspunkten für ein Verwertungsverbot plädieren; wohl auch Beulke, NStZ 1996, 257; ders., Jura 2008, 653 (657); ders./Swoboda, Rn. 179; Reiß, S. 292. 896 Zum Verwaltungsrecht BVerwGE 99, 326 (333); Weihrauch, VerwArch 82 [1991], 543 (557); zum bürgerlichen Recht Rummel, in: FS Osthein, 211 (215 f.).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
§ 81h Abs. 4 StPO nicht schriftlich erfolgt, kann auf das gerade Gesagte verwiesen werden. Impliziert wird, dass die Belehrung nicht stattgefunden hat. Hat die Belehrung nicht stattgefunden, wird impliziert, dass die die Einwilligung nicht freiwillig erfolgte und deshalb keine vorliegt. Zweifelhaft könnte indessen sein, ob dasselbe gilt, wenn die Einwilligungserklärung entgegen § 81h Abs. 1 StPO nicht schriftlich erteilt wurde. Zur Verletzung des Schriftformerfordernisses des § 81h StPO werden kaum spezifische Meinungen vertreten. Ob mit dem postulierten Beweisverwertungsverbot bei Einwilligungsmängeln generell auch ein solches für Verstöße gegen die Schriftlichkeit gefordert ist, mag bezweifelt werden. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass die Spezifika schlicht nicht beachtet wurden. Lediglich Krause erklärt einen Verstoß gegen die Schriftform für unbeachtlich897, begründet dies aber weiter nicht. Bei einem Verstoß gegen das Schriftlichkeitsgebot § 81f StPO wird von der herrschenden Meinung unter Berufung auf BGH, NStZ 2010, 157 vertreten, jedenfalls ohne Widerspruch folge kein Verwertungsverbot898. Rogall führt einschränkend aus, das Vorliegen einer Einwilligung müsse in diesem Fall anders bewiesen werden899. Dies würde einer Charakterisierung der Schriftform als unechte Einwilligungsvoraussetzung entsprechen. Es wird, allerdings auch ohne weitere Begründung und auch nur unter Berufung auf den BGH ferner vertreten, ein Verwertungsverbot komme immer dann in Frage, wenn keine zwangsweise DNAAnalyse mehr angeordnet werden könnte900. Damit wird der Gedanke der hypothetisch möglichen rechtmäßigen Beweisgewinnung bemüht. Auf Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses wird indessen nicht eingegangen. (a) Sinn und Zweck von Formerfordernissen im Zivilrecht und öffentlichen Recht Dies erscheint für eine sachgerechte Lösung aber notwendig. Alle Teildisziplinen des Rechts kennen Schriftlichkeitsgebote für Willenserklärungen. Im allgemeinen Zivilrecht bedarf etwa gem. § 766 BGB die Bürgschaftserklärung der Schriftform901, im öffentlichen Recht verlangt § 57 VwVfG für öffentlich-rechtliche Verträge grundsätzlich Schriftform, und im Strafverfahrensrecht gilt wie gesagt ein Schriftlichkeitsgebot für die Einwilligung in DNA-Analysen gem. § 81f StPO. Hinter diesen Erfordernissen steht keine einheitliche Idee, wenngleich Parallelen freilich nicht zu leugnen sind.
897
Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 37. Brauer, in: HK-StPO, § 81f, Rn. 11; Eisenberg, Rn. 1687, Fn. 192; Goers, in: BeckOKStPO, § 81f, Rn. 11; Krause, in: LR-StPO II, § 81f, Rn. 37; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81f, Rn. 9; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 22; vgl. auch Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1704; a. E.; Neuhaus, in: HK-GS, § 81f StPO, Rn. 8. 899 Rogall, in: SK-StPO II, § 81f, Rn. 28. 900 Vgl. Bosch, in: KMR-StPO, § 81f, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81f, Rn. 11. 901 Zur Ausnahme bei der Verbürgung durch einen Kaufmann s. § 350 HGB. 898
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Dem Schriftformerfordernis im bürgerlichen Recht werden mehrere Zwecke zugeschrieben. Neben dem Schutz des dem Schriftformerfordernis Unterworfenen vor übereilten Entscheidungen werden Beweissicherung und auch öffentliche Kontrolle als Zweck genannt902. Um im Beispiel des Bürgschaftsrechts zu bleiben: Das Schriftlichkeitsgebot des § 766 S. 1 BGB soll den Bürgen angesichts seiner uneingeschränkten Haftung für die Hauptverbindlichkeit warnen, vorschnell sich zu verbürgen903. Im Gegensatz zum Strafrecht und zum öffentliches Recht ist die Rechtsfolge von Formfehler im Zivilrecht gesetzlich geregelt. Gemäß § 125 S. 1 BGB führt der Verstoß gegen gesetzlich angeordnete Formerfordernisse zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes. Allerdings sind auch Ausnahmen vorgesehen. So heilt die Erfüllung der Hauptforderung durch den Bürgen gem. § 766 S. 3 BGB den Formmangel der Bürgschaft. Dahinter steckt der Gedanken, dass bei freiwilliger Leistung die Warnfunktion des Schriftformerfordernisses nicht mehr notwendig erscheint904. Wurde der Bürge aufgefordert, auf die Hauptverbindlichkeit zu leisten, wurde ihm schließlich spätestens in diesem Moment klar, auf was er sich eingelassen hatte. Leistet er gleichwohl, bedurfte es offensichtlich keiner Warnung. Aus dieser Erwägung ergibt sich auch die der Verzicht auf das Schriftformerfordernis bei Bürgschaftserklärungen eines Kaufmannes nach § 350 HGB. Weil der Kaufmann als erfahrener im Geschäftsverkehr als Privatpersonen und daher als weniger schutzwürdig gilt, soll eine zusätzliche Warnung nicht notwendig sein905. Das öffentliche Recht erscheint dagegen strenger: § 57 VwVfG ordnet grundsätzlich für alle Verträge auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts Schriftform an. Auch diese verfolgt mehrere Funktionen: So soll einmal ebenso eine Warnfunktion906 wie i. R. d. Bürgschaftserklärung verfolgt werden; außerdem soll eine klare Ab-
902
Vgl. schon die Motive der Ersten Kommission zur Einführung von Formzwang für bestimmte Rechtsgeschäfte bei Mugdan I, S. 451; s. ferner BGHZ 136, 357 (368); Einsele, in: MüKo-BGB I, § 126 BGB, Rn. 1; Häsemeyer, JuS 1980, 1 (1 ff.); Hertel, in: StaudingerFormvorschriften AT (2017), § 126 BGB, Rn. 6, 67 ff.; Regenfus, JA 2008, 161 (161 f.); Rummel, in: FS Osthein, 211 (218). 903 S. schon RGZ 57, 258 (263); außerdem die Denkschrift zum BGB bei Mugdan II, S. 1295; ferner BGHZ 24, 297 (301); 121, 224 (229); 132, 119 (122 f.); NJW 1998, 3708 (3709); ZIP 1997, 536 (538); NJW 1995, 1886 (1887); NJW 1993, 1261 (1262); OLG Düsseldorf, ZIP 2003, 1696 (1697); Habersack, in: MüKo-BGB VII, § 766, Rn. 1; Pamp, in: Oetker, HGB, § 350, Rn. 1; Regenfus, JA 2008, 161; ders., JA 2008, 246 (251); Rohe, in: BeckOK-BGB, § 766, Rn. 1 f.; Roth, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, § 350, Rn. 2; Sprau, in: Grüneberg, BGB, § 766, Rn. 1; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 766, Rn. 1; Staudinger, in: HK-BGB, § 766, Rn. 1; Stürner, in: Staudinger-Bürgschaft (2020), § 766 BGB, Rn. 1. 904 Habersack, in: MüKo-BGB VII, § 766, Rn. 29; Rohe, in: BeckOK-BGB, § 766, Rn. 2 a. E., 14; grundlegend zur Heilung durch Zweckerreichung Vollkommer, S. 356 ff. 905 BGH, NJW 1998, 3708 (3709); Hakenberg, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 350, Rn. 1; Pamp, in: Oetker, HGB, § 350, Rn. 1; Roth, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, § 350, Rn. 1; Schmidt, in: MüKo-HGB V, § 350, Rn. 1. 906 Dazu im Einzelnen BVerwGE 99, 326 (333); BVerwG, NVwZ 2005, 1083 (1084); Weihrauch, VerwArch 82 [1991], 543 (559).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
grenzung zu Vertragsverhandlungen ermöglicht werden907. Letztlich sei aber auch Beweissicherung908 hinsichtlich des Abschluss des Vertrages und seines Inhaltes bezweckt909. All diese Erwägungen würden aber auch auf jeden Vertrag zwischen Privaten passen. Gleichwohl gilt im bürgerlichen Recht Formfreiheit, während bei öffentlich-rechtlichen Verträgen grundsätzlich Formzwang besteht. Sucht man nach Gründen, so liegt der Gedanke nahe, dass bei Verträgen mit dem Staat grundsätzlich ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis für den Bürger angenommen wird. Hinsichtlich der Fehlerfolgen ist indessen eine Parallele zum Zivilrecht festzustellen: § 59 Abs. 1 VwVfG erklärt die Nichtigkeitsgründe des BGB für anwendbar. In Verbindung mit § 125 BGB folgt daraus die grundsätzlich Nichtigkeit nicht schriftlich abgeschlossener Verträge, wenngleich teilweise anderes für Ausnahmefälle angenommen wird910. Sowohl für das Zivilrecht als auch für das öffentliche Recht lässt sich mithin festhalten, dass sowohl der Entscheidung für oder wider ein strenges Formerfordernis als auch der Frage nach den Fehlerfolgen etwaiger Verstöße ein zweckorientierter Ansatz zugrunde liegt. Nun fehlt es im formellen wie materiellen Strafrecht an entsprechenden Regelungen. Für das materielle Recht ergibt sich dies freilich aus dem Gedanken, dass ein Vertrag zwischen Bürger und Staat nicht vorgesehen und angesichts des Gewaltmonopols des Staates auch zukünftig schwer vorstellbar ist. Allerdings fehlt es auch für Erklärungen im Strafverfahrensrecht an entsprechenden Vorschriften. Auffallend ist aber, dass es kein grundsätzliches Schriftlichkeitsgebot im Strafverfahrensrecht gibt. Ein solches ergibt sich wie aufgezeigt nicht aus § 51 BDSG, wenngleich aufgrund der Nachweispflicht des Einwilligungsempfängers nach Abs. 1 die Schriftform wohl die Regel sein wird911. Auch in der StPO selbst gibt es kein einheitliches Konzept. Die Einwilligung in eine Maßnahme nach § 81a StPO ist gem. Abs. 1 S. 2 grundsätzlich formfrei möglich. Dass die ganzen die DNA-Analytik betreffenden Vorschriften in der StPO Schriftform für Einwilligungen verlangen, muss demnach originär mit den Besonderheiten der DNA-Analytik zusammenhängen. 907
Vgl. zur Notwendigkeit der Schriftform für die Abgrenzung eines Entwurfes von einem Schriftsatz im Verwaltungsprozess auch BVerwGE 2, 190 (191); 36, 296 (298). 908 Dazu im Einzelnen BT-Drucks. 7/910, S. 81 (zu § 53 VwVfG des Entwurfes, der heute § 57 VwVfG entspricht); BVerwGE 99, 326 (333); NVwZ 2005, 1083 (1084); Weihrauch, VerwArch 82 [1991], 543 (559); zu diesem Zweck der Schriftlichkeit beim Einberufungsbescheid eines Wehrpflichtigen BVerwGE 56, 189 (192 f.). 909 Zu allen Zwecken Bonk/Neumann/Siegel, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 57, Rn. 2; Fehling, in: HK-VerwR, § 57 VwVfG, Rn. 2; Mann, in: NK-VwVfG, § 57, Rn. 6; Siegel/ Ziekow, VerwArch 95 [2004], 133 (134 f.). 910 BVerwGE 96, 326 (331, 332); jeweils m. w. N. zu den Ausnahmefällen Bonk/Neumann/ Siegel, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 59, Rn. 25; Fehling, in: HK-VerwR, § 57 VwVfG, Rn. 30; ders., in: HK-VerwR, § 59 VwVfG, Rn. 20; Mann, in: NK-VwVfG, § 57, Rn. 35; § 59, Rn. 70; Schlemminger, NVwZ 2009, 223; s. ferner OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 11. 12. 2000 – 2 A 11170/00, Rn. 23. 911 Ausführlicher o. Kap. 3 § 5 V. 3.
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(b) Sinn und Zweck des Schriftlichkeitsgebots in § 81h StPO Je nachdem, welche der aufgezeigten Funktionen man dem Schriftlichkeitsgebot zuordnet, muss man zu unterschiedlichen Fehlerfolgen gelangen. Würde man die Schriftform schlicht mit einer Beweisfunktion in Verbindung bringen, so wäre das Ergebnis relativ einfach zu ermitteln. Man müsste dann danach fragen, ob die Einwilligung anders bewiesen werden kann. Ist dies der Fall, müsste der Formmangel unbeachtlich sein. Die Funktion wäre schließlich auch so erfüllt. Davon scheint die h. M. bei § 81f StPO auszugehen. Anders könnte aber dann gelten, wenn das Schriftlichkeitsgebot eine Warnfunktion erfüllen würde. Dann könnte man annehmen, die Schriftlichkeit sicherere auch die Freiwilligkeit der Erklärung. Fehlt es an der Schriftlichkeit, so müsste das gelten, was oben bereits gesagt wurde: Der Formmangel würde Unfreiwilligkeit implizieren, womit es an einer Einwilligung an sich fehlen würde. Damit läge ein Beweisverwertungsverbot nahe. Für eine Warnfunktion würde grundsätzlich die besondere Gefährdungslage des Bürgers im Strafverfahren sprechen. Mehr noch als im Verwaltungsverfahren, wo wie aufgezeigt Formnichtigkeit die Regel ist, tritt der Bürger hier dem Staat in besonders schutzbedürftiger Position gegenüber. Schließlich ist das Strafverfahren von vorn herein darauf angelegt, in einem regelmäßig von vielen Grundrechtseingriffen begleiteten Ermittlungsverfahren Beweise für eine Hauptverhandlung zu sichern, in der u. U. eine Haftstrafe gegen den Angeklagten verhängt wird. Arbeitet der Bürger auf freiwilliger Basis mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen, so kann es leicht passieren, dass er sich unüberlegt selbst belastet und damit zu seiner eigenen Überführung beiträgt. Nicht umsonst zeigt Erw.-Gr. 35 JI-RL eine besondere Skepsis gegenüber Einwilligungen im Strafverfahren. Indessen sind all diese Argumente nicht der DNA-Analytik eigen. Auch im Bereich des § 81a StPO kann es passieren, dass der Beschuldigte sich unüberlegt selbst belastet und damit zu seiner eigenen Überführung beiträgt. Nun ließe sich damit argumentieren, die Grundrechtsintensität bei DNA-Analysen sei ungleich höher als im Bereich des § 81a StPO. Dies relativiert sich aber, wenn man bedenkt, dass § 81a StPO zur Liquorentnahme ermächtigt912. Weiter könnte der Beweiswert der DNA-Analyse ins Feld geführt werden. Auch wenn der Begriff „kriminalistische Wunderwaffe“ reichlich übertrieben ist, und auch an dieser Stelle betont sein will, dass der Beweiswert einer DNA-Analyse nicht überschätzt werden darf, so muss freilich konstatiert werden, dass zwei übereinstimmende DNA-Identifikationsmuster den Betroffenen näher an eine Verurteilung bringen als die meisten anderen Beweismittel, auch mehr als die meisten auf § 81a StPO gestützten Maßnahmen.
912
Vgl. zu Begriff und Zulässigkeit m. w. N. Fn. 40 (Kap. 4).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
Mit dem Beweiswert kann aber keine unterschiedliche Handhabung von Verstößen gegen das Schriftlichkeitsgebot des § 81f Abs. 1 StPO und solchen gegen das des § 81h StPO begründet werden. Schließlich ist der Beweiswert des jeweiligen Gutachtens genau derselbe. Man könnte sich nun der Frage widmen, ob nicht bereits die Annahme, innerhalb des § 81f StPO erfülle das Schriftlichkeitsgebot keine freiwilligkeitssichernde Funktion, nicht schon einer Korrektur bedarf. Ohne vertieft die hiesige Diskussion zu führen, betont der BGH aber, das Einverständnis des Betroffenen sei jedenfalls ein freiwilliges gewesen913. Auch wenn der BGH sich nicht mit der Funktion der Schriftlichkeit auseinandersetzt, so würde die Zuschreibung einer Warnfunktion nicht im Gegensatz zur Verwertung stehen. Denn schließlich hätte sich der Zweck – die Freiwilligkeitssicherung – auch so erfüllt. Zwischen § 81f und § 81h StPO besteht freilich ein Unterschied hinsichtlich der Stellung des Betroffenen im Verfahren: Bei § 81f StPO ist dieser entweder Beschuldigter oder Dritter i. S. d. § 81c StPO und zeichnet sich damit durch eine gewisse Tatnähe aus. Beim Teilnehmer an der Reihenuntersuchung fehlt es an einer entsprechenden Nähe. Nun ließe sich freilich argumentieren, dass der Teilnehmer insofern besonders schützenswert sei, weil er es noch gar nicht im Visier der Strafverfolgungsbehörden sei. Seine Selbstbelastung wäre wahrscheinlich der entscheidende Beweis, von dem fraglich ist, ob die die Strafverfolgungsbehörden ihn ohne Mitwirkung hätten führen können. Umgekehrt kann man aber ebenso gut vertreten, dass gerade der Beschuldigte in einem besonderen Maße schutzwürdig ist, weil gegen ihn schließlich Tatverdacht besteht. Die StPO selbst begründet für den Beschuldigten zwar viele Duldungspflichten, umgekehrt aber stehen ihm auch Rechte zu, die andere Verfahrensbeteiligte nicht in Anspruch nehmen können. Als Beispiel sei nur das Recht zu Schweigen genannt914. Gleichwohl hat das Argument insofern eine Berechtigung, als dass im Anwendungsbereich des § 81f StPO im Zweifel auch gegen den Willen des Betroffenen vorgegangen werden kann. Seine Einwilligung ist nicht so essentiell wie i. R. d. § 81h StPO. Dort kann er sich sicher sein, dass die Strafverfolgungsbehörden jedenfalls im Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme nicht mit Zwang gegen ihn vorgehen könnten. Außerdem gilt es freilich zu sehen, dass Einwilligung in eine Maßnahme nach § 81h StPO zu mehr Feststellungen ermächtigt als eine solche nach § 81f Abs. 1 StPO. Gerade die Verwertbarkeit eines Beinahetreffers und somit die Belastung eines Familienangehörigen ist dem § 81h StPO eigen. Diese erweiterte Feststellungsbefugnis könnte dafür sprechen, dem Schriftformerfordernis in § 81h StPO einen Warncharakter zu attestieren. 913 914
BGH, NStZ 2010, 157 (158). Ausführlicher zu dieser Ambivalenz Kap. 5 § 5 I. 2. b) bb) (3) (a).
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Jedoch gilt es auch zu sehen, dass die Belehrungsvorschrift ebenso, wenn nicht in stärkerem Umfang vor übereilten Entscheidungen warnt, indem sie die Tragweite der Entscheidung verdeutlicht. Es kann daraus aber nicht geschlussfolgert werden, dem Schriftlichkeitsgebot wohne e contrario kein entsprechender Charakter inne. Die Belehrung erfolgt logischerweise vor der Einwilligung. Das Unterzeichnen der Einwilligungserklärung hat gewissermaßen eine Abschlussfunktion, mit der Teilnehmer ungeachtet der Widerrufsmöglichkeit die Erhebung und Verwertung der angestrebten Daten billigt. Ob der Widerruf noch rechtzeitig kommt, hängt von der Geschwindigkeit des staatlichen Handelns ab, und der Widerruf berührt gem. § 51 Abs. 3 S. 2 BDSG nicht die Rechtmäßigkeit der vorherigen Verarbeitung. Der Abgabe der Einwilligungserklärung markiert insofern eine Zäsur. Summa summarum spricht mehr dafür, dem Schriftlichkeitsgebot in § 81h Abs. 1 StPO einen Warncharakter zuzuschreiben. (c) Ergebnis Eine nicht schriftlich abgegebene Einwilligung impliziert damit fehlende Freiwilligkeit. Fehlt mit der Freiwilligkeit eine echte Einwilligungsvoraussetzung, folgt daraus ein Beweisverwertungsverbot. Zusammengefasst gilt hinsichtlich der Schriftlichkeit der Einwilligung dasselbe wie für die Belehrung: Liegen Mängel vor, ist grundsätzlich von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen. Hat sich der Zweck der Verfahrensvorschrift aber auch andere Weise erfüllt, dürfen die Erkenntnisse verwertet werden. d) Zur hypothetischen Beweisgewinnung nach Durchführung der Untersuchung gem. §§ 81a, 81e StPO Nicht von Hand zu weisen ist prima facie das Argument Boschs, nach dem es keinen Sinn ergäbe, bei Einwilligungsfehlern von einem Beweisverwertungsverbot ausgehen, wenn nach Durchführung der DNA-Reihenuntersuchung die Voraussetzungen der §§ 81a, 81e Abs. 1 StPO im Hinblick auf denjenigen gegeben sind, dessen Einwilligung fehlerhaft war915. Der Argumentation, die die Rechtsfigur der hypothetisch möglichen rechtmäßigen Beweisgewinnung bemüht, liegt folgender Fall zugrunde: Man nehme an, alle Teilnehmer an der DNA-Reihenuntersuchung willigten wirksam in die Teilnahme ein, außer einer. Sie scheiden alle als Spurenleger aus, außer der letztgenannte. Sein DNA-Identifikationsmuster stimmt mit dem des Spurenlegers überein. Hätte er nicht unwirksam, sondern gar nicht teilgenommen, stünde er nun im Verdacht, der Spurenleger zu sein. Schließlich sind doch alle anderen Merkmalsträger als Spurenleger auszuschließen. Ob man nun die auf der Analyse gem. § 81h StPO fußenden Beweise gegen ihn verwertet oder ob man eine
915 Bosch, in: KMR-StPO, § 81h, Rn. 21, ders., in: SSW-StPO, § 81h, Rn. 18; zust. auch Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 23.
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
zwangsweise DNA-Untersuchung gem. §§ 81a, 81e StPO anordnet und ggf. vollstreckt, ist im Ergebnis einerlei. Wollte man verfassungsrechtliche Gründe ins Feld führen, so ließe sich noch vorbringen, es sei sogar im Hinblick auf das Erforderlichkeitsgebot als Teil des Verhältnismäßigkeitsprinzips bedenklich, wenn der Staat Zwangsmaßnahmen durchführt, um einen Beweis zu erlangen, den er schon hat. Jenes Argument relativiert sich freilich, wenn bedenkt, dass erstens eine Vollstreckung nicht notwendig wäre, wenn der Betroffene einfach nochmals, und dieses Mal wirksam, einwilligt (was aber nur täte, wenn er davon ausgehen müsste, dass die rechtswidrig gewonnenen Erkenntnisse ohnehin verwertet würden), und zweitens die Verwertung rechtswidrig gewonnener Erkenntnisse ebenso einen erneuten Grundrechtseingriff darstellen würde. Tatsächlich ist der Fall aber eher theoretisch als praktisch jemals relevant. Denn die hiesige Diskussion stellt sich nur in dem wohl äußerst seltenen Fall, dass der Spurenleger, der unwirksam einwilligt, dies als letzter Teilnehmer tut. Ansonsten, etwa wenn er der zehnte von 10.000 Merkmalsträgern wäre, ist die Maßnahme nicht zu weiterzuführen, sondern abzubrechen. Denn die Erhebung neuer DNA-Identifikationsmuster wäre nicht mehr erforderlich zur Feststellung, von wem das Spurenmaterial stammt, vgl. § 81h Abs. 1 StPO916. Es ist in diesem Fall nicht wie fiktiv angenommen, dass Tatverdacht besteht, weil alle anderen Merkmalsträger als Spurenleger ausgeschieden sind. Um im Beispiel zu bleiben: Haben 9.900 Merkmalsträger nicht teilgenommen, besteht wohl kaum gegen diese Verdacht. Der Verdacht gegen den Spurenleger würde einzig darauf gründen, dass man das Ergebnis der DNA-Reihenuntersuchung verwendet. Keineswegs kann davon ausgegangen werden, dasselbe Ergebnis ließe sich nach Abschluss der DNA-Reihenuntersuchung „ohne weiteres“ über §§ 81a, 81e StPO erzielt werden, wie Bosch annimmt. Das gilt u. U. sogar in den seltenen Fällen, dass der Spurenleger tatsächlich der letzte Teilnehmer ist, die DNA-Reihenuntersuchung also wirklich zu Ende gebracht werden musste und nicht vorzeitig zu beenden war. Die Voraussetzungen der §§ 81a, 81e StPO lägen in diesem Fall auch nur dann vor, wenn fast alle Merkmalsträger teilgenommen haben. Fehlen von den 10.000 aber 500, kann nicht angenommen werden, gegen den Spurenleger bestünde Tatverdacht, weil er Mitglied der Gruppe der 501 Personen ist, die nicht auf rechtmäßige Weise teilgenommen haben. Das Argument der möglichen Beweisgewinnung nach Durchführung der Maßnahme ist eines, das auf sehr seltene Ausnahmefälle beschränkt ist. Die vorstehenden Überlegungen zu entkräften ist es daher grundsätzlich nicht geeignet.
916
Auch im Hinblick auf dann notwendige Löschungen s. Kap. 5 § 3 II. 1. c) aa).
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II. Fehler bei den Anordnungsvoraussetzungen Ist die Einwilligung scheinbar wirksam, so stellt sich endlich das Problem, wie sich Mängel i. R. d. Anordnung auswirken. Man denke eine Anordnung durch Staatsanwaltschaft oder gar Polizei unter Außerachtlassung des Ermittlungsrichters; man denke an den Fall, in dem von Vorherein erkennbar war, dass eine Anlasstat nicht geschehen war917; man denke aber auch schlicht an den Fall fehlender Verhältnismäßigkeit – etwa, weil das Tatgericht entgegen dem Ermittlungsrichter die Anzahl der betroffenen Personen für zu groß erachtet. 1. Vorgefundene Ansätze In der Literatur findet sich häufig der allgemein Hinweis, bei und wegen wirksamer Einwilligung führe ein Mangel bei den Anordnungsvoraussetzungen nicht zu einem Beweisverwertungsverbot918. Die Einwilligung kompensiere oder rechtfertige der Anordnung anhaftende Mängel919. Lediglich bei absolut willkürlichen und vorsätzlichen Überschreitungen des gesetzliches Rahmens soll dies nicht gelten920. Zu einem Verwertungsverbot soll auch führen, wenn es sich um solch „schwerwiegende“ Mängel handelte, die das gesetzgeberische Konzept des § 81h StPO konterkarierten921. Nur Neuhaus vertritt, ein Verstoß gegen das Gebot richterlicher Anordnung müsse zu einem Verwertungsverbot führen, wie dies bei anderen strafprozessualen Maßnahmen der Fall sei922.
917 Dieser Fall ist zu unterscheiden von dem, in dem zwar zum Zeitpunkt der Anordnung der Maßnahme eine zutreffende Prognose hinsichtlich der Anlasstat vorlag, diese sich jedoch der Erwartung zum Trotz als falsch herausgestellt hat. Beispiel für letzteres sei die zulässige Annahme, man habe es mit einem Mord gem. § 211 StGB zu tun, während sich am Ende herausstellt, dass mangels Vorsatz nur fahrlässige Tötung gem. § 222 StGB in Betracht kommt. Beispiel für den dogmatisch hier zu verortenden Fall sei, dass von Vorherein nur eine einfache Körperverletzung gem. § 223 StGB im Raume stand, die Strafverfolgungsbehörden aber von einer schweren gem. § 226 StGB ausgingen, etwa aus dem Grund, weil das Opfer schwere psychische Schäden erlitt und sie daher bemüht waren, auch über § 81h StPO den Täter zu fassen. Zum Unterschied der Fälle und zum ersteren s. oben bereits Kap. 5 § 4 I. 4. 918 Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81h, Rn. 9; Brauer, in: HK-StPO, § 81h, Rn. 14; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81h, Rn. 14; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81h, Rn. 11; Krause, in: LR-StPO II, § 81h Rn. 36; Pommer, JA 2007, 621 (626); Rogall, in: SK-StPO I, § 81h, Rn 36; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81h, Rn. 17; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 23; Walter, in: AnwKo-StPO, § 81h, Rn. 22. 919 Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 36; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 23. 920 Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 36; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81h, Rn. 23. 921 Krause, in: LR-StPO II, § 81h, Rn. 36. 922 Neuhaus, in: HK-GS, § 81h StPO, Rn. 9.
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2. Stellungnahme Soweit die Parallele zur Dogmatik der Beweisverwertungsverbote bei anderen Zwangsmaßnahmen das einzige Argument für diese abweichende Meinung sein soll, kann dies nicht durchschlagen. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt i. R. v. § 81a StPO grundsätzlich nicht, sondern nur bei willkürlicher Missachtung zu einem Beweisverwertungsverbot führt923. Umgekehrt würde das Ziehen einer Parallele eher den Schluss nahelegen, der Verstoß gegen das Gebot richterlicher Anordnung sei i. d. R. unbeachtlich. Das implizite Abstellen auf die Einwilligung als „Allheilmittel“924 lässt gleichwohl die Berücksichtigung der dogmatischen Art der Einwilligung i. R. d. § 81h StPO, sowie der Möglichkeit einer solchen und ihrer Reichweite vermissen. Es ist mithin unbefriedigend, einzig auf die Einwilligung zu verweisen – ungeachtet einer etwaigen Richtigkeit des Ergebnisses. a) Zur Konnexität von Einwilligung und Anordnungsvoraussetzung Einen richtigen Ansatz hat der BGH in seinem Urteil zur Verwertbarkeit des Beinahetreffers vor deren expliziten Legalisierung gewählt: Er betont in diesem Zusammenhang, die Erhebung und Verwertung des Beinahetreffers sei durch § 81h StPO nicht gedeckt gewesen. Folglich erstrecke sich die Einwilligung der Teilnehmer auch nicht darauf925. Dass es sich im Fall des BGH um eine Frage nach der Folge von Fehlern bei der Verwendung der gewonnenen Erkenntnisse handelt, und nicht um Anordnungsmängel, ist nicht von Belang. Der BGH betont völlig zu Recht die Konnexität von Einwilligung und den Grenzen des § 81h StPO. Wie ein Gesetz einen Grundrechtsrechtseingriff nur insoweit rechtfertigen kann, wie es einen grundrechtlichen relevanten Sachverhalt regelt, so kann eine Einwilligung einen Grundrechtseingriff auch nur insoweit vom Vorwurf der Rechtsverletzung befreien, wie sie erteilt wurde. Um ein Beispiel zu geben: Unabhängig von Einzelheiten dürfte unstreitig sein, dass § 81a StPO nicht zur Aufnahme von Fingerabdrücken ermächtigt. Weder handelt es sich um eine körperliche Untersuchung oder einen körperlichen Eingriff auch unter Annahme des denkbar weitesten Verständnisses dieser Termini, noch könnte ansonsten die Existenz des § 81b StPO erklärt werden. Willigt eine Person, die der Trunkenheitsfahrt beschuldigt ist, in eine Maßnahme ein, die von § 81a StPO erfasst ist (z. B. die Entnahme einer Blutprobe), so wäre es völlig abwegig, eine anschließende Aufnahme von Fingerabdrücken auf diese Einwilligung zu stützen. Die Einwilligung deckt das nicht ab. Vielmehr müsste geprüft werden, ob die Voraussetzungen des § 81b StPO vorliegen. Ist dies nicht der Fall, etwa weil 923
Kap. 4 § 5 I. 1. m. w. N. in Fn. 711 (Kap. 4). Vgl. zur Formulierung den Titel des vom Bayerischen Anwaltsverband herausgegeben Sammelbandes, aus dem hier Beiträge von Kolz, Petri, Saliger und Singer zitiert wurden. 925 BGHSt 58, 84 (91 f., Rn. 20; 94, Rn. 26). 924
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unstreitig ist, dass der Beschuldigte gefahren ist und deshalb dieser Nachweis nicht durch Fingerabdrücke auf dem Lenkrad des Fahrzeuges geführt werden, so muss die Aufnahme von Fingerabdrücken unterbleiben. Erfolgt sie gleichwohl, handelt es sich um einen Grundrechtseingriff, der in diesem Fall eine Grundrechtsverletzung ist, weil er auf § 81b StPO mangels Notwendigkeit nicht gestützt werden kann und eine andere Ermächtigungsgrundlage nicht ersichtlich ist. Ist hingegen die Eigenschaft als Führer des Fahrzeugs streitig und kann die Aufnahme von Fingerabdrücken entsprechend Klarheit erzeugen, handelt es sich immer noch um einen Grundrechtseingriff, der dieses Mal aber von § 81b StPO gerechtfertigt ist. In keinem Fall aber ist die Einwilligungserklärung Rechtfertigungsgrund. Dies galt in der Einwilligungsdogmatik vor den Implikationen der JI-RL und des BDSG ebenso wie es danach gilt. Im alten Rechtszustand konnte der Bürger grundsätzlich in strafprozessuale Grundrechtseingriffe einwilligen in den Grenzen, die sich aus der Dogmatik um den Grundrechtsverzicht und dem einfachen Recht (§ 136a Abs. 3 StPO) ergeben. Solange man nicht vertrat, ungeachtet des § 81h StPO könne der Bürger nicht in die Erhebung von Beinahetreffern einwilligen, war er grundsätzlich frei, dies zu tun. Wenn er aber eine Einwilligung wirksam erteilen konnte, die die Erhebung gedeckt hätte, so konnte er erst recht eine Einwilligung abgeben, die dies nicht tat. Letzteres wäre gewissermaßen ein Minus zu weiteren Einwilligung. Unter der neuen Dogmatik braucht die Einwilligung der Zulassung durch den Gesetzgeber. Freilich kann der Gesetzgeber Einwilligungen in spezielle Maßnahmen grundsätzlich zulassen, ohne die Reichweite zu begrenzen oder dies vom Vorliegen besonderer Voraussetzungen abhängig zu machen. Er kann aber auch Voraussetzungen für Einwilligungen aufstellen. Wiederum ist dies ein Minus zur weiteren Zulassung der Einwilligung. Dies ist im Fall des § 81h StPO geschehen, wenngleich nicht zielbewusst, weil die Norm älter ist als Umkehr in der Einwilligungsdogmatik. b) Konsequenzen für Fehler i. R. d. Anordnung Sieht man § 81h StPO demzufolge heute als einwilligungszulassende Norm926, so lässt sich festhalten, dass der Merkmalsträger nur insoweit einwilligen und mithin der Staat eine Einwilligung nur insoweit entgegennehmen kann, wie § 81h StPO es zulässt. Da die Einwilligung aber mehr nicht zulassen, eine weiterreichende Einwilligung nicht wirksam erteilt werden kann, und es – anders als im Beispiel des der Trunkenheitsfahrt Verdächtigen – auch keine Ermächtigungsgrundlage gibt, die zwangsweise Maßnahmen rechtfertigen können, führt ein Mangel innerhalb der Anordnung zur Extralegalität des staatlichen Handelns. Der Staat bewegt sich außerhalb der von ihm selbst auferlegten Grenzen. Die Einwilligung kann nicht 926
S. zum Wandel der Norm schon Kap. 5 § 5 III. 2. b) cc) (2).
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Kap. 5: Die DNA-Reihenuntersuchung nach § 81h StPO
rechtfertigend oder kompensatorisch wirken, wie dies die ganz herrschende Meinung betont. Damit ist aber nichts über die Frage der Verwertbarkeit gesagt. Von den Fehlern innerhalb der Einwilligung unterscheidet sich die hier diskutierte Frage insofern, als dass ein Anordnungsfehler alle Analysen betrifft, und nicht die beim einzelnen Teilnehmer. Hinsichtlich derjenigen Teilnehmer, die nicht als Spurenleger in Betracht kommen, muss kein Beweisverwertungsverbot gegen den Spurenleger angenommen werden. Diese werden schließlich im Prozess gegen diesen nicht verwendet. Fraglich sind die Auswirkungen nur hinsichtlich des Ergebnisses, dass eine Teilnahme des Spurenlegers hervorbringt Der BGH widmet sich in seinem Fall nach der beschriebenen Feststellung der Abwägungslehre. Ungeachtet der Richtigkeit dieses Vorgehens im zugrunde liegenden Fall, und ungeachtet grundsätzlicher Bedenken gegen die Abwägungslehre, erscheint dies auch bei Anordnungsmängeln i. R. d. § 81h StPO sachgerecht. Die Anwendung der Abwägungslehre wird jedoch häufig zu einem Beweisverwertungsverbot führen. Grundsätzlich streitet zwar die Schwere der Anlasstat gegen ein Beweisverwertungsverbot – jedenfalls, soweit der Mangel nicht jene betrifft. War hingegen die Anlasstat kein versuchter Mord, sondern nur eine (vollendete) schwere Körperverletzung, muss das Gewicht jenes Parameters relativiert werden. Eine rechtmäßige Beweisgewinnung wäre nicht möglich gewesen, weil die §§ 81a bzw. 81c i. V. m. § 81e StPO nicht einschlägig sind und es für weitergehende DNA-Reihenuntersuchungen an einer Ermächtigungsgrundlage fehlt. Erkennt man, dass die Einwilligung kein rechtfertigendes Element bei normüberschreitenden Maßnahmen hat, so handelt es sich bei der Maßnahme um einen Grundrechtseingriff, der im Hinblick auf die Anzahl der Betroffenen, die selbst keinerlei Anlass zum Eingriff gegeben haben, ein besonders schwerer ist. Dies gilt alles unabhängig davon, ob nun der Verstoß vorsätzlich geschehen ist oder noch vertretbar war. Der Gesetzgeber hat § 81h StPO ganz bewusst als „ultima ratio“ ausgestaltet. Sowohl er als auch die gesetzesanwendenden Organe müssen sich dieser Entscheidung fügen. Jede Überschreitung der Anordnungsvoraussetzungen für § 81h StPO ist mithin eine solch schwerwiegende, dass die gesetzgeberische Entscheidung konterkariert würde, ließe man eine Verwertung trotz Verstoßes zu. Jene bewusste Entscheidung hat zur Folge, dass das staatliche Vorgehen eine Zwangsmaßnahme darstellt, weil es nicht mehr von der Einwilligung gedeckt ist. Damit würde auch bei bloßen Verstößen gegen die Anordnungsvoraussetzungen, die die Einwilligung unberührt lassen, § 81h StPO zu etwas, was es nie sein sollte: Zu einer Zwangsmaßnahme. c) Zusammenfassung Damit ist entgegen der ganz herrschenden Meinung auch bei Verstößen gegen die Anordnungsvoraussetzungen grundsätzlich von einem Beweisverwertungsverbot
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auszugehen. Einwilligung einerseits und Anordnungsvoraussetzungen andererseits können nicht isoliert voneinander betrachtet werden. § 81h StPO verknüpft beide dergestalt miteinander, dass Anordnungsmängel nur sachgerecht im Hinblick auf die Reichweite der Einwilligung beurteilt werden können.
Kapitel 6
DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren Aus einer rein kriminalistischen Sicht erscheint es zweifelsohne sinnvoll, ein einmal gewonnenes DNA-Identifikationsmuster zu speichern: Soll eine DNAAnalyse in einem bereits laufenden Strafverfahren eingesetzt werden, so stellt sich das Problem, dass zwar DNA am Tatort gefunden wird, man aber nicht weiß, von wem sie stammt. Ehe Maßnahmen gem. §§ 81a, 81e StPO in Betracht kommen kann, muss erst einmal feststehen, wer überhaupt Adressat der Maßnahme sein soll. Um diesen zu ermitteln müssen grundsätzlich konventionelle Maßnahmen eingesetzt werden – also etwa Zeugen gefunden und nach einer Beschreibung des Täters oder nach Mutmaßungen, wer denn möglicherweise als solcher in Betracht kommen könnte, befragt werden. Dieses Vorgehen kann viel Zeit und personelle Mittel in Anspruch nehmen und muss nicht zwingend zum Spurenleger führen. Viel einfacher ist es freilich, wenn man das aufgefundene DNA-Identifikationsmuster mit solchen abgleicht, die bereits gespeichert wurden. Man muss sich diesen Vorgang vorstellen als Entwickeln eines Codes (das aufgefundene DNA-Identifikationsmuster). Dieser Code wird dann mit allen Codes, die bereits gespeichert wurden, durch einen Computer abgeglichen. Erhält man eine Übereinstimmung, wird entweder angezeigt, von wem das gespeicherte und damit auch das aufgefundene DNA-Identifikationsmuster stammt, sodass die vorbezeichnete Mehrarbeit obsolet wird, oder es wird wenigstens klar, dass das aufgefundene DNA-Identifikationsmuster bereits in einem anderen Verfahren aufgefunden, wenn auch noch nicht zugeordnet wurde. Unter welchen Voraussetzungen ein DNA-Identifikationsmuster nun gespeichert werden darf, regelt § 81g StPO. Um die Bedeutung dieser Ermittlungsmaßnahme zu verdeutlichen: Laut Informationen des Magazins „DER SPIEGEL“ hat sich die Anzahl der einer Person zugeordneten DNA-Identifikationsmuster von 72.000 im Jahre 2000 auf 450.000 im Jahre 2007 erhöht1, nachdem für das Jahr 2001 von ca. 110.000 registrierten Personen ausgegangen wurde2. Für Stand März 2020 spricht das BKA selbst von ca. 870.000 registrierten Personen. Dazu kommen 358.000 DNA-Identifikations-
1
Vgl. Lill, DER SPIEGEL v. 05. 03. 2007. Zahlen i. H. v. 3 Million, wie sie bei Knierim, in: FS Dahs, 313 (315) auch unter Berufung auf SPIEGEL-Informationen zu finden sind (vgl. a. a. O. Fn. 9) scheinen daher übertrieben zu sein. 2 Hohoff/Brinkmann, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 29 (37).
§ 1 Zur Notwendigkeit einer speziellen Ermächtigungsgrundlage
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muster, die noch keiner Person zugeordnet werden können3. Insgesamt sind mithin 1.280.000 DNA-Identifikationsmuster gespeichert. Geht man von einer Gesamtbevölkerung von 82.000.000 Einwohnern in der Bundesrepublik Deutschland aus, heißt dies, dass die DNA-Identifikationsmuster von 1,5 % der Bundesbürger gespeichert sind.
§ 1 Zur Notwendigkeit einer speziellen Ermächtigungsgrundlage aus datenschutzrechtlicher Perspektive und zur Geschichte der Norm Wie bereits aufgezeigt wurde, ist der Umgang mit Erkenntnissen aus Maßnahmen nach § 81e StPO und § 81h StPO gesetzlich reglementiert. DNA-Identifikationsmuster, die bei einer DNA-Reihenuntersuchung gem. § 81h StPO anfallen, dürfen nur zur Aufklärung der Anlasstat verwendet werden. Danach sind sie zu löschen. Für eine Speicherung bleibt daher kein Raum4. Bei Analysen im laufenden Strafverfahren gem. §§ 81a bzw. 81c i. V. m. § 81e StPO gilt zwar, dass diese auch in anderen, bereits anhängigen Strafverfahren eingesetzt werden können, nicht aber in einem solchen, das im Zeitpunkt der Analyse noch gar nicht anhängig war5. Für die Speicherung für derartige Zwecke fehlt damit in den §§ 81e, 81h StPO eine Ermächtigungsgrundlage. Greifen die Strafverfolgungsbehörden gleichwohl auf Erkenntnisse dieser Maßnahmen zurück, so liegt eine Zweckentfremdung vor, die der Rechtfertigung bedarf6. Greifen die Strafverfolgungsbehörden hingegen nicht auf bereits gewonnene Erkenntnisse zurück, sondern wollen sie die DNA-Analyse und Speicherung unabhängig von laufendenden oder vergangenen Verfahren durchführen, liegt zwar keine Zweckentfremdung vor – von welchem Zweck sollte abgewichen werden, wenn noch gar nichts geschehen ist? Gleichwohl handelt es dann um einen originären Grundrechtseingriff – und zwar dann nicht nur in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Speicherung, sondern freilich auch durch die DNA-Analyse selbst –, der wiederum der Rechtfertigung bedarf7. Hierfür
3
S. Auskunft des BKA auf dessen Homepage, https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/ Ermittlungsunterstuetzung/Erkennungsdienst/erkennungsdienstnode.html;jsessionid=116 B832DD3706483EB4C89C12526A338.live2301; zuletzt abgerufen am 21. 02. 2021, 14.30 Uhr; ähnliche Zahlen finden sich für das Jahr 2018 bei Arzt, in: Lisken/Denninger, Hdb. PolR, G., 1233; Rath, GSZ 2018, 67, für das Jahr 2017 bei Stenger, Kriminalistik 2017, 491 (492). 4 So dazu schon Kap. 5 § 3. II. 2. 5 Kap. 4 § 3 III. 1. 6 Vgl. hier statt vieler nur BVerfGE 65, 1 (44 f.). 7 Dazu Kap. 3 § 3 I. 2., 3.; s. auch Rackow, S. 176.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
kommen wegen der eingeschränkten Verwendungsmöglichkeiten § 81e StPO oder § 81h StPO nicht in Betracht. Unabhängig von vorhandenen Erkenntnissen bedarf die Speicherung von DNAIdentifikationsmustern für künftige Verfahren einer Ermächtigungsgrundlage. Diese hätte theoretisch zwar in die §§ 81e, 81h StPO eingefügt werden können. Stattdessen hat sich das Gesetzgeber aber mit § 81g StPO für eine gesonderte Ermächtigungsgrundlage entschieden, welche 1998 Gesetz wurde8. Ursprünglich hat der Gesetzgeber aus welchen Gründen auch immer9 ein Bedürfnis gesehen, den Einsatz in von DNA-Analytik in noch bevorstehenden Strafprozessen nicht einheitlich in § 81g StPO, sondern zusätzlich noch im DNA-Identitätsfeststellungsgesetz (DNA-IFG) zu regeln. Die heutigen Abs. 4 und 5 des § 81g StPO entsprachen in der ursprünglichen Fassung weitgehend §§ 2 und 3 des DNA-IFG. In gesetzgebungstechnisch wenig geglückter Form wurde DNA-IFG zur Präzisierung um die §§ 2a bis 2e und eine Anlage ergänzt10, ehe der Gesetzgeber sich entschloss, „einen Betrag zur Rechtsbereinigung“11 zu leisten, indem er die Zweiteilung beendete und das DNA-IFG teilweise in § 81g StPO überführte, teilweise aber auch die Präzisierungen aufhob und damit das DNA-IFG insgesamt außer Kraft treten ließ12. Auch wenn das DNAIFG seit nun mehr über 15 Jahr nicht mehr Gesetz ist, kann es dennoch fruchtbar gemacht werden, um den die heutige Fassung des § 81g StPO auszulegen, wie sich insb. bei der Auslegung des für § 81g StPO wichtigen Begriffes der Straftat von erheblicher Bedeutung zeigen wird13.
§ 2 Körperzellentnahme nach § 81g Abs. 1 S. 1 StPO § 81g Abs. 1 S. 1 StPO ist Ermächtigungsgrundlage sowohl für die Körperzellentnahme als auch für die sich anschließende DNA-Analyse originär zu Zwecken der Beweisführung in künftigen Verfahren. Die Norm greift also dann, wenn noch keine 8 Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung (DNA-Identitätsfeststellungsgesetz) vom 07. 09. 1998, BGBl. I, S. 2646. 9 Die vom Gesetzgeber angedachte Funktion einer Übergangsregelung für Altfälle (vgl. BTDrucks. 13/10791, S. 5; 14/445, S. 5) war jedenfalls nicht überzeugend, da ein entsprechendes Bedürfnis für eine Anordnung nach Verurteilung oder Gewinnung generell und nicht nur für Fälle vor Inkraftreten des Gesetzes bestand, vgl. Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 7; krit. zur Zweiteilung unter dem Aspekt der Normklarheit schon Schewe, JR 2006, 181 (185). 10 Vgl. Art. 10 des Entwurfes eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechtes – Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 (StVÄG 1999); BT-Drucks. 14/1484, S. 13 f.; später durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes v. 02. 06. 1999 (BGBl. I, S. 1242 ff.) Gesetz geworden. 11 BT-Drucks. 15/15674, S. 8. 12 Art. 4 des Gesetzes zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse vom 12. 08. 2005, BGBl. I, S. 2360 ff. 13 S. unten Kap. 6 § 5 I. 1. b) bb).
§ 2 Körperzellentnahme nach § 81g Abs. 1 S. 1 StPO
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DNA-Analyse beim Betroffenen durchgeführt wurde. Der Gesetzgeber hat sich bei der Schaffung des § 81g StPO darauf beschränkt, eine Ermächtigungsgrundlage zu schaffen, nach der unter Voraussetzungen, auf die unten genauer einzugehen sein wird14, „Körperzellen entnommen“ werden können. Zu den Modalitäten der Entnahme schweigt die Norm. Ob die Mutmaßung Rogalls, eine konkretere Ausgestaltung durch den Gesetzgeber sei im Vertrauen auf die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unterblieben15, zutrifft, vermag nur letzterer beantworten. Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich jedenfalls keine weitere Konkretisierung. Ungeachtet gesetzgebungstechnischer Stilfragen und dem fast immer erhebbaren Einwand fehlender Normklarheit, der, sollte er gehört werden, sein Gegenstück im Vorwurf einer zu detailreichen Regelung finden würde, wäre das Vertrauen theoretisch jedenfalls nicht unbegründet, dann freilich gilt der Verhältnismäßigkeitsgrund bei allem staatlichen, grundrechtsintensiven Handeln16 und damit auch i. R. d. § 81g StPO17. Ohne größere Bedenken kann deshalb auf die Ausführungen zu § 81a StPO verwiesen werden18, zumal es sich hier wie da um einen Beschuldigten handelt19. In methodischer Hinsicht bedarf es dazu aber keiner Analogie20, da es bereits an einer Regelungslücke mangelt. Schließlich gibt es in § 81g Abs. 1 S. 1 StPO eine Ermächtigung zur Körperzellentnahme, die unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgelegt werden. Grundsätzlich hat die Körperzellentnahme mithin durch „Speichelprobe“ zu erfolgen21. Der Mit14
S. u. Kap. 6 § 5 und § 6. Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 12; ebenso Rackow, S. 36. 16 Kühne, in: LR-StPO I, Einl., Abschnitt I, Rn. 96; ders., § 24, Rn. 406. 17 OLG Jena, NJW 1999, 3571; OLG Zweibrücken, NJW 1999, 300; LG Zweibrücken, StV 1999, 303; Altendorfer, S. 167 f.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 24; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 24; Eisenberg, Rn. 1698b a. E.; Krause, in: FS Rieß, 261 (262); ders., in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 4, 5 ff., 9; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 13; Roxin/Schünemann, § 33, Rn. 23; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 14; West, S. 60. 18 Im Ganzen Kap. 4 § 1 I. 1.; gleichsam verweisend Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 4; Limbeck, S. 62; Rackow, S. 36 f. 19 Vgl. Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 12, der dies zwar anerkennt, gleichsam aber betont, § 81g StPO liege in struktureller Hinsicht zwischen § 81a und § 81c StPO, weil der Betroffene zwar wie i. R. d. § 81a StPO Beschuldigter sei, die Maßnahme aber nicht erfolge, um den der Beschuldigteneigenschaft zugrundeliegenden Verdacht zu erhärten. Mit § 81c StPO hat dies indessen aber nichts zu tun, weil jene Maßnahme ebenso wie § 81a StPO vergangenheitsund nicht zukunftsgerichtet ist. 20 So aber Altendorfer, S. 168; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 24; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 24; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 9; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 13; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 14; West, S. 60; direkt auf § 81a StPO abstellend Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 2. 21 BGH ErmR, Beschl. v. 17. 04. 2002 – 1 BGs 106/2002, S. 4; Altendorfer, S. 168; Amelung/Funcke-Auffermann, StraFo 2004, 265 (272); Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 2; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 24; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 24; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 5; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 15; König, Kriminalistik 1999, 325; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 4, 72; Limbeck, S. 63; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 3; Seibel/Gross, StraFo 1999, 117; Trück, in: MüKo15
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
wirkung eines Arztes bedarf es entgegen einzelner Stimmen22 in der Literatur in diesen Fällen nicht23.
§ 3 Feststellungs- und Untersuchungsverbote Für den eigentlichen Vorgang der DNA-Analyse ist § 81g Abs. 1 S. 1 StPO ebenso Ermächtigungsgrundlage. Die gesetzgeberische Stilistik entspricht insofern § 81h Abs. 1 StPO. In beiden Fällen wird entgegen dem Regelfall der Analyse gem. § 81e StPO auf eine gesonderte Regelung für Körperzellentnahme (§§ 81a, 81c StPO) und DNA-Analyse (§§ 81e, 81f StPO) verzichtet. § 81g Abs. 2 S. 2 Hs. 1 StPO beschränkt die zulässigen Feststellungen auf das DNA-Identifikationsmuster und das Geschlecht, wobei letzteres wohl eher der Tatsache, dass das Geschlecht als Nebenprodukt der Feststellung des DNA-Identifikationsmuster anfällt24, geschuldet sein dürfte als einem real existierenden Bedürfnis. Flankierend dazu sind nach § 81g Abs. 2 S. 2 Hs. 2 StPO auf andere Feststellungen zielende Untersuchungen verboten. Die Möglichkeit, Informationen aus den Körperzellen zu erheben, ist mithin sowohl im Vergleich mit § 81e StPO als auch im Vergleich mit § 81h StPO eingeschränkt. Abstammungsfragen, die nach § 81e Abs. 1 StPO geklärt werden können, darf ebenso wenig nachgegangen werden wie Fragen des Aussehens des Spurenlegers (§ 81e Abs. 2 StPO) oder seiner Verwandtschaft (§ 81h StPO). Diese Divergenz lässt mit dem Ziel der Maßnahme nach § 81g StPO erklären. Dem wird zugleich nachgegangen. Vorweggenommen sei aber, dass § 81g StPO einzig den Zweck hat, eine Spur einer bereits bekannten Person zuzuordnen. Dafür reicht der Vergleich zweier DNA-Identifikationsmuster. Weder soll wie in § 81e Abs. 1 StPO der Verdacht gegen einen Beschuldigten untermauert werden (ein solcher fehlt schließlich, wenn das DNA-Identifikationsmuster gerade erst aus den Spuren erhoben wurde), noch braucht es eine Feststellung des Aussehens, wenn der Abgleich schon ausreicht.
StPO I, § 81g, Rn. 14; Vath, S. 30 f.; diff. Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 13; für Speicheloder Haarprobe Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 2. 22 Altendorfer, S. 168; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 24; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 24; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 3; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 14; wohl auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 13. 23 S. oben Kap. 4 § 1 I. 1. b) ff); BGH ErmR, Beschl. v. 17. 04. 2002 – 1 BGs 106/2002, S. 4; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 5; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 15; Limbeck, S. 63; Rackow, S. 39; West, S. 60; i. d. S. auch Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 4; zutreffend auch Walter, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 6. 24 Vgl. schon Kap. 5 § 2 I. m. w. N. in Fn. 30 (Kap. 5).
§ 4 Zweckbindung und Verwendungsregeln
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§ 4 Zweckbindung und Verwendungsregeln Die Auseinandersetzung um Zweckbindungen und Verwendungsregeln im Hinblick auf den Umgang mit den Körperzellen und den gewonnenen Erkenntnissen verlief bisher, also soweit es um die Maßnahmen nach § 81e bzw. § 81h StPO ging, weitgehend parallel. Es wurde dabei negativ vorgegangen und der Frage nachgegangen, ob die Erkenntnisse auch in anderen Strafverfahren als dem, zu dessen Zweck sie originär gewonnen wurden, fruchtbar gemacht werden können. Für § 81e StPO wurde das teilweise bejaht, für § 81h StPO gänzlich verneint. Dass i. R. d. § 81g StPO auf diese Frage ein Schwerpunkt zu legen ist, erschließt ein erster Blick in das Gesetz: Nach Abs. 5 S. 1 dürfen die Daten, also vornehmlich das DNA-Identifikationsmuster, beim BKA gespeichert werden und nach Maßgabe des BKAG verwendet werden. Nach S. 3 dürfen die Daten „nur“, aber immerhin für Zwecke eines Strafverfahrens, der Gefahrenabwehr und der internationalen Rechtshilfe übermittelt werden. Ohne überprüft zu haben, welche Ermächtigungsgrundlagen das BKAG für die Verwendung der DNA-Identifikationsmuster darbietet, kann schon gesagt werden, dass diese wohl in mehr bestehen werden als in dem Einsatz in künftigen Ermittlungsverfahren. Ansonsten würde S. 3 keinen Sinn ergeben. Daher weicht die Auseinandersetzung um Fragen der Zweckbindung in § 81g StPO von der bisherigen negativen Herangehensweise ab und bestimmt diesen positiv. Bevor allerdings dieser Frage nachgegangen wird, soll darauf eingegangen werden, was mit den Körperzellen passiert, die bei Maßnahmen nach § 81g Abs. 1 S. 1 StPO angefallen ist.
I. Im Umgang mit den Körperzellen Für diese Frage ist § 81g Abs. 2 S. 1 StPO normativer Anknüpfungspunkt. Nach dessen Hs. 1 dürfen die gewonnenen Körperzellen ausschließlich für DNA-Analysen nach § 81g Abs. 1 S. 1 StPO verwendet werden; Hs. 2 ordnet die unverzügliche Vernichtung der Zellen an, „sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind“. Ausscheiden müssen daher längere Aufbewahrungen, aber auch die Verwendung der Zellen zu anderen Zwecken als der Beweisführung in künftigen Verfahren. Unzulässig sind demnach etwa Analysen der Zellen, die darauf abzielen, Informationen zur Gefahrenabwehr zu erlangen25. Zusammengefasst müssen die Zellen vernichtet werden, wenn das DNA-Identifikationsmuster und das Geschlecht festgestellt sind.
25 BT-Drucks. 13/10791, S. 5; Beck, S. 219 f.; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 20; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 12; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 42; Rogall, in: SKStPO I, § 81g, Rn. 60; Senge, NJW 1999, 253 (255); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 16; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 20.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
II. Im Umgang mit dem DNA-Identifikationsmuster – Speicherung und konkretes Einsatzfeld Komplexer erscheint der Umgang mit den gewonnenen Daten, von denen das DNA-Identifikationsmuster freilich das wichtigste ist. § 81g Abs. 5 S. 1 Alt. 1 StPO erlaubt insofern die Speicherung beim BKA. Auf diese wird als erstes eingegangen. Besonders bedeutsam erscheint aber die 2. Alt., nach der die auf Grundlage des § 81g StPO gewonnenen DNA-Identifikationsmuster nach Maßgabe des BKAG verwendet werden dürfen. Das konkrete Einsatzfeld der gespeicherten Daten bestimmt sich mithin nicht der StPO. Eine Erweiterung bzw. Einschränkung der Verwendungsmöglichkeiten bedürfte keiner Änderung der StPO, sondern (nur) des BKAG. Dieses wurde 2017 grundlegend novelliert26, u. a. um die JI-RL umzusetzen27, aber auch, weil das BVerfG wesentliche Teile des BKAG a. F. für verfassungswidrig erklärt hatte28. Die folgende Untersuchung soll daher auch überprüfen, inwiefern dadurch Änderungen inhaltlicher, aber auch nur rein redaktioneller Art eingetreten sind. Nach neuem Recht ist Datenspeicherung auch Datenverarbeitung, vgl. § 46 Nr. 2 BDSG29. Die besondere Hervorhebung der Speicherung hat daher keine rechtliche Bedeutung. Doch auch als die entsprechende Vorschrift, die ursprünglich in § 3 DNA-IFG geregelt war, implementiert wurde, definierte das BDSG in § 3 Abs. 5 S. 1 a. F.30 Verarbeitung u. a. als Speicherung. Folgerichtig hieß es im Entwurf zu § 3 DNA-IFG, die DNA-Identifikationsmuster dürften nach Maßgabe des BKAG „verarbeitet und genutzt werden“31. Die Zweiteilung in Verarbeitung und Nutzung war dabei der Tatsache geschuldet, dass § 3 Abs. 5 S. 1 BDSG a. F. unter Verarbeitung dort explizit aufgezählte Arten des Umgangs mit Daten definierte, und in Abs. 6 definierte, Nutzung sei jede Verwendung, die nicht Verarbeitung sei. Der Rechtsauschuss indessen fühlte sich berufen, die Speicherung der DNA-Identifikationsmuster besonders herauszustellen. Die „Klarstellung“ sei geboten, weil in § 2 DNA-IFG, der heute weitestgehend § 81g Abs. 4 StPO entspricht und die Speicherung von Daten bereits Verurteilter regelte, „in untypischer Weise die Erhebung dezidiert in eine Phase verlagert [werde], in der derartige Erhebungen sonst nicht mehr stattf[ä] nden“32. Zusammengefasst war die Hervorhebung der Speicherung aus rein juristi26 Vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes v. 01. 06. 2017 (BGBl. I, S. 1354 ff.). 27 Vgl. BT-Drucks. 18/11163, S. 1. 28 Vgl. BVerfGE 141, 220 ff. 29 Zum Unionsrecht schon Kap. 3 § 2 II. 1. a), Fn. 18. 30 In der Fassung nach Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes v. 20. 12. 1990 (BGBl. I, S. 2954 ff.). 31 Vgl. BT-Drucks. 13/10791, S. 3. 32 BT-Drucks. 13/11116, S. 8.
§ 4 Zweckbindung und Verwendungsregeln
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scher Perspektive bereits 1998 unnötig33 und nur von dem rechtspolitischen Gedanken beseelt, die Hervorhebung sei notwendig, weil Verurteilte normalerweise nicht damit rechnen müssen, Adressat strafprozessualer Zwangsmaßnahmen zu werden. Dass die Klarstellung, wenn schon nicht rechtlich, dann wenigstens tatsächlich, irgendetwas bewirkt hat, darf freilich bezweifelt werden. Gesetz wurde sie dennoch. Als im Jahre 2005 das DNA-IFG in § 81g StPO integriert wurde, ist dabei auf die Zweiteilung in Verarbeitung und Nutzung verzichtet worden. Stattdessen findet sich nun der Begriff der Verwendung, obschon der Gesetzgeber damit ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien nichts anderes meinte als das, was vorher Verarbeitung und Nutzung war34. Die besondere Hervorhebung der Speicherung blieb dabei unberührt, und so verdankt sie ihre Existenz einer ausschließlich rechtspolitischen Erwägung, die 1998 so wenig Bedeutung hatte wie heute35. 1. Speicherung beim BKA a) Gesetzliche Grundlage zur Einrichtung und Unterhaltung der sog. DNA-Analyse-Datei Ungeachtet, wer für die Erstellung des DNA-Identifikationsmusters verantwortlich zeichnet, bestimmt § 81g Abs. 5 S. 1 StPO, dass die Daten zentral beim BKA gespeichert werden. Dies geschieht, indem die aus Codes bestehenden DNAIdentifikationsmuster in die sog. DNA-Analyse-Datei36, quasi eine Sammlung aller gespeicherten Muster, vergleichbar mit einem Ordner, in dem Informationen zu verschiedenen Personen abgeheftet werden, eingespeist werden37. Die Befugnis, eine solche Datei zu errichten, ergibt sich aus § 16 Abs. 5 BKAG38, der § 8 Abs. 6 BKAG a. F. entspricht39. Sie ergibt sich nicht aus der StPO, da § 81g 33
Busch, NJW 2002, 1754. Vgl. BT-Drucks. 15/5674, S. 12 a. E. 35 A. A. wohl Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 80, der der Norm konstitutiven Charakter attestiert; von hingegen nur deklaratorischem Charakter ausgehend, weil das BKAG als Rechtsgrundlage auch der Speicherung ansehend Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 44. 36 Tatsächlich müsste man wohl von einem DNA-Analyse-Dateisystem sprechen, weil zum Zuge der BDSG-Novelle der Begriff der Datei durch den Begriff des Dateisystems ersetzt wurde (dazu ausführlicher unten Kap, 6 § 4 II. 2. b) cc)). Weil sich der Begriff „DNA-Analyse-Datei“ indes eingebürgert hat, wird in dieser Arbeit weiterhin verwendet. 37 Busch, NJW 2002, 1754 (1755); Eisenberg, Rn. 1691; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 23; Roxin/Schünemann, § 33, Rn. 23; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 29. 38 Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 5; abwegig dagegen Bosch, in: KMR-StPO, § 81g StPO, Rn. 1; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 1, der nach der BKAG-Novelle nun mehr von § 24 BKAG als Basis der Errichtung ansieht. § 24 BKAG regelt indessen nur die Gewinnung von DNA-Identifikationsmustern von Mitarbeitern des BKA und deren Abgleich mit Spurenmaterial. Im Gegensatz zu § 81g StPO geht es weder um DNA von Beschuldigten oder gem. Abs. 4 Gleichgestellten. 34
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Abs. 5 S. 1 nur die Speicherung regelt, aber auf die Modalitäten eingeht40. Nach § 16 Abs. 5 S. 1 kann das BKA zur Erfüllung seiner Aufgaben nach § 2 Abs. 4 BKAG im Informationssystem personenbezogene Daten, die aus erkennungsdienstlichen Maßnahmen stammen, weiterverarbeiten, u. a. dann, wenn dies durch ein anderes Gesetz gestattet wird. aa) DNA-Identifikationsmuster als erkennungsdienstliche Daten i. S. v. § 16 Abs. 5 S. 1 BKAG DNA-Identifikationsmuster müssten also solche personenbezogenen Daten sein, die i. S. v. § 16 Abs. 5 S. 1 BKAG aus erkennungsdienstlichen Maßnahmen stammen. § 20 S. 1 BKAG ermächtigt den Bundesminister des Inneren, durch Rechtsverordnung Spezifika der Datenverarbeitung i. R. d. §§ 16, 18 und 19 BKAG festzulegen. Diese Verordnungskompetenz umfasst gem. § 20 S. 2 Nr. 4 BKAG auch eine Benennung solcher Daten, die i. S. v. § 16 Abs. 5 S. 1 BKAG als aus erkennungsdienstlichen Maßnahmen stammend gelten sollen. Die Verordnung hat insofern normkonkretisierende Wirkung41. Wenngleich noch zu § 8 Abs. 6 BKAG a. F., aber insoweit auf das neue Recht ohne weiteres übertagbar, bestimmt § 5 der BKADV42, die auf Grundlage der Vorgängervorschrift des § 20 BKAG erlassen wurde43, in Abs. 5 S. 1 Nr. 1, dass zu den aus erkennungsdienstlichen Maßnahmen stammenden Daten i. S. d. § 16 Abs. 5 BKAG das DNA-Identifikationsmuster zählt. bb) Sammlung von DNA-Identifikationsmustern als Aufgabe des BKA nach § 2 Abs. 4 BKAG Zu den in § 2 BKAG generell genannten Aufgaben des BKA zählt nach Abs. 4 S. 1 Nr. 1 die Unterhaltung zentraler erkennungsdienstlicher Einrichtungen und Sammlungen. Nach § 16 Abs. 5 BKAG dürfen die Daten nur verarbeitet werden zur Erfüllung dieser solcher Aufgaben nach § 2 Abs. 4 BKAG. Es ist mithin zu unter39 Vgl. BT-Drucks. 18/11163, S. 98; Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, SicherheitsR, § 16 BKAG, Rn. 38; so etwa noch als Ermächtigungsgrundlage genannt von BT-Drucks. 13/ 10791, S. 6; 13/11116, S. 6; BVerfGE 103, 21 (35); Ahlf, in: Ahlf/Daub/Lersch/Störzer, BKAG, § 8, Rn. 17; Beck, S. 235; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 1; Busch, NJW 2002, 1754 (1755); Hero, S. 290; König, Kriminalistik 1999, 325 (327); Kube/Schmitter, Kriminalistik 1998, 415; Limbeck, S. 77; Neuser, S. 223; Schmitter, in: FS Herold, 397 (417); Stadler-Brehm, S. 116; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 30; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 41; Zöller, S. 124; vgl. auch VG Gelsenkirchen, Urt. v. 31. 03. 2009 – 17 K 2747/07, Rn. 27. 40 Vgl. Beck, S. 235; a. A. Benfer, StV 1999, 402 (404). 41 Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, SicherheitsR, § 16 BKAG, Rn. 2, 45. 42 A. A. Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, SicherheitsR, § 16 BKAG, Rn. 46, der auf § 3 Abs. 1 Nr. 10 BKADV abstellt. 43 § 7 BKAG a. F., vgl. zu § 20 BKAG als Nachfolger BT-Drucks. 18/11163, S. 100.
§ 4 Zweckbindung und Verwendungsregeln
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suchen, ob die Einrichtung der DNA-Analyse-Datei eine erkennungsdienstliche Errichtung bzw. Sammlung ist. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass Erkenntnisse aus DNA-Analysen dem Erkennungsdienst zuzurechnen seien, soweit sie der Beweisführung in künftigen Strafverfahren dienten44. Dem ist zuzustimmen. Anders als in § 81b StPO, der unter den Begriff der erkennungsdienstlichen Maßnahme nur die Feststellung äußerlicher Merkmale fasst, ist eine solche Beschränkung dem § 2 Abs. 4 Nr. 1 BKAG nicht zu entnehmen45. Erkennungsdienstliche Maßnahme ohne Einschränkung ist vielmehr alles, was Identitätsfeststellung bzw. Wiedererkennung ermöglicht46. Dass bereits der polizeiliche Sprachgebrauch unter Erkennungsdienst jede Form des Abgleich von Spuren mit personenbezogenen Daten fasst47, ist zwar ein Indiz für ein entsprechendes Verständnis, aber freilich nicht alleine maßgeblich. Maßnahmen nach § 81g StPO dienen gerade der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren, wie § 81g Abs. 1 S. 1 StPO deutlich macht („zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren“). Zutreffend wird in der Literatur hinsichtlich dieser Subsumtion auch auf die Gesetzgebungsmaterialien abstellt48 : Bei der Implementierung des § 81g StPO wies der Gesetzgeber begrenzten Anwendungsbereich des § 81g StPO hin. Dier lasse „die Befugnis der Länger unberührt, in Landespolizeigesetzen für erkennungsdienstliche Maßnahmen im präventiven Regelungen zu treffen“49. Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, § 81g StPO sei keine erkennungsdienstliche Maßnahme, hätte es der besonderen Betonung der Möglichkeit, im präventiven Bereich diesbezügliche Regelungen zu erlassen, nicht bedurft. Außerdem gilt es zu sehen, dass Daten, die gem. § 16 Abs. 5 S. 1 BKAG aus erkennungsdienstlichen Maßnahmen stammen, nach § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 BKADVauch DNA-Identifikationsmuster sind. Es würde seltsam anmuten, wenn der Begriff des Erkennungsdienstes in ein und demselben Gesetz einmal so verwendet würde, dass er DNA-Identifikationsmuster erfasst, und einmal so, dass er dies nicht tut.
44
Ahlf, in: Ahlf/Daub/Lersch/Störzer, BKAG, § 8, Rn. 17; Bosch, StV 2008, 571 (574); Eisenberg/Singelnstein, GA 2006, 168 (169); Frister, in: FS Amelung, 603 ff.; Hero, S. 291 f.; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 2; Schewe, JR 2006, 181 (182, 186); Stadler-Brehm, S. 112 ff.; Stuckenberg, in: FG Hilger, 25 (27 f.); krit. Volk, NStZ 1999, 165 (166 f.); Zöller, S. 125. 45 Stadler-Brehm, S. 114 f. 46 Ahlf, in: Ahlf/Daub/Lersch/Störzer, BKAG, § 8, Rn. 17; Stadler-Brehm, S. 115; i. E. auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 1, 4; Volk, NStZ 1999, 165 (166 f.). 47 Kube/Schmitter, Kriminalistik 1998, 415; Rackow, S. 180. 48 Stadler-Brehm, S. 115 f. 49 BT-Drucks. 13/11116, S. 7.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
cc) Informationssystem Das Informationssystem, in dem nach § 16 Abs. 5 S. 1 die Daten gespeichert werden dürfen, ist ein solches nach § 13 BKAG50 – also erst einmal ein System, auf das andere Behörden keinen Zugriff haben51. Dieser etwas sperrige Begriff lässt sich wie folgt veranschaulichen: Mit Dateisystem bezeichnet der Gesetzgeber in § 46 Nr. 6 BDSG jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich ist. Ähnlich definierte § 3 Abs. 2 S. 1 BDSG a. F. den Begriff der Datei. Nach § 8 Abs. 6 BKAG a. F. war es dem BKA möglich, Daten in Dateien zu speichern. Eine inhaltliche Änderung war durch die Transformation des § 8 Abs. 6 in § 16 Abs. 5 BKAG nach dem gesetzgeberischen Willen nicht bezweckt52. Mithin kann man das Informationssystem verstehen als eine strukturierte Sammlung näher zu bezeichnenden Informationen. dd) Weiterverarbeitung Die im Informationssystem gespeicherten Daten können nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 5 S. 1 BKAG „weiterarbeite[t]“ werden. Weiterverarbeiten meint dabei eine weitere (also der Erhebung nachfolgende) Verarbeitung i. S. d. § 46 Nr. 2 BDSG53 – mithin auch eine Speicherung durch das BKA. Dass mit dem Begriff der Weiterarbeitung kein neuer modus operandi geschaffen werden sollte, ergibt eine historische Auslegung. In § 8 Abs. 6 S. 1 BKAG a. F. hieß es bei gleichen Voraussetzungen, das BKA dürfe die Daten „in Dateien speichern, verändern und nutzen“. Die durch die Novellierung des BKAG erfolgte Ersetzung des Begriffes der Datei in „Informationssystem“ sowie der Begriffe der Speicherung, Veränderung oder Nutzung in „Weiterarbeitung“ sollte nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich redaktioneller Art sein54. Betrachtet man die erst einmal § 81g Abs. 5 S. 1 Alt. 1 StPO isoliert, ist freilich die Ermächtigung zur Speicherung relevant. Auf die anderen Arten der Verarbeitung wird noch einzugehen sein. ee) Erlaubnis durch § 81g StPO i. V. m. § 16 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 BKAG Fasst man das bisherige zusammen, so ergibt sich aus § 16 Abs. 5 S. 1 BKAG die Befugnis des BKA, DNA-Identifikationsmuster zu verarbeiten, v. a. zu speichern. Nach § 16 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 BKAG ist dies u. a. dann zulässig, wenn ein anderes Gesetz dies anordnet. Diese gesetzliche Anordnung findet sich u. a. in § 81g Abs. 5 50 51 52 53 54
Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, SicherheitsR, § 16 BKAG, Rn. 48. Zum Zugriffsrecht anderer zugleich, vgl. Kap. 6 § 4 II. 1. b). BT-Drucks. 18/11163, S. 98. Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, SicherheitsR, § 16 BKAG, Rn. 49. Vgl. BT-Drucks. 18/11163, S. 98.
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S. 1 StPO55, sodass hier das BKAG und die StPO zusammenspielen. Die zu § 8 Abs. 6 BKAG a. F. vertretene Ansicht, § 81g StPO gestatte nicht die Speicherung in der DNA-Analyse-Datei, weil die Datei schon existierte, ehe § 81g StPO Gesetz wurde56, kommt jedenfalls im Ergebnis ebenso zu der Schlussfolgerung, dass der heutige § 16 Abs. 5 S. 1 BKAG Grundlage der Errichtung der DNA-Analyse-Datei ist. Der einzige Unterschied besteht darin, dass demnach nicht eine gesetzliche Erlaubnis nach Nr. 1 gegeben sei, sondern die Befugnis sich aus Nr. 2 lit. a) ergebe. Die dort genannte Voraussetzung, die Weiterarbeitung sei zulässig, wenn dies erforderlich sei, weil Grund zur Annahme bestehe, dass gegen den Beschuldigten in der Zukunft Strafverfahren zu führen seien, bleibe hinter den Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 S. 1 StPO zurück. Wenn die qualifizierten Voraussetzungen des § 81g StPO vorlägen, sei mithin auch der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 lit. a) BKAG eröffnet57. § 5 Abs. 6 Nr. 1 bis 3 BKADV, der regelt, auf wen sich die Daten beziehen dürfen, entspricht insoweit § 81g Abs. 4 StPO und verdeutlicht die Querverbindung. b) Funktionsweise der DNA-Analyse-Datei Die DNA-Analyse-Datei ist als „Verbunddatei“ organisiert58. Das bedeutet, dass die DNA-Analyse-Datei beim BKA unterhalten wird – das BKA mithin die Speicherkapazität und das Speicherprogramm oder – um in der Metapher zu bleiben – den Ordner bereitstellt59. Zwar ist das Informationssystem, in dem die Daten gespeichert werden, ein solches nach § 13 BKAG und erst einmal ein eigenes des BKA60, weil nach § 13 Abs. 1 BKAG das Informationssystem der Erfüllung der eigenen Aufgaben des BKAG nach §§ 2 bis 8 BKAG dient. Auf diese eigenen Informationssysteme des BKA haben andere Polizeien grundsätzlich keinen Zugriff.61 Gemäß § 13 Abs. 3 BKAG nimmt das BKA aber mit diesem, ihm eigenen 55 Hero, S. 283; vgl. zum alten Recht noch Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 160; Neuser, S. 226 f.; Rackow, S. 178 f.; West, S. 85. 56 Beck, S. 235. 57 Zum Ganzen s. Beck, S. 235. 58 BT-Drucks. 13/10791, S. 6; BT-Drucks. 15/5674, S. 9, 12 f.; Beck, S. 236; Bergemann/ Hornung, StV 2007, 164 (165); Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 17; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 1; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 1; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 154; Busch, NJW 2002, 1754 (1755); Eisenberg/Singelnstein, GA 2006, 168 (169, Fn. 4); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g StPO, Rn. 18; Hero, S. 285; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 1, 44; Kube/Schmitter, Kriminalistik 1998, 415; Mutschler, S. 73; Neuser, S. 223 f.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 2, 53, 84, 87; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 12; Sommerfeld, S. 200; Stadler-Brehm, S. 105; West, S. 84. 59 Beck, S. 236; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 154; Busch, NJW 2002, 1754 (1755); Neuser, S. 224; Stadler-Brehm, S. 106; Steinsiek, NdsVBl. 2015, 265 (266); West, S. 84. 60 Ruthig/Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, SicherheitsR, § 13 BKAG, Rn. 1, 6. 61 BT-Durcks. 18/11163, S. 84.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Informationssystem am sog. „polizeilichen Informationsverbund“ nach Maßgabe der §§ 29 ff. BKAG teil. Andere Teilnehmer des Verbundes können auf das Informationssystem des BKA zugreifen, d. h. gewissermaßen von außen DNA-Identifikationsmuster dort speichern und andere Muster abrufen, vgl. § 29 Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 32 Abs. 1 S. 1 BKAG62. Sie stellen einander Daten zur Verfügung, § 29 Abs. 1 S. 2 BKAG. Der „Ordner“ liegt also für andere zur Einsichtnahme bereit, und die Befugten haben das Recht, neue Informationen in ihm abzuheften. Diese anderen Teilnehmer sind in § 29 Abs. 3 S. 1 BKAG aufgezählt; u. a. seien die Landeskriminalämter sowie die Polizeibehörden der Bundesländer genannt. Das Recht zum Abruf hat für DNA-Identifikationsmuster gem. § 29 Abs. 6 S. 2 Nr. 3 BKAG ferner die Staatsanwaltschaft. Zur Eingabe ist sie nicht befugt63. Freilich würde es wenig nützen, ein DNA-Identifikationsmuster zu speichern, wenn dann nicht feststeht, wem es zuzuordnen ist. § 5 Abs. 5 BKADV bestimmt deshalb, welche Daten im Zusammenhang mit den Mustern gespeichert werden dürfen. Das sind insb. der Name sowie Geburtstag und Geburtsort des Betroffenen. 2. Verwendung gem. § 81g Abs. 5 S. 1 Alt. 2 StPO nach Maßgabe des BKAG Im Gegensatz zu §§ 81e, 81h StPO lässt sich dem § 81g StPO auch nicht durch weitere Auslegung entnehmen, wie und in welchen Grenzen die gewonnenen Daten Verwendung finden können. Die Verwendung richtet sich nach § 81g Abs. 5 S. 1 Alt. 2 StPO ausschließlich nach dem BKAG. Lediglich § 81g Abs. 5 S. 3 StPO bestimmt, dass die Daten „nur für Zwecke eines Strafverfahrens, der Gefahrenabwehr und der internationalen Rechtshilfe übermittelt werden“ dürfen. Dadurch werden die Verwendungsmöglichkeiten nach dem BKAG durch die StPO begrenzt, soweit es um Übermittlung von Daten geht64. a) Abgleich von Spurenmaterial mit gespeicherten DNA-Identifikationsmustern Wie bereits ausgeführt, ergibt sich aus dem Charakter der DNA-Analyse-Datei als Verbunddatei, dass die Verbundteilnehmer die gespeicherten DNA-Identifikationsmuster abrufen können. Nun nützt es freilich wenig, wenn man – um im Bild zu bleiben – nur einen Ordner mit über einer Million Codes nur vor sich liegen hat. Notwendig ist, dass die Strafverfolgungsbehörden einen weiteren Code haben, den
62 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 154; Busch, NJW 2002, 1754 (1755); Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, SicherheitsR, § 29 BKAG, Rn. 2, 23; West, S. 84. 63 Vgl. Stadler-Brehm, S. 106; West, S. 86, Fn. 301. 64 Eisenberg/Singelnstein, GA 2006, 168 (169).
§ 4 Zweckbindung und Verwendungsregeln
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sie mit den anderen vergleichen können. Die Ermächtigung, diesen Code – d. h. das DNA-Identifikationsmuster – aus den Spuren zu erstellen, liefert § 81e Abs. 2 StPO. Fraglich ist aber, woraus sich die Ermächtigung zum Abgleich des DNA-Identifikationsmuster, das aus dem Spurenmaterial gewonnen wurde, mit den gespeicherten ergibt. Sowohl die Gesetzgebungsmaterialien65 als auch Literatur66 und Rechtsprechung67 setzen die Möglichkeit selbstredend voraus. Freilich liegt die Situation so, dass die Speicherung eines DNA-Identifikationsmusters keinen Sinn ergeben würde, wenn die Möglichkeit nicht bestünde, einen Abgleich mit DNAIdentifikationsmuster eines bis dahin unbekannten Spurenlegers durchzuführen. Die Speicherung soll ja gerade der „Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren“ dienen (§ 81g Abs. 1 S. 1 StPO), und wie, wenn nicht mit einem Abgleich, soll diese erfolgen? Dass von der Möglichkeit des Abgleichs ausgegangen wird, so ist deshalb berechtigt. Der Abgleich selbst aber ist unbestritten ein Umgang mit den DNAIdentifikationsmustern, der über bloße Speicherung hinausgeht. Er muss daher auf eine gesetzliche Grundlage gestützt werden können, weil der Abgleich selbst Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist68. aa) Besonderheiten des § 81g StPO im Vergleich zu §§ 81e, 81h StPO im Hinblick auf den Abgleich § 81e Abs. 1 S. 1 bestimmt, dass die Feststellungen „mit Vergleichsmaterial abgeglichen werden“ dürfen. In § 81h StPO befindet sich die Ermächtigung, dass „die festgestellten DNA-Identifizierungsmuster mit DNA-Identifizierungsmustern von Spurenmaterial automatisch abgeglichen werden“ können, in Abs. 1 Nr. 3. Eine so geartete, explizite Ermächtigung in § 81g StPO fehlt. Zwar ist, die Körperzellentnahme und die Feststellung u. a. des DNA-Identifikationsmusters nach § 81g Abs. 1 S. 1 StPO „zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren“ zulässig. Eine Ermächtigung zur Identitätsfeststellung in diesem künftigen Verfahren ist darin nicht enthalten. Dies erscheint aber nicht als gesetzgeberischer Fehler. § 81g StPO greift dann ein, wenn DNA-Identifikationsmuster erhoben werden sollen, bevor das Strafverfahren, in dem es verwendet werden soll, überhaupt anhängig ist. Geht es um ein anhängiges Strafverfahren, richtet sich die Verwendung nach § 81e StPO. 65
BT-Drucks. 13/10791, S. 4. S. etwa Beck, S. 237; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 2. 67 BVerfGE 103, 21 (40). 68 BVerfGE 103, 21 (32); StV 2022, 5, Rn. 22; NJW 2016, 2799 (Rn. 9); StV 2014, 577 (578, Rn. 13); StV 2009, 1; E. A. v. 19. 02. 2009 – 2 BvR 287/09, Rn. 14; NJW 2008, 281; StV 2003, 1; NJW 2001, 2320 (2321); LG Aachen, StraFo 2009, 18; Di Fabio, in: Dürig/Herzog/ Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 176; Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293; Graulich, in: Lisken/Denninger, Hdb. PolR, E., Rn. 366; Krehl, in: Jahn u. a., Verfassungsbeschwerde, Rn. 757. Es scheint nicht übertrieben, mit Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 274 davon zu sprechen, dass alle Personen, deren Muster gespeichert ist, bei einem Abgleich wie Tatverdächtige behandelt werden. 66
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
bb) Abgleich auf Grundlage des BKAG Da § 81g Abs. 5 S. 1 StPO hinsichtlich der Verwendung der gespeicherten DNA (nicht des Spurenmaterials) in das BKAG verweist, erscheint es lohnend, dort nach der Ermächtigungsgrundlage für den Abgleich zu suchen. Vor dem Hintergrund, dass § 81g StPO als Spezialregelung zu § 484 Abs. 4 StPO konzipiert ist69, erscheint dies sachgerecht. Nach § 484 Abs. 4 StPO soll sich die Verarbeitung der für künftige Straferfahren gespeicherten Daten nach den Polizeigesetzen richten, „ausgenommen die Verarbeitung für Zwecke eines Strafverfahrens“. Die Ausnahme besagt primär nichts anderes aus, als dass die Strafverfolgungsbehörden dann, wenn sie Daten in einem Strafverfahren verarbeiten, nicht auf die Polizeigesetze zurückgreifen müssen. Dies ist einleuchtend, denn Datenverarbeitung zu Zwecke eines Strafverfahrens richtet sich grundsätzlich nach der StPO. Die Ausnahme wird deshalb so verstanden, der Einsatz der für zukünftige Strafverfahren gespeicherten Daten im „Anwendungsfall“ durch die StPO zugelassen sein muss70. § 81g Abs. 5 modifiziert diese Regelung insofern, als die Verwendung zumindest auch durch das BKAG zugelassen sein kann. Ob damit die Regelungen der StPO verdrängt werden oder nur die Normen des BKAG daneben treten sollen, mag dahinstehen, da die § 81g StPO wie aufgezeigt den Abgleich selbst nicht regelt. Es gilt es sehen, dass die DNA-Analyse-Datei ein Informationssystem i. S. d. § 13 Abs. 1 BKAG ist, mit welchem das BKA gem. § 13 Abs. 3 BKA am Verbund nach §§ 29 ff. BKAG teilnimmt. Gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 4 BKAG soll das Informationssystem die Funktion erfüllen, den Abgleich von personenbezogenen Daten zu ermöglichen. Damit ist aber weiterhin ungeklärt, wer den Abgleich überhaupt durchführt. (1) Durch das BKA Als Ermächtigungsgrundlage zu denken könnte sodann an § 16 Abs. 5 BKAG selbst sein. Denn der Begriff der Weiterverarbeitung umfasst jede weitere Form der Verarbeitung. Ein Vergleich des DNA-Identifikationsmusters, das einzuspeisen die jeweilige Strafverfolgungsbehörde gem. § 29 Abs. 3 S. 2 BKAG zweifelsohne berechtigt ist, mit einem bereits gespeicherten Muster würde unter den sehr weiten Begriff der Verarbeitung fallen. Indessen gilt die Ermächtigung nur für das BKA („Das B[KA] kann (…)“). Eine generelle Ermächtigung für Strafverfolgungsbehörden kann dem nicht entnommen werden. Dies erscheint zwar für den Abgleich 69 BT-Drucks. 15/5674, S. 12; Beck, S. 235; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 35; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 154; Eisenberg/Singelnstein, GA 2006, 162 (181); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 18; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 24; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 12; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 65; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 78; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 12; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 29; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 41; a. A. Senge, NStZ 2001, 328 (331). 70 Matheis, S. 329; Weßlau/Deiters, in: SK-StPO VIII, § 484, Rn. 22; vgl. auch Hilger, in: LR-StPO IX, 26. Aufl., § 484, Rn. 17.
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nicht zwingend notwendig, wenn er durch das BKA selbst durchgeführt werden könnte. Man müsste sich diesen Vorgang dann als arbeitsteiligen Schritt vorstellen, wobei freilich nicht geleugnet werden kann, dass das Abgleich ein automatischer Vorgang ist, der keiner besonderen Mitwirkung eines Mitarbeiters des BKA bedarf: Die ermittelnde Strafverfolgungsbehörde würde das DNA-Identifikationsmuster einspeisen. Den Abgleich nimmt das BKA selbst vor, und das Ergebnis wird von der Strafverfolgungsbehörde wiederum gem. § 29 Abs. 3 S. 2 BKAG abgerufen. Dieses Ergebnis erscheint aber methodisch nicht sachgerecht. Der tatsächliche Vorgang des Abgleichs ist einheitlicher. Seine Aufteilung in zwei Abschnitte, die durch die Strafverfolgungsbehörden vorgenommen werden (Eingabe und Abruf), durchbrochen von einem Abschnitt, der durch das BKA durchgeführt wird (Abgleich), erschiene künstlich. Das BKA selbst hat mit dem automatischen Abgleich überhaupt nichts zu tun. Die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit obliegt bei der Nutzung der Dateien des polizeilichen Informationsverbundes gem. § 31 Abs. 2 BKAG bei dem jeweiligen Teilnehmer. Dies erscheint aber nur dann sachgerecht, wenn der Teilnehmer der Datei selbst nutzt – und nicht das BKA. (2) Durch die Verbundteilnehmer Überlegenswert erscheint daher, die Ermächtigungsgrundlage für den Abgleich in § 29 Abs. 3 S. 2 Alt. 2 BKAG zu suchen. Die Verbundsteilnehmer haben demnach das Recht, Daten abzurufen, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Keine Zweifel bestehen hinsichtlich der Tatsache, dass es zur Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden gehört, Straftaten aufzuklären. Bedenken bereitet es jedoch, den Abgleich zweier DNA-Identifikationsmuster dem Begriff des Abrufens zu subsumieren. Dieser ist weder im BKAG noch im BDSG definiert. Nach allgemeinem Sprachverständnis ist Abrufen von Daten jedoch nur das Sich-Verschaffen von bereits erhobenen Daten. Was der Sich-Verschaffende mit den Daten dann tut, hat mit Abruf nichts mehr zu tun. Die Wortlautgrenze überschritten wäre indessen noch nicht. In systematischer Hinsicht sprechen die besseren Argumente dafür, Abgleich als eine Form des Abrufes zu sehen. Denn gem. 29 Abs. 6 S. 2 Nr. BKAG hat die Staatsanwaltschaft das Recht, Daten aus der DNA-Analyse-Datei abzurufen. Wollte man den Abgleich nicht als Abruf verstehen, hätte die Staatsanwaltschaft kein Recht, den Abgleich selbst vorzunehmen. Er dürften dann nur durch andere Verbundsteilnehmer, insb. durch die Polizei vorgenommen werden. Der Polizei aber eine Aufgabe im Strafverfahrensrecht zuzubilligen, die die Staatsanwaltschaft nicht auch selbst durchführen kann, widerspräche der konzeptionellen Hierarchie des deutschen Strafverfahrensrechts. Nach § 152 Abs. 1 StPO ist die Staatsanwaltschaft zur Anklage berufen. § 160 Abs. 1 StPO verpflichtet die Staatsanwaltschaft, den der Anklage zugrunde liegenden Sachverhalt im zeitlich vorgelagerten Ermittlungsverfahren zu erforschen. Zu diesem Zweck kann sie die Ermittlungen gem. § 161 Abs. 1 S. 1 StPO selbst vornehmen, sie kann sie aber auch grundsätzlich durch Polizei
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
vornehmen lassen. Die Entscheidung, ob die Staatsanwaltschaft selbst oder die Polizei tätig wird, obliegt also grundsätzlich ersterer. Mit dieser Führungsrolle der Staatsanwaltschaft ist nicht zu vereinbaren, der Polizei im Strafverfahren eine Befugnis zuzuordnen, die die Staatsanwaltschaft nicht innehat. Der Begriff des Abrufes muss daher so verstanden sein, dass er einen automatischen Abgleich des DNAIdentifikationsmusters, das gem. § 81e Abs. 2 StPO gewonnen wurde, mit den gespeicherten erfasst. Abruf i. d. S. meint daher die Anzeige, dass das unbekannte DNA-Identifikationsmuster einer Person zugeordnet oder nicht zugeordnet werden konnte. cc) Anforderungen an das künftige Strafverfahren In der Literatur wird die Auffassung vertreten, an das Strafverfahren, in dessen Verlauf der Abgleich stattfinden soll, müssten weitergehende Anforderungen gestellt werden. Der Abgleich soll demnach nur in solchen Strafverfahren zum Einsatz kommen, die eine Straftat von erheblicher Bedeutung zum Gegenstand hätten71. Es sei ansonsten kein Grund ersichtlich, warum nach § 81g Abs. 1 S. 1 StPO Voraussetzung der Anordnung sei, dass anzunehmen sein müsse, gegen den Betroffenen würden künftig Strafverfahren wegen Taten erheblicher Bedeutung zu führen sein72. Teilweise findet sich gar die Forderung, der gleichwohl erfolgte Einsatz in einem Strafverfahren, das nicht eine derart qualifizierte Straftat zum Gegenstand hat, führe zu einem Verwertungsverbot73. Die Gegenansicht vertritt den Standpunkt, eine solche Beschränkung sei weder der StPO noch dem BKAG zu entnehmen74. Während die Tat, auf der sich das Verdacht beziehen muss, gem. § 81g Abs. 1 S. 1 StPO insoweit unzweifelhaft von erheblicher Bedeutung (oder eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung) sein müsse, lasse der Wortlaut darüber hinausgehende Verwendungsbeschränkungen nicht erkennen. Vielmehr hieße es dort nur, die Maßnahme geschehe „zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren“, ohne dass an dieses Strafverfahren
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Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 22, die insofern auf LG Mannheim, StV 2001, 266 verweist, dabei allerdings verkennt, dass das LG nicht die Rechtmäßigkeit des Abgleichs in einem laufenden Strafverfahren verneint hat, weil jenes keine Straftat von erheblicher Bedeutung zum Gegenstand hatte, sondern die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nach § 81g i. V. m. § 2 DNA-IFG negierte, weil keine Prognose gegeben war, die belegte, dass in der Zukunft gegen den Betroffenen Strafverfahren wegen Straftaten erheblicher Bedeutung zu führen sein werden; ebenso aber Rackow, S. 196, 213. 72 Rackow, S. 213. 73 Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 81; Rogall, in: SK-StPO II, § 81g, Rn. 93; für ein Verwertungsverbot auch Rackow, S. 213; vgl. ferner Neuhaus, in: HK-GS, § 81g SPO, Rn. 14 a. E. 74 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 169 (noch zum alten Recht); Schewe, JR 2006, 181 (184); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 27; vgl. ohne nähere Begründung Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1297).
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weitere Anforderungen gestellt würden75. Auch § 81g Abs. 5 S. 3 StPO gestatte die Verwendung zu Zwecken von Strafverfahren ohne Einschränkung76. Die Tatsache, dass § 81g Abs. 1 S. 1 StPO erhöhte Anordnungsvoraussetzungen konstituiere, sage nichts über die Verwendungsmöglichkeiten aus. Vielmehr fände diese gesetzgeberische Entscheidung ihren Grund in der Tatsache, dass mit § 81g StPO nur aus Anlass der Anhängigkeit eines Strafverfahrens und nicht für dessen Zweck der Betroffen Zwangsmaßnahmen unterworfen werde77. Teilweise wird neben dieser rechtlichen Begründung auch auf faktische Probleme hingewiesen, die entstünden, wenn keine qualifizierten Voraussetzungen für die Speicherung bestünden. Dies würde zu einem erhöhten Aufwand und zu einer stärkeren Inanspruchnahme vorhandener Kapazitäten führen78. Auch in systematischer Hinsicht spreche nichts für eine Möglichkeit des Abgleichs nur in Strafverfahren, die besonders qualifizierte Straftaten zum Gegenstand haben. § 477 Abs. 2 S. 2 StPO – der inzwischen allerdings, das sei hier bereits angemerkt, nicht mehr Gesetz ist – erlaube die Verwertung von in anderen Strafverfahren erlangten Erkenntnissen, wenn im laufenden Prozess eine solche Maßnahme auch hätte angeordnet werden dürfen. Im einem laufenden Strafverfahren sei Ermächtigungsgrundlage nicht § 81g, sondern § 81e StPO, der keine gesteigerten Anforderungen an die Tat stelle79. Im Ergebnis, wenngleich nicht in jedem Begründungsansatz, ist letztgenannter Ansicht zuzustimmen und die Möglichkeit eines Abgleiches auch in Strafverfahren wegen solchen Taten anzuerkennen, die die Anordnung einer Maßnahme nach § 81g Abs. 1 S. 1 StPO nicht begründen könnten. Soweit dabei allerdings auf § 477 Abs. 2 S. 2 StPO abgestellt wird, der heute im Wesentlichen § 479 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 161 Abs. 3 S. 1 StPO entspricht80, ist dies nicht unproblematisch. Zusammengefasst ist bestimmt, dass die Erkenntnisse aus Maßnahmen, deren Anordnung nicht bei Verdacht jeder, sondern nur besonderer Straftaten zulässig ist, in anderen Strafverfahren dann verwendet werden dürfen, wenn zur Aufklärung dieser Straftat dieselbe Maßnahme hätte angeordnet werden können. Folgendes Beispiel zur Veranschaulichung: Soll eine Überwachung der Telekommunikation angeordnet werden, muss u. a. Verdacht einer besonders schweren Straftat bestehen, § 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO. Nach Abs. 2 Nr. 1 lit. h ist Mord eine solche. Wird nun, die übrigen Anordnungsvoraussetzungen vorausgesetzt, die Telekommunikation überwacht, und finden die Strafverfolgungsbehörden heraus, dass der Betroffene nicht nur wahrscheinlich einen Mord, sondern auch einen Raub begangen hat, stellt sich die Frage der Verwertbarkeit dieser Erkenntnisse. Da der Verdacht, dass ein Raub begangen wurde, nach § 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 lit. k StPO auch die Anordnung der 75
Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 27. Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 169; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 27. 77 Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 27. 78 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 169. 79 Zum Ganzen Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 27; ähnlich Beck, S. 248; Brodersen/ Anslinger/Rolf, Rn. 169. 80 BT-Drucks. 19/4671, S. 66. 76
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Telekommunikationsüberwachung gerechtfertigt hätte, sind die Erkenntnisse in einem Strafverfahren wegen Raubes gem. § 479 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 161 Abs. 3 S. 1 StPO verwertbar. Anders würde es sich indessen verhalten, wenn der Abgehörte gestanden hätte, nur einen einfachen Diebstahl nach § 242 Abs. 1 StGB begangen zu haben. Da eine Straftat nach § 242 StGB die Anordnung der Überwachung der Telekommunikation nicht gerechtfertigt hätte, muss eine Verwertung ausscheiden. Abstrahiert man das Beispiel, gilt es also zu prüfen, ob die Maßnahme, aus der die Erkenntnisse stammen, auch originär zur Aufklärung der verfahrensgegenständlichen Tat hätte eingesetzt werden können. Es geht jeweils um dieselbe Maßnahme. Hierin unterscheidet sich die i. R. d. § 477 Abs. 2 S. 2 StPO a. F. bzw. § 479 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 161 Abs. 3 S. 1 StPO angesprochene Situation von der Frage, ob ein Abgleich nur bei Verdacht einer erheblichen Straftat durchgeführt hätte werden können. § 81e StPO, der von den Wortführern dieses Argument als Vergleichspunkt ins Feld geführt wird, ermächtigt aber nicht zur Verwendung des gespeicherten DNA-Identifikationsmusters. Diese Verwendung findet ihre Ermächtigungsgrundlage in wie aufgezeigt in § 81g Abs. 5 S. 1 StPO i. V. m. 29 Abs. 3 S. 2 BKAG. Richtig ist aber, dass weder diese noch § 81g Abs. 1 S. 1 StPO irgendeine Anforderung an das Strafverfahren aufstellt, in dessen Verlauf der von der Speicherung Betroffene identifiziert werden soll. Vielmehr spricht die normative Anknüpfung an das BKAG gegen ein solches Verständnis. Es ist darauf hingewiesen worden, dass die Speicherung in der DNA-Analyse-Datei auf § 16 Abs. 5 S. 1 BKAG gestützt wird. Voraussetzung dafür war, dass diese Datei eine erkennungsdienstliche Sammlung oder Einrichtung nach § 2 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BKAG ist, was ebenso bejaht wurde. Würde man dies indessen verneinen, so dürfte das BKA gleichwohl Daten speichern, gem. § 2 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 BKAG aber nur zur „Verfolgung von Straftaten mit länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung“81. Der ganzen Konstruktion, gem. § 81g Abs. 1 StPO DNA-Identifikationsmuster zu erheben und diese gem. § 81g Abs. 5 S. 1 i. V. m. § 16 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 BKAG in der DNAAnalyse-Datei zu speichern, hätte es nicht bedurft, wenn von vorn herein nur angedacht gewesen wäre, erhebliche Straftaten aufzuklären. Allerdings ist trotz dieser Erklärung und dem Wortlaut sowohl des § 81g StPO als auch des BKAG der Vorwurf, wozu es dann das Erfordernis einer Prognose, nach der zukünftig Strafverfahren wegen erheblicher Bedeutung zu führen sein werden, in § 81g Abs. 1 S. 1 StPO überhaupt brauche, nicht ausgeräumt. Der faktische Ansatz, dies sei aus Gründen des Arbeitsaufwandes und der Kapazitätsbegrenzung der Fall, kann jedenfalls keine befriedigende Erklärung darbieten. Er findet keine Stütze in den Gesetzgebungsmaterialien, wobei es ein schlechtes Licht auf den Rechtsstaat werfen würde, wenn Einschränkungen der Ermittlungsbefugnisse auf organisatorischen und nicht auf rechtlichen Erwägungen gründen würden.
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Vgl. Stadler-Brehm, S. 112.
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Entsprechende rechtliche Erwägungen führt zwar Trück ins Feld, wenn er ausführt, das Erfordernis einer entsprechenden Prognose gründe auf der Gebotenheit einer Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 81g StPO, weil der Betroffene nicht wegen der Straftat, der er verdächtig ist, sondern wegen seines vermuteten zukünftigen Verhaltens einer strafprozessualen Maßnahme unterworfen werde82. Das Ziel, den Anwendungsbereich des § 81g StPO nicht allzu weit zu fassen – was auch andere für verfassungsrechtlich bedenklich hielten83 –, hätte freilich nicht zwingend durch die Gesetz gewordene Prognose erreicht werden können. Es wäre bspw. möglich gewesen, gesetzlich einen strengeren Verdachtsgrad zu fordern84. Zu leugnen ist aber nicht, dass die zusätzliche Voraussetzung implizit die Abgleichsmöglichkeit begrenzt. Denn wenn schon nicht gespeichert werden darf, ist ein Abgleich freilich faktisch schon nicht möglich. Eine Aussage über die Verwendungsmöglichkeiten im Falle des Eintritts der Prognose lässt sich dennoch nicht entnehmen. Eine wirkliche Begründung für das Erfordernis der Negativprognose geben die Gesetzgebungsmaterialien nicht her. Der Gesetzgeber hat das Erfordernis der Prognose aber an § 8 Abs. 6 Nr. 1 BKAG a. F. orientiert85, der heute § 16 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 lit. a BKAG entspricht. Wie aufgezeigt gründet die Verankerung der Speicherung in der DNA-Analyse-Datei in systematischer Hinsicht gerade auf dem Gedanken, die Zuständigkeit des BKAG über Schwerstkriminalität hinaus zu implementieren. Die Orientierung des Gesetzgebers an § 8 BKAG wäre mithin sinnlos, wenn die gespeicherten Daten ausschließlich in Strafverfahren wegen erheblichen Straftaten eingesetzt werden sollten. Dem Argument, § 81g Abs. 5 S. 3 StPO gestatte die Verwendung in jedem Strafverfahren, muss zwar insofern widersprochen werden, als es nicht um die Verwendung im weitesten Sinne, sondern nur um die Übermittlung der Daten geht. Auch unter den Vertretern der Ansicht, dass ein Abgleich nur bei Straftaten wegen erheblicher Bedeutung erfolgen kann, ist anerkannt, dass gem. § 81g Abs. 5 S. 3 StPO die Übermittlung für Zwecke eines Strafverfahrens nicht auf solche beschränkt ist, die erhebliche Straftaten zum Gegenstand haben86. Es ergäbe aber wenig Sinn, wenn die zulässigerweise zu Zwecken eines Strafverfahrens, das nicht wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung geführt wird, übermittelten Daten dann nicht Verwendung finden dürften. Außerdem spricht gegen eine Verwendungsbegrenzung auf Strafverfahren wegen Straftaten erheblicher Bedeutung, dass der Gesetzgeber 2005 explizit die Speiche82
Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 27; i. E. auch Beck, S. 248. Krehl/Kolz, StV 2004, 447 (451); Lorenz, JZ 2005, 1121 (1128); Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (707 f.); Schubert/Gerlach, RuP 2005, 79 (83); krit. Rackow, Kriminalistik 2003, 474 (478); die Verfassungskonformität des § 81g StPO mit dem Erfordernis der qualifizierten Prognose begründend BVerfGE 103, 21 (34). 84 Zum gegenwärtigen Stand s. unten Kap. 6 § 5 I. 85 BT-Drucks. 13/10791, S. 5. 86 Rackow, S. 192 ff.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 86; vgl. auch Beck, S. 248; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 46. 83
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
rung von Spurenmaterial erlaubt hat, das nicht aus einer Straftat von erheblicher Bedeutung stammt87. Die Taten, aus denen das Spurenmaterial herrührt, könnten de facto mittels Abgleich nicht aufgeklärt werden, wenn der Abgleich nur in hinreichend qualifizierten Verfahren durchgeführt werden könnte. Diese Voraussetzung würde die gesetzgeberische Entscheidung mithin ad absurdum führen. Summa summarum kann nicht der Auffassung gefolgt werden, dass der Abgleich nur eingesetzt werden darf in Strafverfahren, die erhebliche Straftaten zum Gegenstand haben. Er ist in jedem Strafverfahren zulässig – freilich unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Die verfahrensgegenständliche Tat muss sich auch nicht nach der Speicherung ereignet haben. Auch vorherige Taten können aufgeklärt werden. Ansonsten wäre es sinnlos, das aus Spurenmaterial gewonnene Muster in der Datei zu speichern. Das erlaubt aber § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 2 StPO. b) Manuelle Übermittlung der Daten Der Abgleich von aus Spurenmaterial gewonnenen Daten mit den gespeicherten ist nicht die einzige Verarbeitung, die der Verweis ins BKAG in § 81g Abs. 5 S. 1 StPO ermöglicht. Das BKA hat auf Grundlage der sehr weiten §§ 25 ff. BKAG die Kompetenz, Daten zu übermitteln. Umfasst sind auch solche Daten, die in Dateien gespeichert sind88. Übermitteln meint dabei sowohl die Weitergabe von Daten an einen Dritten als auch das Bereithalten, damit der Dritte Einsicht nehmen oder die Daten abrufen kann89. Soweit es aber um das Abrufen aus der DNA-Analyse-Datei selbst geht, ist § 29 BKAG lex specialis90. Im hier zu untersuchenden Bereich der DNA-Analytik geht es i. R. d. §§ 25 ff. BKAG mithin hauptsächlich um eine manuelle Übermittlung91. Das BKAG differenziert hinsichtlich der Anforderungen an die Übermittlung danach, ob der Empfänger der Daten seinen Sitz im Inland (§ 25), im Raum der EU (§ 26) oder im Ausland außerhalb der EU hat (§ 27). In § 28 BKAG Abs. 1 BKAG ist statuiert, wann die Übermittlung unterbleiben muss, gleich um welchen Empfänger es sich handelt. Im Anwendungsbereich der §§ 26 f. BKAG sind ferner die Abs. 2 und 3 des § 28 BKAG zu beachten.
87 BT-Drucks. 15/5674, S. 13; anders noch in § 3 S. 3 DNA-IFG, der mit besagter Änderung durch das Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse v. 12. 08. 2005 (BGBl. I, S. 2360) zu § 81g Abs. 5 S. 2 StPO wurde; ausführlich zur Speichermöglichkeit unten Kap. 6 § 7 II. 1. 88 Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, SicherheitsR, § 25 BKAG, Rn. 1. 89 Graulich, a. a. O. 90 Vgl. Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, SicherheitsR, § 25 BKAG, Rn. 37. 91 Vgl. zum alten Recht West, S. 86.
§ 4 Zweckbindung und Verwendungsregeln
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aa) Zur Übermittlungsmöglichkeit des BKAG nach §§ 25 ff. BKAG § 25 Abs. 1 BKAG gestattet eine Übermittlung an Polizeibehörden einzig unter dem Vorbehalt, dass die Übermittlung in den Aufgabenkreis des BKA fällt oder erforderlich ist, damit die Polizeibehörde ihre Aufgaben wahrnehmen kann. Allerdings muss das BKAG ausweislich des Wortlautes die Abs. 2 bis 4 des § 12 BKAG beachten. In diesen sind Einschränkungen geregelt, wenn die Daten zu einem anderen als dem Erhebungszweck verarbeitet werden sollen. § 10 BKAG a. F., der dem heutigen § 25 BKAG entspricht92, kannte letzte Voraussetzungen noch nicht. Die Novellierung gründet auf der Entscheidung des BVerfG, nach der auch die Übermittlung von Daten zu anderen Zwecken an denselben Maßstäben zu messen ist, wie wenn die Erhebung zu diesen Zwecken erfolgt wäre93. Für den Bereich der DNAAnalytik dürfte der Novellierung keine allzu große Bedeutung zuzumessen sein, da ausweislich § 81g Abs. 1 S. 1 StPO die Daten originär zu Identifizierung in künftigen Strafverfahren erhoben wurden. Ferner sind die Polizeibehörden zum Abruf innerhalb der DNA-Analyse-Datei berechtigt, § 29 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BKAG. Gemäß § 25 Abs. 2 BKAG kann das BKA die Daten auch an andere Behörden als die Polizei weitergeben; einzige hier relevante immanente Grenze ist neben der Beachtung des § 12 Abs. 2 ff. BKAG, dass die Übermittlung für die Strafverfolgung, Strafvollstreckung, den Strafvollzug oder für Gnadenverfahren (Nr. 2 lit. b) bzw. die Gefahrenabwehr (Nr. 2 lit. c) erforderlich sein muss. § 25 Abs. 3 BKAG gestattet darüber hinausgehend unter den Voraussetzungen des Abs. 2 die Übermittlung auch an nicht öffentliche Stellen. Dem BKAG obliegen in diesem Fall aber erhöhte Dokumentationsanforderungen, § 25 Abs. 3 S. 2 BKAG94. In jedem Fall muss das BKA die Zustimmung desjenigen einholen, der ihm die Daten übermittelt hat, wenn es davon ausgeht, dass der Zweck, zu dem die Daten erhoben wurden, durch die Übermittlung gefährdet würde, § 25 Abs. 4 BKAG. Grenzen der Kompetenz zur Übermittlung sind gem. § 28 Abs. 1 S. 1 BKAG nach Nr. 1 offensichtlich entgegenstehende Schutzinteressen des Betroffenen; nach Nr. 2 auch entgegenstehendes Bundesrecht. Es gilt jedoch hervorzuheben, dass die erste Einschränkung nach S. 2 nicht für Übermittlungen an die Staatsanwaltschaft gilt. Unter denselben Voraussetzungen kann das BKA Daten ferner in Mitgliedstaaten der EU (§ 26 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BKAG) und an Stellen der EU, die mit Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung befasst sind (Nr. 2), übermitteln. Ähnliches gilt für Staaten und zwischenstaatliche Organisationen gem. § 27 BKAG. Abweichend von §§ 25, 26 ist eine Übermittlung an eine nicht öffentliche Stelle aber ausgeschlossen. Dies ergibt ein Vergleich mit den vorstehenden Normen, in denen nicht öffentliche 92 BT-Drucks. 18/11163, S. 104; Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, SicherheitsR, § 25 BKAG, Rn. 6. 93 BVerfGE 141, 220 (327 ff.). 94 Im Einzelnen Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, SicherheitsR, § 25 BKAG, Rn. 25.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Stellen explizit erwähnt werden. Ferner gilt es, soweit es nicht um bereits begangene Straftaten geht, zu beachten, dass gem. § 27 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BKAG, eine Übermittlung zur Gefahrenabwehr nur bei erheblichen Gefahren zulässig ist. Hinsichtlich der Verhinderung bevorstehender Straftaten begründen nur erhebliche die Übermittlungsmöglichkeit, vgl. § 27 Abs. 1 S. 2 BKAG. § 27 Abs. 1 BKAG verweist ferner auf die §§ 78 ff. BDSG, die für Datenübermittlungen an Drittstaaten weitere Voraussetzungen aufstellen. Sowohl für Übermittlungen nach § 26 als auch für solche nach § 27 BKAG bestimmt § 28 Abs. 2 BKAG weitere Übermittlungsverbote. Neben staatlichen und individuellen Interessen (Nr. 1 ff.) ist insb. auf eine rechtsstaatlich und menschenrechtlich einwandfreie Verfassung des Empfängerstaates zu achten (Nr. 4). Diese Einschränkungen gründen auf der Tatsache, dass das BVerfG zu Recht betont hatte, dass im Ausland die Geltung der Maßstäbe des Grundgesetzes nicht mehr in demselben Umfang durchgesetzt werden können wie bei Übermittlungen im nur innerstaatlichen Bereich95. bb) Einschränkung der Übermittlungsbefugnisse durch § 81g Abs. 5 S. 3 StPO Im Kontext der Übermittlungen gilt es ferner § 81g Abs. 5 S. 3 StPO zu beachten, der die Übermittlungsmöglichkeiten des BKA nach den §§ 25 ff. BKAG begrenzt96. Übermittlungen sind demgemäß nur für Zwecke von Strafverfahren, Gefahrenabwehr und internationaler Rechtshilfe statthaft. Soweit allerdings von einer „engeren Zweckbindung“ gesprochen wird97, erscheint dies übertrieben. Denn nach dem gesetzgeberischen Willen sind die Begriffe Strafverfahren und Gefahrenabwehr weit auszulegen98 : Der Terminus des Strafverfahrens soll nicht nur Ermittlungs- und Hauptverfahren, die auch nicht erhebliche Straftaten zum Gegenstand haben99, umfassen, sondern auch die Bereiche der Strafvollstreckung, des Strafvollzuges und von Gnadenakten umfassen100. Gefahrenabwehr soll nicht
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BVerfGE 141, 220 (341 ff.). Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 30; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 30; Eisenberg/ Singelnstein, GA 2006, 168 (169); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 20; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 408; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 86; zum alten Recht BTDrucks. 15/5674, S. 13; Beck, S. 248 f.; Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (165); Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 18; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 69; Lee, S. 102 f.; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 12a; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 31; West, S. 86. 97 Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 69; vgl. auch BT-Drucks. 13/11116, S. 8. 98 BT-Drucks. 13/11116, S. 8. 99 Hier nur Stadler-Brehm, S. 137; West, S. 87. 100 Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 30; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 30; Eisenberg, Rn. 1692a; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 23; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 69; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 408; Neuser, S. 230 f.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 86; Stadler-Brehm, S. 137 f.; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 31; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 46; West, S. 86. 96
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gleichbedeutend mit der Notwendigkeit einer konkreten Gefahr sein101. Der Begriff der internationalen Rechtshilfe wurde besonders hervorgehoben, weil diese nach § 3 Abs. 2 S. 2 BKAG a. F., der heute § 3 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 entspricht, dem Anwendungsbereich des BKAG grundsätzlich entzogen war und ist102. Ausscheiden müssen freilich Übermittlungen zu wissenschaftlichen oder statistischen Zwecken103, deren Zulässigkeit sich ansonsten nach den insoweit spezielleren104 §§ 21 f. BKAG richten würde. Soweit es aber um die in § 81g Abs. 5 S. 3 StPO genannten Zwecke geht, geht das BKAG selbst in §§ 25 Abs. 2 Nr. 2 lit. b und c, 26 Abs. 1 darüber hinaus. In § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BKAG ist sogar die Übermittlung nur zur Abwehr erheblicher Gefahren gestattet. Insoweit beschränkt § 81g Abs. 5 S. 3 StPO die Übermittlungsbefugnisse nach dem BKAG. cc) Zur Vereinbarkeit des § 81g Abs. 5 S. 3 StPO mit dem Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung In seinem Urteil zum BKAG a. F. hatte das BVerfG insbesondere sich mit den Übermittlungsvorschriften zu beschäftigen. Es betonte die grundsätzliche Zulässigkeit nachträglicher Zweckänderungen auf gesetzlicher Grundlage105. Werden Daten für einen anderen Zweck als den der Erhebung zugrunde liegenden verarbeitet, müsste jedoch die Datenerhebung zu diesem Zweck originär zulässig sein. Das Gericht spricht insofern von „hypothetischer Datenneuerhebung“106. Auf die das DNA-Identifikationsmuster gemünzt bedeutet dies im Fall der Übermittlung eines gespeicherten, dass die Erhebung zu dem Zweck zulässig sein müsste, zu dem das übermittelte DNA-Identifikationsmuster eingesetzt werden soll. Stadler-Brehm konstatiert dazu, die Übermittlung sei in weiterem Umfang zulässig als die Erhebung. So sei bspw. die Erhebung des DNA-Identifikationsmuster an eine Prognose geknüpft, nach der anzunehmen sein müsse, dass in der Zukunft Strafverfahren wegen Taten erheblicher Bedeutung gegen den Betroffenen geführt werden. Auf eine solche Prognose werde i. R. d. Übermittlung verzichtet107. Auch Rackow und Neuser betonen, die Übermittlungsmöglichkeit ginge weit über die
101 Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 30; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 30; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 69; Neuser, S. 231; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 86; StadlerBrehm, S. 138; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 31; West, S. 86. 102 Vgl. BT-Drucks. 13/11116, S. 8. 103 Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 86. 104 Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, SicherheitsR, § 25 BKAG, Rn. 3. 105 BVerfGE 141, 220 (324). 106 BVerfGE 141, 220 (327 f.). 107 Stadler-Brehm, S. 138.
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Erhebungsmöglichkeit hinaus108. Paeffgen äußerte in diesem Zusammenhang, der Zweckbindungsgrundsatz sei zu einem „amöbenhaften Gebilde verkümmert“109. Freilich zutreffend ist, dass nach dem gesetzgeberischen Willen eine Divergenz besteht zwischen den Zwecken, zu denen auf Grundlage des § 81g Abs. 1 StPO Daten erhoben werden können und den Zwecken, zu denen sie gem. § 25 ff. BKAG auch i. V. m. § 81g Abs. 5 S. 3 StPO übermittelt werden können. Alleine für die Regelung der Erhebung zu Zwecken der Gefahrenabwehr würde es dem Bundesgesetzgeber an einer Kompetenz zum Erlass fehlen. Da die Übermittlung ein neuer Grundrechtseingriff ist, der seinerseits verhältnismäßig sein muss, wird angenommen, dies sei nicht der Fall, wenn das DNA-Identifikationsmuster etwa zur Abwehr einer bloß abstrakten Gefahr für nicht hochrangige Rechtsgüter eingesetzt übermittelt würde. § 81g StPO sei daher entgegen dem gesetzgeberischen Willen restriktiv auszulegen110. Rackow meint ferner, ein Wertungswiderspruch liege vor, wenn die DNA-Identifikationsmuster nur in Verfahren wegen Straftaten erheblicher Bedeutung eingesetzt, aber auch für andere übermittelt werden dürften. An den Begriff der Gefahrenabwehr seien, um einen solchen Wertungswiderspruch insgesamt zu vermeiden, dieselben Anforderungen zu stellen wie an den des Strafverfahrens, sodass summa summarum nur eine erhebliche Gefahr besonders wichtiger Rechtsgüter ausreiche111. Zumindest ersteres gründet freilich auf dem hier nicht vertretenen112 Ausgangspunkt, dass die Verwendung der gespeicherten DNA-Identifikationsmuster nur in Verfahren mit erheblichen Straftaten als Verfahrensgegenstand eingesetzt werden können. Da das nicht zutrifft und ein Einsatz auch in anderen Verfahren möglich ist, besteht zumindest kein Wertungswiderspruch, wenn die Daten hierfür übermittelt werden. Fraglich ist allerdings, ob die Übermittlung zu jeder Form der Gefahrenabwehr verfassungskonform ist. Nach dem Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung müsste geprüft werden, ob es zulässig wäre, ein DNA-Identifikationsmuster zu Gefahrenabwehrzwecken zu erheben, auch wenn die Gefahr nur abstrakt ist und u. U. kein besonders hochrangiges Rechtsgut betrifft. Das BVerfG betont in diesem Zusammenhang, es gebe Kriterien, die der Erhebungsbeschränkung eigen sind und deshalb nicht auf die Übermittlung übertragen werden dürften; u. a. seien das etwa bestimmte Verdachtsgrade oder Konkretisierungen113. Es sei jedoch erforderlich, dass zumindest auf mittlere Sicht vergleichbare Rechtsgüter betroffen seien114. Auch wenn man aus verfassungsrechtlicher Perspektive die Zulässigkeit der Erhebung und Speicherung des DNA-Identifikationsmusters unter den strengen Voraussetzungen 108 109 110 111 112 113 114
Neuser, S. 231; Rackow, S. 193; ebenso Busch, NJW 2002, 1754 (1757). Paeffgen, StV 1999, 625 (626). Rackow, S. 196 f.; Stadler-Brehm, S. 139 f. Rackow, S. 197; ähnlich Ohler, StV 2000, 326. Kap. 6 § 4 II. 2. b) cc). BVerfGE 141, 220 (328). BVerfGE 141, 220 (329).
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des § 81g Abs. 1 S. 1 StPO als vorgelagerte Kontrolle115 anerkennt, so spricht dies nicht dafür, die Übermittlung auch bei nur abstrakten Gefahren zuzulassen. Ein besonders hochrangiges Rechtsgut muss gleichwohl nicht betroffen sein, weil die Verwendung zu strafverfahrensrechtlichen Zwecken auch keine Straftat gegen solches voraussetzt. Die Frage, ob eine Gefahr abstrakt oder konkret ist, lässt sich indessen nur schwer in den strafrechtlichen Kontext einordnen. Vergleichbar ist die Frage der Abstraktheit einer Gefahr mit den Maßstab an Wahrscheinlichkeit, der i. R. d. Prognose nach § 81g Abs. 1 StPO anzulegen ist. Ohne Einzelheiten vorweg nehmen zu wollen116, gilt es festzuhalten, dass tatsächliche Anhaltspunkte vonnöten sind und bloße Mutmaßungen nicht ausreichen117. Diesen Maßstab ist daher auch an das Maß an Konkretisierung hinsichtlich der Gefahr anzulegen. Unter diesem Verständnis würde einer Datenerhebung zu Gefahrenabwehrzwecken nichts entgegenstehen, sodass § 81g Abs. 5 S. 3 StPO mit Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung in Einklang zu bringen ist. Da der Gesetzgeber mit § 81g Abs. 5 S. 3 StPO ferner nicht etwas gestatten wollte, was nach dem BKAG unzulässig ist, sondern umgekehrt das BKAG, soweit es um Übermittlungen jenseits von Strafverfolgung und Gefahrenabwehr geht, einschränken wollte118, steht dieses Verständnis auch nicht dem gesetzgeberischen Willen entgegen. Das weite Verständnisse des § 81g Abs. 5 S. 3 StPO ist Voraussetzung, um nicht die Regelungen des BKAG zu konterkarieren, soweit es tatsächlich um Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr geht- wie z. B. § 25 Abs. 2 Nr. 2 BKAG. dd) Das Verhältnis von § 81g Abs. 5 S. 3 StPO zu den Übermittlungsverboten des § 28 BKAG Ungeklärt ist weiterhin das Verhältnis der Vorschrift des § 81g Abs. 5 S. 3 StPO zu den allgemeineren Übermittlungsverboten des § 28 BKAG. Einerseits wird von einer grundsätzlichen Spezialität des § 81g Abs. 5 S. 3 StPO ausgegangen. Verdrängt würde aber nur die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 1 BKAG; die für Auslandsübermittlungen geltenden, besonderen Verbote des § 28 Abs. 2 BKAG behielten dagegen volle Geltung119. Rackow hingegen plädiert für eine Anwendbarkeit des § 27 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKAG a. F., der dem heutigen § 28 Abs. 1 S. 1
115
Zutreffend Neuser, S. 233. Einzelheiten unten Kap. 6 § 5 III. 3. 117 Vgl. hier nur Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 37. 118 Vgl. BT-Drucks. 15/5674, S. 13. 119 Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 86; ohne Einschränkung hinsichtlich der Absätze hierauf verweisend Eisenberg, Rn. 1692a; zum alten Recht vgl. auch Stadler-Brehm, S. 138 f.; ferner Busch, NJW 2002, 1754 (1757), der sich jedenfalls dagegen ausspricht, § 81g Abs. 5 S. 3 StPO als Verwendungsbeschränkung i. S. d. § 27 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BKAG a. F. (= § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BKAG) anzusehen. 116
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Nr. 1 BKAG entspricht, und gleichzeitig für Obacht und besondere Zurückhaltung bei Auslandsübermittlungen120. Außer Frage steht, dass § 81g Abs. 5 S. 3 StPO nicht eine Überprüfung der für Auslandsübermittlungen geltenden Verbote des § 28 Abs. 2 BKAG obsolet macht. Die Gewährleistung eines Umgangs mit den Daten auf rechtstaats- und menschenrechtskonforme Weise (§ 28 Abs. 2 Nr. 4 BKAG) muss als unablässige Voraussetzung für die Zulässigkeit der Übermittlung gelten, da das BVerfG mit Recht betont hat, dass die Gewährleistung der Garantien des Grundgesetzes im Ausland nicht mehr vom Übermittler übernommen werden kann121. Nicht minder hochwertig sind freilich die übrigen Verbote; sie alle genießen höchsten Verfassungsrang und können daher nicht zurücktreten, wenn man die Weite des § 81g Abs. 5 S. 3 StPO bedenkt. Fraglich ist allerdings, ob § 81g Abs. 5 S. 3 StPO ein Zurücktreten des Übermittlungsinteresses hinter Individualinteressen ausschließt. Die Tatsache, dass bei Übermittlungen an die Staatsanwaltschaft gem. § 28 Abs. 1 S. 2 StPO eine Abwägung der Interessen nicht vorzunehmen ist, zeigt einen gewissen Vorrang der Strafrechtspflege122, nicht aber der Gefahrenabwehr und der internationalen Rechtshilfe. Die Möglichkeit des Vorranges des Individualinteresses ist indessen ein verfassungsrechtliches Gebot123, das auf dem rechtsstaatlichen Grundsatz wurzelt, dass kein staatliches Interesse so stark sein kann, dass es jedwede Form von Individualinteressen überwiegt. Alleine deshalb kann § 81g Abs. 5 S. 3 StPO die Anwendung des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKAG nicht ausschließen. Ferner kann dem § 81g Abs. 5 S. 3 StPO ein solcher Zweck auch gar nicht entnommen werden. Er bestimmt, dass Daten „nur“ zu den aufgezählten Zwecken übermittelt werden dürfen. Das Wort „nur“ zeigt, dass der Charakter des Satzes einschränkender Natur ist. Mit diesem wäre nicht zu vereinbaren, mit ihm eine Expansion der Übermittlung innerhalb der Zwecke zu ermöglichen. Dies widerspräche ferner auch der Absicht des Gesetzgebers. Dieser bekräftige bei der Überführung der Regelung aus dem DNAIFG in § 81g Abs. 5 S. 3 StPO, dass die Übermittlung der Daten auch nach dem BKAG zulässig sein müsse124. Die Rechtmäßigkeit der Übermittlung nach dem BKAG setzt aber auch voraus, dass kein Übermittlungsverbot entgegensteht. § 81g Abs. 5 S. 3 StPO sollte mithin eine zusätzliche Schutzvorkehrung für Interessen des Betroffenen sein und nicht andere solche aufweichen. § 81g Abs. 5 S. 3 StPO und § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BJAG haben mithin dieselbe Zielrichtung, sodass ein Konkurrenzverhältnis, dass für den Vorrang des einen vor dem anderen im Wege der 120
Rackow, S. 196 ff. BVerfGE 141, 220 (341 ff.). 122 Vgl. aber Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, SicherheitsR, § 28 BKAG, Rn. 17, der dies mit der Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft sowie einer speziellen Regelung des Verhältnisses zu derselben in § 10 BKAG begründet (gemeint ist damit wohl § 10 BKAG a. F., der heute § 25 BKAG mit seinen speziellen Regelungen zur Strafrechtspflege entspricht). 123 Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, SicherheitsR, § 25 BKAG, Rn. 7. 124 BT-Drucks. 15/5674, S. 13. 121
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Spezialität notwendig wäre, gar nicht gegeben ist. Mithin tritt § 81g Abs. 5 S. 3 StPO neben und nicht an die Stelle der Vorschriften des § 28 BKAG. 3. Der Vertrag von Prüm – Zum grenzüberschreitenden Abgleich gespeicherter DNA-Identifikationsmuster a) Der Vertrag von Prüm als völkerrechtliches Novum Eine erhebliche Ausweitung haben die Speicherung von DNA-Identifikationsmustern in Datenbanken und der darauf basierende Abgleich einer Spur mit gespeicherten Informationen durch den sog. Vertrag von Prüm125 erfahren. Dieser Vertrag ist ein völkerrechtliches Abkommen126 zwischen einzelnen Mitgliedstaaten der EU. Er gestattet insofern erstmalig127 die Möglichkeit für Behörden eines Staates direkt, d. h. ohne vorheriges Ersuchen, auf Dateien eines anderen Staates zuzugreifen. Zwar erstreckt sich das Zugriffsrecht nicht auf alle Dateien der teilnehmenden Staaten; die DNA-Analyse-Datei des BKA sowie die wesensgleichen Dateien der anderen Staaten sind aber erfasst; vgl. Art. 2 ff. des Prümer Vertrages. Das Zugriffsrecht der teilnehmenden Staaten ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1. b) Verfahren nach dem Vertrag von Prüm Das Verfahren128 bei einem Abgleich nach dem Prümer Vertrag ist dabei ein zweiteiliges. Nach Art. 2 Abs. 2 müssen zu den DNA-Analyse-Dateien sog. „Fundstellendatensätze“ gehören, welche aus dem DNA-Identifikationsmuster einerseits und einer Kennung – eine Kennziffer – anderseits bestehen. Der eigentliche Abgleich wird im Wege des „hit-/no hit-Verfahrens“ durchgeführt. Ergibt die Eingabe des DNA-Identifikationsmuster keinen Treffer, wird dies der eingebenden Stelle automatisch mitgeteilt, Art. 3 Abs. 2 S. 2. Liegt ein Treffer 125 Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande und der Republik Österreich über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration v. 27. 05. 2005, ratifiziert durch Gesetz v. 10. 07. 2006, BGBl. II, S. 626 ff. 126 Hero, S. 290; Mutschler, S. 199; Papayannis, ZEuS 2008, 219 (229); Zöller, ZIS 2011, 64 (66). 127 Hummer, EuR 2007, 517 (522); Zöller, ZIS 2011, 64 (66). 128 Zu diesem im Ganzen vgl. BT-Drucks. 16/12585, S. 7 f.; Beck, S. 237 f.; Böse, S. 42 ff.; Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, SicherheitsR, § 26 BKAG, Rn. 7; § 27 BKAG, Rn. 4; Hero, S. 289 f.; Hummer, EuR 2007, 517 (521 f.); Kietz/Maurer, integration 3/2006, 201 (204); Keber/Trautmann, Kriminalistik 2011, 355 (356); Mutschler, S. 91 ff.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 2, Fn. 15; Schaar, DuD 2006, 691 (691 f.); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 12 a. E.; Weichert, DANA 2006, 12 (13); Zöller, ZIS 2011, 64 (66 f.).
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
vor, d. h. ist das eingegebene DNA-Identifikationsmuster bereits in der Datei eines der teilnehmenden Staaten gespeichert, wird der ersuchenden Stelle die entsprechende Kennziffer und das Vorliegen eines Treffers mitgeteilt, Art. 3 Abs. 2 S. 1. Nicht übermittelt wird das DNA-Identifikationsmuster. Will die abrufende Behörde weitere Informationen (also insb. die dem Muster nach § 5 Abs. 5 BKADV beigefügten Daten), so muss sie gem. Art. 5 sich der klassischen Möglichkeiten der internationalen Rechtshilfe bedienen, also ein Ersuchen stellen, welches nach nationalem Recht, nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland mithin nach §§ 26, 25 BKAG bearbeitet wird. Gemäß Art. 6 Abs. 1 des Prümer Vertrages i. V. m. § 2 des Ausführungsgesetzes zu demselben129 ist für Deutschland das BKA „nationale Kontaktstelle“ i. S. d. Vertrages. Es ist zuständig für Anfragen und Abgleiche auf Ersuchen anderen Vertragsstaaten hin, vgl. Art. 3 und 4. Eine automatisierte Übersendung der Funddatensätze, also auch des DNAIdentifikationsmusters, findet nach Art. 4 ausschließlich dann statt, soweit es um „offene“, also noch nicht zuordenbare Spuren geht. Da diese Nutzung der Daten nicht mehr von § 81g StPO, und auch nicht von den §§ 25 ff. BKAG, die nur die konventionelle Übermittlung regeln, gedeckt ist, liegt insofern eine Zweckänderung vor. Die hierfür notwendige Ermächtigungsgrundlage findet sich in § 3 des Ausführungsgesetzes. Art. 7 regelt letztlich die Voraussetzungen, wann ein Vertragsstaat auf Ersuchen eines anderen nicht vorhandene DNA-Identifikationsmuster gewinnen darf. Unter anderem ist die Zulässigkeit nach dem Recht des ersuchten Staates erforderlich. Diese richtet sich im deutschen Recht nach § 81e StPO130. c) Europäisierung des Vertrages Bereits in Art. 1 des Prümer Vertrages haben die unterzeichnenden Staaten dem Willen Ausdruck verliehen, spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten (Abs. 4) den Vertrag in EU-Recht zu überführen.
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Ursprünglich § 1 des Ausführungsgesetzes, vgl. zu diesem Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung des Vertrages vom 27. Mai 2005 zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande und der Republik Österreich über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration vom 10. 07. 2006, BGBl. I, 1458 f. 130 § 81g StPO ist nicht einschlägig, weil es im Falle des Art. 7 des Prümer Vertrages nicht um künftige, sondern um anhängige Strafverfahren geht.
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Dieses Ziel wurde erreicht, als der Rat der Europäischen Union im Jahr 2009 beschloss, wesentliche Teile131 des Prümer Vertrag, darunter die die DNA-Analytik betreffenden Artikel, in den Rechtsrahmen der EU zu überführen132. Durch eine Änderung des Ausführungsgesetzes zum Prümer Vertrag133, das nunmehr „Ausführungsgesetz zum Prümer Vertrag und zum Ratsbeschluss Prüm“ heißt, wurde der Beschluss in nationales Recht umgesetzt. Änderungen zum Status quo ante, als die nationalen Regelungen noch originär auf der völkerrechtlichen Vereinbarung gründeten, hat die Umsetzung nicht bewirkt. Sie erschöpft sich in einer Neuordnung der Paragraphen134. Von größerer Bedeutung an der Europäisierung ist eher, dass mit der Europäisierung und der Umsetzung des Beschlusses durch andere Mitgliedstaaten freilich die Zahl der Anfragen auf die von deutschen Behörden gespeicherten DNA-Identifikationsmuster wachsen wird. Kollektiv gesehen führt dies zu einer expansiveren Nutzung der gespeicherten Daten, was nicht zwingend negativ bewertet, aber jedenfalls zur Kenntnis genommen werden soll. d) Konsequenzen für datenschutzrechtliche Belange des Betroffenen aa) Zur Reichweite des Verfahrens nach dem Prümer Vertrag Die Möglichkeit für Behörden ausländischer Staaten, die DNA-Analyse-Datei des BKAG zu nutzen, führt zu einer erweiterten Nutzung der gespeicherten Daten. Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass das Nutzungsrecht der ausländischen Behörden nur eingeschränkt mit dem der Verbundsteilnehmer nach § 29 BKAG vergleichbar ist. Der Abruf einer ausländischen nationalen Kontaktstelle im automatisierten Verfahren führt dazu, dass die beim BKA gespeicherten Daten bei jedem Abruf mit den eingegebenen Daten verglichen werden. Nicht nur die Übermittlung auf dem Rechtshilfeweg, sondern alleine die die Mitteilung, dass Daten gespeichert sind, ist ein Grundrechtseingriff. Dasselbe gilt für den Abgleich; § 46 Nr. 2 BDSG definiert diesen als Verarbeitung. Zu einer erheblichen Steigerung der Eingriffsintensität führt es, dass DNA-Identifikationsmuster, die nicht zuordnungsfähig sind, gem. Art. 4 Abs. 2 des Prümer Vertrages automatisch übermittelt werden. Es ist darauf hingewiesen worden, dass die fehlende Zuordnungsfähigkeit aus grund-
131
Zu den Ausnahmen, die größten Teils bereits anderweitig geregelt waren und nur selten am Willen zur Europäisierung scheiterten vgl. BT-Drucks. 16/12585, S. 7. 132 Art. 2 ff. des Beschl. 2008/615/JI des Rates vom 23. 06. 2008 zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, ABl. L210/1 v. 06. 08. 2008. 133 Gesetz zur Umsetzung des Beschl. des Rates 2008/615/JI vom 23. 06. 2008 zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität vom 31. 07. 2009 (BGBl. I, S. 2507 ff.). 134 Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 2.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
rechtlicher Perspektive irrelevant ist und an der Eingriffsqualität einer Maßnahme nichts ändert135. Nun gilt es deutscher Sicht freilich zu bemerken, dass die Anordnungsvoraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO auf einen Abgleich von DNA-Identifikationsmustern i. R. d. Prümer Vertrages bremsend wirken. Da besonders qualifizierte Voraussetzungen vorliegen müssen, damit ein DNA-Identifikationsmuster eines Beschuldigten überhaupt in der DNA-Analyse-Datei gespeichert wird, ist es nur in eingeschränktem Umfang möglich, dass DNA-Identifikationsmuster aus dem deutschen Bestand Gegenstand eines Abgleiches i. R. d. Prümer Vertrages sind. Die Situation unterscheidet sich damit signifikant zu der im Vereinigten Königreich, wo eine Speicherung von DNA-Identifikationsmuster bei Verdacht oder Verurteilung wegen einer Straftat eher die Regel als die Ausnahme zu sein scheint136. Soweit es jedoch um DNA-Identifikationsmuster geht, die noch keiner Person zugeordnet wurden, gilt es zu sehen, dass diese gem. § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 2 StPO gespeichert werden, auch wenn sie nicht aus einer besonders erheblichen Straftat stammen137. Überhaupt sieht der Prümer Vertrag selbst keine Beschränkung auf schwere Straftaten vor138. Einzig gilt, dass Art. 3 und 4 des Vertrages das Verfahren „zur Verfolgung von Straftaten“ betrieben werden muss. Nur ein Einsatz aus präventiven Gründen muss mithin scheitern139. Das Verfahren nach dem Prümer Vertrag läuft in gewisser Hinsicht sowohl mit dem innerstaatlichen Strafverfahren als auch mit konventionellen Übermittlung nach den §§ 25 ff. BKAG parallel. Denn hier wie da ist ein Strafverfahren wegen besonders erheblichen Straftaten nicht erforderlich140. Soweit es um Strafverfolgungszwecke geht, weist das Prüm’sche Verfahren in rechtlicher Hinsicht keine besonderen Abweichungen auf. Es vereinfacht und effektiviert lediglich den Ablauf des manuelles Übermittlungsverfahren. Auch praktisch ist festzustellen, dass Abgleiche nach dem Prümer Vertrag nur selten dazu dienen, die qualitativ erheblichen Straftaten aufzuklären, die gem. § 81g Abs. 1 S. 1 StPO prognostiziert werden müssen, um die Maßnahme überhaupt anordnen zu können. Mehrheitlich kommt der Prümer Vertrag zum Einsatz, um Kriminalität aufzuklären, die in qualitativer Hinsicht allenfalls dem mittleren Bereich zuzuordnen ist und der Kategorie der Eigentumsdelikte unterfällt141. Auf eine kleine 135
Kap. 3 § 3 I. 1. b) bb). Vgl. dazu Beck, S. 238; Kube/Schmitter, Kriminalistik 1998, 415 (417); Weichert, DANA 2006, 12 (13). 137 Ausführlicher unten Kap. 6 § 7 II. 1. 138 Papayannis, ZEuS 2008, 219 (232); de lege ferenda für eine entsprechende Begrenzung Schaar, DuD 2006, 691 (692); dazu ferner Mutschler, S. 180 ff. 139 Papayannis, ZEuS 2008, 219 (232); Weichert, DANA 2006, 12 (13). 140 Vgl. zum Einsatz des Abgleichs im laufenden Strafverfahren Kap. 6 § 4 II. 2. a) cc); zur Übermittlung Kap. 6 § 4 II. 2. b) bb), cc). 141 Zöller, ZIS 2011, 64 (67). 136
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Anfrage der Fraktion DIE LINKE teilte die Bundesregierung mit, dass zum 30. 09. 2009 Deutschland bei Abfragen etwa in der österreichischen DNA-Analyse-Datei 3.135 Treffer erzielte. 3.005 der Treffer bezogen sich auf Straftaten erfassen, die nicht den Bereichen der gemeingefährlichen Straftaten, der Sexualstraftaten oder der Straftaten gegen Leben oder die persönliche Freiheit unterfielen. Das entspricht nahezu 96 % der Abfragen. Bei Abgleichen mit spanischen Behörden sind es ca. 93 %142. Daraus darf gleichwohl nicht eo ipso der Schluss gezogen werden, dass die von § 81g Abs. 1 StPO geforderte Negativprognose sich nicht bewahrheiten würde. § 81g Abs. 1 S. 2 StPO bestimmt insofern, dass die Erheblichkeit einer Straftat nicht nur am qualitativen, sondern auch am quantitativen Unrecht zu messen ist. Bedenkt man etwa den Fall der Bandenkriminalität im Bereich der Wohnungseinbruchsdelikte, so kann nicht davon ausgegangen werden, die Prognose des § 81g Abs. 1 StPO bewahrheite sich im Hinblick auf das Gesagte in praxi nicht. bb) Datenschutzrechtliche Schutzvorkehrungen i. R. d. Prümer Vertrages Das siebte Kapitel des Prümer Vertrages regelt in den Art. 33 ff. datenschutzrechtliche Bestimmungen. Die unterzeichnenden Staaten haben dabei in Art. 34 allgemein bestimmt, dass das Datenschutzniveau grundsätzlich nicht unter dem Niveau der Datenschutzkonvention des Europarates nebst Zusatzprotokoll und Empfehlungen des entsprechenden Ministerkomitees liegen darf. In der gemeinsamen Erklärung, die dem Vertrag hinzugefügt wurde, haben die Unterzeichner unter I. 2. einstimmig erklärt, das entsprechende Niveau zu erfüllen, wovon man heute, gerade unter Berücksichtigung der Umsetzung der JI-RL in nationalstaatliches Recht durch die EU-Mitgliedstaaten ausgehen kann. Neben einer umfangreichen Protokollierungspflicht, die in Art. 39 geregelt ist, und der Verpflichtung, gegen datenschutzrechtliche Verstöße gem. Art. 38 geeignete Schutzmechanismen zu errichten, ist von besonderem Interesse die Frage nach der einer Beschränkungen der Verarbeitung. Der erste Teilsatz des Art. 35 Abs. 1 des Prümer Vertrages beschränkt die Verarbeitung der empfangenen Daten durch den Empfängerstaat grundsätzlich auf den Zweck, zu dem sie übermittelt wurden. Soweit es um Daten aus DNA-Analysen geht, zeichnen Art. 3 und 4 diesen als die Verfolgung von Straftaten aus. Der zweite Teilsatz des Art. 35 Abs. 1 erlaubt zweckändernde Verarbeitung unter den Voraussetzungen, dass dies nach dem Recht des Empfängers zulässig ist und unter Zustimmung der übermittelt habenden Behörde geschieht, welche ihrerseits die Zustimmung nur erteilen darf, wenn die Verarbeitung zu dem von dem Empfänger angedachten Zweck auch nach ihrem Recht, also dem des Übermittlers möglich wäre. Nach dem Wortlaut nicht entscheidend ist es, ob die Befugnis zur Verarbeitung 142
BT-Drucks. 16/14150, S. 4.
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sowohl nach dem Recht des Empfängers als auch nach dem des Übermittlers sich daraus ergibt, dass die Daten originär zu diesem Zweck erhoben wurden oder ob sie zu einem anderen Zweck erhoben, aber entsprechend zweckändernd verarbeitet werden dürfen. Diese allgemeine Möglichkeit der zweckentfremdeten Weiterverarbeitung erfährt de facto eine Einschränkung durch Abs. 2 des Art. 35. Demnach ist die Verarbeitung von DNA-Identifikationsmustern nur zulässig, um festzustellen, ob zwei DNAIdentifikationsmuster übereinstimmen. Sollte dies der Fall sein, dürfen die Daten noch zur Vorbereitung eines Übermittlungsersuchens im Wege der Rechtshilfe verwendet werden oder zur Protokollierung nach Art. 39; für die ersuchte Behörde gilt dasselbe, freilich insofern, als dass an die Stelle der Vorbereitung eines Ersuchens die Bearbeitung desselben tritt. Danach sind die Daten unverzüglich zu löschen. Dies führt de facto zu einem Ausschluss einer weiteren Verarbeitung, etwa in Form einer Speicherung in der Datei des Empfänger-Staates. 4. Speicherung ad infinitum? Eine Regelung, wann DNA-Identifikationsmuster aus der DNA-Analyse-Datei zu löschen sind, wie sie etwa § 81h Abs. 3 S. 3 StPO grundsätzlich kennt, ist dem § 81g StPO nicht zu entnehmen. Dies ist insofern folgerichtig, als die Verwendung gem. § 81g Abs. 5 S. 1 StPO nicht den Regeln der StPO, sondern denen des BKAG folgt. Daher soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, ob die Speicherung quasi für immer möglich ist oder ob auch hier eine Löschung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erfolgen hat. Wann i. R. d. Prümer Vertrages eine Löschung in Betracht kommt, erfährt eine besondere Untersuchung. a) Löschung nach BKAG und BDSG aa) Löschungsgründe Ehe das BKAG grundlegend novelliert wurde, bestimmte § 32 Abs. 2 S. 1 BKAG zwei Löschungsgründe. Die in Dateien gespeicherten Daten waren demnach sowohl dann zu löschen, wenn die Speicherung unzulässig war, als auch dann, wenn die Kenntnis der Daten zur Aufgabenerfüllung durch das BKA nicht mehr erforderlich war. Im Zuge der BKA-Novelle wurden jedoch nur die Abs. 3 bis 9 des § 32 a. F. in § 77 BKAG übernommen143. Nach einer Löschungsanordnung i. S. e. Vorschrift, die eine Regel darüber trifft, wann welche Daten zu löschen sind, sucht man im neuen BKAG vergebens. Es ist daher auf die allgemeinen Regelungen des § 75 BDSG zurückzugreifen144. Dafür 143 144
BT-Drucks. 1811163, S. 131. Zutreffend Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 35; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 88.
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spricht vor allem, dass § 77 Abs. 1 S. 2 BKAG hinsichtlich der Prüfungsfristen auf § 75 Abs. 4 BDSG Bezug nimmt. Nach § 75 Abs. 2 BDSG müssen gespeicherte Daten gelöscht werden, wenn ihre Verarbeitung unzulässig ist, sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gelöscht werden müssen oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung des Verantwortlichen nicht mehr erforderlich ist. Die Regelung nennt also drei Varianten, wobei die erste und die dritte im Wesentlich dem § 32 Abs. 2 S. 1 BKAG a. F. entsprechen. Die zweite Variante, wonach die Daten zu löschen sind, wenn „sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gelöscht werden müssen“, wird in praxi keinerlei Bedeutung erfahren und wird zu Recht als tautologisch bezeichnet145. Genauso gut hätte der Gesetzgeber formulieren können: „Die Daten sind zu löschen, wenn sie zu löschen sind“. Die Löschungspflicht ergibt sich in diesen Fällen schließlich bereits aus dem Fachrecht selbst146. Den einzigen Sinn der Regelung könnte man noch darin sehen, klarstellen zu wollen, dass § 75 Abs. 2 BDSG keine besonderen Löschungsvorschriften verdrängen soll. Dazu hätte aber auch die Anwendung des lex specialis-Grundsatzes genügt. Der Fokus soll nachstehend deshalb auf der ersten und der dritten Variante liegen. (1) Unzulässigkeit der Verarbeitung, § 75 Abs. 2 Var. 1 BDSG Auf den ersten Blick erschließt sich, dass die Verpflichtung zur Löschung von Daten, wenn ihre Verarbeitung unzulässig ist, in engem Zusammenhang mit § 32 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BKAG a. F. steht, wonach Daten zu löschen waren, wenn ihre Speicherung unzulässig war. Der ins Auge fallende Unterschied, dass § 75 BDSG von Verarbeitung spricht und § 32 BKAG a. F. von Speicherung sprach, ist freilich der Tatsache geschuldet, dass die allgemeine Vorschrift des BDSG auch solche Vorgänge erfassen muss, in denen die Verarbeitung nicht in einer Speicherung sich erschöpft. Da Speicherung gem. § 46 Nr. 2 BDSG ein Unterfall der Verarbeitung ist, kann aber auf die zu § 32 BKAG a. F. entwickelte Dogmatik zurückgegriffen werden. Dazu hieß es, es gelte zu beachten, dass die Speicherung nicht bereits dann unzulässig sei, wenn ihre Anordnungsvoraussetzungen, also hier die des § 81g StPO, nachträglich entfielen. Maßgeblich sei vielmehr einzig, ob sie im Zeitpunkt der Anordnung vorgelegen hätten147. Dies war nach alter Rechtslage zutreffend und ist es auch heute noch. § 81g Abs. 5 S. 1 StPO erlaubt die Speicherung der erhobenen Daten. Die Verwendung des Partizip Perfekt Passiv zeigt, dass die Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO im Zeitpunkt der Erhebung vorliegen mussten, nicht aber über diesen Zeitraum hinaus. Wie sich jedoch zeigen wird, erfährt dieser Grundsatz zwei 145 146
Rn. 7.
Burghardt/Reinbacher, in: BeckOK-DatenschutzR, § 75 BDSG, Rn. 17. Burghardt/Reinbacher a. a. O.; Nolte/Werkmeister in: Gola/Heckmann, BDSG, § 75,
147 Beck, S. 239; Hero, S. 306; Rackow, S. 205 ff.; Stadler-Brehm, S. 127; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 48; West, S. 88; vgl. auch Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 175; zum neuen Recht bereits Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 88.
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derart gravierende Einschränkungen, dass in praxi kaum ein Fall vorliegen wird, bei dem die Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO nicht mehr vorliegen, die Speicherung aber gleichwohl zulässig bleibt. Diese betreffen nachträgliche Umstände, die die Speicherung unzulässig machen. In systematischer Hinsicht spricht auch dies dafür, dass i. R. d. allgemeinen Regel des § 75 Abs. 2 Var. 1 BDSG nur auf den Erhebungszeitpunkt ankommen kann148. Ansonsten hätte es der speziellen Regeln, die den nachträglichen Wegfall der Erhebungsvoraussetzungen behandeln, nämlich nicht bedurft. (2) Zum Sonderfall des § 16 Abs. 5 S. 2 i. V. m. § 18 Abs. 5 BKAG Keine originäre Löschungsanordnung begründet der über § 16 Abs. 5 S. 2 BKAG bei allen im polizeilichen Informationssystemen gespeicherten Daten anwendbare § 18 Abs. 5 BKAG. Danach ist eine Weiterverarbeitung unzulässig, wenn „der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nicht nur vorläufig eigestellt [wird], wenn sich aus den Gründen der Entscheidung ergibt, dass die betroffene Person die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat“. Die Pflicht zur Löschung ergibt sich in diesen Fällen aus § 75 Abs. 2 BDSG149, wobei die Unzulässigkeit der Speicherung aus § 16 Abs. 5 S. 2 i. V. m. § 18 Abs. 5 BKAG folgt. Zusammengefasst geht es um Fälle, in denen sich der für die Anordnung gem. § 81g Abs. 1 StPO erforderliche und auch ausreichende150 Tatverdacht nachträglich nicht bestätigt werden kann. Ein Freispruch aus rechtlichen Gründen führt hingegen zur Unzulässigkeit der Speicherung151. Gleichwohl wirft § 18 Abs. 5 BKAG, der dem § 8 Abs. 3 BKAG a. F. entspricht152, einige Fragen auf. (a) Speicherung trotz Freispruchs beim Eingreifen von Entschuldigungsgründen Auffallend ist zunächst, dass selbst der rechtskräftige Freispruch nicht eo ipso die Speicherung unzulässig macht, sondern nur in den Fällen, in denen sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, dass der Angeklagte die Tat oder nicht rechtswidrig begangen hat. Sofern der Freispruch auf fehlender Schuld gründet, wird die Speicherung nicht unzulässig153 –, und zwar nach einem strengen Verständnis des Gesetzeswortlautes in allen Fällen, in denen der Freispruch auf fehlender Schuld gründet.
148 149 150 151 152 153
Vgl. Rackow, S. 205, Fn. 1112. Zum alten Recht Eisenberg/Singelnstein, GA 2006, 168 (175). Ausführlicher unten Kap. 6 § 5 I. LG Oldenburg, StV 2013, 145 (146). Vgl. BT-Drucks. 18/11163, S. 100. Zum alten Recht vgl. Ahlf, in: Ahlf/Daub/Lersch/Störzer, BKAG, § 8, Rn. 6.
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Soweit es in diesen Fällen um solche geht, in denen die Schuld wegen Schuldunfähigkeit oder Geisteskrankheit verneint wurde, mag dies zumindest systematisch mit dem Gesetz kongruent sein. Denn § 81g Abs. 4 Alt. 2 Nr. 1 StPO erlaubt auch die Anordnung der Maßnahme, wenn deshalb keine Verurteilung erfolgt. Ein weites Verständnis des § 18 Abs. 5 BKAG würde diese Fälle mit solchen gleichsetzen, in denen der Freispruch deshalb erfolgte, weil der Betroffene entschuldigt handelte – etwa in Fällen des entschuldigenden Notstandes nach § 35 StGB oder, wenn der Angeklagte die Grenzen der Notwehr nach § 33 StGB154 überschritten hat155. Nun ließen sich gegen die Aufrechterhaltung der Speicherung in diesen Fällen allgemeine Bedenken erheben: Man könnte sicherlich mit einer gewissen Berechtigung bezweifeln, dass der normative Unterschied zwischen einem gerechtfertigten Handeln, das unterzweifelhaft die Speicherung unzulässig machen würde, und einem gem. §§ 33, 35 StGB entschuldigten Handeln nicht von solcher Erheblichkeit ist, dass die Fälle eine unterschiedliche Behandlung erfahren müssten. Man könnte auch fragen, aus welchem Grund bei gerechtfertigtem Handeln eine Speicherung unzulässig sein soll. Erwägenswert wäre hier – neben allgemeinen Bedenken, dass ein Handeln des Bürgers, welches erwiesenermaßen (!) nicht Unrecht ist156, nicht Anlass dafür sein soll, dass er Adressat einer strafprozessualen Maßnahme wird –, darauf abzustellen, dass bei gerechtfertigtem Handeln schwerlich unterstellt werden kann, der Betroffene würde in Zukunft weitere Straftaten begehen. Schlägt bspw. eine Frau denjenigen nieder, der im Begriff ist, sie zu vergewaltigen, wird man hierin kaum den Grund sehen können, man habe es mit einer notorischen Rechtsbrecherin zu tun. Dasselbe gilt aber in dem Fall, in dem die Frau es nicht beim Niederschlagen belässt, sondern aus Angst (§ 33 StGB) dem Angreifer noch zusetzt, obschon er eigentlich schon handlungsunfähig ist. Zusammengefasst geht es mithin um nichts anderen als die Erforderlichkeit der Maßnahme157. Stadler-Brehm geht von einer generellen Unzulässigkeit der Speicherung bei jeder Form von fehlender Schuld und beim Vorliegen von Strafaufhebungsgründen aus158. Die Speicherung verstoße gegen den Rechtsgedanken des § 51 BZRG, der es verbietet, Eintragung im Bundeszentralregister zum Nachteil des Verurteilten zu verwenden, wenn diese bereits getilgt seien. Wenn schon trotz Verurteilung nach Ablauf der Tilgungsfrist eine Verwendung unzulässig sei, so müsse dies erst recht dann gelten, wenn es gar nicht einer Verurteilung komme. Dies ist aber nur insofern folgerichtig, als es um die Verwendung von Eintragungen im Bundeszentralregister geht. Hierzu bestimmt § 4 BZRG, dass Verurteilungen – auch solche, die auf 154 Zu § 33 StGB als Entschuldigungsgrund statt vieler Erb, in: MüKo-StGB I, § 33, Rn. 1 m. w. N. 155 So auch explizit Ahlf, in: Ahlf/Daub/Lersch/Störzer, BKAG, § 8, Rn. 6. 156 Im Einzelnen Schlehofer, in: MüKo-StGB I, Vorb. § 32, Rn. 36 a. E. 157 Damit argumentierend auch Stadler-Brehm, S. 125. 158 Stadler-Brehm, S. 123 ff.
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Maßregeln der Sicherung und Besserung erkennen können, welche nicht zwingend Schuld voraussetzen – eingetragen werden. Freisprüche wegen Entschuldigungsgründen werden überhaupt nicht eingetragen, sodass auch keine Notwendigkeit besteht, über § 51 BZRG anzuordnen, dass diese nicht verwendet werden dürfen. Es ist dem Gesetzgeber aber unbenommen, in anderen Registern oder allgemeiner in anderen Datensammlungen anderes zu regeln. Zu Recht verweist der Gesetzgeber in diesen Fällen darauf, dass die Speicherung bei fehlender Schuld nicht zulässig bleibt, nur weil § 18 Abs. 5 BKAG die Unzulässigkeit nicht anordnet. Vielmehr müsse in diesen Fällen geprüft werden, ob die Voraussetzungen der Negativprognose vorliegen159. Diese wird in den Fällen der §§ 33, 35 StGB grundsätzlich negativ ausfallen. Die Unzulässigkeit der Speicherung würde sich dann nicht aus § 18 Abs. 5 BKAG ergeben; es wäre vielmehr zu löschen, weil die Daten nicht mehr erforderlich wären, § 75 Abs. 2 BDSG160. Eine Auslegung, die dem § 18 Abs. 5 BKAG auch Fälle entschuldigten Handelns subsumiert, würde die Wortlautgrenze überschreiten. Auch für eine analoge Anwendung bleibt kein Raum, weil der Gesetzgeber die Fälle fehlender Schuld bedacht hat. Ob dieses Ergebnis in rechtspolitischer Hinsicht sachgerecht erscheint, mag dahinstehen; jedenfalls ist die Rechtsanwendung an die Gesetzeslage insofern gebunden. (b) Nicht nur vorläufige Einstellung – Zur Unzulässigkeit der Speicherung bei Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO Die Speicherung wird ferner unzulässig, wenn das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird. Unstreitig nur vorläufig eingestellt wird im Anwendungsbereich des § 153a StPO161; jedoch kommt eine Einstellung aus Opportunitätsgründen nach §§ 153 ff. StPO wegen des Erfordernis einer qualifizierten Anlasstat in § 81g Abs. 1 StPO kaum in Betracht162. Diskussionswürdig ist deshalb einzig, ob die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO eine nicht nur vorläufige i. S. d. § 18 Abs. 5 BKAG ist. Grundsätzlich sind zwei Ansätze denkbar: Ein strenger, nachdem es nur darauf kommt, ob es rechtlich möglich ist, das Verfahren weiter zu betreiben, oder ein weniger strenger, der danach fragt, ob die Einstellung typischerweise verfahrensbeendend ist. Legt man ersteren Ansatz zu Grunde, so führt die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO nicht zur Unzulässigkeit der Speicherung. Schließlich führt eine solche Ein-
159
BT-Drucks. 13/1550, S. 25. Dazu sogleich unten Kap. 6 § 4 II. 4. a) aa) (3). 161 Anders bei Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO, vgl. LG Flensburg, StV 2017, 509 f. 162 Vgl. Beck, S. 240, Fn. 851; Eisenberg/Singelnstein, GA 2006, 168 (176, Fn 47); Neuser, S. 237; anders etwa der Fall des LG Flensburg a. a. O.; vgl. auch LKA Hessen, StraFo 2019, 374 f. 160
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stellung gerade nicht zu einem Strafklageverbrauch163; die Staatsanwaltschaft kann, sollten etwa neue Beweise zu Verfügung stehen oder sollte sie zu einer anderen rechtlichen Einordnung der Tat gelangen, jederzeit das Verfahren weiter betreiben und Anklage erheben. Die ganz herrschende Meinung folgt dem zweiten Ansatz und subsumiert die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO dem Begriff der nicht nur vorläufigen Einstellung164. Gemäß § 81g Abs. 5 StPO gespeicherte DNA-Identifikationsmuster sind damit aus der DNA-Analyse-Datei zu löschen, weil die Verarbeitung unzulässig ist, wenn das Anlassverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wird. Die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO sei zu verschieden zu der Opportunitätseinstellung nach §§ 153 ff. StPO; eine Gleichbehandlung sei daher nicht sachgerecht165. Tatsächlich werde das nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellte Verfahren nur beim Vorliegen neuer Beweismittel wieder betrieben. Die Konstellation ähnliche dem Wiederaufnahmeverfahren166. Rein faktisch betrachtet sei eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO nicht nur vorläufig, sondern im Regelfall endgültig167. Die Löschung bei Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO sei ferner ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Diese Form der Einstellung hebe sich von anderen dadurch ab, dass bei ihr die Strafverfolgungsbehörde davon ausgehe, dass kein dem Betroffenen vorwerfbares Verhalten vorliege. Wenn schon in Fällen, in denen das nicht der Fall sei, Daten zu löschen seien, müsse dies erst recht in Fällen des § 170 Abs. 2 StPO gelten168. Berücksichtigung muss finden, dass auch dann, wenn man die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO grundsätzlich als nicht nur vorläufige Verfahrenseinstellung anerkennt, nicht zwingend die Löschung erfolgen muss. Sie steht – wie die Löschung nach rechtskräftigem Freispruch oder endgültiger Ablehnung der Verfahrenseröffnung – unter dem Vorbehalt, dass sich aus den Entscheidungsgründen ergeben muss, dass der Betroffene die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat. Diese Erkenntnis kann, muss aber nicht der Grund der Einstellung sein169. Sollte etwa die Einstellung nicht auf dem Grund, dass der Beschuldigte die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat, sondern etwa auf anderen Erwägungen beruhen, so ist 163 So auch Beck, S. 240, Fn. 851; Eisenberg/Singelnstein, GA 2006, 168 (176); zu fehlender Rechtskraft und fehlendem Strafklageverbrauch bei Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO s. statt vieler jeweils m. w. N. BGH, NJW 2001, 2310 (3211, Rn. 9); Graalmann-Scheerer, in: LR-StPO V/2, § 170, Rn. 50; Rogall, Beschuldigter, S. 24; Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 170, Rn. 9; Tiedemann, JR 1964, 5 (7); Wohlers/Albrecht, in: SK-StPO III, § 170, Rn. 61. 164 Beck, S. 240, Fn. 851; Eisenberg/Singelnstein, GA 2006, 168 (176); Kölbel, in: MüKoStPO II, § 170, Rn. 26; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 22. 10. 2003 – 6 C 3/03, Rn. 13; unklar bei Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, SicherheitsR, § 18 BKAG, Rn. 46. 165 Eisenberg/Singelnstein, GA 2006, 168 (176). 166 Eisenberg/Singelnstein, GA 2006, 168 (176). 167 Beck, S. 240, Fn. 851. 168 Eisenberg/Singelnstein, GA 2006, 168 (176). 169 Zutreffend vgl. Stadler-Brehm, S. 125.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
nicht einzusehen, warum der Betroffene schlechter stehen soll, weil bereits die Staatsanwaltschaft von einer Anklageerhebung absieht und nicht erst das Gericht rechtskräftig freispricht. Dazu kommt, dass ein kriminalistisches Bedürfnis für die Speicherung in Fällen, in denen nach § 170 Abs. 2 StPO deshalb eingestellt wird, weil davon ausgegangen wird, dass die Tat nicht durch den Beschuldigten oder jedenfalls nicht in rechtswidriger Weise durch ihn begangen wurde, nicht mehr besteht. Es wäre ferner widersprüchlich, wenn einerseits davon ausgegangen wird, dass Tatverdacht nach § 170 Abs. 1 StPO nicht besteht, gleichzeitig aber ein Anfangsverdacht nach § 81g StPO nicht ausräumbar ist. Denn das Legalitätsprinzip verpflichtet die Staatsanwaltschaft dann, entweder weitere Ermittlungen durchzuführen; oder sie muss im Wege der §§ 153 ff. StPO operieren. Stellt sie aber nach § 170 Abs. 2 StPO ein, kann sie sich nicht gleichzeitig weiterhin auf einen Anfangsverdacht berufen. Das Wort „vorläufig“ in § 18 Abs. 5 BKAG ist deshalb faktisch zu verstehen. Es ist daher zu fragen, ob der Einstellung grundsätzlich verfahrensbeendende Wirkung zukommen soll. Dies ist i. R. d. § 170 Abs. 2 StPO zu bejahen. (c) Beweislast Große Probleme bereitet die praktische Handhabung des letzten Passus des § 18 Abs. 5 BKAG. Demnach bewirken die aufgezählten Verfahrenshandlungen (Freispruch/Ablehnung der Eröffnung/Einstellung) die Unzulässigkeit der Speicherung nur, „wenn sich aus den Gründen der Entscheidung ergibt, dass die betroffene Person die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat“. Nach dem Wortlaut gehen Zweifel zulasten des Betroffenen. Das BVerwG hat zu § 8 Abs. 3 BKAG a. F. entschieden, die Speicherung sei nur unzulässig, wenn aus den Entscheidungsgründe positiv hervorginge, der der Betroffene die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat; Anhaltspunkte für einen Restverdacht seien nicht erforderlich170. Seien die Gründe für die Entscheidung nicht nachvollziehbar, sei dies dem Betroffenen selbst anzulasten. Nach Nr. 88 RiStBV habe er einen Anspruch, dass ihm in der Einstellungsverfügung nach § 170 Abs. 2 StPO mitgeteilt wird, dass gegen ihn kein Verdacht mehr besteht oder er unschuldig ist, wenn dem der Fall sei171. Auch das LG Freiburg hat eine Löschung von gespeicherten Daten im Fall einer Wahlfeststellung zwischen einer zur Anordnung der Maßnahmen ermächtigen Tat (§§ 242 i. V. m. 243 StGB) und nicht so beschaffenen (§ 259 StGB) verneint, weil die Entscheidungsgründe nicht hergäben, dass der Verurteilte nicht der Täter der zur Anordnung ermächtigenden Tat sei172. Diese zumindest faktische Belastlast des Betroffenen wird in der Literatur kritisiert: Gerade bei Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO würden Einstellungsgründe 170 171 172
BVerwG, Urt. v. 22. 10. 2003 – 6 C 3/03, Rn. 14. BVerwG, Urt. v. 22. 10. 2003 – 6 C 3/03, Rn. 15. LG Freiburg, NStZ 2000, 165.
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weder festgehalten noch dem Beschuldigten mitgeteilt. Gleichwohl sei der Wortlaut als Grenze möglicher Auslegung zu beachten, sodass die Lösung dieser als unsachgerecht empfundenen Rechtslage nicht in § 18 Abs. 5 BKAG, sondern in anderen Erwägungen zu suchen sei173. Das oft zitierte174 Urteil des AG Berlin-Tiergarten, nach dem eine Speicherung bei Freispruch zu einem Beweisverwertungsverbot bei Einsatz in einem künftigen Strafverfahren führen soll, ist – jedenfalls soweit es um die Frage geht, ob die Speicherung zulässig war175 – nicht haltbar. Das Gericht hatte argumentiert, die Speicherung sei trotz Freispruch nur zulässig, wenn dieser aufgrund Schuldunfähigkeit erfolgt ist und sich dabei auf § 2 DNA-IFG a. F. berufen, der heute § 81g Abs. 4 StPO entspricht. Ein Freispruch aus Mangel an Beweisen rechtfertige die Speicherung nicht176. Damit vermischt das Gericht aber die Frage der Anordnung der Maßnahme mit der Löschung, zumal kein normativer Anknüpfungspunkt genannt wird, aus dem sich die Unzulässigkeit ergeben soll. Zwar kann entgegen dem BVerwG dem Wortlaut des § 18 Abs. 5 BKAG nicht entnommen werden, dass positiv aus den Urteilsgründen hervorgehen müsse, dass der Beschuldigte die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat. Es reicht, wenn aus den Urteilsgründen ersichtlich ist, dass die Situation so liegt. Gleichwohl wird bei einem Freispruch aus Mangel aus Beweisen dies in keiner Form ersichtlich. Die Unzulässigkeit der Speicherung lässt sich bei einem derartigen Freispruch nicht mit § 18 Abs. 5 BKAG begründen. Widersprochen werden muss dem BVerwG auch, soweit es die Beweislast für sachgerecht im Hinblick auf Nr. 88 RiStBV erachtet. Zwar besteht eine Pflicht zur Mitteilung gem. § 170 Abs. 2 S. 2 StPO – ein Anspruch auf Mitteilung nach § 170 Abs. 2 S. 2 StPO ist anerkannt177 –, dies aber nur unter Voraussetzungen und nicht generell. So lösen nur bestimmte vorgenommene Maßnahmen die Mitteilungspflicht aus, wie etwa der Erlass eines Haftbefehls. Die Speicherung von DNA-Identifikationsmuster ist von dergleichen nicht abhängig. Sie kann vorgenommen werden, ohne dass ein Haftbefehl erlassen oder eine sonstige in § 170 Abs. 2 S. 2 StPO aufgezählte Handlung vorgenommen wurde. Mithin kann es passieren, dass der Betroffene überhaupt keinen Anspruch auf irgendeine Mitteilung hat, wenngleich seine Daten gespeichert werden. Allerdings ließe sich über dieses Hindernis hinwegkommen, wenn man als „besonderes Interesse“ i. S. d. § 170 Abs. 2 S. 2 StPO anerkennen würde, dass der Betroffene einen Nachweis benötigt, um die Löschung seiner Daten aus der DNA-Analyse der Datei zu erwirken. Allerdings ist ein An-
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Eisenberg/Singelnstein, GA 2006, 168 (176 f.). Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1740; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 90, Fn. 401. 175 Zu Fragen des Verwertungsverbotes Kap. 6 § 8 II. 176 AG Berlin Tiergarten, StV 2008, 349. 177 Wohlers/Albrecht, in: SK-StPO III, § 170, Rn. 48. 174
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spruch auf Mitteilung der Entscheidungsgründe in § 170 Abs. 2 S. 2 StPO nicht vorgesehen; die Norm schweigt zum Inhalt der Mitteilung178. Eine Anspruchsgrundlage für eine solche Mitteilung müsste folglich auf Nr. 88 RiStBV gründen. Es erscheint bereits fraglich, inwiefern aus den RiStBV als Verwaltungsvorschrift179 überhaupt ein Anspruch sich ergeben soll180. Die RiStBV dienen der Konkretisierung der Ausübung staatsanwaltschaftlichen Ermessens181. Bei ermessenskonkretisierenden Verwaltungsvorschriften ist aber anerkannt, dass ein Anspruch aus ihnen allenfalls dann erwachsen kann, wenn er sich aus der Selbstbindung der Verwaltung ergibt, die ihrerseits auf Art. 3 GG zurückzuführen ist182. Anspruchsbegründend kann deshalb allenfalls wirken, wenn die Staatsanwaltschaft jedem Beschuldigten in Einklang mit Nr. 88 RiStBV mitteilt, dass die Ermittlungen ergeben haben, dass er unschuldig ist oder kein hinreichender Tatverdacht besteht, einem einzelnen dagegen ohne sachlichen Grund entsprechende Mitteilung verweigert. Teilt die Staatsanwaltschaft dagegen grundsätzlich niemandem mit, warum das Verfahren eingestellt wurde, verstößt sie zwar gegen Nr. 88 RiStBV, handelt aber innerhalb des gesetzlichen Rahmens des § 170 Abs. 2 S. 2 StPO, der nur zur Mitteilung verpflichtet, nichts aber über den Inhalt derselben aussagt. Selbst wenn aber ein solcher Anspruch auf Mitteilung anerkannt würde, so würde dies dem Betroffenen wenig nützen. Der Begriff „unschuldig“ i. S. d. Nr. 88 RiStBV ist nicht komplett deckungsgleich mit einer Nichtbegehung oder nicht rechtswidrigen Begehung der Tat i. S. d. § 18 Abs. 5 BKAG; und ein hierüber hinausgehender Anspruch auf Mitteilung wird grundsätzlich ablehnt183. Unschuldig i. S. d. Nr. 88 RiStBV meint das völlige Fehlen von Anhaltspunkten184. Insofern mag es zu Überschneidungen kommen mit den von § 18 Abs. 5 BKAG angesprochenen Fällen, in denen der Beschuldigte die Tat nicht begangen hat. Gerade in Fällen, die eingestellt werden wegen des Eingreifens eines Rechtfertigungsgrundes, wird ein völliges Fehlen von Verdachtsmomenten aber schwerlich bejaht werden. 178 Graalmann-Scheerer, in: LR-StPO V/2, § 170, Rn. 44; Moldenhauer, in: KK-StPO, § 170, Rn. 28; Plöd, in: KMR-StPO, § 170, Rn. 21; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 170, Rn. 10; Tiedemann, JR 1964, 5 (7); Wohlers/Albrecht, in: SK-StPO III, § 170, Rn. 55; a. A. Tiedemann, JR 1964, 5 (8). 179 KG, JVBl. 1961, 140; Peters, § 12, I., 7.; Roxin/Schünemann, § 3, Rn. 8. 180 Abl. KG, JVBl. 1961, 140; vgl. auch Tiedemann, JR 1964, 5 (7). 181 Roxin/Schünemann, § 3, Rn. 8. 182 Vgl. Reimer, Jura 2014, 678 (686); Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2016, 314 (316); s. ferner Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 1, Rn. 215; Schwarz, in: HK-VerwR, § 114 VwGO, Rn. 39. 183 Kreiner, in: BeckOK-StPO, Nr. 88 RiStBV, Rn. 4 a. E.; Moldenhauer, in: KK-StPO, § 170, Rn. 28; Wohlers/Albrecht, in: SK-StPO III, § 170, Rn. 55 m. w. N. 184 Kreiner, in: BeckOK-StPO, Nr. 88 RiStBV, Rn. 4.
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(3) Fehlende Erforderlichkeit, § 75 Abs. 2 Var. 3 BDSG Neben der Unzulässigkeit der Verarbeitung kennt § 75 Abs. 2 BDSG – neben dem nicht weiter interessierenden Löschungsgrund zur Erfüllung einer Rechtspflicht – den Umstand, dass die Kenntnis der Daten nicht mehr für die Aufgabenerfüllung durch den Verantwortlichen erforderlich ist. Wie aus dem Wortlaut eindeutig hervorgeht, ist hinsichtlich der Erforderlichkeit auf die Aufgaben des Verantwortlichen abzustellen. Dass ein anderer die Daten benötigt, scheint irrelevant. Geklärt werden muss daher zunächst, wer Verantwortlicher bei Speicherungen in der DNA-AnalyseDatei ist. Der Begriff des Verantwortlichen ist legal definiert. Es handelt sich gem. § 46 Nr. 7 BDSG um denjenigen, der alleine oder gemeinsam mit anderen über Verarbeitungszwecke und -mittel entscheidet; mithin um derjenige, der über die Datenverarbeitung entscheidet. Der Verantwortliche ist deshalb Adressat des Datenschutzrechtes185. Im Kontext der DNA-Analyse-Datei gestaltet sich die Frage nach der Verantwortlichkeit komplex. Denn in Frage kommen neben dem BKA auch die übrigen Verbundteilnehmer, die selbst eine Vielzahl von Behörden darstellen. Man denke alleine an 16 Landeskriminalämter. § 31 Abs. 2 BKAG legt die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit grundsätzlich den Teilnehmern des Verbundes anheim. Sachgerechter Weise muss die eingebende Stelle die Richtigkeit der Daten prüfen, sachgerechter Weise obliegt die Einhaltung des gesetzlichen Abrufs-Regeln dem Abrufenden. Gleichwohl ist das BKA nicht aus der Verantwortung entlassen. Es muss gem. § 31 Abs. 1 BKAG die Einhaltung der Regelungen zum Verbundsystem überwachen. In sich durch derartige Arbeitsteilung auszeichnenden Fällen, die in praxi eher häufiger denn seltener werden, soll § 63 BDSG anzuwenden sein186. Danach gelten alle Beteiligten gemeinsam als Verantwortlicher, soweit sie Verarbeitungszwecke und -mittel gemeinsam festlegen. Nach Abs. 2 müssen sie intern die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit und ihre Aufgaben regeln, soweit dies bereits noch nicht durch Gesetz geschehen ist. Die interne Vereinbarung hat aber keine Außenwirkung, wie § 63 Abs. 4 BDSG zeigt187. In Bezug auf im polizeilichen Informationssystem gespeicherten Daten, insbesondere DNA-Identifikationsmuster aus der DNA-Analyse-Datei, gilt es festzuhalten, dass das BKAG selbst detailliert die einzelnen Aufgaben und die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit regelt. An der grundsätzlichen gemeinsamen Verantwortlichkeit ändert das aber nichts. Somit ist hinsichtlich der der Erforderlichkeit zur Aufgabenerfüllung auf die Aufgaben desjenigen abzustellen, der die Daten typischerweise nutzt. Das sind die Strafverfolgungsbehörden. 185 186 187
Schulz, in: Gola/Heckmann, BDSG, § 46, Rn. 44. Schulz, in: Gola/Heckmann, BDSG, § 46, Rn. 48. Paschke/Scheurer, in: Gola/Heckmann, BDSG, § 63, Rn. 23.
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(a) Nachträglicher Wegfall der Negativprognose Es ist daher zu fragen, ob die Speicherung zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren noch erforderlich ist. Das ist zum alten Recht verneint worden, wenn die Prognose, dass künftig gegen den Betroffenen Verfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sind, nachträglich entfiele188. Dagegen wurde allerdings vorgebracht, es gelte zu bedenken, dass die gespeicherten DNA-Identifikationsmuster zur Aufklärung bereits begangener, aber noch nicht entdeckter Straftaten beitragen könnten. Sie dienten daher auch dem Ausschluss Unschuldiger in künftigen Strafverfahren189. Würde man zustimmen, dass der Wegfall der Negativprognose zur Unzulässigkeit der Speicherung führt, so wäre die eingangs erwähnte Maßgeblichkeit des Vorliegens der Anordnungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Speicherung stark relativiert. Denn nachdem die Nichtbestätigung des Verdachtes im Regelfall schon eine Löschung notwendig macht (§ 75 Abs. 2 Var. 1 BDSG i. V. m. §§ 18 Abs. 5 S. 2, 16 Abs. 5 BKAG), würde nach einem solchen Verständnis auch die zweite Voraussetzung des § 81g Abs. 1 StPO nachträglich überprüft. De facto müssten die Anordnungsvoraussetzungen fast in allen Fällen während der Speicherung noch gegeben sein. Der mögliche Ausschlusses Unschuldiger ist indessen kein Argument für die Erforderlichkeit der Speicherung190. Es kann immer gebraucht werden, um Maßnahmen gegen eine konkrete Person zu rechtfertigen. Sowohl die Bestätigung eines etwaigen Verdachtes gegen den Betroffenen als auch die Widerlegung führt zum Ausschluss Unschuldiger. Tatsächlich spricht die Löschung bei Wegfall der Prognose, dass der Zweck der Speicherung die „Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren“ ist, die nicht zwingend wegen erheblichen Straftaten geführt werden müssen. Der Abgleich darf vielmehr in Strafverfahren jeder Art erfolgen191. Daher kann der Wegfall der Negativprognose nicht zwingend mit fehlender Erforderlichkeit gleichgesetzt werden. Notwendig wäre nach der gesetzlichen Konzeption vielmehr, dass überhaupt keine Prognose mehr gegeben ist, nach der anzunehmen ist, dass ein Strafverfahren wegen irgendeiner Straftat zu führen sein wird192. Ein Wertungswiderspruch besteht nicht193 ; er bestünde umgekehrt, falls die
188 Vgl. Beck, S. 240; Busch, NJW 2002, 1754 (1757); Hero, S. 306; Neuser, S. 238 f.; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 48; West, S. 88. 189 Rackow, S. 207; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 89. 190 Vgl. schon Kap. 4 § 2 I. 2. b) ee) (3) (d). 191 Kap. 6 § 4 II. 2. a) cc). 192 Zutreffend vgl. Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 178; die Differenzierung nach der Erhebungsgrundlage ist überholt. 193 So aber Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (168).
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Prognose der Speicherung (nicht der Erhebung) sich auf etwas beziehen soll, was im Anwendungsfall gar nicht notwendig ist. Zuzugeben ist gleichwohl, dass es verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen wäre, wenn bei ursprünglich gegebenen Anordnungsvoraussetzungen die Prognose, dass der Betroffene in Zukunft einen einfachen Diebstahl begehen wird, alleine die Speicherung begründen würde. Derart unbillige Ergebnisse können aber über die Variante der Unzulässigkeit der Verarbeitung gelöst werden. Denn die Unzulässigkeit kann sich freilich auch aus übergeordnetem Verfassungsrecht ergeben194, was in solchen Fällen anzunehmen ist. Der Anwendungsbereich des § 75 Abs. 2 Var. 3 BDSG ist indessen im Hinblick auf die Negativprognose nur eröffnet, wenn jegliche Prognose fehlt. (b) Tod des Betroffenen Umstritten ist ferner, wie sich der Tod des Betroffenen auf die Speicherung auswirkt. Stirbt ein Beschuldigter noch während des Ermittlungsverfahrens, so ist dieses gem. § 170 Abs. 2 StPO einzustellen195. Stirbt er nach Eröffnung des Hauptverfahrens, wird gem. § 206a Abs. 1 StPO eingestellt196. Jedoch werden die Einstellungsverfügungen bzw. -beschlüsse selten nur das notwendige Maß an Auskunft geben, das nach § 18 Abs. 5 BKAG i. V. m. § 75 Abs. 2 Var. 1 BDSG für eine Löschung erforderlich ist. Zu fragen wird deshalb in der Regel sein, ob der Tod des Betroffenen die Speicherung nicht mehr erforderlich erscheinen lässt. Teilweise wird Erforderlichkeit trotz des Todes angenommen; auch mit dem Argument, dass ein Abgleich u. U. in Strafverfahren wegen von dem Toten begangenen, aber noch nicht entdeckten Taten für Klarheit sorgen und damit Unschuldigen Zwangsmaßnahmen ersparen könnte197. Soweit aber als Argument herangezogen wird, dass bei Verstorbenen überhaupt keine
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Eisenberg/Singelnstein, GA 2006, 168 (177). Gorf, in: BeckOK-StPO, § 170, Rn. 16; Kölbel, in: MüKo-StPO I, § 170, Rn. 21 a. E.; Kretschmer, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 170, Rn. 10; Moldenhauer, in: KK-StPO, § 170, Rn. 15; Wolter, in: SK-StPO III, § 170, Rn. 14 f.; anders noch BGH, NJW 1983, 463; Plöd, in: KMR-StPO, § 170, Rn. 10. 196 BGHSt 45, 108 (111 ff.); NStZ-RR 2018, 32; NStZ-RR 2008, 146; BGH bei Becker, NStZ-RR 2002, 257 (262); OLG Stuttgart, NStZ 2004, 407 (408, Rn. 2); OLG Celle, NJW 2002, 3720 (3721); OLG Frankfurt a. M., NStZ-RR 2002, 246; Ritscher, in: BeckOK-StPO, § 206a, Rn. 8; Rosenau, in: SSW-StPO, § 206a, Rn. 4; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 206a, Rn. 8; Schneider, in: KK-StPO, § 206a, Rn. 7; Seidl, in: KMR-StPO, § 206a, Rn. 5; Stuckenberg, in: LR-StPO V/2, § 206a, Rn. 46. 197 Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 21; Rackow, S. 207; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 91; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 13; West, S. 88; i. E. jedenfalls Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 180; krit. zu dieser Argumentation ohne an die Spezifika der Wirkung des Todes anknüpfend Beck, S. 240 f. 195
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Ermächtigungsgrundlage für die Speicherung erforderlich sein soll198, ist dies unzutreffend. Auch für Tote ist aus verfassungsrechtlicher Sicht ein gewisser postmortaler Grundrechtsschutz anzuerkennen199. Dass der Gesetzgeber ganz allgemein bei DNA-Analytik ein erhöhtes Schutzbedürfnis sieht, zeigt § 88 Abs. 1 S. 3 StPO, wonach zur Identitätsfeststellung auch bei Leichen eine DNA-Analyse möglich ist. Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass ein solches Verfahren unproblematisch ohne entsprechende Ermächtigungsgrundlage zulässig ist, hätte es der Vorschrift nicht bedurft. Die Gegenansicht, die mit dem Tod eine Löschung verlangt, führt aus, dass bei einem Toten nicht erwartet werden könne, dass Strafverfahren gegen ihn geführt werden200. Richtig ist freilich, dass ein Toter keine Straftaten mehr begehen kann. Richtig ist auch, dass ein Toter nicht Beschuldigter eines Strafverfahrens sein kann201. Straftaten eines Toten können aber Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens sein. Jedwedes kriminalistische Interesse an der Speicherung entfällt mit dem Tod daher nicht. Soweit als Prognosemaßstab die insofern gleichlautenden §§ 81g Abs. 1 S. 1 StPO, 16 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 lit. b BKAG herangezogen werden, muss festgestellt werden, dass die Speicherung der DNA-Identifikationsmuster eines Toten nicht mit dem Wortlaut unvereinbar scheint. Zwar muss die Prognose bestehen, dass Strafverfahren „gegen“ den Betroffenen zu führen sein werden. Es liegt der Schluss nahe, dass der von der Speicherung Betroffene in dem Verfahren Beschuldigter zu sein hat. Dies wird der Regelfall sein. Zwingend ist die Interpretation gleichwohl nicht. Das Wort „gegen“ lässt sich in einem allgemeineren Sinne auch als „wegen Straftaten, die durch den Betroffenen begangen wurden“ verstehen. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Argument, man könne Unbeschuldigten Zwangsmaßnahmen ersparen, grundsätzlich in dieser Pauschalität unzureichend ist, weil mit ihm jede Zwangsmaßnahme gerechtfertigt werden könnte. Ist der Betroffene tot, hat das Argument desungeachtet ein anderes Gewicht. Lebt der Betroffene noch, so streitet für ihn sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Das ent198
So Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 180. Gegen eine Anknüpfung am allgemeinen Persönlichkeitsrecht jedoch BVerfGE 30, 173 (194); 146, 1 (46 f.); NVwZ 2008, 549 (550, Rn. 7); NJW 2001, 2957 (2959); BGH, NJW 2014, 3786 (3788, Rn. 31); NJW 2009, 751 (752, Rn. 16); BVerwG 154, 194 (210, Rn. 53); OVG Berlin-Brandenburg, AfP 2010, 621 (622); VG Freiburg, ZD 2018, 236 (237, Rn. 27); LG Saarbrücken, NJW 1014, 1395 (1396); Bock, AcP 217 [2017], 370 (387); Budzikiewcz, AcP 218 [2018], 558 (579); Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1, Rn. 226; Horn, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 2 GG, Rn. 63; Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2, Rn. 48; Spies, NZS 2020, 921, (924 f.); Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 2 GG, Rn. 43; krit. hierzu vgl. Kunig/Kämmerer, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, Art. 2, Rn. 85. 200 Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 21. 201 Fincke, ZStW 95 [1983], 918 (943); Rogall, in: SK-StPO I, § 81e, Rn. 4; ders., in: SKStPO II, Vorb. § 133, Rn. 19; vgl. LG Mainz, NStZ 2001, 499 (500); zum Ende der Beschuldigteneigenschaft mit dem Tod, vgl. Schuhr, in: MüKo-StPO I, Vorb. §§ 133 ff., Rn. 34. 199
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sprechende Recht eines Toten, wollte man es anerkennen202, ist ungleich weniger schutzwürdig203. Beck bezweifelt darüber hinausgehend die Eignung der Speicherung, Unschuldige zu entlasten. Dies geschehe schon, wenn der das DNA-Identifikationsmuster des Unschuldigen mit dem Spurenmaterial verglichen werde und der Abgleich negativ ausfalle. Eines positiven Treffers bedürfe es nicht204. Letzten Endes ist dieser Einwand ein Zirkelschluss. Denn der Vergleich der DNA des Unschuldigen mit der der Spurenlegers ist gerade die Zwangsmaßnahme, die erspart bleiben soll. Der Vorteil der Speicherung des DNA-Identifikationsmusters eines Toten liegt weniger in der Entlastung Unschuldiger, sondern in der damit verbundenen Effektivierung des Strafverfahrens. Ergibt ein Abgleich mit den Mustern der DNAAnalyse-Datei, dass das Spurenmaterial von einem Toten stammt, so wird i. d. R. das Strafverfahren eingestellt werden können; jedenfalls aber muss kein Beschuldigter als Adressat einer Maßnahme nach §§ 81a, 81e StPO gesucht werden. Im Ergebnis gilt es deshalb festzuhalten, dass der Tod des Betroffenen die Speicherung nicht eo ipso unzulässig macht. Es ist aber eine hinreichende Prognose zu fordern, aus der sich ergibt, dass es realistisch ist, dass in Zukunft noch Strafverfahren wegen Taten des Betroffenen geführt werden müssen. Fehlt es an einer solchen, etwa weil der Betroffene noch in der Haft verstirbt und vorherige Taten nicht zu vermuten sind, ist die Speicherung nicht mehr erforderlich. Dieses Erfordernis wird man als Ausprägung des in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Würdeschutzes verstehen müssen, welches auch Toten zugute kommt. Geschützt ist der Achtungsanspruch des Toten vor Herabwürdigung205. Durch die Speicherung bleibt quasi der Makel, Straftäter im weitesten Sinne206 gewesen zu sein, über den Tod hinaus erhalten. Da der Tote hinreichend Verlassung dazu gegeben hat, wird man dies noch nicht als Herabwürdigung ansehen müssen. Wenn die Speicherung zur Aufklärung von Straftaten zu Lebzeiten zulässig war, kann sie schwerlich nach dem Tod unzulässig werden. Fehlt indessen jedes Interesse, so gibt es keine Rechtfertigung mehr,
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Dies ist zweifelhaft, vgl. schon die Nachweise in Fn. 199 (Kap. 6). West, S. 88. 204 Beck, S. 241. 205 BVerfGE 30, 173 (194); 146, 1 (47); NJW 2018, 770 (771, Rn. 20); NVwZ 2008, 549 (550, Rn. 7); NJW 2001, 2957 (2958 f.); BGHZ 219, 243 (261, Rn. 53); NJW 2014, 3786 (3788, Rn. 31); NJW 2009, 751 (752, Rn. 16); BVerwGE 154, 194 (210 f., Rn. 53); BSGE 94, 149 (155, Rn. 27); OVG Berlin-Brandenburg, AfP 2010, 621 (622 f.); VG Freiburg, ZD 2018, 236 (237, Rn. 27); LG Saarbrücken, NJW 1014, 1395 (1396); Bock, AcP 217 [2017], 370 (389 f.); Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 1, Rn. 57; Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2, Rn. 48; Spies, NZS 2020, 921, (925). 206 Also mit einer Straftat irgendetwas zu tun gehabt zu haben. Das wird die Öffentlichkeit auch bei jemandem bejahen, der wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen wurde, bei dem die Anordnung des § 81g StPO gem. Abs. 4 Alt. 2 Nr. 1 aber möglich ist. 203
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die insoweit nicht „neutralen“ Daten207 aufzubewahren. Der postmortale Achtungsanspruch gebietet dann Löschung. (4) Speicherung trotz Nichtverurteilung – Ein Resümee Fasst man die vorstehenden Erkenntnisse zusammen, so lässt sich feststellen: Ein Freispruch führt nicht zwingend zur Unzulässigkeit der Speicherung. Dasselbe gilt, falls es gar nicht erst zur Anklage kommt. (a) Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit Eisenberg/Singelnstein gehen davon aus, dieses Ergebnis sei in mehrfacher Hinsicht mit dem Grundgesetz nicht vereinbar208. Zum einen sei aus allgemeinen Erwägungen heraus der Staat beweispflichtig für die Tatsache, dass ein Grundrechtseingriff gerechtfertigt werden kann. Über § 18 Abs. 5 BKAG hinaus müsse eine Löschung erfolgen, wenn der Staat nicht positiv beweisen könne, warum der Grundrechtseingriff gerechtfertigt werden kann. Darüber hinaus sei eine Speicherung trotz fehlender Verurteilung unverhältnismäßig. Erfolge keine Verurteilung, werde der Negativprognose gewissermaßen die Grundlage entzogen, weil es schon an der Ersttat fehle. Ist mit Anlasstat und Negativprognose der Anordnung die Grundlage entzogen, so könne die Speicherung nicht gleichwohl grundsätzlich zulässig bleiben. Zwar nicht zu § 81g StPO, sondern zum Gefahrenabwehr hat das BVerfG die Speicherung trotz Nichtverurteilung gebilligt. Bleibe trotz Freispruch ein Restverdacht bestehen und trage eine im Einzelfall zu erstellende Prognose die Entscheidung, sei dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Genüge getan. Auch die Unschuldsvermutung stehe nicht entgegen, da die Speicherung keine Vorwegnahme der Entscheidung über Schuld oder Unschuld sei209. Es besteht kein großer Widerspruch zwischen den Positionen. Auch das BVerfG hat verlangt, dass eine hinreichend auf den konkreten Fall eingehende Prognose gegeben ist. Mit dieser und mit dem Tatverdacht „weist der Staat nach“, dass die Voraussetzungen der Speicherung vorliegen. Die Frage ist einzig, ob dies unverhältnismäßig ist. Auch Eisenberg/Singelnstein bestreiten nicht, dass es Fälle geben kann, in denen von Unverhältnismäßigkeit keine Rede sein kann. Dies wird insbesondere der Fall sein, wenn der Tatverdacht ein relativ starker war und es um Straftaten gegen besonders bedeutsame Rechtsgüter geht. Umgekehrt wird man Angemessenheit nicht bejahen können, wenn es etwa nur um Beleidigungsdelikte geht. Damit bleibt letztlich nur eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall. An der grundsätzlichen bestehen keine Zweifel.
207 208 209
Vgl. Spies, NZS 2020, 921, (925). Zum Ganzen Eisenberg/Singelnstein, GA 2006, 168 (177 ff.). BVerfG, NJW 2001, 3221 f.; i. E. gleich VGH Mannheim, NStZ 2001, 1289 f.
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(b) Zur systematischen Inkongruenz der Speicherung am Beispiel der Entschuldigungsgründe Gleichwohl gibt es Fälle, in denen sich das einfache Recht nicht durch ein besonderes Maß an Stringenz auszeichnet. Eine Speicherung in Fällen des Eingreifens eines Entschuldigungsgrundes kann nicht mit der Gesetzessystematik in Einklang gebracht werden. Erfolgt ein Freispruch, weil der Angeklagte entschuldigt handelte, könnte gem. § 81g Abs. 4 Nr. 1 StPO keine Speicherung mehr angeordnet werden. Dies gilt selbst dann, wenn eine Negativprognose ausnahmsweise einmal zu bejahen sein sollte. Die Strafverfolgungsbehörden stehen also besser, wenn sie nicht den Abschluss des Strafverfahrens abwarten, sondern bereits vor Abschluss handeln. Ist die Anordnung der Maßnahme aber ausnahmslos ausgeschlossen, wenn der Angeklagte wegen des Eingreifens von Entschuldigungsgründen freigesprochen wird, so muss eine vorher erfolgte Speicherung auch ausnahmslos unzulässig sein, wenn der Anklagte wegen des Eingreifens von Entschuldigungsgründen freigesprochen wird. Auf eine negative Prognose darf es dann ebenso wenig ankommen. (c) Zur Grenze der Aufklärungspflicht der Staatsanwaltschaft Völliger Anerkennung erfreut sich die Auffassung, dass keinen Anspruch eines Beschuldigten gibt, nach dem die Staatsanwaltschaft ein Verfahren bis zur erwiesenen Unschuld des Betroffenen weiterzuführen hätte210. Ist die Schuld nicht erwiesen, streite die Unschuldsvermutung immer noch für den Betroffenen, weil sie fortgelte. Daher könnte eine weitere Ermittlung den Betroffenen gar nicht besser stellen als er durch die Einstellung schon stünde211. Da der Speicherung der DNAIdentifikationsmuster keinen Strafcharakter beizumessen sei und die Voraussetzung für dieselbe nur Tatverdacht, und nicht Schuld sei, welche grundsätzlich durch das Gericht festgestellt werden müsste, könne nicht davon ausgegangen werden, die Speicherung verletzte die Unschuldsvermutung212. Die Möglichkeit, trotz Nichtverurteilung zu speichern, ist letztlich nicht an § 18 Abs. 5 BKAG festzumachen. Sie hat ihren originären Ursprung in der StPO, nämlich in § 81g Abs. 1 S. 1. Der Betroffene muss demnach nur Beschuldigter sein. Der zur Erlangung dieser Eigenschaft notwendige Willensakt setzt nur Anfangsverdacht voraus213. Umgekehrt ist die Anklageerhebung gem. § 170 StPO an hinreichenden Tatverdacht und die Verurteilung gar an Überzeugung des Gerichts geknüpft, gegen 210 BVerfG, NStZ 1984, 228 (229); Meyer, in: FS Schäfer, 119 (125), Moldenhauer, in: KKStPO, § 170, Rn. 18; Tiedemann, JR 1964, 5 (7); Wolter, in: SK-StPO III, § 170, Rn. 7. 211 BVerfG, NStZ 1984, 228 (229); Meyer, in: FS Schäfer, 119 (124 f.), Moldenhauer, in: KK-StPO, § 170, Rn. 18; Stadler-Brehm, S. 124. 212 Zutreffend BVerfG, NJW 2001, 3221 f.; vgl. aber Vogler, ZStW 89 [1977], 761 (785), der aus der Unschuldsvermutung einen Anspruch auf Ausräumungen eines Verdachtes herleiten will. 213 Vgl. dazu die Nachweise oben Kap. 5 § 5 I. 2. b) bb) (3) (a) m. w. N. in Fn. 310 (Kap. 5).
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welche vernünftige Zweifel nicht bestehen können214. Weil die Möglichkeit der Speicherung an einen Verdachtsgrad anknüpft, der unterhalb des hinreichenden Tatverdachtes und freilich unterhalb der Überzeugung angesiedelt ist, ist sie trotz Nichtverurteilung möglich. Der Grundgedanke hinter der Entscheidung, keinen Anspruch auf Nachweis der Unschuld zuzulassen, ist, dass der Betroffene nicht belastet wird, wenn er nicht verurteilt wird. Diese Begründung wird durch die Konzeption des § 81g StPO unterminiert. Sie passt nicht mehr. Es kann nicht geleugnet werden, dass die lex lata sub specie der Unschuldsvermutung keine Bedenken hervorruft. Unterhalb dieser Schwelle weckt allerdings Bedenken, dass die Tatsache der nicht vollkommenen Ermittlung dem Betroffenen zum Nachteil gereicht. Art. 3 GG verbietet nicht nur die Ungleichbehandlung von Gleichem, sondern auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem; oder, positiv formuliert: Art. 3 GG gebietet die Ungleichbehandlung von wesentlich Ungleichem215. Zwar beschränkt das BVerfG die gerichtliche Kontrolldichte bei dieser Form des Art. 3 GG auf Willkür und spricht dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum zu216. Diese Grenze ist indessen überschritten. Dies nicht etwa deshalb, weil es aus Gründen der Verfassung unzulässig erscheinen müsste, den Beschuldigten als wahrscheinlichen Täter anzusehen. Eine solche Erwägung würde das ganze Strafverfahren ad absurdum führen. Willkür liegt vor, weil die Gleichbehandlung von Ungleichem nicht auf einem natürlichen oder tatsächlichen Faktum, dessen Regelung einer gewissen Verallgemeinerung bedarf217, sondern auf einer staatlichen rechtlichen Etikettierung beruht, die (nur) der Staat selbst beseitigen kann, aber nicht beseitigt. Der Status des Beschuldigten ist ein Schwebestadium. Er wird Personen zugeschrieben, gegen die sich ein gewisses Maß an Verdacht richtet, um hauptsächliche gegen diese, wenngleich auch gegen andere, Maßnahmen vornehmen zu können, damit sich der Staat der Richtigkeit des Verdachtes vergewissern kann. Steigt das Maß an Verdacht im Laufe des ganzen Strafverfahrens, wird der Beschuldigte zum Angeschuldigten, zum Angeklagten (ohne dabei seinen Status als Beschuldigter zu verlieren, vgl. § 159 StPO) und 214
Statt vieler BGH, NStZ 2012, 110 (111, Rn. 18); NStZ 2010, 292 (293); NStZ 2010, 102 (103); NStZ 1988, 236 (237); OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2007, 90; Eisenberg, Rn. 89 ff.; Ott, in: KK-StPO, § 261, Rn. 12; Sander, in: LR-StPO VII, § 261, Rn. 7 ff.; Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 261, Rn. 2 jeweils m. w. N. 215 BVerfGE 13, 46 (53); 67, 70 (85); 71, 255 (271); 98, 365 (385); 103, 242 (258); 108, 52 (67 f.); 109, 96 (124); 110, 141 (167); 112, 268 (279); 115, 381 (389); 116, 164 (180); 118, 1 (27); 122, 210 (230); 129, 49 (68); Englisch, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 3 GG, Rn. 22; Kischel, in: BeckOK-GG, Art. 3, Rn. 16; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 3, Rn. 23, 26; Stern, in: FS Dürig, 207 (210 ff.); ausführlich Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, Art. 3, Rn. 64 ff. 216 Vgl. BVerfGE 1, 264 (275 f.); 67, 70 (85 f.); 71, 255 (271); 98, 365 (385); 103, 242 (258); 108, 52 (67 f.); 110, 141 (167); 115, 381 (389); 118, 1 (27 f.); 122, 210 (230); 129, 49 (68 f.); Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 3, Rn. 26; krit. Englisch, in: Stern/Becker, Grundrechte, Art. 3 GG, Rn. 22; Stern, in: FS Dürig, 207 ff. 217 Vgl. zum Recht des Gesetzgebers zu typisierender und generalisierender Betrachtung bei Massenfällen BVerfGE 79, 87 (100); 91, 93 (115).
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letztlich zum Verurteilten. Bestätigt sich der Verdacht nicht, verliert der Betroffene die Stellung als Beschuldigter. Die Vorschrift des § 81g StPO würde ihren Zweck – Identifizierung in künftigen Strafverfahren – vollends erfüllen, wenn nach rechtskräftiger Verurteilung das DNAIdentifikationsmuster in der DNA-Analyse-Datei des BKA gespeichert würde. Im laufenden Verfahren ist die Norm belanglos; § 81e StPO ist die Ermächtigungsgrundlage zur Aufklärung desselben. Da in diesem Verfahren eine Speicherung nichts nützt, wäre sie isoliert für dieses unzulässig. Der Sinn des § 81g Abs. 1 S. 1 StPO erschließt sich nur, wenn man ihm einen eigenen Regelungsgehalt zuschreibt. Dieser kann nur darin liegen, dass zu dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Beschuldigter ist, etwas ermöglicht werden soll, was nach Beendigung dieses Zustandes – sei es durch Freispruch, sei es durch Verurteilung – nicht mehr möglich ist. Auf das Beispiel des entschuldigt handelnden Täters wurde hingewiesen. Aus rechtsstaatlichen Gründen kann aber eine Gleichbehandlung von Ungleichem (von Beschuldigtem und Verurteilten oder anderen Personen i. S. d. § 81g Abs. 4 StPO) ihre Rechtfertigung nicht darin finden, dass der Staat die nicht angelegte Ungleichheit erst erzeugt und dann nicht ausräumt. Man kann dies solange tolerieren, wie damit keine Belastungen für den Betroffenen verbunden sind. Sind sie es aber, weil der Staat sich die Situation zu Nutze macht, kann dies keine Rechtfertigung erfahren. Solange § 81g Abs. 1 S. 1 StPO Gesetz ist, kann freilich an der Möglichkeit einer Speicherung wenig geändert werden. Kompensatorisch muss aber eine Pflicht des Staates angenommen werden, den Tatverdacht zu widerlegen, wenn er sich der Speicherung bedienen will. (5) Speicherung bei Verurteilung wegen einer Tat, die nicht Anlasstat ist Unklar ist weiterhin, wie zu verfahren ist, wenn der Beschuldigte im Anlassverfahren zwar nicht freigesprochen oder das Verfahren nicht eingestellt wird, sondern er wegen einer Tat verurteilt wird, die nicht Anlasstat ist. Eine Ansicht wendet dabei die Wertungen des § 16 Abs. 5 BKAG an218. „Die Tat“ i. S. d. Norm sei im Kontext der Speicherung von DNA-Identifikationsmustern in der DNA-Analyse-Datei nur die Anlasstat. Bleibe die Tat, wegen der letztlich verurteilt wird, hinter der Anlasstat zurück, müsse demnach geprüft werden, ob sich aus den Entscheidungsgründen ergebe, dass der Betroffene die Anlasstat nicht begangen habe. Wenn etwa Tatverdacht hinsichtlich § 242 i. V. m. § 243 StGB besteht, sich aber nur der Verdacht des § 242 StGB bestätigt, sei die Speicherung dann zulässig, wenn eine Verurteilung wegen eines besonders schweren Falles nur am Mangel an Beweisen scheitert. Ergäben die Urteilsgründe umgekehrt, dass kein besonders
218 Rackow, S. 201 ff.; zustimmend Stadler-Brehm, S. 126; ähnlich West, S. 89; widersprüchlich insofern Neuser, S. 236 f., der zwar die Unzulässigkeit der Speicherung „insbesondere“ bejaht, wenn nicht wegen einer Anlasstat verurteilt wird, dann aber gleichsam eine Speicherung für möglich hält, wenn der Restverdacht hinsichtlich der Anlasstat fortbestehe.
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schwerer Fall vorlag, sei zu löschen219. Es gelte zu beachten, dass eine gleichwohl erfolgende Speicherung mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht mehr in Einklang zu bringen sei, weil die Speicherung nicht erforderlich sei zum Aufbau einer effektiven Datenbank220. Soweit auf die Effektivität der Datenbank abgestellt wird, muss allerdings widersprochen werden. Sie ist kein tauglicher Anknüpfungspunkt. Ansonsten wären ab einem bestimmten Zeitpunkt entweder alle Speicherungen nicht mehr verhältnismäßig, weil die Datenbank schon effektiv ist, oder es wären alle Speicherungen verhältnismäßig, weil die Datei zweifelsohne mit jedem Datensatz an Effektivität gewinnt. Von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Speicherung geht Senge aus221, wenngleich ohne Begründung. Jedenfalls stehe die Verurteilung wegen einer Nicht-Anlasstat der Verwertung eines Abgleichs in einem anderen Strafverfahren nicht entgegen. Ausgangspunkt der Debatte soll sein, dass der Wortlaut des § 16 Abs. 5 BKAG die Verurteilung wegen einer Nicht-Anlasstat nicht expressis regelt, was auch diejenigen, die nach den Wertungen gleichwohl verfahren möchten, nicht leugnen222. Fraglich ist deshalb, ob der Gesetzgeber den Fall der Verurteilungen wegen einer Nicht-Anlasstat nicht gesehen hat, was den Weg der Analogie eröffnen könnte, oder ob bewusst auf eine solche Regelung verzichtet wurde, weil u. U. § 18 Abs. 5 BKAG den Fall doch erfasst. Die Gesetzgebungsmaterialien schweigen zu der Frage223. Zwei Worte des § 18 Abs. 5 BKAG werfen Probleme auf: „freigesprochen“ und „Tat“. Wird der Betroffene nicht wegen § 244 StGB verurteilt, sondern wegen § 242 StGB, kann sich aus den Urteilsgründen ergeben, dass er „die Tat“ nicht begangen hat. Man dürfte das Wort „Tat“ dann nicht im prozessualen Sinne, sondern in einem materiell-rechtlichen Sinn verstehen. „Tat“ i. d. S. § 18 Abs. 5 BKAG ist dann nicht der Verfahrensgegenstand, sondern seine rechtliche Bewertung, die entweder Anlasstat i. S. d. § 81g StPO ist oder nicht. Damit würde der Tatbegriff losgelöst vom Verfahren definiert im Hinblick auf die Verwendungsmöglichkeiten. Bereits dies wirft Fragen auf, weil § 18 Abs. 5 BKAG ja durch Freispruch, Einstellung oder Nichteröffnung ein konkretes Verfahren vor Augen hat. Gleichwohl überschreitet es die Wortlautgrenze nicht, wenn man annehmen würde, dass eine Verurteilung wegen § 242 StGB eben auch eine Nichtverurteilung wegen § 244 StGB ist. Mit dem Wortlaut nicht mehr in Einklang zu bringen wäre eine Anwendung des § 18 Abs. 5 BKAG auf Verurteilung wegen Nicht-Anlasstaten wegen des Erfordernisses eines Freispruches. Grundsätzlich könnte man bei Tatmehrheit zwar die 219 220 221 222 223
Zum Fall Rackow, S. 202, Fn. 1092. Stadler-Brehm, S. 126. Senge, NJW 1999, 253 (255). Rackow, S. 201; Stadler-Brehm, S. 126. Vgl. BT-Drucks. 13/1550, S. 25.
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Figur des Teilfreispruches224 bemühen. Bei Tateinheit kommt ein Teilfreispruch aber nicht mehr in Betracht225. Für die Speicherung kann es indes keine Rolle spielen, ob Tatmehrheit oder -einheit vorliegt; zumal eine Abstellung auf diese Kategorien zur Folge hätte, dass derjenige besser stünde, der tatmehrheitlich eine weitere Tat begangen hat, weil nur dann Teilfreispruch in Betracht kommt. Der Wortlaut des § 18 Abs. 5 BKAG steht einer Anwendung auf die Fälle der Verurteilung wegen einer Tat, die nicht Anlasstat ist, entgegen. Das Problem, wie mit der Verurteilung wegen einer Nicht-Anlasstat umzugehen ist, stellt sich, weil § 81g Abs. 1 StPO in Form der Anlasstat höhere Anforderungen stellt als dies im Generellen der Fall ist. Wäre dies nicht der Fall – die Erhebung der DNA-Identifikationsmuster für die Speicherung mithin möglich, wenn der Betroffene nur einer Bagatellstraftat verdächtig ist – wäre § 18 Abs. 5 BKAG schon von seiner Wertung nicht anwendbar. Die Speicherung bliebe zulässig. Nach geltendem Recht steht aber der Verdacht, eine Bagatellstraftat begangen zu haben, der Situation gleich, in der gar kein Verdacht besteht. Beides rechtfertigt keine Anordnung einer Maßnahme nach § 81g StPO. Diese Parallele muss auch gelten, wenn sie sich nachträglich erst offenbart. Ansonsten läge die Situation (wieder) so, dass die Strafverfolgungsbehörden besser stünden, wenn sie nicht den Verfahrensausgang abwarten, sondern noch „rechtzeitig“ zuvor handeln. In methodischer Hinsicht ist dies mit einer analogen Anwendung des § 18 Abs. 5 BKAG zu begründen. Die erforderliche planwidrige Regelungslücke ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber sich bei der Schaffung des § 8 Abs. 3 BKAG a. F. offenbar um Fälle qualifizierter Anlasstaten keine Gedanken gemacht. Die vergleichbare Interessenlage wird sich im Hinblick auf die Gleichstellung vom Fehlen eines Verdachtes mit dem Verdacht nur hinsichtlich einer Bagatellstraftat in § 81g StPO bejahen lassen. bb) Prüfungsfristen Weder StPO noch BKAG selbst regen einen genauen Zeitpunkt, wann Daten aus der DNA-Analyse-Datei zu löschen wären. Vielmehr bestimmt § 77 Abs. 1 i. V. m. Abs. 6 BKAG, dass die Stelle, die die Speicherung in der DNA-Analyse-Datei vorgenommen hat, innerhalb von sog. „Aussonderungsprüffristen“ überprüfen muss, ob die Daten gem. § 75 BDSG zu löschen sind. Die Implementierung einer Aussonderungsprüffrist bedeutet, dass zwar im Grundsatz nach Ablauf der Frist die Speicherung unzulässig wird und die Daten zu löschen sind; gleichwohl im Einzelfall eine über die Frist hinausgehende Speicherung zulässig ist226. Bei Erwachsenen ist die Zulässigkeit der Speicherung von beim BKAG gespeicherten Daten grundsätzlich nach zehn, bei Jugendlichen nach fünf und bei Kindern nach zwei 224
BGHSt 44, 196 (202); NStZ-RR 2008, 316; Maier, in: MüKo-StPO II, § 260, Rn. 264; Ott, in: KK-StPO, § 260, Rn. 21. 225 BGH, Beschl. v. 13. 01. 2016 – 4 StR 283/15 = BeckRS 2016, 2248; NStZ 2009, 347; NStZ-RR 2008, 316; Ott, in: KK-StPO, § 260, Rn. 21. 226 Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 87, Fn. 405.
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Jahren zu prüfen, § 76 Abs. 1 S. 2 BKAG. Damit setzt der Gesetzgeber das in § 75 Abs. 4 BDSG zum Ausdruck gebrachte Gebot um, innerhalb regelmäßiger Fristen die Speicherung von Daten auf ihre Zulässigkeit hin überprüfen zu lassen227. Den Beginn der Frist bestimmt das Gesetzgeber in § 77 Abs. 3 S. 1 BKAG. Demnach läuft die Frist ab dem Tag, an dem das letzte die Speicherung begründende Ereignis eingetreten ist. Das ist regelmäßig die richterliche Anordnung der DNAAnalyse und Körperzellentnahme, nicht die Anlasstat, weil diese alleine die Speicherung nicht begründet228. Vielmehr muss noch die Negativprognose gestellt werden, die ihrerseits aber nicht Anknüpfungspunkt sein kann, weil sie Ergebnis richterlicher Prüfung ist und deshalb dieser vorausgehen muss229. Erst dann folgt die Speicherung. Unberücksichtigt bleibt die Zeit vor Entlassung des Betroffenen aus der Haft oder aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel. Die in Unfreiheit verbrachte Zeit des Betroffenen soll deshalb nicht mitgerechnet werden, weil nur ein Leben in Freiheit darüber Auskunft erteilen können soll, ob die Speicherung noch erforderlich ist; mit anderen Worten: Ob in Zukunft Strafverfahren gegen den Betroffenen geführt werden, in denen die Speicherung sich als hilfreich erweisen wird230. Die Implementierung einer Aussonderungsfrist darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass bis zu ihrem Ablauf die Speicherung zulässig sei ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen. Es gilt der allgemeine Löschungsanspruch nach § 58 Abs. 2 BDSG, wie § 84 Abs. 1 BKAG zeigt. Zusammengefasst konstituiert § 58 Abs. 2 BDSG einen Löschungsanspruch unter denselben Voraussetzungen wie § 75 Abs. 2 BDSG. Zwar verweist § 58 nicht auf § 75 BDSG; der Wortlaut ist indes hier wie da nahezu identisch. Die Besonderheit der Aussonderungsprüffrist erschöpft sich darin, dass, wenn die Löschung nicht von einem Antrag abhängig ist, sondern von Amts wegen zu erfolgen hat, gewissermaßen ein Termin für die Überprüfung genannt wird. Die Möglichkeit einer Prüfung vor Ablauf der Frist kann im Einzelfall geboten sein, wie § 77 Abs. 1 S. 2 BKAG zeigt. Es ist insb. auf die Schwere des Sachverhalts als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzip abzustellen231. Problematisch ist, dass § 77 Abs. 6 S. 1 BKAG die Verpflichtung zur Löschung von in der DNA-Analyse-Datei gespeicherten Daten den datenschutzrechtlich Verantwortlichen nach § 31 Abs. 2 BKAG auferlegt. Das sind die eingebenden Stellen, die ihrerseits (im Regelfall) aber Landesbehörden sind. Das soll dazu führen,
227
Vgl. BT-Drucks. 18/11163, S. 131; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 87, die, wohl aus redaktionellem Versehen, hinsichtlich des Gebotes an § 75 Abs. 3 BDSG anknüpfen. 228 Busch, NJW 2002, 1754 (1758); Hero, S. 303; Neuser, S. 239; West, S. 90. 229 A. A. aber Stadler-Brehm, S. 128. 230 Busch, NJW 2002, 1754 (1758); Hero, S. 303; Neuser, S. 239; Störzer, in: Ahlf/Daub/ Lersch/Störzer, BKAG, § 32, Rn. 42. 231 Neuser, S. 239.
§ 4 Zweckbindung und Verwendungsregeln
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dass für sie hinsichtlich der Fristen Landesrecht gelte232. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen, bedarf aber näherer Begründung. Denn nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. a BDSG gilt das BDSG auch für Landesbehörden, wenn sie Bundesrecht ausführen. Im Bereich der Strafverfolgung ist das zu bejahen. Die Verpflichtung, Aussonderungspflichten vorzusehen, trifft nach § 75 Abs. 4 BDSG den Verantwortlichen. Diese sind, wie aufgezeigt, auch die eingebenden Stellen der Länder. Daher müssen die Länder selbst Aussonderungsprüffristen vorsehen. Das führt indessen zur Problematik, dass unterschiedliche Fristen gelten233, abhängig davon, welchem Land die eingebende Behörde zugehörig ist. In Niedersachsen etwa beginnt die Frist nicht mit der Anordnung, sondern erst mit der Speicherung zu laufen, vgl. § 47 Abs. 2 S. 3 NPOG. In Baden-Württemberg wird in § 76 Abs. 2 PolG i. V. m. § 5 der entsprechenden DVO234 nach Straftaten differenziert, was im BKAG so nicht vorgesehen ist. Um in diesem Bereich eine gewisse Harmonisierung zu erreichen, bestimmt § 77 Abs. 6 S. 2 i. V. m. Abs. 4 S. 3 BKAG, dass die Löschung unterbleibt, wenn die Landesbehörde davon ausgeht, dass eigentlich zu löschen wäre, aber davon auszugehen ist, dass das BKA die Daten noch in seiner Funktion als Zentralstelle benötigt. Angesichts der Weite der entsprechenden Aufgabenzuweisung – § 2 Abs. 4 BKAG nennt ganz allgemein nur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr – wird dies die Regel sein235. In diesem Fall überlässt die Landesbehörde dem BKA „die entsprechenden schriftlichen Unterlagen“, § 77 Abs. 6 S. 3 BKAG. Weitergehende, aber eigentlich notwendige Regelungen zum dann einsetzenden Verfahren regelt die Norm nicht. Mit Unterlagen werden wohl die Schriftstücke gemeint sein, aus denen sich nach Ansicht der Landesbehörde ergibt, dass zu löschen ist. Dafür spricht jedenfalls, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der inhaltsgleichen Vorgängerregelung argumentierte, das BKA kenne die die Löschung notwendig machenden Umstände in der Regel nicht236. Nun sind zwei Wege denkbar: Entweder das BKA prüft erneut die Löschungsvoraussetzungen – insbesondere, ob es selbst die Daten noch benötigt – und löscht bei Zustimmung selbst, oder es stimmt zu, und die Landesbehörde löscht. Ersterem würde allerdings widersprechen, dass nach § 29 Abs. 5 S. 1 BKAG nur die eingebende Behörde zur Löschung berufen ist. Daher muss ein eigenständiges Löschungsrecht ausscheiden. Das BKA kann daher nur prüfen, ob die Löschungsvoraussetzungen vorliegen. Dies erscheint sachgerecht, wenn man bedenkt, dass etwa die erforderliche Negativprognose auch Straftaten berücksichtigen muss, die in 232 Busch, NJW 2002, 1754 (1758); Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 87; Hero, S. 303; Stadler-Brehm, S. 128 f.; West, S. 90. 233 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 174; Stadler-Brehm, S. 128 f. 234 Verordnung des Innenministeriums zur Durchführung des Polizeigesetzes (DVO PolG) v. 16. 09. 1994 (GBl. BW, S. 567), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung der RL (EU) 2016/680 für die Polizei in Baden-Württemberg und zur Änderung weiter polizeilicher Vorschriften v. 06. 10. 2020 (GBl. BW, S. 735). 235 Krit. Stadler-Brehm, S. 129. 236 Zu § 32 Abs. 9 S. 3 BKAG a. F. s. BT-Drucks. 13/1550, S. 38.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
anderen Bundesländern begangen wurden. Die Erforderlichkeit der Kenntnis des BKA wird der einzelne Verbundteilnehmer ohnehin nicht beurteilen können. Die eigentliche Löschungskompetenz verbleibt daher der Landesbehörde. b) Löschungsverfahren nach dem Prümer Vertrag Liegt keine Spezialregelung vor (z. B. Art. 14 Abs. 2 des Prümer Vertrages für im Zusammenhang mit Großveranstaltungen übermittelte Daten) richtet sich die Löschung von nach dem Prümer Vertrag übermittelten Daten nach Art. 37 Abs. 3. Nach dessen Nr. 1 sind die empfangenen Daten zu löschen, wenn sie nicht übermittelt oder empfangen hätten werden dürfen. Soweit es um Übermittlungsverbote geht, ist damit neben dem Prümer Vertrag das Recht des übermittelnden Staates einschlägig, vgl. Art. 5. Auch rechtmäßig übermittelte und empfangende Daten sind zu löschen, wenn sie zum dem Zweck, zu dem sie übermittelt wurden, nicht mehr erforderlich sind oder wenn innerstaatliche Höchstfristen greifen, Art. 37 Abs. 3 Nr. 2. Im Anwendungsbereich der DNA-Analytik geht aber der allgemeinen Vorschrift Art. 35 Abs. 2 vor. Demnach sind die DNA-Identifikationsmuster schon nach Durchführung des Abgleichs bzw. den Begleitmaßnahmen wie Protokollierung zu löschen237.
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen Zwei materielle Voraussetzungen sind konstitutiv für die Maßnahme nach § 81g StPO. Zum einem muss der Betroffene entweder Beschuldigter einer Straftat von erheblichen Bedeutung oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder nach § 81g Abs. 4 StPO gleichgestellt sein. Zum anderen muss Grund zur Annahme bestehen, dass gegen ihn in Zukunft Strafverfahren wegen Straftaten erheblicher Bedeutung zu führen sein werden. Die Voraussetzungen heben sich erheblich von den §§ 81e, 81h StPO ab. Eine genauere Untersuchung dieser ist daher angezeigt. Auch der Verhältnismäßigkeit ist i. R. d. § 81g StPO besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Denn innerhalb dieser gibt es Spezifika der DNA-Identitätsfeststellung.
I. Anlasstaten Zu widmen ist sich zunächst dem Adressaten der Anordnung einer Maßnahme nach § 81g StPO. Dies sind primär Beschuldigte, die „einer Straftat von erheblich Bedeutung oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verdächtig“ sind, § 81g Abs. 1 S. 1. StPO. Soweit es um die Beschuldigteneigenschaft geht, kann auf die allgemeinen Kriterien verwiesen werden238. Einfacher Tatverdacht genügt239. 237 238
Dazu schon oben Kap. 6 § 4 II. 3. d) bb). S. zu diesen oben Kap. 5 § 5 I. 2. b) bb) (3) (a) m. w. N. in Fn. 310 (Kap. 5).
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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Er muss vorliegen, wenn die Maßnahme durchgeführt wird. Sinkt er im Laufe des Verfahrens dergestalt ab, dass zwar Tatverdacht bestehen bleibt, dieser sich aber nicht mehr auf eine der beiden Gruppen von Anlasstaten, sondern auf eine andere, d. h. nicht erhebliche Straftat bezieht, die keine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist, kann die Maßnahme nicht angeordnet werden240. Dem Beschuldigten werden in § 81g Abs. 4 StPO näher bezeichnete Personen – etwa Verurteilte – gleichgestellt. Der Verdacht bzw. die Verurteilung kann sich einerseits auf eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung beziehen. Auch diese scheinbar recht eindeutige Formulierung wirft Fragen auf. Am problematischsten, weil am unbestimmtesten, erscheint jedoch der Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung. Ihm soll daher zunächst Aufmerksamkeit gewidmet sein. 1. Straftat erheblicher Bedeutung a) Unzulänglichkeit der allgemeinen Definition des Begriffes Bei der Schaffung des § 81g StPO ging der Gesetzgeber davon aus, eine Straftat von erheblicher Bedeutung läge vor, wenn die Straftat „mindestens dem mittleren Kriminalitätsbereich zuzuordnen [sei], den Rechtsfrieden empfindlich [störe] und geeignet [sei], das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu be239 OLG Hamm, StV 2000, 606; LG Hamburg, StV 2008, 571 m. Anm. v. Bosch; LG Dresden, Beschl. v. 19. 02 2007 – 3 Qs 19/07, Rn. 10; LG Freiburg, NStZ 2000, 165; LG Waldshut-Tiengen, StV 199, 365 (366); Altendorfer, S. 169 f.; Beck, S. 143; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 3; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 3; ders., in: SSWStPO, § 81g, Rn. 3; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 8; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 47; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1712; Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1287); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 1; Graalmann-Scheerer, Kriminalistik 2000, 328 (333); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 4a; Hero, S. 209; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 25; ders., in: FS Rieß, 261 (276); Lee, S. 98; Limbeck, S. 66; König, Kriminalistik 1999, 325; Müller, Die Polizei 2006, 40 (42); Rackow, S. 82 f., wobei Rackow auf S. 57 ff. für einen Beschuldigtenbegriff sui generis plädiert; Rinio, Die Polizei 1999, 318; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 17; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 5; Senge, NJW 1999, 253 (254); Stadler-Brehm, S. 52 f.; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 4, 8; Vath, S. 84 f.; West, S. 66; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 9; Zöller, S. 111 f.; wohl auch, wenngleich krit. Neuser, S. 134 ff.; krit. auch Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (294); a. A. Eisenberg, Rn. 1689: gesteigerter Verdachtsgrad; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 4: dringender Tatverdacht, abwegig Benfer/Bialon, Rn. 977, die Überzeugung von der Täterschaft nach Verfahrensabschluss verlangen; ähnlich Frister, in: Lisken/Denninger, Hdb. PolR, F., Rn. 311. Dann wäre § 81g Abs. 4 StPO aber überflüssig. 240 Vgl. LG Hannover, Beschl. v. 12. 06. 2019 – 33 Qs 38/19 = BeckRS 2019, 12878, Rn. 4; Altendorfer, S. 169 f.; Beck, S. 143; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 52; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 8; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1712; Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1287); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 1; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 4a; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 25; ders., in: FS Rieß, 261 (275); Limbeck, S. 66; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 4; Rackow, S. 83; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 17; Senge, NJW 1999, 253 (254); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 8; Vath, S. 84; Walther, in: AnwKoStPO, § 81g, Rn. 9; West, S. 66.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
einträchtigen“241. Die Definition wurde von der Rechtsprechung übernommen und steht den meisten Konkretisierungsversuchen voran242. Ähnlich verhält es sich in der Literatur243. Viel gewonnen ist mit dieser teilweise redundanten Floskel nicht. Nimmt man den Gesetzgeber beim Wort, kennzeichnen drei kumulativ erforderliche Merkmale die Straftat von erheblicher Bedeutung244 : Mindestens mittlerer Kriminalitätsbereich, Störung des Rechtsfriedens, Eignung zur erheblichen Beeinträchtigung des Gefühls der Rechtssicherheit der Bevölkerung. Freilich können wenigstens mit dem Begriff der mittleren Kriminalität Bagatelldelikte ausgeschlossen werden245. Was jedoch solche sind, hängt maßgeblich davon ab, wo man die Schwelle zum Übergang zum Bereich der mittleren Kriminalität ansetzt. In gewisser Weise ist bereits dieser Konkretisierungsversuch „mittlere Kriminalität“ eine petitio principii. Mindestens mittlere Kriminalität ist, was nicht Bagatellkriminalität ist, und Bagatellkriminalität ist, was nicht mindestens mittlere ist. Der Begriff ist so normativ, dass er kaum fassbar ist246. Kriterien nennt der 241
BT-Drucks. 13/10791, S. 5; s. in anderem Kontext auch BT-Drucks. 16/5846, S. 40. Vgl. BVerfGE 103, 21 (34); 109, 279 (344); 124, 43 (64); BGH, StV 2013, 1 (3) m. Anm. v. Jäger, JA 2012, 634 ff.; Krawczyk, StRR 2018, 304 ff.; Widmaier, NStZ 2013, 238 (239 f.); VerfGH Saarbrücken, Beschl. v. 18. 12. 2015 – Lv 4/15, Orientierungssatz 1b m. Anm. v. Clanget, jM 2016, 304 ff.; OLG Bremen, Beschl. v. 23. 03. 2006 – Ws 18/06 (BL 14/06), Rn. 7 = insoweit aber unveröffentlicht NStZ 2006, 623 f.; OLG Celle, NJW 2006, 3155 (3156); OLG Karlsruhe, StV 2002, 60 (61); LG Bremen, StV 2017, 511; LG Bremen, StV 2011, 403 (404); LG Saarbrücken, NStZ 2011, 423 (424, Rn. 2); LG Offenburg, StV 2003, 153 (155); LG Freiburg, NJW 2001, 3720 (3721); LG Duisburg, StraFo 1999, 202 (203); AG Hamburg, StV 2001, 11 (12); ohne auf die Eignung zur Beeinträchtigung des Gefühls der Rechtssicherheit in der Bevölkerung einzugehen KG, StraFo 2019, 455 (456). 243 Altendorfer, S. 170; Beck, S. 151; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 5; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 10; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 41; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1714; Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (296); Frister, in: Lisken/Denninger, Hdb. PolR, F., Rn. 310; Fröba, StraFo 2010, 483 (484); Goers, in: BeckOKStPO, § 81g, Rn. 3; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 5; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (65 f.); König, Kriminalistik 1999, 325; ders., Kriminalistik 2004, 262 (263); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 16; Lengler, SVR 2008, 246 (247); Limbeck, S. 66; Malek/Wohlers, Rn. 319; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 390; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 4; Neuser, S. 116; ders., Jura 2003, 461 (463); Pommer, JA 2007, 621 (624); Rackow, S. 72; Rinio, Die Polizei 1999, 318; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 7a; Senge, NJW 1999, 253 (255); Stadler-Brehm, S. 53; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 5; Vath, S. 48; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 10; West, S. 63; Zöller, S. 112; in anderem Kontext Hilger, NStZ 1992, 457 (462, Fn. 93); Welp, GA 2002, 535 (539); vgl. auch Antonow, JR 2005, 99 (99 f.); Benfer/Bialon, Rn. 978; Krause, in: FS Rieß, 261 (270); Lee, S. 115; krit. Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 5; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 5; Fluck, NJW 2001, 2292 (2293). 244 Anders Hero, S. 202, die mittlere Kriminalität annimmt, wenn die anderen genannten Voraussetzungen vorliegen; das Kriterium der mittleren Kriminalität gänzlich ignorierend Antonow, JR 2005, 99 (99 f.); Lee, S. 115. 245 So Beck, S. 157; Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (295); Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1287); Hilger, NStZ 1992, 457 (462); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 16; Neuser, S. 116; ders., Jura 2003, 461 (463); Rieß, GA 2004, 623 (630); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 5; West, S. 63 f.; ähnlich in anderem Kontext Benfer, MDR 1994, 12. 246 A. A. aber Fluck, NJW 2001, 2292 (2293). 242
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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Gesetzgeber keine. Es wird ein unbestimmter Rechtsbegriff durch einen anderen nicht definiert, sondern ersetzt247. Nicht viel besser verhält es sich mit den anderen zwei Voraussetzungen. Einmal wird auf einen tatsächlichen Zustand abgestellt (Störung) und einmal bloß auf die grundsätzliche Eignung (zur erheblichen Störung des Gefühls der Rechtssicherheit). Unklar ist bereits, wie die beiden Merkmale unterschieden werden sollen248. Es sind kaum Fälle denkbar, in denen eine Störung des Rechtsfriedens gegeben ist, aber die Straftat nicht geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit zu beeinträchtigen. Umgekehrt verhält es sich nicht anders. Das liegt freilich auch daran, dass schwerlich gelingen mag, den Rechtsfrieden innerhalb eines Staates losgelöst vom Gefühl der Rechtssicherheit des Staatsvolkes bzw. seiner Einwohner zu definieren249 ; wobei, selbst wenn es gelänge, die Frage wäre, wie die Eignung zur Beeinträchtigung messbar sein soll250. Dass die Beeinträchtigung des Rechtssicherheitsgefühls, die die Straftat geeignet sein muss herbeizuführen, erheblich sein muss, führt ebenso wenig weiter. Der Terminus „Erheblichkeit einer Straftat“ kann schwerlich durch den nicht minder unkonkreten Terminus der Eignung zu erheblicher Beeinträchtigung konkretisiert werden251. Obschon der Gesetzgeber den Begriff seit Implementierung des § 81g StPO benutzt, waren die älteren Fassungen so beschaffen, dass jene auch heute noch eine Konkretisierung ermöglichen. Andererseits bietet es sich an, näher zu untersuchen, ob die Verwendung des Begriffes in anderen Normen zur Konkretisierung beitragen kann. b) Konkretisierung aa) Verwendung an anderen Stellen der StPO Der Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung ist kein Unikum des § 81g StPO252. Er findet auch Verwendung in § 98a StPO, wonach die Rasterfahndung angeordnet werden darf, wenn Verdacht besteht, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung auf näher bezeichneten Gebieten, gegen näher bezeichnete Rechtsgüter oder in näher bezeichneter Weise begangen wurde. Ähnlich formuliert es § 110a Abs. 1 StPO für den Einsatz verdeckter Ermittler im Ermittlungsverfahren. 247 Rieß, GA 2004, 623 (630); Stadler-Brehm, S. 53 f.; krit. hierzu auch Neuser, S. 117; vgl. ferner Welp, GA 2002, 535 (539). 248 Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 5; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 5. 249 Den Vorwurf der Tautologie nicht zu Unrecht erhebend deshalb Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (296). 250 Aufgrund diverser Faktoren der Beeinflussung der diesbezüglichen Wahrnehmung der Bevölkerung dies verneinend Beck, S. 158. 251 Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 16. 252 Neuser, S. 105; ders., Jura 2003, 461 (463); zur „Karriere“ des Begriffes Lindemann, KJ 33 [2000], 86 ff.; Rieß, GA 2004, 623 (ebd., Fn. 5).
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Die dort verwendeten Konkretisierungen lassen sich für die Konkretisierung des Begriffes in § 81g StPO, in dem eine gewisser Deliktstyp oder eine spezielle Begehungsweise gerade nicht vorausgesetzt wird, nur bedingt fruchtbar machen253. Denn die Vorschriften zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Begehungsweise bzw. die Rechtsgüter, gegen die sich die erhebliche Straftat richten muss, mehr oder weniger genau bezeichnen. Die Erheblichkeit einer Straftat im Anwendungsbereich § 98a StPO kann nicht damit begründet werden, dass es sich um eine gegen das Leben eines anderen gerichtete Tat handelt. Diese „Stoßrichtung“ der Tat ist neben der Erheblichkeit Voraussetzungen für die Anordnung der Rasterfahndung, § 98a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Var. 1 StPO. Von der Stoßrichtung auf die Erheblichkeit zu schließen würde deshalb eine unsystematische Verschleifung zweier Tatbestandsmerkmale darstellen. Die Erheblichkeit muss, zumindest im Anwendungsbereich des § 98a StPO, mit anderen Kriterien als dem betroffenen Rechtsgut begründet werden. Das BVerfG geht davon aus, dass nicht nur das betroffene Rechtsgut maßgeblich sei für die Qualifizierung einer Straftat als erheblich254. Soweit die Betroffenheit bestimmter Rechtsgüter Tatbestandsmerkmal ist, kann die Erheblichkeit nur mit dem Unrechtsgehalt der konkreten Tat, mithin des Einzelfalles begründet werden255. Hat es der Gesetzgeber, wie z. B. – neben § 81g StPO – in den §§ 131 Abs. 3 S. 1, 163e StPO unterlassen, den Deliktstyp oder die Begehungsweise näher zu bezeichnen, muss freilich das betroffene Rechtsgut als Indikator in die Bestimmung der Erheblichkeit miteinfließen256. Freilich kann aber für die Bestimmung des Gewichtes, das einem Rechtsgut zukommt, auf die Wertentscheidung des Gesetzgebers abgestellt werden, die in anderen strafprozessuale Normen – auch in den §§ 98a, 110a StPO – zum Ausdruck kommt257. bb) Historischer Ansatz Dass der Terminus der Straftat von erheblicher Bedeutung in § 81g StPO keine weitere Form der Konkretisierung erfährt und gewissermaßen für sich steht, war eine bewusste Entscheidung des (Reform-)Gesetzgebers. Ursprünglich konnten dem Gesetzestext noch Spezifizierungen entnommen werden. Um den Gehalt des Begriffes heute bestimmen zu können, bietet es sich an, auf diese ursprüngliche(n) Fassung(en) zu rekurrieren und die Umstände der Änderung zu untersuchen.
253
Rieß, GA 2004, 623 (633). BVerfGE 107, 299 (324). 255 Im Kontext der Telekommunikationsüberwachung Welp, GA 2002, 535 (539). 256 So auch zur seinerzeitigen Fassung des § 100c StPO Hilger, NStZ 1992, 457 (462, Fn. 93). 257 Vgl. BGHSt 42, 139 (157 a. E.), wobei es allerdings anzumerken gilt, dass der BGH sich hier nicht an anderen Normen orientierte, um das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der Straftat von erheblicher Bedeutung zu konkretisieren, sondern dieses Merkmal i. R. d. Anwendung der Generalklausel (vgl. a. a. O. S. 150) selbst aufstellte. 254
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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(1) § 81g Abs. 1 StPO in der Fassung von 1998 „Zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren dürfen dem Beschuldigten, der einer Straftat von erheblicher Bedeutung, insbesondere eines Verbrechens, eines Vergehens gegen die sexuelle Selbstbestimmung, einer gefährlichen Körperverletzung, eines Diebstahls in besonders schwerem Fall oder einer Erpressung verdächtig ist, Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DNAIdentifizierungsmusters molekulargenetisch untersucht werden (…)“, hieß in der ursprünglichen Fassung des § 81g Abs. 1 StPO, die durch § 1 des DNA-IFG vom 07. 09. 1998 Gesetz wurde258. Aus dem Wort „insbesondere“ wurde ersichtlich, was der Gesetzgeber zumindest auch als Straftat von erheblicher Bedeutung ansah. Er hatte sich bei der Regelung der sog. „Regelbeispielstechnik“ bedient259. Der hier interessierende Teil des § 81g Abs. 1 StPO blieb im Wesentlichen bestehen bis im Jahr 2005 bestehen. Erst das Gesetz zur Novellierung zur forensischen DNA-Analyse vom 12. 08. 2005260 beseitigte die Regelbeispielstechnik. Zwischenzeitlich261 war das ursprüngliche Regelbeispiel des Vergehens gegen die sexuelle Selbstbestimmung als eigene gleichwertige Alternative zur Straftat von erheblicher Bedeutung ausgestaltet worden, was es heute noch ist. Die Frage, ob Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung unabhängig ihrer Einordnung in Verbrechens- oder Vergehenstatbestände auch solche von erheblicher Bedeutung sind, ist seither eher von akademischen Interesse – jedenfalls im Bereich der Anlasstaten262. Auch unter Außerachtlassung der Vergehen gegen die sexuelle Selbstbestimmung kann man aufgrund der ursprünglichen Formulierung in § 81g Abs. 1 StPO Verbrechen263, gefährliche Körperverletzungen264, Diebstähle in besonders schweren 258
BGBl. I, S. 2646; Hervorhebungen nicht im Original. BT-Drucks. 15/5674, S. 11; BVerfGE 103, 21 (34); NJW 2001, 2320 (2321); VerfGH Brandenburg, StV 2002, 57 (58); LG Leipzig, StraFo 2007, 464; LG Freiburg, NStZ 2000, 165; Altendorfer, S. 170; Beck, S. 152; Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (166); Brodersen/ Anslinger/Rolf, Rn. 41; Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (295); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g StPO, Rn. 5; Hasselbach, S. 98; Hero, S. 199; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (66); König, Kriminalistik 1999, 325; Krause, in: FS Rieß, 261 (270); ders., in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 16; Limbeck, S. 66; Markwardt/Brodersen, NJW 200, 692 (ebd., 695); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 390; Neuser, S. 120; ders., Jura 2003, 461 (463); Rackow, S. 72; Rieß, GA 2004, 623 (626); Rinio, Die Polizei 1999, 318; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 20, 22; ders., in: FS F.-C. Schroeder, 691 (703); Senge, NJW 1999, 253 (254); ders., NJW 2005, 3028 (3030); vgl. auch LG Freiburg, NJW 2001, 3720 (3721); Vath, S. 56; Zöller, S. 112; a. A. einzig LG Go¨ ttingen, NdsRPfl. 1999, 294 (295), das insofern widersprüchlich von einem „Katalog von Beispielsfällen“ spricht, um dann die Verwendung von Regelbeispielen im nächsten Satz zu verneinen. 260 BGBl. I, S. 2360 ff. 261 Durch Gesetz v. 27. 12. 2003, BGBl. I, S. 3007 ff. 262 Anders bei Negativprognose, dazu unten Kap. 6 § 5 III. 1. 263 So im Besonderen Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 2; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 5; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 10; West, S. 64. 264 Vgl. etwa OLG Celle, NJW 2006, 3155 (3156). 259
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Fällen sowie Erpressungen grundsätzlich als Straftaten von erheblicher Bedeutung i. S. d. § 81g StPO qualifizieren265. Die Aufgabe der Regelbeispielstechnik hat der Gesetzgeber damit begründet, dass diese zu dem Missverständnis Anlass gegeben hätte, nur besonders schwere Straftaten rechtfertigten die Anordnung nach § 81g StPO, obschon anerkannt sei, dass Straftaten von erheblicher Bedeutung auch solche der mittlerer Kriminalität sein könnten266. Eine inhaltliche Änderung gegenüber dem § 81g Abs. 1 StPO a. F. war nicht bezweckt; erst recht keine solche, die den Kreis der Anlasstaten eingeschränkt hätte267. (2) Anlage zu § 2c DNA-IFG a. F. Größerer Beliebtheit zur Konkretisierung erfuhr die Anlage zu § 2c DNA-IFG. Da das DNA-IFG durch die Novellierung 2005 außer Kraft getreten ist, bedarf es einer gewissen Erläuterung, um den Aussagegehalt der Anlage zu § 2c DNA-IFG nachvollziehen zu können. Der heutige § 81g Abs. 4 StPO, der die Anordnung der Maßnahme auch bei Verurteilten und gleichgestellten Personen erlaubt, entspricht dem § 2 DNA-IFG a. F. Es geht und ging darum, dass nicht nur von Beschuldigten, sondern auch bereits Verurteilten und Gleichgestellten DNA-Identifikationsmuster erstellt werden können. Ursprünglich für sog. Altfälle gedacht268 sollten die Staatsanwaltschaften prüfen, wer als Adressat einer Maßnahme nach § 2 DNA-IFG in Betracht kam. Von vornherein utopisch war es anzunehmen, die Staatsanwaltschaften würden jeden in Frage kommenden „Altfall“ kennen und daher die Entscheidung über die Anordnung ausschließlich anhand ihrer Akten treffen können269. Als problematisch stellte sich ferner heraus, dass die Staatsanwaltschaften, wenn sie wissen wollten, bei wem eine Anordnung möglich erschien, einen Antrag auf Auskunft aus dem Bundeszentralregister stellen mussten, der sich auf eine konkrete Person zu beziehen hatte, die der Staatsanwaltschaft aber meistens nicht namentlich bekannt war270. § 2a DNA-IFG erlaubte daher der Staatsanwaltschaft, übergangsweise auch ohne „Personendaten“ bei der Registerbehörde abzufragen, wer entsprechend verurteilt wurde; § 2b er265 Insgesamt KG, StraFo 2019, 455 (456); Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 5; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 10; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1716; Fröba, StraFo 2010, 483 (484); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 5; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 20; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 20, 22; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 7a. 266 BT-Drucks. 15/5674, S. 11. 267 Zutreffend Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1714; Hadamitzky, in: KKStPO, § 81g, Rn. 5; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 390; gleichwohl gegen eine Konkretisierung des Begriffes anhand § 81g StPO a. F. Hasselbach, S. 99. 268 BT-Drucks. 13/10791, S. 5; 14/445, S. 5. 269 So aber wohl die Auffassung der Mehrheit des Deutschen Bundestages bei Verabschiedung des § 81g StPO/§ 2 DNA-IFG ein Jahr zuvor, vgl. BT-Drucks. 14/445, S. 5. Die Attributierung als „politischen Schnellschuß“ durch Altendorfer, S. 167, erscheint passend. 270 BT-Drucks. 14/445, S. 5.
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laubte der Behörde entsprechende Auskunft271. Der Sache nach handelte sich bei den Vorschriften um Ermächtigungsgrundlagen272 für Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Möglich wurde mithin, dass die Staatsanwaltschaften – vereinfacht gesagt – um Mitteilung bitten konnten, wer etwa in einem speziellen Zeitraum wegen Mordes verurteilt wurde. Eine allzu große „Anfragenflut“ sollte, wohl mehr aus praktischen denn datenschutzrechtlichen Gründen, vermieden werden. § 2c DNA-IFG bestimmte daher, dass die Anfrage an wie auch die Übermittlung durch die Registerbehörde sich nur auf bestimmte Straftaten beziehen dürfe, welche in einer Anlage aufgezählt wurden. Die Anlage umfasste in insgesamt 41 Nummern die meisten Verbrechen (wenn auch nicht alle, § 154 StGB etwa fehlte), aber auch Vergehen, die auf den ersten Blick nicht unbedingt mit dem Begriff „Straftat von erheblicher Bedeutung“ assoziiert werden, wie z. B. Vollrausch, § 323a StGB. Nun konnte man folgenden Gedanken anstrengen: § 2 DNA-IFG erlaubte die Anordnung u. a. bei Personen, die wegen einer in § 81g Abs. 1 StPO genannten Tat verurteilt wurden. Das in §§ 2a ff. DNA-IFG geregelte Auskunftsverfahren sollte eine entsprechende Anordnung ermöglichen. Wenn der Gesetzgeber aber davon ausgegangen wäre, dass etwa Vollrausch keine Straftat von erheblicher Bedeutung i. S. d. § 81g StPO Abs. 1 StPO sein könnte, wäre es sinnlos, eine entsprechende Anfrage, gestützt auf §§ 2a, 2c DNA-IFG i. V. m. Nr. 40 der Anlage, zuzulassen. Folglich könne davon ausgegangen werden, dass die in der Anlage aufgeführten Straftatbestände als Straftaten von erheblicher Bedeutung in Betracht kämen. Die Gesetzesänderung 2005, mit der das DNA-IFG zur Gänze außer Kraft trat, führte dazu, dass die Regelung des § 2 DNA-IFG zu § 81g Abs. 4 StPO wurde, § 3 DNA-IFG zu § 81g Abs. 5 StPO273. Dass das Verfahren der §§ 2a ff. DNA-IFG mitsamt Anlage nicht übernommen wurde, lag weder daran, dass der Gesetzgeber seine Rechtsauffassung geändert hätte, noch daran, dass er (wie bei § 81g Abs. 1 StPO) sich missverstanden sah. Der (triviale) Grund lag daran, dass das Abfrageverfahren nach §§ 2a ff. DNA-IFG von vorherein auf den 30. 06. 2001 befristet war und daher im Jahre 2005 gar nicht mehr durchgeführt wurde274. Die Übertragung der Argumentation ist dagegen heute keineswegs obsolet. Denn wenn mit der Novelle 2005 keine diesbzgl. Änderung der Gesetzeslage beabsichtigt war, kann der oben skizierte Gedanke immer noch fruchtbar gemacht werden275. 271
Zur Problematik BT-Drucks. 14/1484, S. 18. BT-Drucks. 14/445, S. 5. 273 BT-Drucks. 15/5674, S. 12. 274 BT-Drucks. 15/5674, S. 15. 275 So auch Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1714; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 19; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 10; für eine Berücksichtigung als Anhaltspunkt auch schon Altendorfer, S. 170; krit. Beck, S. 152 f.; Hasselbach, S. 100; West, S. 65. Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 16 hält den Katalog dagegen für überholt. 272
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Einschränkend ist aber anzumerken, dass schon zur Zeit der Geltung der §§ 2a ff. DNA-IFG die Annahme falsch war, jede der aufgeführten Straftaten sei eo ipso eine von erheblicher Bedeutung276. Bereits die Gesetzgebungsmaterialien besagen das Gegenteil277. Eine solche Ansicht wäre dem Vorwurf ausgesetzt, dass sie verkennt, dass das Abfrageverfahren nicht die Entscheidung über die Anordnung der Maßnahme ist278. Der Kreis der Straftaten in der Anlage musste so weit gefasst sein, dass die Staatsanwaltschaft (was aufgrund der Menge wohl utopisch war) Auskunft über alle nur potentiell erheblichen Taten verlangen konnte, um dann entscheiden zu können, ob im Einzelfall die Tat wirklich erheblich war279. Es handelte sich um eine Aufzählung der Straftaten, bei denen die Durchführung des Abfrageverfahrens sinnvoll erschien; auf dieses war die Anlage zugeschnitten280. Das zeigte sich schon darin, dass der Katalog auch Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung umfasste (vgl. Nr. 2 bis 16 der Anlage), obschon vor dem Außerkrafttreten des DNAIFG Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung aus dem Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung ausgenommen und als eigene Alternative ausgestaltet wurden281. Dies gilt es freilich auch vor dem organisatorischen Aufwand zu sehen und darf keineswegs dahingehend missverstanden werden, dass bei einem Neufall ebenso nur bei solchen Taten Erheblichkeit gegeben ist. Der Aussagegehalt der Anlage erschöpft sich darin, dass die Erheblichkeit einer Tat nicht von vornherein verneint werden kann mit dem Argument, Vollrausch oder ähnliche Taten könnten nie Straftaten von erheblicher Bedeutung sein282. Umgekehrt gilt, dass die Anlage auch nicht abschließend regeln konnte, was Straftaten von erheblicher Bedeutung sind283. Auch dies ergibt sich direkt aus den Gesetzgebungsmaterialien284. Aus dem Fehlen eines Straftatbestandes kann nicht im 276 BVerfG, NJW 2001, 2320 (2321); Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 45; Krause, in: FS Rieß, 261 (270); Neuser, S. 121; ders., Jura 2003, 461 (463); Rackow, S. 80, 168; Vath, S. 49, widersprüchlich insofern die Bezeichnung der Anlage als enumerative Umschreibung derjenigen Straftaten, bei denen es sich um erhebliche handeln soll (S. 48); unrichtig dagegen LG Rottweil, StraFo 2004, 322; LG Ingolstadt, NJW 2000, 749 (750); Graalmann-Scheerer, Kriminalistik 2000, 328 (334): „[B]indende Auslegungshilfe“. 277 BT-Drucks. 14/445, S. 5; vgl. auch BT-DS 14/658, S. 12, wonach der Katalog nur für Zwecke des Abfrageverfahrens konzipiert wurde. 278 Vgl. Rackow, S. 80. 279 Mit Recht spricht Rackow, S. 168 vor diesem Hintergrund von einer nicht zu kritisierenden extensiv angelegten Auflistung. 280 Vgl. BT-DS 14/658, S. 12; vgl. auch BVerfG, NJW 2001, 2320 (2321); LG Freiburg, NJW 2001, 3720 (3721); LG Hannover, NdsRPfl. 2000, 76; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 45; Hasselbach, S. 100; Markwardt/Brodersen, NJW 200, 692 (695); Krause, in: FS Rieß, 261 (270); Rackow, S. 80; Vath, S. 49 f. 281 Neuser, S. 121. 282 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 45. 283 LG Hannover, NdsRPfl. 2000, 76; Krause, in: FS Rieß, 261 (270); Markwardt/Brodersen, NJW 200, 692 (695); Neuser, S. 121; ders., Jura 2003, 461 (463); Rackow, S. 80, 168; Vath, S. 49; Wisniewski, Die Polizei 2004, 212 (214). 284 BT-Drucks. 14/445, S. 5.
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Umkehrschluss auf dessen Unerheblichkeit geschlossen werden285. Dies zeigt sich schon daran, dass die Anlage nur auf Straftatbestände des StGB Bezug nimmt. Es wäre aber nicht zu erklären, warum ein Vollrausch, der eine maximale Freiheitsstrafe von fünf Jahren hat, durchaus erheblich sein kann, während der illegale Waffenhandel von vornherein ausscheiden müsste, obschon die maximale Strafe doppelt so hoch ist (vgl. § 52 Abs. 5 WaffG)286. (3) Zwischenergebnis Die Orientierung an § 81g Abs. 1 StPO a. F. und der Anlage zu § 2c DNA-IFG a. F. mag einen ersten Anhaltspunkt geben, wann eine Straftat von erheblicher Bedeutung jedenfalls auf den ersten Blick nicht zu verneinen ist. Auskunft darüber, dass eine solche bei Verwirklichung des entsprechenden Straftatbestandes gegeben ist, vermag der historische Ansatz nicht. Der Mehrwert ist daher begrenzt. Von diesem Ansatz ausgehend könnte aber auf den Ausschluss anderer Straftatbestände geschlossen werden. Einer solchen systematischen Betrachtungsweise soll im Folgenden nachgegangen werden. cc) Systematischer Ansatz (1) Fahrlässigkeitsdelikte Auffallend ist, dass sowohl § 81g StPO a. F. als auch die Anlage zu § 2c DNA-IFG a. F. nur Vorsatzdelikte aufführten. Fraglich ist, ob daraus der Schluss zu ziehen ist, fahrlässig begangene Straftaten könnten nie erheblicher Bedeutung sein. Ein Teil der Literatur bejaht dies mit dieser Begründung287. Da Fahrlässigkeitsdelikte keinen bewussten Verstoß gegen die Rechtsordnung darstellten, seien sie in der Regel nicht geeignet, den Rechtsfrieden erheblich zu stören288. Aus den Gesetzesmaterialien sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber Fahrlässigkeitsstraftaten als Anlasstat angesehen habe289.
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Krause, in: FS Rieß, 261 (271). Feststellend Rackow, S. 169; krit. etwa zur fehlenden Nennung der Straftaten nach dem BtMG Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 45; vgl. auch Krause, in: FS Rieß, 261 (271); Neuser, S. 121. 287 Limbeck, S. 67; vgl. auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 19; ohne Begründung Hero, S. 204; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 4. 288 Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (66); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 22; ders., in: FS Rieß, 261 (275); zu diesem Argument, wenngleich i. E. a. A. auch Beck, S. 163 a. E. 289 Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 22; ders., in: FS Rieß, 261 (274 f.); Limbeck, S. 67; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 19. 286
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Andere Stimmen betonen, das durch eine Fahrlässigkeitstat verwirklichte Unrecht müsse im Einzelfall dem einer Vorsatztat nicht nachstehen290. Die sich mit der Problematik im Einzelnen nicht auseinandersetzende Rechtsprechung möchte jedenfalls nicht a priori die fahrlässige Körperverletzung als nicht erhebliche Straftat ansehen291. Erst recht gelte dies für fahrlässige Tötungen, da § 222 StGB einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren vorsehe292. Das Beispiel des § 222 StGB zeige, dass fahrlässig begangene Taten genauso wie Vorsatztaten bedeutsame Rechtsgüter massiv beeinträchtigen könnten293. Dass die Gesetzgebungsmaterialien zu der Frage schweigen, ob Fahrlässigkeitsdelikte Straftaten von erheblicher Bedeutung sein können, wird von niemandem ernstlich bestritten. Jedoch gilt es auch in diesem Kontext festzuhalten, dass dieses Schweigen weder für noch die gegen die Einbeziehung sprechen kann294. Es ist der Auffassung, die Fahrlässigkeitsdelikte von vorherein ausschließen möchte, zuzugeben, dass die Rechtsordnung Vorsatzdelikten grundsätzlich einen höheren Unrechtsgehalt zuweist als Fahrlässigkeitsdelikten. Das zeigt sich an der grundsätzlichen Strafbarkeit nur vorsätzlichen Handelns, § 15 StGB, sowie an der grundsätzlich höheren Strafdrohung bei Vorsatztaten: Die vorsätzliche Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB kann mit bis fünf, die fahrlässige gem. § 229 StGB nur mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden. Gleichwohl ist der höhere Unrechtsgehalt von Vorsatztaten kein hehrer Grundsatz, der undurchbrechlich ist, wie die Rechtsordnung selbst zeigt. § 316 Abs. 2 StGB stellt die fährlässige Trunkenheitsfahrt auf dieselbe Stufe wie die vorsätzliche nach Abs. 1295. Der Gesetzgeber hat die Gleichsetzung begründet einerseits mit dem praktischen Gedanken, Vorsatz und Fahrlässigkeit sei bei Trunkenheitsfahrten kaum unterscheidbar, und andererseits damit, dass der Vorsatz häufig wegen des Rausches des Täters fehle, was jenem aber nicht zu Gute kommen solle296. Letztere Erwägung kann nur mit dem unausgesprochenen Gedanken begründet werden, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs, die Schutzgut des § 316 StGB ist297, in demselben Maße gefährdet ist, gleich ob der Täter vorsätzlich oder fahrlässig handelt. Das Handlungsunrecht tritt hinter das
290 Beck, S. 163; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 19; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 12; ohne nähere Begründung Eisenberg, Rn. 1689c, Fn. 228; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 5. 291 BVerfGE 124, 43 (64); BGH, StV 2013, 1 (3, Rn. 31). 292 BGH, StV 2013, 1 (3, Rn. 31); hierauf abstellend auch Beck, S. 163. 293 Beck, S. 163; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 12. 294 S. Vath, S. 64. 295 Krit. hierzu etwa Zieschang, in: NK-StGB, § 316, Rn. 62. 296 BT-Drucks. 3/2368, S. 23. 297 BayObLG, NZW 1992, 453; OLG München, NZV 2006, 277 (278); Pegel, in: MüKoStGB V, 3. Aufl., § 316, Rn. 1; Zieschang, in: NK-StGB, § 316, Rn. 11 jeweils m. w. N. aus dem Schrifttum.
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„Erfolgsunrecht“298 – die abstrakte Gefahr für den Verkehr, die durch das Fahren im Trunkenheitszustand verursacht wird – zurück. Die Rechtsordnung zeigt mithin, dass im Einzelfall fahrlässiges Handeln vorsätzlichem Handeln in nichts nachstehen muss. Die Problematik, die die Anhänger des Ausschlusses von Fahrlässigkeitsstraftaten eigentlich ansprechen müssten, aber nicht ansprechen, ist die Frage, ob Fahrlässigkeit ein Minus zum Vorsatz ist. Dies wird grundsätzlich verneint; Fahrlässigkeit sei ein aliud299. Folgt man dem, kann es zur Bestimmung der Erheblichkeit nicht auf den Vorsatz ankommen. Hieran ändert auch ein Blick auf die Anlage zu § 2c DNA-IFG nichts. Nr. 26 hat etwa das Abfrageverfahren ermöglicht bei Freiheitsberaubungen. Im Grundtatbestand des § 239 Abs. 1 StGB ist die Strafandrohung dieselbe wie in § 222 StGB. Besonders deutlich wird die Unmaßgeblichkeit vorsätzlichen Handelns zur Bestimmung der Erheblichkeit, wenn man betrachtet, dass die Strafandrohung für nur vorsätzlich strafbare Unterschlagungen (gem. § 246 Abs. 1 StGB) sogar hinter der des § 222 StGB zurückbleibt. Knüpft man das Strafmaß an, um zu bestimmen, wann der Gesetzgeber davon ausgeht, dass eine Straftat geeignet ist, den Rechtsfrieden empfindlich zu stören (was man muss, wenn man den Begriff einigermaßen abstrakt bestimmen will), so zeigen die Beispiele, dass Fahrlässigkeitsstraftaten nicht a priori vom Verdikt der Erheblichkeit freizusprechen sind. Der von Rieß im Kontext von § 131 Abs. 3 StPO geschilderte Beispielsfall des rücksichtlosen Rasers auf der Autobahn, der eine fahrlässige Tötung verursacht300, mag dies verdeutlichen. Gerade im Anwendungsbereich der bewussten Fahrlässigkeit (in Rieß’ Fall also der Fahrer, der bei einer baustellenbedingten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h mit einer Geschwindigkeit von 180 km/h fährt und einen Bauarbeiter tödlich erfasst) wird man die Eignung der Tat zur Störung des Rechtsfriedens kaum verneinen können301. Im Ergebnis gilt es daher festzuhalten, dass Fahrlässigkeitsdelikte auch Straftaten erheblicher Bedeutung sein können. Größe Probleme mag indes die Stellung der erforderlichen Negativprognose bereiten302. (2) Täterschaft und Teilnahme; Versuch; Vollrausch Sowohl der Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung als auch das alte Recht legen nahe, nur Täterschaft und Vollendung zu erfassen303. 298 Womit im Anwendungsbereich des § 316 StGB freilich nur das Führen im Straßenverkehr gemeint sein kann, weil einen klassischen Erfolg, etwa in Form einer Gefährdung, § 316 StGB im Gegensatz zu § 315 StGB nicht kennt; es handelt sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt; vgl. nur Pegel, in: MüKo-StGB V, 3. Aufl., § 316, Rn. 2 m. w. N. 299 Vgl. Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15, Rn. 3 m. w. N. auch zur Gegenauffassung. 300 Rieß, GA 2004, 623 (638, Fn. 104). 301 Hierauf abstellend auch Beck, S. 163; Eisenberg, Rn. 1689c, Fn. 228; Vath, S. 64. 302 So auch Beck, S. 163; Vath, S. 64; ausführlich hierzu unten unter Kap. 6 § 5 III. 303 Vgl. Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 19.
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Aus dem Abstellen auf die Eignung zur Störung des Rechtsfriedens kann aber geschlussfolgert werden, dass es weder die Begehungsform noch auf die Vollendung ankommen kann. Jede Form der Täterschaft und Teilnahme304, und auch eine im Versuchsstadium stecken gebliebene Straftat kann Anlasstat sein305 ; dasselbe gilt für eine im Vollrausch (§ 323a StGB) begangene Tat306. Dass letztere nicht von vornherein aus dem Kreis der Straftaten von erheblicher Bedeutung auszuschließen ist, ergibt sich bereits daraus, dass bei Vollrauschtaten gem. Nr. 40 der Anlage i. V. m. § 2c DNA-IFG das Abfrageverfahren durchgeführt werden konnte307. Gleichwohl muss aber einschränkend gefordert werden, dass die Rauschtat selbst Straftat von erheblicher Bedeutung sein muss308. Ansonsten stünde der Täter besser, der die Tat nicht im Rausch begangen hat. Dies würde aber der gesetzgeberischen Ausgestaltung des § 323a StGB widersprechen, nach der gem. Abs. 1 eine Höchststrafe von fünf Jahren vorgesehen ist, welche im Einzelfall gem. Abs. 2 nicht höher sein darf als die für die Rauschtat angedrohte. Außerdem gilt es zu bedenken, dass bei Freispruch wegen Schuldunfähigkeit die Maßnahme gem. § 81g Abs. 4 Nr. 1 StPO angeordnet werden kann. Würde man den Vollrausch a priori als Anlasstat ausscheiden lassen, stünde der 304
Beck, S. 164; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 10; Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (295); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 18; Lengler, SVR 2008, 246 (247); Limbeck, S. 67; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 4; Rieß, GA 2004, 623 (638); Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 19; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 7a; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 5; Vath, S. 59 f.; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 11; in anderem dogmatischen Kontext Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 8; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 8; zur Anstiftung mit zweifelhafter Argumentation offengelassen von LG Berlin, NJW 2000, 752; die Möglichkeit, Körperzellen abzusondern, für den Anstifter bejahend Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 43; ähnlich auch Altendorfer, S. 171; Markwardt/Brodersen, NJW 200, 692 (695); für die Beihilfe durch „Schmierestehen“ OLG Hamm, StV 2000, 606 (607), allerdings unter der zweifelhaften Erwägung, ob hierbei Körperzellen abgesondert werden. 305 LG Go¨ ttingen, NdsRPfl. 1999, 294 (295); Beck, S. 164; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 10; Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (295); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 18; Lengler, SVR 2008, 246 (247); Limbeck, S. 67; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 4; Rieß, GA 2004, 623 (638); Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 19; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 7a; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 5; Vath, S. 58 f.; Walther, in: AnwKoStPO, § 81g, Rn. 11; in anderem dogmatischen Kontext Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 8; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 8. 306 Beck, S. 164; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 10; Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (295); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 18; Lengler, SVR 2008, 246 (247); Neuhaus, in: HKGS, § 81g StPO, Rn. 4; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 19; Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 7a; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 5; Vath, S. 62 f.; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 11. 307 Vath, S. 62. 308 Beck, S. 164; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 18; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 4; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 19; Vath, S. 62 f.; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 11; unter Anknüpfung an die alte Rechtslage Krause, in: FS Rieß, 261 (274), der jedoch, soweit er verlangt, dass zwingend die Rauschtat einer in § 81g StPO a. F. bzw. in der Anlage zu § 2c DNA-IFG a. F. genannten Tat entsprechen müsste, den nicht abschließenden Charakter der Normen verkennt, obschon er im Folgenden zutreffend hierauf hinweist.
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Täter, der sich vorsätzlich oder fahrlässig berauscht und dann eine Rauschtat begeht, besser als derjenige, dem ein Schuldvorwurf in keiner Hinsicht zu machen ist. Sowohl Versuchstaten als auch Beteiligungen können dieselbe rechtserschütternde Wirkung haben wie die Vollendung durch den Täter selbst309, wie das Gesetz durch die Gleichstellung zeigt (§ 23 Abs. 2 StGB: „kann“; § 26 StGB: „gleich einem Täter“310). Auch die notwendige Milderung bei Gehilfen nach § 27 Abs. 2 S. 2 StGB vermag kein anderes Ergebnis zu begründen, weil die Anknüpfung an die Strafandrohung der Haupttat (§ 27 Abs. 2 S. 1 StGB) auch i. V. m. § 49 StGB im Einzelfall eine hohe Freiheitsstrafe in Betracht kommt. Freilich muss aber hier auch gelten, dass die Tat, die versucht wurde bzw. an der der Täter sich beteiligt hat, eine solche von erheblicher Bedeutung sein muss311. dd) Einzelfallbetrachtung (1) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Maßgeblich erscheint daher stets, auch bei abstrakt schweren Straftaten, eine Betrachtung des Einzelfalles312. Dies galt bereits unter der alten Rechtslage, sodass bereits damals nicht von der Erfüllung eines Verbrechenstatbestandes auf die Erheblichkeit eo ipso geschlussfolgert werden konnte313. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bzw. das Gebot der Ungleichbehandlung aus Art. 3 GG verbieten es, die Atypizität einzelner Fälle außer Betracht zu lassen314. Die in Literatur und Rechtsprechung anzutreffende Betonung, die Begrenzung des Anwendungsbereiches des 309 Rieß, GA 2004, 623 (638); Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 19; Vath, S. 58, 59 f.; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 11. 310 Hierauf abstellend auch Rieß, GA 2004, 623 (638, Fn. 106); Vath, S. 59. 311 Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 19; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 11. 312 Beck, S. 159 f.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 5; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 5; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 11; Fröba, StraFo 2010, 483 (484); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 5; Hasselbach, S. 99 f.; Hero, S. 203; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 17; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 18; Stadler-Brehm, S. 54; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 5; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 10; West, S. 64; zu § 98a StPO Siebrecht, CR 1996, 545 (547); zur Telekommunikationsüberwachung nach altem Recht Hilger, NStZ 1992, 457 (462, insb. Fn. 93); insgesamt vgl. Rieß, GA 2004, 623 (636 ff.). 313 BVerfGE 103, 21 (38); BVerfG, NJW 2001, 2330 (2331); VerfGH Brandenburg, StV 2002, 57 (58); Altendorfer, S. 170; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 44 f.; Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (295); Höynck, DVJJ-Journal 3/2000, 287 (290); Krause, in: FS Rieß, 261 (269, 272); Limbeck, S. 66; Neuser, Jura 2003, 461 (463); Rackow, S. 74; jeweils m. w. N. aus der zeitgenössischen Kommentarliteratur; vgl. ferner Neuser, S. 120 ff.; a. A. aber LG Go¨ ttingen, NdsRPfl. 1999, 294 (295), das davon ausging, jedes Verbrechen sei ipso jure Anlasstat; ebenso Amelung/Funcke-Auffermann, StraFo 2004, 265 (272); widersprüchlich insoweit Senge, NJW 1999, 253 (254); Vath, S. 51 f., die einerseits eine Einzelfallwürdigung als Ausfluss der Verhältnismäßigkeit verlangen, gleichwohl aber Verbrechen stets als Straftaten von erheblicher Bedeutung ansehen wollen. 314 Krause, in: FS Rieß, 261 (272). Vgl. Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 18; zu Art. 3 GG schon oben Kap. 6 § 4 II. 4. a) aa) (4) (c) m. w. N. in Fn. 215 (Kap. 6).
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
§ 81g StPO u. a. auf Straftaten von erheblicher Bedeutung sei bereits Ausdruck der Verhältnismäßigkeit315, ist zwar zutreffend, steht einer Einzelfallbetrachtung aber ebenso wenig entgegen wie sie sie obsolet macht316 und birgt mithin in diesem Kontext keinen Mehrwehrt. Der Erfordernis einer Einzelfallprüfung ergibt sich ferner expressis verbis aus § 81g Abs. 3 S. 5 Nr. 1 StPO317. Danach muss das anordnende Gericht einzelfallbezogen diejenigen Tatsachen in der Anordnung darlegen, die die Erheblichkeit begründen. Auch wenn Einzelfallbetrachtung von vornherein generalisierenden Erwägungen entgegenzustehen scheint, erscheint es sinnvoll, der Frage nachzugehen, welche Kriterien zu berücksichtigen sind, und welche ausscheiden müssen, nicht etwa, weil sie gänzlich irrelevant sind, sondern weil sie systematisch an anderer Stelle eine Rolle spielen. (2) Zu berücksichtigende Faktoren Berücksichtigt werden muss das gesamte qualitative Unrecht der Anlasstat318. Zu Recht verweist Rieß in diesem Zusammenhang auf die Kriterien, die für die Strafzumessung gem. § 46 Abs. 2 S. 2 StGB gelten319. Besondere Berücksichtigung verdienen daher die Art des betroffenen Rechtsgutes im Generellen (also etwa der besondere Wert des Lebens schlechthin)320 und im Konkreten (also etwa das Tatobjekt bei Eigentumsdelikten)321, der durch die Tat verursachte Schaden322, die 315 OLG Jena, NJW 1999, 3571; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 10; Fluck, Kriminalistik 2000, 479 (481); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 3; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 17; Lee, S. 98; Lengler, SVR 2008, 246 (247); Neuser, Jura 2003, 461 (464); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 7a; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 5; insoweit zustimmend auch noch Beck, S. 159; krit. Neubacher/Walther, StV 2001, 584 (586). 316 Zutreffend Beck, S. 159; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 17; selbst dies bereits für rechtsirrtümlich erachtend Neubacher/Walther, StV 2001, 584 (587). 317 Hierauf abstellend auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 20; West, S. 64. 318 Beck, S. 159; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 5; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 5; Fröba, StraFo 2010, 483 (484); Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 5; Neuser, S. 116; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 17; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 19; Stadler-Brehm, S. 53 f.; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 10; West, S. 64; in anderem Kontext Hilger, NStZ 1992, 457 (462, Fn. 93). 319 Rieß, GA 2004, 623 (638 f.); daran anknüpfend Stadler-Brehm, S. 54. 320 Hasselbach, S. 98; Hero, S. 204; Neuser, S. 116; ders., Jura 2003, 461 (463); Rieß, GA 2004, 623 (639); West, S. 64; in anderem Kontext Hettinger, S. 68; Hilger, NStZ 1992, 457 (462, Fn. 93). 321 Krause, in: FS Rieß, 261 (273); Rieß, GA 2004, 623 (639); Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 22. 322 Beck, S. 160; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1714; Fröba, StraFo 2010, 483 (484); Hasselbach, S. 97; Krause, in: FS Rieß, 261 (273, 274); Neuser, S. 116; ders., Jura 2003, 461 (463); Rieß, GA 2004, 623 (639); Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 22; StadlerBrehm, S. 54; West, S. 64; vgl. auch LG Mainz, NStZ 1998, 636 (637); in anderem Kontext Hilger, NStZ 1992, 457 (462, Fn. 93).
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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Betroffenheit der Allgemeinheit323, die Art bzw. Gefährlichkeit der Tatausführung324, die sich auch im Nachtatverhalten manifestieren kann,325 und die Beweggründe, die den Täter zur Tat motiviert haben326. Sollte die Tat bereits abgeurteilt worden sein, können auch das Strafmaß und die Art der Strafe (Freiheits- oder Geldstrafe oder Maßregel, Aussetzung zu Bewährung gem. § 56 StGB, Absehen von Strafe) eine Rolle spielen327. Gegen die Erheblichkeit kann die Anwendung des Strafbefehlsverfahrens oder das Absehen der Bestellung eines Pflichtverteidigers unter Verneinung der ersten Kriterien des § 140 Abs. 2 StPO sprechen328. Jenseits von den in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB niedergelegten Kriterien muss eine gesetzlich angeordnete Strafrahmenverschiebung als Ausdruck gesetzgeberischer Wertung berücksichtigt werden329. Ohne dass damit Erheblichkeit von vorn herein zu verneinen wäre, müssen bei Beihilfe (§ 27 Abs. 2 S. 2 StGB i. V. m. § 49 Abs. 1 StGB) und minder schweren Fällen (z. B. §§ 213, 244 Abs. 3, 249 Abs. 2, 306 Abs. 2 StGB) besondere Umstände hinzutreten, um zur Erheblichkeit zu gelangen330. Umgekehrt sprechen Strafschärfungen durch die Erfüllung besonders schwerer Fälle oder gar von Qualifikationen tendenziell für die Erheblichkeit331. Da derartige Milderungen und das Vorliegen eines besonders schweren Falles den Verbrechenscharakter eines Straftatbestandes gem. § 12 Abs. 3 StGB unberührt lassen, zeigt dies 323 Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1714. Dies hießt nicht, dass etwa Beziehungstaten von vornherein ausscheiden, vgl. OLG Karlsruhe, StV 2002, 61 (62), dies berücksichtigend aber LG Heilbronn, StV 2001, 8. 324 Beck, S. 160; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1714; Hasselbach, S. 97; Krause, in: FS Rieß, 261 (273 f.); Rieß, GA 2004, 623 (639); Stadler-Brehm, S. 54; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 10; vgl. insofern auch OLG Karlsruhe, StV 2002, 61 (62). 325 Beck, S. 161; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 17. 326 Vgl. Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 17; zweifelhaft aber VerfGH Brandenburg, StV 2002, 57 (58), der damit argumentiert, es gelte i. R. d. Anlasstat zu überprüfen, ob die Tat aus einer geistigen Ausnahmesituation heraus begangen wurde und ob daher Gefahr für weitere Straftaten besteht. Dies ist aber eher ein Problem der Negativprognose. 327 BVerfGE 103, 21 (38); StV 2022, 5, Rn. 24; StV 2003, 1; NJW 2001, 2320 (2322); LG Heilbronn, StV 2001, 8; Beck, S. 162; Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (296); Fluck, NJW 2001, 2292 (2294); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 17; Neuser, Jura 2003, 461 (464); Rieß, GA 2004, 623 (639, insb. Fn. 113, 640); dies i. R. d. Negativprognose berücksichtigend AG Bu¨ ckeburg, Beschl. v. 23. 06. 2016 – 65 Gs 305 AR 2052/16 (356/16) – Wolters Kluwer. 328 LG Heilbronn, StV 2001, 8; Beck, S. 162; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 17. 329 Beck, S. 161; Hero, S. 204; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 17; ders., in: FS Rieß, 261 (274); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 5. 330 BVerfG, NJW 2001, 2320 (2322); Beck, S. 161; Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (296); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 17; Neuser, Jura 2003, 461 (464); Rogall, in: SKStPO I, § 81g, Rn. 21, 23; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 5; zur besonderen Berücksichtigung der Beteiligungsform VerfGH Brandenburg, StV 2002, 57 (58); vgl. ferner Rackow, S. 78 zu § 213 StGB. 331 Krause, in: FS Rieß, 261 (274); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 5; vgl. auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 23.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
im Übrigen die Untauglichkeit der Differenzierung der Anlasstaten in Verbrechen und Vergehen, wie sie bis 2005 Gesetz war. Auch die Unterscheidung in Antrags- und Offizialdelikte kann fruchtbar gemacht werden332. Denn wo der Gesetzgeber die Strafverfolgung mittelbar in die Hände des Bürgers legt, kann eine Eignung zur Störung des Rechtsfriedens nicht angenommen werden. Läge eine solche vor, dürfte der Bürger nicht über ihre Beseitigung disponieren. Freilich ist dies aber kein neues Kriterium, sondern nur ein spezieller Ausdruck einer gesetzgeberischen Wertung, wann vom Vorliegen des ohnehin zu berücksichtigenden Kriteriums der Betroffenheit der Allgemeinheit ausgegangen werden kann. (3) Nicht zu berücksichtigende Faktoren Von vornherein abzulehnen ist die vom einzelnen Landgerichten333 und Teilen der Literatur334 vertretene Meinung, Straftaten von erheblicher Bedeutung i. S. d. § 81g Abs. 1 StPO könnten solche nur sein, bei denen Täter DNA-Spuren zu hinterlassen pflegten. Umgekehrt: Taten, bei deren Begehung Täter typischerweise keine Körperzellen hinterließen, sollten nicht Straftaten von erheblicher Bedeutung i. d. S. sein. Wenn überhaupt, kann diese Frage Bedeutung gewinnen, wenn es um die zu prognostizierenden Taten geht335. Denn die Anlasstat soll mittels der Maßnahme nach § 81g StPO gar nicht aufgeklärt werden336. Die Diskussion leidet v. a. darunter, dass die sich mit der Frage befassenden Publikationen oftmals nicht klar erkennen
332 Beck, S. 162; Krause, in: FS Rieß, 261 (273); Neuser, S. 121; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 23. 333 LG Berlin, NJW 2000, 752; ebenso LG Nu¨ rnberg-Fu¨ rth, StraFo 2009, 509 f. 334 Amelung/Funcke-Auffermann, StraFo 2004, 265 (272); Benfer/Bialon, Rn. 983; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 11; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1721 f.; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 2; Lengler, SVR 2008, 246 (247); Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 4; widersprüchlich insofern Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 7a. 335 Vgl. BVerfGE 103, 21 (34); VerfGH Saarbru¨ cken, Beschl. v. 18. 12. 2015 – Lv 4/15, Rn. 4a; OLG Celle, StraFo 2010, 67 (68); LG Cottbus, Beschl. v. 28. 07. 2014 – 24 Qs 33/13, Rn. 16; LG Hannover, StraFo 2013, 335 f.; LG Trier, Beschl. v. 21. 12. 2012 – 5 Qs 143/12, Rn. 11; LG Saarbrücken, NStZ 2011, 423 (424); LG Aachen, StraFo 2009, 18 f.; LG Leipzig, StraFo 2007, 464; LG Arnsberg, Beschl. v. 23. 01. 2006 – 2 Qs 1/06, Rn. 14; LG Rostock, StraFo 1999, 204 (205) m. zust. Anm. v. Marberth-Kubicki; Altendorfer, S. 171; Beck, S. 215; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 43; Endriß/Kinzig, NStZ 2001, 299 (300); Hero, S. 208; Limbeck, S. 67, 72; Stadler-Brehm, S. 55; West, S. 72; vgl. auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 8; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 8; Eisenberg, Rn. 1689c; ders., in: FS Meyer-Goßner, 293 (302 f.); Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (67); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 38; ders., in: FS Rieß, 261 (284); Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (695); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 395; Neuser, S. 117 f.; Rackow, S. 74 f., ausführlich S. 109 ff.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 46; insofern auch Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 3; Lengler, SVR 2008, 246 (247); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 7a; Vath, S. 51 ff.; expressis verbis auch dagegen Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 5. 336 Dies mit Recht betonend Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 42; Stadler-Brehm, S. 55; Vath, S. 52.
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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lassen, ob sie die Möglichkeit der Absonderung von Spuren i. R. d. Begehung der Anlasstat oder i. R. d. Begehung der prognostizierten Tat fordern337. Zwar findet sich in Gesetzgebungsmaterialien des Passus, eine „aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgende systemimmanente Begrenzung erg[ebe] sich außerdem dadurch, daß solche Delikte mangels Erforderlichkeit aussch[ied]en, bei denen der Täter nicht deliktstypisch im Zusammenhang mit einer künftigen Tat ,Identifizierungsmaterial‘ am Tatort hinterlassen“ werde338. Aufschluss darüber, ob diese systemimmanente Grenze i. R. d. Erheblichkeit der Anlasstat gezogen werden muss, oder doch an dogmatisch passenderer Stelle berücksichtigt werden kann, geben die Gesetzgebungsmaterialien indes nicht. Auch wenn auf den Zusammenhang mit der künftigen Tat abgestellt wird, heißt das schließlich nicht, dass man von der Anlasstat nicht auf die künftige schließen könnte. Aus systematischer Sicht ergibt sich die Unbeachtlichkeit der Absonderung von Material bei der Ausführung der Anlasstat bereits aus der Existenz der Abs. 1 und Abs. 5 S. 2 des § 81g StPO. Müssten Körperzellen bei Durchführung der Anlasstat abgesondert worden sein, bedürfte es keiner originären Zellentnahme nach Abs. 1. Vielmehr könnte direkt das im Anlassverfahren gewonnene DNA-Identifikationsmuster nach Abs. 5 S. 2 gespeichert werden. Außerdem führt in dieser Konstellation die unpräzise Formulierung des Gesetzgebers, nach der die Straftat dann erheblich sei, wenn sie „mindestens dem mittleren Kriminalitätsbereich zuzuordnen [sei], den Rechtsfrieden empfindlich [störe] und geeignet [sei], das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen“, tatsächlich weiter. All diese normativen Erwägungen sind gänzlich unabhängig von der Absonderung von DNA339. Niemand würde der Tat eines Mörders, der das Opfer mit seinem Auto mit Höchstgeschwindigkeit zu Tode fährt, die Erheblichkeit mit der Begründung absprechen, dass derartige Taten typischerweise vonstatten gehen, ohne dass der Täter DNA-Spuren hinterlässt (auf die im Fall vorhandenen Spuren des Opfers am Auto des Täters kann es erst recht nicht ankommen)340. Das bedeutet aber wie erwähnt nicht, dass die Möglichkeit der Absonderung von DNA völlig belanglos ist. Es handelt sich dabei um ein Problem, das aus dogmatischen Gründen an anderer Stelle festzumachen ist341. 337 Vgl. OLG Köln, NStZ-RR 2005, 56 (57); OLG Jena, NJW 1999, 3571; LG Würzburg, StraFo 2010, 22 (22 f.); LG Hamburg, StV 2008, 571 (573) m. Anm. v. Bosch; LG Traunstein, StV 2007, 521 (522); LG Berlin, StraFo 2004, 320; LG Freiburg, NJW 2001, 3720 (3721); LG Freiburg, NStZ 2000, 165; LG Koblenz, StV 1999, 141; widersprüchlich gar OLG Köln, StV 2004, 640 f., das zunächst betont, es komme auf die prognostizierte Tat an, um dann Ausführung zu machen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der Spurenhinterlassen bei der Anlasstat; ähnlich unklar Fluck, Kriminalistik 2000, 479. 338 BT-Drucks. 13/10791, S. 5. 339 Neuser, S. 117. 340 Für ein anderes Beispiel Rackow, S. 75. 341 S. u. Kap. 6 § 5 IV. 1.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
So verhält es sich auch, wenn argumentiert wird, die wiederholte oder serienmäßige Begehung einer Tat könne die Erheblichkeit i. S. d. § 81g Abs. 1 S. 1 StPO begründen342. Fälle, in denen das durch die Tat verwirklichte Unrecht in qualitativer Hinsicht nicht, in quantitativer Hinsicht die Erheblichkeitsschwelle dagegen schon erreicht, regelt § 81g Abs. 1 S. 2 StPO, nicht S. 1343. Zu unterscheiden hiervon sind indessen Fälle, in denen der jeweilige Straftatbestand an eine Wiederholungsabsicht anknüpft, wie dies etwa beim Merkmal der Gewerbsmäßigkeit (§§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, 260 Abs. 1, 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB) der Fall ist, oder wenn ausnahmsweise eine gewisse Wiederholung Tatbestandsmerkmal ist (vgl. etwa § 266a Abs. 4 S. 2 Nr. 2 ff. StGB). Die typischerweise damit einhergehende Einordnung eines Deliktes als besonders schwerer Fall vermag die Erheblichkeit zu begründen344. Dass dies zumindest möglich ist, zeigt ein Blick auf § 81g Abs. 1 StPO a. F., der § 243 StGB noch als Regelbeispiel kannte. Gänzlich zurückzuweisen ist das Argument, Massendelikte müssten ausscheiden345. Auch Massendelikte können den Rechtsfrieden erheblich beeinträchtigen, u. U. gerade weil sie massenhaft begangen werden. Zwar stimmt es, dass „Massendelikte“ wie § 316 StGB häufig solche sind, denen man abstrakt schwerlich Erheblichkeit wird attestieren können. Es wäre aber grotesk, wenn etwa Einbruchsdiebstähle deshalb nicht mehr unter § 81g StPO fallen sollen, weil ihre Anzahl zunimmt. c) Gleichstellungsklausel, § 81g Abs. 1 S. 2 StPO Wie bereits gesagt, muss das für die Anordnung erforderliche Tatunrecht nicht zwingend in qualitativer Hinsicht erheblich sein. § 81g Abs. 1 S. 2 StPO, der durch das Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse vom 12. 08. 2005 in die Vorschrift eingefügt wurde346, regelt Fälle, in denen zwar die konkrete Anlasstat nicht
342 So Hasselbach, S. 97; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 10; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 5; wohl auch Eisenberg, Rn. 1689a, Fn. 228; für Eigentumsdelikte Kube/ Schmitter, Kriminalistik 1998, 415 (417); Neuser, S. 124; ders., Jura 2003, 461 (463); Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 23; West, S. 64; zu Serieneinbrüchen als ursprüngliches Einsatzfeld von DNA-Datenbanken Wenzel, Kriminalistik 1998, 419; mit der Anzahl der Taten die Erheblichkeit begründend OLG Celle, StraFo 2010, 67 (68); LG Freiburg, NJW 2001, 3720 (3721); zu Recht a. A., wenngleich ohne Begründung Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (66), mit Begründung zum alten Recht Krause, in: FS Rieß, 261 (274). 343 Zutreffend nur Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 21. 344 LG Bremen, StV 2017, 511; Beck, S. 166; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 21; Rieß, GA 2004, 623 (639); insofern auch Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (66); Neuser, S. 124; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 23; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 10. 345 So aber wohl Lengler, SVR 2008, 246 (249). 346 BGBl. I, S. 2360.
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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die Erheblichkeitsschwelle überschreitet; jedoch aber das quantitative Unrecht347 der Taten des Betroffenen. Es geht um nichts anderes als die Summe des Unrechts der vom Betroffenen begangenen Taten inklusive der Anlasstat. Laut dem Gesetzgeber handelte sich bei der Implementierung des § 81g Abs. 1 S. 2 StPO nur um eine Klarstellung, was widersprüchlich erscheint, wenn ebendieser gleichzeitig von einer weiteren Entscheidungsbefugnis des Gerichtes spricht348. Unabhängig von der Frage, ob § 81g Abs. 1 S. 2 StPO den Anwendungsbereich des § 81g StPO erweitert hat oder nicht, ist er freilich Gesetz. Die Vorschrift soll nach dem Gesetzgeber zwar Fälle erfassen, die für sich genommen nicht erhebliche Straftaten sind – seine Beispiele sind Fälle wiederholten Hausfriedenbruches oder Stalkings. Gleichwohl soll die wiederholte Begehung von Bagatelldelikten – etwa des „Schwarzfahrens“ – nicht ausreichen349. Abgrenzungskriterien nennt der Gesetzgeber keine, sodass sich die Frage nach dem tatsächlichen Anwendungsbereich der Norm stellt. Da nur Bagatelldelikte – wie auch immer man den Begriff nun realiter zu begreifen vermag350 – von vornherein aus dem Kreis der Straftaten von erheblicher Bedeutung ausscheiden, und die wiederholte Begehung von Bagatellen auch dem § 81g Abs. 1 S. 2 StPO nicht subsumiert werden soll, kann es nur um Delikte gehen, die abstrakt zwar erhebliche sein könnten, es im konkreten Einzelfall aber nicht sind. Ein „Automatismus“ solle nicht stattfinden351. Das führt dazu, dass nun nicht bei einer, sondern bei mehreren Straftaten gefragt werden muss, ob sie summa summarum „mindestens dem mittleren Kriminalitätsbereich zuzuordnen [sind], den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet
347
Krit. zu diesem Begriff Beck, S. 179 ff.; Jasch, in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.), Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, 571 (573 ff.). 348 BT-Drucks. 15/5674, S. 9, 11. 349 BT-Drucks. 15/5674, S. 11; ebenso LG Bremen, StV 2011, 403 (404); LG Würzburg, StraFo 2010, 22; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 7; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 7; Eisenberg, Rn. 1689; Fröba, StraFo 2010, 483 (485); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 24; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 7; West, S. 66; wohl auch Pommer, JA 2007, 621 (625), die jedoch auch mittlere Kriminalität ausschließen will, obschon mittlere Kriminalität nach der allgemeinen Definition bereits von der Alternative der Straftat erheblicher Bedeutung erfasst sein soll; ebenso Hero, S. 206 f.; vgl. für den Ausschluss von Exhibitionismus i. R. d. Negativprognose trotz mehrfacher Begehung LG Du¨ sseldorf, Beschl. v. 16. 10. 2015 – 7 Ns 35/15, 007 Ns 35/14, Rn. 5, Rn. 6; a. A. aber Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1723; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 7; Hasselbach, S. 106; Hawickhorst, S. 226 f.; Jasch, in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.), Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, 571 (573); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 391; Senge, NJW 2005, 3028 (3031); wohl auch Beck, S. 177; Benfer/Bialon, Rn. 978; Fritz, S. 39 f. 350 Zur Kritik schon Kap. 6 § 5 I. 1. a). 351 BT-Drucks. 15/5674, S. 11; BVerfG, NStZ-RR 2007, 378; LG Du¨ sseldorf, Beschl. v. 16. 10. 2015 – 7 Ns 35/15, 007 Ns 35/14, Rn. 5; ebenso Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 24.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
[sind], das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen“352. Verfassungsrechtliche Bedenken353 haben sich nicht durchgesetzt354. Damit bleibt es – wie schon bei § 81g Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StPO – bei einer Einzelfallprüfung, die dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen355 und ebenso die oben dargestellten Kriterien miteinbeziehen muss – freilich hier auch das oben noch ausgeschlossene quantitative Unrecht. Erwähnenswert ist, dass die Straftaten, deren Unrechtsgehalt addiert wird, nicht notwendigermaßen gleichartig sind müssen; auch die Summe des Unrechts verschieden gearteter Straftaten reicht aus356. Diese müssen nicht rechtskräftig abgeurteilt sein; einfacher Tatverdacht reicht auch insofern aus357. Abzulehnen ist aber, soweit behauptet wird, die wiederholte Begehung müsse noch gar nicht erfolgt sein; es würde ausreichen, dass der Verdacht bestehe, sie könnte begangen werden358. Dies ergibt sich weder aus den Materialien zu § 81g Abs. 1 S. 2 StPO; noch würde ein
352 BVerfG, StV 2009, 1 (2 a. E.); NStZ-RR 2007, 378; Stadler-Brehm, S. 54; zur Definition erneut BT-Drucks. 13/10791, S. 5; s. in anderem Kontext auch BT-Drucks. 16/5846, S. 40. 353 Zu diesen Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (166); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 7; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (66); Jasch, Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.), in: Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, 571 (581 f.); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 24; Lee, S. 115 ff.; Lengler, SVR 2008, 246 (248); Senge, NJW 2005, 3028 (3031). 354 BVerfG, StV 2009, 1 (1 f.); NStZ-RR 2007, 378; Hasselbach, S. 108; Hero, S. 207; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 26; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 7; heute gleichwohl noch erhoben von Beck, S. 179, 182. 355 BT-Drucks. 15/5674, S. 11; BVerfG, NStZ-RR 2007, 378; Beck, S. 177; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 7; Hero, S. 206; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 24; Lengler, SVR 2008, 246 (247); Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 26; ders., in: FS F.-C. Schroeder, 691 (703); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 7; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 19; West, S. 66. 356 BT-Druck. 15/5674, S. 11; LG Bremen, StV 2011, 403 (404); Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 7; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 7; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 5; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1723; Fröba, StraFo 2010, 483 (485); Hero, S. 206; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 24; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 391; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 4; Pommer, JA 2007, 621 (625); Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 27; Senge, NJW 2005, 3028 (3030 f.); Stadler-Brehm, S. 54; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 19. 357 BT-Drucks. 15/5674, S. 11 f.; Beck, S. 175; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 7; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 7; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 5; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1723; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 5; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 7; Hero, S. 206; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 24; Lengler, SVR 2008, 246 (248); Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 4; Pommer, JA 2007, 621 (625); Rogall, in: SKStPO I, § 81g, Rn. 27; ders., in: FS F.-C. Schroeder, 691 (703); Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 7c; Senge, NJW 2005, 3028 (3031); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 7. 358 Lengler, SVR 2008, 246 (248).
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solches Verständnis der Systematik des § 81g StPO gerecht. Künftige Tatbegehungen spielen eine Rolle bei der Negativprognose, nicht bei der Anlasstat. 2. Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung a) Eigenständige Kategorie von Anlasstaten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die heute neben qualitativ oder quantitativ erheblichen Straftaten die zweite Gruppe der Anlasstaten einnehmen, hatten die herausgehobene Stellung, die sie heute inne haben, nicht seit jeher. Die ursprüngliche Fassung hatte verlangt, dass der Betroffene „einer Straftat von erheblicher Bedeutung, insbesondere eines Verbrechens, eines Vergehens gegen die sexuelle Selbstbestimmung (…) verdächtig“ sein müsse359. Hieraus waren zwei Schlussfolgerungen zu ziehen: Soweit es um Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung (z. B. § 177 Abs. 5, § 178 StGB) ging, waren diese bereits unabhängig ihrer Rechtsgutsbeeinträchtigung von der ersten Variante der Straftat von erheblicher Bedeutung grundsätzlich erfasst. Handelte es sich um Vergehen (etwa § 177 Abs. 1 StGB) war die zweite Variante einschlägig. Ein Unterschied im Hinblick auf § 81g StPO bestand damals schon nicht, weil bei Verbrechenstatbeständen ebenso wie bei Vergehen die Erheblichkeit im Einzelfall zu prüfen war360. In jedem Fall musste es aber bei der Straftat, auch wenn sie gegen die sexuelle Selbstbestimmung gerichtet war, um eine erhebliche handeln. Abgelehnt wurde dies bspw. bei § 183a StGB und § 184a StGB361, der damals noch die Ausübung verbotener Prostitution regelte; auch bei § 183 StGB ging man hiervon nicht aus362. Die Gesetzesnovellierung durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. 12. 2003363 verzichtete dagegen auf der Erfordernis der Erheblichkeit bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung – jedenfalls soweit es um die Anlasstat geht364. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind mithin kein Unterfall der Straftat von erheblicher Bedeutung mehr, sondern gleichwertige Alternative neben dieser365. Sie müssen nicht mehr erheblich sein366. 359 360 361 362 363 364 365
S. schon oben Kap. 6 § 5 I. 1. b) bb) (1). So schon Kap. 56 § 5 I. 1. b) dd) (1). BT-Drucks. 13/10791, S. 5. BT-Drucks. 15/350, S. 11; insgesamt vgl. Malek/Wohlers, Rn. 318 a. E. Vgl. dort Art. 3, BGBl. I, S. 3007 (3010). Anders bei der Negativprognose, dazu sogleich dazu unten Kap. 6 § 5 III. 1. Expressis verbis West, S. 65.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Das bedeutet freilich nicht, dass Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung eo ipso nicht erheblich sind. Gerade bei schwerwiegenden Verbrechen, etwa § 178 StGB, wird hieran kein Zweifel bestehen367. Relevant wird die zweite Alternative mithin erst, wenn es um Taten geht, die weder in qualitativer noch mangels mehrfacher Begehung quantitativer Hinsicht die Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Die Charakterisierung als „Auffangtatbestand“ ist deshalb nicht unrichtig368. Rein tatsächlich wird – wiederum nur i. R. d. Anlasstat – umkehrt verfahren werden und das Vorliegen einer Anlasstat unabhängig von der Erheblichkeit bei Sexualdelikten bejaht werden369. b) Rechtsgutsbezogenes oder abschnittsbezogenes Verständnis Ähnlich wie bei § 81h StPO370 stellt sich die Frage, ob der Terminus der Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung rechtsgutsbezogen oder abschnittsbezogen i. S. d. 13. Abschnitts des StGB zu verstehen ist.
366
BT-Drucks. 15/350, S. 11, 23; Amelung/Funcke-Auffermann, StraFo 2004, 265 (272); Beck, S. 172; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 6; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 6; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 12; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 41; Eisenberg, Rn. 1689; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 4; Hasselbach, S. 100; Hero, S. 204; Lengler, SVR 2008, 246 (247); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 23; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 389; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 4; Neuser, S. 125; Pommer, JA 2007, 621 (624); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 7b; Stadler-Brehm, S. 55; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 6; West, S. 65; vgl. Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 6; Limbeck, S. 67 f.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 25; anerkennend, aber krit. Duttge/ Ho¨ rnle/Renzikowski, NJW 2004, 1065 (1070, 1071 f.); Schewe, JR 2006, 181 (186); vgl. LG Arnsberg, Beschl. v. 23. 01. 2006 – 2 Qs 1/06, Rn. 15; implizit zu § 183 StGB auch LG Bremen, StraFo 2007, 58; unklar bei Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 14. 367 Vgl. BT-Drucks. 15/350, S. 23; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 23; Stadler-Brehm, S. 55; unrichtig dagegen Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 4, der Verbrechenstatbestände von den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ausnehmen möchte, weil diese bereits von der ersten Alternative, der Straftat von erheblicher Bedeutung, erfasst seien. Dies ist erstens mit dem Wortlaut nicht in Einklang zu bringen, denn freilich sind Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung auch Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, und zweitens wird verkannt, dass Verbrechen nicht ipso jure Straftaten von erheblicher Bedeutung sind. Zuzugeben ist aber, dass im Bereich des Sexualstrafrechts es nur schwer gelingen kann, der Erfüllung eines Verbrechenstatbestandes die Erheblichkeit abzusprechen. Ähnlich aber Beck, S. 172; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 6; Hasselbach, S. 100; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 14. 368 Vgl. Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 6; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 6; Hasselbach, S. 100; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 23; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 25; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 14; dagegen Beck, S. 172; West, S. 65. 369 Beck, S. 172; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 25, zutreffend exemplarisch verweisend auf AG Bremen, NStZ 2008, 346; ebenso Hasselbach, S. 101, Fn. 368; so verfahrend auch West, S. 65 f. 370 Dazu oben Kap. 5 § 4 I. 1. b).
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aa) Keine Einbeziehung von Straftaten außerhalb des 13. Abschnittes des StGB Die Frage ist zugegebenermaßen nicht in gleichem Maße virulent. Denn Straftaten, die gegen das Rechtsgut „sexuelle Selbstbestimmung“ gerichtet sind, sind außerhalb des 13. Abschnittes selten geregelt371. Fälle der sog. „Nekrophilie“, d. h. des Vornehmens sexueller oder sexualisierter Handlungen an Toten, die man dem § 168 StGB subsumiert372, verletzen zwar das postmortale Persönlichkeitsrecht, aber begrifflich schon nicht die sexuelle Selbstbestimmung, weil Tote nicht weder selbstbestimmt noch überhaupt handeln können. Ergänzend kann auf die Ausführungen zur Wirkung des Todes des Betroffenen im Hinblick auf die Speicherung verwiesen werden373. Soweit das Opfer zuvor vom Täter getötet wird, um die Leiche als Lustobjekt zu missbrauchen, ist § 211 StGB einschlägig374 ; des Rückgriffes auf den Auffangtatbestand der Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung bedarf es dann nicht, weil Mord – jedenfalls in dieser Form – bereits eine Straftat von erheblicher Bedeutung darstellt. Selbst wenn man dem § 173 StGB attestieren möchte, überhaupt irgendein Rechtsgut zu schützen375 – sittliche Empfindungen, die man teilen oder ablehnen mag, sind kein solches376 –; die sexuelle Selbstbestimmung ist es nicht377. Jene wird von § 173 StGB wenn überhaupt eingeschränkt, weil die Norm auch den einvernehmlichen Geschlechtsverkehr erfasst378. 371
Aber doch vorhanden, vgl. Sick/Renzikowski, in: FS F.-C. Schroeder, 603 (607). AG Solingen, MDR 1968, 65 f.; Fischer, StGB, § 168, Rn. 17; Kesel, S. 102; H. Schmitz, S. 102; Stübinger, in: NK-StGB, § 168, Rn. 12; diff. Bosch/Schlittenhelm, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 168, Rn. 10; Hörnle, in: MüKo-StGB III, § 168, Rn. 23; B. Kretschmer, S. 322 ff. 373 Oben Kap. 6 § 4 II. 4. a) aa) (3) (b). 374 BGHSt 7, 353 (354); 19, 101 (105); NJW 1982, 2565; StV 1982, 14 (15); BGH bei Holtz, MDR 1982, 100 (102); BGH, Urt. v. 17. 11. 1959 – 5 StR 458/59, Rn. 10 – Wolters Kluwer; OGHSt 2, 337 (339); Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 211, Rn. 16; Fischer, StGB, § 211, Rn. 9; Neumann/Saliger, NK-StGB, § 211, Rn. 11; Schneider, in: MüKoStGB IV, § 211, Rn. 55; ausführlich B. Kretschmer, S. 386 ff. 375 Überblick zu den vertretenen Meinungen bei Ritscher, in: MüKo-StGB III, § 173, Rn. 2 ff. m. w. N. 376 Al-Zand/Siebenhüner, KritV 89 [2006], 68 (79); krit. auch Bosch/Schlittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, § 173, Rn. 1; Dippel, NStZ 1994, 181 (183), Ellbogen, ZRP 2006, 190 (192); Fischer, StGB, § 173, Rn. 7; Jung, in: FS Leferenz, 311 (320 f.); Ritscher, in: MüKoStGB III, § 173, Rn. 7; Zabel, JR 2008, 453 (456); diff. Stratenwerth, in: FS Hinderling, 301 (303 ff.). 377 Al-Zand/Siebenhüner, KritV 89 [2006], 68 (73 f.); Bosch/Schlittenhelm, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 173, Rn. 1; Ellbogen, ZRP 2006, 190 (191); Fischer, StGB, § 173, Rn. 3a; Ritscher, in: MüKo-StGB III, § 173, Rn. 2, 4; Zabel, JR 2008, 453 (455); für mittelbaren Schutz aber Frommel, in: NK-StGB, § 173, Rn. 1; a. A. offenbar BVerfGE 120, 224 (245 ff.). 378 Al-Zand/Siebenhüner, KritV 89 [2006], 68 (74); Zabel, JR 2008, 453 (455); dies anerkennend auch BVerfGE 120, 224 (239 ff.); zur Unbeachtlichkeit der Einvernehmlichkeit 372
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Auch wenn mit einer Zwangsverheiratung de facto die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung oft einhergeht379 ; ein Akt gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist nicht Tatbestandsvoraussetzung. Die sexuelle Selbstbestimmung wird von § 237 StGB mithin nicht geschützt380. Anders ist die Situation bei der Zwangsprostitution zu beurteilen, § 232a StGB. Geschütztes Rechtsgut ist hier nach h. M. die sexuelle Selbstbestimmung381. Die Frage, ob § 232a StGB dem Begriff der Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu subsumieren ist, wird sich in praxi kaum stellen. De facto überschneidet sich der Tatbestand des § 232a StGB mit vielen Sexualdelikten, die im 13. Abschnitt des StGB geregelt sind382. Soweit diese tateinheitlich verwirklicht sind, kann auf sie rekurriert werden. Für die seltenen Fälle, dass tatsächlich nur § 232a StGB verwirklicht sein sollte, wird sich die Frage deshalb nicht stellen, weil kaum Fälle denkbar sind, in denen § 232a StGB nicht eine Straftat von erheblicher Bedeutung sein wird. bb) Enges oder weites Begriffsverständnis Eher stellt sich die Frage, ob alle Straftatbestände des 13. Abschnittes erfasst sein sollen oder ob einzelne von dem Kreis der Anlasstaten auszunehmen sind. Wenn alle erfasst wären, hätte der Gesetzgeber in § 81g StPO ein Blankettgesetz geschaffen. Novellierungen des 13. Abschnittes des StGB, die je nach gesellschaftlicher Stimmungslage nicht selten sind383, würden damit zwar nicht eo ipso zu einer Ausweitung des Anwendungsbereiches der Speicherung von DNA-Identifikationsmuster führen, weil immerhin die Negativprognose noch gestellt werden muss; mit einer vermehrten Anordnung der Maßnahme wäre gleichwohl zu rechnen, weil über die erste Voraussetzung der qualifizierten Anlasstat wesentlich leichter hinweggekommen würde384. Fischer, StGB, § 173, Rn. 3a; Ritscher, in: MüKo-StGB III, § 173, Rn. 10; für Einvernehmlichkeit als Tatbestandsvoraussetzung Frommel, in: NK-StGB, § 173, Rn. 15; vgl. auch Jung, in: FS Leferenz, 311 (321). 379 Vgl. Eisele/Majer, NStZ 2011, 546 (547); Wieck-Noodt, in: MüKo-StGB IV, § 237, Rn. 11. 380 Letzgus, in: FS Puppe, 1231 (1237); Wieck-Noodt, in: MüKo-StGB IV, § 237, Rn. 11; für mittelbaren Schutz Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 237, Rn. 4; ders./Majer, NStZ 2011, 546 (547). 381 BT-Drucks. 18/9095, S. 32; Renzikowski, in: MüKo-StGB IV, § 232a, Rn. 1; für allenfalls „verlängerte[n] Schutz der sexuellen Selbstbestimmung“ Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 232a, Rn. 1; a. A. Frommel, in: NK-StGB, § 180a, Rn. 5. 382 Vgl. Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 232a, Rn. 50; Fischer, StGB, § 232a, Rn. 40; Renzikowski, in: MüKo-StGB IV, § 232a, Rn. 64. 383 Zur jüngeren Entwicklung des Sexualstrafrechts vgl. Renzikowski, in: MüKo-StGB III, Vorb. § 174, Rn. 80 ff. 384 So auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 25.
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(1) Vorgefundene Ansätze Teilweise wird abgelehnt, dass alle Delikte des 13. Abschnittes des StGB Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung seien. Etwa §§ 183 f., 184a, 184c ff. StGB schützten gar nicht das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung385. Soweit Lengler allerdings damit argumentiert, die Straftat von erheblicher Bedeutung sei ein Oberbegriff auch für Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung386, muss dies von vorherein abgelehnt werden. Er verkennt damit die Novelle Ende 2003. Mit diesem Argument kann eine einschränkende Interpretation nicht begründet werden. Andere Stimmen des einschränkenden Lagers wollen die §§ 184i und 184h StGB aus dem Kreis der Anlasstaten ausschließen, weil jene „noch unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des § 184h StGB angesiedelt“ seien387. Die Gegenauffassung388 begründet die Erfassung aller entsprechenden Delikte damit, dass es nach dem Willen des Gesetzgebers auf eine Erheblichkeit gar nicht ankommen soll389. Eine Einschränkung in dem vorgenannten Sinne sei mit dem Wortlaut nicht in Einklang zu bringen390. Vielmehr liege die Situation so, dass es dem Gesetzgeber gerade darauf angekommen sei, alle Straftaten des 13. Abschnittes des StGB zu erfassen391. In den Beratungen sei thematisiert worden, dass Verhältnismäßigkeitserwägungen zu Zweifeln anregen, ob etwa die §§ 184a und 184b StGB taugliche Anlasstaten sein könnten. Bewusst und desungeachtet habe der Gesetzgeber diese Bedenken nicht in der Endfassung berücksichtigt. Die Rechtsanwendung sei hieran gebunden392. (2) Stellungnahme Ausgangspunkt einer näheren Betrachtung der Frage, ob alle im 13. Abschnitt des StGB geregelten Straftaten dem § 81g Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StPO unterfallen, soll die 385
Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 6. Lengler, SVR 2008, 246 (248). 387 Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 6; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 6. 388 Ohne Begründung hierfür Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 6; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 4; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 25; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 7b; zumindest nach alter Rechtslage auch LG Darmstadt, Beschl. v. 28. 03. 2011 – 3 Qs 152/11, Rn. 4; LG Traunstein, StV 2007, 521 (522), AG Bremen, NStZ 2008, 346; Fröba, StraFo 2010, 483 (484 f.); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 4; Hasselbach, S. 100; Pommer, JA 2007, 621 (624); Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 14; West, S. 65. 389 Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1288); Neuser, S. 125; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 6; wenngleich krit. zur Begründung ebenso Duttge/Ho¨ rnle/Renzikowski, NJW 2004, 1065 (1070 f.); vgl. ferner Amelung/Funcke-Auffermann, StraFo 2004, 265 (272); Beck, S. 172 f. 390 Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 6, Fn. 46. 391 LG Arnsberg, Beschl. v. 23. 01. 2006 – 2 Qs 1/06, Rn. 14 f.; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 23, Fn. 130. 392 LG Arnsberg, Beschl. v. 23. 01. 2006 – 2 Qs 1/06, Rn. 15 unter Bezugnahme auf BTDrucks. 15/1311, S. 25. 386
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Feststellung sein, dass der Wortlaut die Beantwortung keineswegs vorwegnimmt. Er sieht zwar keine Beschränkung auf einzelne Straftatbestände vor, steht jedoch einer einschränkenden Interpretation, etwa im Wege teleologischer Auslegung, nicht entgegen. Einer solchen bedürfte es nicht einmal, wenn man mit Hadamitzky ein rechtsgutsbezogenes Verständnis annimmt und manchen Delikten des 13. Abschnittes den Schutz des Rechtsgutes „Sexuelle Selbstbestimmung“ abspricht. Man mag trefflich darüber streiten, ob §§ 183393, 183a394, 184i395, 184j396 und seit Anfang 2021 auch 184k StGB397 dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung dienen. Gerade im Pornographiestrafrecht (§§ 184398, 184a399, jedenfalls soweit es nicht
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Dafür jedenfalls auch Bottke, in: FS Szwarc, 297 (300); Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 183, Rn 1; Fischer, GA 1989, 445 (458); Hörnle, in: MüKo-StGB III, § 183, Rn. 2; Laubenthal, Rn. 719; Sick/Renzikowski, in: FS F.-C. Schroeder, 603 (613); ähnlich Fischer, StGB, § 183, Rn. 2; vgl. BGH bei Dallinger, MDR 1974, 544 (546); a. A. Benz, S. 51: Schamund Anstandsgefühl der Allgemeinheit. 394 Dafür Bottke, in: FS Szwarc, 297 (312); Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 183a, Rn. 1; Fischer, GA 1989, 445 (458); ferner Laubenthal, Rn. 744; vgl. auch bereits BT-Drucks. 6/3521, S. 56 f.: „Anspruch auf Achtung seiner Anschauungen“; daran anknüpfend auch Horstkotte, JZ 1974, 84 (90); Esser, JA 2016, 561 (562): Recht der Privatsphäre; tendenziell dagegen Hörnle, in: MüKo-StGB III, § 183a, Rn. 1; Sick/Renzikowski, in: FS F.-C. Schroeder, 603 (613); für den Schutz des Scham- und Sittlichkeitsgefühls der Allgemeinheit noch BGHSt 4, 303 (304); 11, 282 (284); RGSt 73, 90 (92) jeweils noch zu § 183 StGB a. F., der dem heutigen § 183a StGB in etwa entspricht; Benz, S. 51; krit. insgesamt Fischer, StGB, § 183a, Rn. 2a. 395 Dafür BT-Drucks. 18/9097, S. 30; Bezjak, KJ 49 [2016], 557 (567); Eisele, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 184i, Rn. 1; Frommel, in: NK-StGB, § 184i, Rn. 2; Renzikowski, in: MüKoStGB III, § 184i, Rn. 1; ders., NJW 2016, 3553 (3557); vgl. auch Fischer, StGB, § 184i, Rn. 2 a. E. 396 Für den Schutz der sexueller Selbstbestimmung Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 184j, Rn. 1; gegen jeden Rechtsgutschutz, sondern für bloße Beweiserleichterung Frommel, in: NK-StGB, § 184j, Rn. 2; für letzteres auch Renzikowski, in: MüKo-StGB III, § 184j, Rn. 1. 397 Für den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung BT-Drucks. 19/20668, S. 15; Ziegler, in: BeckOK-StGB, § 184k, Rn. 2; krit. dazu mit Recht Renzikowski, in: MüKo-StGB III, § 184k, Rn. 1 ff. De lege ferenda eher für eine systematische Einordnung im 15. Abschnitt des StGB (Verletzung des persönlichen Lebens-und Geheimbereichs) Fischer, StGB, § 184k, Rn. 2. 398 Vgl. Hörnle, in: MüKo-StGB III, § 184, Rn. 2 ff., der die geschützten Rechtsgüter größtenteils im Jugendschutz sieht, hinsichtlich § 184 Abs. 1 Nr. 9 StGB außenpolitische Interessen der Bundesrepublik annimmt (Rn. 9) und die sexuelle Selbstbestimmung als Schutzzweck nur für Nr. 6 insofern annimmt, als es um die ungewollte Konfrontation mit Pornographie geht (Rn. 8); ähnlich Deblitz, S. 30 ff.; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 184, Rn. 5; Fischer, StGB, § 184, Rn. 2 f.; Frommel, in: NK-StGB, § 184e, Rn. 7, Greco, RW 2011, 275 (286 ff.); Köhne, JR 2012, 325 ff.; Ostendorf, MSchrKrim 84 [2001], 372 (381) jeweils m. w. N. zu den unterschiedlichen Schutzgütern. 399 Für Jugendschutz und die Verhinderung von Nachahmung Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 184a, Rn. 1; Fischer, StGB, § 184a, Rn. 2; Hörnle, in: MüKo-StGB III, § 184a, Rn. 1; Laubenthal, Rn. 1054; Schreibauer, S. 80; Sick/Renzikowski, in: FS F.-C. Schroeder, 603 (615); krit. Schroeder, NJW 1993, 2581 (2583); für den Persönlichkeitsschutz des Opfers Greco, RW 2011, 275 (296).
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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um tierpornographische Inhalte geht400, 184b401, 184c402, 184e StGB403) wird dies eher verneint denn bejaht. Dasselbe gilt für die Prostitutionsdelikte der §§ 184f404,
400 In dieser Alternative für Tierschutz als Rechtsgut Hörnle, in: MüKo-StGB III, § 184a, Rn. 2; hier gegen den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung Sick/Renzikowski, in: FS F.-C. Schroeder, 603 (616); gegen ein Verbot in diesem Bereich Schroeder, NJW 1993, 2581 (2583); ders., Pornographie, Jugendschutz und Kunstfreiheit, S. 29; für bloßen Moralschutz Beisel, S. 332 ff.; ders., ZUM 1996, 859 (861); Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 184a, Rn. 1a; K. Fischer, S. 156; Fischer, StGB, § 184a, Rn. 2, 8; Greco, RW 2011, 275 (297 f.); Kliemannel, S. 183; Lang, S. 231; Laubenthal, Rn. 1055; Ostendorf, MSchrKrim 84 [2001], 372 (385); Schreibauer, S. 151 f. jeweils mit der Begründung, die Vornahme sexueller Handlungen an Tieren durch Menschen sei ein nicht strafbewährtes Verhalten in der Bundesrepublik Deutschland. 401 Nach h. M. bezweckt die Norm zuvorderst den Schutz der Kinder, die in entsprechenden Pornographika als Darsteller missbraucht werden. Vgl. dazu BGHSt 45, 41 (43); 47, 55 (61); OLG Koblenz, NJW 1979, 1467 (1468); VGH Mannheim, NJW 2008, 3082 (3084); LG Stuttgart, NStZ 2003, 36; Baier, ZUM 2004, 39 (40); Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 184b, Rn. 2; ders., RdJB 2013, 212 (219); Fischer, StGB, § 184b, Rn. 2; K. Fischer, S. 159; Greco, RW 2011, 275 (299); Harms, NStZ 2003, 646; Hörnle, in: MüKo-StGB III, § 184b, Rn. 1; Laubenthal, Rn. 1062; Reinbacher/Wincierz, ZRP 2007, 195; Schroeder, NJW 1993, 2581; ders., ZRP 1990, 299 (ebd.; 299 ff. aber diff.); Sick/Renzikowski, in: FS F.-C. Schroeder, 603 (615); vgl. auch BT-Drucks. 12/4883, S. 6; ähnlich Weigend, ZUM 1994, 133 (140); a. A. aber Deblitz, S. 34: Schutz der Konsumenten. Soweit Szenen von realem Missbrauch dargestellt werden, sind die Kinder freilich in ihrem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung betroffen, da Kinder typischerweise in dem entsprechenden Alter nicht selbstbestimmt hinsichtlich ihrer Sexualität handeln können. Da allerdings auch nur fiktionale Darstellungen tatbestandsmäßig sind, versagt die Anknüpfung hier, vgl. Eckstein, Besitz als Straftat, S. 68; Hörnle, a. a. O., Rn. 5., Laubenthal, a. a. O., Rn. 1068; Greco, RW 2011, 275 (299); dazu auch Böse, in: FS F.-C. Schroeder, 751 (754). Als alleiniges Rechtsgut taugt der Schutz sexueller Selbstbestimmung mithin nicht. Zu den anderen Schutzzwecken, insb. der Verhinderung von Nachahmung s. Hörnle, in: MüKo-StGB III, § 184b, Rn. 3 ff. m. w. N. 402 Parallel zu § 184b StGB für den Schutz der jugendlichen Darsteller BT-Drucks. 16/9646, S. 18; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 184c, Rn. 2; ders., RdJB 2013, 212 (218); Laubenthal, Rn. 1070; gegen eine Parallele, aber gleichwohl für Darstellerschutz Hörnle, in: MüKo-StGB III, § 184c, Rn. 4 f., krit. Baier, ZUM 2004, 39 (45); Böse, in: FS F.-C. Schroeder, 751 (757 f.); Greco, RW 2011, 275 (300 f.); Reinbacher/Wincierz, ZRP 2007, 195 (196); Wüstenberg, UFITA 2009, 497 (512 f.). 403 Für dieselben Schutzgüter wie §§ 184b, 184c StGB Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 184e, Rn. 1; Hörnle, in: MüKo-StGB III, § 184e, Rn. 3. 404 Gegen den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung zu § 184d StGB a. F., der dem heutigen § 184f StGB entspricht Sick/Renzikowski, in: FS F.-C. Schroeder, 603 (613); für den bloßen Schutz der Allgemeinheit vor mit der Prostitution verbundenen Belästigungen BayObLG, NJW 1981, 2766 (2768); Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 184f, Rn. 1; Fischer, StGB, § 184f, Rn. 2; für dies und Jugendschutz BT-Drucks. 4/650, S. 388; BGHSt 23, 167 (175); BayObLG, JZ 1989, 51 (52) m. insoweit zust. Anm. v. Behm, JZ 1989, 301; OLG Karlsruhe, MDR 1974, 858; Lackner, JZ 1960, 437 (438); Laubenthal, Rn. 864; vgl. auch BTDrucks. 5/4095, S. 48; Finger, KJ 40 [2007], 73 (79): Jugendschutz; BVerfG, NVwZ 2009, 905 (906): Öffentlicher Anstand; insgesamt krit. Gleß, S. 107; Hörnle, in: MüKo-StGB III, § 184f, Rn. 2.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
184g405 StGB406. Der Neuschöpfung des § 184l StGB ist abzusprechen, überhaupt irgendein Rechtsgut zu schützen407. Denn Sexpuppen, um die es geht, haben kein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung408. So banal es ist, scheint betont werden zu müssen, dass sie weder Rechtsträger sind noch (sexuell) selbstbestimmt handeln. Frommel bezeichnet den § 184l StGB deshalb mit Recht als „Ermittlungsparagraphen“, dessen einziges Ziel es ist, frühzeitig Ermittlungen gegen potentielle Kinderpornographie-Konsumenten vornehmen und diese wegen Taten nach § 184b StGB überführen zu können409. Nur soweit wirklich Kinderpornographika gefunden werden und diese reale Geschehnisse zeigen, kann man über einen mittelbaren Schutz der sexuellen Selbstbestimmung sprechen. Das Argumentationsmuster wäre dann, dass durch die Ermittlungsbefugnisse, die § 184l StGB ermöglicht, Konsumenten von Kinderpornographie überführt werden können, was auch nur insofern der sexuellen Selbstbestimmung der Kinder zugute kommt, als dass damit eine Austrocknung des Marktes für entsprechende Produkte verbunden wäre. Es bedarf hier zu vieler Zwischenschritte, um von einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung sprechen zu können. Denn – plakativ ausgedrückt – mit dieser Argumentation ließe sich § 316 StGB auch in den Abschnitt der Straftat gegen das Leben überführen, weil Fahren unter Alkoholeinfluss u. U. für andere Verkehrsteilnehmer lebensgefährlich sein kann. Soweit aber tatsächlich nur eine Strafbarkeit nach § 184l StGB in Betracht kommt, ist die sexuelle Selbstbestimmung nicht betroffen. Wer sich nur mit einer Sexpuppe vergnügt, greift niemandes Selbstbestimmung an. Auch Nachahmungseffekte sind nicht zu erwarten, und es ist eher davon auszugehen, dass der Verkehr mit einer Puppe als Kompensation für einen tatsächlichen Übergriff dient als dass er einem solchen vorangeht410. Die Norm verhindert mithin die Ausübung der sexuellen Selbstbestimmung in Form des Verkehres mit einer Puppe, ohne dass damit ein Mehrwehrt verbunden wäre. Es handelt sich bei § 184l StGB nicht um eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, sondern um eine Strafnorm gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Die Einordnung im 13. Abschnitt ist so verfehlt wie die Norm selbst411.
405 Tendenziell dafür Sick/Renzikowski, in: FS F.-C. Schroeder, 603 (613); für Jugendschutz BT-Drucks. 5/4095, S. 48 f.; BayObLG, NJW 1981, 2766 (2768); Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 184g, Rn. 1; Laubenthal, Rn. 878; die diesbzgl. Eignung bezweifelnd Hörnle, in: MüKo-StGB III, § 184g, Rn. 1; vgl. auch Heger, StV 2003, 350 (355 f.); für Jugendschutz und den Schutz der Allgemeinheit vor Belästigungen Fischer, StGB, § 184g, Rn. 2. 406 Die Strafvorschriften der §§ 180a, 181 StGB schützen dagegen unzweifelhaft die sexuelle Selbstbestimmung, vgl. Sick/Renzikowski, in: FS F.-C. Schroeder, 603 (614). 407 Frommel, NK 2021, 150 (153); krit. auch Fischer, StGB, § 184l, Rn. 2 f.; für Jugendschutz aber Ziegler, in: BeckOK-StGB, § 184l, Rn. 2. 408 Frommel, NK 2021, 150 (153). 409 Frommel, NK 2021, 150 (ebd., 152). 410 Frommel, NK 2021, 150 (152). 411 Insgesamt mit Recht krit. Frommel, NK 2021, 150 ff.
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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Gleichwohl ist ein rechtsgutsbezogenes Verständnis, wie Hadamitzky es pflegt, weder mit dem gesetzgeberischen Willen noch mit der historischen Entwicklung in Einklang zu bringen. (a) Entwicklung des § 81g StPO im Bezug auf das Sexualstrafrecht Die Ausgestaltung der Anlassstraftat „Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ in § 81g StPO war zeitweise bestimmter als sie es heute ist. Das Gesetz vom 27. 12. 2003 hatte verlangt, dass der Beschuldigte u. a. „einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184f des Strafgesetzbuches)“412 verdächtig sein müsse. Der Begriff der Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung war gewissermaßen durch die Aufzählung der Paragraphen in Klammern legal definiert. §§ 174–184f StGB bezeichneten bis zur Novellierung des Sexualstrafrechts im Jahr 2015413 den gesamten 13. Abschnitt des StGB, wenngleich es zwischenzeitlich zu einigen Verschiebungen gekommen ist414. Die Aufhebung der paragraphenmäßigen Bezeichnung durch der Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse im Jahr 2005415 begründete der Gesetzgeber mit keinem Wort. In den Materialien heißt es nur, die vorherige Untergliederung in Nummern, wobei Nr. 1 die Straftat von erheblicher Bedeutung und Nr. 2 die Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung regelte, werde aufgegeben; der neue § 81g Abs. 1 S. 1 StPO entspreche der alten Rechtslage416. Mit der Streichung der paragraphenmäßigen Bezeichnung war eine Rechtsänderung mithin nicht verbunden417; erst recht nicht kann dem Gesetzgeber attestiert werden, er habe Taten, die vorher Anlasstaten waren, aus diesem Kreis wieder entfernen wollen. Mithin sind die Taten, die nach materieller Rechtslage bis 2005 in den §§ 174–184f StGB geregelt waren, weiterhin Anlasstaten i. S. d. § 81g Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StPO. Das gilt insb. für die §§ 183, 183a StGB, denen die Kritik Hadamitzkys im Besonderen gilt. Dass mit der ursprünglichen Fassung der gesamte 13. Abschnitt des StGB gemeint war, zeigt auch eine scheinbare Nebensächlichkeit. Soweit in der alten Gesetzesfassung von §§ 174 bis 184f StGB die Rede war, war die Erwähnung des § 184f StGB eigentlich irrelevant. Denn dieser regelte bis 2008, was heute in § 184h StGB geregelt ist: Begriffsbestimmungen. Es handelte sich um keinen Straftatbestand, der verwirklicht hätte werden können, sodass die Erwähnung des § 184f StGB in § 81g StPO a. F. der Sache nach unnötig war. Da § 184f StGB kein Tatbestand war, gab es 412
Vgl. dort Art. 3, BGBl. I, S. 3007 (3010); Hervorhebungen nicht im Original. Vgl. Art. 1 Nr. 15 des Neunundvierzigsten Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht vom 21. 01. 2015, BGBl. I, S. 10 (15). 414 So war die Ausübung verbotener Prostitution ursprünglich in § 184a StGB geregelt, dann in § 184e StGB. Seit 2015 ist sie in § 184f StPO geregelt. 415 BGBl. I, S. 2360. 416 BT-Drucks. 15/5674, S. 11. 417 So auch Rogall, in: FS F.-C. Schroeder, 691 (703); i. E. ebenso LG Arnsberg, Beschl. v. 23. 01. 2006 – 2 Qs 1/06, Rn. 14. 413
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keine Tat nach § 184f StGB, die Anlasstat hätte sein können. Hätte die paragraphenmäßige Bezeichnung „§ 174 bis 184e“ StGB gelautet, wäre kein Unterschied bestanden. Die Erwähnung des § 184f StGB a. F. in § 81g Abs. 1 StPO a. F. lässt sich mithin nur als gesetzgeberische Ungenauigkeit dergestalt erklären, als das schlicht alles, was im 13. Abschnitt des StGB geregelt war, in § 81g StPO übernommen wurde. (b) Der Wille des Gesetzgebers Gerade die §§ 183, 183a StGB sind es, die der Annahme entgegenstehen, Delikte, die scheinbar nicht erheblich sind oder die sexuelle Selbstbestimmung allenfalls reflexartig schützen sollen, seien keine tauglichen Anlasstaten. Der Gesetzgeber hat sich bei der Novellierung des § 81g StPO im Jahre 2003 von der Vorstellung leiten lassen, Exhibitionisten würden ein erhebliches Steigerungspotential aufweisen. Exhibitionismus sei das „Einstiegs-Sexualdelikt“, oder – plakativer ausgedrückt : Der Exhibitionist von heute sei der Vergewaltiger von morgen418. An dieser These mag man Kritik üben, die jedenfalls nicht völlig von der Hand zu weisen ist419. Die Kritik nährt der Gesetzgeber selbst, da – wie er erkennt – eine Studie der Universität Göttingen, die der Gesetzesänderung zugrunde liegt, zu dem Ergebnis gelangte, dass bei einem bis zwei Prozent (!) der Exhibitionisten zu erwarten sei, dass jene nach entsprechender Verurteilung ein schweres Sexualdelikt begehen würde420. Man kann diese Studie selbst als Beleg dafür anführen, dass die Einbeziehung der §§ 183 f. StPO in den Kreis der Anlasstaten des § 81g StPO nicht notwendig ist. Auch andere Studien belegen, dass Exhibitionisten typischerweise keine schweren Sexualverbrechen zu begehen pflegen421, wenngleich im Gegenteil ein sicherer Ausschluss entsprechender Steigerungen freilich auch nicht bewiesen ist bzw. werden kann. Umgekehrt gilt es zu sehen, dass Vergewaltiger eher vor ihrer Tat mit Eigentumsdelikten oder anderen, nicht notwendig sexuell konnotierten Gewaltdelikten auffällig wurden als mit geringeren Sexualdelikten422. Sind ca. 3 % der bereits strafrechtlich auffälligen Vergewaltiger zuvor wegen anderer Sexualstraftaten in Erscheinung
418
Zum Ganzen vgl. BT-Drucks. 13/350, S. 10 f. Vgl. Beck, S. 173 ff.; Duttge/Hörnle/Renzikowski, NJW 2005, 1065 (1071 f.) Schewe, JR 2006, 181 (186 f.); Stadler-Brehm, S. 56; vgl. auch Faber, RDV 2003, 278 (281); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 23; Rackow, Kriminalistik 2003, 474 (476 f.). 420 BT-Drucks. 13/350, S. 11; vgl. auch S. 23. 421 S. Bock, § 27, Rn. 1050; Görgen, S. 33; Jehle/Hofmann-Fricke, in: Elz/Jehle/Kröber (Hrsg.), Exhibitionisten, S. 152 ff.; bei Neuser, S. 126 findet sich unter Rekurs auf Nedopil (vgl. a. a. O. Fn. 704) mit einer Steigerungswahrscheinlichkeit von ca. 25 % ein Höchstwert. Die Zahl findet sich in der neueren Auflage des zitierten Werkes (Müller/Nedopil, S. 244) immer noch, was insofern nicht verwundert, als dass die Studie, auf die Bezug genommen wird, aus dem Jahr 1994 stammt. 422 Beck, S. 174; Hasselbach, S. 102 ff.; Schewe, JR 2006, 181 (187) jeweils unter Rekurs an die Studien von Straub/Witt, Kriminalistik 2003, 19 ff.; dies., Der Kriminalist 2004, 353 ff. 419
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getreten, liegt der Anteil hinsichtlich Diebstahl und ähnlichem bei 45 % und hinsichtlich Körperverletzung immerhin noch bei 8 %423. Der Gesetzgeber hat aus der Göttinger Studie aber den gegenteiligen Schluss gezogen. Wenn prognostiziert werden könne, dass der Exhibitionist zukünftig schwere Sexualdelikte begehen wird, so soll die Anordnung der Maßnahme nicht daran scheitern, dass § 183 StGB keine Straftat von erheblicher Bedeutung ist. Es könne nicht angehen, dass gewartet werden müsse, bis die erste erhebliche Tat begangen wurde424. Auch wenn man der Interpretation des Gesetzgebers nicht folgt: Dass es dem Gesetzgeber gerade darauf ankam, § 183 StGB als Anlasstat zu implementieren, kann nicht geleugnet werden. Freilich muss festgestellt werden, dass vergleichbare Studien für die anderen Delikte des 13. Abschnittes – insb. für die Pornographiedelikte – dem Gesetzgeber nicht vorlagen425. Auch die fast entschuldigende Betonung mancher Gerichte, es werde nicht verkannt, dass Täter, die kinderpornographische Inhalte zu konsumieren pflegten, mit gewisser Wahrscheinlichkeit Kinder sexuell missbrauchen würden426, erfolgt ohne Anknüpfung an empirische Befunde. Dasselbe gilt, wenn teilweise aus dem Besitz bzw. der Nutzung entsprechender Pornographie eo ipso geschlussfolgert wird, der Betroffene sei geradezu prädestiniert, alsbald sexuell übergriffig zu werden427. Das Gegenteil ist zutreffend; neuere empirische Befunde konnten eine Eskalationsgefahr im Bereich der Kinderpornographie nicht belegen. Nur wenige klassische Sexualstraftäter, deren Opfer Kinder waren, sind zuvor wegen Delikten im Zusammenhang mit Kinderpornographie in Erscheinung getreten428. Das Risiko, dass ein Kinderpornographie-Konsument realiter ein Kind missbraucht, wird als gering eingeschätzt429 ; eher sei davon auszugehen, dass der Konsum entsprechender Pornographie die sexuelle Befriedigung gibt bzw. ersetzt, die mit einem Missbrauch gesucht wird430. Die Zunahme eines entsprechenden Konsums in manchen Ländern geht mit einem Rückgang der Missbrauchsdelikte einher; umgekehrt hat in Tschechien die Zahl der Kindesmissbräuche mit der Pönalisierung von Kinderpornographie zugenommen431. 423 Vgl. Abb. 3, rechte Spalte bei Straub/Witt, Kriminalistik 2003, 19 (22); Tab. 2, rechte Spalte bei dies., Der Kriminalist 2004, 353 (354). 424 Vgl. BT-Drucks. 13/350, S. 11; ähnlich Hero, S. 205. 425 Dies kritisierend etwa Neuser, S. 127 f.; Schewe, JR 2006, 181 (187). 426 LG Hannover, StraFo 2013, 335 (336); LG Darmstadt, Beschl. v. 28. 03. 2011 – 3 Qs 152/ 11, Rn. 7. 427 Vgl. etwa AG Bremen, NStZ-RR 2008, 346 f. 428 Vgl. etwa die Studien bei Laumer, Kriminalistik 2012, 139 (142); Merdian/Egg, Sexuologie 2009, 90 (97 ff.). 429 Franke/Graf, FPPK 2016, 87 (94). 430 Was freilich nicht heißt, dass stets auszuschließen ist, dass der Konsument entsprechender Pornographie die dargestellten Akte als Vorbild für tatsächliches Agieren nimmt, insofern zutreffend LG Cottbus, Beschl. v. 28. 07. 2014 – 24 Qs 33/13, Rn. 19. 431 Zum Ganzen Franke/Graf, FPPK 2016, 87 (93 f.) m. w. N.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Zu Recht wird betont, im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens habe der Rechtsausschuss angemerkt, bei §§ 184d und 184e StGB würde die Anordnung der Maßnahme mangels Erforderlichkeit und Angemessenheit „nahezu nie in Betracht kommen“432. Daraus den Schluss zu ziehen, diese Delikte würden dem Begriff der Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung nicht unterfallen, wäre gleichwohl unrichtig. Erstens hat Rechtsausschuss an derselben Stelle betont, es werde auf alle Delikte des 13. Abschnittes Bezug genommen433. Zweitens zeigt die Verwendung des Wortes „nahezu“, dass auch der Rechtsausschuss davon ausging, dass eine Anordnung im Einzelfall möglich sein kann. Das ginge aber nicht, wenn die entsprechenden Delikte gar nicht erfasst wären. Mithin sprechen auch die Bedenken des Rechtsausschusses mehr dafür als dagegen, den Begriff der Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung in § 81g StPO abschnittsbezogen zu verstehen. Ferner heißt es in den Gesetzgebungsmaterialien, zu den Straftaten, die nicht von erheblicher Bedeutung seien, aber durch die Novellierung erfasst würden, zählten neben Exhibitionismus auch die Verbreitung pornographischer Schriften sowie die Ausübung verbotener oder jugendgefährdender Prostitution434. Auch dies spricht für die Einbeziehung dieser Delikte. (c) Zum Sonderproblem des neuen Sexualstrafrechts der §§ 184i – 184l StGB sowie die Straferhöhung insbesondere im Rahmen der Pornographiedelikte Problematisch erscheint die Anknüpfung am früheren Rechtszustand und dem entsprechenden Willen des Gesetzgebers im Hinblick auf diejenigen Straftatbestände, die der Gesetzgeber bei der Novellierung des § 81g StPO schon alleine deshalb nicht berücksichtigen konnte, weil sie noch nicht geschaffen waren. Im Konkreten geht um sexuelle Belästigung (§ 184i StGB), Straftaten aus Gruppen (§ 184j StGB), die Verletzung des Intimbereiches durch Bildaufnahmen (184k StGB) und das Inverkehrbringen, der Erwerb und Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild, § 184l StGB. Nicht weiter problematisch ist die jugendgefährdende Prostitution nach § 184g StGB. Auch wenn der alphabetische Zusatz „g“ über die ursprünglichen erwähnten §§ 174–184f StGB hinausgeht, lässt sich die Inkorporation damit begründen, dass der heute § 184g StGB dem früheren § 184e StGB entspricht. Er war mithin nach alter Rechtslage bereits erfasst; ein Änderungswille des Gesetzgebers war bei der Neubezeichnung nicht zu erkennen. Hinsichtlich der genannten §§ 184i bis 184l StGB erscheint die Frage problematischer. Kein Argument kann sein, dass es jenen an Erheblichkeit fehle, um An-
432 BT-Drucks. 15/1311, S. 25; daran anknüpfend etwa Limbeck, S. 68; dagegen aber etwa Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 41 mit dem Argument, im Prostitutionsmilieu seien Täter beheimatet, bei denen u. U. davon ausgegangen werden kann, dass diese künftig Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden. 433 BT-Drucks. 15/1311, S. 25. 434 BT-Drucks. 13/350, S. 23.
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lasstat zu sein, wie Bosch dies behauptet435. Auf die Erheblichkeit kommt es bei der Anlasstat der Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung nicht an. Zwei Ansätze sind denkbar: Man könnte nochmals an die alte Rechtslage anknüpfen. Soweit von den §§ 174–184f StGB die Rede war, handelte es dabei um eine statische Verweisung. Was in den bezeichneten Paragraphen geregelt war, war Anlasstat i. S. d. Alternative „Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung“. Was außerhalb dieses exklusiven Bereiches lag, musste eine Straftat von erheblicher Bedeutung sein oder konnte nicht Anlasstat sein. Straftat von erheblicher Bedeutung zu sein kann man den §§ 184i ff. StGB grundsätzlich436 nicht attestieren, soweit ist Bosch zuzustimmen. Wenn man nun davon ausgeht, dass mit der Gesetzesänderung im Jahre 2005, die die paragraphenmäßige Bezeichnung beseitigte, kein neuer Rechtszustand geschaffen werden solle, könnte man hieraus schlussfolgern, dass neue Delikte, die im 13. Abschnitt des StGB implementiert wurden, gleichwohl nicht erfasst werden. Eine Wandlung des § 81g Abs. 1 S. 1. Alt. 2 StPO in eine dynamische Verweisung würde man ablehnen. Nicht unvertretbar erscheint es aber auch, im Hinblick auf den Wortlaut des § 81g StPO von einer solchen auszugehen. Auch wenn der Gesetzgeber dies nicht bezweckte, so kann er eine solche gleichwohl geschaffen haben. Der Einwand, der Gesetzgeber habe ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien das Recht nicht verändern wollen, würde in diesem Kontext nicht verfangen. Da zur Zeit der Novellierung des § 81g StPO der 13. Abschnitt des StGB keine anderen Paragraphen als die vorher genannten beinhaltete, wurde das Recht mit der Gesetzesänderung selbst auch nicht verändert. Dies geschah sodann erst durch die Novellierungen des 13. Abschnittes selbst. Man kann die Aussage des Gesetzgebers, das Recht würde durch die (sprachliche) Änderung des § 81g StPO keine (inhaltliche) Änderung erfahren, mithin leicht missverstehen; falsch wäre sie aber auch bei einem dynamischen Verständnis des § 81g StPO nicht. Problematisch ist, dass die strafprozessualen Auswirkungen bei der Implementierung der §§ 184i ff. StGB nicht erwogen wurden. Dass das hiesige Problem sich auftut, hat der Gesetzgeber nicht bedacht. Schon alleine deshalb ist es nicht falsch, über die entsprechenden Gesetzgebungsverfahren das Verdikt undurchdachter Ad hoc-Gesetzgebung zu fällen437. Wenngleich nicht rechtspolitisch438, so ist in juristischer Hinsicht doch vorzugswürdig, die §§ 184i ff. StGB als Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung i. S. d. § 81g StPO anzusehen. Zum einen kann eine Aufteilung des 13. Abschnittes in von § 81g StPO erfasste und nicht erfasste Delikte kaum mit der Intuition des Ge435
Bosch, in: KMR-StPO, § 81g StPO, Rn. 6; ders., SSW-StPO, § 81g, Rn. 6. Bei einer mehrfachen sexuellen Belästigung durch ein und denselben Täter kommt allerdings die Anwendung des § 81g Abs. 1 S. 2 StPO in Betracht. 437 Zu § 184j StGB vgl. Renzikowski, in: MüKo-StGB III, § 184j, 3. Aufl., insb. Rn. 1, 4; ferner Fischer, StGB, § 184j, Rn. 2; Stuckenberg, in: FS Rengier, 353 (354). 438 Krit. auch Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1298). 436
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setzgebers in Einklang gebracht werden, auf den gesamten Abschnitt Bezug zu nehmen. Außerdem gilt es zu sehen, dass der Gesetzgeber der §§ 184i ff. StGB, hätte er diese Normen aus dem Anwendungsbereich des § 81g StPO ausnehmen wollen, den § 81g StPO wohl geändert hätte. So konnte er sich indes darauf verlassen, dass ohne Änderungen die neu geschaffenen Delikte Anlasstaten i. S. d. § 81g StPO sind. De lege ferenda wäre es gleichwohl wünschenswert, wenn § 81g Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StPO wieder zu einer statischen Verweisung würde. Soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine Tat Anlasstat für die Speicherung von DNA-Identifikationsmustern sein, muss verlangt werden, dass der Gesetzgeber diese Entscheidung bewusst trifft. Gewissermaßen nebenbei den Anwendungsbereich des § 81g StPO zu erweitern, wird der Grundrechtsrelevanz der entsprechenden Maßnahme nicht gerecht. Die Hochstufen des § 184b StGB zu einem Verbrechen durch das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16. 07. 2021439 ändert an der Einordnung als Anlasstat i. R. d. DNA-Identitätsfeststellung nichts. Allerdings droht die Hochstufung einen gewissen Automatismus auszulösen, weil vom Verbrechenscharakter eines Straftatbestandes doch häufig auf dessen Eigenschaft als Straftat von erheblicher Bedeutung geschlossen wird. Die notwendige Einzelfallüberprüfung440 wird unter Verweis auf die Strafandrohung dann häufig nicht oder nicht ausreichend vorgenommen. Während es nur von akademischem Interesse ist, ob § 184b StGB eine Anlasstat des § 81g StPO ist, weil es sich um eine Straftat von erheblicher Bedeutung oder weil es eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist, kommt der Frage i. R. d. Negativprognose doch eine erhebliche Bedeutung zu. Denn bei dieser, auf die ausführlich noch einzugehen sein wird, ist gem. § 81g Abs. 1 S. 1 StPO nur ein Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung, nicht wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung tauglicher Prognosegegenstand441. Nun mag es Fälle geben, in denen die Anordnung der DNAIdentitätsfeststellung angemessen ist, obschon einem Täter bzw. Verdächtigen kein Steigerungspotential, sondern nur attestiert wird, dass er erneut wegen § 184b StGB verurteilt werden könnte. In allen anderen Fällen droht, dass die allzu schnelle Annahme, § 184b StGB sei eine Straftat von erheblicher Bedeutung, dazu führt, dass die DNA-Analyse-Datei zu einer (zweiten) Datei für nicht einmal zwingend rückfallgefährdete442 Sexualtäter bzw. bloß Verdächtige wird443. Das wäre verfassungsrechtlich aber ebenso bedenklich wie es der Konzeption des § 81g StPO widerspricht. Denn diese verlangt, soweit es um Sexualstraftaten geht, gerade eine Steigerung hin 439
BGBl. I, S. 1810 ff. Dazu oben Kap. 6 § 5 I. 1. b) dd) (1) m. w. N. in Fn. 312 (Kap. 6). 441 Unten Kap. 6 § 5 III. 1. 442 Ein Rückfall ist i. R. d. Negativprognose nämlich nicht zwingend zu prognostizieren. Es reicht aus, wenn ein Strafverfahren prognostiziert werden kann, dessen Gegenstand eine bereits begangene Tat ist, vgl. ausführlich unten Kap. 6 § 5 III. 1. a). 443 Der Vorschlag wäre nicht neu; er wurde vor ca. 20 Jahren bereits durch das Land BadenWürttemberg dargebracht, vgl. becklink 49234 v. 23. 04. 2002. 440
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zur Straftat von erheblicher Bedeutung, die aber nicht stattfinden kann, wenn jede Straftat des 13. Abschnitts des StGB schon eine solche sein soll. c) Verfassungsrechtliche Problematik Im Hinblick auf die §§ 183 f. StGB liegt es nahe, dem Gesetzgeber zu attestieren, dass selbst die Studie, die er in den Gesetzgebungsmaterialien anführt, die Erfassung der jeweiligen Delikte als Anlasstaten nicht trägt. Geht man von der Richtigkeit der Studie aus, gilt zu konstatieren, dass 98 bis 99 Prozent der Exhibitionisten eben nicht im Begriff sind, alsbald ein schweres Sexualverbrechen zu begehen444. Völlige Überflüssigkeit bzw. fehlende Geeignetheit, in Zukunft zur Aufklärung solcher Delikte beizutragen, kann man dem § 81g StPO gleichwohl nicht attestieren445. Auch die Angemessenheit der Maßnahme ist nicht zu verneinen. Soweit tatsächlich ein entsprechenden Steigerungspotential festgestellt werden kann446 – dem Exhibitionisten also attestiert werden darf, dass er mit gewisser Wahrscheinlichkeit bald ein schweres Sexualdelikt begehen wird –, bestehen keine Zweifel, dass die Anordnung der Maßnahme verhältnismäßig ist. Das Interesse an der Aufklärung schwerer Sexualverbrechen überwiegt die Interessen des Betroffenen. Anknüpfungspunkt für verfassungsrechtliche Kritik kann daher nur die Situation sein, in der der Exhibitionist kein Steigerungspotential aufweist. Hier gilt es anzumerken, dass einer solcher Adressat einer Maßnahme nach § 81g StPO nicht werden kann. Die Tatsache, dass Exhibitionismus und andere, nicht erhebliche Sexualdelikte Anlasstaten i. S. d. § 81g Abs. 1 StPO sind, ist nicht gleichzusetzen mit der Anordnung der Maßnahme. Hierzu bedarf es des Vorliegens einer Negativprognose, die sich auf erhebliche Straftaten beziehen muss447. Kann diese nicht gestellt werden, kann der Betroffene auch nicht Adressat der Maßnahme werden. Die gegenüber der Anlasstat qualifizierte Negativprognose wirkt als Korrektur448, der es von Verfassungs wegen auch bedarf. Solange diese im Einzelfall zutreffend gestellt wird, bestehen gegen die Einbeziehung auch nicht erheblicher Sexualdelikte keine Bedenken. Sollte sie im Einzelfall übereilt bejaht werden, muss über die konkrete Maßnahme zwar das Verdikt der Verfassungswidrigkeit gefällt werden. An der Verfassungskonformität des § 81g StPO ändert dies aber nichts.
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Im Übrigen sprechen zahlreiche weitere Studien gegen die Annahme vom Exhibitionismus als Einstiegsdelikt, vgl. m. w. N. Steiger, S. 212 ff. 445 Hero, S. 205; so aber Beck, S. 173 ff. 446 Krit. hinsichtlich der Möglichkeit solcher Feststellungen Steiger, S. 217. 447 Beck, S. 173; dies besonders herausstellend auch BT-Drucks. 15/350, S. 23. 448 Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 12; vgl. exemplarisch LG Bremen, StraFo 2007, 58; dagegen aber Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 23.
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3. Zusammenfassung Fasst man die bisherige Untersuchung zusammen, so zeigt sich, dass der Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung sich im Wesentlichen jedweder Generalisierung entzieht. Dazu hat erheblich die Streichung der Regelbeispiele beigetragen, wenngleich man dem Gesetzgeber bei Unterstellung der Richtigkeit der Annahme eines Missverständnisses – wozu die Rechtsprechung einzelner Landgerichte Anlass gibt – die Novellierung nicht übel nehmen kann. Der Rechtsklarheit hätte der Gesetzgeber aber einen großen Gefallen getan, wenn er entsprechend § 98a StPO wenigstens Deliktsfelder, Begehungsweisen oder ähnliche Kriterien genannt hätte449. Ob deshalb der Vorwurf zutrifft, es handle sich bei dem Erfordernis einer Straftat von erheblicher Bedeutung um eine bloße „Scheinbeschränkung“450, muss zwar bezweifelt werden. Dass jedoch ein einfacher Diebstahl und das „Schwarzfahren“, letzteres auch im Wiederholungsfall, nicht die Anordnung zu begründen vermögen, hätte im Zweifelsfall auch eine Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergeben, die das Gewicht jener Taten und das des betroffenen Rechts auf informationelle Selbstbestimmung berücksichtigt hätte451. Forderungen nach der Abschaffung der qualifizierten (!) Anlasstat, die von der Politik452 wie der Literatur453 erhoben wurden, mag man deshalb gelassen entgegen sehen454. Ihre Umsetzung würde zu weniger Verwerfungen führen als die teilweise ebenso geforderte Schaffung eines abschließendes Kataloges, der jede Einzelfallwürdigung obsolet machen soll455. Die Entscheidungen des BVerfG zu § 81g StPO können nicht – auch nicht als argumenta ad verecundiam – dagegen ins Feld geführt
449 Vgl. ebenso hinsichtlich der Beobachtung i. R. v. polizeilichen Kontrollstellen bzw. Observation Bottke, in: GS Meyer, 37 (43). 450 So in anderem Kontext Wolter, StV 1989, 358 (370). 451 Vgl. ähnlich zur Telekommunikationsüberwachung Welp, GA 2002, 535 (539); anders aber wohl Graalmann-Scheerer, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 39 (46), die mit einer Ausweitung der Anlasstaten einhergehen sieht, dass der „notorische Schwarzfahrer“ u. U. in den Anwendungsbereich des § 81g StPO fällt. 452 Vgl. etwa den Entwurf Bayerns aus dem Jahr 2017, BR-Drucks. 231/17; zuvor bereits den Antrag der CDU/CSU-Fraktion aus dem Jahr 2005, BT-Drucks. 15/4926; den Entwurf Hessens, Bayerns, Hamburgs, Saarlands und Thüringens aus demselben Jahr, BR-Drucks. 99/ 05; zuvor den Entwurf Sachsens aus dem Jahr 2001, BR-Drucks. 434/01. 453 König, Kriminalistik 2004, 262 (266); West, S. 192 ff.; Wagner, ZRP 2004, 14 f.; ders., RuP 2005, 75 (76); vgl. auch Vath, S. 116, der den Entwurf Sachsens unterstützt, zumindest für verfassungskonform erachtet von Hero, S. 228 ff.; Rackow, Kriminalistik 2003, 474 (477 f.); Rogall, in: FS F. C. Schroder, 691 (705 f., 716). 454 Anders etwa Beck, S. 166 ff., 182; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 15; dagegen auch Krehl/Kolz, StV 2004, 447 (452). 455 Hierfür aber Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1296); Lee, S. 209; Pfeiffer/Höynck/Görgen, ZRP 2005, 113 (116); Seibel/Gross, StraFo 1999, 117 (118), abl. vgl. Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 17, Fn. 73; dagegen auch Beck, S. 170 f.; gefordert aber auch von der Fraktion Bündnis90/Die Grünen, BT-Drucks. 13/10656, S. 1.
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werden456 : Das BVerfG hatte die Verfassungskonformität des § 81g StPO zwar auch mit der Beschränkung auf Straftaten von erheblichen Bedeutung begründet, jedoch ebenso das Erfordernis der Negativprognose betont457. Von Bedeutung sei v. a., dass die Maßnahme der Aufklärung von Straftaten von erheblicher Bedeutung diene458. Solange die Negativprognose sich auf Straftaten von erheblicher Bedeutung bezieht, bleibt die Maßnahme entsprechend ausgerichtet459. Da der Begriff der Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach dem Willen des Gesetzgebers ebenso weit zu verstehen ist, bietet er ferner keine Einschränkungen. Sieht man von seltenen Fällen ab, wird am Erfordernis der Anlasstat kaum eine Anordnung scheitern. Kernstück des § 81g StPO ist daher – neben einer spezifisch ausgestalteten Prüfung der Verhältnismäßigkeit – die Negativprognose. Ihr gilt es sich folgend zu widmen.
II. Gleichstellungsklausel, § 81g Abs. 4 StPO Zuvor sei aber darauf hingewiesen, dass die Maßnahme nicht zwingend während eines laufenden Verfahrens angeordnet werden muss. § 81g Abs. 4 StPO, der dem früheren § 2 DNA-IFG entspricht, erklärt die Körperzellentnahme und DNA-Analyse gem. Abs. 1 (und die Speicherung gem. Abs. 5) ebenso für zulässig bei folgenden Personengruppen: Rechtskräftig Verurteilten und solchen, die entweder nur wegen erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit (Nr. 1), auf Geisteskrankheit beruhender Verhandlungsunfähigkeit (Nr. 2) oder fehlender oder nicht auszuschließender fehlender Verantwortlichkeit gem. § 3 JGG (Nr. 3) nicht verurteilt wurden. Dabei müssen die Verurteilung bzw. das Verfahren sich freilich auf eine qualifizierte Anlasstat beziehen. Die Verurteilung muss nicht zwingend von einem deutschen Gericht ausgesprochen worden sein. Urteile von Gerichten der EU-Mitgliedstaaten sind Urteilen deutscher Gerichte gem. Art. 3 des Rahmenbeschlusses 2008/675/JI460 gleichge456
So aber etwa Duttge/Hörnle/Renzikowski, NJW 2004, 1065 (1071); Faber, RDV 2003, 278 (281). 457 Vgl. BVerfGE 103, 21 (34). 458 BVerfG, NJW 2001, 2320 (2321). 459 Zutreffend West, S. 192; ähnlich Wagner, RuP 2005, 75 (78). 460 Rahmenbeschluss 2008/675/JI des Rates vom 24. 07. 2008 zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergangenen Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren, ABl. L 220/32 v. 15. 08. 2008; in Deutschland umgesetzt durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2006/783/JI des Rates vom 6. 10. 2006 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Einziehungsentscheidungen und des Rahmenbeschlusses 2008/675/JI des Rates vom 24. 07. 2008 zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergangenen Verurteilungen in einem neuen
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stellt. Der Gesetzgeber hat bewusst auf eine Novellierung des § 81g Abs. 4 StPO verzichtet, weil in rahmenbeschlusskonformer Auslegung das Wort „verurteilt“ sich auf Urteile aus anderen EU-Mitgliedstaaten beziehen kann461. Urteile von drittstaatlichen Gerichten können Anlass der Anordnung sein, soweit sie gem. § 54 BZRG eintragungsfähig sind462. Das ergibt sich aus den Gebot des § 81g Abs. 4 StPO a. E., dass die Eintragung noch nicht aus dem entsprechenden Register getilgt sein darf463. Die gegenteilige Auffassung, nach der ausländische Gerichtsentscheidungen per se nicht Grundlage der Anordnung sein können, die – soweit ersichtlich – nur vom AG Aachen vertreten wurde464, überzeugt nicht. Soweit auch Entscheidungen von Gerichten aus EU-Staaten ausgeschlossen werden sollen, ist sie weder mit Unionsrecht noch mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar. Soweit der Ausschluss damit begründet wird, dass die Anlage zu § 2c DNA-IFG nur Straftatbestände des StGB aufzählte und damit implizit eine Entscheidung eines deutschen Gerichts voraussetzte465, verkennt das AG, dass das Abfrageverfahren dazu diente, sog. Altfälle als solche zu erkennen. Da die Anlage schon nicht abschließend alle Straftatbestände des deutschen Rechts erfasste, die Anlasstat sein konnten und können466, kann erst recht nicht angenommen werden, dass Urteile ausländischer Gerichte a priori ausscheiden müssen. Ansonsten wäre es nicht möglich, das DNAIdentifikationsmuster eines Serien-Vergewaltigers zu speichern, der mit großer Wahrscheinlichkeit weitere Tatbegehungen erwarten lässt, nur weil jener im Ausland verurteilt wurde. Mit der ratio legis des § 81g StPO wäre dies nicht zu vereinbaren. Damit ist die weitere Voraussetzung bei allen Betroffenen angesprochen: Die entsprechende Eintragung im Bundeszentral- bzw. Erziehungsregister darf noch nicht getilgt sein. Tilgungsreife steht der Tilgung gleich467. Das ergibt sich aus der normativen Gleichsetzung von Tilgung und Tilgungsreife in §§ 45 Abs. 2, 51 Abs. 1 Strafverfahren (Umsetzungsgesetz Rahmenbeschlüsse Einziehung und Vorverurteilungen) v. 02. 10. 2009, BGBl. I, S. 3214 ff. 461 BT-Drucks. 16/13673, S. 9; vgl. auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 68, Fn. 351. 462 Beck, S. 144; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 11; Rogall, in: SKStPO I, § 81g, Rn. 68; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 10; wohl auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 15; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 15; für Beachtung des Einzelfalles Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 6, Fn. 48. 463 Insoweit zutreffend AG Aachen, StraFo 2008, 239; dazu auch Eisenberg, Rn. 1689d, Fn. 327; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 68, Fn. 352. 464 AG Aachen a. a. O. 465 AG Aachen a. a. O. 466 Zum Ganzen s. Kap. 6 § 5 I. 1. b) bb) (2). 467 BVerfG, E. A. v. 10. 03. 2009 – 2 BvR 400/09, Rn. 5 (zu § 63 BZRG); LG Aachen, StV 2004, 9; Beck, S. 144; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 11; Brodersen/ Anslinger/Rolf, Rn. 53; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 61; Limbeck, S. 65, Fn. 311; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 3; Neuser, S. 169 ff.; Rackow, S. 147 ff.; Rogall, in: SKStPO I, § 81g, Rn. 68; Senge, NJW 1999, 253 (255); Stadler-Brehm, S. 74; Trück, in: MüKoStPO I, § 81g StPO, Rn. 28 a. E. Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 35; West, S. 75; vgl. für die zu Unrecht unterbliebene Tilgung auch LG Aachen a. a. O.; Eisenberg, Rn. 1689d.
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BZRG468. Zutreffend ist es aber auch, wenn man den Wortlaut des § 81g Abs. 4 StPO als die Tilgungsreife nicht erfassend begreifen möchte, die Gleichsetzung derselben mit einer vollzogenen Tilgung damit zu begründen, dass es nicht angehen kann, dass dem Bürger ein Nachteil erwächst aus Umständen, die er selbst nicht zu vertreten hat469. Praktische Bedeutung hatte diese Voraussetzung indessen nur, als die nachträgliche Anordnung gem. § 2 DNA-IFG eingeführt wurde. Heute wird mit der Anordnung der Maßnahme wohl selten gewartet werden, bis die langen Fristen der §§ 46, 59, 63 bzw. des § 24 Abs. 3 BZRG nahezu abgelaufen sind. Viel eher darf davon ausgegangen werden, dass die Anordnung, wenn sie nicht schon im Laufe des Verfahrens, unmittelbar nach rechtskräftigem Abschluss erfolgt. Dafür spricht jedenfalls, dass Nr. 16a RiStBV den Staatsanwalt anhält, darauf hinzuwirken, dass die Maßnahme sobald möglich angeordnet wird. Die Vorschrift ist von Kritik aus der Literatur nicht verschont geblieben. Diese knüpft an die langen Tilgungsfristen an und weist darauf hin, dass im Extremfall des § 46 Abs. 1 Nr. 3 BZRG die Tilgungsfrist 20 Jahre beträgt. Es gehe aber nicht an, dass nach so langer Zeit der Täter noch Adressat einer Maßnahme nach § 81g StPO werden könne470. Dieser Kritik ist entgegenzutreten. Die Negativprognose muss freilich auch nach 20 Jahren dem Täter attestieren, dass Strafverfahren in der Zukunft gegen ihn zu führen sein werden471. Nach einem so langen Zeitraum wird dies, ein (seitdem) rechtstreues Leben vorausgesetzt, kaum gelingen. Jedenfalls werden in der Literatur zu Recht hohe Anforderungen an die Prognose gestellt, wenn ein erheblicher Zeitraum ohne strafrechtliche Erscheinung vergangen ist472. Da das Gesetz in § 81g Abs. 4 StPO keine spezifischen Anforderungen an die Prognose stellt, wäre es aber genauer, nicht von hohen Anforderungen zu sprechen (diese sind stets gleich hoch), sondern zu betonen, dass ein rechtstreues Leben über einen gewissen Zeitraum in der Prognose zu berücksichtigen ist473. Sollte die Negativprognose trotz eines langen 468
Hierzu Beck, S. 144; Neuser, S. 169 f.; Rackow, S. 147 ff.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 68; Stadler-Brehm, S. 74; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 35; West, S. 75. 469 So Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 3; eine Differenz zum Wortlaut annehmend auch Stadler-Brehm, S. 74. 470 Vgl. Lemke, in: HK-StPO, 3. Aufl. 2001, § 81g, Rn. 21, 24; Kauffmann/Ureta, StV 2000, 103 (106); Singe, Betrifft Justiz 59 [1999], 102 ff.; Wollweber, NJW 2001, 2304 (2305); krit. auch Frister, in: Lisken/Denninger, Hdb. PolR, F., Rn. 314. 471 Dies betonend Beck, S. 144; Rackow, S. 150 ff.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 70; Vath, S. 86. 472 Vgl. Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 9 a. E.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 15; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 15; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 32; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1725; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 8; Hero, S. 209; Rackow, S. 152; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 10 f.; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 28. 473 Zutreffend dagegen BVerfG, NJW 2001, 2320 (2321, II. 1. a), 2322, 4. a)); vgl. auch BVerfGE 103, 21 (39); Beck, S. 144; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 403;
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Zeitraums seit der Verurteilung aber positiv ausfallen, so kann kein Zweifel bestehen, dass die Anordnung mit der Verfassung in Einklang steht. Es wäre aber auch systematisch inkonsequent, eine Verurteilung bis zur Tilgungsreife dem Täter vorhalten zu können (§ 51 BZRG), sie aber i. R. d. § 81g StPO nicht einmal berücksichtigen zu dürfen. Summa summarum lässt sich auch hier festhalten, dass entscheidendes Kriterium des § 81g StPO die Negativprognose ist, auf die nun einzugehen ist.
III. Negativprognose Das Gesetz verlangt in § 81g Abs. 1 S. 1 StPO als zweite zentrale Voraussetzung – neben der Anlasstat – für die Anordnung der Maßnahme, dass „wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind“. Dieser Grund zur Annahme wird als Negativprognose bezeichnet, wenngleich auch andere Begriffe verwendet werden474, die aber – darauf wird einzugehen sein – wenngleich rhetorisch ansprechender dennoch inhaltlich hinter dem Aussagegehalt des Wortes Negativprognose zurückbleiben. Obschon der Wortlaut scheinbar – und im Vergleich zu dem Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung erst recht – eindeutig zu sein scheint, sind zusammengefasst drei Problemfelder auszumachen. Diese sind zum einen die Kriterien, derer sich der Prognostizierende bedienen soll (dazu 2.), und zum anderen das Maß an Wahrscheinlichkeit, das erfüllt sein muss, damit „Grund zur Annahme“ besteht (dazu 3.). Angefangen werden soll aber mit der Frage, was überhaupt prognostiziert werden muss. 1. Prognosegegenstand Der Wortlaut des § 81g StPO verlangt Grund zur Annahme, „dass gegen [den Betroffenen] künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 71; Vath, S. 86; exemplarisch verneinend etwa LG Paderborn, StV 2013, 434 (435); LG Darmstadt, Beschl. v. 28. 03. 2011 – 3 Qs 152/11, Rn. 10; LG Nürnberg-Fürth, StraFo 2009, 509 (510); LG Hamburg, StraFo 2006, 376; LG Bielefeld, StV 2005, 78 f.; LG Berlin, StV 2003, 610; LG Karlsruhe, StV 2003, 609; LG Freiburg, StraFo 2001, 314 (315); LG Freiburg, StraFo 2001, 205 (206); LG Freiburg, StraFo 2001, 169 (170); LG Bückeburg, StV 2001, 8 f.; LG Darmstadt, StV 2001, 107; LG Traunstein, StV 2001, 391 (392); LG Aurich, StV 2000, 609; LG Bremen, StV 2000, 303 f.; LG Hannover, StV 2000, 302 (303); AG Stade, StV 2000, 304 (305); AG Rotenburg (Wümme), StV 1999, 250; vgl. auch LG Bonn, StraFo 2011, 353; LG Magdeburg, StraFo 2002, 60 f. 474 Zu den gebräuchlichen Begriffen vgl. etwa Fluck, NJW 2001, 2292 (2993); Rackow, S. 83 f.; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g StPO, Rn. 11.
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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zu führen sind“. Hinsichtlich des Begriffes der Straftat von erheblicher Bedeutung kann auf die Ausführungen zur Anlasstat verwiesen werden475. Der Begriff unterscheidet sich inhaltlich nicht. Auch § 81g Abs. 1 S. 2 StPO gilt für die Negativprognose476, was sich schon daraus ergibt, dass S. 2 nach den Ausführungen zur Straftat von erheblicher Bedeutung innerhalb der Negativprognose steht. Es genügt mithin die Prognose, dass gegen den Betroffenen künftig Strafverfahren wegen isoliert betrachtet nicht erheblicher Straftaten zu führen sind, wenn diese in ihrer Gesamtheit dem Unrecht einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass auch innerhalb der Negativprognose die Möglichkeit der Hinterlassung von Spuren unbeachtlich ist477. Erheblichkeit – rechtserschütternde Wirkung – ist unabhängig davon478. Mangels passendem normativen Anknüpfungspunkt ist dieses Kriterium mithin i. R. e. allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung fruchtbar zu machen479. Die Tat des prognostizierten Verfahrens muss nicht gleichartig und erst nicht identisch mit der Anlasstat sein480. Gelingt bei einem der Vergewaltigung Verdächtigen die Prognose, dass künftig gegen ihn Verfahren wegen Delikten nach § 244 StGB zu führen sind, ist dies ausreichend. Eine Abweichung gegenüber den Anlasstaten besteht aber insofern, als keine Alternative zur quantitativ oder qualitativ erheblichen Straftat besteht. Unzutreffend ist es daher, wenn teilweise davon die Rede ist, prognostiziert werden müsse, dass künftig Strafverfahren gegen den Betroffenen künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung führen sind481. Letztgenannte Alternative ist nur für die Anlasstat 475
Kap. 6 § 5 I. 1. BT-Drucks. 15/5674, S. 9, 11; BVerfG, NStZ-RR 2007, 378; LG Bremen, StV 2011, 403 (404); LG Trier, Beschl. v. 21. 12. 2012 – 5 Qs 143/12, Rn. 11; Beck, S. 176, 183; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1723; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 7, 9; Hasselbach, S. 108 f.; Hero, S. 208; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (63); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 24, 27, 34; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 392; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 27; Senge, NJW 2005, 3028 (3030 f.); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 7, Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 19; auf den ganzen Abs. 1 Bezug nehmend Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 10; ders. in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 10. 477 A. A. aber etwa LG Aachen, StraFo 2009, 18 f.; Hero, S. 208; vgl. außerdem die Nachweise in Fn. 335 (Kap. 6). 478 S. oben Kap. 6 § 5 I. 1. b) dd) (3); zutreffend auch LG Arnsberg, Beschl. v. 23. 01. 2006 – 2 Qs 1/06, Rn. 14. 479 Zutreffend etwa BVerfGE 103, 21 (34); ausführlicher unten Kap. 6 § 4 IV. 1. 480 Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 27; Senge, NJW 2005, 3028 (3030 f.); zumindest im Anwendungsbereich des § 81g Abs. 1 S. 2 StPO Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1723; vgl. aber Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 6, der weitere „einschlägige Straftaten“ verlangt. 481 So aber Benfer/Bialon, Rn. 977; LG Traunstein, StV 2007, 521 (521 f.); LG Trier, Beschl. v. 21. 12. 2012 – 5 Qs 143/12, Rn. 11; LG Arnsberg, Beschl. v. 23. 01. 2006 – 2 Qs 1/06, Rn. 14; wohl auch LG Darmstadt, Beschl. v. 28. 03. 2011 – 3 Qs 152/11, Rn. 10, richtig dagegen Rn. 3; LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 07. 09. 2009 – 7 Qs 72/09, Rn. 13 = insoweit unveröf476
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
vorgesehen, nicht hingegen für die Negativprognose. Im deren Rahmen sind Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung mithin nur relevant, wenn sie erheblich sind. Sollte als Anlasstat eine nicht erhebliche Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung gedient haben, muss i. R. d. Negativprognose eine Steigerung erwartet werden482. Der anstelle des Wortes Negativprognose vereinzelt gebrauchte Begriff der „Wiederholungsgefahr“483 ist schon deshalb unpräzise, weil bei nicht erheblichen Sexual-Anlasstaten bloße Wiederholung nicht ausreicht. Der Begriff der Wiederholungsgefahr hat mithin nur dort seine Berechtigung, wo die Anlasstat bereits eine erhebliche war484. Insofern kann von einer nicht nur insgesamt (weil nicht jede Straftat ausreicht), sondern auch in Bezug auf die Anlasstat qualifizierten Negativprognose gesprochen werden485. Auffallend ist, dass nach dem Wortlaut Grund zur Annahme bestehen muss, dass „künftig Strafverfahren […] zu führen sind“, nicht, dass künftig eine Straftat begangen werden muss486. Daraus lässt sich einmal schließen, dass ein bereits anhängiges Verfahren als Gegenstand der Prognose nicht ausreichend ist. Ein solches ist erstens begrifflich schon nicht künftig und zweitens muss es nicht prognostiziert werden, weil es schon läuft. Außerdem ist in diesem Kontext § 81a Abs. 3 Hs. 1 StPO, ggf. i. V. m. § 81c Abs. 5 S. 2 StPO, ggf. i. V. m. § 81e Abs. 2 S. 3 StPO einschlägig487.
fentlicht StraFo 2009, 509 (510); wohl aber auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 10; ders. in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 10, der ausführt, es gehe um Straftaten, „die den in § 81g Abs. 1 genannten Taten entspr[ä]chen“; unklar bei Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 9. 482 Beck, S. 183. 483 Vgl. BVerfG, NJW 2008, 281 (282); LG Darmstadt, Beschl. v. 28. 03. 2011 – 3 Qs 152/ 11, Rn. 3; LG Zweibrücken, StV 2000, 304; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 8, 10; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 10; ders. in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 10; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 14; Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1288); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 9; Limbeck, S. 68; Malek/Wohlers, Rn. 319; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 8. Da vor der Novellierung der Anlasstaten im Jahr 2003 verfasst zutreffend verwendet noch bei BVerfGE 103, 21 (37); Altendorfer, S. 171; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (695); Senge, NJW 1999, 253 (254); Zöller, S. 114. 484 Vgl. Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 29; Vath, S. 65. 485 So BT-Drucks. 15/350, S. 1, 11; Hero, S. 207; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (63); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 27; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 28; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 15; West, S. 67. 486 Auch nicht, dass „künftig erneut Strafverfahren (…) begangen werden“, vgl. AG Bad Kreuznach, NJW 1999, 303. 487 Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 33; dazu oben Kap. 4 § 3 III. 1.
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a) Noch nicht entdeckte Straftaten als Prognosegegenstand Fraglich ist aber, ob eine Straftat, die zeitlich vor der Anordnung – also etwa vor der Anlasstat oder während des Verfahrens über dieselbe – begangen wurde, Gegenstand der Prognose sein kann. Der Wortlaut steht dem nicht entgegen488, denn ein Strafverfahren kann der Maßnahme nach § 81g StPO zeitlich nachgelagert sein, auch wenn die Straftat, die den Verfahrensgegenstand bildet, früher begangen wurde489. Die Chronologie von Verfahren richtet sich schließlich nicht zwingend nach der Chronologie von Straftaten. Ob eine noch nicht entdeckte Tat als Prognosegegenstand herhalten kann, ist lebhaft umstritten. aa) Vorgefundene Ansätze (1) Pro Einbeziehung Eine Ansicht, die man wohl als herrschend bezeichnen wird können, bejaht dies. Ihre Vertreter berufen sie auf den Wortlaut, der von künftigen Verfahren und nicht von künftigen Taten spreche490. Eine Einschränkung dahingehend, dass bereits begangene Taten nicht Gegenstand des Verfahrens seien könnten, sehe er nicht vor491. Dasselbe gelte für die Gesetzgebungsmaterialien492. Dem Gesetzgeber sei es darauf angekommen, mit § 81g StPO ein möglichst effektives Mittel zur Aufklärung von Straftaten zu implementieren. Dem stehe der Ausschluss bereits begangener Taten entgegen493. Als Mittel der Verhinderung von Straftaten tauge § 81g StPO sowieso
488
Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 32. Vgl. Schewe, JR 2006, 181 (186). 490 LG Frankfurt, StV 2001, 9; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 56; Fluck, NJW 2001, 2292 (2293); Hasselbach, S. 111; Krause, in: FS Rieß, 261 (268); Krey/Heinrich, Rn. 818; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (694); Rackow, S. 98; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 8; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 11; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 15; West, S. 68. So auch BGH ErmR, Beschl. v. 23. 07. 2001 – 1 BGs 129/2001, 1 StE 4/85, abgedruckt bei Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 56. Laut BVerfG, Beschl. v. 11. 03 2004 – 2 BvR 1478/01, Rn. 3 soll der BGH von seiner Auffassung aber abgerückt sein. Dies anerkennend auch Beck, S. 184; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 14; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 14; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 9; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 392; Neuser, S. 103; ebenso Vath, S. 67, der offen bekennt, gegen den Wortlaut auszulegen. 491 Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 6. So auch BGH ErmR, Beschl. v. 23. 07. 2001 – 1 BGs 129/2001, 1 StE 4/85, abgedruckt bei Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 56. Laut BVerfG, Beschl. v. 11. 03 2004 – 2 BvR 1478/01, Rn. 3 soll der BGH von seiner Auffassung aber abgerückt sein. 492 Goers a. a. O.; Krause, in: FS Rieß, 261 (268); West, S. 68 f. 493 Rackow, S. 98; Stadler-Brehm, S. 60; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 11; vgl. auch Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 58 f.; Hasselbach, S. 111. 489
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nicht494. Es gelte, den Wortlaut in Relation zu §§ 63 S. 1, 64 S. 1, 66 StGB, 112a Abs. 1 StPO zu setzen, wo von künftiger Tatbegehung gesprochen werde495. Umgekehrt werde in der verwandten Regelung des heutigen § 16 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 lit. a BKAG dieselbe Formulierung wie in § 81g Abs. 1 StPO gebraucht496. Teilweise wird weiter auf § 81b StPO rekurriert. Dort sei anerkennt, dass es ausreiche, wenn der Betroffene als Täter noch nicht aufgedeckter Taten in Betracht komme497. Auch das BVerfG gehe nach Ansicht der Vertreter dieser Auffassung davon aus, dass noch nicht entdeckte Taten Gegenstand des prognostizierten Verfahrens sein könnten498. Ferner drohten die Voraussetzungen der §§ 81a, 81c, 81e StPO nicht unterlaufen zu werden499. Da § 81g StPO einen Anfangsverdacht gegen den Betroffenen voraussetze, sei eine verdachtslose DNA-Analyse ausgeschlossen500. Ein Anfangsverdacht wegen der bereits begangenen Tat werde weder fingiert noch sei er Voraussetzung des § 81g StPO. Im Hinblick auf vergangene Taten bliebe des Exklusivitätsverhältnis von § 81g und §§ 81a, 81e StPO gewahrt501. Weil der Betroffene hinsichtlich der bereits begangenen, aber noch nicht entdeckten Tat nicht Beschuldigter sei, müsste wenn überhaupt an eine Umgehung der Voraussetzungen des § 81c StPO gedacht werden. Nur auf dessen Grundlage könne er schließlich zur Aufklärung der Alttat herangezogen werden. Gleichwohl drohten auch dessen Voraussetzungen nicht umgangen zu werden. In Form der strengen Voraussetzungen des § 81g StPO (Verdacht der Begehung einer qualifizierten Anlasstat; Negativprognose) sei einer uferlosen Erfassung von „Alttätern“ der Weg versperrt502. (2) Contra Einbeziehung Die Vertreter der Gegenansicht, die bereits begangene Straftaten nicht als Prognosegegenstände gelten lassen wollen, berufen sich darauf, bereits „nach dem Sprachgebrauch“ beziehe sich die Norm auf künftiges Verhaltes und nicht auf künftige Verfahren503. Auch sie führen das BVerfG für ihre Ansicht ins Feld504; 494 LG Frankfurt, StV 2001, 9; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 11. So auch BGH ErmR, Beschl. v. 23. 07. 2001 – 1 BGs 129/2001, 1 StE 4/85, abgedruckt bei Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 56. Laut BVerfG, Beschl. v. 11. 03 2004 – 2 BvR 1478/01, Rn. 3 soll der BGH von seiner Auffassung aber abgerückt sein. 495 Vgl. i. E. gleichsam abl. Neuser, S. 103. 496 Rackow, S. 99. 497 LG Frankfurt, StV 2001, 9 unter Rekurs auf BVerwGE 66, 192 (199); ebenso West, S. 69. 498 Sich auf BVerfGE 103, 21 (37) berufend Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 6. 499 Ausführlich Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 33 ff.; ebenso Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 57; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 6; Krause, in: FS Rieß, 261 (269). 500 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 57. 501 Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 34; vgl. auch West, S. 69. 502 Zum Ganzen Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 36. 503 So Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 9; dagegen jedenfalls auch Eisenberg, Rn. 1689, Fn. 214; unklar LG Stendal, NStZ-RR 2001, 176 (178).
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ebenso den Willen des Gesetzgebers505. Die Einbeziehung bereits begangener Straftaten in die Prognose verwische außerdem die Grenzen von § 81g StPO einerseits und §§ 81a, 81e StPO andererseits. § 81g StPO sei ein Instrumentarium vorbeugender Verbrechensaufklärung und kein Auffangtatbestand für Situationen, in denen die Voraussetzungen der §§ 81a, 81e StPO mangels Tatverdacht nicht vorlägen506. Bestehe gegen den Betroffenen kein Tatverdacht, dürfe ein Ermittlungsverfahren nicht über den Umweg des § 81g StPO zur Einleitung gelangen507. Fehle es an Tatverdacht, könne nur eine Negativprognose den Grundrechtseingriff rechtfertigen508. Es dürfe nicht zu einer unbegrenzten Erfassung teilweise bereits resozialisierter Täter509 kommen510. Teilweise wird gar davon ausgegangen, eine entsprechende Auslegung des § 81g StPO würde zu einer neuen Art der Reihenuntersuchung führen511. Ferner würde ein entsprechendes Verständnis des § 81g StPO mit den Löschungsvorschriften des BKAG in Konflikt geraten. Wenn die Daten mangels Erforderlichkeit zu löschen seien, wenn keine Straftaten mehr erwartet würden, so könne die Erhebung nicht darauf gestützt werden, dass zwar vergangene Taten aufgeklärt, aber keine neuen erwartet werden könnten. Ansonsten müssten die Daten just nach Speicherung gelöscht werden512. Weiter sei es mit Sinn und Zweck der Norm nicht in Einklang zu bringen, vergangene Taten ausreichen zu lassen. Rhetorisch fragt Beck, wozu es einer aufwendigen Prognose des künftigen Verhaltens bedürfe, wenn vergangene Taten ausreichten513. bb) Stellungnahme Ausgangspunkt einer Stellungnahme mag die Feststellung sein, dass der Wortlaut der Norm eher dafür spricht, noch nicht entdeckte Straftaten einzubeziehen. Ein
504 Sich auf BVerfG, StraFo 2009, 276 (277) = insoweit E. A. v. 10. 03. 2009 – 2 BvR 400/ 09; BVerfG, NStZ 2001, 328 (329) = BVerfGE 103, 21 (33) beziehend Hadamitzky, in: KKStPO, § 81g, Rn. 9; vgl. auch Beck, S. 185, Fn. 665; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 29, Fn. 188. 505 Vath, S. 67. 506 Vgl. Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 15; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 9; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 14; Neuser, S. 104. 507 Beck, S. 186; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 9; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 14; Vath, S. 67. 508 Beck, S. 185; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 14; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 14. 509 Dies betonend Beck, S. 185. 510 Beck, S. 185 f.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 14; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 14. 511 Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 14; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 14. 512 Neuser, S. 104 f. 513 Beck, S. 185; vgl. aber Neuser, S. 104, der davon ausgeht, eine Prognose hinsichtlich zukünftiger Taten sei schwieriger zu fällen als eine solche hinsichtlich zukünftiger Verfahren.
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„Sprachgebrauch“, der dem Wortlaut widerspricht, ist weder faktisch vorstellbar noch gegeben514. (1) Das fehlende Problembewusstsein bei Gesetzgeber und Rechtsprechung Es kann allerdings nicht geleugnet werden, dass die Prognose, in der künftige Taten prognostiziert werden, der Hauptanwendungsfall des § 81g StPO ist515. Auch die Gesetzgebungsmaterialien haben diesen Fall vor Augen516. Daraus den Schluss zu ziehen, nur künftige Taten seien Prognosegegenstand, ist jedoch genauso verfehlt wie die gegenteilige Interpretation, nach der aus der Nichterwähnung der Problematik der Schluss gezogen werden soll, vergangene, noch nicht entdeckte Taten könnten Prognosegegenstand sein, weil der Gesetzgeber sie nicht habe ausschließen wollen. Man wird die ernüchternde Feststellung treffen dürfen, dass der Gesetzgeber die Problematik nicht gesehen hat. Entsprechendes gilt für das Abstellen auf die Rechtsprechung des BVerfG und instanzgerichtliche Rechtsprechung, wie insb. Hadamitzky dies pflegt517. Zutreffend ist, dass in den zitierten Entscheidungen an einigen Stellen die Rede von künftiger Begehung von Straftaten ist oder ähnliche Formulierung gebraucht werden, die sich auf ein zukünftiges Verhalten des Betroffenen beziehen518. Dem Gebrauch dieser Formulierung können zwei Gründe zu Grunde liegen, von denen aber keiner die Annahme rechtfertigt, dass betreffende Gericht habe sich gegen die Einbeziehung von bereits begangenen Taten innerhalb der Prognose entschieden. Soweit diese Formulierung im Kontext einer konkreten Prognose fällt, mag dies der Tatsache geschuldet sein, dass bei dem konkret Betroffenen keine Anhaltspunkte für entsprechende „Alttaten“ vorliegen. Dies wird der Regelfall sein; und es ergäbe wenig Sinn, gewissermaßen floskelhaft festzustellen, dass entweder solche Alttaten zwar ausreichen würden, im konkreten Fall aber nicht ersichtlich seien, oder dass Alttaten, die überhaupt nicht ersichtlich sind, auch nicht Prognosegegenstand sein könnten. Man hat es in diesen Fällen mit einer rhetorischen Ungenauigkeit zu tun, die ihre Entschuldigung aber darin finden kann, dass sich das Problem nicht stellt. Sind Alttaten nicht ersichtlich, so macht es inhaltlich kaum einen Unterschied, ob von künftigen Verfahren oder von künftigen Taten die Rede ist, weil ein Verfahren eine Tat voraussetzt. 514
Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 56. Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 32. 516 So stützt der Gesetzgeber die Ausweitung der Anlasstaten auf nicht erhebliche Taten gerade darauf, dass es möglich sein soll, auch solche Täter zu erfassen, die künftig schwere Sexual- oder Gewaltdelikte begehen, vgl. BT-Drucks. 13/350, S. 11, 23; vgl. ferner auch BTDrucks. 13/10791, S. 5, wo i. R. d. Absonderung von Körperzellen auf eine künftige Tat abgestellt wird. 517 Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 9; ferner auch Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 57; Rackow, Kriminalistik 2001, 700 (700 f.); West, S. 68. 518 BVerfG, NJW 2001, 2320 (2321), OLG Köln, StV 2004, 640; OLG Karlsruhe, StV 2002, 60 (61); LG Berlin, StraFo 2009, 203; LG Leipzig, StraFo 2007, 464. 515
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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Anderes könnte nur gelten, soweit entsprechende Formulierungen nicht fallen im Zusammenhang mit einer konkreten Prognose, sondern im Kontext einer Auflistung der allgemeinen Anordnungsvoraussetzungen. Dies ist – angesichts des Prüfungsrahmen verständlich – insbesondere, aber nicht nur519 in den entsprechenden Entscheidungen des BVerfG anzutreffen520. Doch auch in diesen Fällen ist kein einheitlicher Sprachgebrauch festzustellen. Heißt es exemplarisch einerorts, § 81g StPO „bezweck[e] die Aufklärung künftiger Straftaten“, heißt es anderenorts, Voraussetzung der Maßnahme sei, dass Grund zur Annahme bestehen müsse, dass gegen den Betroffenen „künftig erneut Strafverfahren“ zu führen sein müssten521. Tatsächlich hatte das BVerfG mit der hiesigen Problematik nur einmal zu tun: Dabei ging es um die Frage der Auslagenerstattung im Verfassungsbeschwerde-Verfahren, nachdem der Ermittlungsrichter beim BGH von seiner Meinung, nach der vergangene Taten Prognosegegenstand sein könnten, abgerückt sein soll522. Inhaltlich Stellung zur Frage nimmt das BVerfG nicht. Rogall irrt mithin nicht, wenn er annimmt, es würden ohne Problembewusstsein künftige Straftaten in den einschlägigen Veröffentlichungen verlangt523. Genau genommen ist bereits unrichtig, diese Stimmen dem Lager derjenigen zuzurechnen, die vergangene Taten nicht als Gegenstand des Prognose-Verfahrens zulassen wollen. Es fehlt ein entsprechender Wille sich diesbzgl. zu äußern – ebenso wie dem Gesetzgeber. Dasselbe gilt freilich für den Gebrauch entsprechender Formulierungen in der Literatur524. (2) Verfassungsrechtliche Gründe Das Argument, der mit einer DNA-Analyse verbundene Grundrechtseingriff könne nur durch Anfangsverdacht oder Negativprognose gerechtfertigt werden525, greift ebenso wenig durch. Erstens kann eine Negativprognose auch darin zu sehen sein, wenn angenommen wird, dass künftig Verfahren gegen den Beschuldigten wegen noch nicht entdeckter Taten zu führen sein werden. Ob dies der Fall ist, soll aber gerade erst geklärt werden. Das Argument ist mithin nichts anderes als die Wiederholung der These. Nicht 519 Vgl. etwa LG Berlin, StraFo 2009, 203; zur Frage, ob die prognostizierte Tat typischerweise mit Spurenverursachung einhergehen muss OLG Köln, StV 2004, 640; LG Leipzig, StraFo 2007, 464. 520 Vgl. BVerfGE 103, 21 (37); NJW 2001, 2320 (2321). 521 Jeweils BVerfG, NJW 2001, 2320 (2321), ganz ähnlich BVerfGE 103, 21 (37); NStZ-RR 2007, 378; StV 2003, 1 f. 522 BVerfG, Beschl. v. 11. 03. 2004 – 2 BvR 1478/01, Rn. 3. 523 Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 31; vgl. auch Stadler-Brehm, S. 60, Fn. 357, die zu Recht dem BVerfG eine missverständliche Diktion attestiert; a. A. wohl Neuser, S. 103. 524 Vgl. etwa Altendorfer, S. 172; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 8; Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (299 f.); Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 6; Wisniewski, Die Polizei 2004, 212 (ebd., 214). 525 Vgl. Beck, S. 186; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 14; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 14.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
anders verhält es sich mit Becks rhetorischer Frage. Die aufwendige Prognose als Schutzmechanismus wird – auch entgegen Neuser526 – nicht weniger aufwendig oder schützend, wenn sie ein vergangenes Verhalten zum Gegenstand hat. Ginge man davon aus, dass mit Negativprognose die Begehung künftiger Taten gemeint ist527, so überzeugt dieses Argument vor dem Hintergrund des Grundrechtseingriff ebenso wenig. Dahinter steht die Behauptung, die Aufklärung künftiger Taten könnte den Grundrechtseingriff rechtfertigen, die Aufklärung vergangener nicht. Das überzeugt nicht, das Aufklärungsinteresse ist gleich528. Aus verfassungsrechtlichen Gründen kann eine Begrenzung auf künftige Taten daher nicht hergeleitet werden. (3) Das Verhältnis des § 81g StPO zu den §§ 81a, 81c, 81e StPO auch im Hinblick auf die Zweckbestimmungen Besonderes Gewicht ist deshalb dem Argument beizumessen, die Einbeziehung von noch nicht entdeckten Taten würde die Systematik bzw. das Zusammenspiel der §§ 81a, 81c, 81e StPO einerseits und des § 81g StPO andererseits unterminieren. Es muss aber dazu betont werden, dass zwar, sollte das Argument durchschlagen, eine Begrenzung des § 81g StPO auf künftige Taten begründet werden kann, umgekehrt im Falle des Nichtdurchschlagens daraus nicht der Schluss gezogen werden kann, die Norm müsse noch nicht entdeckte Taten erfassen. Unberechtigt sind Befürchtungen, es käme zu einer unbegrenzten Erfassung von (resozialisierten) Alttätern. Zum einen muss die Prognose – auch, wenn sie sich auf vergangenes Verhalten bezöge – positiv begründet werden. Es müssten schon Anhaltspunkte für eine vergangene Tat vorliegen. Ein Selbstläufer würde die Prognose auch dann nicht. Zweitens taugt die Betonung einer etwaigen Resozialisierung nicht. Machte man mit diesem Argument ernst, so dürften lange zurückliegende Taten, die nicht aufgeklärt werden konnten, aus Rücksicht auf eine etwaige Resozialisierung auch heute nicht aufgeklärt werden. Das wäre absurd und mit dem Legalitätsprinzip nicht zu vereinbaren. Festgestellt werden kann aber, dass es zutreffend ist, soweit davon gesprochen wird, dass nicht § 81g, sondern § 81e StPO die Zulässigkeit von DNA-Analysen in anhängigen Verfahren abschließend regele529. Die Einbeziehung vergangener, aber noch nicht aufgeklärter Taten in den Kreis der Prognosegegenstände des § 81g würde hieran aber nichts ändern, weil hinsichtlich dieser Taten typischerweise kein Verfahren existiert und ein Verfahren mithin auch nicht anhängig ist530. Hinsichtlich 526
Vgl. Neuser, S. 104. So interpretierend wohl Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 31 a. E. 528 Rackow, Kriminalistik 2001, 700 (701); vgl. auch Hasselbach, S. 111, die die Aufklärung vergangener Taten als ein gewünschtes Ergebnis bezeichnet. 529 So expressis verbis Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 15; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 14, ders., in: FS Rieß, 261 (266). 530 Neuser, S. 104. 527
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dieser Taten besteht kein Konkurrenzverhältnis zu §§ 81a, 81e StPO. Fehlt es im Hinblick auf die vergangene Tat an einem Beschuldigten, kommen §§ 81a, 81e StPO nicht in Betracht. Daran ändert sich nichts, falls man i. R. d. § 81g StPO als Prognosegegenstand Verfahren wegen vergangener Taten anerkennt. Anlass der Anordnung nach § 81g StPO ist nämlich nicht ein etwaiger Verdacht hinsichtlich der vergangenen Tat, sondern mindestens einfacher Tatverdacht hinsichtlich der Anlasstat. Hinsichtlich der Anordnungsvoraussetzungen stehen die Normen, auch bei einem weiten Verständnis der Negativprognose, weiterhin parallel zu einander531. Dasselbe gilt für § 81c StPO. Soweit ein Verfahren wegen vergangener Taten sich gegen Unbekannt oder einen anderen als den Adressaten der Maßnahme des § 81g StPO richtet, ist dieses anhängig und kann bereits deshalb nicht als Prognosegegenstand dienen532. Ist das Verfahren nicht (mehr) anhängig, so droht schon alleine deshalb über § 81g StPO keine Umgehung des § 81c StPO, weil § 81g StPO wesentlich strengere Voraussetzungen aufstellt. Maßgeblich für den Einsatz des gespeicherten DNA-Identifikationsmuster in dem künftigen Verfahren sind nicht die Anordnungsvoraussetzungen, sondern die Verwendungsregeln. Im Rahmen des § 81g StPO besagen diese, dass das gespeicherte DNA-Identifikationsmuster mit anderen Mustern auch zur Aufklärung nicht erheblicher Straftaten abgeglichen werden kann533. Das Einsatzfeld der i. R. d. § 81g StPO anfallenden Daten ist mithin grundsätzlich unabhängig von der Prognose. Eine abweichende Verwendung ist durch das Gesetz angelegt. Nichts anderes sieht i. Ü. § 81a Abs. 3 Hs. 1 StPO vor, der für § 81e StPO wie erwähnt auch gilt. Soweit die Vorschrift die Verwendung der gewonnenen Daten auch in anderen anhängigen Verfahren zulässt, gestattet sie ebenso eine Verwendung für die Aufklärung vergangener Taten – etwa in dem Fall, dass sich das Verfahren gegen Unbekannt richtet534. Ein Quervergleich mit Spuren aus vergangenen Taten ist dem Gesetz mithin keineswegs fremd. (4) Die Löschungsvorschrift wegen mangelnder Erforderlichkeit Auch die Bezugnahme auf eine Löschung der gespeicherten Daten mangels Erforderlichkeit (§ 32 BKAG a. F., § 75 Abs. 2 Var. 3 BDSG) geht fehl. Denn die Erforderlichkeit entfällt nicht eo ipso mit der Negativprognose535. Selbst wenn man dies verträte, käme man in Gefahr, mit Verknüpfung von Löschung mangels Erforderlichkeit und Negativprognose einen Zirkelschluss aufzustellen. Soweit nämlich dem Gleichsetzen von Wegfall der Negativprognose und fehlender Erforderlichkeit entgegengetreten wird, wird dabei gerade darauf verwiesen, dass damit die 531
Zutreffend Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 34. Dies verkennt Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 34. 533 Kap. 6 § 4 II. 2. a). 534 Dies ist ausreichend, vgl. nur Krause, in: LR-StPO II, § 81a, Rn. 80; Rogall, in: SKStPO I, § 81a, Rn. 126; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81a, Rn. 36 jeweils m. w. N. 535 Kap. 6 § 4 II. 4. a) aa) (3) (a). 532
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Möglichkeit ausgeschlossen würde, vergangene, aber noch nicht entdeckte Taten aufzuklären536. Das Verhältnis des einen Tatbestandsmerkmals hängt mithin stark vom Verständnis des anderen ab. Vom einen auf das andere kann daher nicht geschlossen werden, ohne eine petitio principii aufzustellen. (5) Der Wortlaut im Vergleich zu §§ 63 ff. StGB, § 112a StPO Es lässt sich das ernüchternde Ergebnis zusammenfassen, dass Argumente gegen die Einbeziehung nicht verfangen, umgekehrt solche für die Einbeziehung ebenso wenig gegeben ist. Es bleibt der nur der Rekurs auf den Wortlaut, der insgesamt aber nicht eindeutig ist. Fraglich ist daher, ob das Wortlaut-Argument an inhaltlicher Durchschlagskraft gewinnt, wenn bedenkt, dass in §§ 63 ff. StGB, § 112a StPO explizit von künftigen Taten die Rede ist. Das kann nicht angenommen werden. Denn während kein Zweifel besteht, dass § 81g StPO auch einen Beitrag zur Aufklärung vergangener Taten leisten kann, ist ebenso unstreitig, dass die Mechanismen der §§ 63 ff. StGB, § 112a StPO dies nicht können. Sowohl die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB537, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB538 als auch die Sicherungsverwahrung gem. §§ 66 ff. StGB539 und die Anordnung der Sicherungshaft wegen Wiederholungsgefahr nach § 112a StPO540 dienen der Verhinderung von Straftaten und sind damit zwingend zukunftsgerichtet. Dass dazu die DNA536
Vgl. Rackow, S. 207; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 89. Vgl. BGH, NStZ 2002, 533 (534, Rn. 5 f.): Schutz der Allgemeinheit vor auch in künftig gefährlichen Tätern; dafür und zu den anderen Schutzzwecken Fischer, StGB, § 63, Rn. 2; van Gemmeren, in: MüKo-StGB II, § 63, Rn. 1; Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 63, Rn. 1 jeweils m. w. N.; krit. Pollähne, in: NK-StGB, § 63, Rn. 28 ff. 538 BGHSt 28, 327 (322); NStZ 2000, 25 (26); NStZ-RR 1996, 257; OLG Nürnberg, NStZ 1990, 253 (253 f.); LG Du¨ sseldorf, MDR 1980, 779: Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Tätern; dafür und zu den anderen Schutzzwecken Fischer, StGB, § 64, Rn. 2; van Gemmeren, in: MüKo-StGB II, § 64, Rn. 1; Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 64, Rn. 1 jeweils m. w. N.; zur Ausrichtung der Anordnung an der öffentlichen Sicherheit BVerfGE 91, 1 (28); BGH, NStZ 2003, 86, Rn. 4; ausschließlich für den Schutz der Allgemeinheit Baur, NStZ 1990, 253 (254); krit. auch hier Pollähne, in: NK-StGB, § 64, Rn. 26 ff. 539 Hier ebenso für den Schutz der Allgemeinheit BVerfGE 2, 118 (120); 109, 133 (174); 128, 326 (377); Dessecker, in: NK-StGB, § 66, Rn. 23; Drenkhahn/Morgenstern, in: MüKoStGB II, § 66, Rn. 4; Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 66, Rn. 2 jeweils m. w. N.; von einem präventiven Charakter ausgehend auch Fischer, StGB, § 66, Rn. 19 ff.; vgl. zur Zielsetzung auch Radtke, GA 2011, 636 (637 f.). 540 Vgl. BVerfGE 35, 185 (190 f.); OLG Karlsruhe, StraFo 2010, 198 (199); Böhm, in: MüKo-StPO I, § 112a, Rn. 1, 3, 5; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 4504; Graf, in: KK-StPO, § 112a, Rn. 4: Herrmann, in: SSW-StPO, § 112a, Rn. 1; Krauß, in: BeckOK-StPO, § 112a, Vorb.; Lind, in: LR-StPO IV/1, § 112a, Rn. 10; Paeffgen, in: SK-StPO II, § 112a, Rn. 3; Posthoff, in: HK-StPO, § 112a, Rn. 1; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 112a, Rn. 1; Wankel, in: KMR-StPO, § 112a, Rn. 2: Vorbeugende Maßnahme zum Schutz der Rechtsgemeinschaft vor weiteren Straftaten; zu § 112 Abs. 3 StPO a. F., der den Haftgrund der Wiederholungsgefahr bei Sittlichkeitsdelikten normierte, ebenso BVerfGE 19, 342 (349 f.). 537
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Analytik nicht in der Lage ist, wird mit Recht hinreichend betont541. Schon deshalb, aber auch wegen der Tatsache, dass die vorbezeichneten Normen älter sind als § 81g StPO, kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber da, wo er wirklich nur künftige Taten meint, auch von künftigen Taten spricht. Umgekehrt kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Formulierung des § 81g StPO eine bewusste Abweichung zum Sprachgebrauch der Normen ist. Dafür fehlt jeder Hinweis. (6) Der Wortlaut im Vergleich zu § 16 BKAG Zutreffend ist aber, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der Negativprognose sich an § 8 Abs. 6 Nr. 1 BKAG a. F. orientiert hat542, der dem bereits angesprochenen § 16 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 lit. a BKAG entspricht. Daher ist es zutreffend, wenn Rackow die Norm das BKAG als mit § 81g StPO verwandt bezeichnet543. Allerdings fehlt es auch hier an Hinweisen, ob die sprachlich gleichlautende Formulierung „künftige Strafverfahren“ auch solche Taten mit einbezieht, die vor der Speicherung erfolgt sind. Bedacht werden muss aber, dass die Speicherung nach Vorstellung des BKAGGesetzgebers durchaus dazu in der Lage sein soll, Straftaten zu verhindern in Form der Gefahrenabwehr. Das zeigt im heutigen Recht bereits § 16 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 lit. b. Hier wäre es durchaus möglich gewesen, sich der Formulierung der §§ 63 ff. StGB, § 112a StPO zu bedienen. Da der Gesetzgeber dies unterlassen hat, ist davon auszugehen, dass dem § 16 BKAG ein weites Verständnis zugrunde liegt, sodass dort auch bereits vergangene Taten erfasst werden. Dies spricht wegen der Verwandtschaft des § 81g StPO mit dem BKAG tendenziell dafür, auch die Prognose des § 81g StPO weit zu verstehen. Kritisch ist allerdings, dass explizite Anhaltspunkte für ein weites Verständnis des BKAG fehlen. (7) Der Wortlaut im Vergleich zu § 484 StPO Es kann aber auf § 484 Abs. 2 StPO abstellt werden. Dort heißt es, dass weitere, d. h. nicht von § 484 Abs. 1 StPO erfasste, personenbezogene Daten dann in Dateisystemen gespeichert werden dürfen, soweit dies erforderlich ist, „weil wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit (…) oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass weitere Strafverfahren (…) zu führen sind“. Sieht man von der Beschränkung innerhalb des § 81g StPO auf Straftaten von erheblicher Bedeutung ab544, sind die Formulierungen im Wesentlichen identisch545. 541 BGH ErmR, Beschl. v. 23. 07. 2001 – 1 BGs 129/2001, 1 StE 4/85, abgedruckt bei Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 56; LG Frankfurt, StV 2001, 9; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 11. 542 BT-Drucks. 13/10791, S. 5. 543 Rackow, S. 99. 544 Dies aus rechtspolitischer Perspektive kritisierend Weßlau/Deiters, in: SK-StPO VIII, § 484, Rn. 12; Zöller, S. 104; vgl. auch Stuckenberg, in: FG Hilger, 25 (37 f.). 545 Dies betonen auch Gieg, in: KK-StPO, § 484, Rn. 3; Singelnstein, in: MüKo-StPO III/1, § 484, Rn. 13; Pananis, in: AnwKo-StPO, § 484, Rn. 4.
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Im Rahmen des § 484 Abs. 2 StPO geht die herrschende Meinung davon aus, dass es keine Rolle spielt, ob das angesprochene Strafverfahren wegen künftiger oder vergangener Taten geführt wird546. Sie kann sich dabei auf die Gesetzgebungsmaterialien stützen. Dort heißt es ausdrücklich, die Prognose des § 484 StPO erfasse sowohl „die Gefahr einer künftigen Straftatbegehung“ als auch die Situation, in der „Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass mit einem künftigen Verfahren wegen einer bereits begangenen Straftat zu rechnen ist“547. Es wäre verwunderlich, wenn der Gesetzgeber eine nahezu identische Formulierung in § 484 StPO anders gebrauchen würde als in § 81g StPO, zumal beide Normen aus der derselben Zeit (1998/1999) stammen, wenngleich aber nicht geleugnet werden kann, dass das ungefähre Jahr, das § 81g StPO und § 484 StPO trennt, mit einer neuen Legislaturperiode und einer Veränderung der Mehrheitsverhältnisse verbunden war. Daher spricht das Verständnis des Gesetzgebers in § 484 StPO dafür, auch die Prognose in § 81g StPO weit zu verstehen. Ein gleiches Verständnis ist nicht letztlich auch deshalb angezeigt, weil § 81g StPO lex specialis gegenüber § 484 StPO ist548. Anhaltspunkte dafür, dass die Spezialität gerade in einem anderen Verständnis der Prognose besteht, sind nicht ersichtlich. Die Vorschrift des § 484 StPO könnte auch jenseits des gleichen Sprachgebrauches beachtenswert sein, nämlich im Hinblick auf § 8 BKAG a. F., der wie erwähnt Orientierungspunkt für § 81g StPO war. Die §§ 483 ff. StPO wurden endgültig erst im Jahre 2000 Gesetz549, § 8 BKAG a. F. bereits 1997550. Obschon § 8 BKAG a. F. mithin das ältere Gesetz war, hat der Gesetzgeber im Entwurf zu § 8 BKAG a. F. auf einen Entwurf der §§ 483 ff. StPO mit Stand 12. 07. 1993 Bezug genommen551. Hätte § 484 StPO schon nach dem damaligen Entwurf eine entsprechende Prognose beinhaltet, ließe sich vorbringen, dass auch § 8 BKAG a. F. in dessen Lichte, also weit, auszulegen wäre und damit auch § 81g StPO wegen seiner Verwandtschaft mit § 8 BKAG. 546 Vgl. Gemählich, in: KMR-StPO, § 484; Rn 3; Hilger, in: LR-StPO IX, 26. Aufl., § 484, Rn. 11; Matheis, S. 326; Singelnstein, in: MüKo-StPO III/1, § 484, Rn. 12; Temming/Schmidt, in: HK-StPO, § 484, Rn. 11 a. E.; Weßlau/Deiters, in: SK-StPO VIII, § 484, Rn. 15; Wittig, in: BeckOK-StPO, § 484, Rn. 3. 547 BT-Drucks. 14/1484, S. 32. 548 BT-Drucks. 15/5674, S. 12; Beck, S. 235; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 35; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 154; Eisenberg/Singelnstein, GA 2006, 162 (181); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 18; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 24; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 12; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 65; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 78; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 12; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 29; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 41; a. A. Senge, NStZ 2001, 328 (331). 549 Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts – Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 (StVÄG 1999) v. 02. 08. 2000, BGBl. I, S. 1253. 550 Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz – BKAG) v. 07. 07. 1997, BGBl. I, S. 1650. 551 BT-DS 13/1550, S. 25 f.
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Auch wenn es angesichts der zahlreichen Entwürfe für das Achte Buch der StPO, die allesamt wieder verworfen wurden552, sich schwierig gestaltet, den Bezugspunkt genau zu bestimmten, so lässt sich festhalten, dass sowohl der Entwurf zum Änderungsgesetz 1994553 als auch der zu demselben 1996554, die jeweils Vorläufer der späteren §§ 483 ff. StPO beinhalteten555, keine Prognose enthielten, wie sie heute in § 484 StPO Gesetz ist. § 8 BKAG kann daher nicht im Lichte des heutigen § 484 StPO ausgelegt werden556. Dies tut der Argumentation, die nur § 81g StPO und § 484 StPO beachtet, indes keinen Abbruch. (8) Ergebnis Summa summarum ist festzuhalten, dass die Ansicht, die eine bereits vergangene Tat als Gegenstand des zu prognostizierenden Verfahrens zulässt, den Vorzug verdient. Während die Argumente gegen ein solches Verständnis nicht überzeugen, spricht das Zusammenspiel der §§ 81g, 484 Abs. 2 S. 1 StPO maßgeblich dafür. Auch deshalb ist der Begriff der Wiederholungsgefahr unpassend557. Er kann, wenn überhaupt, nur in Bezug auf Strafverfahren, nicht in Bezug auf Straftaten verwendet werden558. Schon deshalb kann auch von einer Rückfallprognose nicht gesprochen werden559. Weder eine Wiederholung noch ein Rückfall sind tatbestandlich zwingend zu prognostizieren.
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Überblick bei Weßlau/Puschke, in: SK-StPO VIII, Vorb. § 474, Rn. 23 ff. BT-Drucks. 13/194. 554 BT-Drucks. 13/9718. 555 Weßlau/Puschke, in: SK-StPO VIII, Vorb. § 474, Rn. 26; vgl. auch die Bezugnahme bei BT-Drucks. 14/1484, S. 16. 556 Umgekehrt entspricht aber § 484 Abs. 3 StPO dem § 8 Abs. 3 BKAG a. F., der heute § 18 Abs. 5 BKAG entspricht, vgl. BT-Drucks. 14/1484, S. 32; Gieg, in: KK-StPO, § 484, Rn. 3; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 484, Rn. 3; Pananis, in: AnwKo-StPO, § 484, Rn. 5; Wittig, in: BeckOK-StPO, § 484, Rn. 4. Für die Prognose ist das aber ohne Belang. 557 Krey/Heinrich, Rn. 818; Rackow, BewHi 2003, 78 (82); den Zusammenhang mit der Formulierung wenigstens erkennend Vath, S. 67; anderes im Kontext von § 484 Abs. 2 S. 1 StPO aber Stuckenberg, in: FG Hilger, 25 (37), der von Wiederholungsgefahr spricht, obschon bei § 484 StPO bereits begangene Taten als Verfahrensgegenstand i. R. d. Prognose ausreichend sind. 558 Die Bezeichnung „Wiederholung eines Strafverfahrens“ erzeugt Assoziationen mit dem Wiederaufnahmeverfahren und sollte deshalb i. R. d. § 81g StPO gleichfalls unterlassen werden. 559 I. E. jedenfalls LG Ingolstadt bei Lengler, SVR 2008, 246 (248); so aber etwa LG Landau (Pfalz), Beschl. v. 30. 11. 2007 – 3 Qs 157/07, Rn. 6. 553
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
b) Anzahl der Verfahren Weniger Beachtung hat erfahren, dass § 81g StPO – wiederum parallel zu § 484 StPO – von Strafverfahren, die zu führen sind, spricht – und nicht von einem Strafverfahren, das zu führen ist. Die Vorschrift ist im Plural gehalten. Eine äußerst strenge Orientierung am Wortlaut müsste mithin zu dem Ergebnis führen, dass mindestens zwei Verfahren prognostiziert werden müssten. Dazu passt aber nicht, dass dieses Verfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sein muss. Eine Straftat kann indes nicht Gegenstand mehrerer Verfahren sein. Schon alleine deshalb muss es genügen, dass ein Verfahren prognostiziert wird. Soweit ersichtlich ist dieser Problematik ausschließlich Beck nachgegangen. Zu Recht bezeichnet sie die Formulierung als missverständlich und führt aus, der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung finde seine Rechtfertigung auch dann, wenn nur ein Verfahren prognostiziert würde. Der Zweck des § 81g StPO – Identitätsfeststellung – werde auch erfüllt, wenn nur ein Verfahren geführt wird560. Da mit der Prognose mehrerer Verfahren auch mehrere Taten prognostiziert werden müssten, könnte die Maßnahme nach § 81g StPO nicht angeordnet werden, wenn dem Betroffenen die Begehung nur eines Mordes prognostiziert werden könnte, wohl aber, wenn zwei Morde in Rede stünden. Eine solche Prognose könnte wohl schon faktisch nicht getroffen werden. Zudem stünde dies im Widerspruch zu § 81g Abs. 1 S. 2 StPO, der den Fall wiederholter Tatbegehung als Spezialfall der Begehung einer Straftat von erheblicher Bedeutung regelt. Jenseits davon kann nicht ernsthaft vertreten werden, ein Aufklärungsinteresse bestünde erst bei mehreren erheblichen Straftaten. 2. Prognosekriterien Nach § 81g Abs. 1 S. 1 StPO muss die Prognose auf „der Art und Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstige[n] Erkenntnisse[n]“ fußen. Letzteres Kriterium ist ein Auffangtatbestand, der alles erfasst, was nicht Art oder Ausführung der Tat oder Persönlichkeit ist561. Die Kriterien der Tatart bzw. -ausführung und der Persönlichkeit sind mithin nur Beispiele562. Eine Begrenzung auf einzelne Kriterien kennt § 81g StPO nicht. De facto bedeutet dies, dass ein Gebot bestmöglicher Fundierung der Prognose besteht563. Die Frage, ob eine Gegebenheit 560
Beck, S. 183 f. Beck, S. 211; Hasselbach, S. 118; Neuser, S. 155, 160; Vath, S. 70. 562 Vgl. Vath, S. 70; ebenso Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 17; zust. Rogall, in: SKStPO I, § 81g, Rn. 39; West, S. 70. 563 BVerfGE 103, 21 (35 f.); NJW 2016, 2799 (Rn. 10); StV 2014, 578 (579, Rn. 11); StV 2014, 577 (578, Rn. 15); NJW 2008, 281 (281 f.); NStZ-RR 2007, 378; NJW 2001, 2320 (2321); LG Trier, Beschl. v. 21. 12. 2012 – 5 Qs 143/12, Rn. 12; LG Landau (Pfalz), Beschl. v. 30. 11. 2007 – 3 Qs 157/07, Rn. 6; Beck, S. 208; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, 561
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den Begriffen der Tatausführung oder -art oder der Persönlichkeit zu subsumieren oder doch sonstige Erkenntnis ist, betrifft, wenn überhaupt, nur akademische Interessen. Tatsächlich lassen sich manche Gegebenheiten sowohl dem einen als auch dem anderen Kriterium subsumieren. Sie sind gewissermaßen miteinander verschränkt564. Berücksichtigt werden müssen sie in jedem Fall. Auch gibt es kein hierarchisches Verhältnis der Kriterien. Verlangt werden muss stets eine Einzelfallentscheidung unter Abwägung und Einbeziehung aller relevanten Tatsachen565. Dies ergibt sich einfachrechtlich bereits aus § 81g Abs. 3 S. 5 StPO566. Gleichwohl erscheint es – auch und gerade aus praktischer Sicht – lohnend, zu untersuchen, welche regelmäßig auftretenden Lebenssachverhalte den allgemein gehaltenen Begriffen des § 81g StPO unterfallen und daher eine entsprechende Prognose stützen können. Keineswegs sind die nachfolgend behandelten Faktoren aber abschließend. a) Art oder Ausführung der Tat Mit der Formulierung „Art oder Ausführung der Tat“ statuiert der Gesetzgeber der Sache nach zwei zu berücksichtigende Kriterien: Ein allgemeines, vom Einzelfall losgelöstes sowie ein konkretes, auf den Einzelfall abzielendes. Beide Unterkriterien, Art und Ausführung, beziehen sich auf die Anlasstat567. „Art der Tat“ meint einen speziellen Deliktstyp, dem per se eine besondere Gefährlichkeit innewohnt, also z. B. Gewalt-, insb. Tötungsdelikte und Sexualstraftaten568. Es soll sich um solche Delikte handeln, die typischerweise wiederholt beRn. 1724; Krause, in: FS Rieß, 261 (283); Krehl, in: Jahn u. a., Verfassungsbeschwerde, Rn. 758; vgl. Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 10: Alle möglichen Erkenntnisquellen nutzen; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 6; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 10a; Vath, S. 68; Wisniewski, Die Polizei 2004, 212 (214). 564 Rackow, S. 101; darauf rekurrierend auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 39. 565 Vgl. BVerfGE 103, 21 (36, 37 a. E.); NJW 2016, 2799 (Rn. 10); StV 2014, 578 (579, Rn. 11); StV 2014, 577 (578, Rn. 15); StraFo 2009, 276 (277); NJW 2008, 281 (282); NStZ-RR 2007, 378; NJW 2001, 2320 (2321); OLG Ko¨ ln, NStZ-RR 2002, 306 (307); OLG Karlsruhe, StV 2002, 60 (62); LG Trier, Beschl. v. 21. 12. 2012 – 5 Qs 143/12, Rn. 11; LG Landau (Pfalz), Beschl. v. 30. 11. 2007 – 3 Qs 157/07, Rn. 6; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1724; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 6; Hero, S. 207; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 31 f.; Krehl, in: Jahn u. a., Verfassungsbeschwerde, Rn. 758; Lee, S. 101; Limbeck, S. 68 f.; Rackow, S. 101; Senge, NJW 1999, 253 (255); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12; Vath, S. 68. 566 Lee, S. 100 f.; auf die alte Rechtslage abstellend BVerfG, NJW 2016, 2799 (Rn. 11). 567 Vgl. Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 12; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 65; Fluck, Kriminalistik 2000, 479, (480); Hadamitzky, in: KKStPO, § 81g, Rn. 10; Hasselbach, S. 116; Limbeck, S. 69; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 6; Neuser, S. 156; Rackow, S. 100; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 40; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 1; Zöller, S. 115; zum ähnlichen § 8 Abs. 2 BKAG a. F. ebenso BTDS 13/7208, S. 40. 568 AG Hamburg, StV 2001, 11 (12); Altendorfer, S. 172; Beck, S. 208 f.; Bosch, in: KMRStPO, § 81g, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 12; Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1290);
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
gangen würden569, was insb. dann angenommen werden könne, wenn ein Straftatbestand gewerbs- oder geschäfts- oder bandenmäßige Begehung voraussetze570. „Ausführung der Tat“ meint dagegen das konkrete Verhalten des Täters571, auch vor oder nach der Tat572. Die Tatschwere573, die dabei angewandte Professionalität574
Hasselbach, S. 116 f.; Limbeck, S. 69; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 32; ders., in: FS Rieß, 261 (279); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 393; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 40; Stadler-Brehm, S. 64; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12; Vath, S. 69; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 17; West, S. 70. 569 Altendorfer, S. 172; Beck, S. 208 f.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 12; Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1290); Hasselbach, S. 116 f.; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 32; Limbeck, S. 69; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 393; Neuser, S. 156; Rackow, S. 101; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 40; Stadler-Brehm, S. 64; Vath, S. 69; West, S. 70; vgl. auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 22. 03. 1999 – 2 Ws 49/ 99, Rn. 39; krit. Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (297). 570 Altendorfer, S. 172; Beck, S. 208 f.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 12; Hasselbach, S. 116 f.; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 32; Limbeck, S. 69; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 393; Neuser, S. 156; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 40; Stadler-Brehm, S. 64; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12; West, S. 70; Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (297); ohne Berücksichtigung des Einzelfalles OLG Brandenburg, Beschl. v. 22. 03. 1999 – 2 Ws 49/99, Rn. 39. 571 Vgl. AG Hamburg, StV 2001, 11 (12); Altendorfer, S. 172; Beck, S. 209; Markwardt/ Brodersen, NJW 2000, 692 (695); Neuser, S. 157; Stadler-Brehm, S. 65; Vath, S. 69; Zöller, S. 115. 572 BVerfG, NJW 2001, 2320 (2322); AG Hamburg, StV 2001, 11 (12); Altendorfer, S. 172; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 67 f.; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 6.1; Hasselbach, S. 117; Limbeck, S. 69; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (695); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 393; Neuser, S. 157; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 40; Stadler-Brehm, S. 65; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12; Vath, S. 69; Walther, in: AnwKoStPO, § 81g, Rn. 17; West, S. 70; Zöller, S. 115; das Nachtatverhalten i. R. d. Persönlichkeit berücksichtigend Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1290). 573 Vgl. BVerfG, StV 2014, 578 (579, Rn. 13); NStZ-RR 2007, 378; OLG Köln, NStZ-RR 2002, 306 (307); AG Hamburg, StV 2001, 11 (12); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 6.1; König, Kriminalistik 1999, 325; Rinio, Die Polizei 1999, 318; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12; West, S. 70; Zöller, S. 115; unzutreffend aber Altendorfer, S. 172, der unter falscher Berufung auf AG Rotenburg (Wümme), StV 1999, 250 (tatsächlich vermochte das Gericht der entsprechenden Argumentation der Staatsanwaltschaft nicht zu folgen) davon ausgeht, in besonders schweren Fällen rechtfertige alleine diese Wertung – ein Faktum ist es nicht einmal – die Anordnung; ebenso Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (695). Dies ist nicht mit dem Gebot der Einzelfallwürdigung vereinbar; vgl. zutreffend Hasselbach, S. 117; Krause, in: FS Rieß, 261 (279 f.); Neuser, S. 156 f. Für eine Berücksichtigung der Tatschwere bereits bei der Tatart Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 65; Neuser, a.a. O; gegen eine Berücksichtigung Krause, in: FS Rieß, 261 (280). 574 Beck, S. 209; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 12: Planmäßigkeit; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 66; Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1290); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 32; ders., in: FS Rieß, 261 (280); Limbeck, S. 69; Neuser, S. 157; Rinio, Die Polizei 1999, 318; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12: Vorsorge gegen Entdeckung/Identifizierung; weitere Beispiele bei AG Hamburg, StV 2001, 11 (12); Hasselbach, S. 117.
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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und das Maß aufgewandter krimineller Energie575 können ebenso die Gefahr künftiger Strafverfahren begründen wie eine gewerbs- oder bandenmäßige Begehungsweise, wenn man eine solche nicht bereits dem Kriterium der Tatart subsumieren möchte576. Dasselbe gilt für den Seriencharakter einer Tat577. Umgekehrt soll eine Spontanität, welche insb. bei Beziehungstaten naheliegt578, gegen die Gefahr künftiger Strafverfahren sprechen579. Geht es in der Negativprognose um Strafverfahren, die bereits begangene Taten betreffen, kann die Verwendung eines speziellen Tatmittels (etwa einer besonderen Schusswaffe aus einer nicht (mehr) häufig verwendeten Gattung) oder aber auch der Angriff auf einen speziellen Opferkreis (etwa auf Ausländer durch Rechtsradikale oder -extremisten580) den Verdacht begründen, dass der Betroffene als Täter der noch nicht aufgeklärten Taten in Betracht kommt. b) Persönlichkeit des Betroffenen Die Persönlichkeit des Betroffenen bezeichnet dagegen die innere Tatseite581. Unter das Kriterium wird insb. gezählt, ob ein gewisser „Hang“, eine Bereitschaft des Betroffenen zur Begehung von Straftaten von erheblicher Bedeutung besteht582. 575 Altendorfer, S. 172; Beck, S. 209; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 66; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 6.1; Hasselbach, S. 117; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (695); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 393; Rackow, S. 103; Zöller, S. 115; krit. Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (297). 576 So etwa Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1290); Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 40, bei beiden Unterkriterien dies beachtend Beck, S. 208 f.; Hasselbach, S. 117; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 32. 577 Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 12; Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1290); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 32; Limbeck, S. 69; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12. 578 Vgl. OLG Oldenburg, StV 2009, 8; OLG Karlsruhe, StraFo 2001, 308 (309); LG Bamberg, StV 2003, 155 (156); LG Oldenburg, StV 2001, 7 (8); LG Hannover, StV 2000, 302 (303); LG Nürnberg-Fürth, StV 2000, 71 (72); Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 12; ders., Jura 2021, 41 (50); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12. 579 OLG Karlsruhe, StV 2002, 60 (62); LG Hamburg, StV 2017, 510; Beck, S. 209; Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1290); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 32; Neuser, S. 158; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12; i. E. verneinend OLG Rostock, Beschl. v. 11. 10. 2005 – I Ws 287/ 05, Rn. 3, 5; OLG Hamm, Beschl. v. 04. 03. 2004 – 4 Ws 722/03, Rn. 5; OLG Jena, NJW 1999, 3571; LG Arnsberg, Beschl. v. 23. 01. 2006 – 2 Qs 1/06, Rn. 12; zur Ausnahmesituation OLG Hamm, Die Polizei 2004, 182; Rackow, S. 102. 580 Zur Berücksichtigung politischer Motivation Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (695); Vath, S. 70. 581 Altendorfer, S. 172; Beck, S. 209; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 12; ders., in: SSWStPO, § 81g, Rn. 12; Hasselbach, S. 117; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 33; ders., in: FS Rieß, 261 (281); Limbeck, S. 70; Neuser, S. 157; Rackow, S. 100; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g StPO, Rn. 41; Stadler-Brehm, S. 65; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12; Vath, S. 69; zum ähnlichen § 8 Abs. 2 BKAG a. F. ebenso BT-DS 13/7208, S. 40. 582 Vgl. Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 10: Prägung; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12: Neigung.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Dieser kann sich manifestieren in Vortaten und -strafen583 und in einer schnellen Rückfallgeschwindigkeit584. Besteht zwischen zwei Taten aber ein größerer zeitlicher Abstand, steht dieser der Bejahung der Negativprognose tendenziell entgegen585. Drogensucht586, psychische Erkrankungen587 und ein zu Straftaten ermuti583
BVerfG, NJW 2016, 2799 (Rn. 12); NJW 2008, 281 (282); OLG Ko¨ ln, NStZ-RR 2002, 306 (307); OLG Karlsruhe, StV 2002, 60 (62); LG Weiden i. d. OPf., StV 2005, 494 (495); LG Dortmund, StraFo 2004, 321; LG Nürnberg-Fürth, StV 2000, 71 (72); AG Hamburg, StV 2001, 11 (12); Altendorfer, S. 172; Beck, S. 209; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 12; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 12; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 69; Fluck, Kriminalistik 2000, 479, (480); Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1290); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 6.1, 6.2; Graalmann-Scheerer, Kriminalistik 2000, 328 (334); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 10; Hasselbach, S. 117; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 33; ders., in: FS Rieß, 261 (281); Limbeck, S. 70; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (695); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 393; Neuser, S. 159; Rackow, S. 104; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 41; Senge, NJW 1999, 253 (255); Stadler-Brehm, S. 65; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12; Vath, S. 70; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 17; West, S. 70; Zöller, S. 115; zum ähnlichen § 8 Abs. 2 BKAG a. F. ebenso BT-DS 13/7208, S. 40; gegen eine Übergewichtung dieses Kriteriums Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (296). 584 Vgl. BVerfGE 103, 21 (36); StV 2022, 5, Rn. 26; NStZ-RR 2021, 252 (254); NStZ-RR 2007, 378; LG Hamburg, StraFo 2006, 376; Beck, S. 209 f.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 12; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 69; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1725; Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (296); Graalmann-Scheerer, Kriminalistik 2000, 328 (334); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 10; Hasselbach Novellierung, S. 117; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 33; ders., in: FS Rieß, 261 (281); Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (695); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 393; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 6; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 41; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 10a; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 17. 585 Vgl. Vgl. BVerfGE 103, 21 (36, 39); StV 2022, 5, (ebd., Rn. 26, 6, Rn. 30); NStZ-RR 2021, 252 (254); NJW 2001, 2320 (2321, 2322); OLG Ko¨ ln, NStZ-RR 2002, 306 (307); LG Hamburg, StV 2017, 510 (511); LG Paderborn, StV 2013, 434 (435); LG Darmstadt, Beschl. v. 28. 03. 2011 – 3 Qs 152/11, Rn. 10; LG Nürnberg-Fürth, StraFo 2009, 509 (510); LG Hamburg, StraFo 2006, 376; LG Bielefeld, StV 2005, 78 f.; LG Rottweil, StraFo 2004, 322; LG Dortmund, StraFo 2004, 321; LG Berlin, StV 2003, 610; LG Karlsruhe, StV 2003, 609; LG Freiburg, StraFo 2001, 314 (315); LG Freiburg, StraFo 2001, 205 (206); LG Freiburg, StraFo 2001, 169 (170); LG Bückeburg, StV 2001, 8 f.; LG Darmstadt, StV 2001, 107; LG Traunstein, StV 2001, 391 (392); LG Berlin StV 2001, 392; LG Aurich, StV 2000, 609; LG Bremen, StV 2000, 303 f.; LG Hannover, StV 2000, 302 (303); LG Hannover, StV 1999, 590; AG Stade, StV 2000, 304 (305); AG Hamburg, StV 2001, 11 (12); AG Rotenburg (Wümme), StV 1999, 250; vgl. auch LG Bonn, StraFo 2011, 353; LG Magdeburg, StraFo 2002, 60 f.; Altendorfer, S. 172; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1725; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 65; Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1290); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 33; Limbeck, S. 70; Malek/Wohlers, Rn. 322; Neuser, S. 159; Stadler-Brehm, S. 65; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12; Vath, S. 70; vgl. auch Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 10a; für den umgekehrten Fall LG Bremen, StraFo 2007, 58; einen Abstand von 13 Jahren hingegen für unbeachtlich erklärend KG, StraFo 2019, 455 (456). 586 BVerfG, NStZ 2001, 332; OLG Hamm, Die Polizei 2004, 182; StV 2000, 606; Beck, S. 210; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 69 a. E.; König, Kriminalistik 1999, 325; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 33; ders., in: FS Rieß, 261 (281); Limbeck, S. 70; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 393; Rinio, Die Polizei 1999, 318.
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
633
gendes persönliches und soziales Umfeld588 sind Faktoren, die die Annahme begünstigen, dass weitere Strafverfahren zu führen sind. Die Abstandnahme589 bzw. Gesundung590 des Betroffenen hingegen sind, ebenso wie gezeigte Reue und der Versuch einer Wiedergutmachung591 solche, die dagegen sprechen, soweit man ein solches Verhalten nicht bereits als Nachtatverhalten bei der Tatausführung berücksichtigen möchte. Eine besonders antisoziale Gesinnung – etwa das Vorgehen aus Habgier oder dem hemmungs- und rücksichtslosen Nachgeben etwaiger Triebe – kann die Negativprognose begründen592. Die Persönlichkeit des Betroffen kann außerdem im Nachtatverhalten zu Tage treten, wobei man dieses genauso gut der Ausführung der Tat subsumieren könnte593. Droht der Täter an, weitere Straftaten zu begehen, liefert er selbst ein Argument zur Bejahung der Negativprognose594. Auch die Beeinflussung von Zeugen kann sich entsprechend auswirken595.
587
BVerfG, NJW 2001, 2320 (2322); AG Hamburg, StV 2001, 11 (12); Beck, S. 210; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 12; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 69; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 6.1; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 33; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (695); Stadler-Brehm, S. 66; Vath, S. 70; West, S. 70; anerkennend für eine „depressive Phase“ LG Hannover, StraFo 2013, 335 (336). 588 BVerfG, NJW 2001, 2320 (2322); LG Hamburg, StraFo 2006, 376; Altendorfer, S. 172; Beck, S. 210; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 12; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 69; Fluck, Kriminalistik 2000, 479, (480); Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1290): „Szene“; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 6.1; Hasselbach, S. 117; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 33; ders., in: FS Rieß, 261 (281); König, Kriminalistik 1999, 325; Limbeck, S. 70; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (695); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 393; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 41, Fn. 226; Rinio, Die Polizei 1999, 318; Stadler-Brehm, S. 66; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12; Vath, S. 70; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 17; West, S. 70; Zöller, S. 115; zum ähnlichen § 8 Abs. 2 BKAG a. F. ebenso BT-DS 13/7208, S. 40. 589 Vgl. BVerfG, NJW 2016, 2799 (Rn. 12); NJW 2001, 2320 (2322); LG Rottweil, StraFo 2004, 322; LG Dortmund, StraFo 2004, 321; LG Bückeburg, StV 2001, 8 f.; LG Bückeburg, StraFo 2001, 67; LG Aurich, StV 2000, 609; LG Nürnberg-Fürth, StV 2000, 71 (72); Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1290); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 6.2; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 33; ders., in: FS Rieß, 261 (281); Neuser, S. 158. 590 LG Bückeburg, StraFo 2001, 67; LG Berlin, StV 2000, 303; AG Stade, StV 2000, 304 (305); Krause, in: FS Rieß, 261 (281); Neuser, S. 158. 591 BVerfG, NJW 2016, 2799 (Rn. 12); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 6.2. 592 Beck, S. 211; König, Kriminalistik 1999, 325; Rinio, Die Polizei 1999, 318. 593 Für Persönlichkeit aber Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 33. 594 Beck, S. 211 f.; Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1290); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 33. 595 OLG Rostock, Beschl. v. 11. 10. 2005 – I Ws 287/05, Rn. 5; LG Dresden, Beschl. v. 19. 02 2007 – 3 Qs 19/07, Rn. 13; AG Hamburg, StV 2001, 11 (12); Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 68; Hasselbach, S. 117, Limbeck, S. 70; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (695); Neuser, S. 157; Vath, S. 69; die dies als Nachtatverhalten der Tatausführung subsumieren; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12.
634
Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
c) Sonstige Erkenntnisse „Sonstige Erkenntnisse“ i. S. d. § 81g StPO sind einerseits kriminologische und kriminalistische Erfahrungssätze, die nicht die Art oder Ausführung der Tat betreffen und nicht dem Kriterium der Persönlichkeit des Beschuldigten unterfallen596. Ein praktisch bedeutsames Beispiel ist, soweit der Adressat der Maßnahme ein Jugendlicher oder Heranwachsender ist, die Tatsache, dass empirische Studien belegen, dass dieser Täterkreis häufig eine „strafrechtsaffine“ Phase durchlebt, die ohne größere Auswirkungen von außen wieder endet597. Dies gilt es bei der Prognose in entsprechenden Fällen ebenso zu berücksichtigen598 wie die Auswirkung der Anordnung der Maßnahme auf die Entwicklung des Jugendlichen599. Nicht ausreichend ist hingegen die pseudo-kriminalistische Annahme, Täter minderschwerer Sexualdelikte würden in der Regel gewaltsame Sexualdelikte ihren Taten folgen lassen600. Da – wie aufgezeigt – das selbst nach Ansicht der Gesetzgeber nur bei einem geringen Teil zutrifft, ersetzt diese Behauptung nicht die Überprüfung der Richtigkeit dieser These im Einzelfall. Generell gilt, dass selbst zutreffende Erfahrungssätze keine Überprüfung im Einzelfall ersetzen601. 596
AG Hamburg, StV 2001, 11 (12); Altendorfer, S. 173; Beck, S. 211; Bosch, in: KMRStPO, § 81g, Rn. 12; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 12; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 70; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 6.1; Hasselbach, S. 118; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 36; Limbeck, S. 70; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (695); Neuser, S. 160; StadlerBrehm, S. 66; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12; Vath, S. 70 f.; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 17; West, S. 70; Zöller, S. 115; den Sinn dieses Auffangtatbestandes bezweifelnd Rackow, S. 105 ff. mit der Begründung, de facto könne jede Gegebenheit den vorstehenden Kriterien subsumiert werden. 597 Vgl. BVerfG, NJW 2008, 281 (282); LG Freiburg, StraFo 2001, 205 (206); Beck, S. 212; Brunner/Dölling, JGG, Einf., Rn. 5; Eisenberg, NStZ 2003, 124 (131); ders./Kölbel, JGG, § 2, Rn. 43; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 7; genau umgekehrt bei schweren Delikten in der Jugend Altendorfer, S. 173; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 70; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (695); Ostendorf/Drenkhahn, Einl., Rn. 11; Schwind, § 3, Rn 27a; vgl. auch Höynck, DVJJ-Journal 3/2000, 287 (290). 598 Vgl. BVerfG, StV 2014, 578 (579, Rn. 13); NJW 2008, 281 (282 f.); LG Rottweil, StraFo 2004, 322; LG Freiburg, StraFo 2001, 205 (206); Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1725; Beck, S. 213 f.; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 6 a. E.; Krause, in: FS Rieß, 261 (282 f.); Krehl, in: Jahn u. a., Verfassungsbeschwerde, Rn. 765; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 7. 599 BVerfG, StV 2014, 578 (579 f., Rn. 13 f.); NJW 2008, 281 (283); Beck, S. 213 f.; Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (301); ders., NStZ 2003, 124 (131); ders./Kölbel, JGG, § 2, Rn. 42; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12. 600 LG Du¨ sseldorf, Beschl. v. 16. 10. 2015 – 7 Ns 35/15, 007 Ns 35/14, Rn. 7, 9; LG Hannover, StraFo 2013, 335 (336); LG Darmstadt, Beschl. v. 28. 03. 2011 – 3 Qs 152/11, Rn. 6 a. E.; LG Bremen, StraFo 2007, 58; LG Weiden i. d. OPf., StV 2005, 494 (495); Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 8; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1724; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12; so aber i. E. AG Bremen, NStZ-RR 2008, 346 f.; zur Widerlegung der Behauptung siehe oben Kap. 6 § 5 I. 2. b) bb) (2) (b); zu weitgehend aber LG Braunschweig, StV 2020, 460 f., das den Schluss, ein Konsument von Kinderpornographie sei geneigt, sich entsprechende Pornographika wieder zu beschaffen, nicht ziehen möchte. 601 Beck, S. 212.
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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Ferner sind als sonstige Erkenntnis konkrete Hinweise über den Betroffenen zu berücksichtigen, die nicht aus der Anlasstat stammen oder mit der Persönlichkeit zusammenhängen. Zu denken ist etwa an Berichte verdeckter Ermittler602. d) Grenzen der Prognose Auch wenn die Prognose bestmöglich fundiert getroffen werden muss, so sind ihr doch gewisse rechtsimmanente Grenzen gesetzt. Dazu zählt insb., dass Erkenntnisse, die mit einem Verwertungsverbot belegt sind, nicht zur Prognosebegründung herangezogen werden können603. Von besonderer Bedeutung ist diese Grenze, wenn Vorstrafen berücksichtigt werden. Das Verwertungsverbot des § 51 BZRG greift hier bei Tilgung bzw. Tilgungsreife der Eintragung ein604. Eine Ausnahme nach § 52 BZRG besteht nicht, wenngleich dies aus rechtspolitischer Sicht durchaus zu erwägen wäre. Ferner darf ein zulässiges Prozessverhalten, wie insb. das Abstreiten der Tat, das Schweigen, das Vorgeben eines falschen Alibis, das Stellen von auch offensichtlich nicht weiterführenden Beweisanträgen oder das Einlegen eines Rechtsbehelfs – oder mittels es sind, nicht zu Lasten des Betroffen wirken605. Darunter fällt auch die Verweigerung der Zustimmung zu der Maßnahme606. 3. Prognosemaßstab und das Verhältnis ausgewählter Prognosen zu der des § 81g StPO Von ungleich praktischerer Bedeutung ist – im Gegensatz zu Frage, welche tatsächliche Gegebenheit welchem Kriterium zu subsumieren ist – die Frage, welcher Maßstab an die Prognoseentscheidung anzulegen ist. Reicht es, dass der Richter annimmt, im konkreten Fall sei nicht auszuschließen, dass weitere Strafverfahren zu führen sein werden, oder muss dies fast sicher feststehen? Am Wortlaut des Gesetzes orientiert stellt sich die Frage: Wann besteht „Grund zu der Annahme“? 602 LG Freiburg, StraFo 2001, 205 (206); Altendorfer, S. 173; Beck, S. 211; Brodersen/ Anslinger/Rolf, Rn. 70; Hasselbach, S. 118; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 36; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 393; Neuser, S. 160; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 42; Vath, S. 71; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 17; West, S. 70; Zöller, S. 115. 603 Vgl. Vgl. BVerfGE 103, 21 (37); StV 2022, 5, Rn. 25; OLG Ko¨ ln, NStZ-RR 2002, 306 (307); OLG Karlsruhe, StraFo 2001, 308 (309); LG Trier, Beschl. v. 21. 12. 2012 – 5 Qs 143/12, Rn. 11; LG Dortmund, StraFo 2004, 321; LG Freiburg, StraFo 2001, 205 (206); Beck, S. 211; Eisenberg, Rn. 1690; Hasselbach, S. 118; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 36; Lee, S. 101; Limbeck, S. 70; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 393; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 42; Vath, S. 70; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12 a. E.; Zöller, S. 115. 604 BVerfG, StraFo 2009, 276 (277); Krause, in: FS Rieß, 261 (281); Neuser, S. 159; Rackow, S. 104. 605 OLG Karlsruhe, StraFo 2001, 308 (310); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 33; ders., in: FS Rieß, 261 (281 f.); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 12 a. E. 606 Beck, S. 211; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 36, Neubacher/Walther, StV 2001, 584 (588 f.).
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Das Recht, auch und insb. das Straf(verfahrens)recht, kennt eine Vielzahl von Situationen, in denen der Richter den Eintritt eines noch nicht sicheren Ereignisses prognostizieren muss. Man denke nur an die Aussetzung der Vollstreckung einer Strafe zur Bewährung, § 56 StGB. Auch die bereits angesprochenen §§ 63 ff. StGB, 112a StPO verlangen eine Prognoseentscheidung. Fraglich erscheint, ob die dort angewandten Maßstäbe für § 81g StPO fruchtbar zu machen sind. a) Maßstab für die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung, § 56 StGB Häufigster Gegenstand der Diskussion über den Prognosemaßstab des § 81g StPO ist die Frage des Verhältnisses der Anordnung der DNA-Identitätsfeststellung zu der Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung gem. § 56 StGB. aa) Meinungsstand Die herrschende Meinung geht davon aus, es sei nicht widersprüchlich, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe gem. § 56 StGB zur Bewährung auszusetzen und gleichzeitig dem Betroffenen zu attestieren, es bestehe Grund zur Annahme, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sein werden. Es sei daher möglich, die Negativprognose des § 81g StPO zu bejahen und die Sozialprognose des § 56 StGB zu verneinen607. Das soll sowohl für den Fall gelten, in dem zunächst die Vollstreckung gem. § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt und dann die DNA-Identitätsfeststellung angeordnet wurde, als auch im umgekehrten Fall, in dem zunächst die DNA-Identitätsfeststellung angeordnet und zeitlich später die Strafvollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Einzig ist anerkannt, dass die Anordnung der DNA-Identitätsfeststellung erhöhten Begrün607 BVerfGE 103, 21 (36 ff.); StV 2022, 5 (6, Rn. 26); Beschl. v. 29. 06. 2021 – 2 BvR 912/ 21, Rn. 9; NStZ-RR 2021, 252 (254); StV 2009, 1 (2); VerfGH Berlin, Beschl. v. 14. 02. 2006 – 34/03, Rn. 34; OLG Celle, NJW 2006, 3155 (3156); OLG Hamm, Die Polizei 2004, 182; OLG Karlsruhe, StraFo 2001, 308 (309); OLG Thüringen, NStZ 2000, 553 (554); LG Hamburg, StV 2017, 510; LG Potsdam, StV 2012, 331; LG Hamburg, StV 2008, 571 (572 f.); LG Dresden, Beschl. v. 25. 09. 2006 – 3 Qs 108/04, Rn. 23 ff.; LG Stendal, NStZ-RR 2001, 176 (178 f.); LG Frankfurt, StV 2001, 9 (10); LG Ingolstadt, NJW 2000, 759 (750); LG Go¨ ttingen, NStZ 2000, 164 f.; LG Bautzen, NJW 2000, 1207; LG Go¨ ttingen, NdsRPfl. 1999, 293 f.; AG St. Wendel, ZJJ 2010, 432; Altendorfer, S. 173; Beck, S. 192 ff.; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 17; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1725; Fluck, Kriminalistik 2000, 479 (480); Frister, in: Lisken/Denninger, Hdb. PolR, F., Rn. 312; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 7; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 10; Hasselbach, S. 114; Hero, S. 208; König, Kriminalistik 2004, 262 (264); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 28; Limbeck, S. 71; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (694); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 394; Neuhaus, in: HKGS, § 81g StPO, Rn. 6; Neuser, S. 173 f.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 45; Roxin/Schünemann, § 33, Rn. 23; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 8; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 11; Vath, S. 73 f.; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 49; Wisniewski, Die Polizei 2004, 212 (216); zu § 21 JGG LG Gera, NStZ 2000, 163; zurückhaltender LG Waldshut-Tiengen, StV 2001, 10 (11).
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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dungsanforderungen unterliegen soll, falls eine vorherige Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung erfolgt ist608. Zur Begründung heißt es zunächst, es bestünde keine Bindungswirkung der Entscheidung des einen Gerichtes an die Entscheidung des anderen609. Die Gründe der jeweiligen Entscheidung erwüchsen ohnehin nicht in Rechtskraft610. Auch verfolgten die Maßnahmen unterschiedliche Zwecke. Die Möglichkeit der Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung sei spezialpräventives Strafvollstreckungsrecht, während die Möglichkeit der DNA-Identitätsfeststellung sub specie der Effektivierung künftiger Strafverfahren zu sehen sei611. Diese Argumentation sei bereits i. R. v. § 81b StPO anerkennt und würde auch dort die These tragen, dass eine Aussetzung der Strafvollstreckung nicht der Anordnung der Maßnahme nach § 81b StPO entgegenstünde612. Ähnlich formuliert das BVerfG, zu 608 BVerfGE 103, 21 (37); StV 2022, 5, (6, Rn. 26, 29); Beschl. v. 29. 06. 2021 – 2 BvR 912/ 21, Rn. 9; NStZ-RR 2021, 252 (254); BVerfG, NJW 2016, 2799 (Rn. 12); StV 2014, 577 (578); StraFo 2009, 276 (277); StV 2009, 1 (2); StV 2003, 1 (2); LG Hamburg, StV 2017, 510; LG Potsdam, StV 2012, 331; LG Berlin, StraFo 2009, 203; AG St. Wendel, ZJJ 2010, 432; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 17; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 63; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1725; Eisenberg, Rn. 1690, Fn. 240; ders., in: FS Meyer-Goßner, 293 (300); Fröba, StraFo 2010, 483 (485); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 7; GraalmannScheerer, Kriminalistik 2000, 328 (334); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 10; Hero, S. 208; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 28; ders., in: FS Rieß, 261 (278); Limbeck, S. 71; Neuser, S. 174; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 45; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 8; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 11; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 49; selbst hiergegen wohl Beck, S. 196. 609 BVerfGE 103, 21 (36); StV 2022, 5 (6, Rn. 26); Beschl. v. 29. 06. 2021 – 2 BvR 912/21, Rn. 9; NStZ-RR 2021, 252 (254); NJW 2016, 2799 (Rn. 12); StV 2014, 577 (578); StV 2009, 1 (2); StV 2003, 1 (2); VerfGH Berlin, Beschl. v. 14. 02. 2006 – 34/03, Rn. 34; OLG Hamm, Die Polizei 2004, 182; OLG Karlsruhe, StraFo 2001, 308 (309); LG Berlin, StraFo 2009, 203; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 17; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 63; Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (299); Fröba, StraFo 2010, 483 (485); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 10; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 28; ders., in: FS Rieß, 261 (278); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 394; Neuser, S. 174; Rackow, BewHi 2003, 78 (81); Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 44; Vath, S. 74; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 49; West, S. 71; Wisniewski, Die Polizei 2004, 212 (216); Zöller, S. 117; dies betonend auch LG WaldshutTiengen, StV 2001, 10 (11). 610 BVerfGE 103, 21 (36); OLG Hamm, Die Polizei 2004, 182; OLG Karlsruhe, StraFo 2001, 308 (309); Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (299); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 28; ders., in: FS Rieß, 261 (278); Neuser, S. 174; Vath, S. 74. 611 VerfGH Berlin, Beschl. v. 14. 02. 2006 – 34/03, Rn. 34 f.; LG Dresden, Beschl. v. 25. 09. 2006 – 3 Qs 108/04, Rn. 24 f.; LG Ingolstadt, NJW 2000, 759 (750); LG Hannover, NStZ 2000, 220 f.; LG Go¨ ttingen, NdsRPfl. 1999, 293 (294); Beck, S. 195; vgl. auch Neubacher/Walther, StV 2001, 584 (587); Schneider, StV 2001, 5 (7); ähnlich OLG Karlsruhe, StraFo 2001, 308 (309); LG Frankfurt, StV 2001, 9 (10); ohne einen der Zwecke zu benennen BVerfGE 103, 21 (36 f.); Beschl. v. 29. 06. 2021 – 2 BvR 912/21, Rn. 9; NStZ-RR 2021, 252 (254); OLG Celle, NJW 2006, 3155 (3156); LG Hamburg, StV 2017, 510; Altendorfer, S. 173; Hasselbach, S. 114; dies anerkennend auch LG Waldshut-Tiengen, StV 2001, 10 (11). 612 Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (694) unter Rekurs auf BVerwG, NJW 1983, 772 (774) = BVerwGE 66, 192 (200 f.); ebenso Rackow, BewHi 2003, 78 (82).
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
beachten sei, dass unterschiedliche Rechtsfolgen ausgesprochen werden613. Es gelte ferner zu sehen, dass § 56 StGB die Erwartung verlange, dass der Verurteilte keine weiteren Straftaten begehe, während umgekehrt § 81g StPO nur „Grund zur Annahme“ voraussetze614. Überhaupt seien die jeweiligen Entscheidungen von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig615. Dass die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung unter großzügigeren Maßstäben möglich sei, lasse sich durch die gesteigerte Intensität des mit der Vollstreckung der Strafe verbundenen Grundrechtseingriffs in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG erklären616. Problematisiert wird weiter, dass § 81g StPO in Abs. 1 keine rechtskräftige Verurteilung voraussetzt. Würde man eine Entscheidung, mit der die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, als Sperre für DNA-Identitätsfeststellungen betrachten, so stünde derjenige, der rechtskräftig verurteilt wurde, besser als derjenige, bei dem die Entscheidung noch aussteht, weil nur bei letzterem die Anordnung der DNA-Identitätsfeststellung möglich wäre. Dasselbe gelte im Verhältnis von Verurteilten und wegen erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit/Verhandlungsunfähigkeit etc. nicht Verurteilten (§ 81g Abs. 4 StPO)617. Weiter widerspreche es der gesetzlichen Konzeption des § 81g StPO, in einer Aussetzung der Vollstreckung eine Sperre zu sehen. Denn erst die Tilgung einer Straftat aus dem Bundeszentralregister bewirke eine Sperre. Als Minus dazu dürfe eine Bewährungsentscheidung ebenso wenig wie ein ihr folgender Straferlass ausreichen618. Außerdem seien in die Prognose des § 56 StGB auch Kriterien einzustellen, die i. R. d. Negativprognose des § 81g StPO keine Rolle spielen sollen619 – etwa die Schadenswiedergutmachung (§ 56 Abs. 2 S. 2 StGB)620, das Strafmaß und die Strafart621. Überhaupt sei eine Bewährungsentscheidung als Prognosekriterium nicht ausdrücklich in § 81g StPO genannt622. Teilweise wird gar vertreten, i. R. d. § 81g StPO sei weitgehend offen, auf welche Kriterien die Prognose gestützt werden solle623. Mehr aus praktischer denn aus gesetzesimmanenter Sicht wird ferner argumentiert, dass eine Vollstreckungs613
BVerfGE 103, 21 (36). LG Duisburg, StraFo 1999, 202 (203); Beck, S. 195; vgl. ferner OLG Thüringen, NStZ 2000, 553 (554). 615 Wisniewski, Die Polizei 2004, 212 (215); von einem unterschiedlichen „Prognoseanlass“ spricht insofern Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (299 f.). 616 LG Stendal, NStZ-RR 2001, 176 (178); LG Duisburg, StraFo 1999, 202 (203); Beck, S. 195; Hasselbach, S. 114; dies betonend auch Wisniewski, Die Polizei 2004, 212 (213). 617 OLG Karlsruhe, StraFo 2001, 308 (309). 618 Fluck, Kriminalistik 2000, 479 (481). 619 Ohne diese zu benennen OLG Thüringen, NStZ 2000, 553 (554). 620 Hasselbach, S. 114; Vath, S. 74. 621 Zu beidem OLG Karlsruhe, StraFo 2001, 308 (309); LG Ingolstadt, NJW 2000, 759 (750). 622 So Neubacher/Walther, StV 2001, 584 (587). 623 Wisniewski, Die Polizei 2004, 212 (213), die widersprüchlicher Weise auf S. 214 selbst ausführt, es bestehe ein Gebot bestmöglicher Sachverhaltsaufklärung, welches sie auch für Prognose des § 56 StGB annimmt (dazu wiederum S. 213). 614
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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aussetzung widerrufen werden könnte, wenn die Prognose sich als falsch herausstellt; i. R. d. § 81g StPO fehle es dagegen endgültig an dem Hilfsmittel zur Aufklärung der neuerlichen Tat624. Frei von Kritik ist dieses Verständnis der Prognosen nicht625. Bosch führt aus, eine Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung bei gleichzeitiger Bejahung der Negativprognose lasse sich nur durch eine allzu großzügige Bewährungspraxis erklären626. Da dieselben Kriterien herangezogen würden, könne ein unterschiedliches Ergebnis allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn die Prognose in nicht nur unerheblichem zeitlichen Abstand hintereinander gefällt wurden und zwischenzeitlich neue Erkenntnisse vorlägen627. Teilweise wird gar ein unauflösbarer Widerspruch angenommen, wenn die beiden Prognose auf gleicher Tatsachengrundlage zu unterschiedlichen Ergebnissen kämen628. Auch das Argument, Weisungen gem. § 56c StGB könnten ein Leben frei von Straftaten erreichen, sodass er der Vollstreckung nicht bedürfe, könne nicht begründen, warum gleichzeitig die Negativprognose des § 81g StPO gegeben sein könne. Das erhöhte Entdeckungsrisiko durch die Speicherung des DNA-Identifikationsmusters hätte dieselbe Wirkung wie die in § 56c Abs. 2 StGB aufgezählten Überwachungsmöglichkeiten erreichen629. Soweit die DNA-Identitätsfeststellung erst zum Zeitpunkt der Aussetzung der Vollstreckung eines Strafrestes gem. § 57 StGB angeordnet werde, gelte es zu bedenken, dass es dem Betroffenen kaum vermittelbar sei, ihm durch die Aussetzung zuzubilligen, er würde ein Leben frei von 624
OLG Karlsruhe, StraFo 2001, 308 (309); Fluck, Kriminalistik 2000, 479 (481). Benfer/Bialon, Rn. 982; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 13; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 13; ders., Jura 2021, 41 (50); tendenziell gegen eine Bejahung der Negativprognose bei Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung Malek/Wohlers, Rn. 319. 626 Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 13; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 13; dies verteidigend Fluck, Kriminalistik 2000, 479 (480 f.). 627 Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 13; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 13; ders., StV 2008, 571 (574 f.); ders., Jura 2021, 41 (50); ohne neue Erkenntnisse nach Aussetzung zur Bewährung die DNA-Identitätsfeststellung tendenziell ebenso abl. Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 45; Zöller, S. 117; insbesondere in diesen Fällen für eine gesteigerte Begründungspflicht Krause, in: FS Rieß, 261 (278); Limbeck, S. 71; i. E. so verfahrend LG Frankenthal, NStZ-RR 2001, 19; LG Stendal, NStZ-RR 2001, 176 (179); LG Lu¨ neburg, StV 1999, 421; für eine „faktische Sperrwirkung“, solange während der Bewährungszeit kein Widerrufsgrund gegeben ist und das Gericht die Bewährung nicht widerruft LG Freiburg, NStZ-RR 2001, 47 (48); Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (300); gegenläufige Prognosen in Altfällen zu verhindern suchend Endriß/Kinzig, NStZ 2001, 299 (301). 628 LG Zweibru¨ cken, StV 2000, 304; LG Waldshut-Tiengen, StV 1999, 365 (366); Benfer/ Bialon, Rn. 982; so wohl auch Seibel/Gross, StraFo 1999, 117 (118), die die Widersprüchlichkeit gar nicht benennen, sondern die divergierenden Ergebnisse als Beispiel schlechter Rechtsanwendung für sich stehen lassen; vgl. auch Zöller, S. 117 f.; Widersprüchlichkeit annehmend bei Anordnung ohne neue Erkenntnisse LG Freiburg, NStZ-RR 2001, 47 (48); NStZ 2000, 162 f.; Kauffmann/Ureta, StV 2000, 103 (104); dies., NStZ 2000, 221. 629 Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 13; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 13; ders., Jura 2021, 41 (50). 625
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Straftaten führen, und gleichzeitig ihm Misstrauen entgegenzubringen, indem man für künftige Strafverfahren gegen ihn bereits Vorsorge betreibt630. bb) Stellungnahme (1) Prognosegegenstand und Prognosemaßstab Die Diskussion um das Verhältnis der Prognosen leidet darunter, dass nicht zwischen Prognosegegenstand und Prognosemaßstab getrennt wird. Das mag bereits an folgendem Unterschied liegen: Im Rahmen des § 56 StGB muss prognostiziert werden, dass der Betroffene keine Straftaten mehr begehen wird, i. R. d. § 81g StPO regelmäßig, dass er Straftaten begehen wird. Anders formuliert: Bei § 56 StGB ist eine positive Prognose vorteilhaft für den Betroffenen, bei § 81g StPO nachteilhaft. Zu einfach wäre es, darauf hinzuweisen, dass die DNA-Identitätsfeststellung auch der Aufklärung vergangener Taten dienen kann631, während die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung ausschließlich zukunftsgerichtet ist. Dies ist zwar der Sache nach zutreffend; jedoch stellt die Anordnung der DNA-Identitätsfeststellung zum Zwecke der Aufklärung bereits begangener, aber noch nicht entdeckter Straftaten die Ausnahme dar. Im Regelfall ist eine Maßnahme nach § 81g StPO genauso wie die Aussetzung zur Bewährung gem. § 56 StGB mit einer auf zukünftiges Verhalten des Betroffenen gerichteten Prognose verbunden. Auch wäre verfehlt mit dem LG Frankfurt632 davon auszugehen, es würde genügen, wenn in einem künftigen Verfahren der Betroffene zum Kreis der Verdächtigen gehörte, was nicht zwingend eine Tatbegehung voraussetze. So interpretiert würde i. R. d. § 81g StPO ausreichen, dass jemand Umgang mit strafrechtlich auffälligen Menschen pflegt. Dies ist aber kein von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten. (2) Regel-Ausnahmeverhältnis in §§ 81g StPO, 56 StGB Ausgangspunkt der Debatte um das Verhältnis der Prognosen kann bereits der Wortlaut der §§ 81g StPO, 56 StGB sein. Beide setzen im Ausgangspunkt ein strafrechtlich auffälliges Verhalten des Betroffenen voraus. Ein Unterschied besteht aber insofern, ein auf Freiheitsstrafe erkennendes Urteil rechtskräftig sein muss, ehe es vollstreckt werden kann (§ 449 StPO). Umgekehrt kann eine DNA-Identitätsfeststellung schon dann in Frage kommen, wenn einfacher Tatverdacht besteht. Lässt man diesen Unterschied aber beiseite und stellt die Gemeinsamkeit in den Vordergrund, so zeigt sich folgendes: Auch wenn die Hürden für die DNA-Identitätsfeststellung nicht besonders hoch sind, so muss positiv begründet werden, weshalb sie 630
Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (301). Zutreffend Zöller, S. 117; darauf abstellend etwa Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (694); Rackow, BewHi 2003, 78 (81 f.); Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 45. 632 StV 2001, 9; ebenso aber Lee, S. 99. 631
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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angeordnet werden soll. Die Speicherung des DNA-Identifikationsmusters eines Straftäters oder eines einer Straftat Verdächtigen stellt den Ausnahmefall dar. Im Regelfall erfolgt sie nicht; ein Automatismus findet nicht statt. Der Grundrechtseingriff bleibt die Abweichung von der Regel. Anders liegt die Situation i. R. d. § 56 StGB. Auch wenn es angezeigt wäre, zwischen § 56 Abs. 1 und Abs. 2 zu unterscheiden – im Anwendungsbereich des Abs. 1 ist die Aussetzung obligatorisch („setzt aus“), im Anwendungsbereich des Abs. 2 fakultativ („kann aussetzen“)633 –, so gilt es festzuhalten, dass die Vollstreckung der Strafe der Regelfall ist und die Aussetzung zur Bewährung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig. Der Grundrechtseingriff in Form der Vollstreckung ist die Regel. Isoliert betrachtet führt dies zu dem eigenartig anmutenden Ergebnis, dass – wie Beck zutreffend betont – der schwerwiegendere Grundrechtseingriff in Form einer Freiheitsentziehung eher vollzogen wird als der „bloße“ Grundrechtseingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmungsrecht. (3) Keine unterschiedlichen Prognosekriterien Dieses rechtsstaatliche Dilemma ließe sich nun lösen, indem man unterschiedliche Prognosekriterien zugrunde legen würde. Dies ist aber nicht der Fall – entgegen einiger Stimmen von Rechtsprechung und Literatur muss der nachträgliche Wiedergutmachungsversuch i. R. d. § 81g StPO ebenso berücksichtigt werden; dasselbe gilt für die Strafart und das -maß. Denn beide Prognosen verlangen eine bestmögliche Würdigung der Umstände des Einzelfalles634. (4) Zur denkbaren Divergenz der Ergebnisse der Prognosen aufgrund des Prognosemaßstabes Sind also Prognosekriterien und -gegenstand gleich, so kann nur unterschiedlicher Prognosemaßstab zu divergierenden Ergebnissen führen. Folgendes Beispiel zur Verdeutlichung635: Geht man hypothetisch davon aus, dass die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden kann, wenn eine 50 %ige Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Betroffene erneut straffällig wird (und mithin eine 50 %ige Wahrscheinlichkeit besteht, dass er es nicht tut), und wird die Vollstreckung in einer Konstellation, in der 60 % Wahrscheinlichkeit gegen, 40 % für erneute Tatbegehung sprechen, tatsächlich zur Bewährung ausgesetzt, so entstünde kein Widerspruch, wenn man für die Bejahung der Negativprognose des § 81g StPO nur eine 30 %ige 633
Groß/Kett-Straub, in: MüKo-StGB II, § 56, Rn. 53 f. Für § 56 StGB BVerfG, Beschl. v. 24. 10. 1999 – 2 BvR 1538/99, Rn. 16; Groß/KettStraub, in: MüKo-StGB II, § 56, Rn. 33; Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 56, Rn. 33; Wisniewski, Die Polizei 2004, 212 (213); für § 81g StPO schon oben Kap. 6 § 4 III. 2. m. w. N. in Fn. 563 (Kap. 6). 635 Damit soll nicht behauptet werden, dass es möglich sei, Prognosen derart mathematisch aufzuschlüsseln. Das verbietet schon ihr normativer Charakter. 634
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Wahrscheinlichkeit der erneuten Straffälligkeit verlangen würde636. Die mindestens notwendige Wahrscheinlichkeit für die DNA-Identitätsfeststellung wäre überschritten (weil 40 > 30); die mindestens notwendige Wahrscheinlichkeit, damit die Strafvollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden kann aber auch (weil 40 < 50). Ginge man hingegen davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit bei beiden Prognosen dieselbe ist (würden etwa 30 % Wahrscheinlichkeit für erneute Straffälligkeit genügen, dass die DNA-Identitätsfeststellung angeordnet werden kann und dass die Strafe vollstreckt werden muss), müssten die Prognosen tatsächlich zu demselben Ergebnis gelangen, damit sich kein Widerspruch auftut. Sollten sie in diesem Fall divergieren, spräche viel dafür, dass eine der Prognosen unrichtig ist, ohne dass damit eine Bindungswirkung begründet würde, die – das ist einzuräumen – das Gesetz nur für Entscheidungen des BVerfG (§ 31 BVerfGG) und i. Ü nicht vorsieht. Das gilt freilich auch unbeschadet der Tatsache, dass hinsichtlich der Gründe keine Rechtskraft eintritt637. Dass divergierende Interpretationen ein und desselben Gegenstands möglich sind, ohne dass damit gleich die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung in Frage gestellt wird, ist auch in anderen Bereichen des Strafverfahrensrechtes möglich. Schließlich ist anerkannt, dass i. R. d. § 249 StPO strafgerichtliche Entscheidungen, auch die Gründe, verlesen werden dürfen, solange der Richter die dargelegten Tatsachen selbst würdigt und nicht die Feststellungen des Vorrichters übernimmt638. Widersprechende Würdigungen werden damit bewusst hingenommen. (5) Besserstellung desjenigen, dessen Strafe vollstreckt wird? Warum die i. R. d. Bewährungsentscheidung anzustellende Prognose gar keine Bindungswirkung haben darf, haben das OLG Karlsruhe und das LG Ingolstadt zu begründen versucht639. Sähe man in einer Aussetzung der Vollstreckung nach § 56 StGB eine Sperre für DNA-Identitätsfeststellungen nach § 81g StPO, soll dieser Täterkreis, dem vorzuwerfen ist, einen Straftatbestand rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht zu haben, wesentlich besser bestehen als andere Betroffene. Dies gelte gegenüber denjenigen, bei denen sich die Bewährungsfrage nicht stellt, weil ihre Schuldfähigkeit, Verhandlungsfähigkeit oder Verantwortlichkeit nach dem JGG nicht erwiesen werden konnte und die daher nicht verurteilt wurden. Der, der verurteilt wurde, könnte gem. § 81g StPO nicht herangezogen werden, der, bei dem keine Verurteilung aus den in § 81g Abs. 4 StPO Gründen stattfand, hingegen schon. Das gelte – so kann man die Gerichte ergänzen – sogar gegenüber denjenigen, gegen die Anklage schon gar nicht erhoben wurde und deren Verfahren gem. § 170 Abs. 2 636
Dies verkennend Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (301). Dazu – jenseits der Hinweise in Fn. 610 (Kap. 6) – allgemein BGHSt 30, 377 (383); 43, 106 (107); NStZ 2010, 529; NStZ 2008, 685; NStZ-RR 2004, 238 (240); BGHZ 13, 265 (278 f.); KG, NStZ 2008, 357 (358); Nestler, in: MüKo-StPO III/1, § 449, Rn. 29; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Einl., Rn. 170; eingehend Bruns, in: FS Schmidt, 602 ff. 638 Diemer, in: KK-StPO, § 249, Rn. 17 m. w. N. 639 OLG Karlsruhe, StraFo 2001, 308 (309); LG Ingolstadt, NJW 2000, 749 (750). 637
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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StPO eingestellt wurde, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass diese Form der Verfahrenseinstellung der Speicherung nicht entgegensteht640. Denn bei diesem Personenkreis könnte wenigstens vorher eine Anordnung stattfinden. Der Einzige, der in der Regel noch schlechter stünde als der von der Vollstreckung Verschonte, wäre derjenige, bei dem eine Aussetzung der Vollstreckung gem. § 56 StGB nicht in Betracht kommt. Selbst dieser Täterkreis stünde nicht zwingend schlechter: Bei einem Anfangsverdacht wegen Mordes mag die Staatsanwaltschaft getrost den Verfahrensausgang abwarten. Wird der Angeklagte freigesprochen, braucht sie auf die Anordnung der DNA-Identitätsfeststellung gar nicht erst hinwirken, wird er verurteilt, muss sie nicht befürchten, ein allzu großzügiges Gericht, das Bosch vor Augen hat641, würde noch die Vollstreckung zur Bewährung aussetzen. Anders hingegen liegt die Situation bei dem des Diebstahles Verdächtigen. Zumindest bei Ersttätern ist eine Aussetzung der Vollstreckung gem. § 56 StGB wahrscheinlich. Der Staatsanwaltschaft müsste geraten werden, möglichst vor dem Urteil auf die DNA-Identitätsfeststellung hinzuwirken. Dies wäre zweifelsohne möglich, denn erst das die Vollstreckung zur Bewährung aussetzende Urteil würde der Anordnung entgegenstehen. Dass der nur Beschuldigte schlechter stünde als der Verurteilte, aber besser als der Nichtverurteilte, wäre ein schlechthin nicht hinzunehmender Umstand642. Daher – so die Konsequenz – dürfe eine Aussetzung nach § 56 StGB der Anordnung der DNA-Identitätsfeststellung nicht entgegenstehen. Diese prima facie einleuchtende Argumentation schlägt aber aus trivialen Gründen nicht durch. Selbst wenn man eine wie auch immer begründete Bindung anerkennen würde, wäre mit ihr keine Privilegierung des Verurteilten, bei die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, gegenüber anderen Gruppen verbunden. Es bestünde nur insofern ein Unterschied, als dass bei diesem eine Prognose – nämlich die Sozialprognose des § 56 StGB – überhaupt schon gestellt wäre. Davon abzusehen erscheint logisch, wenn eine Verurteilung gar nicht in Betracht kommt – etwa mangels Schuldunfähigkeit. Nach umfassender Würdigung kann der Schuldunfähige aber ebenso von der DNA-Identitätsfeststellung verschont bleiben, wenn die Voraussetzungen nicht vorliegen. Ginge man davon aus, dass die Prognosen parallel verlaufen, müsste die Prognose des § 81g StPO gleich ausfallen wie eine hypothetische, die i. R. d. § 56 StGB anzustrengen wäre. Das von der dargestellten Rechtsprechung verwandte Argument, ein Straferlass dürfe nicht der Anordnung der DNA-Identitätsfeststellung entgegenstehen, weil der Gesetzgeber die Tilgungsfristen des BZRG für maßgeblich erachtet habe, überzeugt schon deshalb nicht, weil diese grundsätzlich nur für die Anlasstat, nicht aber für die Prognose maßgeblich sind.
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Dazu schon oben Kap. 6 § 4 II. 4. a) aa) (2) (b). Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 13; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 13. 642 Vgl. schon die entsprechende Argumentation im Verhältnis von Beschuldigtem und Nichtbeschuldigten, Kap. 5 § 1; BVerfGE 44, 353 (371); Kuhlmann, DRiZ 1978, 238. 641
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
(6) Prognosemaßstab des § 56 StGB Das heißt aber nicht, dass die Prognosemaßstäbe nicht gleich verlaufen könnten. Die ganz h. M. lässt es i. R. d. § 56 StGB genügen, dass die Wahrscheinlichkeit eines straffreien Lebens größer ist als die einer neuerlichen Straftatenbegehung643. In Zahlen ausgedrückt heißt das, die Wahrscheinlichkeit erneuter Straffälligkeit muss größer oder gleich 50 % sein, damit eine Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung unterbleibt. Zweifel, ob wirklich „der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird“, wie § 56 Abs. 1 S. 1 StGB dies fordert, hindern die Aussetzung nicht, solange sie nicht überwiegen. Der Staat hat die Pflicht zum Risiko644. Die Grenze ist erst überschritten, wenn bloß „nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Verurteilte keine Straftaten mehr begehen wird“. Oder, umgekehrt formuliert: Gewissheit, dass der Verurteilte neuere Straftaten begehen wird, ist nicht erforderlich, um von einer Bewährungsentscheidung abzusehen645. Damit wird bereits kraft Gesetzes ein großzügiger Maßstab angelegt. Dabei gilt es aber freilich zu berücksichtigen, dass Weisungen (§§ 56c f. StGB) als Minus zur Vollstreckung646 das Rückfallrisiko bereits minimieren können647. An einem entsprechenden Minus fehlt es bei DNA-Identitätsfeststellung. Denn entgegen Bosch648 wirkt das mit der Speicherung verbundene erhöhte Entdeckungsrisiko nicht in demselben Maße präventiv wie eine Weisung. Man wird schwer leugnen kann, dass das Risiko erneuter Straftatenbegehung bei jemandem, der gem. § 56c Abs. 2 Nr. 4 StGB der Weisung unterliegt, nicht genehmigungspflichtige Waffen nicht zu besitzen649, gleich hoch ist wie bei einem, der die Waffe zwar führt, dessen DNAIdentifikationsmuster aber gespeichert ist. Die Vorstellung von dem Täter, der in Wut geraten die Waffe zum Einsatz erhebt und dann im letzten Moment sich der Spei643
Vgl. BGH, NStZ-RR 2005, 38; NStZ 1997, 594; BVerwGE 66, 192 (200 f.); OLG Düsseldorf, JR 2001, 202 (203); OLG Thüringen, NStZ 2000, 553 (554); LG Stendal, NStZ-RR 2001, 176 (178); Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (300); Fischer, StGB, § 56, Rn. 4a; Fluck, Kriminalistik 2000, 479 (480); König, Kriminalistik 2004, 262 (264); Ostendorf, in: NKStGB, § 56, Rn. 23; Wisniewski, Die Polizei 2004, 212 (213); dem zustimmend, wenngleich dem Begriff der Erwartung eine höhere Wahrscheinlichkeit beimessend Groß/Kett-Straub, in: MüKo-StGB, 56, Rn. 24. 644 So ansprechend Ostendorf, in: NK-StGB, § 56, Rn. 23. 645 BGH, NStZ 1997, 594. 646 Das ergibt sich aus dem Gedanken, dass die Weisungen den Zweck verfolgen, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe abzuwenden, dazu BVerfGE 83, 119 (127). 647 Fischer, StGB, § 56, Rn. 4; v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 56, Rn. 5; Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 56, Rn. 17; s. auch Boetticher et al., NStZ 2006, 537 (421). 648 Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 13; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 13; ders., Jura 2021, 41 (50). 649 Beispiel nach Ostendorf, in: NK-StGB, § 56c, Rn. 10.
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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cherung seines DNA-Identifikationsmusters und der damit verbundenen erhöhten Entdeckungswahrscheinlichkeit erinnernd vom Einsatz absieht, ist wohl eher Utopie. (7) Prognosemaßstab des § 81g StPO Eine entsprechend hohe Wahrscheinlichkeit erneuter Straftatenbegehung ist i. R. d. § 81g StPO nicht erforderlich. In den Gesetzgebungsmaterialien heißt es zur Negativprognose des § 81g StPO: „Diese ,Negativprognose‘ entspricht derjenigen in § 8 Abs. 6 Nr. 1 des Bundeskriminalamtgesetzes“650. Jener § 8 Abs. 6 (S. 1) Nr. 1 BKAG a. F., der dem heutigen § 16 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 lit. a) BKAG entspricht, gleicht dem § 81g StPO – mit dem Unterschied, dass der Prognosegegenstand im BKAG nicht auf Straftaten von erheblicher Bedeutung beschränkt ist. Dier § 8 Abs. 6 BKAG a. F. war wiederum an § 8 Abs. 2 BKAG a. F. orientiert651. Die Vorschriften unterschieden sich insofern, als dass § 8 Abs. 6 BKAG a. F. die Speicherung in Dateien regelte; es handelte sich mithin um eine Sonderregelung zu Abs. 2652. Zu § 8 Abs. 2 BKAG a. F. heißt es, es genüge nicht jeder theoretische Grund. Stattdessen müssten konkrete Tatsachen vorliegen653. Damit ist erst einmal nur die Fundierung der Prognose angesprochen, die über das geforderte Maß an Wahrscheinlichkeit nichts aussagt. Schließlich kann aus subjektiver Sicht des Entscheidenden das höchste Maß an Wahrscheinlichkeit gegeben sein, gerade weil die Entscheidung nicht fundiert ist. Ein einfaches Beispiel wäre das Richter, der davon überzeugt ist, dass der Angeklagte der Dieb ist, weil jener entsprechend vorbestraft ist und Diebe seiner Erfahrung nach mehrfach strafrechtlich in entsprechender Weise in Erscheinung treten. Weiter heißt es jedoch, „[e]s reiche aus, wenn als Ergebnis der vorliegenden Anhaltspunkte nach allgemeinen Erfahrungswerten (z. B. kriminalistischer Erfahrung) die Möglichkeit best[ünde]“, dass künftig gegen den Betroffenen Strafverfahren zu führen sein werden654. Auch wenn die Begriffe der Möglichkeit und der Erwartung in § 56 StGB stark normativ und Interpretation zugänglich sind, so lässt sich doch festhalten, dass eine Möglichkeit weniger ist als eine Erwartung. Die Möglichkeit erneuter Straftatenbegehung reicht im Bewährungsrecht gerade nicht aus, um zu die Freiheitsstrafe zu vollstrecken. Eine solche besteht auch, wenn das Gericht die Wahrscheinlichkeit eines straffreien Lebens für größer erachtet. Der Prognosemaßstab des § 81g StPO bleibt mithin hinter dem des § 56 StGB zurück.
650 651 652 653 654
BT-Drucks. 13/10791, S. 5. Vgl. BT-Drucks. 13/1550, S. 26. Ahlf, in: Ahlf/Daub/Lersch/Störzer, BKAG, § 8, Rn. 14. BT-Drucks. 13/1550, S. 25. BT-Drucks. 13/1550, S. 25.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
(8) Zwischenfazit Es erscheint daher möglich, die Negativprognose des § 81g StPO zu bejahen und gleichzeitig die Vollstreckung einer Strafe zu Bewährung auszusetzen. Ein Widerspruch innerhalb der Rechtsordnung besteht auch dann nicht, wenn den Prognosen dieselben Tatsachen zugrunde liegen. Auf eine „falsche“ Prognose deutet dies nicht hin. cc) Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bei gleichzeitiger Verneinung der Negativprognose Seltener tritt der Fall auf, dass die Negativprognose nicht gestellt werden kann, aber gleichwohl die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung ebenso nicht beschlossen werden kann. Dies ist möglich, und die Begründung hierfür erscheint einfacher. Denn die Negativprognose des § 81g StPO muss auf Straftaten von erheblicher Bedeutung beziehen655. Kann einem Exhibitionisten etwa (nur) attestiert werden, dass er in Zukunft weitere Straftaten nach § 183 StGB begehen wird, wird dies – auch unter Berücksichtigung des § 81g Abs. 1 S. 2 StPO – kaum ausreichen, um die Negativprognose des § 81g StPO zu bejahen, wohl aber ermöglicht es, i. R. d. Bewährungsentscheidung davon auszugehen, dass es der Einwirkung des Strafvollzuges bedarf. b) Maßstab der §§ 63 ff. StGB Teilweise wird ferner vertreten, es könne auf den Maßstab für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB), in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) oder der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) zurückgegriffen werden656. Das hieße, dass eine „Wahrscheinlichkeit höheren Grades“ bestehen muss657. Soweit die Heranziehung des Maßstabes der §§ 63 ff. StGB begründet wird, heißt es, dies würde eine „justitiable Schranke“ der Anordnung gem. § 81g StPO einführen. Sollte die Praxis damit fortfahren, ohne hinreichende Fundierung die Negativprog655 Krause, in: FS Rieß, 261 (278); ders., in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 28 unter Berufung auf LG Berlin v. 31. 05. 2000 – 503 Qs 29/00 (nicht veröffentlicht); Limbeck, S. 71. 656 Vgl. etwa LG Gera, NStZ 2000, 163; LG Zweibru¨ cken, StV 1999, 303; Senge, NJW 1999, 253 (255); vgl. auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 11; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 11; Endriß/Kinzig, NStZ 2001, 299 (301); für die entsprechende Anwendung des § 62 StGB Neubacher/Walther, StV 2001, 584 (587 ff.); zutreffend hiergegen Beck, S. 189 mit dem Argument, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei ohnehin bei allen staatlichen Zwangsmaßnahmen zu beachten. 657 S. etwa für § 63 StGB BGH, Beschl. v. 28. 07. 2021 – 1 StR 190/21 = BeckRS 2021, 28971, Rn. 15; NStZ-RR 2021, 371 (371); NStZ-RR 2006, 136; NStZ-RR 2005, 303; NStZ-RR 2003, 232; vgl. auch LG Duisburg, StraFo 2002, 202 (203).
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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nose zu bejahen, sei die Heranziehung des Maßstabes der §§ 63 ff. StGB ein Weg, verfassungsrechtlich notwendige Konturen einzuhalten658. Verwirrend in diesem Zusammenhang erscheint, dass teilweise nicht von einer Übernahme des Maßstabes, sondern von einer Heranziehung der zu §§ 63 ff. StGB entwickelten Kriterien die Rede ist659. Soweit es um die bloße Heranziehung der Kriterien geht, erscheint dies unzweifelhaft. Bereits die Prognose des § 81g StPO ist nicht beschränkt auf einzelne Kriterien, sondern verlangt eine umfassende Würdigung des Einzelfalles660. § 63 S. 1 StGB verlangt ebenso eine Gesamtwürdigung von Täter und Tat, ebenso § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB. Auch i. R. d. § 64 StGB ist eine umfassende Gesamtwürdigung vorzunehmen, wenngleich der Wortlaut dies im Gegensatz zu §§ 63, 66 StGB nicht expressis verbis vorsieht661. Die Auswahl der Prognosekriterien unterscheidet § 81g StPO von den §§ 63 ff. StGB mithin nicht. Eine andere Frage ist, ob der entsprechende Maßstab derselbe ist, mithin, ob auch i. R. d. § 81g StPO eine erhöhte Wahrscheinlichkeit zu fordern ist. Mit Recht verneint dies die herrschende Meinung662. Auch von den Befürwortern des Rekurses auf §§ 63 ff. StGB wird eingestanden, dass der Wortlaut des § 81g StPO nur „Grund zu der Annahme“ verlangt – und nicht eine besondere Wahrscheinlichkeit663. Fraglich erscheint ferner, ob einer Gleichsetzung der Maßstäbe der unterschiedliche Zweck der Maßnahmen entgegensteht664. Wie aufgezeigt dienen zwar §§ 63 ff. StGB der Verhinderung und § 81g StPO der Aufklärung von Straftaten. Das schlösse aber nicht zwingend aus, an die Speicherung des DNA-Identifikationsmusters nach § 81g StPO dieselben strengen Maßstäbe anzulegen wie an die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus etc.665. Verfassungsrechtlich geboten erscheint dies keineswegs. Die Eingriffsintensität von freiheitsentziehenden Maßnahmen nach §§ 63 ff. StGB ist ungleich höher als die der Speicherung auch des DNA-Identifikationsmusters666. Selbst wenn der Vorwurf 658
Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 11; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 11. LG Gera, NStZ 2000, 163. 660 Vgl. dazu Kap. 6 § 5 III. 2. m. w. N. in Fn. 563 (Kap. 6). 661 Vgl. nur van Gemmeren, in: MüKo-StGB II, § 64, Rn. 55; Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 64, Rn. 12. 662 OLG Karlsruhe, StraFo 2001, 308 (309); LG Duisburg, StraFo 2002, 202 (203); LG Heilbronn bei Fluck, Kriminalistik 2000, 479 (480); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 10; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (694); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 8; Stadler-Brehm, S. 61; Senge, NStZ 2001, 328 (332). 663 Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 11; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 11. 664 So OLG Karlsruhe, StraFo 2001, 308 (309); Beck, S. 190; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (694). 665 So aber Beck, a. a. O. 666 Zutreffend LG Heilbronn bei Fluck, Kriminalistik 2000, 479 (480); Stadler-Brehm, S. 61; vgl. für § 63 StGB die Eingriffsintensität betonend BGH, NStZ-RR 2021, 371 (371). 659
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Boschs zuträfe, dass die Praxis dazu neige, vorschnell und ohne gründliche Prüfung der Voraussetzungen § 81g StPO anzuwenden, würde eine Verschärfung des Maßstabes daran nichts ändern. Dieser kann freilich genauso angewendet werden. Fehler bei der Anordnung sollten nicht durch der Sache nach unnötige Verschärfungen des Gesetzes, sondern durch die Beschwerdegerichte und ggf. durch das BVerfG überwunden werden. Dies geschieht auch, was die Vielzahl der erfolgreichen (Verfassungs-) Beschwerden zeigt, die auf einer unzureichenden Begründung der Negativprognose gründen. Da es dem Gesetzgeber bei der Implementierung der Speichermöglichkeit gerade darauf ankam, ein möglichst effektives Mittel zur Aufklärung von Straftaten zu erschaffen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er dieses ohne verfassungsrechtliches Gebot dem strengen Regime der §§ 63 ff. StGB unterwerfen wollte. Der Ansicht, die eine „erhöhte Wahrscheinlichkeit“ fordert, kann mithin nicht gefolgt werden. Zu verweisen ist ferner darauf, dass es systematisch inkonsistent wäre, den Maßstab der §§ 63 ff. StGB anzulegen, wenn bereits jener des § 56 StGB nicht erreicht wird. Liegen die höheren Voraussetzungen der §§ 63 ff. StGB aber vor, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Negativprognose des § 81g StPO ebenso gestellt werden kann. Der Haft- oder Maßregelvollzug steht dem jedenfalls nicht entgegen, da auch hier Straftaten begangen werden können667. c) Maßstab für den Erlass eines Haftbefehls wegen Wiederholungsgefahr, § 112a StGB Wie schon die §§ 63 ff. StGB ist auch § 112a StPO bereits i. R. d. Diskussion um bereits begangene Taten als Gegenstand des Prognose-Verfahrens angesprochen worden668. Und wie die §§ 63 ff. StGB nach unzutreffender Ansicht als Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Prognosemaßstabes des § 81g StPO herangezogen sollen, wird auch vertreten, dass der Maßstab an die Prognose des § 81g StPO anzulegen sei, der auch bei der Entscheidung über den Erlass eines Haftbefehles wegen Wiederholungsgefahr gem. § 112a StPO anzulegen ist. Dies hieße ebenso, dass eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit erneuter Tatbegehung erforderlich wäre669.
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BVerfGE 103, 21 (39 f.). Kap. 6 § 5 III. 1. a) bb) (6). 669 BT-Drucks. 6/3248, S. 7; OLG Köln, StraFo 2019, 67 (68); OLG Thüringen, StV 2014, 750 (751); OLG Karlsruhe, StraFo 2010, 198 (199); OLG Frankfurt a. M., StV 2010, 583 (584); KG, StV 2009, 83; OLG Thüringen, StV 2009, 251 (252); OLG Dresden, StV 2006, 534 (535); Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 4510; Böhm, in: MüKo-StPO I, § 112a, Rn. 50; Graf, in: KK-StPO, § 112a, Rn. 19; Krauß, in: BeckOK-StPO, § 112a, Rn. 13; Lammer, in: AnwKo-StPO, § 112a, Rn. 7; Laue, in: HK-GS, § 112a StPO, Rn. 3; Hilger, in: LR-StPO IV/1, § 112a, Rn. 60; Paeffgen, in: SK-StPO II, § 112a, Rn 16; Posthoff, in: HK-StPO, § 112a, Rn. 16; 668
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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Soweit ersichtlich, wird dieser Ansatz ausschließlich von Schneider vertreten. Er begründet die Heranziehung des Maßstabes des § 112a StPO i. R. d. § 81g StPO damit, dass beide Maßnahmen der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung dienen sollen und präventiver Natur seien670. Ebenso wenig wie die Heranziehung der Maßstäbe der §§ 63 ff. StGB überzeugt die Anknüpfung an § 112a StPO. Es ist bereits zu pauschal, davon zu sprechen, beide Maßnahmen würden sich dadurch auszeichnen, dass sie der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung dienen. In der Sache ist dies zutreffend; wie aber bereits betont dient die Sicherungshaft gem. § 112a StPO ausschließlich der Verhinderung von Straftaten, während die DNAIdentitätsfeststellung nach § 81g StPO der Aufklärung von Straftaten dient. Verhindern kann sie keine. Gegen die Anknüpfung an den Maßstab des § 112a StPO spricht ferner ein Vergleich der übrigen Anordnungsvoraussetzungen. Gemein haben § 81g StPO und § 112a StPO, dass sie keine rechtskräftige Aburteilung der Anlasstat voraussetzen. Im Übrigen gilt es aber zu sehen, dass § 112a StPO hinsichtlich der Anlasstaten dringenden, § 81g StPO nur einfachen Tatverdacht voraussetzt. Weiter setzt der Haftgrund der Wiederholungsgefahr gravierende Anlasstaten voraus. Geht es um die nur einmalige Tat i. R. d. § 112a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO, reichen nur erhebliche Sexualdelikte sowie (erfolgs-)qualifizierte Fälle der Nachstellung aus. Umgekehrt verlangt § 81g StPO zwar eine Straftat von erheblicher Bedeutung; dass mit diesem Erfordernis keine erhebliche Beschränkung des Anwendungsbereichs der DNAIdentitätsfeststellung erfolgt, wurde aber dargelegt671. Außerdem ist als Anlasstat i. R. d. § 81g StPO jede Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung ausreichend. Geht es dagegen um wiederholte Tatbegehungen, die i. R. d. § 81g StPO sogar bei nicht erheblichen Straftaten ausreichen können, genügt i. R. d. § 112a Abs. 1 StPO zum einen nur die wiederholte Begehung ausgewählter Straftaten, die teilweise (etwa die §§ 306 ff. StGB) zweifelsohne Straftaten von erheblicher Bedeutung sind, und dies zusätzlich auch nur dann, wenn diese Taten die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigen. Gerade letzteres Erfordernis führt zu einer erheblichen Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 112a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO672. In diesen Fällen muss außerdem eine Freiheitsstrafe von mehr (!) als einem Jahr erwartet werden. Fasst man zusammen, so stellt § 112a StPO bereits hinsichtlich der Anlasstaten erhebliche strengere Voraussetzungen auf als § 81g StPO. Dies erscheint im Hinblick auf die Eingriffsintensität der jeweiligen Maßnahmen auch folgerichtig. Wankel, in: KMR-StPO, § 112a, Rn. 11; vgl. auch Tsambikakis, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 112a, Rn. 18. 670 Schneider, StV 2001, 5 (7). 671 Kap. 6 § 5 I. 3. 672 Böhm, in: MüKo-StPO I, § 112a, Rn. 40.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Die Untersuchungshaft ebenso wie die Sicherungshaft nach § 112a StPO stellen einen erheblichen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 2, 104 GG dar673. Einmal vollzogen, kann sie zwar für die Zukunft aufgehoben werden; die Zeit, die der Betroffene u. U. zu Unrecht als Unschuldiger hat in Haft verbringen müssen, kann aber nicht zurückgegeben werden. Im Hinblick auf die Unschuldsmutung gilt: Untersuchungshaft ist „Einsperren auf Verdacht“674 bzw. „Freiheitsberaubung gegenüber einem Unschuldigen“675. Entsprechend muss die Anordnung von Untersuchungshaft rechtsstaatliche ultima ratio sein676. Das gilt es recht, wenn sie nicht der Verfahrenssicherung, sondern wie § 112a StPO „nur“ der Sicherung der Allgemeinheit vor einem Bürger dient677, dessen Gefährlichkeit u. U. mangels Vorstrafen noch nicht einmal rechtskräftig festgestellt wurde. Die Folgen einer zu Unrecht vorgenommenen Speicherung nach § 81g StPO sind dagegen verhältnismäßig simpel umkehrbar – durch Löschung. Ein bleibender Schaden entsteht nicht. Nicht zu vergleichen ist der Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, der mit der Anordnung einhergeht, mit dem Eingriff in die persönliche Freiheit i. R. d. Sicherungshaft. Letzterer zeichnet sich durch eine erheblich höhere Intensität aus. Bestehen für die strengen Anforderungen des § 112a StPO mithin verfassungsrechtliche Gründe – für die DNA-Identitätsfeststellung sind solche nicht auszumachen. Folgerichtig ist der Gesetzgeber bei den entsprechenden Anlasstaten i. R. d. § 81g StPO hinter den Anforderungen des § 112a StPO zurückgeblieben. Entsprechendes gilt für den notwendigen Verdachtsgrad. Sind bereits diese Voraussetzungen 673 BVerfGE 19, 342 (347); 35, 185 (188 ff.); 53, 152 (158 f.); Böhm, in: MüKo-StPO I, § 112, Rn. 1; Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 2, Rn. 49; Graf, in: KK-StPO, Vorb. §§ 112 ff., Rn. 6; Krauß, in: BeckOK-StPO, § 112, Rn. 1; Laue, in: HK-GS, § 112 StPO, Rn. 1; Lind, in: LR-StPO IV/1, Vorb. § 112, Rn. 33; Paeffgen, in: SK-StPO II, Vorb. §§ 112 ff., Rn. 9; Posthoff, in: HK-StPO, Vorb. §§ 112 ff., Rn. 6; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 1, Art. 2, Rn. 240; Tsambikakis, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 112, Rn. 7; vgl. ferner BVerfG, NJW 2012, 513 ff.; NJW 2006, 668 ff. 674 Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 2, Rn. 49. 675 Hassemer, StV 1984, 38 (40); krit. hierzu aber Lind, in: LR-StPO IV/1, Vorb. § 112, Rn. 19. 676 KG, StV 2014, 26 (27); Herrmann, in: SSW-StPO, Vorb. §§ 112 ff., Rn. 16; Krauß, in: BeckOK-StPO, § 112, Rn. 1; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, Art. 2 GG, Rn. 240; vgl. auch BVerfGE 19, 342 (348) unter Anknüpfung an eine entsprechende Richtlinie des Europarats; Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 2, Rn. 50: Ausnahmemaßnahme. 677 BVerfGE 19, 342 (349 f.); 35, 185 (191); KG, Beschl. v. 28. 02. 2012 – 4 Ws 18/12, Rn. 6; NStZ-RR 2010, 291; Böhm, in: MüKo-StPO I, § 112a, Rn. 1; Graf, in: KK-StPO, § 112a, Rn. 4; Herrmann, in: SSW-StPO, § 112a, Rn. 1 f.; Krauß, in: BeckOK-StPO, § 112a, Vorb.; Lammer, in: AnwKo-StPO, § 112a, Rn. 1; Laue, in: HK-GS, § 112a StPO, Rn. 1; Lind, in: LRStPO IV/1, Vorb. § 112, Rn. 31; § 112a, Rn. 10; Meinen, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. IV, Rn. 89; Paeffgen, in: SK-StPO II, § 112a, Rn. 3; Posthoff, in: HK-StPO, Vorb. §§ 112 ff., Rn. 9; § 112a, Rn. 1; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 112a, Rn. 1; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 2, Rn. 248; Tsambikakis, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 112a, Rn. 2; Wankel, in: KMR-StPO, § 112a, Rn. 2.
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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i. R. d. § 81g StPO wesentlich weniger streng als i. R. d. § 112a StPO, so ist kein Grund ersichtlich, weshalb ausgerechnet der Prognosemaßstab des § 112a StPO an die Prognose des § 81g StPO angelegt werden sollte. Schneiders Ansicht ist daher abzulehnen. d) Maßstab des § 8 Abs. 6 i. V. m. Abs. 2 BKAG a. F. oder Maßstab sui generis? Bereits i. R. d. der Untersuchung des Verhältnisses von Bewährungs- und Negativprognose ist darauf eingegangen worden, dass der Gesetzgeber sich bei der Schaffung des § 81g StPO an § 8 Abs. 6 i. V. m. Abs. 2 BKAG a. F. orientiert hatte678. Die h. M. greift dies auf, soweit sie i. R. d. § 81g StPO verlangt, es müsse die Möglichkeit bestehen, dass zukünftige Strafverfahren zu führen sind679. Teilweise wird trotz der expliziten Bezugnahme auf das BKAG in den Gesetzgebungsmaterialien davon abgesehen, den beschriebenen Maßstab aufzugreifen. Dies wird damit begründet, dass die Prognose des § 81g StPO sich im Gegensatz zu der des § 8 BKAG a. F. auf Straftaten von erheblicher Bedeutung beziehen müsse680. Dies betont auch Beck, die die Orientierung an § 8 BKAG a. F. aber nicht leugnet. Ihr zufolge soll deshalb ein Maßstab sui generis anzuwenden sein, der sich dem des BKAG „stark annähere“.681 Im Gegensatz dazu erkennt Neuser die Orientierung am BKAG an, verlangt gleichwohl im Hinblick auf die Grundrechtsintensität der DNAIdentitätsfeststellung, die eine Steigerung erfahre durch die Tatsache, dass sie nicht der Aufklärung einer „gegenwärtigen“ Straftat diene, eine höhere Wahrscheinlichkeit682. Das LG Stendal begründet ferner seine Ablehnung einer Orientierung an § 8 BKAG a. F. damit, dass das BKAG keine Zulässigkeitserweiterung gegenüber strafrechtlichen Vorschriften darstelle, „die für sich die weitere Aufbewahrung gestatte[te]n“.683 Diese Argumentation geht indes bereits deshalb fehl, weil die „Aufbewahrung“ – gemeint ist wohl die Speicherung – zwar in § 81g StPO ermöglicht wird, die weitere Verarbeitung aber sich nach dem BKAG richtet. Ferner führt eine Orientierung am
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Erneut BT-Drucks. 13/10791, S. 5. OLG Köln, NStZ-RR 2002, 306 (307); OLG Karlsruhe, StraFo 2001, 308 (309); LG Frankfurt, StV 2001, 9 f.; Altendorfer, S. 171; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 55; Fluck, NJW 2001, 2292 (2993) ders., Kriminalistik 2000, 479 (480); Hasselbach, S. 112; Kauffmann/Urtea, StV 2000, 103 (104); Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (694); Rackow, S. 86 ff.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 37; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 11; Vath, S. 71 f.; West, S. 71; vgl. ohne Rekurs auf das BKAG Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 394; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 16. 680 Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 27; ders., in: FS Rieß, 261 (277 f.). 681 Beck, S. 197 f. 682 Neuser, S. 148, 152 f.; dies betonend auch LG Freiburg, NStZ 2000, 162 f. 683 LG Stendal, NStZ-RR 2001, 176 (178). 679
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
BKAG nicht zu einer Zulässigkeitserweiterung, weil die DNA-Identitätsfeststellung freilich nur auf § 81g StPO gestützt werden kann. Die Ansätze, die im Hinblick auf das Erfordernis einer Straftat von erheblicher Bedeutung i. R. d. Negativprognose des § 81g StPO einen Maßstab sui generis verlangen, leiden unter der Vermischung von Prognosegegenstand und Prognosemaßstab. Denn freilich ist es möglich, dasselbe Maß an Wahrscheinlichkeit zu verlangen, ohne sich dabei auf dasselbe Ereignis zu beziehen684. Ihre Richtigkeit unterstellt würden einzig die verfassungsrechtlichen Argumente Neusers überzeugen. Denn freilich ist der aus vier Worten bestehende, als Einheit zu verstehende Begriff „Grund zu der Annahme“ ein unbestimmter Rechtsbegriff, der verfassungskonform ausgelegt werden kann und muss. Indessen überzeugt die Prämisse nicht, die DNA-Identitätsfeststellung zeichne sich gegenüber der einfachen Speicherung nach § 8 BKAG a. F. durch eine derart erhöhte Eingriffsintensität aus, dass dieses zu einer anderen Auslegung zwingen würde mit dem Ergebnis der Voraussetzung einer erhöhten Wahrscheinlichkeit. § 16 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 lit. a BKAG erlaubt bspw. die Speicherung von Tätowierungen685. Nun ist die Tatsache des Vorhandenseins eines Tattoos sicherlich ein personenbezogenes Datum, das auch deshalb eines Schutzes bedarf, weil es einem Menschen lange, wenn nicht lebenslang anhaftet und je nach Stelle und individuellen Besonderheiten eine Identifizierung ermöglicht; ferner aber u. U. auch eine Zuschreibung der bestanden oder noch bestehenden Angehörigkeit des Trägers zu einer Gruppe/Bande/Gang etc. Nicht nur im Hinblick auf die Tatsachen, dass für ein Tattoo der Träger sich einmal selbst entschieden hat, für seine DNA hingegen nicht, dass DNA auch abgesondert werden kann, ohne dass dies gewollt ist, das Tattoo verborgen werden kann, dass aus einem DNA-Identifikationsmuster mehr Informationen gewonnen werden können als aus einem Tattoo686, wird unbestritten sein, dass ein DNA-Identifikationsmuster ein sensibleres Datum ist als die Tatsache eines Tattoos. Das Spricht für Neusers Ansatz. Jedoch ist das Erfordernis einer erhöhten Wahrscheinlichkeit nicht das einzige Instrumentarium, mit dem der erhöhten Sensibilität Rechnung getragen werden kann. Der Gesetzgeber hat sich auf andere entschieden. Bereits der Prognosegegenstand – Verfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung – geht weiter als § 16 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 lit. a BKAG. Dasselbe gilt für die Anordnungsvoraussetzung, und zwar materiell wie formell, denn § 16 BKAG sieht weder einen Richtervorbehalt noch eine besonders ausgestalte Begründungspflicht vor687. Sieht man mithin, dass der Gesetzgeber den verfassungsrechtlichen Bedürfnissen Rechnung 684
I. E. zutreffend Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 37, Fn. 193. Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, SicherheitsR, § 16 BKAG, Rn. 46 unter Anknüpfung an § 3 Abs. 1 S. 1 BKADV. 686 Auf das Beispiel des Beinahetreffers wurde hingewiesen, vgl. Kap. 5 § 2 I. 687 Dies betonend, wenngleich die Eingriffsintensität bagatellisierend OLG Thüringen, NStZ 200, 553 (554). 685
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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getragen hat, ist kein Grund ersichtlich, von dem gesetzgeberischen Willen abzuweichen. Der Maßstab des § 81g StPO ist mithin der des heutigen § 16 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 lit. a bzw. des alten § 8 Abs. 6 S. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 BKAG. Erforderlich und ausreichend ist, dass als Ergebnis der vorliegenden Anhaltspunkte nach allgemeinen Erfahrungswerten (z. B. kriminalistischer Erfahrung) die Möglichkeit besteht, dass künftig gegen den Betroffenen Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sind.
IV. Verhältnismäßigkeit 1. Eignung Unter dem Schlagwort, die Maßnahme müsse einen „Aufklärungserfolg“ erwarten lassen, wird schließlich gefordert, dass die prognostizierte Tat eine solche sein müsse, bei der der Täter Spuren hinterlässt688. Dieses Erfordernis ist – wie aufgezeigt – kein Kriterium, das die Erheblichkeit der Straftat betrifft – weder die der Anlasstat noch die der prognostizierten. Könnte man beurteilen, dass in dem künftigen Verfahren DNA-Analytik keine Rolle spielen wird, wäre die Maßnahme unverhältnismäßig689 ; im Konkreten zur Aufklärung der dann aufzuklärenden Tat bereits nicht geeignet690, und nicht nur nicht erforderlich691. 688
Vgl. die Nachweise in Fn. 333 ff., 477 (jeweils Kap. 6). So OLG Jena, NJW 1999, 3571; LG Trier, Beschl. v. 21. 12. 2012 – 5 Qs 143/12, Rn. 11; LG Ingolstadt bei Lengler, SVR 2008, 246 (249); LG Leipzig, StraFo 2007, 464; Altendorfer, S. 174; Beck, S. 215; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 43; Limbeck, S. 72; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (695); Vath, S. 51 f.; implizit auch Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 8; Malek/Wohlers, Rn. 323; Rackow, S. 114; anders LG Arnsberg, Beschl. v. 23. 01. 2006 – 2 Qs 1/ 06, Rn. 14, das unter Verweis auf die erweiterten Anlasstaten des § 81g StPO es für unbeachtlich erklärt, wenn Straftaten prognostiziert werden, bei denen eine Spurenhinterlassung nicht wahrscheinlich sei. 690 Zutreffend LG Freiburg, Beschl. v. 30. 07. 2013 – 2 Qs 12/12, Rn. 23; LG Aachen, StraFo 2009, 18 (19); LG Berlin, StraFo 2004, 320; LG Frankenthal, StV 2000, 609; Beck, S. 215; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 8; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 8 (wenngleich unglücklich unter der Überschrift „Erforderlichkeit der Maßnahme“); Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (67); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 38; ders., in: FS Rieß, 261 (284); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 395; Neuser, S. 164; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 46; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 18; vgl. auch Lütkes/Bäumler, ZRP 2004, 87 (88); im dogmatisch unpassendem Kontext der Anlasstat Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 11; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 4; wohl auch West, S. 72. 691 So aber BT-Drucks. 13/10791, S. 5; 15/1311, S. 25; BVerfGE 103, 21 (34); OLG Köln, NStZ-RR 2005, 56 (57); LG Cottbus, Beschl. v. 28. 07. 2014 – 24 Qs 33/13, Rn. 16; LG Saarbru¨ cken, NStZ 2011, 423 (424); LG Wu¨ rzburg, StraFo 2010, 22; LG Hamburg, StV 2008, 571 (573); LG Zweibrücken, StV 2003, 272; LG Freiburg, NJW 2001, 3720 (3721); LG Waldshut-Tiengen, StV 2001, 10 (11); LG Bu¨ ckeburg, NdsRPfl. 2001, 466; LG Bautzen, NJW 2000, 1207; LG Koblenz, StV 1999, 141; LG Rostock, StraFo 1999, 204 (205); Beukelmann, in: 689
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Die Beurteilung dieser Frage hat zu einer Kasuistik geführt, hinsichtlich der die Attribution als skurril692 untertrieben erscheint. In Bezug auf Delikte nach dem BtMG hat sich bis heute keine einheitliche Meinung herausgebildet, ob Täter DNA-Spuren zu hinterlassen pflegen693. Der Frage wurde nachgegangen, ob Aussage- und Äußerungsdelikte generell ausschieden694 oder ob nicht der Verleumder etwa dann Spuren hinterlassen kann, wenn die Verleumdung auf dem Postweg erfolgt und er die Briefmarke mit seinem Speichel befeuchtet695. Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 5; Eisenberg, Rn. 1689c; ders., in: FS Meyer-Goßner, 293 (302); Endriß/Kinzig, NStZ 2001, 299 (300); Kauffmann/Urtea, StV 2000, 103 (104); Senge, NJW 1999, 253 (254); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 5 a. E., 9 a. E.; Vath, S. 52; Zöller, S. 113; sich zwischen Geeignetheit und Erforderlichkeit nicht entscheidend Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1291). 692 Vgl. Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 5. 693 Davon ausgehend OLG Hamm, Beschl. v. 14. 04 2021 – III-4 Ws 36/21, Rn. 1; OLG Köln, NStZ-RR 2005, 56 (57); LG Paderborn, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 1 Qs 56/14, 1 Qs – 22 Js 1365/13 – 56/14, Rn. 18; LG Freiburg, Beschl. v. 30. 07. 2013 – 2 Qs 12/12, Rn. 23; LG Hamburg, StV 2008, 571 (573); LG Waldshut-Tiengen, StV 2001, 10 (11); LG Bu¨ ckeburg, NdsRPfl. 2001, 466; LG Bautzen, NJW 2000, 1207 (1208); Fluck, Kriminalistik 2000, 479; Hermann, in: 10 Jahre GenStA Naumburg, 85 (91); Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (695); Neuser, S. 165; Rackow, S. 115 f.; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 9; Vath, S. 54; Zöller, S. 113 f.; zumindest bei schweren Delikten AG Bu¨ ckeburg, Beschl. v. 23. 06. 2016 – 65 Gs 305 AR 2052/16 (356/16) – Wolters Kluwer; Lengler, SVR 2008, 246 (247); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 7a, wobei nicht ersichtlich ist, was die Schwere des in Rede stehenden Delikts mit der Möglichkeit der Spurenverursachung zu tun haben soll; wohl auch Beck, S. 217, Fn. 773 a. E.; OLG Hamm, StV 2000, 606 (607), das Delikte nach BtMG prognostiziert; dagegen LG Frankenthal, StV 2000, 609 m. zust. Anm. v. Rittershaus a. a. O., S. 610; LG Koblenz, StV 1999, 141; LG Rostock, StraFo 1999, 204 (205) m. zust. Anm. v. Marberth-Kubicki a. a. O. („liegt auf der Hand“); AG Kaiserslautern, StV 2000, 72; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1722; Eisenberg, Rn. 1689c; Kauffmann/Urtea, StV 2000, 103 (104); Malek/Wohlers, Rn. 323; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 4; tendenziell dagegen LG Berlin, StraFo 2004, 320; LG Zweibrücken, StV 2003, 272; Endriß/Kinzig, NStZ 2001, 299 (300); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 38; ders., in: FS Rieß, 261 (285). 694 So BT-Drucks. 13/10791, S. 5; Altendorfer, S. 174; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1722; Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (302); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 8; Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (67); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 38; ders., in: FS Rieß, 261 (284 f.); Limbeck, S. 72; Malek/Wohlers, Rn. 323; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 395; Senge, NJW 1999, 253 (254); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 9 a. E.; Zöller, S. 113; vgl. auch Vath, S. 55, der diese Delikte zwar ausschließen will, die Möglichkeit der Spurenverursachung auf 53 f. aber anerkennt und den Ausschluss mit einem verringerten Maß an Wahrscheinlichkeit der Spurenverursachung begründen will. 695 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 43; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (695); Neuser, S. 119, 166; Rackow, S. 115; Vath, S. 53 f.; vgl. zu Hautabrieben auf Schriftstücken bei Steuer- bzw. Vermögensdelikten Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 9, für §§ 257 ff. StGB generell Spurenverursachung ausschließend etwa OLG Celle, NStZ-RR 2010, 149 (150); OLG Köln, StV 2004, 640; LG Trier, Beschl. v. 21. 12. 2012 – 5 Qs 143/12, Rn. 14; LG Aachen, StraFo 2009, 18 (19); diff. LG Saarbrücken, NStZ 2011, 423 (424); bei § 263 StGB bejahend LG Freiburg, NJW 2001, 3720 (3721); bei Bedrohungen mit Schusswaffen abl. LG NürnbergFürth, StraFo 2009, 509 f.
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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Tatsächlich ist die Diskussion fruchtlos. Bereits heute reichen winzige Körperpartikel aus, um ein DNA-Identifikationsmuster zu erstellen und damit ggf. den Täter überführen zu können. Von vornherein ausgeschlossen werden, dass bei einem speziellen Delikt DNA hinterlassen wird, kann schon deshalb nicht696. Dies anzuerkennen ist keine Umgehung des hehren Grundsatzes der Verhältnismäßig der Praktibilität bzw. Einfachheit halber697, sondern dessen Anwendung. Wenn die DNAIdentitätsfeststellung einen Aufklärungsansatz liefern kann, ist sie jedenfalls nicht völlig ungeeignet, dem verfassungsrechtlichen Gebot der Strafrechtspflege zu dienen, was nicht heißt, dass ihre Durchführung nicht aus anderen Gründen – seien es verfassungs- oder einfachrechtliche – rechtswidrig sein kann. Die Stimmen, die sich auf die Ungeeignetheit der Maßnahme bei gewissen Delikten berufen, verkennen, dass es zur Aufklärung der Tat nicht darauf ankommt, ob der Täter die Spuren bei der tatbestandsmäßigen Handlung hinterlässt. Selbst wenn DNA-Spuren auf den Betäubungsmitteln des Handeltreibenden nicht erwartet werden dürften (was bereits zweifelhaft erscheint698), so könnte zur Tataufklärung bereits beitragen, wenn mittels DNA-Abgleich nachgewiesen werden könnte, dass der Beschuldigte sich zur Tatzeit an einem ortsbekannten Umschlagplatz aufgehalten hat. Dazu würde es aber reichen, wenn er dort eine Zigarette zu Boden geworfen hätte699. Bei Delikten, die am Computer begangen werden, vermag u. U. der Nachweis weiterzuhelfen, dass der Beschuldigte den Computer, von dem aus die Straftat begangen wurde, bereits benutzt hat. Dass die Spuren nur dem Datenträger, nicht den Dateien selbst anhaften, wie einige Gerichte betonen700, ist irrelevant.
696 Zutreffend Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 43; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (695); Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 395; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 46; s. auch Neuser, S. 119, 165 f.; Rackow, S. 115, 117 f.; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 9; Zöller, S. 113 f.; die allerdings unverständlicherweise die Aussagedelikte der §§ 153 ff. StGB gleichwohl a priori als Prognosetaten ausscheiden lassen wollen; wenigstens für Zurückhaltung plädierend Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 38; i. E. auch Beck, S. 217; West, S. 72 f.; explizit gegen diese Argumentation Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (303); vgl. auch Vath, S. 53 f., der diesen Fortschritt anerkennt, ihm aber dadurch zu begegnen gedenkt, ein erhöhtes Maß an Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Spurenverursachung zu verlangen. Dies ist aber keine Frage der Geeignetheit mehr (auch nicht der Erforderlichkeit, an die Vath auf S. 52 irrig anknüpft), sondern wenn dann der Angemessenheit. 697 So aber Beck, S. 216. 698 Richtig OLG Köln, NStZ-RR 2005, 56 (57); darauf rekurrierend LG Hamburg, StV 2008, 571 (573); ebenso auch LG Freiburg, Beschl. v. 30. 07. 2013 – 2 Qs 12/12, Rn. 23. 699 LG Bautzen, NJW 2000, 1207 (1208); Fluck, Kriminalistik 2000, 479; Hermann, in: 10 Jahre GenStA Naumburg, 85 (91); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 9; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 18; zum „Schmierestehen“ bei prognostizierten Delikten nach dem BtMG und Beschaffungskriminalität OLG Hamm, StV 2000, 606 (607); weitere Beispiele bei LG Waldshut-Tiengen, StV 2001, 10 (11). 700 LG Hannover, StraFo 2013, 335 (336); LG Darmstadt, Beschl. v. 28. 03. 2011 – 3 Qs 152/ 11, Rn. 9; LG Traunstein, StV 2007, 521 (522).
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Auch bei Meineid, Protobeispiel eines Verbrechens, das mit DNA-Analytik nicht aufgeklärt werden könne701, ist das Gegenteil richtig. Wenngleich DNA-Analytik wohl nie eine Rolle spielen wird, um zu klären, ob der nun Beschuldigte derjenige war, der den Falscheid geleistet hat702, kann DNA-Analytik etwa eingesetzt werden, um die Falschheit der beeidigten Aussage zu klären. Man denke an den Fall, in dem der Zeuge beeidigt, zur Tatzeit am Tatort bzw. nicht am Tatort gewesen zu sein und ein Abgleich mit der DNA, welche sich an einer am Tatort gefundenen Zigarette befand, das Gegenteil beweist703. Ob in diesen (Meineid-)Fällen die Voraussetzungen der Negativprognose vorliegen werden, mag zwar zweifelhaft sein. Liegen sie aber vor, scheitert die Anordnung der Maßnahme jedoch nicht mehr an allgemeinen Verhältnismäßigkeitserwägungen. Dasselbe gilt, bejaht man die Erheblichkeit, für Straßenverkehrsdelikte704. Der Täter kann nach einem Unfall (§ 142 StGB) eine Zigarettenkippe am Unfallort wegwerfen; im Falle des § 315c StGB kann DNA-Analytik u. U. nachweisen, wer der Fahrer war, wenn nur dieser das tatgegenständliche KFZ benutzt oder, um erneut die Zigarette zu bemühen, erst jüngst ausgedrückte Zigarettenkippen sich im Aschenbecher des Autos befinden. Das Kriterium der Eignung verliert mit zunehmenden Fortschritt der Technik seine Bedeutung; von großem Wert ist es bereits heute nicht mehr. Es gibt kein Delikt mehr, bei dem es ausgeschlossen erscheint, dass es mit DNA-Analytik aufgeklärt werden kann705. 2. Erforderlichkeit Tatsächlich ein Problem der Erforderlich ist die Frage, wie damit umzugehen ist, wenn bereits ein DNA-Identifikationsmuster gespeichert ist. In diesem Kontext ist weiter relevant, ob die DNA-Identitätsfeststellung subsidiär ist.
701 Vgl. BT-Drucks. 13/10791, S. 5; LG Bautzen, NJW 2000, 1207; Altendorfer, S. 174; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 8; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 8; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 11; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1722; Malek/Wohlers, Rn. 323; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 4; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 46; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g StPO, Rn. 7a; Vath, S. 53; West, S. 72. 702 Die übrigen Prozessbeteiligen werden die Tatsache des Beeidigens bezeugen können, im Übrigen wird das Protokoll herangezogen werden können. Die Fälle, in denen der zu Vereidigende über seine Identität lügt und die wahre Identität mittels DNA-Abgleich aufgeklärt wird, sind eher fiktive. 703 Diesen Fall als konstruiert bezeichnend Neuser, S. 166. 704 Vgl. dazu Lengler, SVR 2008, 246 (249). 705 Zutreffend Jasch, in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.), Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, 571 (582).
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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a) Vorhandenes DNA-Identifikationsmuster gleicher Qualität Relativ unproblematisch lässt sich die Erforderlichkeit verneinen, wenn ein DNAIdentifikationsmuster bereits vorhanden ist, welches der Qualität genügt, die dem jeweiligen Standard entspricht – heute mithin 17 Systeme aufweist706. § 81g Abs. 5 S. 2 StPO, auf welchen noch ausführlicher einzugehen sein wird707, ermöglicht die sog. Umwidmung gem. § 81e StPO erhobener DNA-Identifikationsmuster. Wurde etwa im Verfahren wegen der Anlasstat bereits beim Beschuldigten eine DNA-Analyse durchgeführt, kann dieses unter den Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO ebenso in der DNA-Analyse-Datei gespeichert werden. Weil dieses Ziel mithin auch ohne Körperzellentnahme und erneute Analyse erreicht werden kann, ist es nicht notwendig und damit verfassungswidrig, die Prozedur gewissermaßen nur zu wiederholen. Das war dem Gesetzgeber so klar, dass er auf die im Entwurf zu § 81g Abs. 1 StGB vorgesehene Einschränkung, die Maßnahme dürfe nur erfolgen, wenn „nicht ein ausreichendes DNA-Identifizierungsmuster auf Grund einer Untersuchung nach § 81e StPO vorl[äge]“708, verzichte. Die Einschränkung sei überflüssig, weil sie sich bereits aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatze ergäbe; ferner könne ein DNA-Identifikationsmuster nicht nur aus Maßnahmen nach § 81e, sondern auch aus solchen gem. § 81g StPO stammen709. Folgerichtig ist die Anordnung der Maßnahme auch unzulässig, wenn nicht gem. §§ 81a, 81e StPO ein DNA-Identifikationsmuster gewonnen und umgewidmet, sondern originär gem. § 81g StPO vorgegangen wurde710. Das gilt – entgegen einzelner Stimmen der Literatur711 – auch dann, wenn die DNA-Identitätsfeststellung nur durchgeführt werden soll, um die Speicherdauer zu verlängern. In dem Beschluss des OLG Bremen, auf den dabei Bezug genommen wird, heißt es, die Körperzellentnahme und die Analyse seien gerade nicht erforderlich, wenn bereits ein geeignetes DNA-Identifikationsmuster gespeichert sei712. 706
Vgl. dazu schon Kap. 2 § 2 I. m. w. N. in Fn. 100 (Kap. 2). Unten Kap. 6 § 7. 708 Vgl. vgl. BT-DS 13/10791, S. 3, linke Spalte. 709 BT-DS 13/11116, S. 7. 710 Vgl. insgesamt LG Freiburg, Beschl. v. 30. 07. 2013 – 2 Qs 12/12, Rn. 29; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 19; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 1; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 46; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 9; ohne nach der Qualität des Musters zu differenzieren LG Oldenburg, NStZ 2006, 514 (515, Rn. 3); Beck, S. 218 f.; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 4; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 9; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 9; Eisenberg, Rn. 1689c; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 11; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 39; ders., in: FS Rieß, 261 (265); Limbeck, S. 72; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 396; Neuser, S. 167; Rackow, S. 108 f.; Senge, NJW 1999, 253 (254); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 10; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 18 a. E.; West, S. 73; Zöller, S. 114. 711 Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 10. 712 OLG Bremen, NStZ 2006, 653; dies anerkennend Beck, S. 219; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 9; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 9; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 19. 707
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Das Gericht sieht es nur als zulässig an, die Maßnahme anzuordnen, um die Speicherfrist später in Lauf zu setzen713, die nach dem BKAG erst zu laufen beginnt mit dem letzten Ereignis, das zur Speicherung geführt hat – also mit der Anordnung714. Folglich soll nach dem Gericht die Erforderlichkeit der DNA-Identitätsfeststellung auch dadurch begründet werden, um sub specie § 77 Abs. 3 S. 1 BKAG „passendere“ Ergebnisse zu erzielen. Auch das ist unzutreffend. Das BKAG sieht keine Frist vor, nach deren Ablauf zwingend ungeachtet des Vorliegens weiterer Voraussetzungen gelöscht werden müsste. Soweit die Voraussetzungen des § 81g StPO noch vorliegen, insb. soweit die Negativprognose zu bejahen ist, kann die Speicherung verlängert werden und somit eine weitere Speicherung gewährleistet werden. Auch in diesen Fällen ist eine erneute Anordnung mangels Erforderlichkeit mithin unzulässig. Eine „Teilanordnung“ ist verfassungsrechtlich zulässig nur in dem wohl seltenen Fall, dass zwar Körperzellen bereits entnommen, aber noch nicht analysiert wurden. Dann ist der Beschluss auf die Analyse zu beschränken715. b) Vorhandenes DNA-Identifikationsmuster minderer Qualität – Auftypisierungsfälle Schwieriger ist die Frage der Erforderlichkeit zu beantworten, wenn zwar ein DNA-Identifikationsmuster bereits gespeichert ist, dieses aber hinter den geltenden Qualitätsansprüchen zurückbleibt. Diese Situation kann eintreten, wenn ein Muster schon lange Zeit gespeichert ist und mithin vor langer Zeit zum damals geltenden Qualitätsstandard erhoben wurde. Muster, die bereits in der Anfangsphase der DNA-Analyse in die Datei eingespeist wurden, weisen grundsätzlich nur fünf Systeme auf716, während heute 17 verwendet werden. Die Ersetzung eines solchen alten Musters durch eines besserer Qualität wird als Auftypisierung bezeichnet717. Mit zunehmendem technischem Fortschrift gewinnt die Frage nach der Zulässigkeit an Bedeutung. Denn je länger die DNA-Analyse-Datei in Betrieb ist, desto mehr DNA-Identifikationsmuster sind enthalten, die neuen Qualitätsansprüchen nicht mehr genügen. Der dem Begriff innewohnenden Polemik bewusst und ungeachtet scheint die Bezeichnung als Kartei-, besser Datei- oder neuerdings „Systemleiche“ angebracht.
713 OLG Bremen, NStZ 2006, 653 (654); so auch Beck, S. 218 f.; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 9; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 9; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 19; dies verkennend Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 4. 714 Dazu oben Kap. 6 § 4 II. 4. a) bb). 715 Zutreffend Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 39. 716 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 270; zur historischen Entwicklung vgl. die Nachweise in Fn. 100 (Kap. 2). 717 Vgl. Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (113).
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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aa) Auftypisierung ablehnende Stimmen Zum Teil wird vertreten, eine Auftypisierung sei generell abzulehnen718. Eine erneute Erhebung des DNA-Identifikationsmusters sei unverhältnismäßig719, in concreto nicht erforderlich720. Das habe bereits der Gesetzgeber erkannt, wie die (hier bereits bemühte) Entwurfsfassung des § 81g StPO und der Umgang mit derselben im Rechtsausschuss zeigten721. Die Zulassung der Auftypisierung würde dazu führen, dass bei Hundertausenden von Personen die DNA-Identitätsfeststellung erneut durchgeführt werden müsste. Auch das habe der Gesetzgeber nicht gewollt722. Das Bedürfnis nach Auftypisierung beruhe nicht auf einer veränderten Sach- oder Rechtslage, sondern ausschließlich darauf, dass die Erhebung von mehreren Systemen nunmehr dem EU-Standard entspräche723. Das rechtfertige den Grundrechtseingriff nicht724. Wenn ausschließlich der Zweck verfolgt würde, die gespeicherten Daten im Ausland verwertbar zu halten, müsse wenigstens dargelegt werden, warum davon ausgegangen wird, dass der Betroffene im Ausland Straftaten begehen soll725. Die Auftypisierung diene auch nicht dem Zweck des § 81g StPO, d. h. der Aufklärung von Straftaten, weil dies mit weniger Mustern genauso gut ginge726. Ein
718 LG Paderborn, StV 2013, 434 f.; LG Saarbru¨ cken, StraFo 2012, 499; LG Rostock, Beschl. v. 28. 09. 2012 – 13 Qs 221/12; AG Hamburg, StV 2013, 148; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1709; wohl auch Eisenberg, Rn. 1689c, der zwar auf die Auftypisierung nicht eingeht, in Fn. 232 aber als Nachweis für fehlende Erforderlichkeit die Entscheidungen des LG Paderborn und des AG Hamburg heranzieht. 719 LG Saarbru¨ cken, StraFo 2012, 499; AG Hamburg, StV 2013, 148. 720 LG Rostock, Beschl. v. 28. 09. 2012 – 13 Qs 221/12, Rn. 3. 721 LG Paderborn, StV 2013, 434 (435) unter wortgleicher Übernahme von AG Hamburg, StV 2013, 148; so aber auch LG Rostock, Beschl. v. 28. 09. 2012 – 13 Qs 221/12, Rn. 4. 722 LG Paderborn, StV 2013, 434 (435) unter wortgleicher Übernahme von AG Hamburg, StV 2013, 148; so aber auch LG Rostock, Beschl. v. 28. 09. 2012 – 13 Qs 221/12, Rn. 4. 723 LG Paderborn, StV 2013, 434 unter wortgleicher Übernahme von AG Hamburg, StV 2013, 148; so aber auch LG Saarbru¨ cken, StraFo 2012, 499; LG Rostock, Beschl. v. 28. 09. 2012 – 13 Qs 221/12, Rn. 3. 724 Vgl. die Ausführungen der Verteidigung bei LG Freiburg, Beschl. v. 30. 07. 2013 – 2 Qs 12/12, Rn. 10; so aber auch Hebben, jurisPR-StrafR 2/2014, Anm. 2, dort D. 725 Vgl. die Ausführungen der Verteidigung bei LG Freiburg, Beschl. v. 30. 07. 2013 – 2 Qs 12/12, Rn. 10. 726 LG Paderborn, StV 2013, 434 unter wortgleicher Übernahme von AG Hamburg, StV 2013, 148, wobei das LG Paderborn allerdings einen Fall zu entscheiden hatte, indem ein aus fünf Systemen bestehendes Muster gespeichert wurde, das AG Hamburg aber einen solchen Fall, bei dem ein aus acht Systemen bestehendes Muster in Rede stand. Auf etwaige Unterschiede geht das LG nicht ein; so aber auch LG Saarbru¨ cken, StraFo 2012, 499; LG Rostock, Beschl. v. 28. 09. 2012 – 13 Qs 221/12, Rn. 3 jeweils zu einem aus acht Systemen bestehenden Muster.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
„Verifizierungsgutachten“ sei nach einem Treffer in der Datenbank ohnehin erforderlich727. In einem nicht veröffentlichten Beschluss gibt das AG Paderborn ferner zu bedenken, dass sich bei erneuter Anordnung der Maßnahme die Speicherfrist nach dem BKAG verlängere. Auch dies stehe unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten entgegen728. bb) Auftypisierung befürwortende Stimmen Andere, tendenziell der jüngeren Rechtsprechung entstammende Stimmen befürworten hingegen die Zulässigkeit der Auftypisierung729. Anders als in der Entwurfsfassung bestehe kein ausdrückliches Verbot der Neuerhebung bei noch laufender Speicherung. Es komme mithin auf die Verhältnismäßigkeit im Einzelfall an730. Selbst die Entwurfsfassung zeige, dass ein generelles Verbot erneuter Erhebung nicht statuiert werden sollte. Denn als dem entgegenstehend würde nur ein ausreichendes Muster angesehen. Die Verwendung des Wortes „ausreichend“ erscheine nur sinnvoll, wenn Fälle denkbar sind, in denen ein vorhandenes Muster nicht genügend ist, um die erneute DNA-Identitätsfeststellung für unzulässig zu erachten731. Der Vorwurf mangelnder Verhältnismäßigkeit – konkreter mangelnder Erforderlichkeit – sei der Auftypisierung nicht zu machen. Erforderlichkeit verlange nur, dass von zwei Alternativen, die gleich geeignet sind, die mildere gewählte würde. Der Rückgriff auf das bereits gespeicherte DNA-Identifikationsmuster sei dies ge727
LG Paderborn, StV 2013, 434 f. unter wortgleicher Übernahme von AG Hamburg, StV 2013, 148; so aber auch LG Rostock, Beschl. v. 28. 09. 2012 – 13 Qs 221/12, Rn. 3; dies anerkennend auch OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/ 14, Rn. 29; LG Schweinfurt, Beschl. v. 06. 02. 2013 – 1 Qs 16/13, Rn. 20; Goers, in: BeckOKStPO, § 81g, Rn. 1. 728 AG Padernborn, Beschl. v. 24. 03. 2014 – 69 Gs 71/14, zit. nach LG Paderborn, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 1 Qs 56/14, 1 Qs – 22 Js 1365/13 – 56/14, Rn. 13, 31. 729 OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/14, Rn. 11 ff.; LG Paderborn, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 1 Qs 56/14, 1 Qs – 22 Js 1365/13 – 56/14, Rn. 27 ff. unter expliziter Aufgabe der Rechtsprechung von LG Paderborn, StV 2013, 434 f.; für die Zulässigkeit der Auftypisierung auch LG Hamburg, Beschl. v. 09. 04. 2014 – 628 Qs 11/14, 628 Qs 11/14 – 3306 Js 58/00, 3306 Js 58/00, Rn. 11 ff.; LG Freiburg, Beschl. v. 30. 07. 2013 – 2 Qs 12/12, Rn. 24 ff. m. Anm. v. Hebben, jurisPR-StrafR 2/2014, Anm. 2; LG Schweinfurt, Beschl. v. 06. 02. 2013 – 1 Qs 16/13, Rn. 19 ff.; auch Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 19; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 39; Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (114 ff.); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 1; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 246; Schmitt, in: MeyerGoßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 9; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 10; explizit offen gelassen von LG Bremen, StV 2017, 511. 730 Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 39; so auch OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/14, Rn. 14 ff., 23. 731 OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/14, Rn. 21; so auch Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (115).
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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genüber der Neuerhebung nicht732. Mit steigendem Bestand gespeicherter Daten in der DNA-Analyse-Datei steige das Risiko eines „Zufallstreffers“, mithin der scheinbaren Übereinstimmung zweier DNA-Identifikationsmuster, die gar nicht zur selben Personen gehören. Dem entgegenwirken könne nur die Auftypisierung gespeicherter Muster, weil so das Risiko eines Zufallstreffers minimiert würde733. Ein Zufallstreffer drohe insbesondere, soweit nur minderwertiges Spurenmaterial vorhanden sei734. Teilweise ist von erheblich verbesserten Aufklärungschancen die Rede735 ; teilweise gar davon, dass die Auftypisierung eine Aufklärung erst ermögliche736. Ferner treffe die Bundesrepublik gem. Art. 7 des Beschlusses 2008/616/JI des Rates vom 23. 06. 2008, § 1 PrümVtrAG die Verpflichtung, den anderen Mitgliedstaaten geeignete DNA-Identifikationsmuster zur Verfügung zu stellen. Die mit nur wenig Systemen erfassten Muster seien überhaupt nicht verwendbar737. Ob dies alleine die neuerliche Anordnung der DNA-Identitätsfeststellung rechtfertigen könne, ist nach dem LG Freiburg irrelevant, weil jedenfalls auch die nationale Polizeiarbeit effektiviert würde738. Betonung findet auch, dass die Speicherung eines verbesserten DNA-Identifikationsmusters auch zur Entlastung, und zwar sowohl des Betroffenen als von Dritten beitragen könne739. Alleine die Tatsache, dass bei mangelnder Präzision des Er732
OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/14, Rn. 25; LG Paderborn, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 1 Qs 56/14, 1 Qs – 22 Js 1365/13 – 56/14, Rn. 28 ff.; LG Freiburg, Beschl. v. 30. 07. 2013 – 2 Qs 12/12, Rn. 37. 733 OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/14, Rn. 32; LG Paderborn, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 1 Qs 56/14, 1 Qs – 22 Js 1365/13 – 56/14, Rn. 29; LG Hamburg, Beschl. v. 09. 04. 2014 – 628 Qs 11/14, 628 Qs 11/14 – 3306 Js 58/00, 3306 Js 58/00, Rn. 12; LG Freiburg, Beschl. v. 30. 07. 2013 – 2 Qs 12/12, Rn. 36; LG Schweinfurt, Beschl. v. 06. 02. 2013 – 1 Qs 16/13, Rn. 22; Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (116); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 10; vgl. auch Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 19, der davon ausgeht, bei einem Muster mit nur fünf Systemen käme es in 5 % der Fälle zu Zufallstreffern; ebenso in Anlehnung an Erfahrungen aus den Niederlanden OLG Hamburg, a. a. O., Rn. 35; Lellmann, a. a. O. bei sieben Systemen. 734 OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/14, Rn. 30 f., 38; LG Schweinfurt, Beschl. v. 06. 02. 2013 – 1 Qs 16/13, Rn. 23. 735 Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 246; je nach gespeicherter Anzahl von Systemen mit Recht diff. Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 39. 736 LG Hamburg, Beschl. v. 09. 04. 2014 – 628 Qs 11/14, 628 Qs 11/14 – 3306 Js 58/00, 3306 Js 58/00, Rn. 12; LG Schweinfurt, Beschl. v. 06. 02. 2013 – 1 Qs 16/13, Rn. 21, 24; so in Teilen auch Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 1. 737 LG Paderborn, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 1 Qs 56/14, 1 Qs – 22 Js 1365/13 – 56/14, Rn. 30; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 19; Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (116); so i. E. auch OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/14, Rn. 36. 738 LG Freiburg, Beschl. v. 30. 07. 2013 – 2 Qs 12/12, Rn. 35. 739 Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (116); Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 246; die Entlastung unschuldiger Dritter betonend LG Hamburg, Beschl. v. 09. 04. 2014 – 628 Qs 11/14, 628 Qs 11/14 – 3306 Js 58/00, 3306 Js 58/00, Rn. 12; zu Recht krit. OLG Hamburg, Beschl. v.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
gebnisses mehrere Personen in den Blick der Ermittlungspersonen fielen, würde zu längeren Ermittlungen führen und damit dem gesetzgeberischen Zweck des § 81g StPO zuwiderlaufen740. Schon fast zynisch spricht die einen Auftypisierungsbeschluss beantragende Staatsanwaltschaft im Fall des LG Paderborn von einer „Maßnahme zu Gunsten des Betroffenen […], da er durch eine Speicherung einer größeren Anzahl von Merkmalen schneller als Verdächtiger von Straftaten ausgeschlossen werden könne“741. Lellmann bezeichnet die Auftypisierung gar als ein verfassungsrechtliches Gebot. Das Gebot bestmöglicher Sachverhaltsaufklärung verpflichte dazu, die in einem zukünftigen Strafverfahren die bestmögliche Beweissituation herbeizuführen742. cc) Erfordernis einer neuerlichen Anlasstat Von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Auftypisierung ausgehend wollen manche Stimmen in Literatur und Praxis den Anwendungsbereich der Auftypisierung aber beschränken auf Fälle, in denen der Betroffene einer neuen Tat verdächtig ist oder neuerlich verurteilt wird. Auf § 81g Abs. 4 StPO könne die Maßnahme dann nicht gestützt werden, wenn Anknüpfungspunkt dieselbe Tat ist, wegen der die Maßnahme schon einmal angeordnet wurde743. Manche Stimmen in der Literatur, die die Auftypisierung befürworten, sind auf die Differenzierungsmöglichkeit nicht eingegangen744 ; manchen Gerichten stellte sich das Problem nicht, weil eine neue Tat vorlag745. Soweit ersichtlich vertritt nur
23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/14, Rn. 33; LG Schweinfurt, Beschl. v. 06. 02. 2013 – 1 Qs 16/13, Rn. 20; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 39. 740 Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (116). 741 Vgl. die entsprechende Argumentation bei LG Paderborn, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 1 Qs 56/14, 1 Qs – 22 Js 1365/13 – 56/14, Rn. 12. 742 Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (115). 743 So LG Paderborn, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 1 Qs 56/14, 1 Qs – 22 Js 1365/13 – 56/14, Rn. 23, 31; LG Hamburg, Beschl. v. 09. 04. 2014 – 628 Qs 11/14, 628 Qs 11/14 – 3306 Js 58/00, 3306 Js 58/00, Rn. 13; ohne weitere Begründung Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 39; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 246. 744 So bei Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 19; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 1; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 9; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 10. 745 So in den Fällen OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/14. In den Fällen von LG Paderborn, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 1 Qs 56/14, 1 Qs – 22 Js 1365/13 – 56/14 und LG Freiburg, Beschl. v. 30. 07. 2013 – 2 Qs 12/12 gab es zwar eine neuerliche Anlasstat. Das hat die Gerichte aber nicht davon abgehalten, sich dennoch wenigstens mittelbar zu einem Erfordernis nach einer solchen zu äußern; unklar bei LG Schweinfurt, Beschl. v. 06. 02. 2013 – 1 Qs 16/13.
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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Lellmann die Auffassung, dass auch eine gewissermaßen bereits verwendete Tat Anknüpfungspunkt sein könnte746. Das LG Hamburg spricht vom Erfordernis einer verfassungskonformen Auslegung, führt dies aber nicht weiter aus und verweist auf nicht veröffentliche Beschlüsse auch des LG Hamburg sowie auf einen Beschluss des LG Freiburg747, in dem allerdings gar nicht Stellung genommen wird zu der Problematik, sondern nur betont wird, dass es in anderen Entscheidungen um Altfälle ging, im zu behandelnden Fall aber eine neuerliche Tat vorlag748. Für das Erfordernis einer neuerlichen Anlasstat wird jedenfalls ins Feld geführt, dass nur so die oben erwähnte Problematik des AG Paderborn überwunden werden könnte. Wenn der Betroffene eine neue Tat beginge, so sei es nicht unbillig, dass die „Speicherungsfristen“ sich verlängerten. Schließlich sei dies ausschließlich durch ein vermeidbares Handeln des Betroffenen ausgelöst. Dass Speicherfristen sich verlängerten, wenn derjenige, dessen Daten betroffen sind, Straftaten begeht, sei nichts außergewöhnliches, sondern im deutschen Recht auch an anderer Stelle, z. B. in § 38 BZRG, angeordnet749. Die von Lellmann vertretene, gegenteilige Auffassung stützt sich freilich einerseits auf die Argumente, die prinzipiell gegen ein Verbot der Auftypisierung sprechen und gerade dargestellt wurden. Voraussetzung für eine erneute, retrograde Analyse sei daher nur das Fortbestehen der Negativprognose750. Neben dem Normzweck spreche für die Möglichkeit der Auftypisierung, dass § 81g StPO eben nicht nur einen bestehenden Verdacht genügen lasse, sondern gem. Abs. 4 die DNA-Identitätsfeststellung auch bei Verurteilten und gleichgestellten Personen zulasse751. Der Gesetzgeber habe bereits in den Materialien – Lellmann spricht von „Motiven“ – dargetan, dass Fälle denkbar seien, „in denen sich erst nachträglich, etwa nach mehreren Jahren Strafhaft herausstell[e], daß ein DNA-Profil für die Identifizierungsdatei erstellt werde“ müsse752. Auch das BVerfG habe „[d]iese Auslegung bestätigt (…), indem für lange zurückliegende Anlasstaten das Bedürfnis betont wurde, ,nachvollziehbar darzutun, warum auch heute, mehr als zehn Jahre nach der letzten Verurteilung, noch Grund zu der Annahme bestehen soll[e], dass gegen ihn [d. h. den Betroffenen] künftig erneut Strafverfahren wegen Straftaten von erhebli746
Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (114 ff.). LG Hamburg, Beschl. v. 09. 04. 2014 – 628 Qs 11/14, 628 Qs 11/14 – 3306 Js 58/00, 3306 Js 58/00, Rn. 13. 748 LG Freiburg, Beschl. v. 30. 07. 2013 – 2 Qs 12/12, Rn. 33. 749 LG Paderborn, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 1 Qs 56/14, 1 Qs – 22 Js 1365/13 – 56/14, Rn. 31. 750 Vgl. Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (114), die zwar im Plural von „weiteren Voraussetzungen“ spricht, damit aber nur die Negativprognose meinen kann, weil – von Verhältnismäßigkeitserwägungen, um die es gerade geht – nur die Anlasstat weitere Voraussetzung ist. 751 Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (114). 752 Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (114) unter Bezug auf BT-Drucks. 13/11116, S. 7. 747
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
cher Bedeutung zu führen sein werden‘“753. Weiter noch soll es möglich sein, die Auftypisierung selbst bei solchen Personen zuzulassen, die aus Mangel an Beweisen – Lellmann spricht auch von einem „Freispruch 2. Klasse“754 – freigesprochen wurden. Dafür spreche die nicht nur die zum Gefahrenabwehrrecht und § 81b StPO ergangene Rechtsprechung, sondern auch § 8 Abs. 3 BKAG a. F.755, der heute § 18 Abs. 5 BKAG entspricht. Nach dem gesetzgeberischen Willen sei die Auftypisierung bei nicht nur aus Mangel an Beweisen Freigesprochenen mithin „eindeutig zulässig“756. dd) Eigener Ansatz Das Meinungsbild, das nach Vorstehendem sehr entgegengesetzt zu sein scheint, ist in Wirklichkeit ein ziemlich einheitliches. Denn soweit ersichtlich, hat noch kein Gericht eine Auftypisierung wegen der Tat angeordnet, wegen der die Speicherung erstmalig vorgenommen wurde. Umgekehrt gilt aber auch, dass die die Auftypisierung ablehnenden Beschlüsse solche Alttaten betrafen, jedenfalls soweit sie Auskunft darüber geben, an welche Tat bzw. welchen Verdacht angeknöpft wird757. Fasst man das Meinungsspektrum zusammen, lässt sich resümieren: Während die Auftypisierung bei erneuter Anlasstat anerkannt ist, wurde sie ohne eine solche noch nicht angeordnet und wird weitgehend für unzulässig erachtet. Die klare Befürwortung durch Lellmann stellt (noch) eine Ausnahme dar, wohl auch deshalb, weil das Problem noch nicht akut wurde. Da mit dem Fortschritt der technischen Möglichkeiten und der fortscheitenden Zeit, in der sich, wenn keine Auftypisierung erfolgt, immer mehr Muster minderwertiger Qualität in der DNA-Analyse-Datei anhäufen, gewinnt der Ansatz aber an Relevanz. (1) Kein gesetzgeberischer Wille und keine verfassungsgerichtliche Rechtsprechung Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass weder die Befürworter noch die Gegner der Auftypisierung, und zwar mit und ohne Erfordernis neuer Anlasstaten, den Gesetzgeber oder das BVerfG für sich ins Feld führen können.
753
Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (114) unter Bezug auf BVerfG, Beschl. v. 15. 03. 2001 – 2 BvR 1841/00 u. a., Rn. 36 = NJW 2001, 2320 (2321). 754 Dazu Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (115); zu Recht krit. zu diesem Begriff vgl. Lenßen/Scheel, StV 2021, 612 ff. 755 Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (114 f.). 756 Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (115). 757 So war bei LG Paderborn, StV 2013, 434 f. die letzte Verurteilung des Betroffenen im Jahre 2004 angesiedelt (vgl. S. 435); keine näheren Angaben finden sich bei LG Rostock, Beschl. v. 28. 09. 2012 – 13 Qs 221/12; LG Saarbru¨ cken, StraFo 2012, 499; AG Hamburg, StV 2013, 148.
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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Richtig ist, dass der Gesetzgeber in seiner Entwurfsfassung formuliert hatte, die DNA-Identitätsfeststellung komme nur dann in Betracht, wenn nicht ein „ausreichendes DNA-Identifizierungsmuster auf Grund einer Untersuchung nach § 81e“ StPO bereits vorhanden sei758. Nun könnte die Verwendung des Wortes „ausreichend“ freilich als Bezugnahme auf den jeweils geltenden Qualitätsstandard verstanden werden759. Dafür spräche jedenfalls dann der Gesetzeszweck – Identitätsfeststellung im künftigen Strafverfahren –, wenn das gespeicherte Muster von einem derart veralteten Standard ist, dass es gar nicht mehr zur Identifizierung Verwendung finden kann. Schwieriger wäre diese Interpretation schon, wenn man damit begründen wollte, nicht in gleichem Maße, aber im Ergebnis gleichwohl, quasi gerade noch verwendbare Muster als nicht ausreichend zu bezeichnen. Denn ein den Abgleich noch ermöglichendes Muster ist dem Wortsinn nach ausreichend, wenngleich nicht gleich geeignet. Tatsächlich spricht viel dafür, dass bereits die Entwurfsverfasser die Problematik der Auftypisierung nicht gesehen haben. Denn in Begründung zum Entwurf wird der zitierte Passus lediglich wiederholt, aber nicht erläutert760. Davon wäre aber auszugehen, hätten die Entwurfsverfasser das Problem gesehen. Im Übrigen gibt das Wort „ausreichend“ auch ein anders, nicht qualitätsbezogenes, sondern rechtlich-einschränkendes Verständnis her. Denn von § 81e StPO waren und sind sowohl DNA-Identifikationsmuster von Beschuldigten erfasst, deren Zellen nach § 81a StPO gewonnen wurden, als auch Muster von Nichtbeschuldigten, deren Zellen nach § 81c StPO gewonnen wurde. Obschon im Entwurf die Umwidmungsmöglichkeit – die Verwendung von nach § 81e StPO erhobenen Mustern für Zwecke künftiger Verfahren – noch gar nicht expliziert ermöglicht war, sondern insofern auf die allgemeinen Regelungen verwiesen wurde761, sollten freilich nie DNA-Identifikationsmuster von Nichtbeschuldigten gespeichert werden. Das hat der Gesetzgeber später klargestellt762. Ein vom Nichtbeschuldigten stammendes DNAIdentifikationsmuster wäre mithin „auf Grund einer Untersuchung nach § 81e“ StPO erlangt, aber nicht „ausreichend“. Dasselbe würde für Muster gelten, die zwar gem. § 81e StPO beim Beschuldigten erhoben wurden, wenn der Verdacht sich aber nicht auf eine Straftat von erheblicher Bedeutung bezog. Auch eine solches, nach § 81e StPO erlangtes Muster wäre nicht ausreichend. Für dieses Verständnis, wonach allein klargestellt werden sollte, dass nicht jedes nach § 81e StPO erlangtes Muster einfach umgewidmet werden kann, spricht auch, dass der Entwurf zwar nach § 81e StPO erlangte Muster angesprochen hatte, nicht aber nach § 81g StPO erlangte. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist 758
Vgl. BT-Drucks. 13/10791, S. 3. So etwa OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/ 14, Rn. 21. 760 Vgl. BT-Drucks. 13/10791, S. 5, linke Spalte, 4. Absatz. 761 Vgl. BT-Drucks. 13/10791, S. 6, rechte Spalte. 762 Vgl. § 3 DNA-IFG i. d. F. v. BT-DS 14/445, S. 6. 759
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
freilich einerlei, ob ein Muster schon vorhanden ist, weil es aus einer Untersuchung nach § 81e StPO stammt oder weil es aus einer Maßnahme nach § 81g StPO gewonnen wurde. Auch deshalb sah der Rechtsausschuss sich berechtigt, den Passus des Entwurfes zu streichen, der ein vorhandenes DNA-Identifikationsmuster nach § 81e StPO der DNA-Identitätsfeststellung nach § 81g StPO als entgegenstehend konzipierte763. Was hat die Entwurfsverfasser nun abgehalten, in den einschränkenden Passus auch § 81g StPO aufzunehmen, wenn sie schon eine eigentlich dem Verhältnismäßigkeitsprinzip bereits immanente Schranke expressis verbis in den Gesetzestext aufnehmen wollten? Sinn ergibt die Erwähnung nur des vorhandenen Musters aus § 81e StPO einzig, wenn man darin eine Hervorhebung sieht. Dass ein aufgrund § 81e StPO – der nicht zur Speicherung berechtigt – erhobenes Muster aufgrund einer anderen Vorschrift gespeichert werden darf, ist nämlich in der Tat erklärungs- und rechtfertigungsbedürftig. Dem gegenüber ging der Gesetzgeber offenkundig davon aus, dass gar kein praktisches Bedürfnis für eine Maßnahme nach § 81g StPO bestehe, wenn sie bereits einmal erfolgreich durchgeführt wurde. In der StPO findet sich schließlich auch keine Vorschrift, die eine zweite Blutprobenentnahme verbietet, weil sich dies bereits aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt. Würde die zuerst entnommene Blutprobe aber beschädigt oder verloren, kann kein Zweifel bestehen, dass sie wiederholt werden dürfte, wenn nicht der Zeitablauf verhindern würde, dass dasselbe Ergebnis erzielt werden kann (wie dies insb. bei der Entnahme zur Feststellung der Alkoholkonzentration regelmäßig der Fall sein würde). Die Vermutung, es könne nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen sein, wenn sich eine Vielzahl von Betroffenen der Prozedur von Neuem unterziehen müsste, trägt die These von der gesetzgeberischen Vorbefassung ebenso wenig. Richtig daran ist, dass der Gesetzgeber wohl diese Auswirkungen im Laufe der Beratung erörtert hätte, wenn er sie gesehen hätte. Richtig ist aber auch, dass in den Gesetzgebungsmaterialien wohl ein Hinweis zu finden wäre, an welchem Tatbestandsmerkmal die Anordnung scheitern sollte, wenn der Gesetzgeber sie hätte verbieten wollen. Mithin spricht viel dafür, dass der Gesetzgeber sich des Problems der Auftypisierung noch nicht angenommen hat. Die Verwendung des Wortes „ausreichend“ in der Entwurfsfassung spricht weder für noch gegen die Zulässigkeit. Auch aus der Tilgung des Passus im Rechtsausschuss können keine Schlüsse gezogen werden. Gleiches gilt entgegen Lellmann für die Ausführung des BVerfG. Auch sie können quasi als Autoritätsargument nicht herangezogen werden. Das ergibt sich zuvorderst bereits aus der Tatsache, dass der Beschluss des BVerfG vom 15. 03. 2001, der gegenständliche, die DNA-Identitätsfeststellung anordnende Beschluss des Instanzgerichtes vom 03. 07. 2000 ist und damit beide in einer Zeit angesiedelt sind, in der von Auftypisierung keine Rede sein konnte und auch nicht war, weil der zur Zeit der Entscheidungen geltende Standard jener war, der bei Einführung der DNA-AnalyseDatei schon galt. Soweit das BVerfG in dem von Lellmann zitierten Beschluss 763
BT-Drucks. 13/11116, S. 7.
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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ausführt, es wäre i. R. d. Negativprognose erforderlich gewesen, nachvollziehbar darzulegen, warum zehn Jahre nach Verurteilung noch von neuen Strafverfahren ausgegangen wird764, bezieht es sich schon inhaltlich auf die Negativprognose, weil ein großer zeitlicher Abstand (im Fall stammte die Verurteilung aus dem Jahr 1989) zwischen Anlasstat und Anordnung ohne neue Taten tendenziell dagegen spricht, davon auszugehen, gegen den Betroffenen würden Strafverfahren geführt werden müssen765. Es ging um einen Fall, in dem die DNA-Identitätsfeststellung erstmals angeordnet wurde und damit um einen von den Auftypisierungsfällen komplett verschiedenen. Dem Beschluss des BVerfG ist daher nur zu entnehmen, dass es nicht von vorherein ausgeschlossen ist, auch zehn Jahre nach der Anlasstat die DNAIdentitätsfeststellung erstmals zuordnen. Keinerlei Aussage findet sich zur Situation, wenn bereits ein Muster gespeichert ist. (2) Kein Erfordernis einer neuerlichen Anlasstat Im Ausgangspunkt zutreffend geht Lellmann davon aus, dass ein Erfordernis einer neuen Anlasstat nicht konstruiert werden kann. § 81g Abs. 4 StPO sieht eine Anordnung erst nach Verfahrensbeendigung ausdrücklich vor. Einen „Verbrauch“ der Anlasstat gibt es nicht. Das AG Paderborn und dem folgend das LG haben dagegen allerdings Bedenken erhoben, weil die Anordnungsmöglichkeit ohne erneute Anlasstat zu einer Verlängerung der „Speicherfrist“ führen würde766. Wäre es zutreffend, dass ein ohne neue Anlasstat erfolgter Auftypisierungsbeschluss die Speicherzeit verlängern wurde, ohne dass der Betroffene neuerlichen Anlass dafür gegeben hat, würde dies tatsächlich im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstselbstbestimmung korrekturbedürftig anmuten. Es ist aber bereits unzutreffend, mit Blick auf die DNA-Analyse-Dateien von Speicherfristen zu sprechen. Es handelt nämlich um Aussonderungsprüffristen767. Der Unterschied ist in diesem Kontext von besonderer Bedeutung. Die Situation liegt nämlich gerade nicht so, dass nach Fristbeginn ein DNA-Identifikationsmuster zehn Jahre ungeachtet aller äußeren Umstände gespeichert werden könnte. Liegt ein Löschungsgrund vor, ist sofort zu löschen. Den Behörden obliegt – zumindest bei Erwachsenen – nur die Verpflichtung, spätestens zehn Jahre nach Fristbeginn die Voraussetzungen der Speicherung zu überprüfen. Die Speicherung kann länger als zehn Jahre aufrecht erhalten werden oder kürzer ausfallen. Wenn man dem Auftypisierungsbeschluss eine Wirkung auf die Aussonderungsprüffrist zuspricht, würde sich mithin allenfalls der Zeitpunkt verschieben, in 764
BVerfG, NJW 2001, 2320 (2321). Dazu oben Kap. 6 § 5 III. 2. b) m. w. N. in Fn. 585 (Kap. 6). 766 Vgl. AG Paderborn, Beschl. v. 24. 03. 2014 – 69 Gs 71/14, zit. nach LG Paderborn, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 1 Qs 56/14, 1 Qs – 22 Js 1365/13 – 56/14, Rn. 13. 767 Kap. 6 § 4 II. 4. a) bb). 765
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dem die Behörden die Speicherungsvoraussetzungen zu prüfen haben, nicht aber die Speicherdauer. Freilich könnte man sich aber auf den Standpunkt stellen, dass dies de facto zu einer Verlängerung der Speicherdauer führen würde. Jedoch gibt der Wortlaut des § 77 BKAG es her, dem Auftypisierungsbeschluss eine solche Wirkung nicht zukommen zu lassen. § 77 Abs. 3 S. 1 BKAG bestimmt für den Beginn der Frist das letzte Ereignis, das zu Speicherung geführt hat. Das ist bei der DNA-Identitätsfeststellung regelmäßig der anordnende (erstmalige) Beschluss768. Es erscheint zwar naheliegend, aber nicht zwingend, den Auftypisierungsbeschluss als ein Ereignis anzusehen, das die Frist von Neuem beginnen lässt. Wenngleich ein „auftypisiertes“ Muster aus mehr Merkmalssystemen besteht, handelt es sich der Sache nach um dasselbe Datum. Es erscheint daher möglich, und aus verfassungsrechtlichen Gründen auch notwendig, dem Auftypisierungsbeschluss keine speicherungsbegründende Wirkung zuzubilligen und daher an der Frist festzuhalten, die grundsätzlich durch den Erstbeschluss in Gang gesetzt wurde. Sollten nicht andere Gründe entgegenstehen, bedarf es zur Auftypisierung mithin keiner neuen Anlasstat. Voraussetzung ist aber freilich, dass die Negativprognose noch gestellt werden kann. Fehlt es an dieser, so darf die Auftypisierung nicht erfolgen. Bei dieser handelt es nämlich um einen Grundrechtseingriff, der dann weder in § 81g StPO noch in einer anderen Vorschrift seine Rechtfertigung finden könnte. (3) Keine Frage der Erforderlichkeit Damit entscheidet sich die Zulässigkeit der Auftypisierung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Soweit in der Vergangenheit an der Vereinbarkeit der Auftypisierung mit jenem gezweifelt wurde, geschah dies stets unter Anknüpfung an das Erforderlichkeitsgebot769. (a) Definition Dieses verlangt, dass von mehreren zur Verfügung stehenden Mitteln dasjenige zu wählen ist, das bei gleicher Eignung am wenigsten in die Grundrechte des Betroffenen eingreift770. Erforderlichkeit ist also nur zu verneinen, wenn der durch eine
768
Kap. 6 § 4 II. 4. a) bb) m. w. N. in Fn. 228 (Kap. 6). Deshalb Auftypisierung abl. LG Rostock, Beschl. v. 28. 09. 2012 – 13 Qs 221/12, Rn. 3; Eisenberg, Rn. 1689c; jedenfalls i. E. die Erforderlichkeit verneinend LG Paderborn, StV 2013, 434 f.; LG Saarbru¨ cken, StraFo 2012, 499; AG Hamburg, StV 2013, 148; Erforderlichkeit wenigstens diskutierend OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/14, Rn. 25 ff.; LG Paderborn, Beschl. v. 19. 11. 2014 – 1 Qs 56/14, 1 Qs – 22 Js 1365/13 – 56/14, Rn. 28 ff.; LG Hamburg, Beschl. v. 09. 04. 2014 – 628 Qs 11/14, 628 Qs 11/14 – 3306 Js 58/00, 3306 Js 58/00, Rn. 11 f.; LG Freiburg, Beschl. v. 30. 07. 2013 – 2 Qs 12/12, Rn. 28 ff.; LG Schweinfurt, Beschl. v. 06. 02. 2013 – 1 Qs 16/13, Rn. 19 ff.; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 1; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 39; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 46. 770 Statt vieler Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 3, Art. 20, VII., Rn. 113 ff. m. zahlr. w. N. 769
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Maßnahme verfolgte Zweck auf grundrechtsschonendere Weisung erreicht werden könnte. Dass es grundrechtsschonender wäre, die bereits erfolgte Speicherung zu verlängern anstatt die DNA-Identitätsfeststellung erneut anzuordnen und durchzuführen, erschließt sich von selbst. Fraglich ist aber, ob die dem Erforderlichkeitsgebot immanente Grenze gleicher Eignung dem Verbot einer Auftypisierung abträglich ist. Dabei scheint schon Streit über den Zweck der Auftypisierung zu herrschen. Insbesondere die Vertreter der Unzulässigkeit sehen in ihr eine reine Arbeitserleichterung oder eine Anpassung an EU-Vorgaben, welche nicht ausreichend sei771. Das überzeugt weder dogmatisch noch im Ergebnis. Die Frage nach dem Zweck ist i. R. d. Verhältnismäßigkeitsprinzips eine andere als die nach der Erforderlichkeit. Letztere setzt einen Zweck voraus. Freilich ist zutreffend, dass eine Arbeitserleichterung kein Selbstzweck ist – nicht (nur), weil er rechtlich nicht ausreichend ist, sondern weil „Zweck der Arbeit“ der Strafverfolgungsbehörden die Aufklärung von Straftaten ist. Hieran hat sich die Auftypisierung zu messen772. Dasselbe gilt für die Anpassung an EU-Standards, wennschon man zu diesem Punkt auch die grundsätzliche Europafreundlichkeit des Grundgesetzes und der Rechtsordnung anführen könnte773. Jedoch dient die Ausweiterung erfasster Merkmalssysteme im EU-weiten Austausch der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität. Dies ist auch aus rein nationaler Perspektive ein legitimer Zweck. (b) Gleiche Eignung Soweit einige Gerichte betonen, ein Vergleich zweier Muster mit weniger Systemen sei in gleichem Maße zur Verbrechensaufklärung geeignet774, ist dies unzutreffend. Die Erstellung eines „Verifizierungsgutachtens“ – womit nichts anderes als eine DNA-Analyse gem. § 81 StPO nach einem Treffer in der Datenbank gemeint ist – setzt voraus, dass ein Beschuldigter existiert. Mag man dies noch bejahen, falls ein Treffer bei zwei Personen erfolgt775, hingegen führt ein Treffer bei einer Vielzahl
771 Vgl. LG Paderborn, StV 2013, 434; LG Rostock, Beschl. v. 28. 09. 2012 – 13 Qs 221/12, Rn. 3; LG Saarbru¨ cken, StraFo 2012, 499; AG Hamburg, StV 2013, 148; gegen die Anknüpfung auch Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 39; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 46. 772 Zutreffend OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/14, Rn. 25. 773 Zur Europarechtsfreundlichkeit der Grundgesetzes BVerfG, NVwZ 2020, 1500 (1502, Rn. 14); NJW 2020, 300 (304, Rn. 61 m. w. N.). 774 LG Paderborn, StV 2013, 434; LG Rostock, Beschl. v. 28. 09. 2012 – 13 Qs 221/12, Rn. 3; LG Saarbru¨ cken, StraFo 2012, 499; AG Hamburg, StV 2013, 148. 775 Selbst das erscheint fraglich. Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 274 weisen darauf hin, dass u. U. die Wahrscheinlichkeit, dass das aus Spurenmaterial gewonnene und das gespeicherte Muster tatsächlich von derselben Person stammt, angesichts der zahlreichen gespeicherten Datensätze bei weniger als 50 % liegen kann.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
von Personen regelmäßig nicht zu einer Inkulpation aller776. Insofern kann auf die Ausführungen bei der DNA-Reihenuntersuchung verwiesen werden777. Je höher aber die Zahl gespeicherter Systeme ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass es nur einen oder keinen Treffer gibt778, was beides zulässige Ergebnisse sind – nur eine Übereinstimmung mit mehr als einem Muster ist, von eineiigen Zwillingen abgesehen, problematisch. Präzisiert man den Zweck der DNA-Identitätsfeststellung, geht es mithin darum, einen Beschuldigten auszumachen, nicht darum, einen Tatnachweis zu erbringen779. Gelingt das nicht, ist Tataufklärung nicht möglich780. Dass es einer weiteren Untersuchung ohnehin bedarf, ist mithin irrelevant. Allenfalls kann im Einzelfall eine Identifizierung auch mit Mustern nach dem alten Standard funktionieren. Das begründet aber nur, dass die Speicherung eines solchen Musters nicht völlig ungeeignet ist – was im Übrigen die Verfassungswidrigkeit der Speicherung bedeuten würde –, nicht aber dasselbe Maß an Eignung, auf welches es i. R. d. Erforderlichkeitskontrolle ankommt. Ob im Einzelfall auch bei einem nach altem Standard erhobenen Muster tatsächlich nur ein Treffer erfolgt, hängt von der Anzahl der gespeicherten Muster781, deren Ähnlichkeit mit dem im Einzelfall relevanten Muster und von der Qualität des Spurenmaterials ab – mithin von Faktoren, die unabhängig von dem einzelnen Muster sind. Damit die Speicherung eines Musters in der DNA-Analyse-Datei der Verbrechensaufklärung überhaupt dienen kann, muss die Datei in ihrer Gesamtheit funktionsfähig sein. ist.
Deshalb ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Auftypisierung möglich
(c) Einzelfallbetrachtung? Dies aber stets anzunehmen, hieße, dem Fortschritt der Technik – und letztlich auch der Entscheidung von Sachverständigen, denn die Festlegung auf eine gewisse Systemanzahl ist keine gesetzliche – zu überlassen, wann in des Bürgers Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen werden kann. Ein solches Ergebnis 776 OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/14, Rn. 35. 777 Oben Kap. 5 § 5 I. 2. b) bb) (3) (a). 778 Vgl. Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 274: „Gegenmittel“; Schneider/Schneider/Fimmers/ Brinkmann, NStZ 2010, 433 (434). Laut Herrn Dr. Rasmus Förster, Diplom-Biologe und Leiter des Fachbereichs 230 für molekulargenetische Untersuchungen beim Kriminaltechnischen Institut des LKA Stuttgart, erscheinen fünf gespeicherte Muster zu wenig. Bei acht Mustern käme man zwar in den „individualtypisierenden Bereich“. Schwierigkeiten bestünden aber auch hier, soweit es um Mischspuren gehe oder die zu vergleichende Spur nicht alle gespeicherten Merkmalssysteme aufweise. 779 OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/14, Rn. 29; anders noch LG Hamburg, Beschl. v. 09. 04. 2014 – 628 Qs 11/14, 628 Qs 11/14 – 3306 Js 58/00, 3306 Js 58/00, Rn. 12; LG Saarbru¨ cken, StraFo 2012, 499. 780 Anders Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 1. 781 Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 273 f.
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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wäre dem Vorwurf mangelnder Differenzierung ausgesetzt, denn es muss einen Unterschied machen, ob ein Muster auf dem Stand des Jahres 2000 oder auf dem des Jahres 2015 ist. Zu Recht wird betont, dass mache Muster (bald) zumindest im EUAustausch gar nicht mehr verwendbar sind, während auf andere dies nicht zutrifft. Krause meint daher, je weniger Muster gespeichert seien, desto mehr spreche dies für die Erforderlichkeit782. Daran ist richtig, dass bei weniger Mustern die Aufklärungschancen tendenziell sinken. Ob sie im Einzelfall aber wirklich nicht ausreichend sind, kann vor Anordnung der Auftypisierung gar nicht festgestellt werden, weil dies auch von der Qualität des Spurenmaterials abhängig, die aber freilich vorher unbekannt ist. Es im Einzelfall aber „darauf ankommen zu lassen“, ist wiederum nicht in demselben Maße geeignet – das gilt unabhängig davon, ob fünf oder acht Muster gespeichert sind. An der Erforderlichkeit ändert diese Erwägung aber nichts, sie bleibt zu bejahen; zumal dem Gesetzgeber i. R. d. Erforderlichkeit auch ein Gestaltungsspielraum zusteht783. Denkbar erscheint es aber, Einschränkungen i. R. d. Angemessenheit vorzunehmen784. Denn dogmatisch ist diese der Anknüpfungspunkt, um die Wirksamkeit der Maßnahme – die höher ist, wenn nur wenige Muster gespeichert sind – in Relation mit der verbundenen Eingriffsintensität zu bringen785. c) Subsidiarität der DNA-Identitätsfeststellung Zuvor sei aber noch der Frage nachgegangen, wie es sich auswirkt, wenn die prognostizierten Taten mit Hilfe anderer Ermittlungsmaßnahmen aufgeklärt werden können. Das LG Heidelberg geht davon aus, die DNA-Identitätsfeststellung sei nicht erforderlich, falls die prognostizierten Taten sich im familiären Umfeld des Täters abspielten, weil dann durch eine DNA-Analyse gem. § 81e StPO die Tat aufgeklärt werden könnte786. Andere Gerichte haben die Erforderlichkeit der DNA-Identitätsfeststellung im Bereich der Betäubungskriminalität damit verneint, dass hier bevorzugt andere Ermittlungsmaßnahmen wie verdeckte Ermittler eingesetzt würden787. Bei Straftaten in der Öffentlichkeit sei die Aufklärung mit Zeugen vorzu-
782
Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 39. BVerfGE 102, 197 (218); 115, 276 (309); Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 3, Art. 20, VII., Rn. 116; Jasch, in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.), Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, 571 (582); Kloepfer, in: FG 50 Jahre BVerwG, 329 (335); zum gesetzgeberischen Ermessen ferner BVerwGE 78, 118 (123). 784 Unten Kap. 6 § 5 IV. 3. a). 785 Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 3, Art. 20, VII., Rn. 116. 786 LG Heidelberg, StraFo 2016, 290 f.; zumindest nicht widersprechend Rogall, in: SKStPO I, § 81g, Rn. 46 a. E. 787 So etwa LG Zweibru¨ cken, StV 2003, 272; AG Kaiserslautern, StV 2000, 72; so auch Endriß/Kinzig, NStZ 2001, 299 (300). 783
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
ziehen788 ; bei Urkundenfälschungen kämen Schriftsachverständigengutachten oder Maßnahmen nach § 81b StPO in Betracht789. Diese Argumentation überzeugt nicht. § 81g StPO enthält keine Subsidiaritätsklausel790. Wo der Gesetzgeber eine Maßnahme als subsidiär ansieht, verwendet er eine solche. Das ist etwa bei der Telekommunikationsüberwachung in § 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO und beim Einsatz verdeckter Ermittler in § 110a Abs. 1 S. 3 StPO geschehen. Fast schon widersprüchlich ist es, Maßnahmen, die kraft Gesetzes subsidiär sind, der DNA-Identitätsfeststellung wegen deren scheinbaren, nicht einmal angeordneten oder angedeuteten Subsidiarität vorzuziehen. Würde so vorgegangen, müsste eher gefragt werden, ob dem Subsidiaritätsgebot der angesprochenen Maßnahmen Rechnung getragen wurde, wenn eine DNA-Identitätsfeststellung möglich gewesen wäre. Auch erscheint es nicht vorn herein möglich, andere Ermittlungsmaßnahmen als grundrechtsschonender anzusehen791. Man denke insbesondere an heimliche Maßnahmen wie Telefonüberwachung oder den Einsatz von verdeckten Ermittlern. Je nach Sensibilität der hierbei erhobenen Daten können diese Maßnahmen intensiver in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen als die Erhebung und Speicherung von DNA-Identifikationsmuster. Walther irrt nicht, wenn er festhält, dass nicht prognostiziert werden könne, wie eine Straftat aufgeklärt werden kann792. Wie i. R. d. Geeignetheit festgestellt wurde, dass bei keinem Delikt ausgeschlossen werden kann, dass es mittels DNA-Analytik aufgeklärt werden könnte793, kann insgesamt bei keinem Delikt prognostiziert werden, dass es mit einer anderen Ermittlungsmaßnahme aufgeklärt werden kann. Ob bei Straftaten potenzielle Zeugen zugegen sind, ist höchst unsicher. Familienmitglieder können unter Druck gesetzt werden oder sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Und im Betäubungsmittelbereich muss nicht zwingend eine solche Struktur vorhanden sein, die typischerweise benötigt wird, um verdeckte Ermittler einzuschleusen. Die angesprochenen Ermittlungsmaßnahmen der Telekommunikationsüberwachung und des Einsatzes verdeckter Ermittler sind außerdem vom Vorliegen eines Verdachtes besonders schwerer Straftaten abhängig (§§ 100a Abs. 2, 110a Abs. 1 StPO), die i. R. d. § 81g StPO nicht vorausgesetzt werden.
788
LG Wu¨ rzburg, StraFo 2010, 22 (23). LG Aachen, StraFo 2009, 18 (19). 790 Dies betonend LG Saarbrücken, NStZ 2001, 423 (424); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 10. 791 Weitergehender noch Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 10, der von einem nur geringfügigen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung spricht. 792 Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 18. 793 Oben Kap. 6 § 5 IV. 1. 789
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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d) Vorratsbeschlüsse Aus dem Gebot der Erforderlichkeit folgt ferner die Unzulässigkeit, die DNAIdentitätsfeststellung gegenüber solchen Personen anzuordnen, bei denen nicht sicher ist, ob die Anordnung überhaupt vollstreckt werden kann794. Beispiele sind ausgereiste oder abgeschobene Ausländer795, von denen aber Personen zu unterscheiden sind, die nur im Inland untergetaucht sind796. Bei Letzteren sind entsprechende Beschlüsse zulässig, was sich bereits daraus ergibt, dass die Betroffenen zur Festnahme ausgeschrieben werden dürfen, um die DNA-Identitätsfeststellung zu ermöglichen, § 131a Abs. 2 StPO. Man spricht bei Beschlüssen, zwischen deren Anordnung und Vollstreckung geraume Zeit liegen kann, von Vorratshaltung797. Dabei handelt es sich freilich um kein Spezifikum der DNA-Identitätsfeststellung. Dasselbe gilt für andere Ermittlungsmaßnahmen798. Dahinter steht grundsätzlich der Gedanke, dass bei einem größeren Zeitraum zwischen Anordnung und Vollstreckung regelmäßig zweifelhaft ist, ob die Tatbestandsvoraussetzungen noch vorliegen799. Bei Maßnahmen, die unter Richtervorbehalt stehen, sei auch die richterliche Kontrolle nicht mehr gewährleistet800. Bei § 81g StPO gilt es besonders zu berücksichtigen, dass die Negativprognose im Zeitpunkt der Anordnung getroffen wird. Diese ist regelmäßig auf ein zukünftiges Verhalten, nämlich auf Straftatenbegehung gerichtet. Die Prognose – wie anhand der oben näher erläuterten Kriterien ersichtlich, selten einfach zu stellen und meist komplexer Natur – ist dem Richter vorbehalten, weil ihm die ausschließliche Kompetenz über die Anordnung der DNA-Analyse selbst zusteht, § 81g Abs. 3 S. 2 StPO801. Dabei spielen Faktoren eine Rolle, die sich im Laufe der Zeit ändern können, z. B. Änderungen im sozialen Umfeld. Besteht zwischen Anordnung und Vollstreckung ein großer Zeitraum, führt dies nicht nur dazu, dass die Prognose in dem Zeitpunkt der Vollstreckung nicht mehr vom Richter getroffen wurde. Die ihr zugrunde liegenden Fakten können sich auch inhaltlich geändert haben. Beging der Betroffene keine neue Tat, spricht viel dafür, dass die Prognose sich nicht
794 BGH bei Becker, NStZ-RR 2003, 289 = wistra 2002, 475; BGH, NStZ 2000, 212; Eisenberg, Rn. 1689c; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 10; vgl. auch Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 38, der zu demselben Ergebnis kommt, dabei aber an die Geeignetheit anknüpft. 795 BGH bei Becker, NStZ-RR 2003, 289; BGH, NStZ 2000, 212; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 10. 796 Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 10. 797 BGH bei Becker, NStZ-RR 2003, 289; BGH, NStZ 2000, 212; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 10. 798 Zur Durchsuchungsanordnung BVerfGE 96, 44 (51 ff.). 799 BVerfGE 96, 44 (53 f.); LG Stuttgart, NStZ 2001, 336. 800 BVerfGE 96, 44 (52 f.); LG Stuttgart, NStZ 2001, 336. 801 Ausführlich unten Kap. 6 § 6.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
bewahrheiten wird802. Dasselbe gilt, wenn etwa im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität die erfolgreiche Überwindung der Drogensucht durch den Betroffenen zwischen Anordnung und Vollstreckung geschähe. Im Regelfall würde dies dazu führen, dass dem Betroffenen nicht attestiert werden kann, dass er neue Straftaten begehen wird, wenn die vergangenen allesamt nur solche waren, um die Drogensucht finanzieren zu können. Beging der Betroffene im Zeitraum zwischen Anordnung und Vollstreckung aber tatsächlich erneut eine Straftat von erheblicher Bedeutung, so hätte es des Vorratsbeschlusses schon deshalb nicht bedurft, weil eine neue Grundlage für die Anordnung in der Tat zu sehen ist. So oder so bedarf es mithin keines Vorratsbeschlusses. 3. Angemessenheit a) Einschränkung der Auftypisierung Bereits oben ist der Gedanke geäußert worden, dass Einschränkungen der Auftypisierung aus Gründen der Angemessenheit denkbar erscheinen803. Es kommt darauf an, ob eine Abwägung zwischen den Belangen des Betroffenen und der Wirksamkeit des Mittels im Hinblick auf die Erreichung des forcierten Zweckes804, mithin zwischen dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und der erhöhten Wirksamkeit der DNA-Identitätsfeststellung, zugunsten der letzteren ausfällt. Zwar ist es nicht richtig, wenn Lellmann von einem nur marginalen Grundrechtseingriff spricht805. Zutreffend ist aber, dass die Auftypisierung nicht mit derselben Eingriffsintensität verbunden ist wie die originäre Anordnung. Während die erstmalige Anordnung der DNA-Identitätsfeststellung durch die Speicherung die Eingriffsintensität gegenüber der DNA-Analyse gem. § 81e StPO erheblich intensiviert, erhält der Auftypisierungsbeschluss sie nur aufrecht und begründet keine weitere Belastungen in Form einer Speicherung806 – wie aufgezeigt auch nicht in längeren Aussonderungsprüffristen807. Grundrechtsrelevant sind alleine die Körperzellentnahme, welche aber im Regelfall nicht eingriffsintensiv ist808, und die Erstellung des DNA-Identifikationsmusters. Dabei handelt es sich um keine besonders eingriffsintensive Maßnahme, was bereits die niedrigen Anordnungsvor802
Anders wohl LG Stuttgart, NStZ 2001, 336, der davon ausgeht, dass ein auf fünf Jahre befristeter Beschluss sei zulässig. Das hieße aber, dass Geschehnisse innerhalb von fünf Jahren das Ergebnis der Negativprognose nicht ändern könnten, was zweifelhaft erscheint. 803 Oben Kap. 6 § 5 IV. 2. b) dd) (3) (c). 804 Erneut Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Bd. 3, Art. 20, VII., Rn. 116. 805 Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (116). 806 OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/14, Rn. 43; vgl. ferner Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 39. 807 Oben Kap. 6 § 5 IV. 2. b) dd) (2). 808 Oben Kap. 4 § 1 I. 1. b) dd).
§ 5 Materielle Anordnungsvoraussetzungen
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aussetzungen in § 81e StPO zeigen. Ob die bloße Erhöhung der Anzahl gespeicherter Merkmalsysteme intensitätssteigernd wirkt, erscheint zweifelhaft. Einerseits verbürgt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht, dass der Staat mit veralteten Maßnahmen arbeitet. Andererseits gilt es zu sehen, dass manche Merkmalssysteme auch sensible Informationen enthalten können. Auf das Beispiel des TH01-Markers, der seit jeher verwendet wird, ist hingewiesen worden809. Soweit ersichtlich sind derart sensible Informationen auf den neuen Systemen noch nicht festgestellt worden810. Soweit es um die Belange der Strafrechtspflege geht, ist darauf hinzuweisen, dass es sich dabei nur um solche handelt. Es handelt sich bei der Auftypisierung nicht um eine Maßnahme zugunsten des Betroffenen, weil ihm nicht die Aufgabe obliegt, sich selbst zu entlasten. Es ist daher irrelevant, dass er sich „besser entlasten“ könnte. Es ist der Staat, dem der Belastungsnachweis obliegt. Dasselbe gilt im Verhältnis zu Dritten: Dem Bürger obliegt es nicht, von anderen Bürgern Verdacht abzuwenden. Auch hier obliegt es dem Staat, den Dritten zu belasten811. Hinsichtlich der Effektivierung der Strafrechtspflege, um welche es in der Sache bei der Auftypisierung geht, ist angezeigt, danach zu differenzieren, nach welchem Standard das gespeicherte Muster erhoben wurde812. Besteht es nur aus fünf Systemen und ist es nicht mehr verwendbar, kommt die Auftypisierung im Effekt einer Neuanordnung gleich. Soll die Auftypisierung aber von dreizehn auf siebzehn Muster erfolgen, ist dies anders. Hier wird die Strafverfolgung nur in dem Maße effektiver, in dem die Chance wächst, bei einem Abgleich des gespeicherten Musters mit Spurenmaterial nicht einen oder mehrere Zufallstreffer bzw. keinen Treffer zu erhalten, obwohl der, dessen DNA-Identifikationsmuster gespeichert ist, der Spurenleger ist. Nun läge es nahe, vor der Entscheidung über die Auftypisierung wenigstens einen „Probedurchlauf“ zu verlangen. Das würde aber wenig nützten, weil die Anzahl der gespeicherten Muster, von der die Effektivität eines Abgleichs abhängig ist, stetig schwankt. Auch kann die Qualität des Spurenmaterials, das „im Ernstfall“ zum Einsatz kommt, nicht prognostiziert oder nachgeahmt werden. Auch i. R. d. Angemessenheit muss daher eine generelle Betrachtung erfolgen. Da davon auszugehen ist, dass die Anzahl gespeicherter Muster stetig wächst – freilich auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass im EU-Ausland gespeicherte Muster für deutsche Strafverfolgungsbehörden interessant werden und somit auch die Wahrscheinlichkeit für einen Zufallstreffer größer wird –, ist davon auszugehen, dass die 809
Oben Kap. 2 § 1 III. 2. Für einen Überblick über die inzwischen gespeicherten Systeme vgl. die Tabelle bei LG Freiburg, Beschl. v. 30. 07. 2013 – 2 Qs 12/12, Rn. 7. 811 Vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/14, Rn. 33; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 39. 812 Nach der Speicherdauer fragend Dettmeyer/Veit/Verhoff, S. 275. Vgl. auch Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 39; i. d. S. wohl auch OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/ 14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/14, Rn. 51, das einen nicht nur geringfügigen Gewinn für die Strafrechtspflege „jedenfalls“ bei Erweiterung des Musters von acht auf 17 Systeme annimmt. 810
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Interessen des Betroffenen grundsätzlich zurücktreten müssen813. Spiegelbildlich steigt die Grundrechtebelastung in dem Maße an, in dem die Strafverfolgung effektiviert wird814. Wer aus Gründen der Angemessenheit nicht das Verdikt der Verfassungswidrigkeit über die erstmalige Anordnung fällen will, kann dies in der Folge auch nicht über die Auftypisierung. b) Allgemeine Erwägungen Damit ist auf die Spezifika der DNA-Identitätsfeststellung eingegangen worden, die i. R. d. des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit regelmäßig in der Praxis Bedeutung erlangen oder im Schrifttum unter diesem Aspekt diskutiert werden. In atypischen Fällen mögen weitere, allgemeine Erwägungen relevant werden. Beispielsweise kann der Vorgang der Körperzellentnahme bei Einzelnen mit schwereren Konsequenzen verbunden sein als bei anderen – etwa dann, wenn eine Speichelprobe nicht in Betracht kommt und der Betroffene unter einer Krankheit leidet, die die Blutentnahme für ihn gefährlicher als allgemein üblich macht. Zuzugeben ist aber, dass die Speicherung des DNA-Identifikationsmusters ein Grundrechtseingriff ist, der häufig dieselbe Intensität hat, unabhängig von der Frage, wer betroffenen ist. Insofern verdient die Aussage Zustimmung, die Anordnungsvoraussetzungen seien bereits Verhältnismäßigkeitserwägungen in Form des der Grundrechtsintensität gegenüberstehenden Allgemeinbelanges.
§ 6 Formelle Anordnungsvoraussetzungen § 81g Abs. 3 StPO regelt die formellen Voraussetzungen der DNA-Identitätsfeststellung. Hinsichtlich der Durchführung der Maßnahme wird in S. 4 auf § 81f StPO verwiesen, sodass hier, wie schon bei der DNA-Reihenuntersuchung, dasselbe getan werden kann815. Während § 81g Abs. 1 StPO sowohl zur Körperzellentnahme als auch zur DNAAnalyse ermächtigt und diese mithin von denselben materiellen Voraussetzungen abhängig macht, differenziert § 81g Abs. 3 StPO zwischen beiden Vorgängen. Satz 1 beschäftigt sich mit der Körperzellentnahme, S. 2 regelt die eigentliche DNAAnalyse. Auffallend ist, dass die Speicherung, durch die sich die DNA-Identitätsfeststellung sowohl von § 81e StPO als auch von § 81h StPO abhebt, keine besondere Regelung erfahren hat. Das ist kein gesetzgeberisches Versehen. Die „Vorausset813
I. E. jedenfalls auch LG Freiburg, Beschl. v. 30. 07. 2013 – 2 Qs 12/12, Rn. 37. OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/14, Rn. 48. 815 Oben Kap. 4 § 4 II. 814
§ 6 Formelle Anordnungsvoraussetzungen
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zungen der Speicherung“ sind in rechtlicher Hinsicht die Voraussetzungen der Datenerhebung. Die Speicherung ist gewissermaßen eine Annexmaßnahme oder ein Reflex, was ihrer Bedeutung – auf ihr liegt der Schwerpunkt der Maßnahme816 – eigentlich nicht gerecht wird817. Daraus ergibt sich aber, dass die Speicherung sich ohne richterliche Anordnung vollzieht818. Umgekehrt ist eine Kontrolle der materiellen Anordnungsvoraussetzungen deshalb umso wichtiger, weil in der Entscheidung über die Datenerhebung zugleich die Entscheidung über die Speicherung liegt.
I. Zwangsweises Vorgehen Zu differenzieren ist danach, ob der Betroffene einwilligt. Sowohl in Bezug auf die Körperzellentnahme als auch auf die DNA-Analyse sieht § 81g Abs. 3 S. 1 bzw. S. 2 StPO die Möglichkeit hierzu vor. Begonnen werden soll mit dem Fall, in dem der Betroffene nicht einverstanden ist. 1. Anordnungskompetenz Die grundsätzliche Zuständigkeit sowohl zur Anordnung der Körperzellentnahme als auch zur DNA-DNA-Analyse liegt beim Gericht, § 81g Abs. 3 S. 1 und 2 StPO. Entscheidet über beides dasselbe Gericht, kann es die Entscheidungen in einem Beschluss fassen819. Zuständig ist – das ist unbestritten – vor Anklagerhebung (§ 162 Abs. 1 S. 1 StPO) und nach rechtskräftigem Abschluss der Ermittlungsrichter (§ 162 Abs. 3 S. 3 i. V. m. Abs. 1 S. 1 StPO)820.
816 Vgl. auch den ehemaligen Justizminister des Landes Schleswig-Holstein Walter (SPD) bei BR-Plen.-Prot. 737 v. 30. 04. 1999, S. 163 (D) – 164 (A). 817 Von einer funktionalen Verbindung der einzelnen Schritte deshalb mit Recht sprechend Busch, StraFo 2002, 46 (49). 818 LG Oldenburg, NStZ 2006, 514 (515); Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 82 a. E.; ebenso Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 35; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 12 u. a. unter Rekurs auf LG Hamburg, NJW 2001, 2563 f., Rackow, ZRP 2002, 236; ders., JR 2002, 365 ff.; Wollweber, NJW 2001, 1771 f., deren Beschlüsse bzw. Ausführungen allerdings § 3 S. 3 DNA-IFG a. F. zum Gegenstand hatten, der heute § 81g Abs. 5 S. 2 StPO der Sache nach entspricht. Die dort behandelten Umwidmungsfälle unterlagen und unterliegen aber der Besonderheit, dass bei ihnen überhaupt keine, auch keine vorgelagerte richterliche Prüfung erfolgt. Ausführlich Kap. 6 § 7 II. 2. 819 Vgl. nur BGHSt 45, 376 (377); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 4, der von einer einheitlichen Untersuchungshandlung spricht. 820 Statt vieler deshalb nur OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/ 14 – 1 OBL 42/14, Rn. 7; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 48, 67; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 48, 74 jeweils m. w. N.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
a) Zuständigkeit in Zwischen- und Hauptverfahren Zweifel wurden hingegen in die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts gem. § 162 Abs. 3 S. 1 StPO während des Zwischen- und Hauptverfahrens gesetzt821. Insbesondere das KG hatte sich in Vergangenheit auf den Standpunkt gestellt, dem Zuständigkeitsübergang vom Ermittlungsrichter auf das erkennende Gericht sei eine Grenze in Form der Verfahrensidentität gesetzt. Er fände daher nur statt, wenn die anzuordnende Maßnahme die Tat betreffe, die die Anklage umschreibe822. Auch in anderen Vorschriften des StPO – verwiesen wird auf das Recht der Telekommunikationsüberwachung und der Untersuchungshaft – komme dies zum Ausdruck823. Das sei bei der DNA-Identitätsfeststellung nicht der Fall, weil diese nicht der Aufklärung der verfahrensgegenständlichen Tat diene, sondern die Aufklärung in zukünftigen Verfahren wegen anderen Taten erleichtern solle824. Es drohe deshalb kein störender Einfluss von außen auf das Tatgericht, der durch den Zuständigkeitswechsel verhindert werden solle, weil die Maßnahme das Verfahren gar nicht betreffe825. Der Fall sei vergleichbar mit der Situation, dass nach einem Komplizen des Angeklagten gesucht und zu diesem Zweck die Telekommunikation des Angeklagten überwacht würde. Unstreitig sei in diesem Fall der Ermittlungsrichter zuständig826. Die Gegenansicht könne weiter nicht begründen, welches erkennende Gericht zuständig sei, wenn gegen denselben Angeklagten zwei Verfahren bei zwei unterschiedlichen Gerichten anhängig seien. Die örtliche Zuständigkeit sei schließlich nur für den Ermittlungsrichter bestimmt827. Außerdem könne die Zuständigkeit des erkennenden Gerichtes den Eindruck der Befangenheit begründen. Da die Staatsanwaltschaft den Antrag in jeder Lage des 821 Dagegen KG, NStZ-RR 2004, 82 (83); NStZ 1999, 145 (146); OLG Du¨ sseldorf, JMBl. NRW 1999, 270; LG Hamburg, Beschl. v. 08. 12. 2006 – 620 Qs 52/06, Rn. 6 ff.; LG Karlsruhe, NJW 1999, 301 f.; Rackow, S. 121; Senge, NJW 1999, 253 (255); heute noch vertreten von Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 18; Kühne, § 28, Rn. 490. 822 KG, NStZ-RR 2004, 82 (83); vgl. auch LG Hamburg, Beschl. v. 08. 12. 2006 – 620 Qs 52/ 06, Rn. 6, 8; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 18. 823 KG, NStZ-RR 2004, 82 (83); so auch Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 18. 824 KG, NStZ-RR 2004, 82 (83); OLG Du¨ sseldorf, JMBl. NRW 1999, 270 (271); LG Hamburg, Beschl. v. 08. 12. 2006 – 620 Qs 52/06, Rn. 6, 8; LG Karlsruhe, NJW 1999, 301 (302); Rackow, S. 121; Senge, NJW 1999, 253 (255); diesen Einwand als gewichtig erachtend Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 20; diesem Argument zustimmend OLG Bremen, NStZ 2006, 716; OLG Celle, NStZ-RR 2000, 374; OLG Brandenburg, JMBl. BB 1999, 87 (88); Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 19; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 19; ebenso Hero, S. 212; Vath, S. 92; West, S. 79. 825 KG, NStZ-RR 2004, 82 (83); NStZ 1999, 145 (146); OLG Du¨ sseldorf, JMBl. NRW 1999, 270 (271). 826 KG, NStZ-RR 2004, 82 (83). 827 KG, NStZ-RR 2004, 82 (83).
§ 6 Formelle Anordnungsvoraussetzungen
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Verfahrens stellen könnte, würde die Anordnung dazu führen, dass der Angeklagte den Eindruck gewönne, das mit der Anlasstat befasste Gericht sei von seiner Schuld bereits überzeugt828. Überzeugend ist dies nicht. Es ist daher davon auszugehen, dass während des Zwischen- und Hauptverfahrens das erkennende Gericht zuständig ist829. Das KG irrt nicht, wenn es betont, die Zuständigkeit richte sich nach dem Gesetz und nicht nach Praktibilitätserwägungen830. Der Zuständigkeitswechsel ist aber inzwischen gesetzlich angeordnet – nämlich in § 162 Abs. 3 S. 1 StPO. Dem KG ist zwar zuzugestehen, dass diese Vorschrift erst nach den maßgeblichen Entscheidungen in die StPO eingefügt wurde831. Das hat auch machen veranlasst, davon auszugehen, der Streit über die Zuständigkeit habe sich erledigt832. Eindeutig ist dies aber nicht. Würden die Argumente des KG durchschlagen, wären sie geeignet, auch heute eine Zuständigkeit des Ermittlungsrichters zu begründen. Einen gewissen Bezug zur Sache wird man nämlich in § 162 Abs. 3 S. 1 StPO verlangen müssen. Das deutet bereits der Wortlaut an, nach dem nach Erhebung der öffentlichen Klage das mit der Sache befasste Gerichte zuständig ist. Dafür spricht ferner die gesetzgeberische Intention. Diese, die maßgeblich auf vorheriger Rechtsprechung beruhte833, war es – das führt das KG treffend aus – zu verhindern, dass der Ermittlungsrichter Beschlüsse erlässt, die sich auf das Verfahren 828 Vgl. OLG Du¨ sseldorf, JMBl. NRW 1999, 270 (271); LG Karlsruhe, NJW 1999, 301 (302); i. E. auch KG, NStZ-RR 1999, 145 (146); dies anerkennend auch Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 19; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 19; ders, Jura 2021, 41 (51); s. auch Rackow, S. 121, der entsprechende Bedenken in der Rechtsprechung teilt, gleichzeitig aber darauf hinweist, dass auf die Anordnung der DNA-Identitätsfeststellung gestützten Befangenheitsanträgen keine Erfolgschancen zu bescheinigen seien. 829 So auch OLG Hamburg, Beschl. v. 23. 02. 2016 – 2 Ws 111/14, 2 Ws 111/14 – 1 OBL 42/ 14, Rn. 7; OLG Oldenburg, StraFo 2008, 376 f.; OLG Bremen, NStZ 2006, 716 f.; OLG Du¨ sseldorf, NStZ 2004, 349; OLG Saarbru¨ cken, NStZ-RR 2004, 112 (113); OLG Celle, NStZRR 2001, 145 (146); OLG Karlsruhe, StraFo 2001, 308; OLG Celle, NStZ-RR 2000, 374 f.; OLG Hamm, StV 2000, 606; OLG Jena, NJW 1999, 3571; OLG Brandenburg, JMBl. BB 1999, 87 (88); AG Landau i. d. Pf., NJW 1999, 303; Altendorfer, S. 176; Beck, S. 221 f.; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 14; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 19; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 19; ders, Jura 2021, 41 (51); Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 23; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 94; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1730; Eisenberg, Rn. 1692; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 14; Hero, S. 212 f.; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 49; Limbeck, S. 73; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 397; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 8; Neuser, S. 178 ff.; Ohler, StV 2000, 326 (328); Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 48; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 15; Vath, S. 92; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 24; West, S. 79; implizit auch BGH, StV 1999, 302. 830 KG, NStZ-RR 2004, 82 (83); so später auch LG Hamburg, Beschl. v. 08. 12. 2006 – 620 Qs 52/06, Rn. 8. 831 Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Untersuchungshaftrechts v. 29. 07. 2009, BGBl. I, S. 2274. 832 Beck, S. 222; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 25; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 48. 833 Vgl. hierzu nur BGHSt 27, 253.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
negativ auswirken834. Würde man sich mit dem KG auf den Standpunkt stellen, die Anordnung der DNA-Identitätsfeststellung habe mit dem Verfahren vor dem erkennenden Gericht nichts tun, läge eine Zuweisung der Anordnungskompetenz an den Ermittlungsrichter durchaus nahe835. In methodischer Hinsicht hätte man es gewissermaßen mit einer teleologischen Reduktion des § 162 Abs. 3 S. 1 StPO zu tun. Der Verweis auf § 81f StPO in § 81g Abs. 3 S. 4 StPO steht dem nicht entgegen836. Denn der Verweis bezieht sich inzwischen837 nur auf den zweiten Absatz des § 81f StPO – also auf den den Sachverständigen betreffenden Teil. Auf die Anordnungskompetenz, die in § 81f Abs. 1 StPO geregelt ist, wird gerade nicht Bezug genommen838. Ein solcher Verweis wäre auch irreführend, weil § 81g Abs. 3 StPO im Hinblick auf die Zuständigkeit von § 81f Abs. 1 StPO gerade abweicht. Entgegenzuhalten ist aber, dass die DNA-Identitätsfeststellung – auch wenn sie nicht dem Verfahren dient, das Gegenstand der Verhandlung vor dem in Zwischenund Hauptverfahren zuständigen Gericht ist – doch mit diesem zusammenhängt. Da die Anordnungsvoraussetzungen – insb. die Anlasstat – in Zusammenhang mit der DNA-Identitätsfeststellung stehen, ist es der Sache gleichwohl am nächsten839. Ein „störender“ Einfluss von außen ist möglich. Denkbar ist sowohl, dass der Ermittlungsrichter von einer Straftat von erheblicher Bedeutung ausgeht, das erkennende Gericht aber nicht, als auch, dass der Ermittlungsrichter nicht von einer solchen ausgeht, das erkennende Gericht aber schon. Es gilt also, sich widersprechende Würdigungen der Tat zu vermeiden840. Auch die Negativprognose, die eine Wür834
Vgl. die entsprechende Bezugnahme in BT-Drucks. 16/11644, S. 14; zum Zweck des Zuständigkeitsüberganges hier nur noch Kölbel, in: MüKo-StPO II, § 162, Rn. 16 f. 835 Ebenso, aber i. E. dennoch abl. Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 49. 836 So aber Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 49. 837 Der ursprüngliche Verweis auf § 81f StPO im Ganzen durch § 81g Abs. 3 S. 1 StPO a. F. wurde durch das Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse vom 12. 08. 2005, BGBl. I, S. 2360, entsprechend der heutigen Fassung modifiziert. 838 LG Hamburg, Beschl. v. 08. 12. 2006 – 620 Qs 52/06, Rn. 9. 839 OLG Celle, NStZ-RR 2000, 374 f.; Altendorfer, S. 176; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 19; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 19; Hero, S. 212; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 397; Neuser, S. 179; Ohler, StV 2000, 326 (328); Vath, S. 92; West, S. 79; weitergehend noch Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 49, der die Zuweisung an den Ermittlungsrichter im Konflikt mit dem Gebot bestmöglicher Aufklärung ansähe; ihm zustimmend OLG Bremen, NStZ 2006, 716 (717); vgl. auch OLG Brandenburg, JMBl. BB 1999, 87 (88), das auf den Tatverdacht abstellt; a. A. aber OLG Du¨ sseldorf, JMBl. NRW 1999, 270 (271); Rackow, S. 122, der dies damit begründet, dass die Negativprognose nicht zwingend nur auf Informationen über die Anlasstat fuße, sondern auch auf sog. „Hintergrundinformationen“ wie Berichten von verdeckten Ermittlern etc.; die Sachnähe als unbeachtliche Praktibilitätserwägung abtuend LG Hamburg, Beschl. v. 08. 12. 2006 – 620 Qs 52/06, Rn. 8. 840 Ausdrücklich OLG Bremen, NStZ 2006, 716 (717); OLG Celle, NStZ-RR 2000, 374 (375); Hero, S. 212; dies anerkennend auch Senge, NJW 1999, 253 (255), der ein Einverständnis von Ermittlungsrichter und Tatgericht verlangt.
§ 6 Formelle Anordnungsvoraussetzungen
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digung auch der Person des Angeklagten verlangt, legt die Zuweisung an das erkennende Gericht näher. Dieses ist schließlich mit ihm konfrontiert841. Ferner überzeugt es nicht, davon auszugehen, das Gericht sehe sich nach Anordnung mit Befangenheitsanträgen konfrontiert. Mit diesem Argument ließe sich – inzwischen contra legem – jeder Zuständigkeitsübergang auf das erkennende Gericht verneinen. Des Weiteren verlangt § 81g StPO nur einen Anfangsverdacht, nicht richterliche Überzeugung, die für die Verurteilung notwendig wäre842. Da die Anforderungen für die Anordnung der DNA-Identitätsfeststellung hinter denen der Verurteilung zurückbleiben, kann in der Anordnung auch keine Voreingenommenheit des Gerichtes gesehen werden843. Umgekehrt müsste ein Gericht, dass die DNAIdentitätsfeststellung mit Hinweis auf den fehlenden Anfangsverdacht ablehnt, sich dem Vorwurf aussetzen, warum es die Anklage dann überhaupt zugelassen hat844. Erst recht bei der Anordnung der Untersuchungs- bzw. Sicherungshaft, die nach § 112 Abs. 1, 112a Abs. 1 StPO einen dringenden Tatverdacht voraussetzt, wäre jedes Gericht bei diesem Verständnis mit dem Vorwurf der Befangenheit konfrontiert845. Nicht zu überzeugen vermag aber der Einwand der Oberlandesgerichte Bremen und Celle, das Gericht könnte aus prozesstaktischen Gründen die Entscheidung bis zur Urteilsfällung zurückstellen846. Denn § 81g StPO sieht die Anordnung während des laufenden Verfahrens ausdrücklich vor. Hierüber kann das Gericht, sollte die Staatsanwaltschaft einen Antrag stellen, nicht disponieren. b) Eilzuständigkeit der Staatsanwaltschaft bei der Körperzellentnahme Eine Eilzuständigkeit der Staatsanwaltschaft ist nur für die Körperzellentnahme in § 81g Abs. 3 S. 1 StPO normiert, nicht für die DNA-Analyse. Damit trägt der der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung, dass es im Einzelfall eilen kann, die Körperzellen zu erlangen (etwa, wenn der Betroffene im Begriff ist, zu flüchten847, dringender Tatverdacht, der für den Haftbefehl erforderlich wäre, aber nicht gegeben und für Maßnahmen nach § 81g StPO auch nicht erforderlich ist848); dass aber, wenn die Körperzellen einmal vorhanden sind, keine derartige Eile besteht, die notwendigen 841
OLG Bremen, NStZ 2006, 716 (717); Hero, S. 212; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 49; Limbeck, S. 73; Neuser, S. 178 f.; andeutend OLG Zweibru¨ cken, NJW 1999, 300 (301). 842 Hierzu nur Fischer, in: KK-StPO, Einl., Rn. 39. 843 Neuser, S. 179; Vath, S. 92. 844 Auf den Eröffnungsbeschluss abstellend auch OLG Bremen, NStZ 2006, 716 (717); OLG Celle, NStZ-RR 2000, 374 (375); Hero, S. 212. 845 Vath, S. 93; insgesamt Ohler, StV 2000, 326 (328); ähnlich OLG Bremen, NStZ 2006, 716 (717); OLG Celle, NStZ-RR 2000, 374 (375); dies anerkennend auch Rackow, S. 121. 846 OLG Bremen, NStZ 2006, 716 (717); OLG Celle, NStZ-RR 2000, 374 (375). 847 BT-Drucks. 15/5674, S. 8, 12; Beck, S. 221; Graalmann-Scheerer, JR 1999, 453; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 47; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 397; Vath, S. 91. 848 BT-Drucks. 15/5674, S. 12; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 24.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Informationen aus der DNA zu analysieren, die es verbieten würde, dass das Gericht sich damit beschäftigt. Ein Beweismittelverlust droht grade nicht849. Damit besteht ein gewisser Wiederspruch zu § 81a, §§ 81e, 81f StPO, weil hier sowohl für die Körperzellentnahme in § 81a Abs. 2 S. 1 StPO als auch für die DNA-Analyse in § 81f Abs. 1 S. 1 StPO eine Eilzuständigkeit der Staatsanwaltschaft begründet ist. 2. Begründungsanforderungen Die gerichtliche Entscheidung muss gem. § 81g Abs. 3 S. 5 StPO schriftlich begründet werden. Dabei sind darzulegen die Tatsachen des Einzelfalles, die die Erheblichkeit der Anlasstat (Nr. 1) und das Vorliegen der Negativprognose (Nr. 2) begründen, sowie die Abwägung der jeweiligen Umstände (Nr. 3). Das Erfordernis, das in § 81g Abs. 3 StPO beschrieben wird, ist keines, das originär durch § 81g StPO begründet ist, sondern ein verfassungsrechtliches850. Das BVerfG hat bei DNA-Identitätsfeststellungen eine Einzelfallbegründung schon verlangt, ehe § 81g Abs. 3 S. 5 StPO implementiert war851. Der Gesetzgeber hat diese Vorgaben durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. 12. 2003852 lediglich übernommen853. Ferner ergibt sich das Erfordernis einer Begründung allgemein bereits aus § 34 StPO. Teilweise wird deshalb die Norm als überflüssig betrachtet854, teilweise wird aber auch von „hohen Anforderungen“ gesprochen855. Durch die Begründung soll transparent werden, ob und wie der Richter dem betroffenen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung getragen hat856. Dadurch soll dem Betroffenen auch die Einlegung eines Rechtsmittels ermöglicht werden857.
849 Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 397; Pommer, JA 2007, 621 (625); vgl. auch BT-Drucks. 15/5674, S. 8 f. 850 Jüngst BVerfG, StV 2022, 5, Rn. 25; NStZ-RR 2021, 252 (253). 851 Vgl. zur Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung vor Einführung des § 81g Abs. 3 S. 4 StPO BVerfGE 103, 21 (34 ff.); StV 2003, 1 f.; NJW 2001, 2320 (2321). 852 BGBl. I, S. 3007. 853 BT-Drucks. 15/350, S. 23. 854 Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 19; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 24 unter Anknüpfung an die Entscheidungen des BVerfG in Fn. 172; anders aber Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 56, der von einem gut gemeinten Novum spricht. 855 Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (115). 856 BVerfG, NJW 2001, 882 f.; OLG Celle, NStZ-RR 2010, 149 (150); Beck, S. 234. 857 Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 17; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 59; Senge, NJW 2005, 3028 (3031).
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II. Einwilligung Andererseits sieht § 81g Abs. 3 StPO auch die Möglichkeit des Beschuldigten vor, in die DNA-Identitätsfeststellung einzuwilligen. So bedarf es der in S. 1 grundsätzlich und in S. 2 stets erforderlichen richterlichen Anordnung nicht, wenn der Betroffene schriftlich einwilligt. Die Einwilligungsmöglichkeit wurde durch das Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse vom 12. 08. 2005 ermöglicht858. Damit sollte der Streit beendet werden, ob die Einwilligung in die Maßnahme eine richterliche Anordnung entbehrlich macht859, der in Rechtsprechung860 und Literatur861 keinem befriedigen Ergebnis zugeführt werden konnte. 1. Belehrung nach § 81g Abs. 3 S. 3 StPO und allgemeine Voraussetzungen der Einwilligung im Lichte der DNA-Identitätsfeststellung a) Belehrung gem. § 81g Abs. 3 S. StPO Zu den Voraussetzungen der Einwilligung schweigt sich § 81g StPO aber in weiten Teilen aus. Bestimmt ist nur, dass die Einwilligung schriftlich zu erfolgen hat, um sowohl Nachweisproblemen zu begegnen, als auch um dem Betroffenen die Tragweite seiner Entscheidung klarzumachen862 – was eine Abweichung vom zu858
BGBl. I, S. 2360. BT-Drucks. 15/5674, S. 7. 860 Für die Entbehrlichkeit der richterlichen Anordnung bei Einwilligung etwa LG Düsseldorf, NJW 2003, 1883 (1884 f.); LG Hamburg, NStZ-RR 2000, 269 f.; NJW 2000, 2288; AG Hamburg, StV 2001, 11 (13); dagegen etwa LG Mu¨ hlhausen, NJ 2003, 45; LG Hannover, NStZRR 2001, 20. Aus Gründen der Verständlichkeit scheint es geboten, darauf zu hinzuweisen, dass die Bezugnahme auf § 81f StPO in Teilen der betreffenden Entscheidungen daher rührt, dass § 81g Abs. 3 StPO i. d. F. vor dem Gesetz vom 12. 08. 2005 schlicht auf die §§ 81a Abs. 2, 81f StPO verwies. 861 Für die Entbehrlichkeit Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 72 ff.; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, 692 (693); Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl. 2001, § 81g, Rn. 17; Rackow, S. 134, 137 ff.; ders., BewHi 2003, 78 (83); Sprenger/Fischer, NJW 1999, 1830 (1831 ff.); Zöller, S. 121 f.; wohl auch Kropp, NJ 2003, 15 (16); ders., NJ 2001, 576, der eine gerichtliche Überprüfung der Einwilligungsvoraussetzungen verlangt, die allerdings keinen förmlichen Beschluss erfordern soll; Neuser, S. 209 ff.; für die richterliche Anordnung trotz Einwilligung aber Busch, NJW 2002, 1754 (1756); ders., StV 2000, 660 (661 f.); Fisahn, ZRP 2001, 49 (54); Lemke, in: HK-StPO, 3. Aufl. 2001, § 81g, Rn. 30; Rinio, JR 2001, 167 (168 ff.); vgl. krit. zur gegenteiligen Praxis auch Endriß/Kinzig, NStZ 2001, 299 (300); Neubacher/Walther, StV 2001, 584 (588 f.); die anordnungsersetzende Einwilligung nur bei der Entnahme der Körperzellen, nicht aber bei der DNA-Analyse zulassend Busch, StraFo 2002, 46 (47 ff.); Golembiewski, NJW 2001, 1036 (1037 f.); Graalmann-Scheerer., JR 1999, 453 (454 f.); Senge, NStZ 2001, 328 (332); ders., NJW 1999, 253 (255); Vath, S. 95 f., 100 f.; wohl auch Volk, NStZ 1999, 165 (169), nach der von dem Gebot richterlicher Anordnung in § 81f StPO „kein Dispens erteilt werden“ könne; für die DNA-Analyse offen lassend Graalmann-Scheerer, Kriminalistik 2000, 328 (330). 862 Hierzu BT-Drucks. 15/5674, S. 12; daran anknüpfend Hasselbach, S. 73 f.; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 51; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 400; Rogall, in: 859
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mindest theoretischen Grundsatz der Formfreiheit darstellt863 –, und dass der Betroffene darüber zu belehren ist, für welchen Zweck seine Daten verwendet werden, § 81g Abs. 3 S. 3 StPO. Letzteres gebietet zunächst einmal eine Belehrung darüber, dass das DNA-Identifikationsmuster und das Geschlecht nebst den dazugehörigen Verwaltungsdaten in der DNA-Analyse-Datei gespeichert werden864. Ein Hinweis auf die voraussichtliche Länge der Speicherung ist erforderlich865, weil der hypothetische Grundrechtseingriff, den der Betroffene erkennen soll, intensiver wird, je länger er andauert. Ferner muss auch darauf hingewiesen werden, dass ein Abgleich in zukünftigen Verfahren stattfindet866 und das Ergebnis dieses Abgleichs in einem künftigen Strafverfahren Verwendung finden kann867. Das umfasst die Belehrung darüber, welche Behörden Zugriff haben868. Denn mit einer erweiterten Zugriffsmöglichkeit steigt die hypothetische Eingriffsintensität der Maßnahme in qualitativer Hinsicht. Dabei ist auch die Möglichkeit des grenzüberschreitenden Abgleiches zu erwähnen. Da ferner die Daten, ebenso auch grenzüberschreitend, auch manuell übermittelt werden können, ist hierauf ebenso hinzuweisen wie auf die Möglichkeit des Einsatzes i. R. d. Gefahrenabwehr und der internationalen Rechtshilfe869. b) Zur Einwilligungsfähigkeit der in § 81g Abs. 4 Nr. 1 – 3 StPO Genannten Neben den besonderen Voraussetzungen des § 81g StPO gelten freilich die allgemeinen Voraussetzungen870. Hinzuweisen ist i. R. d. DNA-Identitätsfeststellung im Besonderen auf die Einwilligungsfähigkeit. Gem. § 81g Abs. 4 kommt die DNAIdentitätsfeststellung auch bei Schuldunfähigen, wegen Geisteskrankheit Verhandlungsunfähigen und nach dem JGG nicht Verantwortlichen in Betracht. Das Vorliegen einer dieser Eigenschaften schließt die Einwilligungsfähigkeit nicht zwingend SK-StPO I, § 81g, Rn. 52; Stadler-Brehm, S. 84; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 21; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 27; West, S. 78, 81. 863 Dazu oben Kap. 3 § 5 V. 3. 864 Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (167); Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 21, ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 21; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 26; Finger, Kriminalistik 2006, 696 (698); Fluck, NJW 2001, 2292 (2294); Hasselbach, S. 75; Hero, S. 216; Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (114); Neuser, S. 218; Pommer, JA 2007, 621 (625); Rackow, S. 135, 139; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 53; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 17; Stadler-Brehm, S. 84; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 22; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 28; vgl. auch das Formblatt 2 bei Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 86. 865 Hero, S. 216; vgl. auch Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (167), wobei es allerdings sachlich unzutreffend, wenigstens aber undifferenziert ist, von einer Mindestdauer von zehn Jahren zu sprechen, dazu oben Kap. 6 § 4 II. 4. a) bb). 866 Dazu nur Neuser, S. 219. 867 Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (167). 868 Hero, S. 216. 869 Rackow, S. 135; insgesamt Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (167); vgl. auch das Formblatt 2 bei Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 86. 870 BT-Drucks. 15/5674, S. 12; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 400; i. E. auch Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 29.
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aus871. Ein plastisches Beispiel dürfte sein, wenn die Anlasstat im schuldausschließenden Zustand der Volltrunkenheit begangen wurde. Im für die Einwilligung maßgeblichen Zeitpunkt, also im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung, kann der Betroffene freilich nüchtern sein und die Reichweite seiner Entscheidung im Hinblick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung überblicken872, sodass in die Einwilligungsfähigkeit keine Zweifel zu setzen sind. Bei psychischen Krankheiten und Minderjährigen, bei denen die Verurteilung daran gescheitert ist, dass die notwendige sittliche und geistige Reife nach § 3 JGG nicht festgestellt werden konnte873, ist allerdings Vorsicht geboten874. Denkbar ist allerdings, dass der Betroffene im Zeitraum zwischen Tat und Einwilligung von der Krankheit geheilt wurde bzw. der Jugendliche die Reife erlangt hat, der es bedarf, dass er die Reichweite seiner Entscheidung überblicken kann. c) Weitergehende Belehrungserfordernisse Aus den allgemeinen Einwilligungsvoraussetzungen, insb. aus dem Freiwilligkeitspostulat, folgt ferner, dass der Betroffene über die wesentlichen Umstände des hypothetischen Engriffes zu belehren ist. Die Belehrungsvorschrift des § 81g Abs. 3 S. 3. StPO ist mithin nicht abschließend875. Demgemäß muss auf die Art des körperlichen Eingriffes (Wangenabstrich oder ggf. Blutprobenentnahme)876 ebenso hingewiesen werden wie darauf, welche Daten erhoben werden (DNA-Identifikationsmuster und Geschlecht)877. Ob daneben auf die Untersuchungs- und Verwendungsverbote hingewiesen werden muss878, erscheint dagegen zweifelhaft. Wenn dem Bürger mitgeteilt wird, welche Daten erhoben und wozu sie verwendet werden, darf er darauf vertrauen, dass diese Mitteilung ab871 So auch Beck, S. 227; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 52; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 21. 872 Zu dieser Definition der Einwilligungsfähigkeit Kap. 3 § 5 V. 6. a) m. w. N. in Fn. 361 (Kap. 3). 873 Bei Jugendlichen, deren Verantwortung nach dem JGG festgestellt wurde, ist die Situation dagegen regelmäßig unproblematisch, vgl. oben Kap. 3 § 5 V. 6. b), a. A. indes Sprenger/Fischer, NJW 1999, 1830 (1833). 874 So pauschalisierend für die ganze Personengruppe, die in § 81g Abs. 4 StPO angesprochen ist Beck, S. 227; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 52; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 21. 875 BT-Drucks. 15/5674, S. 12; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 54; Rogall, in: SKStPO I, § 81g, Rn. 53. 876 Beck, S. 228; Graalmann-Scheerer, Kriminalistik 2000, 328 (330); dies., JR 1999, 453 (454); Hero, S. 216; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 53; Rackow, S. 134; Rogall, in: SKStPO I, § 81g, Rn. 53; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn 22; Vath, S. 96; Walther, in: AnwKoStPO, § 81g, Rn. 28. 877 Vgl. Vath, S. 96; West, S. 81; sich nur auf das DNA-Identifikationsmuster beziehend Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (167). 878 So Beck, S. 228; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 53.
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schließend ist. Decken sich Erhebungs- und Verwendungsumfang mit der Belehrung, reicht dies aus, damit der Betroffene die Reichweite der Erklärung überblicken kann. Die Nichterhebung bzw. Nichtverwendung ist für die hypothetische Eingriffstiefe der Sache nach irrelevant. Hinderlich oder gar schädlich ist eine entsprechende Belehrung freilich nicht. Ferner verlangt das BDSG, das i. V. m. § 500 StPO Anwendung findet, weitere Belehrungen. Daraus ergibt sich einerseits die Belehrung über die Neutralität der Verweigerung879, die aber keine große Rolle spielt, da § 81g StPO gar nicht der Aufklärung einer Tat dient, der der Betroffene verdächtigt ist. Bei inhaftierten Betroffenen muss dagegen zwingend klargestellt werden, dass die Verweigerung keine negativen, die Einwilligung keine positiven Auswirkungen auf den Vollzug hat880. Dass die Einwilligung überhaupt verweigert werden kann bedarf in jedem Fall der Erwähnung881. Erwähnenswert ist ferner § 51 Abs. 3 S. 3 BDSG, also die Pflicht zur Belehrung über den Widerruf882 und seine Folgen883. Entgegen einzelner Stimmen in der Literatur884 ist ein solcher möglich885. Spätestens mit der Einführung des § 51 BDSG und des mittelbaren Verweises der StPO auf diesen ist eine nicht widerrufliche
879 Beck, S. 229; Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (167); Hero, S. 217; Krause, in: LRStPO II, § 81g, Rn. 52; Stadler-Brehm, S. 84; zur Herleitung einer solchen Belehrungspflicht aus § 51 Abs. 4 S. 4 BDSG oben Kap. 3 § 5 V. 2. d) bb). 880 Beck, S. 229; Krause, in: LR-StPO II, § 81g StPO, Rn. 53; Krehl/Kolz, StV 2004, 447 (454); Rackow, BewHi 2003, 78 (83); Sprenger/Fischer, NJW 1999, 1830 (1833); Zöller, S. 122; einer solchen Annahme entgegentretend LG Hamburg, NJW 2000, 2288. 881 Beck, S. 228 f.; Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (167); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 53; Neuser, S. 218; Rackow, S. 134; zur Herleitung Kap. 3 § 5 V. 2. d) bb). 882 Ohne Anknüpfung an § 51 BDSG Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (167); Hero, S. 217; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 54; Neubacher/Walther, StV 2001, 584 (588); Rackow, S. 134; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 53; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 22; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 29. 883 Dazu nur Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 54; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 53. 884 Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 26; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1729; widersprüchlich Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 17, der davon spricht, grundsätzlich sei ein Widerruf nicht möglich, in Rn. 23 aber ausführt, ein solcher hätte Wirkung nur für die Zukunft. 885 So zutreffend auch Beck, S. 229 f.; Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (167 f.); Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 12; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 21, ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 21; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 400; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 53; vgl. auch LG Düsseldorf, NJW 2003, 1883 (1885); implizit freilich auch Hero, S. 217; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 22; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 29; denn die von ihnen geforderte Belehrung über das Widerrufsrecht setzt ein solches voraus; implizit auch Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 82; von einer Rücknahme sprechend Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 10; offen gelassen von LG Dresden, Beschl. v. 19. 02 2007 – 3 Qs 19/07, Rn. 7.
§ 6 Formelle Anordnungsvoraussetzungen
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Einwilligung allenfalls möglich, wenn die StPO dies anordnen würde. Im Bereich des § 81g StPO tut sie dies nicht886. d) Folgen des Widerrufs Widerruft der Betroffene die Einwilligung, berührt dies gem. § 51 Abs. 3 S. 2 BDSG die Rechtmäßigkeit der vorherigen Verarbeitung, also etwa die Erhebung des DNA-Identifikationsmusters, dessen Speicherung oder auch zwischenzeitlich durchgeführte Abgleiche, nicht. Fraglich sind allerdings die Auswirkungen für die künftige Verarbeitung. Die naheliegende Annahme, der Widerruf der Einwilligung führe dazu, dass entweder die gespeicherten Daten zu löschen sind oder ein nachträglicher richterlicher Beschluss sie legitimieren muss887, greift zu kurz. Die Vertreter dieser Ansicht postulieren, der Widerruf entzöge der Speicherung nachträglich die formelle Grundlage888. Der Widerruf sei vergleichbar mit der nachträglichen Aufhebung der richterlichen Anordnung, deren Surrogat die Einwilligung bilde, auf Beschwerde des Betroffenen hin889. Dem Betroffenen könne nicht nachvollziehbar erklärt werden, dass er zwar widerrufen könne, dies aber sich auf die Speicherung nicht auswirke890. Demnach sei nach dem Widerruf ein sog. Nachholbeschluss – mithin eine richterliche Entscheidung im Nachhinein – herbeizuführen, die die Speicherung von nun an tragen solle891. Weil die Einwilligung die Speicherung nicht mehr trage, seien die Daten i. Ü. zu löschen. Jedoch soll es zulässig sein, in der Zeit zwischen Widerruf und richterlicher Entscheidung die Daten gem. §§ 75 Abs. 3 S. 1, 58 Abs. 3 BDSG zu sperren, also vorläufig nicht zu verwenden892. Die endgültige Löschung sei mithin erst dann geboten, wenn die Einwilligung widerrufen und ein Nachholbeschluss nicht erlassen werde, z. B., weil die Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO nicht vorliegen. Würde man dazu gelangen, dass der Widerruf die Speicherung nicht berühre, führte dies dazu, dass der Einwilligende auf jede Form der gerichtlichen 886
Vor Einführung des § 51 BDSG unter Anknüpfung an allgemeine datenschutzrechtliche Grundsätze zutreffend Beck, S. 229 f.; Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (168). 887 Hierfür Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 53, vgl. zum alten Recht vgl. Beck, S. 230 f.; Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (168); Hero, S. 217; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 54. 888 So Beck, S. 230 f.; Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (168); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 54. 889 Beck, S. 230; Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (168). 890 Beck, S. 230. 891 Beck, S. 231; Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (168); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 54. 892 Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 53; zum alten Recht Beck, S. 231; Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (168); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 54; Fn. 357; vgl. auch Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 26, der einen Nachholbeschluss fordert, soweit entgegen seiner Ansicht die Einwilligung widerrufen werden könne.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Kontrolle der Anordnungsvoraussetzungen verzichtete. Das soll ein sub specie Art. 19 Abs. 4 GG unhaltbares Ergebnis sein893. Der Widerruf der Einwilligung aber kann nur diejenige Verarbeitung für die Zukunft unrechtmäßig machen, die von der Einwilligung legitimiert ist. Da die Einwilligung i. R. d. § 81g Abs. 3 StPO nur die grundsätzlich bzw. stets erforderliche richterliche Anordnung ersetzt, legitimiert sie nur, was ansonsten die hoheitliche Anordnung legitimiert hätte. Diese bezieht sich – darauf ist hingewiesen worden894 – einzig auf Körperzellenentnahme und Erhebung des DNA-Identifikationsmusters und des Geschlechtes, nicht auf die Speicherung. Sowohl für die Einwilligung als auch für den Richtervorbehalt ergibt sich dies aus § 81g Abs. 3 S. 1, 2 StPO. Dies hat zur Folge, dass der Widerruf der Einwilligung zwar, sollte er kurze Zeit nach der Zellentnahme erfolgen, die weitere Erhebung insb. des DNA-Identifikationsmusters verbietet895. Gleichzeitig käme aber ein Widerruf zu spät, der erst erfolgt, wenn die Speicherung einmal vorgenommen wurde. Diese erfolgt nämlich unabhängig von der Einwilligung, wie sie sich auch unabhängig von der richterlichen Anordnung vollzieht896. Die (bloße) ex nunc-Wirkung des Widerrufs wird damit nicht negiert897; sie wird aber bezogen und begrenzt auf den Gegenstand der Einwilligung. In der ex nunc-Wirkung liegt ferner der Unterschied zur Aufhebung der richterlichen Anordnung auf Beschwerde des Betroffenen hin. Es erscheint zwar durchaus möglich, dass der Ermittlungsrichter die DNAIdentitätsfeststellung anordnet, trotz Einlegung der Beschwerde der Beschluss vollzogen wird, weil die Einlegung der Beschwerde gem. § 307 Abs. 1 StPO den Vollzug nicht hindert, und das Beschwerdegericht den richterlichen Beschluss aufhebt. Das Beschwerdegericht prüft i. R. d. § 81g StPO in seiner Entscheidung zwar nicht (nur) die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses des Ermittlungsrichters, aber dieselbe im Zeitpunkt des Vollzugs der Maßnahme898. Damit wird die Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts freilich eingeschränkt, vgl. §§ 308 Abs. 2, 309 Abs. 2 StPO. Ein Spezifikum der DNA-Identitätsfeststellung ist dies indes nicht. Im Rahmen der Durchsuchung ist ebenso anerkannt, dass maßgeblicher Zeitpunkt die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Durchsuchungsbeschlusses ist899. Be893
Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (168); ähnlich Beck, S. 230, die das gegenteilige Ergebnis vergleicht mit der Situation, in der gar keine Widerspruchsmöglichkeit gegeben sei, was sie auf S. 229 sub specie Art. 19 Abs. 4 GG für bedenklich erachtet. 894 Oben Kap. 6 § 6. 895 Rackow, S. 139; anders wohl Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 21, ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 21. 896 Zutreffend Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 82. 897 In diese Richtung wohl aber Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (168). 898 Zu diesem Zeitpunkt als maßgeblichen im Hinblick auf den Tatverdacht, Kap. 6 § 5 I. m. w. N. in Fn. 240 (Kap. 6). 899 BVerfG, NJW 2011, 291 (291 f., Rn. 28); OLG München, BayVBl. 2020, 493 (495, Rn. 25); OLG Karlsruhe, NJW 2017, 90 (91, Rn. 15.); OLG Brandenburg, NVwZ-RR 2015, 32
§ 6 Formelle Anordnungsvoraussetzungen
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gründet wird dies durch die Funktion des präventiven Richtervorbehaltes als Kontrolle durch eine neutrale Instanz, die nicht dadurch unterlaufen werden soll, dass das Beschwerdegericht seiner Entscheidung Tatsachen zu Grunde legt, die dem Ermittlungsrichter nicht bekannt waren900. Wenn in die Unverletzlichkeit der Wohnung schon eingegriffen wird, muss dies zuvor durch entsprechende Gründe gerechtfertigt sein. Würde man Erkenntnisse aus der Durchsuchung heranziehen, entschiede der Erfolg der Maßnahme über ihre Rechtmäßigkeit. Bei erkennungsdienstlichen Behandlungen gem. § 81b Alt. 2 StPO ist das nicht wesentlich anders. Der Vergleich mit der DNA-Identitätsfeststellung bietet sich besonders an, weil hinter dem Tatbestandsmerkmal der Notwendigkeit auch das Erfordernis einer „Wiederholungsgefahr“ steht901. Zwar ist es ungenau, i. R. d. DNAIdentitätsfeststellung von Wiederholungsgefahr zu sprechen, weil die Negativprognose sich auch auf Verfahren wegen bereits begangener Taten beziehen kann, wegen denen noch kein Verfahren zu Stande kam902. Nicht anders verhält es sich aber i. R. d. § 81b StPO903, wenngleich sich die dortige Prognose freilich nicht Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung beziehen muss904. Ständiger Rechtsprechung nicht nur des BVerwG entspricht es, dass die Beschuldigteneigenschaft im Zeitpunkt des Erlasses des Anordnungsbeschlusses vorliegen muss905 – mithin der (Rn. 21); OLG Düsseldorf, FGPrax 2014, 182 (183); LG Ko¨ ln, Beschl. v. 24. 06. 2020 – 119 Qs 3/20; 119 Qs 4/20; 119 Qs 5/20; 119 Qs 6/20; 119 Qs 7/20; 119 Qs 8/20; 119 Qs 9/20; 119 Qs 10/ 20, Rn. 3 = insoweit nicht veröffentlicht wistra 2021, 37 f.; Bruns, in: KK-StPO, § 105, Rn. 19; Hauschild, in: MüKo-StPO I, § 105, Rn. 41b; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 105, Rn. 15a; Tsambikakis, in: LR-StPO III/1, § 105, Rn. 132. 900 BVerfG, NJW 2011, 291 (291 f., Rn. 28); Hauschild, in: MüKo-StPO I, § 105, Rn. 41b; Jahn, NStZ 2007, 255 (261); Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 105, Rn. 15a; Tsambikakis, in: LR-StPO III/1, § 105, Rn. 132. 901 Vgl. nicht nur terminologisch EGMR, NJW 2021, 3379 (3381 f., Rn. 55); OVG Magdeburg, NJW 2019, 1827 (1829, Rn. 28 f.); OVG Berlin-Brandenburg, StV 2017, 665 (666, Rn. 13 f.); OVG Greifswald, Urt. v. 25. 11. 2015 – 3 L 146/13, Rn. 56; VG Würzburg, Urt. v. 29. 03. 2019 – W 9 K 18.476, Rn. 39 = BeckRS 2019, 11380, Rn. 34; VG Saarlouis, Urt. v. 26. 02. 2013 – 6 K 52/12, Rn. 2, 4, 11, 21, 27, 29, 31; Krause, in: LR-StPO II, § 81b, Rn. 11; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81b, Rn. 12 f.; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81b, Rn. 8. 902 Dazu Kap. 6 § 5 III. 1. a); zu den Folgen für den Begriff der Wiederholungsgefahr s. a. a. O. bb) (8). 903 Vgl. Bosch, in: KMR-StPO, § 81b, Rn. 2; ders., SSW-StPO, § 81b, Rn. 3; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81b, Rn. 8; insoweit auf § 81g StPO sogar verweisend Rogall, in: SK-StPO I, § 81b, Rn. 42. 904 Bagatelldelikte sind gleichsam nicht ausreichend, vgl. VG Saarlouis, Urt. v. 26. 02. 2013 – 6 K 52/12, Rn. 35; AG Kiel, StraFo 2006, 70; Bosch, in: KMR-StPO, § 81b, Rn. 17; ders., SSW-StPO, § 81b, Rn. 11; Krause, in: LR-StPO II, § 81b, Rn. 11; Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 81b, Rn. 12; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81b, Rn. 8; vgl. zur EMRK-Konformität der Anordnung wegen nicht schwerer Straftaten EGMR, NJW 2021, 3379 ff. 905 BVerwGE 66, 192 (196 f.); 162, 275, (277, Rn. 14); NVwZ-RR 2014, 848 (849, Rn. 4); OVG Berlin-Brandenburg, StV 2017, 665 (Rn. 10); VG Würzburg, Urt. v. 29. 03. 2019 – W 9 K 18.476, Rn. 36 = BeckRS 2019, 11380, Rn. 31; ausführlich OVG Greifswald, Urt. v. 25. 11.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Zeitpunkt des Erlasses maßgeblich ist – und die Notwendigkeit im Vollzugszeitpunkt906. Für die Übertragung dieser Grundsätze auf Maßnahmen nach § 81g StPO spricht die im Gesetz angelegte Unterscheidung von Erhebungsvoraussetzungen und Löschungsvorschriften. Nicht stets ist zu löschen, wenn die Erhebungsvoraussetzungen nachträglich wegfallen907. Die besonderen Löschungsvoraussetzungen würden umgangen, wenn anstelle des Löschungsgrundes der nachträgliche Wegfall der Erhebungsvoraussetzungen die Beschwerde begründen würde. Dies gilt umso mehr, als dass letztere nicht fristgebunden und daher jederzeit einlegbar ist908. Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Zäsur zwischen Löschungsanspruch und Beschwerde kann daher nur der des Vollzugs sein. Wird gerügt, dass die Voraussetzungen nachträglich weggefallen sind, ist Klage auf Löschung statthaft, wird gerügt, jene hätten zum Vollzugszeitpunkt nicht vorgelegen, die Beschwerde. Lagen die Anordnungsvoraussetzungen des § 81g StPO im Vollzugszeitpunkt vor, verwirft das Gericht die Beschwerde; lagen sie nicht vor, trifft es eine eigene Entscheidung, § 309 Abs. 2 StPO. Gibt das Beschwerdegericht mithin der Beschwerde statt und hebt den Beschluss auf, entfällt die formelle Grundlage der DNA-Identitätsfeststellung. Der Erlass des Beschlusses des Ermittlungsrichters war rechtswidrig. Im Fall des Widerrufs der Einwilligung war im Zeitpunkt des Vollzuges aber keine Rechtswidrigkeit gegeben, solange die Einwilligung nicht aus anderen Gründen unwirksam war. Das ist der Folge der ex nunc-Wirkung des Widerrufes. Mithin sind Widerruf der Einwilligung und stattgebende Beschwerdeentscheidung nicht vergleichbar. Die Unabhängigkeit der Speicherung von der Einwilligung wird dem Schwerpunkt der Maßnahme nicht gerecht909. Ohne anschließende Speicherung in der DNAAnalyse-Datei des BKA verlieren die Entnahme der Körperzellen sowie die Erstellung des DNA-Identifikationsmusters i. R. d. § 81g StPO ihren Sinn910. Für das laufende Verfahren existiert nämlich § 81e StPO. Der Schwerpunkt der Maßnahme liegt auf der Speicherung (und der durch sie ermöglichten Verarbeitung), weniger auf der Erstellung des Musters und noch weniger auf der vorherigen Entnahme des biologischen Materials911. Wer nach Durchführung der Maßnahme einen Betroffenen 2015 – 3 L 146/13, Rn. 36 ff.; vgl. Bosch, SSW-StPO, § 81b, Rn. 6 m. w. N.; vgl. auch EGMR, NJW 2021, 3379 (3383, Rn. 82). 906 BVerwGE 66, 192 (197 f.); 162, 275 (281, Rn. 20); NVwZ-RR 2014, 848 (849, Rn. 5); OVG Berlin-Brandenburg, StV 2017, 665 (Rn. 11). 907 Dazu oben Kap. 6 § 4 II. 4. a) aa) (1) m. w. N. zur alten Rechtslage in Fn. 147 (Kap. 6). 908 Hierzu nur Neuheuser, in: MüKo-StPO II, § 311, Rn. 1. 909 Vgl. auch den ehemaligen Justizminister des Landes Schleswig-Holstein Walter (SPD) bei BR-Plen.-Prot. 737 v. 30. 04. 1999, S. 163 (D) – 164 (A). 910 Busch, StraFo 2002, 46 (49) spricht daher mit Recht von einem funktionalen Zusammenhang. 911 Entgegen Hero, S. 216, muss hierauf nicht hingewiesen werden. Denn die Eingriffsintensität einer Maßnahme bestimmt sich objektiv und nicht durch einen Vergleich mit einer
§ 6 Formelle Anordnungsvoraussetzungen
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fragt, in was er eingewilligt habe, wird als Antwort erhalten, dass in die Speicherung eingewilligt wurde. Deren gesetzgeberische Ausgestaltung als Annex erscheint realitätsfern. Fraglich ist aber, ob man dem Widerruf der Einwilligung deshalb auch eine Wirkung zusprechen kann, die die Speicherung unzulässig macht. Dazu hilft es, die theoretische Folge einer solchen Wirkung anzudenken. Wäre die Speicherung mangels Einwilligung unzulässig, würde dies zur Löschungspflicht gem. § 75 Abs. 2 Var. 1 BDSG führen. Problematisch hieran wäre indes, dass dies dazu führen kann, dass das Procedere des § 81g StPO von vorn durchlaufen werden müsste. Liegen die Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO im Zeitpunkt des Widerrufes der Einwilligung noch vor, müsste ein Ermittlungsrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Beschluss erlassen, mit dem die Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung angeordnet wird. Würde jener vollstreckt, liefe dies summa summarum auf denselben Zustand hinaus, der schon vor dem Widerruf der Einwilligung bestand. Diesem Ergebnis könnte man den Vorwurf mangelnder Verhältnismäßigkeit entgegenhalten912. Es erscheint nämlich nicht erforderlich, von neuem Zellen zu entnehmen und diese zu analysieren, wenn es möglich wäre, die Speicherung einfach aufrecht zu erhalten. Denkbar und grundrechtsschonender wäre es grundsätzlich, einen richterlichen Beschluss nachzuholen, der die Speicherung anordnet. Das scheitert indes daran, dass es gar keine richterliche Zuständigkeit gibt, die Speicherung anzuordnen. Ein die Einwilligung ersetzender Beschluss würde nur zur DNA-Analyse und Körperzellentnahme ermächtigen, nicht zur Speicherung. Im Falle eines bereits aufgrund eines Beschlusses – also nicht aufgrund einer Einwilligung – erhobenen DNA-Musters hat das OLG Bremen in einer hier aus anderen Gründen bereits kritisierten Entscheidung913 die Speicherung jenes Musters aufrecht erhalten914. Der Beschluss beschränkte sich mithin auf die Anordnung der Speicherung. Ausgangspunkt war aber, dass der beschwerdegegenständliche Beschluss des AG Bremerhaven bereits neben der Entnahme der Körperzellen und deren Untersuchung die Speicherung anordnete. Letzteres gibt aber § 81g StPO nicht her, weil die Speicherung nur ein Annex ist. Ohne Erhebung gibt es keine Speicherung. Im allgemeinen Datenschutzrecht ist streitig, ob nach einer widerrufenen Einwilligung die Neuerhebung der Daten statthaft ist, wenn eine andere Rechtsgrundanderen. Um den Grundrechtseingriff, den die Einwilligung abwendet, überblicken zu können, muss der Betroffene daher nicht wissen, welchen Teil davon die Exekutive für gewichtiger erachtet. 912 Die Situation ähnelt mithin der in Kap. 6 § 5 IV. 2. a) beschriebenen Situation. 913 Zur Kritik an dem Ansatz, die Speicherung anzuordnen, um deren Dauer zu verlängern vgl. Kap. 6 § 5 IV. 2. a). 914 OLG Bremen, NStZ 2006, 653 f.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
lage zur Verfügung steht. Einige sprechen sich für eine Löschung und anschließende Neuerhebung aus915, andere plädieren gewissermaßen für einen Austausch der Ermächtigungsgrundlage916. Letztere können die erwähnten Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit für sich ins Feld führen. Für die Neuerhebung spricht jedoch, dass der Widerrufende durch den Widerruf diese Folge gewissermaßen selbst verursacht hat. Es erscheint daher nicht unbillig, ihn an den rechtlichen Konsequenzen festzumachen. Im Bereich des § 81g StPO gilt es ferner zu sehen, dass der Betroffene freilich jederzeit gem. § 58 Abs. 2 BDSG Löschung der Daten beantragen kann, soweit er der Auffassung ist, dass ein Löschungsgrund vorliegt. Er steht nicht schutzlos. Es ist darauf hingewiesen worden, dass die Löschung nicht stets dann erfolgen muss, wenn die Erhebungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen. Entscheidend istnur, dass sie im Zeitpunkt der Vollzugszeitpunkt vorlagen917. Die Unabhängigkeit der Speicherung von der Erhebung wird hier besonders deutlich. Der Einwilligende verzichtet mithin entgegen Bergemann/Hornung nicht auf jedwede gerichtliche Kontrolle der Anordnungsvoraussetzungen. Ob das alleine sub specie Art. 19 Abs. 4 GG bedenklich wäre, sei deshalb dahingestellt. An die Stelle der präventiven richterlichen Kontrolle tritt nur eine nachträgliche, also genau eine solche, die Art. 19 Abs. 4 GG verbürgt918. Dass diese mit Modifikationen erfolgt, mag ungewöhnlich sein – verfassungsrechtlich bedenklich ist es deshalb noch nicht. Die Tatsache, dass die Einwilligung bzw. ihr Widerruf gewissermaßen den Normalfall der richterlichen Kontrolle für exekutive Grundrechtseingriffe bewirken, ist eine vergleichbar milde Folge, wenn man bedenkt, dass etwa im Fall des § 81a StPO der Widerruf der Einwilligung in eine Atemalkoholkontrolle keineswegs dazu führt, dass der Betroffene, sollte er eine unzulässige Alkoholkonzentration aufweisen, nicht sanktioniert wird919. Für eine Erstreckung des Widerrufsrechtes auf die Speicherung ist deshalb kein Raum. War die Einwilligung wirksam, so berührt ihr Widerruf die Rechtmäßigkeit der Speicherung nicht. Es ist daher nicht geboten, bei Widerruf nachträglich eine richterliche Anordnung herbeizuführen920. Eine solche wäre, da sie nur zur Körperzellentnahme und Untersuchung, nicht aber zur Speicherung ermächtigen kann,
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So Johannes/Weinhold, in: HK-BDSG, § 51, Rn. 35 f. So Stemmer/Wolff, in: BeckOK-DatenschutzR, § 51 BDSG, Rn. 23a; wohl auch Frenzel, in: Paal/Pauly, DSGVO/BDSG, § 51 BDSG, Rn. 6, der in diesen Fällen die Freiwilligkeit der Einwilligung in Gefahr sieht. 917 S. Kap. 6 § 4 II. 4. a) aa) (1). 918 Zum Grundsatz des nachträglichen Rechtsschutzes i. R. v. Art. 19 Abs. 4 GG s. schon Kap. 5 § 5 III. 2. b) aa) (1) (b) m. w. N. in Fn. 768 (Kap. 6). 919 Zur Verwertbarkeit des Ermittlungsergebnisses s. Goers, in: BeckOK-StPO, § 81a, Rn. 16 a. E.; Krause, in: LR-StPO II, § 81a, Rn. 14 a. E.; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81a, Rn. 5. 920 So aber ohne nähere Begründung LG Düsseldorf, NJW 2003, 1883 (1885). 916
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selbst rechtswidrig. Ihr wäre der Vorwurf mangelnder Verhältnismäßigkeit zu machen921. Dieses Ergebnis führt zu einer faktischen Wirkungslosigkeit des Widerrufs922. Das mag man als unbefriedigendes Ergebnis empfinden923. Dieses ist dann aber in einem Konstruktionsfehler des Gesetzes begründet, den eine Auslegung des Gesetzes weder beseitigen noch korrigieren kann. Abhilfe zu leisten vermag einzig der Gesetzgeber. Aus der Konstruktion des Gesetzes folgt deshalb auch, dass ein Folgenbeseitigungsanspruch auf Löschung ausscheiden muss. Einen solchen hatte Amelung, auf den Bergemann/Hornung Bezug nehmen924, aus einer Analogie der §§ 98 Abs. 2, 304 ff. StPO hergeleitet. Dieser sollte bei Beschlagnahme eines Datenträgers – über die Herausgabe desselben hinaus – ermöglichen, dass der Betroffene so zu stellen sei, wie wenn die Beschlagnahme des Datenträges nie erfolgt wäre925. Zu löschen seien deshalb infolge der rechtswidrigen Beschlagnahme gespeicherte Daten. Der Folgenbeseitigungsanspruch – ein Institut des öffentlichen Rechts926 – setzt einen rechtswidrigen Zustand voraus927. Ein solcher kann zwar auch aus einer rechtmäßigen hoheitlichen Handlung entstehen, nämlich etwa, wenn die Sachlage sich ändert928. Der Verweis auf die ursprüngliche Rechtmäßigkeit des Vollzugs der DNAIdentitätsfeststellung ist deshalb für sich genommen nicht ausreichend, um die Anspruchsvoraussetzungen zu verneinen. War die Einwilligung aber im Zeitpunkt der Erstellung des DNA-Identifikationsmusters wirksam und hat der Widerruf nur ex nunc-Wirkung, ist die Speicherung konsequenterweise rechtmäßig, soweit sie nicht aus anderen Gründen rechtswidrig wurde. Auf die Rückgängigmachung eines rechtmäßigen Zustands besteht kein Anspruch. Jedenfalls muss auch bezweifelt werden, ob dieser offenkundig allgemeine Löschungsanspruch, der auf die rechtswidrige Erlangung von Informationen abstellt, überhaupt Anwendung finden kann, wenn wie im Bereich der DNA-Identitätsfeststellung Spezialregeln bestehen. Der lex specialis-Grundsatz steht dem entgegen. Die Löschungsansprüche nach dem
921 Anders wohl LG Dresden, Beschl. v. 19. 02 2007 – 3 Qs 19/07, Rn. 8; Krause, in: LRStPO II, § 81g, Rn. 51, die sogar für eine zusätzliche richterliche Anordnung trotz Einwilligung plädieren, soweit von einem Widerruf auszugehen sei. Ein solcher Beschluss wäre indes ein rechtswidriger Vorratsbeschluss; zu solchen Kap. 6 § 5 IV. 2. d). 922 Beck, S. 230; Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (168). 923 Auch der Vorwurf der Widersprüchlichkeit, der von Beck, S. 230 erhoben wird, ist auf den ersten Blick jedenfalls nicht frei von Berechtigung. 924 Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (168, Fn. 57). 925 Dazu Amelung, StV 2001, 131 (133). 926 Ausführlich zu ihm, seiner Herleitung, seinen Voraussetzungen und der Abgrenzung zu anderen Instituten des Staatshaftungsrecht Bumke, JuS 2005, 22 ff.; Papier/Shirvani, in: Dürig/ Herzog/Scholz, GG, Bd. 4, Art. 34, Rn. 62 ff. m. w. N. 927 BVerwGE 82, 76 (95); 94, 100 (104) jeweils m. w. N.; Bumke, JuS 2005, 22 (23). 928 Bumke, JuS 2005, 22 (23).
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
BDSG929 sind dogmatisch besondere Folgenbeseitigungsansprüche. Vor allem, da sie die nachträgliche Änderung der Sachlage gesondert behandeln, kann der allgemeine Anspruch nicht vorgehen. Um die Freiwilligkeit der Einwilligung zu gewährleisten, ist hierauf aber i. R. d. Belehrung gesondert hinzuweisen. Ehe der Betroffene einwilligt, muss ihm klargemacht sein, dass der Widerruf, über dessen Möglichkeit er zu belehren ist (§ 51 Abs. 3 S. 3 BDSG), nach der Speicherung ins Leere geht. Nur dann kann er die Reichweite seiner Entscheidung überblicken. Im Gegenteil wäre zu befürchten, dass eine Belehrung über das Widerrufsrecht, die nicht auf die im konkreten Fall eingeschränkte Wirkung hinweist, beim Betroffenen den Eindruck erweckt, er könne über die Speicherung disponieren. e) Zur Notwendigkeit des Vorliegens der materiellen Voraussetzungen Wichtig zu betonen erscheint abschließend, dass die Einwilligung des Betroffenen nur die richterliche bzw. staatsanwaltschaftliche Anordnung obsolet macht, nicht aber die materiellen Anordnungsvoraussetzungen930. Dies ergibt sich sowohl daraus, dass die Einwilligung bereits dem Wortlaut der S. 1 und 2 des § 81g Abs. 3 StPO nach nur die hoheitliche Anordnung obsolet macht931, als auch aus einer historischen Betrachtung des § 81g StPO. Der Gesetzgeber wollte mit der Einwilligungsmöglichkeit nur den Streit entscheiden, ob eine hoheitliche Anordnung trotz Einwilligung vonnöten ist. Eine Ausweitung der DNA-Identitätsfeststellung über die materiellen Anordnungsvoraussetzungen hinaus war nicht bezweckt932. Der in praxi teilweise vorgeschlagene Weg, die Einwilligungsmöglichkeit zu gebrauchen, um bei möglichst vielen Beschuldigten die Speicherung ihres DNAIdentifizierungsmusters zu ermöglichen933, sollte daher nicht gegangen werden934.
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Prinzipiell wird man dies für alle Löschungsansprüche sagen können. Zutreffend VG Hannover, Urt. v. 29. 03. 2013 – 10 A 2028/11, Rn. 27; Arzt, in: Lisken/ Denninger, Hdb. PolR, G., 1231; Beck, S. 226 f.; Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (167); Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 83; Frister, in: Lisken/Denninger, Hdb. PolR, F., Rn. 317; Gaede, in: FS Merkel II, 1283 (1292); Hero, S. 214; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 51; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 400; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 51; Senge, NJW 2005, 3028 (3031); Stadler-Brehm, S. 84; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 22; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 26. 931 Beck, S. 226; Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (167). 932 Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (167). 933 Vgl. aber Frey, Die Polizei 2019, 202 ff. mit Vorschlägen zur praktischen Durchführung. 934 Plastisch Krehl/Kolz, StV 2004, 447 (453 f.), die davor warnen, die Einwilligung könne missbraucht werden, um die gesetzlichen Anordnungsvoraussetzungen zu umgehen. 930
§ 6 Formelle Anordnungsvoraussetzungen
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2. Zum Sonderfall der Einwilligung in die Auftypisierung Da einige Gerichte wohl noch immer grundsätzliche Bedenken haben, Beschlüsse zu erlassen, die der Auftypisierung935 dienen, ist die Praxis dazu übergangen, die Auftypisierung mit Zustimmung des Betroffenen vorzunehmen936. Dagegen spricht zunächst wenig. Wenn schon eingewilligt werden kann in die erstmalige Entnahme der Körperzellen und die Erhebung des DNA-Identifikationsmusters, muss dies erst recht für die wiederholende Vornahme gelten. Zwar handelt es sich bei der Auftypisierung um einen neuen Grundrechtseingriff. In seiner Intensität bleibt dieser aber hinter der ursprünglichen Maßnahme zurück937. Die Freiwilligkeit sichernde Belehrung entspricht im Wesentlichen derjenigen, die bei der erstmaligen Maßnahme notwendig ist. Auf sich verzichtet werden kann nicht. Zwar könnte man andenken, die Belehrung für unnötig zu erklären, weil der Betroffene durch eine vorherige Belehrung schon hinreichend informiert ist. Dem ist gleichwohl entgegenzutreten. Erstens kann in die Auftypisierung auch einwilligen, wer bei der ersten Maßnahme dies nicht getan hat, mithin auf eine richterliche Anordnung bestanden hat. Ein solcher Betroffener ist freilich noch nie belehrt worden. Zweitens kann ferner, selbst wenn bereits einmal eine Belehrung stattgefunden hat, dem Betroffenen nicht unterstellt werden, dass er alle Einzelheiten noch in Erinnerung hat. Zwischen der erstmaligen Durchführung und der Auftypisierung kann schließlich ein geraumer Zeitraum liegen938. Dieses Erfordernis wiederholter Belehrung entspricht ferner der Rechtslage bei der Vernehmung und der notwendigen Belehrung gem. § 136 Abs. 1 S. 2 StPO. Dort ist anerkannt, dass auch der über seine Rechte informierte Betroffene zu belehren ist939. Die Tatsache, dass ein Betroffener bereits belehrt wurde und seine Rechte kannte, ist allenfalls – insofern wieder entsprechend der Rechtslage i. R. d. § 136 StPO – bei der Frage nach einem Verwertungsverbot bei unterlassener Belehrung zu berücksichtigen940. Bedenken erweckt allerdings, dass Lellmann davon spricht, der Betroffene solle darauf hingewiesen werden, dass die Auftypisierung der Anpassung der DNAAnalyse-Datei an aktuelle Standards dient – soweit ist dies unproblematisch –, und dass dies zur Entlastung des Betroffenen beitragen könne, weil er somit bei zu zukünftigen Abgleichen besser bzw. sicher als Tatverdächtiger ausgeschlossen werden könne941. Lellmann irrt zwar nicht, wenn sie davon spricht, eine solche Belehrung sei 935
Zum Begriff der Auftypisierung o. Kap. 6 § 5 IV. 2. b). Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (114) spricht von der „favorisierte[n] Variante“. 937 Dazu schon oben Kap. 6 § 5 IV. 3. a). 938 So etwa im Fall LG Hamburg, Beschl. v. 09. 04. 2014 – 628 Qs 11/14, 628 Qs 11/14 – 3306 Js 58/00, 3306 Js 58/00 14 Jahre, vgl. Rn. 1. 939 Vgl. schon die Kap. 5 § 6 I. 3. c) bb) (1) m. w. N. Fn. 892 (Kap. 5). 940 Zu der entsprechenden Dogmatik i. R. d. § 136 StPO Kap. 5 § 6 I. 3. c) bb) (1) m. w. N. in Fn. 891 (Kap. 5); zur Übertragung dieser auf die Fälle des § 81g StPO unten Kap. 6 § 8. I. 1. 941 Lellmann, Kriminalistik 2013, 112 (114). 936
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von Rechts wegen nicht erforderlich942. Denn mit der Eingriffsintensität der hypothetischen Zwangsmaßnahme hat dies nichts zu tun. Ob der Hinweis aber „zielführend“ ist, wie Lellmann meint943, muss bezweifelt werden. Denn die Belehrung, die Auftypisierung könne zur Entlastung beitragen – isoliert betrachtet ist dies freilich richtig –, droht in Widerspruch zu geraten zu der über die Freiwilligkeit der Einwilligung und der Neutralität der Verweigerung. Der, wenngleich rechtlich unzutreffende, Schluss, wer sich nicht entlaste, belaste sich, liegt nahe. Erblickt der Betroffene – nur seine Sicht ist maßgeblich944 – in den Belehrungen einen Widerspruch, droht damit die Freiwilligkeit der Einwilligung insgesamt zu scheitern. Zielführend ist dies sicherlich nicht. Der Praxis kann deshalb nur abgeraten werden, nicht notwendige, vermeintlich zur Einwilligung motivierende Hinweise zu erteilen.
§ 7 Die Verwendung bereits vorhandener DNA-Identifikationsmuster – Umwidmungsfälle gem. § 81g Abs. 5 S. 2 StPO I. Die Verwendung bereits gewonnener Daten als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips Ein praktisches Bedürfnis für eine Körperzellentnahme und eine anschließende DNA-Analyse besteht freilich nicht, wenn das DNA-Identifikationsmuster, das man aus diesem Vorgang zu gewinnen gedenkt, schon vorhanden ist. Ein rechtliches könnte man indessen dann annehmen, wenn das DNA-Identifikationsmuster zwar vorhanden ist, es aber nicht zu dem verfolgten Zweck genutzt werden kann. So läge die Situation, wenn § 81g Abs. 1 S. 1 StPO die einzige Möglichkeit wäre, ein DNAIdentifikationsmuster zum Zwecke der Beweisführung in künftigen Strafverfahren zu gewinnen. Weder §§ 81a bzw. 81c i. V. m. § 81e StPO noch § 81h StPO erlauben nämlich wie aufgezeigt die längerfristige Speicherung der Erkenntnisse. Aus Verhältnismäßigkeitsgründen mutete es aber seltsam an, wenn man den Betroffenen zwingen müsste, die Entnahme von Körperzellen und die anschließende Erstellung eines DNA-Identifikationsmusters zu dulden, obschon ein solches schon vorhanden ist. Als milderes Mittel i. S. d. Erforderlichkeit kommt grundsätzlich die Verwendung des bereits vorhandenen Musters in Betracht945. Um dies zu ermögli942
Lellmann, a. a. O. So aber Lellmann, a. a. O. 944 S. o. Kap. 5 § 5 I. 2. b) aa) (2) (a) m. w. N. Fn. 272 (Kap. 5). 945 Vgl. OLG Bremen, NStZ 2006, 653; Altendorfer, S. 167 f.; Beck, S. 218, 243; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 9; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 9; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 1; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 11; ohne Anknüpfung an § 81g Abs. 5 StPO auch Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 4; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 19; Eisenberg, Rn. 1689c; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 39; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, 943
§ 7 Die Verwendung bereits vorhandener DNA-Identifikationsmuster
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chen, wurde mit § 81g Abs. 5 S. 2 StPO eine Ermächtigung geschaffen. Da die DNAIdentifikationsmuster, die bei Analysen nach § 81e StPO gewonnen werden, zum Zwecke der Aufklärung des Anlassverfahrens oder eines anderen, bereits anhängigen Strafverfahrens nur verwendet werden dürfen (§ 81e i. V. m. § 81a Abs. 3 Hs. 1 StPO), wird der Zweck durch die Anordnung des § 81g StPO, der die Beweisführung in künftigen Strafverfahren bezwecken soll, nachträglich geändert946. Man spricht deshalb von „Umwidmungsfällen“947.
II. Verwendung von Daten des Beschuldigten oder von Spurenmaterial 1. Vorgaben des § 81g Abs. 5 S. 2 StPO § 81g Abs. 5 S. 2 StPO erlaubt über den Verweis auf S. 1 DNA-Identifikationsmuster, die entweder aus einer DNA-Analyse nach § 81e Abs. 1 StPO von einem Beschuldigten stammen (also grundsätzlich solche, die aus gem. § 81a StPO gewonnenen Körperzellen erstellt wurden) oder die aus einer Analyse sog. Spurenmaterials nach § 81e Abs. 2 S. 1 StPO herrühren, in der DNA-Analyse-Datei zu speichern und nach den Vorschriften des BKAG zu verarbeiten. Bei aus Spurenmaterial gewonnenen DNA-Identifikationsmuster spielen die Voraussetzungen des § 81g StPO im Übrigen keine Rolle. Nicht mehr erforderlich ist, dass das Spurenmaterial aus einer Straftat von erheblicher Bedeutung stammt. Anders war dies noch unter Geltung des § 3 S. 3 DNA-IFG a. F. Der Gesetzgeber entschied sich, auf dieses Erfordernis bei Spurenmaterial zu verzichten, weil zeitgleich die Regelung des § 81g Abs. 1 S. 2 StPO in Kraft getreten ist, nach der die wiederholte Begehung an und für sich nicht erheblicher Taten der Begehung einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen kann. Da aber bei Spurenmaterial typischerweise nicht feststehe, ob es aus einer wiederholten Tatbegehung stammt, weil der Spurenleger und dessen Vortaten unbekannt sind, soll es nicht darauf anRn. 46; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 9; zum alten Recht noch Krause, in: FS Rieß, 261 (265); Neuser, S. 228; Senge, NJW 1999, 253 (254). 946 Beck, S. 243; Hero, S. 218; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 67; Rogall, in: SKStPO I, § 81g, Rn. 82; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 43. 947 Vgl. BT-Drucks. 15/5674, S. 13; Beck, S. 243 ff.; Bergemann/Hornung, StV 2007, 164 (165); Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 20; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 31; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 31; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 37; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1726; Eisenberg, Rn. 1691; ders./Singelnstein, GA 2006, 168 (168 f.); Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 9; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 24 f.; Hero, S. 197; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 67 f., 70 f.; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 410; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 12; Neuser, S. 228; Rogall, in: SKStPO I, § 81g, Rn. 5, 9, 78, 82 ff.; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 12b; Senge, NJW 2005, 3028 (3028 f., 3031 f.); Störzer, Kriminalistik 2006, 184 f.; Trück, in: MüKoStPO I, § 81g, Rn. 29; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 43 f., 47.
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kommen, ob das Muster aus einer Straftat von erheblicher Bedeutung stammt. Es soll vielmehr immer gespeichert werden können948. Anders verhält es sich mit Daten eines Beschuldigten, die aus einer Analyse gem. § 81e StPO stammen. Die Umwidmung kommt hier nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO – insbesondere Anlasstat und Negativprognose949 – vorliegen. Sichtbar wird durch die unterschiedlichen Voraussetzungen, dass der Gesetzgeber eine klare Abgrenzung zwischen Nr. 1 und Nr. 2 im Sinne hatte: Ist der Spurenleger bekannt, gelten die materiellen Voraussetzungen des § 81g, ist er unbekannt, soll es ihrer nicht bedürfen. Bemerkenswert erscheint, worauf die Vorschrift nicht verweist. Das ist insbesondere § 81g Abs. 3 StPO. Die Umwidmung vollzieht sich mithin ohne richterliche Anordnung950 oder Einwilligung. Den Verweis auf § 81g Abs. 3 StPO hielt der Gesetzgeber seinerzeit für überflüssig, da i. R. d. § 81e StPO eine richterliche Anordnung stets – auch bei Vorliegen einer Einwilligung – erforderlich sei951. Perpetuiert hat sich diese Sichtweise in systematischer Hinsicht durch die Implementierung der Pflicht zur Belehrung des Betroffenen, eine richterliche Entscheidung nachträglich herbeiführen zu können, § 81g Abs. 5 S. 4 StPO. Würde der Richter vorher entscheiden, bedürfte es dieser nicht952. 2. Kritik Bereits beim Spurenmaterial erscheint die fehlende richterliche Kontrolle kritikwürdig. Freilich liegt die Situation so, dass die Umwidmung in diesem Fall – 948
BT-Drucks. 15/5674, S. 13; daran anknüpfend Frister, in: Lisken/Denninger, Hdb. PolR, F., Rn. 319; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 24; Hero, S. 219; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 407; Neuser, S. 264; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 85; Stadler-Brehm, S. 77, 120; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 29; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 45; West, S. 92; ferner Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 37; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 67; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 12b. 949 Busch, NJW 2002, 1754 (1756); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 24; Hero, S. 219; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 67; Rackow, S. 187 f.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 83; Schewe, JR 2006, 181 (184); Stadler-Brehm, S. 77; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 29; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 44. 950 LG Oldenburg, NStZ 2006, 514 (515 f.); LG Hamburg, NJW 2001, 2563 f.; Beck, S. 246; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 24; Lee, S. 104; Rackow, JR 2002, 365 (366); ders., ZRP 2002, 276; ders. Kriminalistik 2003, 474 (478 f.); ders., BewHi 2003, 78 (84 f.); Stadler-Brehm, S. 78; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 29; Wollweber, NJW 2002, 1771; insgesamt Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 35; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 12; nur auf die Verarbeitung abstellend Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 409; insofern krit. zum Regelungsgehalt des § 81g Abs. 5 S. 2 StPO Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 67; a. A. Busch, NJW 2002, 1754 (1756); krit. zumindest ders., StraFo 2002, 46 (49 f.). 951 BT-Drucks. 14/445, S. 6 zu § 3 S. 3 DNA-IFG. 952 Vgl. Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 68.
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neben dem stets zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – keinen besonderen Voraussetzungen unterliegt. Man ist deshalb geneigt zu fragen, was ein Richter überhaupt prüfen sollte. Problematisch erweist sich die fehlende richterliche Kontrolle erst im Zusammenspiel mit § 81f StPO. Da dieser nur für Maßnahmen nach § 81e Abs. 1 StPO einen Richtervorbehalt statuiert, werden DNA-Identifikationsmuster aus Spurenmaterial grundsätzlich gänzlich ohne richterliche Kontrolle und ohne zusätzliche Voraussetzungen in die DNA-Analyse-Datei eingespeist. Dies ist zwar anderes beim Muster eines Beschuldigten. Für diesen greift § 81f Abs. 1 StPO. Der die DNA-Analyse nach § 81e Abs. 1 StPO anordnende Richter ist indessen nicht veranlasst, die Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO zu prüfen, weil es auf diese für ihn gar nicht ankommt953. Das war i. Ü. auch schon der Fall, als die Umwidmung durch die Einführung von § 3 S. 3 DNA-IFG ermöglicht wurde954. Selbst wenn man mit dem Gesetzgeber davon ausging, dass es einer richterlichen Anordnung bedarf, obschon der Betroffene einwilligt, bestand kein Anlass, von einem Richtervorbehalt i. R. d. Umwidmung abzusehen. Zur Folge hat dies, dass die Umwidmung gem. § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO zwar nur unter den Voraussetzungen des Abs. 1 geschehen darf, das Vorliegen jener aber keiner richterlichen Kontrolle unterliegt. Vielmehr entscheidet über das Vorliegen die Polizei955. Hat der Betroffene in die Maßnahme nach § 81e Abs. 1 StPO eingewilligt, kommt es sogar zu einer Speicherung ohne jedwede richterliche Kontrolle956. Dasselbe gilt, wenn die Staatsanwaltschaft von ihrer in §§ 81a Abs. 2 S. 1, 81f Abs. 1 S. 1 StPO vorgesehenen Eilkompetenz Gebrauch macht957. Im Sinne des Gesetzgebers war dies erst recht nicht. Dieser ging wie erwähnt davon aus, dass jedenfalls die Voraussetzungen des § 81e Abs. 1 StPO gerichtlich überprüft würden958.
953 Zutreffend Beck, S. 247; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 31; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 31; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 162; Busch, NJW 2002, 1754 (1756); ders., StraFo 2002, 46 (49); Hero, S. 219; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 68; Neuser, S. 228; Stadler-Brehm, S. 79; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 29; anders indessen GraalmannScheerer, ZRP 2002, 72 (74), die ohne Begründung eine zusätzliche Prüfung der Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO i. R. d. Entscheidung über eine Maßnahme nach § 81e Abs. 1 StPO verlangt; zu Recht krit. Rackow, ZRP 2002, 276; vgl. auch den ehemaligen Justizminister des Landes Schleswig-Holstein Walter (SPD) bei BR-Plen.-Prot. 737 v. 30. 04. 1999, S. 163 (D) – 164 (A). 954 Vgl. Graalmann-Scheerer, in: Sokol (Hrsg.), Gläserner Mensch, 39 (49 f.); Rackow, JR 2002, 365 (366); ders., Kriminalistik 2003, 474 (478 f.). 955 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 163; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 29; krit. hierzu Beck, S. 247; Busch, NJW 2002, 1754 (1756); ders., StraFo 2002, 46 (49); Hero, S. 220; Neuser, S. 228; Stadler-Brehm, S. 78; Unklarheit feststellend Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 68. 956 Bereits Busch, StraFo 2002, 46 (49). 957 Beck, S. 246. 958 Vgl. erneut BT-Drucks. 14/445, S. 6.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Diese Verfahrensweise ist im Gesetz angelegt und hat entgegen Bosch959 nichts mit einer Einwilligung in die Umwidmung zu tun. Weder bedarf die Umwidmung einer Einwilligung noch bedarf sie einer richterlichen Anordnung. Mit Krause von einem „bemerkenswerte[n] Gefälle der Regelungstiefe“960 zu sprechen – gerade im Vergleich mit den Regelungen der Abs. 1 bis 4 des § 81g StPO –, trifft es schon eher. Es besteht ein Widerspruch zwischen § 81g Abs. 1 – 4 StPO einerseits, wo der Betroffene entweder einwilligen oder der Richter über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO entscheiden muss, und § 81g Abs. 5 S. 2 StPO andererseits, wo formelle Schutzvorkehrungen nicht auszumachen sind961. Rechtfertigen lässt sich dieser Widerspruch nicht, selbst wenn man wie hier vertreten i. R. d. Einwilligung nach § 81f StPO eine Belehrung über die Umwidmung verlangt962. Wenn der Betroffene nicht einwilligt und der Richter gem. § 81f StPO entscheiden muss, darf der Richter gar nicht die Voraussetzungen des § 81g StPO prüfen, weil diese nicht Tatbestandsvoraussetzungen des § 81e StPO sind. Warum aber bei einem Beschuldigten, bei dem noch kein Muster vorliegt und deshalb ein solches gem. § 81g Abs. 1, 4 StPO erstellt werden muss, die richterliche Kontrolle der Voraussetzungen obligatorisch sein soll und bei einem Beschuldigten, bei dem ein solches schon vorliegt, ein Bedürfnis hiernach nicht gegeben sein soll, ist nicht erklärlich963. Dasselbe gilt, wenn man das Gebot richterlicher Anordnung durch die Einwilligung nach erfolgter Belehrung gem. § 81g Abs. 3 S. 3 StPO ersetzt964. Auf die Divergenz zwischen fehlender staatsanwaltschaftlicher Eilkompetenz i. R. d. § 81g Abs. 3 S. 2 und bestehender i. R. d. § 81f Abs. 1 S. 1 StPO ist hingewiesen worden965. Betracht man die Normen isoliert nebeneinander, mag man den Unterschied als entschuldbare, sich praktisch wohl selten auswirkende gesetzgeberische Ungenauigkeit abtun, weil i. R. d. § 81f StPO für die Analyse ebenso wenig wie i. R. d. § 81g StPO Eilsituationen vorstellbar sind. Im Zusammenspiel kommt der gesetzgeberischen Entscheidung aber eine immense Bedeutung zu. Die Entscheidung, i. R. d. §§ 81a, 81f StPO eine staatsanwaltschaftliche Eilkompetenz vorzusehen, führt dazu, dass ein DNA-Identifikationsmuster in der DNA-Analyse-Datei de facto nur aufgrund staatsanwaltschaftlicher Entscheidung eingespeist wird. Warum 959
Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 31; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 31. Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 68; vom Zurückbleiben der „Regelungsdichte“ spricht Hero, S. 219. 961 Von einer Systemwidrigkeit sprechend Rackow, JR 2002, 365 (366); ders., Kriminalistik 2003, 474 (479); ähnlich (systematischer Widerspruch) auch Stadler-Brehm, S. 77, 79 f.; a. A. Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 163, die die gesetzgeberische Entscheidung als folgerichtig bezeichnen, weil auch i. R. d. Entscheidung nach § 81g Abs. 1, 4 StPO nicht die Speicherung angeordnet würde. Letzteres stimmt zwar, ändert aber nichts daran, dass die Voraussetzungen wenigstens mittelbar geprüft werden. 962 Dazu oben Kap. 4 § 4 I. 1. b) bb). 963 Beck, S. 247. 964 Hierzu Beck, S. 245. 965 Oben Kap. 6 § 6 I. 1. b). 960
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das bei der Umwidmung möglich und bei originärer Anordnung nicht möglich sein soll, leuchtet nicht ein966. Entgegen einzelner Meinungen der Literatur kann die Rechtsanwendung keine Abhilfe leisten, indem sie ein Gebot richterlicher Überprüfung der Umwidmungsvoraussetzungen aus der Verfassung wegen der Eingriffsintensität herleitet967. Sowohl der Wortlaut des § 81g Abs. 5 StPO als auch der Wille des Gesetzgebers sind eindeutig968. Bedenken hinsichtlich der Regelung, die der ehemalige Justizminister des Landes Schleswig-Holstein Walter im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vorgetragen hatte969, haben kein Gehör gefunden. Es sollte gerade keine neuerliche richterliche Kontrolle stattfinden, wenngleich die Begründung des Gesetzgebers fehl ging. Wer darin einen Verstoß gegen die Verfassung erblicken will, müsste konsequenterweise das Verdikt der Verfassungswidrigkeit über § 81g Abs. 5 S. 2 StPO fällen970. Ein solches Urteil wäre indes ebenso wenig gerechtfertigt, da jedenfalls der Betroffene einen Antrag auf richterliche Entscheidung gem. stellen kann971, vgl. § 81g Abs. 4 S. 5 StPO. Gänzlich schutzlos steht er nicht972. Zutreffend ist der aber Vorwurf, § 81g Abs. 3 StPO könne unterlaufen werden973. Was als Ausdruck der Verhältnismäßigkeit gedacht war, entpuppt sich gewissermaßen als Ausschaltung verfahrensmäßiger Rechte. Nicht nur aus Rücksicht auf die Grundrechte des Betroffenen sollten Strafverfolgungsbehörden den Weg der Umwidmung gehen, um eine Speicherung herbeizuführen. Der Weg dahin erweist sich auch als wesentlich 966
Beck, S. 246. So aber Busch, NJW 2002, 1754 (1756); krit. aus verfassungsrechtlicher Perspektive jedenfalls ders., StraFo 2002, 46 (49 f.); ferner für einen Richtervorbehalt von Verfassungs wegen Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (74). 968 So auch Rackow, ZRP 2002, 276; Wollweber, NJW 2002, 1771; dies anerkennend auch Stadler-Brehm, S. 80. 969 Vgl. BR-Plen.-Prot. 737 v. 30. 04. 1999, S. 163 (D) – 164 (A). 970 Von einem verfassungsrechtlichen Gebot spricht Hero, S. 220, die gleichwohl es scheut, von Verfassungswidrigkeit zu sprechen; anders auch Stadler-Brehm, S. 80 ff., die einerseits Wortlaut und Wille des Gesetzgebers anerkennt, gleichwohl aber eine verfassungskonforme Auslegung in Betracht zieht, wenngleich sie sie i. E. verneint. 971 Abl. auch Neuser, S. 229; Rackow, Kriminalistik 2003, 474 (479); für Grundrechtsschutz durch Anhörung auch ders., JR 2002, 365 (367). Wäre eine solche vorgesehen, bedürfte es aber der Benachrichtigung gem. § 81g Abs. 4 S. 5 StPO nicht, weil der Betroffene informiert wäre. Davon ging der Gesetzgeber indes nicht aus, vgl. BT-Drucks. 15/5674, S. 13. Ausführlich zur Benachrichtigungspflicht unten Kap. 6 § 7 IV. 972 So auch LG Hamburg, NJW 2001, 2563 (2564), freilich ohne Anknüpfung an § 81g Abs. 5 S. 4 StPO, sondern generell unter Hinweis auf eine mögliche richterliche Kontrolle; krit. hierzu auch Wollweber, NJW 2002, 1771. 973 Beck, S. 246 (Umgehung); Busch, NJW 2002, 1754 (1756); ders., StraFo 2002, 46 (49); weitergehend Neuser, S. 228, der davon ausgeht, das gesetzgeberische Anliegen richterlicher Kontrolle der Anordnungsvoraussetzungen des § 81g StPO würde bei „Speicherung gemäß § 81e Abs. 1 StPO“ – richtig ist Erhebung, da die Speicherung nicht durch § 81e, sondern durch § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO i. V. m. S. 1 ermöglicht wird – „bedeutungslos“. 967
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unbürokratischer, da keine neutrale Instanz zwischengeschaltet werden muss. Der Verweis auf die Möglichkeit der Herbeiführung einer richterlicher Entscheidung, die § 81g Abs. 5 S. 4 StPO voraussetzt, gleicht in vollem Umfang dieses Defizit nicht aus974. Es ist ein Unterschied, ob der Bürger selbst die Initiative ergreifen muss oder ob präventiv ein Richter eingeschaltet wird975. Zur Auflösung des Widerspruches ist mithin der Gesetzgeber aufgerufen976. Überhaupt krankt § 81g Abs. 5 S. 2 StPO daran, dass der durchaus nachvollziehe Gedanke hinter der vorgenommenen Differenzierung jedenfalls nicht mehr zur Ausgestaltung des § 81e StPO passt. Die Unterscheidung zwischen DNA-Identifikationsmustern eines bekannten Beschuldigten und eines unbekannten Spurenlegers ergibt durchaus Sinn. Denn nur bei ersterem lassen sich die Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO überhaupt überprüfen. Zutreffend hat der Gesetzgeber angenommen, dass bei einem unbekannten Spurenleger meistens gar nicht geprüft werden kann, ob es sich um eine wiederholte Tatbegehung handelt977. Ferner kann einem Unbekannten zumeist978 auch freilich keine Negativprognose gestellt werden979. Die Tatsache, dass bei einem bekannten Beschuldigten die Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO vorliegen müssen, verhindert Umgehungen. Würde auch bei einem bekannten Beschuldigten auf das Vorliegen der Voraussetzungen verzichtet, würde über die Speicherung entscheiden, ob bereits im Anlassverfahren ein DNA-Identifikationsmuster erstellt wurde. Es ist deshalb folgerichtig, dass der Gesetzgeber die Speicherung und anschließende Verarbeitung nur zulässt, wenn weitere Voraussetzungen – nämlich die des § 81g Abs. 1 StPO – vorliegen. Problematisch an der Konzeption des § 81g Abs. 5 S. 2 StPO ist aber ist aber, dass auch ein DNA-Identifikationsmuster eines bekannten Beschuldigten gem. § 81e Abs. 2 StPO gewonnen werden kann. Der Gesetzgeber hat dies selbst zu erkennen gegeben, indem er i. R. d. § 81e Abs. 2 nach der Bekanntheit des Spurenlegers differenziert.
974
So aber LG Hamburg, NJW 2001, 2563 (2564), freilich ohne Anknüpfung an die Norm. Von einer allenfalls halbherzigen Lösung sprechend Hero, S. 222; positiv dagegen Hasselbach, S. 119; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 84; Stadler-Brehm, S. 130. 976 So auch LG Hamburg, NJW 2001, 2563 (2564); Rackow, JR 2002, 365 (368); ders., ZRP 2002, 276; ders., BewHi 2003, 78 (85); vgl. auch Beck, S. 247 mit einem Änderungsvorschlag; Neuser, S. 229; Stadler-Brehm, S. 82; gegen eine Änderung Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 163, die die Einführung eines Richtervorbehaltes selbst als Fremdkörper in der StPO ansähen. 977 So auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 85, der darauf hinweist, eine solche Prüfung sei praktisch nicht durchführbar. 978 Ausnahmen sind allenfalls denkbar, wenn man aus übereinstimmenden Mustern erkennen kann, dass ein Unbekannter über einen langen Zeitraum zahlreiche Straftaten begangen hat, die in kriminologischer Hinsicht den Verdacht nahelegen, dass mit einer fortgesetzten Begehung zu rechnen ist. Beispiele könnten die organisierte Kriminalität oder Triebtäter sein. 979 Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 165; Neuser, S. 227, Fn. 1366; a. A. Rackow, S. 188. 975
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Durch dasselbe Gesetz, mit dem in § 81e Abs. 2 StPO die angesprochene Differenzierung eingeführt wurde, ist in § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 2 die ergänzende Angabe „Satz 1“ eingeführt worden980. Zuvor hieß es in § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 2 StPO nur, das Gleiche gelte für die nach § 81e Abs. 2 erhobenen Daten. In den Gesetzgebungsmaterialien heißt es dazu, die Anpassung des § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 2 StPO verfolge den Zweck, die Rechtslage unverändert zu lassen981. Freilich ist mit der Anpassung des § 81g StPO verbunden, dass die phänotypischen Merkmale, deren Feststellung § 81e Abs. 2 S. 2 StPO ermöglicht, nicht in der DNA-Analyse-Datei gespeichert werden dürfen982. Fraglich ist aber, ob darüber hinaus verhindert werden sollte, dass sämtliche Daten eines bekannten Spurenlegers über § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 2 StPO umgewidmet werden. Dafür spricht jedenfalls, dass der Gesetzgeber bis zur Novellierung des Rechts der DNA-Analyse 2019 davon ausgegangen war, Analysen nach § 81e Abs. 2 StPO würden nur unbekannte Spurenleger betreffen. Der Wegfall des Richtervorbehaltes durch die Begrenzung des § 81f StPO auf Analysen nach § 81e Abs. 1 StPO wurde jedenfalls damit begründet983. Unzutreffend war diese Auffassung freilich damals schon984. Während i. R. d. § 81f StPO die Divergenz durch § 81e Abs. 2 S. 4 StPO aufgelöst wurde, blieb sie i. R. d. § 81g Abs. 5 S. 2 StPO indes bestehen. Dasselbe gilt i. Ü. für die Einwilligungsmöglichkeit i. R. d. §§ 81e, 81f StPO. Der Gesetzgeber ging bei § 3 S. 3 DNA-IFG a. F. bzw. § 81g Abs. 5 S. 2 StPO davon aus, dass jedenfalls i. R. d. §§ 81e, 81f StPO der Richter entscheiden müsse985. Der Novellierung des § 81f StPO durch die Zulassung der Einwilligungsmöglichkeit hätte eine Novellierung des § 81g Abs. 5 StPO folgen müssen, wenn die Abstimmung der Normen aufeinander passen soll. Vor dem Hintergrund, dass Schutzzweck der Differenzierung in § 81g Abs. 5 S. 2 StPO ist, einen Beschuldigten, dessen Muster umgewidmet wird, nicht schlechter zu stellen als denjenigen, dessen Daten originär nach § 81g StPO gewonnen wurden, darf von § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 2 StPO nur ein solches DNA-Identifikationsmuster erfasst werden, das wirklich von einem Unbekannten stammt. Die Norm ist insofern teleologisch zu reduzieren986.
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Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens v. 10. 12. 2019, BGBl. I, S. 2121. BT-Drucks. 19/14747, S. 28. 982 Sich hierauf beschränkend Schork, NJW 2020, 1 (5). 983 BT-Drucks. 15/5674, S. 7 f., 10 f. 984 Vgl. oben Kap. 4 § 1 III. 3. c) aa) (2); anders etwa exemplarisch Brodersen/Anslinger/ Rolf, Rn. 162 ff., 165, die explizit zwischen bekannten und unbekannten Beschuldigten differenzieren. 985 Erneut BT-Drucks. 14/445, S. 6 zu § 3 S. 3 DNA-IFG. 986 Für einen anderen Vorschlag Frister, in: Lisken/Denninger, Hdb. PolR, F., Rn. 319, der bei einem bekannten Beschuldigten nur unter den Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO die Umwidmung zulassen will, wenngleich das DNA-Identifikationsmuster nach § 81e Abs. 2 S. 1 StPO gewonnen wurde. 981
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III. Verwendung von Daten Nichtbeschuldigter – zugleich zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschuldigteneigenschaft in § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO 1. Umwidmung von gem. §§ 81c, 81e Abs. 1 StPO gewonnenen DNA-Identifikationsmustern DNA-Identifikationsmuster von Dritten i. S. d. § 81c StPO können nach dem Wortlaut scheinbar nicht gespeichert werden987. § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO beschränkt den Anwendungsbereich auf Daten eines Beschuldigten. Ist § 81c StPO aber Ermächtigungsgrundlage für die Zellgewinnung, so ist der Betroffene kein Beschuldigter, ansonsten wäre § 81a StPO einschlägig. Auf den ersten Blick mutet dieses Ergebnis auch folgerichtig an. Denn warum sollten die Daten von einem Nichtbeschuldigten, gegen den im Zeitpunkt der Körperzellentnahme keinerlei Verdacht bestand, zum Zwecke der Beweisführung in künftigen Verfahren gespeichert werden? Die scheinbare Richtigkeit dieses Ergebnisses relativiert sich gleichwohl, wenn man sich vor Augen führt, dass im Zeitpunkt der Anordnung einer Maßnahme nach § 81c StPO der Betroffene nicht als Täter ausgeschlossen sein muss988. Er darf lediglich nicht Beschuldigter sein. Es sind Fälle denkbar, in denen die Strafverfolgungsbehörden durchaus berechtigt Körperzellen nach § 81c StPO entnehmen, obschon sich später herausstellt, dass der vermeintliche Dritte der Täter ist. Als Beispiel sei der Fall angeführt, dass ein Mann behauptet, von einer Frau zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden zu sein. Nehmen die Strafverfolgungsbehörden an seinem Penis Spurenabriebe, um Vaginalsekret zu sichern und somit den Geschlechtsverkehr nachzuweisen, geschieht dies, soweit sie der Behauptung glauben, auf Grundlage des § 81c StPO. Stellt sich im Laufe des Verfahrens heraus, dass nicht die Frau den Mann, sondern der Mann die Frau zum Geschlechtsverkehr gezwungen hat, bleiben die am Penis des Mannes gewonnenen Spuren freilich verwertbar. Denn gem. § 81c StPO rechtmäßig erlangte Beweismittel dürfen nicht nur zu Lasten des im Zeitpunkt der Maßnahme Beschuldigten, sondern auch gegen betroffenen Dritten selbst verwendet werden989. Die Situation ist vergleichbar mit der Selbstbelastung durch einen Zeugen. Sagt dieser im Verfahren gegen einen anderen (freilich nach 987 So i. E. jedenfalls Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 29 a. E.; zum alten Recht auch Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 166; anders aber Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 67, der gem. § 81e „Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 81c Abs. 1“ StPO (entspricht de lege lata § 81e Abs. 1 S. 1 Alt. 2 i. V. m. § 81c StPO) gewonnene Muster dem Begriff des Spurenmaterials subsumieren möchte. Dem steht aber, neben dem Wortlaut des § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 2, der nur auf § 81e Abs. 2 StPO verweist, entgegen, dass es damit möglich wäre, ein Muster, das einer Person zuordenbar ist, ungeachtet der Negativprognose oder der Anlasstat in der DNA-Analyse-Datei zu speichern. 988 S. o. Kap. 5 § 5 I. 2. b) cc) (1) (a) m. w. N. in Fn. 361 (Kap. 5). 989 Vgl. in diesem Zusammenhang Trück, in: MüKo-StPO I, § 81c, Rn. 51, der betont, die Vernichtungsregeln beträfen nur das Untersuchungsmaterial, nicht die Beweisergebnisse.
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Belehrung gem. § 55 StPO) aus, eine Straftat begangen zu haben, ist diese Aussage gegen ihn verwendbar. Liegen die Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO vor, so ist kein Grund ersichtlich, warum – um im Beispiel zu bleiben – man den Mann nun der Prozedur des § 81g StPO unterziehen sollte, wenn sein DNA-Identifikationsmuster bereits vorhanden ist. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit streitet schließlich auch für ihn. Wenn § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO daher von „Daten eines Beschuldigten“ spricht, muss maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Eigenschaft deshalb der der Umwidmung sein. Ob der Betroffene im Zeitpunkt der Körperzellentnahme und der DNA-Analyse Beschuldigter war, ist dagegen irrelevant. Somit können auch DNAIdentifikationsmuster, die auf einer Körperzellentnahme nach § 81c StPO gründen, Gegenstand einer Umwidmung nach § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO sein. 2. Keine Umwidmung von DNA-Identifikationsmustern aus Reihenuntersuchungen Anders verhält es sich bei der Gewinnung von DNA-Identifikationsmustern nach § 81h StPO. Die Ausgangssituation ist mit bei der Beweisgewinnung gem. § 81c StPO durchaus vergleichbar, falls der Spurenleger an der DNA-Reihenuntersuchung teilnehmen sollte. Denn in beiden Fällen belastet sich ein bis dahin nicht Beschuldigter selbst. Stellt man als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beschuldigteneigenschaft auf den der Umwidmung ab, so steht dieses Erfordernis grundsätzlich nicht im Wege. Mit dem Treffer i. R. d. DNA-Reihenuntersuchung wird der Teilnehmer nämlich zum Beschuldigten. Entgegenstehend ist, dass der Umwidmung gem. § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO nur solche DNA-Identifikationsmuster zugänglich sind, die von einem Beschuldigten gem. § 81e Abs. 1 StPO gewonnen wurden. Die Gewinnung des DNA-Identifikationsmusters bei der Reihenuntersuchung vollzieht sich demgegenüber nach § 81h Abs. 1 StPO. Eine Umwidmung scheitert in diesen Fällen mithin am Wortlaut des § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO990. Überzeugend ist dies nicht. Zwar stellt sich die Frage nach der Umwidmung von gem. § 81h StPO gewonnenen Muster in der Praxis wohl deshalb schon nicht, weil bei einem Treffer i. R. d. Reihenuntersuchung der Betroffene einer Kontrolluntersuchung – gemeint ist eine DNA-Analyse gem. § 81e Abs. 1 StPO – unterzogen wird991. Das dann gewonnene Muster ist freilich der Umwidmung zugänglich. Sieht man allerdings unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten eine automatische Kontrolluntersuchung skeptisch – ein Erfordernis besteht nur, soweit die begründete Gefahr einer Verwechslung oder eines Zufallstreffers besteht (was regelmäßig aber nur bei Reihenuntersuchungen mit einem großen Teilnehmerkreis der Fall sein 990 Dagegen auch Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 166; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 12; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 29 a. E. 991 Vgl. BT-Drucks. 15/5674, S. 14.
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wird)992 –, so ist nicht ersichtlich, warum das DNA-Identifikationsmuster des nunmehr Beschuldigten nicht umgewidmet werden sollte. Um dies zur ermöglichen, bedarf es aber eine Reformation des § 81g Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StPO993.
IV. Die Benachrichtigungspflicht des § 81g Abs. 5 S. 4 StPO zur Sicherung des Charakters der Umwidmung als milderes Mittel Der Auffassung, die Möglichkeit der Umwidmung sei ein Gebot der Erforderlichkeit, könnte freilich entgegengehalten werden, dass eine solche Umwidmung dann kein milderes Mittel ist, wenn sie sich ohne Kenntnis des Betroffenen vollzieht994. Damit würde nämlich die Möglichkeit, Rechtsschutz gegen die Maßnahme zu erlangen, wesentlich erschwert bis unmöglich gemacht. Gerade bei Eingriffen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verlangt das BVerfG, effizienter Rechtsschutz müsse gewährleistet sein995. Um einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten996, schreibt § 81g Abs. 5 S. 4 StPO die Benachrichtigung des Betroffenen über die Umwidmung vor. Darüber hinaus ist auf die Möglichkeit gerichtlichen Rechtsschutzes hinzuweisen; wobei angemerkt sei, dass diese Möglichkeit vorausgesetzt, nicht aber durch § 81g Abs. 5 S. 4 StPO begründet wird997. Die Möglichkeit des Rechtsschutzes selbst gründet auf einer analogen Heranziehung des § 98 Abs. 2 S. 2 StPO998.
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Dazu schon oben Kap. 5 § 3 I. 1. Fn. 44 (Kap. 5). Erwogen bereits von Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 (301). 994 Vgl. dazu schon oben Kap. 6 § 7 II. 2.: „Was als Ausdruck der Verhältnismäßigkeit gedacht war, entpuppt sich gewissermaßen als Ausschaltung verfahrensmäßiger Rechte“. 995 Vgl. BVerfGE 155, 119 (207 f., Rn. 194) m. Anm. v. Holznagel, NJW 2020, 2725, Löffelmann, GSZ 2020, 182 (184 ff.) und Petri, ZD 2020, 580 (588 f.); BVerfG, NVwZ 2021, 226 (231, Rn. 89). 996 Zu dieser Zweckbestimmung s. BT-Drucks. 15/5674, S. 13; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 84; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 32; vgl. auch Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 12b; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 47. 997 BT-Drucks. 15/5674, S. 13; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 71; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 84; a. A. aber offenbar Senge, NJW 2005, 3028: Rechtsschutzmöglichkeit (erst) eröffnet. 998 BT-Drucks. 15/5674, S. 13; Beck, S. 245; Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 20; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 31 a. E.; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 31 a. E.; Burhoff, in: Hdb. Ermittlungsverfahren, Rn. 1726; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 10; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 24; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 71; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 410; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 12; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 92; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 12b; Senge, NJW 2005, 3028 (3032); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 32 a. E.; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 52; vgl. auch Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 38 (wohl fälschlich auf § 98b Abs. 2 S. 2 StPO abstellend); zum alten Recht OLG Karlsruhe, NJW 2002, 3117 f. 993
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1. Zur Benachrichtigung verpflichtete Stelle Streit herrscht in der Literatur indes ob der Frage, wer zu dieser Benachrichtigung verpflichtet ist. Das Gesetz selbst gibt darüber keine Auskunft. Es wird nur bestimmt, dass – nicht: von wem – zu benachrichtigen ist. In den Gesetzgebungsmaterialien zu § 81g Abs. 5 S. 4 StPO heißt es, die Pflicht zur Benachrichtigung treffe die „speichernde Stelle“999. In Anlehnung an einen von Senge 1000 im Jahr 2005 vertretenen Ansatz wird teilweise davon ausgegangen, dies sei das BKA1001. Soweit dies begründet wird1002, heißt es nur, schließlich führe das BKA die DNAAnalyse-Datei. Bei ihm würden die Daten gespeichert (§ 81g Abs. 5 S. 1 StPO)1003. Die Gegenauffassung plädiert dafür, die eingebende Behörde (§ 29 Abs. 3 S. 2 BKAG) als verpflichtet zu erachten1004. Das müsse nicht zwingend das BKA sein1005. Teilweise wird dies faktisch begründet1006. Das BKA könne einer Benachrichtigungspflicht nicht nachkommen, weil es gar nicht darüber informiert sei, wenn es zu einer Eintragung komme1007.
999
BT-Drucks. 15/5674, S. 13. NJW 2005, 3028 (3031). 1001 Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 24; Hero, S. 220, Fn. 1233; Lee, S. 104; Murmann, in: Hdb. Strafverfahren, Kap. III, Rn. 410; nur unter Anknüpfung an die Gesetzgebungsmaterialien Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 47; schlicht behauptend Hasselbach, S. 118; seit der BKAG-Novelle auch vertreten von Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 12. 1002 Eine unreflektierte Festsetzung der Auffassung Senges mit Recht feststellend Störzer, Kriminalistik 2006, 184. 1003 So nur Hero, S. 220, Fn. 1233; so aber auch, wenngleich i. E. abl. Störzer, Kriminalistik 2006, 184. 1004 Beck, S. 246; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 38; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 70; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 84; Störzer, Kriminalistik 2006, 184 f.; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 32; ohne Begründung Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 31; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 31; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 10; Schmitt, in: MeyerGoßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 12b; seit der BKAG-Novelle explizit dagegen Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 12. 1005 Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 31; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 31; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 12b; anders wohl Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 84, der zwar einerseits die gesetzgeberische Intention, die speichernde Stelle zu verpflichten, durchaus sieht, betont, dies sei das BKA, aber gleichwohl nicht dieses als Verpflichteten ansieht. 1006 Beck, S. 246; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 70; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 84; Störzer, Kriminalistik 2006, 184 (184 f.); Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 32: Aufgrund tatsächlicher Gegebenheiten vorzugswürdig. 1007 So Beck, S. 246; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 70; Störzer, Kriminalistik 2006, 184 (184 f.); anders Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 84, der zwar einerseits betont, das BKA sei i. d. R. nicht über die Umwidmung informiert, gleichwohl aber in Fn. 388 betont, eine Kenntnisname sei faktisch wie rechtlich möglich. 1000
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
In rechtlicher Hinsicht gelte es ferner zu sehen, dass der einzelne Verbundsteilnehmer und nicht das BKA datenschutzrechtlich verantwortlich sei, §§ 31 Abs. 21008, 77 Abs. 6 BKAG1009. Der Begriff der „speichernden Stelle“ sei ein veralteter Rechtsbegriff aus dem BDSG i. d. F. von 1990, der eigentlich schon 2001, also vier Jahre vor der Implementierung des § 81g Abs. 5 S. 4 StPO durch den Begriff der „verantwortlichen Stelle“ ersetzt worden sei. Dies sei – zusammengefasst –, wer Daten für sich selbst verarbeite, insb. speichere. Da dies der einzelne Verbundsteilnehmer sei, müsse ihn die Benachrichtigungspflicht treffen1010. Dem ist zuzustimmen. Da der Wortlaut sich ausschweigt, ist einziger Anknüpfungspunkt der Wille des Gesetzesgebers, die speichernde Stelle zu verpflichten. Nicht möglich erscheint es deshalb mit Rogall1011 das BKA als speichernde Stelle, aber nicht als Verpflichteten anzusehen. Speichernde Stelle und zur Benachrichtigung Verpflichteter sind identisch. Auch die faktischen Argumente verfangen nicht. Zutreffend ist zwar, dass der einzelne Verbundsteilnehmer die Speicherung vornimmt. Das ergibt sich bereits aus § 29 Abs. 3 S. 2 BKAG. Somit bekommt das BKA tatsächlich nichts davon mit, wenn ein DNA-Identifikationsmuster umgewidmet wird. Unmöglich ist es ihm aber, wie einstweilen behauptet wird, nicht. Denn das BKA ist selbst Teilnehmer des Polizeilichen Informationsverbundes (§ 29 Abs. 3 S. 1 BKAG) und hat daher dieselben Zugriffsmöglichkeiten wie alle anderen Teilnehmer auch. Es könnte mithin Umwidmungen und Neueintragungen durchaus nachvollziehen. Dass damit ein immenser organisatorischer Aufwand verbunden wäre, sei dahingestellt. Ferner ist das BKA verpflichtet, die Einhaltung der Regelungen des Informationsverbundes zu überwachen, § 31 Abs. 1 BKAG. Ihm überliegt darüber hinaus gem. § 81 Abs. 2 S. 1 BKAG die Protokollierung von Zugriffen, deren Zeitpunkt etc.1012. Auch die Tatsache, dass die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit gem. § 31 Abs. 2 S. 1 BKAG beim eingebenden Teilnehmer liegt, vermag alleine dessen Zuständigkeit, Hinweise gem. § 81g Abs. 5 S. 4 StPO zu erteilen, nicht zu begründen. Denn dem Gesetzgeber wäre es freilich unbenommen, die spezifische Pflicht i. R. d. DNA-Identitätsfeststellung anders zu regeln. Dasselbe gilt angesichts der Tatsache, dass gem. § 77 Abs. 6 BKAG Löschungsansprüche ebenso von der eingebenden Stelle zu erfüllen sind1013. So ist etwa auch die Erfüllung von Auskunftsansprüchen
1008 Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 84; an § 12 Abs. 2 S. 1 BKAG a. F. anknüpfend noch Störzer, Kriminalistik 2006, 184 (185). 1009 Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 38. 1010 Zum Ganzen Beck, S. 246; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 70; Störzer, Kriminalistik 2006, 184 (185). 1011 Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 84. 1012 Zu § 11 Abs. 6 a. F. BKAG bereits Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 84. § 81 Abs. 2 S. 2 BKAG entspricht dem § 11 Abs. 6 a. F., vgl. BT-Drucks. 18/11163, S. 133. 1013 Ausführlich dazu oben Kap. 6 § 4 II. 4. a) bb).
§ 7 Die Verwendung bereits vorhandener DNA-Identifikationsmuster
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gem. § 57 Abs. 1 S. 1 BDSG durch das BKA im Einvernehmen mit dem Verantwortlichen zu erfüllen, vgl. § 84 Abs. 1 S. 1 BKAG. Der Begriff der „speichernden Stelle“ ist bei einem nicht juristischen Verständnis zweideutig. Er ermöglicht sowohl die Lesart „Stelle, die die Speicherung vornimmt“ – das wäre der Verbundsteilnehmer –, als auch „Stelle, bei der gespeichert wird“ – das wäre das BKA. Richtig ist, wenn in der Literatur betont wird, dass der Begriff in § 3 Abs. 8 BDSG i. d. F. vom 20. 12. 19901014 legal definiert war. Dort hieß es: „Speichernde Stelle ist jede Person oder Stelle, die personenbezogene Daten für sich selbst speichert oder durch andere im Auftrag speichern läßt“. Der Begriff wurde bereits durch die BDSGNovelle 20011015 durch den der „verantwortlichen Stelle“ ersetzt1016, sodass es sich fragt, warum der Gesetzgeber im Jahr 2005 einen bereits veralteten Rechtsbegriff benutzen hätte sollen. Andererseits ist aber auch nicht vorstellbar, dass der Gesetzgeber einen juristischen, wenngleich veralteten Begriff in nicht juristischer Weise hätte benutzen wollen. Denn die datenschutzrechtliche Relevanz des § 81g Abs. 5 S. 4 StPO ist offenkundig. Geht man davon aus, dass der Begriff der „speichernde Stelle“ in den Gesetzgebungsmaterialien zu § 81g Abs. 5 S. 4 StPO an die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit anknüpft, so ist der einzelne Verbundsteilnehmer verpflichtet, weil diese ihn gem. § 31 Abs. 2 S. 1 BKAG trifft. Es ist, betrachtet man die Norm des § 84 Abs. 1 S. 1 BKAG, davon auszugehen, dass der Gesetzgeber jedenfalls inzwischen eine ähnliche Spezialregel in StPO oder BKAG implementiert hätte, wenn er dem BKA neben der Zuständigkeit für den antragserfordernden Auskunftsanspruch auch die Zuständigkeit für die von Amts wegen zu erfüllen Hinweispflicht hätte übertragen wollen. 2. Unterlassen des Antrages auf gerichtliche Entscheidung als Einwilligung? Nach der gesetzgeberischen Entscheidung soll das Unterlassen der Beantragung einer gerichtlichen Entscheidung eine stillschweigende Einwilligung darstellen1017. Diese Sichtweise ist von der Literatur teilweise übernommen worden1018. Überzeugend ist dies nicht (mehr). Rogall irrt nicht, wenn er dieses Verständnis in den Zusammenhang mit der kanonischen Rechtsregel „Qui tacet consentire videtur“
1014
BGBl. I, S. 2954 ff. Vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze v. 18. 05. 2001, BGBl. I, S. 904. 1016 Dort hieß es in § 3 Abs. 7: „Verantwortliche Stelle ist jede Person oder Stelle, die personenbezogene Daten für sich selbst erhebt, verarbeitet oder nutzt oder dies durch andere im Auftrag vornehmen lässt“. Vgl. hierzu BT-Drucks. 14/4329, S. 33. 1017 BT-Drucks. 15/5674, S. 13. 1018 Vgl. Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 24; Hasselbach, S. 119; Neuser, S. 264; Senge, NJW 2005, 3028 (3032). 1015
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
rückt1019. Darauf kann eine Einwilligung nach heutigem dogmatischen Verständnis nicht mehr gründen. § 46 Nr. 17 BDSG lässt konkludente Einwilligungen zwar zu; ein bloßes Nichtstun reicht indes nicht aus1020. Nichts anderes ist es aber, wenn der Betroffene nach erfolgtem Hinweis keine gerichtliche Entscheidung beantragt. Es wäre ein Unikum nicht nur in der datenschutzrechtlichen Dogmatik, sondern im gesamten Recht, würde die fehlende Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens den Rechtsakt – sei es eine Vollstreckungsmaßnahme im Zivilrecht, sei es eine andere strafprozessuale Zwangsmaßnahme, sei es ein Verwaltungsakt –, gegen den sich das Verfahren richten würde, eine Billigung desselben darstellen würde1021. Es fehlt ferner an dem von § 46 Nr. 17 BDSG verlangten Maß an Bestimmtheit und Eindeutigkeit. Keineswegs ist die Billigung der Umwidmung einzig denkbarer Erklärungsinhalt der Inanspruchnahme des gerichtlichen Verfahrens. Stattdessen könnte der Betroffene auch davon überzeugt sein, die Umwidmung sei zu Unrecht erfolgt und nur das Kostenrisiko scheuen. Selbst wenn man dies anders sähe, würde eine Einwilligung im rechtlichen Sinne an der Freiwilligkeit scheitern. Neben dem Hinweis auf die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz zu beantragen, fehlt es an den erforderlichen Hinweisen, wie sie etwa in § 81g Abs. 3 S. 3 StPO niedergelegt sind1022. Auch wenn man eine entsprechende Hinweispflicht aus dem allgemeinen Datenschutzrecht herleiten würde, wäre letzten Endes aber auch der Zeitpunkt der „Einwilligung“ falsch. Hergebrachter datenschutzrechtlicher Dogmatik entspricht es, dass eine Einwilligung vor der Maßnahme erfolgen muss1023. Das Unterlassen des Herbeiführens einer gerichtlicher Entscheidung über die Umwidmung analog § 98 Abs. 2 S. 2 StPO stellt mithin keine Einwilligung dar (auch nicht, wenn der Hinweis nach dem Muster des § 81g Abs. 3 S. 3 StPO mit weiteren Belehrungen verbunden wird1024), die quasi im Nachhinein der Umwidmung den Charakter einer Zwangsmaßnahme nehmen würde. Eine solche bleibt sie. An der Verfassungskonformität der Norm ändert dies indes nichts.
1019
Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 84. S. bereits Kap. 3 § 5 V. 5. m. w. N. 1021 Freilich soll noch verkannt werden, dass ein Verwaltungsakt bestands- oder ein Urteil rechtskräftig werden kann. 1022 Beck, S. 241; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 71. 1023 Kap. 3 § 5 V. 4. 1024 Anders aber Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 71; für eine entsprechende Hinweispflicht de lege ferenda Beck, S. 241. 1020
§ 7 Die Verwendung bereits vorhandener DNA-Identifikationsmuster
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V. Umwidmung von Körperzellen analog § 81g Abs. 5 S. 2 StPO? § 81g StPO Abs. 5 S. 2 StPO beschränkt sich auf die Ergebnisse der Untersuchung der Zellen. Eine Umwidmungsmöglichkeit der Zellen sieht die Norm nicht vor. Im Regelfall besteht dafür auch kein Bedürfnis, weil das Material nach Gewinnung der Daten entweder verbraucht oder gem. § 81a Abs. 3 Hs. 1, ggf. i. V. m. § 81c Abs. 5 S. 2 oder § 81e Abs. 2 S. 3 StPO zu vernichten ist. Dass die Situation gleichwohl eintreten kann, in der eine Umwidmung der Zellen angedacht werden kann, zeigt eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 20151025. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Betroffene gem. §§ 81a, 81e Abs. 1, 81f StPO eingewilligt, sich eine Speichelprobe entnehmen zu lassen. Dabei wurde er – entgegen hier vertretener Meinung1026 – nicht über die Möglichkeit der Umwidmung des gewonnenen Musters belehrt. Die Speichelprobe wurde anders als erwartet für das Verfahren nicht benötigt, allerdings auch nicht vernichtet. Auf Nachfrage gab er keine Einwilligungserklärung gem. § 81g Abs. 3 StPO ab, worauf die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht einen Beschluss erwirkte, mit der die Analyse der Speichelprobe angeordnet wurde. Dies hat der BGH als rechtswidrig erachtet. Da der Betroffene nicht über die DNA-Identitätsfeststellung belehrt worden sei, könne seine Einwilligung nicht als Grundlage der weiteren Datenverarbeitung dienen1027. Eine richterliche Anordnung, die notwendig ist, soweit keine Einwilligung vorliegt, könne nur zur (neuerlichen) Entnahme von Körperzellen ermächtigen, nicht hingegen zur Verwendung bereits vorhandener. § 81a Abs. 3 StPO stehe einem Rückgriff entgegen. Die Vorschrift solle den Missbrauch von Körperzellen gerade verhindern; deshalb sei ihre Beweisbedeutung auf bereits anhängige Verfahren beschränkt1028. Die Entscheidung des BGH ist bereits hinsichtlich der Ablehnung eines Beweiserhebungsverbotes1029 zumindest diskussionswürdig. Der BGH irrt zwar nicht, wenn er ausführt, dass die Maßnahme nicht durch die Einwilligung gedeckt war. Zutreffend betont er auch, dass die Zellen vernichtet hätten werden müssen, sobald feststand, dass sie für das Verfahren, zu dessen Zweck sie entnommen wurden, nicht mehr benötigt wurden. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass ihre Aufbewahrung im Zeitpunkt der Analyse rechtswidrig war, weil sich aus dem Beschluss nicht ergibt, wann feststand, dass sie für Zwecke des anhängigen Verfahrens nicht mehr erforderlich waren. Hätte sich dies später erst herausgestellt, wäre jedenfalls die Aufbewahrung nicht rechtswidrig gewesen. Daran ändert aber nichts, 1025 Zum Ganzen BGH, NJW 2015, 2594 ff. m. Anm. v. Magnus a a. O., S. 2597 und Beukelmann, StV 2017, 498 (500 ff.). 1026 Oben Kap. 4 § 4 I. 1. b). 1027 BGH, NJW 2015, 2594 (2295, Rn. 14). 1028 BGH, NJW 2015, 2594 (2295 f., Rn. 15 f.). 1029 Zur Frage des Beweisverwertungsverbotes dagegen BGH, NJW 2015, 2594 (2296, Rn. 17 f.); zustimmend insofern zust. Magnus, NJW 2015, 2594 (2597); krit. hingegen Beukelmann, StV 2017, 498 (500 ff.). Ausführlich dazu unten Kap. 6 § 8 I. 1.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
dass der Beschluss die Umwidmung der Zellen nicht legitimieren konnte. Denn § 81g Abs. 1 S. 1 StPO erlaubt nur die DNA-Analyse der gem. § 81g Abs. 1 S. 1 StPO entnommen Zellen („dürfen (…) Körperzellen entnommen und (…) untersucht werden“). Die Befugnis zur Untersuchung bezieht sich nur die auf die originär gem. § 81g Abs. 1 S. 1 StPO gewonnenen Zellen. Wünschenswert wäre es aber gewesen, wenn der BGH zumindest darüber nachgedacht hätte, ob u. U. der Weg für eine analoge Anwendung des § 81g Abs. 5 S. 2 StPO gegeben ist, wenngleich im Ergebnis eine solche nicht vorgenommen werden kann. Prima vista lässt sich in der zu besprechenden Situation auch der Vorwurf fehlender Verhältnismäßigkeit erheben. Erneut ließe sich die Frage stellen, inwieweit es erforderlich sein soll, Zellen zu entnehmen, wenn Zellen schon vorhanden sind. Konsequenz der BGH-Entscheidung ist schließlich, dass die noch vorhandenen Körperzellen zu vernichten wären, um danach neue zu entnehmen. Der BGH selbst erkennt dies an – wenngleich erst auf der Verwertungsebene –; und betont, dass das Vorgehen der Ermittlungsbehörde keineswegs die Umgehung der Schutzvorschrift des § 81a Abs. 3 StPO diente, sondern vielmehr die „Schonung der Rechtsphäre“ des Betroffen1030. Gleichwohl fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, die die Analogie voraussetzt. Richtigerweise macht der BGH die Rechtswidrigkeit des staatlichen Vorgehens an § 81a Abs. 3 StPO fest. Durch die Norm wird der Grundsatz der Trennung der Beweiserhebung für Zwecke einerseits anhängiger und andererseits zukünftiger Verfahren festgeschrieben. Durchbrochen wird dieser nur für das DNAIdentifikationsmuster. Dies allein würde genügen, um eine Regelungslücke im Regelungssystem der forensischen DNA-Analyse auszuschließen. Hätte der Gesetzgeber eine Umwidmung nicht nur der DNA-Identifikationsmuster, sondern auch der Zellen ermöglichen wollen, hätte er dies tun können. Dass er es nicht getan hat, ist überzeugend, wenngleich es grundrechtsschonender gewesen wäre, solange man nur den Akt der Körperzellentnahme betrachtet. Betrachtet man hingegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, so würden die Grenzen zwischen Beweisgewinnung für anhängige und zukünftige Verfahrens vollends verwischt. Auch ohne Belehrung über eine mögliche Umwidmung des Musters könnte nicht vorhergesehen wären, ob die aus Anlass eines anhängigen Verfahrens stattfindende Entnahme von Körperzellen nicht doch im Ergebnis zu einer Speicherung führt. Der Schonung der körperlichen Rechtsphäre des Betroffenen stünde eine Belastung der informationellen gegenüber, die aus einem erhöhten Maß an Rechtsunklarheit resultiert1031. Es ist daher im Ergebnis dem BGH zuzustimmen. Eine Umwidmung von Körperzellen ist nicht möglich, auch nicht im Wege einer Analogie. Umso wichtiger 1030
BGH, NJW 2015, 2594 (2296, Rn. 18). Mit Beukelmann, StV 2017, 498 (501) von Zynismus zu sprechen, erscheint dagegen gleichwohl zu weitgehend. 1031
§ 8 Beweisverwertungsverbote
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erscheint es indes, auf die Möglichkeit der Umwidmung bereits bei der Einwilligung im anhängigen Verfahren hinzuweisen, soweit nicht völlig ausgeschlossen ist, dass die materiellen Voraussetzungen des § 81g StPO vorliegen1032.
§ 8 Beweisverwertungsverbote Auch § 81g StPO verweist Besonderheiten auf, die es lohnend erscheinen lassen, der Frage nach den Konsequenzen von Verstößen gegen die materiellen und formellen Voraussetzungen nachzugehen. Im Gegensatz zu § 81h StPO liegt dies nicht an der (datenschutzrechtlichen) Besonderheit, dass zwingend eine Einwilligung erforderlich wäre. Die Besonderheit des § 81g StPO ist es, dass Beweisbedeutung die Maßnahme nicht einem aktuellen, sondern erst in einem künftigen Strafverfahren erhält. Da eine Beweisverwertung im laufenden Verfahren von § 81g StPO gar nicht ermöglicht wird, kommt ein Beweisverwertungsverbot in diesem Verfahren nicht in Frage. Ordnet mithin das erkennende Gericht die DNA-Identitätsfeststellung an, obschon es nicht wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung verhandelt, begründet dies nicht die Anfechtbarkeit des Urteils1033.
I. Verstöße gegen die formellen Voraussetzungen Ziemliche Einigkeit scheint zu herrschen, soweit es um Verstöße gegen § 81g Abs. 3 StPO geht. So soll ein Beweisverwertungsverbot folgen, wenn die Maßnahme ohne richterliche Anordnung oder Einwilligung bzw. mit einer ungenügenden (etwa, weil auf einer unvollkommenen Belehrung beruhenden) Einwilligung durchgeführt wurde1034. Zu pauschal ist diese Behauptung, um ohne Begründung zu überzeugen. 1032
Dafür bereits oben Kap. 4 § 4 I. 1. b). Vgl. auch zur Revision Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 22; Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 33; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 33; Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 40; Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 150; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 22; Graalmann-Scheerer, in: FS Rieß, 153 (166); dies., Kriminalistik 2000, 328 (334); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 26; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 80; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 14; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 93; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 34; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 53. 1034 Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 40; Eisenberg, Rn. 1693; Finger, Kriminalistik 2006, 696 (698); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 83; Rogall, in: SK-StPO, § 81g, Rn. 95; nur zur richterlichen Entscheidung Hadamitzky, in. KK-StPO, § 81g, Rn. 26; Graalmann-Scheerer, JR 1999, 453 (455 f.); zum Verwertungsverbot bei Einwilligungsmängeln Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 14; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 23 a. E.; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 35; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 55. 1033
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
1. Einwilligungsmängel Dies beginnt bei der Frage, wie Verstöße gegen die Einwilligung betreffende Voraussetzungen zu beurteilen sind. Dabei kann grundsätzlich auf die zu § 81h StPO entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Zu unterscheiden sind daher originäre bzw. echte und unechte Einwilligungsvoraussetzungen1035. Es ist mithin zutreffend, wenn der BGH kein Beweisverwertungsverbot angenommen hat, soweit es nur an der Schriftform der Einwilligung fehlte und diese anderweitig nachgewiesen werden konnte1036. Zu indifferent ist es aber, wenn aus einem Verstoß gegen die Belehrungsvorschrift des § 81g Abs. 3 S. 3 StPO ein Beweisverwertungsverbot geschlussfolgert wird1037. Entsprechend den Ausführungen zu § 81h StPO vermag man daraus allenfalls die Vermutung ableiten, dass die Einwilligung unfreiwillig zu Stande gekommen und damit unwirksam ist. Sollte der Betroffene seine Rechte aber auch ohne Belehrung gekannt haben und ist daher davon auszugehen, dass die Einwilligung gleichwohl eine freiwillig war, so folgt entsprechend den zu § 81h StPO entwickelten und an § 136 StPO angelehnten Grundsätzen kein Beweisverwertungsverbot1038. Das kann etwa der Fall sein, wenn es sich um eine Auftypisierung handelt, soweit die erstmalige DNA-Identitätsfeststellung noch keinen längeren Zeitraum zurückliegt. Umgekehrt schließen Zwang oder Täuschung die Freiwillig aus; eine hierauf fußende Einwilligung ist unwirksam und zieht ein Verwertungsverbot nach sich1039. Von § 81h StPO unterschiedet sich die DNA-Identitätsfeststellung freilich dadurch, dass die Einwilligung nur bei ersterem obligatorisch ist. In der Sprache Amelungs handelt es sich bei der Einwilligung i. R. d. § 81g StPO um eine eingriffsmildernde1040. Während der Gedanke des hypothetischen Ersatzeingriffes bei § 81h StPO nicht weiterhilft, kann er i. R. d. § 81g StPO fruchtbar gemacht werden. Lagen die Voraussetzungen des § 81g Abs. 1, 4 StPO vor, so hätte statt der Einwilligung auch eine richterliche Anordnung ergehen können. In einem solchen Fall kann davon ausgegangen werden, dass ein Beweisverwertungsverbot nicht geboten ist1041. 1035
Dazu oben Kap. 5 § 6 I. 3. c). BGH, NStZ 2010, 157 (158); so auch Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 95; diesbezüglich i. R. d. § 81h StPO Kap. 5 § 6 I. 3. c) bb) (2). 1037 So aber Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 83; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 95; Vath, S. 96 f. 1038 So auch Graalmann-Scheerer, JR 1999, 453 (455); Neuser, S. 246; vgl. schon Kap. 5 § 6 I. 3. c) bb) (1). 1039 Zutreffend deshalb Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 40; Busch, StV 2000, 660 (662); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 23 a. E.; Rogall, in: SK-StPO, § 81g, Rn. 95; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 35. 1040 Kap. 3 § 5 III. 2. a) m. w. N. in Fn 240 (Kap. 3). 1041 BGH, NJW 2015, 2594 (2596, Rn. 18); zust. auch Magnus a. a. O., S. 2597; krit. hingegen insgesamt Beukelmann, StV 2017, 498 (501 f.), der aber anerkennt, dass die Entscheidung jedenfalls dann Zustimmung verdient, wenn man die Abwägungslehre nicht grundsätzlich 1036
§ 8 Beweisverwertungsverbote
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2. Keine oder formell fehlerhafte richterliche Anordnung Anders ist dies zu beurteilen, soweit es an einer richterlichen Anordnung mangelt und keine Einwilligung vorliegt. Dies führt dazu, dass die materiellen Anordnungsvoraussetzungen keiner Kontrolle unterliegen. Die meisten Vertreter hauptsächlich der Kommentarliteratur begnügen sich damit, auf die entsprechenden Grundsätze zu §§ 81a, 81e, 81f StPO zu verweisen1042. Dabei wird aber übersehen, dass hinsichtlich der formellen Voraussetzungen der §§ 81a, 81e, 81f StPO einerseits und des § 81g StPO andererseits ein Unterschied besteht, der wenigstens geeignet ist, Zweifel in die pauschale Übertragung zu setzten. Sieht man von den Umwidmungsfällen ab, verlangt § 81g StPO in Abs. 3 S. 2 spätestens auf Ebene der DNA-Analyse eine richterliche Anordnung; nur bei der Entnahme der Körperzellen vermag ausnahmsweise die staatsanwaltschaftliche Anordnung die Maßnahme tragen. Dem gegenüber ist letzteres sowohl i. R. d. § 81a StPO als auch i. R. d. § 81f StPO möglich, wobei freilich nicht unerwähnt bleiben kann, dass die Erstellung eines DNA-Identifikationsmusters i. R. d. §§ 81e, 81f nur dann dem Richtervorbehalt unterliegt, wenn der Spurenleger bekannt ist. Sucht man nach einer Begründung für die Divergenz1043, so muss an den materiellen Voraussetzungen des § 81g StPO angeknüpft werden. Diese liegen im Vergleich zu § 81e StPO höher. Während der Gesetzgeber wohl auch der Staatsanwaltschaft bzw. der Polizei es zutraute, die Frage neutral1044 zu beantworten, ob ein Anfangsverdacht vorliegt, wollte er offenkundig die Überprüfung der zwei zentralen Voraussetzungen des § 81g StPO – Anlasstat und Negativprognose – in richterlicher Hand sehen. Dafür spricht jedenfalls, dass es sich bei der Frage, ob eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegt, um eine sehr normative handelt; umgekehrt ist auch das Fällen von Prognosen ein komplexer Prozess, den der Gesetzgeber – auch an anderen Stellen1045 – dem Richter überlassen hat1046. Ebenso ist, darauf ist hinge-
in Zweifel zieht; grundsätzlich krit., in concreto eine besondere Sachverhaltskonstellation aber anerkennend Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 81, besonders Fn. 491. 1042 Eisenberg, Rn. 1693; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 82 f.; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 94; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 35; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 54; auf § 81f StPO rekurrierend auch Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 26; vgl. auch Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (304); Neuser, S. 247. 1043 Zur Kritik insb. zu den praktischen Auswirkungen schon oben Kap. 6 § 7 II. 2. 1044 Der Richter zeichnet sich freilich nicht durch höheres juristisches Können im Vergleich zum Staatsanwalt aus, sondern durch seine Neutralität, weil er den Ermittlungen ferner ist, dazu auch oben Kap. 5 § 5 III. 2. b) aa) (2) m. w. N. in Fn. 784 (Kap. 5). 1045 Etwa bei Aussetzung des Strafrestes gem. 57 StGB: Die Verantwortbarkeit im Hinblick auf das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit setzt ebenso eine Kriminalprognose voraus; dazu Groß/Kett-Straub, in: MüKo-StGB II, § 57, Rn. 14. Obschon grundsätzlich gem. § 451 StPO die Staatsanwaltschaft Vollstreckungsbehörde ist, obliegt die Entscheidung über die Aussetzung und mithin die Prognose dem Gericht, konkret der Strafvollstreckungskammer, vgl. §§ 57 Abs. 1 S. 1, 454 Abs. 1 S. 1 i. V. m. 462a Abs. 1 S. 1 StPO.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
wiesen worden, die Eingriffsintensität der DNA-Identitätsfeststellung wegen der mit ihr verbundenen Speicherung ungleich höher als die einer einfachen DNA-Analyse. Da die Voraussetzungen des § 81a Abs. 2 StPO und des § 81g Abs. 3 S. 1 StPO gleich sind, kann hier eine Übertragung stattfinden. Zu einem Beweisverwertungsverbot führt mithin nur die vorsätzliche Umgehung des Richtervorbehaltes; eine Fehleinschätzung der Voraussetzungen der „Gefahr in Verzug“ wird hingegeben als unschädlich anzusehen sein1047. Eine entsprechende Fehleinschätzung ist bei der richterlichen Anordnung der DNA-Analyse gem. § 81g Abs. 3 S. 2 StPO nicht möglich, weil eine Eilkompetenz nicht vorgesehen ist. Wird der Richter hier nicht angerufen, kann dies nur auf einer vorsätzlichen Umgehung des Richtervorbehaltes oder auf einer groben Verkennung der Voraussetzungen des § 81g Abs. 3 S. 2 StPO gründen. Beides muss, auch angesichts des Schutzzweckes des Richtervorbehaltes und der Eingriffsintensität der Maßnahme, ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen1048. Das gilt aber nicht für einen Verstoß gegen das Begründungserfordernis des § 81g Abs. 3 S. 5 StPO1049. Denn dieses dient der Kontrolle der richterlichen Entscheidung über das Vorliegen der materiellen Anordnungsvoraussetzungen. Kann dies anders geschehen, bedarf es eines Beweisverwertungsverbotes aus rechtsstaatlichen Gründen nicht1050.
II. Verstöße gegen die materiellen Anordnungsvoraussetzungen Uneinigkeit herrscht indes ob der Frage, wie sich solche Fehler in einem künftigen Verfahren auswirken, die die materiellen Anordnungsvoraussetzungen – also insb. Anlasstat, Verdacht und Negativprognose – betreffen. Die Vertreter der Kommentarliteratur postulieren teilweise, nur auf Willkür könne in der Revision im künftigen Verfahren überprüft werden, ob der Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung vorgelegen habe1051. Dabei wird teilweise auf 1046 Besonders bedeutsam erschien es dem Gesetzgeber, insb. die Negativprognose dem Richtervorbehalt zu unterwerfen. Bei BT-Drucks. 13/10791, S. 5 heißt es: „Der Richtervorbehalt gewährleistet, daß auch die Gefahrenprognose durch den Richter getroffen wird“. 1047 Dazu schon oben Kap. 4 § 5 I. 1. m. w. N. in Fn. 711 (Kap. 4). 1048 Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 40; Graalmann-Scheerer, JR 1999, 453 (455); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 83; a. A. Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 23; der auch hier die Grundsätze des hypothetischen Ersatzeingriffes anwenden will. 1049 So auch Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 147; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 83; Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 94; Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 54; a. A. aber Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 35; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 35. 1050 So aber Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 35; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 35. 1051 Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 40; Graalmann-Scheerer, in: FS Rieß, 153 (167); dies., Kriminalistik 2000, 328 (334 f.); Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 26; Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 84; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 35; vgl. für schwerwiegende
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eine Entscheidung des BGH zur Telekommunikationsüberwachung1052 verwiesen1053. Ob das auch gelten soll, wenn die DNA-Identitätsfeststellung retrograd angeordnet wird, der Tatverdacht sich mithin bestätigt hat, bleibt offen. Tatsächlich geht es hierbei weniger um die Frage nach einem Beweisverwertungsverbot als um die Frage eines Erhebungsverbotes und wie dieses in der Revision unter Berücksichtigung der Spezifika des Revisionsrechtes festgestellt werden kann. Wie sich zeigen wird, kann die Einschränkung der richterlichen Kontrolle im Revisionsverfahren auch fruchtbar gemacht werden, soweit es um die Frage nach einem Beweisverwertungsverbot geht. Dies ist aber nicht erst in der Revision von Interesse. Bereits der Tatrichter muss prüfen, ob er einen übereinstimmenden Abgleich zwischen dem gespeicherten DNA-Identifikationsmuster des Beschuldigten und des am Opfer gefundenen in seiner Urteilsfindung berücksichtigen darf, obschon die Speicherung gar nicht vollzogen hätte werden dürfen, weil bereits die Anordnung mangels Verdacht/Anlasstat/Negativprognose nicht hätte ergehen dürfen. Dabei ist zu differenzieren, auf welches Merkmal sich der Fehler bezieht. 1. Verdacht Zu beginnen ist mit dem Vorliegen eines Verdachtes. Ob Bezugsobjekt eine von § 81g Abs. 1 StPO geforderte besondere Anlasstat ist, mag hier noch dahin stehen. Fraglich ist einzig, wie es sich auswirkt, wenn im künftigen Verfahren der Betroffene vorträgt, es habe gar kein Verdacht (irgendeiner) Straftat vorgelegen. In der zitierten Entscheidung zur Telekommunikationsüberwachung heißt es, mangels Rüge habe der BGH davon auszugehen, dass die Überwachungsmaßnahmen zulässig gewesen seien1054. Dass der Verdacht einer Katalogtat des § 100a StPO vorlag, war mithin nicht zu prüfen. Davon unterscheidet sich die Situation im Fall des BGH von der hier zu besprechenden Konstellation. Zutreffend ist aber, dass der BGH, obschon insoweit keine Rüge vorlag, ausführt, er neige zu der Auffassung, dass im Revisionsverfahren die Zulässigkeit einer Abhörmaßnahme nicht „auf den zur
Verstöße auch Beukelmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 81g, Rn. 22; Goers, in: BeckOKStPO, § 81g, Rn. 22; Neuhaus, in: HK-GS, § 81g StPO, Rn. 14; für bewusste Walther, in: AnwKo-StPO, § 81g, Rn. 55; für die Unbeachtlichkeit einer bloß unrichtigen Beurteilung Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 23; ferner auch Rackow, S. 214; diff. Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 34 f.; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 34 f.; Rogall, in: SKStPO I, § 81g, Rn. 95. 1052 BGHSt 28, 122 ff.; zu BGHSt 41, 30 ff. Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 34; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 34; Goers, in: BeckOK-StPO, § 81g, Rn. 22; Graalmann-Scheerer, in: FS Rieß, 153 (167); dies., Kriminalistik 2000, 328 (334 f.); Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 81g, Rn. 23. 1053 Brauer, in: HK-StPO, § 81g, Rn. 40; Hadamitzky, in: KK-StPO, § 81g, Rn. 26. 1054 BGHSt 28, 122 (124).
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Zeit ihrer Anordnung vorliegenden Grad des Verdachtes einer Katalogtat“, sondern auf Willkür geprüft werde1055. Bei der Frage, ob ein Verdacht vorliegt, besteht ein Beurteilungsspielraum der Behörde1056. Soweit ein solcher angenommen wird, überprüft die Revision nur, ob die Entscheidung sich innerhalb dieses bewegt, nicht, ob ein anderes Ergebnis näher gelegen habe1057. Es ist insoweit durchaus richtig, wenn betont wird, die Bejahung des Vorliegens eines Verdachtes sei nur auf Willkür hin überprüfbar. Für die Frage nach dem Beweisverwertungsverbot bedarf es dann aber noch eines zweiten Schrittes. Im Rahmen der Abwägungslehre ist die Unverwertbarkeit durchaus anerkannt, soweit eine willkürliche Fehleinschätzung der Voraussetzungen gegeben ist1058. Warum dies i. R. d. § 81g StPO anders sein soll, leuchtet nicht ein. Daher ist ein Beweisverwertungsverbot gegeben, soweit eine willkürliche Bejahung des Verdachtes gegeben war. Bewegten sich die Strafverfolgungsbehörden indessen innerhalb ihres Beurteilungsspielraums – liegt also keine willkürliche Bejahung vor – ist schon kein Fehler bei der Beweiserhebung zu sehen. Mangels expliziter Anordnung stellt sich die Frage nach einem Verwertungsverbot dann nicht1059. 2. Negativprognose Nicht anders verhält es sich bei der Frage, ob die Negativprognose zu bejahen ist. Auch hier wird mit Recht ein Beurteilungsspielraum des Anordnenden angenommen1060. Wie bei der Verdachtsannahme ein Wissensvorsprung der Ermittlungsbehörden besteht, hängt die Negativprognose von der persönlichen Konfrontation des Beschuldigten mit dem Anordnenden zusammen. Eine Nachprüfung muss sich daher darauf beschränken, ob die Annahme, es bestehe Grund zur Annahme, weitere Strafverfahren seien zu führen, unvertretbar – mit anderen Worten willkürlich – war1061. Ist dies der Fall, muss schon nach der Abwägungslehre ein Beweisverwer1055
BGH, a. a. O. So auch BVerfG, NJW 1984, 1451 (1452); BGH, NJW 1989, 96 (97); Diemer, in: KKStPO, § 152, Rn. 8; Fincke, ZStW 95 [1983], 918 (935 f.); Hellmann, in: FS Kühne, 235 (241); Sailer, NJW 1977, 1138; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 152, Rn. 4; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 35; vgl. auch BGHSt 37, 48 (51); 38, 214 (228); 51, 367 (371, Rn. 19); OLG München, NStZ 1985, 549 (550); ausführlich hierzu, wenngleich i. E. abl. Kröpil, Jura 2012, 833 (835 ff.); a. A. auch Bernsmann, NStZ 1995, 510 (512 f.); Eisenberg/Conen, NJW 1998, 2241 (2248 f.); Störmer, ZStW 108 [1996], 495 (516); zum hinreichenden Tatverdacht bejahend aber BGH, NJW 1970, 1543 (1544). 1057 Vgl. dazu krit. Schneider, NStZ 2019, 324 (326 f.). 1058 Dazu oben Kap. 4 § 5 I. m. w. N. in Fn. 708 (Kap. 4). 1059 Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 95 a. E. 1060 Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 35; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 35; Eisenberg, Rn. 1690; ders., in: FS Meyer-Goßner, 293 (298, Fn. 42); Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 84; ders., in: FS Rieß, 261 (277); Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 38; Trück, in: MüKoStPO I, § 81g, Rn. 35; für eine Ermessensentscheidung LG Würzburg, StV 2000, 12. 1061 Zutreffend Rackow, S. 215 f. 1056
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tungsverbot folgen. Ist die Einschätzung dagegen vertretbar, fehlt es bereits an einem Erhebungsverbot1062. Streng zu trennen von der Prognose selbst ist, wie beim Verdacht, das Bezugsobjekt. Sowohl Gegenstand des Verdachtes als auch der Prognoseverfahren ist die Frage, ob eine Straftat von erheblicher Bedeutung, beim Verdacht auch eine gegen die sexuelle Selbstbestimmung angenommen werden kann. 3. Anlasstat und Tat des Prognoseverfahrens Zwischen den Alternativen, die nur hinsichtlich der Anlasstat bestehen, ist zu differenzieren. a) Straftat von erheblicher Bedeutung Denn bei der Frage, ob eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegt, ist ebenso von einem Beurteilungsspielraum auszugehen1063. Ganz eindeutig erscheint dies zwar nicht. Denn dagegen vorbringen ließe sich immerhin, dass die Erheblichkeit einer Straftat maßgeblich von der Tat und nicht von der Person des Täters bzw. des Beschuldigten abhängt. Eines besonderen Wissensvorsprungs, einer besonderen Nähe zu den Ermittlungen oder zu der Person bedarf es nicht. Soweit man die Parallele zur Telekommunikationsüberwachung weiter bemühen wollte, spricht dies auch gegen einen Beurteilungsspielraum. Bezog sich der Verdacht nicht auf eine Katalogtat, folgt dort ein Beweisverwertungsverbot1064. Dabei knüpft der BGH an die Grundsätze des rechtsstaatlichen Verfahrens an1065. Dabei gilt es aber freilich zu sehen, dass § 100a StPO sich von der DNA-Identitätsfeststellung schon dadurch unterscheidet, dass bei der Telekommunikationsüberwachung ein klarer Katalog an Anlasstaten besteht. Ist eine solche gegeben, scheitert die Anordnung der Überwachung jedenfalls nicht mehr an der fehlenden Anlasstat; fehlt eine solche, scheitert die Anordnung. Unsicherer ist die Lage bei § 81g StPO. Weil es keinen Katalog gibt, kann weder gesagt, dass eine spezielle Form von Tat stets Straftat von erheblicher Bedeutung ist, wenngleich gerade bei schweren Verbrechen eine Indizwirkung nicht zu verhehlen ist. Umgekehrt ist auch bei keiner Tat von vornherein auszuschließen, dass es sich bei ihr um eine von erheblicher Bedeutung handelt. Selbst die mehrfach bemühten §§ 183, 265a StGB sind erst durch Auslegung als Anlasstaten auszuschließen, und es erscheint nicht ausgeschlossen, 1062
I. E. Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 95. Hierfür auch Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 84; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 35; anders wohl Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 95. 1064 BGHSt 31, 304 (309); 32, 68 (70); 41, 30 (31). 1065 BGHSt 41, 30 (31). 1063
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
dass einmal ein so atypischer Fall auftritt, dass es nicht einmal bedenkenswert erscheine, von einer Straftat von erheblicher Bedeutung auszugehen. Zusammengefasst hat man es bei § 100a StPO mit einer eher abstrakten Betrachtungsweise, bei § 81g StPO mit einer konkreten zu tun, die einen gewissen Spielraum des Anordnenden eröffnet. Auch wäre es ungenau, wenn man bei der Bestimmung der Erheblichkeit der Straftat einzig auf die Tat und nicht auf die Person schauen würde. Soweit es um die wiederholte Tatbegehung geht (§ 81g Abs. 1 S. 2 StPO), was nach der gesetzgeberischen Idee vorwiegend Stalking-Fälle betrifft, ist die Erheblichkeit der Straftat unter Würdigung des Täters, u. U. auch des Opfers festzustellen. Da die Gleichartigkeit der Taten nicht Voraussetzung ist, will bei einem Täter, der unterschiedliche Taten begangen hat, besonders genau geprüft sein, ob das kumulative Unrecht der Taten die Erheblichkeit begründet. Die Vorgeschichte des Täters ist mithin von besonderer Bedeutung. Die besseren Gründe sprechen dafür, auch bei der Annahme einer Straftat von erheblicher Bedeutung einen Beurteilungsspielraum anzuerkennen und erst bei Unvertretbarkeit von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen1066. b) Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung Dasselbe könnte für den Begriff der Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung gelten, soweit man ihn rechtsguts- und nicht abschnittsbezogen verstünde und eine Berücksichtigung des Einzelfalles zuließe1067. Da indes ein abschnittsbezogenes Verständnis vorzugswürdig erscheint, handelt es sich nicht um eine normative Entscheidung, die besondere Erkenntnisse über den Täter voraussetzen würde. Ein Beurteilungsspielraum zugunsten des Anordnenden ist nicht anzunehmen. Das wirft die Frage auf, wie es sich auswirkt, wenn dem Anordnenden ein Fehler im Umgang mit dem Begriff der Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung unterläuft. Das ist vorstellbar, wenn er etwa den Begriff der Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung zwar entgegen der hier als vorzugswürdig erachteten, aber freilich nicht unvertretbaren Meinung rechtsgutsbezogen versteht. Soweit der Anordnende in einem Stalking-Fall einen Angriff gegen die sexuelle Selbstbestimmung sieht, mag er von der Erheblichkeitsprüfung gem. § 81g Abs. 1 S. 2 StPO absehen, weil es auf die Erheblichkeit bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung bei der Anlasstat gar nicht ankommt. 1066 A. A. Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 95, der ein Verwertungsverbot aufgrund des Charakters der Anlasstat als grundlegende Normvoraussetzung fordert. Diese Rolle scheint indes eher der Negativprognose zuzukommen, vgl. oben Kap. 6 § 5 I. 3. a. E. 1067 Jedenfalls nicht differenzierend und insgesamt einen Beurteilungsspielraum des Anordnenden hinsichtlich des Vorliegens einer qualifizierten Anlasstat anerkennend Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 35; nur der Frage nach dem Beurteilungsspielraum bei der Straftat von erheblicher Bedeutung nachgehend Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 84.
§ 8 Beweisverwertungsverbote
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Sollte die Entscheidung einmal tatsächlich unvertretbar sein, ist ein Beweisverwertungsverbot nach den Grundsätzen der Abwägungslehre zwingend. Sollte sie wie im Beispiel aber vertretbar sein, mag gegen ein Beweisverwertungsverbot sprechen, dass es etwas widersprüchlich erscheinen kann, bei der Straftat von erheblicher Bedeutung eine bloße Willkürkontrolle vorzunehmen und bei der Straftat gegen die Selbstkontrolle stets ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen. Auch scheint die Parallele zur Telekommunikationsüberwachung eher ein Verwertungsverbot nahezulegen. Einen Katalog i. S. e. Aufzählung von Paragraphen liefert § 81g StPO zwar nicht (mehr). Hinsichtlich des Maßes an Konkretisierung bleibt der Begriff der Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung aber nicht hinter einer enumerativen Aufzählung zurück, jedenfalls soweit man wie hier darunter die gesamten §§ 174 bis 184l StGB versteht. Durch den Verzicht auf eine gesonderte Prüfung der Erheblichkeit ist bei Sexualstraftätern die Schwelle für die DNA-Identitätsfeststellung stark abgesunken. Einer grenzenlosen Ausweitung ist zwar Einhalt geboten, indem immerhin die Negativprognose sich noch auf eine Straftat von erheblicher Bedeutung beziehen muss. Soll bei Sexualstraftätern aber überhaupt noch das Erfordernis der Anlasstat bestehen, darf der Verstoß nicht folgenlos bleiben. Dafür spricht zumindest auch, dass die DNA-Identitätsfeststellung jedenfalls insoweit in ihrer Eingriffstiefe über die Telekommunikationsüberwachung hinausgeht, als letztere (nur) einer einmaligen Überwachung i. R. e. konkreten Strafverfahrens dient, erstere aber de facto zu einer beliebigen Anzahl von Abgleichen in unzähligen Strafverfahren ermächtigt. Folgt ein Beweisverwertungsverbot bei § 100a StPO, soweit der Verdacht nicht eine Katalogtat betrifft, muss bei § 81g StPO erst recht ein solches folgen, soweit keine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung vorliegt (und im Übrigen von einer Straftat von erheblicher Bedeutung nicht ausgegangen werden kann). 4. Unterscheidung nach Tatsachen- oder Wertungsentscheidung Einer differenzierenden, von Eisenberg begründeten und von Neuser mit Modifikationen übernommenen Ansicht nach soll unterschieden werden, ob der Fehler eine Tatsachen- oder eine Wertungsaussage betreffe. Es soll demnach bei einer Willkürkontrolle bleiben, soweit es um die Wertungsfragen des Vorliegen eines Verdachtes, der Erheblichkeit einer Straftat und der Bejahung der Negativprognose geht. Vollumfänglich überprüfbar soll sein und auch ohne Willkür zu einem Verwertungsverbot soll führen, wenn die Tatsachengrundlage falsch ist1068. Als Beispiel könnte wohl dienen, wenn der anordnende Ermittlungsrichter zu berücksichtigen vergessen hatte, dass der Betroffene nicht vorbestraft ist. 1068 Zum Ganzen Eisenberg, Rn. 1693a; ders., in: FS Meyer-Goßner, 293 (304 f.); vgl. ferner Neuser, S. 249 f., der die Unterscheidung von Tatsachengrundlage und Wertungsaussage ebenso vollzieht, einen Beurteilungsspielraum des Anordnenden indes nicht anerkennt und deshalb auch bei Wertungsfragen zu einer vollen Überprüfbarkeit gelangt.
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Rogall scheint darin eine Verkürzung der gerichtlichen Kontrolldichte zu sehen, die der Annahme eines Verwertungsverbotes tendenziell entgegensteht1069. Das erklärt sich dadurch, dass jener nur beim Vorliegen eines Verdachtes einen Beurteilungsspielraum anerkennt, hinsichtlich der Erheblichkeit der Anlasstat aber eine vollumfängliche gerichtliche Kontrolle verlangt. Von dem hier vertretenen Standpunkt aus, dass auch die Erheblichkeit der Straftat eine Entscheidung mit Beurteilungsspielraum ist, ist die Differenzierung Eisenbergs hingegen mit einer Ausweitung der Annahme eines Verwertungsverbotes verbunden. Die Differenzierung ähnelt der Kontrolle der Strafzumessung in der Revision. Im Grundsatz ist es auch hier so, dass die Bildung der Strafe, wenn alle Strafzumessungserwägungen, die berücksichtigt werden müssen, auch berücksichtigt wurden, nur auf ihre Vertretbarkeit hin überprüft wird. Ob alle Tatsachen berücksichtigt wurden, die berücksichtigt hätten werden müssen, ist hingegen voll überprüfbar. Vergisst der Tatrichter versehentlich zu berücksichtigen, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, und wirkt sich dies auf die Strafzumessung aus, hat die Revision Erfolg1070. Eine Übertragung dieser Erwägungen kann indessen nicht stattfinden. Verkannt werden die Unterschiede des Revisionsverfahrens und der Dogmatik der Beweisverwertungsverbote. Wird das Urteil des Tatrichters aufgehoben, weil Tatsachen nicht zugrunde gelegt wurden, die zugrunde gelegt hätten werden müssen, wird das Revisionsgericht das Urteil aufheben, § 353 StPO. Eine eigene Entscheidung wird in den engen Grenzen des § 354 Abs. 1, 1a und 1b StPO nur selten möglich sein, ansonsten wird die Sache an das Gericht zurückverwiesen. Ein Verlust von Beweismitteln droht nicht. Anders ist dies bei der Annahme eines Beweisverwertungsverbotes. Der dortigen Dogmatik liegt die Annahme zugrunde, dass ein Verwertungsverbot im Rechtsstaat die Ausnahme zu sein hat1071. Sollte, wie dies nicht selten der Fall sein wird, der Abgleich und die folgende Kontrolluntersuchung das hauptsächliche Beweismittel sein, droht ein Fehler das Verfahren zu Fall zu bringen. Das heißt aber nicht, dass Fehler bei der Tatsachengrundlage unbeachtlich sind. Verkennt der Ermittlungsrichter bei der retrograden Anordnung etwa, dass die letzte strafrechtlich relevante Erscheinung des Betroffenen zehn Jahre oder länger zurückliegt, wird die Bejahung der Negativprognose insgesamt nur schwer vertretbar sein.
1069 1070
Rspr. 1071
Vgl. Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 95. Zum Ganzen etwa Maier, in: MüKo-StGB II, § 46, Rn. 386 ff. m. zahlr. w. N. aus der Vgl. oben Kap. 4 § 5 I. m. w. N. in Fn. 696 (Kap. 4).
§ 8 Beweisverwertungsverbote
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III. Fernwirkungsprobleme Zutreffend hat Graalmann-Scheerer1072 darauf hingewiesen, dass regelmäßig der Abgleich des gespeicherten DNA-Identifikationsmusters mit Spurenmaterial nicht der letzte Beweis ist, sondern ein erster Ermittlungsansatz1073. Erst durch die Übereinstimmung werde der Betroffene identifiziert und verdächtig. Eine Kontrolluntersuchung oder andere Ermittlungen würden ihn erst der Tat überführen, sodass sich die Frage nach der Fernwirkung stellte. Zu fragen sei, ob der Betroffene auch anders hätte identifiziert werden können. Sei dem so, soll eine Fernwirkung abgelehnt, im Übrigen aber bejaht werden. Problematisch an der Anknüpfung an die Lehre vom hypothetischen Ersatzeingriff ist, dass ein Abgleich von aus Spurenmaterial gewonnenen Mustern mit den in der DNA-Analyse-Datei gespeicherten Mustern regelmäßig einer der ersten Schritte des Ermittlungsverfahrens ist und dessen weiteren Verlauf im Falle eines (oder weniger mehrerer) Treffers determiniert. Sollte nämlich der Betroffene aufgrund des Treffers als Spurenleger in Betracht kommen, werden wohl zeit- und kostenintensivere Maßnahmen wie etwa der öffentliche Aufruf an Zeugen, sich bei der Polizei zu melden o. Ä. nicht mehr durchgeführt werden. Stattdessen wird eine Kontrolluntersuchung stattfinden, die, falls sie die Übereinstimmung bestätigt, häufig alle oder jedenfalls viele weitere Ermittlungsmaßnahmen obsolet machen wird. Dies liegt auch an dem (überzogenen) Beweiswert einer DNA-Analyse, den insb. der BGH dieser regelmäßig zumisst1074. Ob der nunmehr Beschuldigte auf anderem Wege hätte identifiziert werden können, wird sich (kaum) klären lassen. Das Problem würde sich nicht stellen, wenn eine Kontrolluntersuchung nicht stattfände. Denn dann wäre der Beweis der Spurenlegereigenschaft originär der übereinstimmende Abgleich, der unmittelbar mit der Speicherung zusammenhängt und der unter den genannten Voraussetzungen mit einem Beweisverwertungsverbot belegt wäre. Die Tatsache, dass eine Kontrolluntersuchung vorgenommen wird, ist nichts, was der Betroffene zu verantworten hätte. Es hängt wahlweise oder ebenso damit zusammen, dass sein gespeichertes DNA-Identifikationsmuster auf einem alten Standard nur beruht bzw. das aus dem Spurenmaterial – häufig einer Mischspur entstammend – nur von geringer Qualität ist. Ferner kann der Zufall eine Rolle spielen: Sind ähnliche Muster gespeichert – worauf der Betroffene keinen Einfluss hat – sind Zufallstreffer wahrscheinlich, die auf jeden Fall eine Kontrolluntersuchung notwendig machen. Zusammenfassend könnte man die Unvollkommenheit der Untersuchungsmethode als Grund benennen.
1072
Graalmann-Scheerer, JR 1999, 453 (455 f.). Vgl. auch Winkler, Kriminalistik 2021, 579 (580), der den Abgleich von Spurenmaterial mit den in der DNA-Analyse-Datei gespeicherten Mustern als „Standarduntersuchung“ bezeichnet. 1074 Krit. dazu schon oben Kap. 2 § 4 III., IV. m. w. N. 1073
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Kap. 6: DNA-Analyse als Beweismittel für künftige Strafverfahren
Wer nun das Fernwirkungsdogma streng anwendet und eine Fernwirkung im Grundsatz ablehnt, wird zu dem Ergebnis gelangen, dass im Bereich der DNAIdentitätsfeststellung in einem weiteren Sinne, der auch den Abgleich umfasst, ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der Treffers folgenlos bleibt1075. Denn selten nur wird der Treffer als Beweismittel verwendet; vielmehr ist er die Vorstufe, die die Inkulpation ermöglicht, die für §§ 81a, 81e StPO Voraussetzung ist. Es kann aber nicht angehen, dass der Betroffene besser steht, der mehr belastet wird, weil der Abgleich bereits einen eindeutigen Treffer herbeiführt. Es erscheint in diesem Sinne auch unbefriedigend, dass nur aufgrund der Mehrstufigkeit der DNAIdentitätsfeststellung Fehler folgenlos bleiben sollen. Der DNA-Identitätsfeststellung ist eigen, dass sich bei Verfahrensfehlern gewissermaßen grundsätzlich Fernwirkungsprobleme stellen. Die Unvollkommenheit der Untersuchungsmethode darf indes nicht zu Lasten des Bürgers gehen. Daher ist eine Fernwirkung ausnahmsweise zu bejahen und ein Beweisverwertungsverbot auch für die Kontrolluntersuchung anzunehmen. Etwas anderes kann – insofern ist Graalmann-Scheerer zuzustimmen – nur dann gelten, wenn der Betroffene schon vor dem Abgleich in das Visier der Strafverfolgungsbehörden geraten ist. Das ist bspw. dann denkbar, wenn der Abgleich parallel zu der Vernehmung von Zeugen stattfindet und die Aussagen genügend Belastendes ergeben, um den Betroffenen zum Beschuldigten zu machen, der Treffer in der DNAAnalyse-Datei aber erfolgt, ehe die Staatsanwaltschaft den notwendigen Willen fassen konnte.
IV. Nachträglicher Wegfall der materiellen Voraussetzungen Verwertungsprobleme können sich auch stellen, wenn die Anordnung rechtmäßig war. Denkbar ist einerseits der Fall eines Freispruchs, falls vorher wegen des Verdachtes einer Straftat von erheblicher Bedeutung bereits die DNA-Identitätsfeststellung rechtmäßig angeordnet wurde. Denkbar ist andererseits, dass mit Zeitablauf kein Grund zur Annahme mehr besteht, zukünftig würden Strafverfahren zu führen sein. Diese Fälle sind zu unterscheiden von denen, in denen die Anordnung gar nicht hätte ergehen dürfen. Einerseits heißt es in der Literatur hierzu, wenn etwa ein Freispruch oder eine Verfahrenseinstellung erfolge, ohne dass ein Restverdacht weiterbestehe, müsse ein Beweisverwertungsverbot folgen1076. Das ist im Ergebnis zutreffend. Zu indifferent
1075
So etwa Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 35, der deshalb die Anordnung einer Kontrolluntersuchung empfiehlt, ähnlich Brodersen/Anslinger/Rolf, Rn. 143. 1076 Rogall, in: SK-StPO I, § 81g, Rn. 96; Trück, in: MüKo-StPO I, § 81g, Rn. 35; für die Anwendung der Abwägungslehre Krause, in: LR-StPO II, § 81g, Rn. 86.
§ 8 Beweisverwertungsverbote
725
ist es, wenn bei jeder Art von Freispruch ein Beweisverwertungsverbot gefordert wird1077. Nicht nur beim Freispruch, sondern bei jeder Art von nachträglicher Veränderung ist zu prüfen, wie sich diese auf die Speicherung auswirkt. Es ist darauf hingewiesen worden, dass nicht jede nachträgliche Veränderung die Speicherung rechtswidrig macht. Maßgeblich ist zunächst nur, dass die Erhebungsvoraussetzungen im Zeitpunkt von Anordnung und Vollzug vorlagen1078. Ist dies der Fall, ist ein Freispruch oder eine Einstellung nur dann beachtlich, wenn kein Restverdacht mehr besteht. Das ergibt sich aus § 18 Abs. 5 BKAG i. V. m. § 16 Abs. 5 S. 2 BKAG. Solange dies nicht der Fall ist, dürfen die Daten gespeichert werden bzw. bleiben1079. Das wäre aber sinnlos, wenn sie nicht verwertet werden dürfen. Bei nachträglicher Änderung der Negativprognose führt nur zur Unzulässigkeit der Speicherung, wenn diese ganz wegfällt1080. Auch hier gilt, dass ein Verwertungsverbot nicht angenommen werden kann, solange die Speicherung zulässig ist. Relevant kann daher nur der Fall sein, in dem die Daten zu löschen sind. Fraglich sind also die Auswirkungen, wenn Daten, die eigentlich gelöscht hätten sein müssen, gleichwohl verarbeitet werden. Dass gem. § 47 Nr. 1 BDSG nur auf rechtmäßige Weise Daten verarbeitet werden dürfen, führt in der Sache nicht weiter. Denn § 261 StPO gestattet im Grundsatz die Verarbeitung auch rechtswidrig verarbeiteter Daten im Strafverfahren. Weiter führt indessen § 58 Abs. 3 BDSG. Eine Einschränkung der Verarbeitung kann anstelle der Löschung vorgenommen werden, wenn einer der Gründe des § 58 Abs. 3 S. 1 BDSG vorliegt. Ist das der Fall, dürfen die Daten nur zu dem Zweck verarbeitet werden, der der Löschung entgegenstand, § 58 Abs. 3 S. 2 BDSG. Wenn aber eine eingeschränkte Verarbeitung nur zulässig ist, wenn nicht zwingend die Daten zu löschen sind, so darf eine Verarbeitung erst recht dann nicht mehr stattfinden, wenn kein Grund nach § 58 Abs. 3 S. 1 BDSG mehr vorliegt. Daher sollte ein Verwertungsverbot angenommen werden, soweit die Speichervoraussetzungen entfallen.
1077 Zutreffend Rackow, S. 214 f.; so aber Bosch, in: KMR-StPO, § 81g, Rn. 34; ders., in: SSW-StPO, § 81g, Rn. 34; Eisenberg, in: FS Meyer-Goßner, 293 (305). 1078 S. Kap. 6 § 4 II. 4. a) aa) (1). 1079 S. Kap. 6 § 4 II. 4. a) aa) (2). 1080 S. Kap. 6 § 4 II. 4. a) aa) (3) (a).
Kapitel 7
Fazit und Schlussbemerkungen Was für die öffentliche Verwaltung spätestens seit dem Volkszählungsurteil zum Tagesgeschäft gehört und für Privatpersonen seit Geltung der DSGVO dazu wurde, kehrt allmählich auch in das Geschäft der Strafverfolgung ein. Nicht nur ausschließlich nationale Rechtssetzung trägt zum Einzug des Datenschutzes auch in das einfache Strafverfahrensrecht bei – mit der Umsetzung der JI-RL erlebt das deutsche Strafverfahrensrecht auch eine partielle Europäisierung, die sich nicht darauf beschränkt, gewisse grenzüberschreitende Bereiche zu regeln. Dass die Geltung der DSGVO unter Androhung teils empfindlicher Strafen exekutiert wird, während auch mehr als drei Jahre nach Inkraftreten der auf Umsetzung der JI-RL beruhenden Gesetze kein großes Umdenken innerhalb der Strafverfolgungspraxis stattgefunden hat, mag praktische Gründe haben1. Soweit jemand mit dem scharfen Schwert des Strafrechtes bedroht wird, muss er häufig andere Sorgen haben als die Speicherung seiner Daten. Wenn, dann wird der Datenschutz höchstens als ein Argument ins Feld geführt, das das Ziel verfolgt, eine exekutive oder judikative Maßnahme für rechtswidrig zu erklären, verbunden mit Hoffnung, dies könnte die Verwendung von Beweismitteln verhindern. Das auffällige Auseinanderfallen von Rechtsdurchsetzung durch den Staat gegenüber Privaten bei gleichzeitiger Untätigkeit sich selbst gegenüber erlaubt es aber, den Vorwurf des Messens mit zweierlei Maß zu erheben. Wenn der Private aber die Einhaltung des Rechtes durch den Staat nicht erwirkt, aus welchen Gründen auch immer, so ist der rechtsgebundene Staat verpflichtet, für die Einhaltung des Rechtes selbst zu sorgen. Hierzu bedarf es dringend Reformen; dies ganz besonders im Bereich der forensischen DNA-Analytik. Das geltende Recht erscheint zwar größten Teils auslegbar. Es bedarf jedoch vielfach einer vertieften Auseinandersetzung schon in grundsätzlichen Fragen. Als Beispiel sei die Frage genannt, wann i. R. d. DNAReihenuntersuchung die DNA-Identifikationsmuster der Teilnehmer zu löschen sind, bei denen der Abgleich negativ ausfällt. Ohne das Verdikt der Verfassungswidrigkeit fällen zu wollen, ist dies doch ein Zustand, der der Korrektur bedarf, um den jüngst durch das BVerfG erneut postulierten Geboten der Rechtssicherheit und -klarheit bei Eingriffen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung in 1 In rechtlicher Hinsicht meint Puschke, in: SK-StPO VIII, § 500, Rn. 3 a. E., die Umsetzung der JI-RL in der StPO anstatt im BDSG hätte zu einer Sensibilisierung beitragen können.
Kap. 7: Fazit und Schlussbemerkungen
727
einem Maß Rechnung zu tragen, das über das verfassungsrechtlich zwingend Notwendige hinausgeht2. Eine Möglichkeit wäre, die Erforderlichkeit, die in § 81h Abs. 3 S. 3 StPO als Löschungsgrund vorgegeben ist, wie folgt zu definieren: Erforderlich sind die Aufzeichnungen in der Regel nicht mehr, wenn inzwischen der Abgleich ergeben hat, dass das DNA-Identifikationsmuster des Teilnehmers nicht mit dem Spurenmaterial übereinstimmt. Nach über 25 Jahren des Einsatzes der DNA-Analytik für forensische, insb. für strafverfahrensrechtliche Zwecke scheint es so, als dass das anfangs gezeichnete Schreckensszenario nicht eingetreten ist. Weder wurde der Mensch gläsern, noch gibt es in der Bundesrepublik Deutschland eine „Gendatei“ für alle Männer3. Der Einsatz der DNA-Analytik erfreut sich in Deutschland der Akzeptanz4, und dies nicht nur bei den Strafverfolgungsbehörden. Die rege Teilnahme der Bürger etwa an DNA-Reihenuntersuchungen zeigt, dass viele bereit sind, obschon sie nicht müssten, ihre datenschutzrechtlichen Belange hinter Allgemeininteressen zurücktreten zu lassen. Dazu trägt sicherlich bei, dass keine anlasslose Erhebung und Verarbeitung von aus DNA gewonnenen Daten stattfindet. Abschließend kann nämlich festgestellt werden, dass der Einsatz von DNAAnalysen strafprozessualen Grenzen unterworfen ist, die bereits die Erhebung begrenzen, und ferner von datenschutzrechtlichen Schutzvorschriften flankiert wird. Betrachtet man die Entwicklung seit der Implementierung des § 81e StPO im Jahre 1997, ist festzustellen, dass das Einsatzfeld der DNA-Analytik im Strafprozess erheblich ausgeweitet wurde, ohne dass dies verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen müsste. Ein Ende des Erweiterungsprozesses ist nicht auszumachen. Die eingangs erwähnte Reform des Wiederaufnahmerechtes ist ein gutes Beispiel. Bereits in der Vergangenheit sind Reformen angedacht worden, die nicht Gesetzeskraft erlangt haben. Diese hatten auch zum Ziel, flankierende Schutzmechanismen abzuschaffen. So sollten zum einen die Richtervorbehalte der §§ 81f und 81g StPO abgeschafft bzw. weitgehend reduziert werden. Sollte i. R. d. § 81f StPO der Richter überhaupt nicht mehr zuständig sein, hätte er i. R. d. § 81g StPO nur noch die Entnahme der Körperzellen anordnen sollen; sowohl die Beurteilung der Negativprognose als auch die Anordnung der eigentlichen DNA-Analyse wäre der Polizei übertragen worden5. Andererseits sollte auf das Erfordernis einer qualifizierten 2
Vgl. BVerfGE 155, 119 (178 ff., 127 ff.); BVerfG, NVwZ 2021, 226 (231, Rn. 88). Zu diesem Vorschlag des seinerzeit rechtspolitischen Sprechers der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag Norbert Geis vgl. MJ, Die Welt v. 12. 03. 2001. 4 Vgl. krit aber weiterhin Butz, NK 2021, 316 ff. 5 Vgl. Entwurf Bayerns bei BR-Drucks. 231/17; hierfür zuvor bereits der Entwurf der CDU/ CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag bei BT-Drucks. 15/4926; Kintzi, DRiZ 2004, 83 (88); vgl. ferner Schaefer, NJW 2005, 1332 (1333); dagegen Schneider, NStZ 2018, 692 (697 f.); krit. auch Hinrichs, KJ 39 [2006], 60 (68); für eine Ausdehnung des Richtervorbehaltes sub specie der Umwidmung Busch, NJW 2002, 1754 (1758). 3
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Kap. 7: Fazit und Schlussbemerkungen
Anlasstat und einer qualifizierten Negativprognose und damit auf mehrere materielle Grenzen der DNA-Identitätsfeststellung verzichtet werden. Ausreichend wäre damit einfacher Tatverdacht irgendeiner Straftat und eine Negativprognose, die sich auf ein Strafverfahren wegen irgendeiner Straftat bezieht6. Bei beiden Vorschlägen kann nicht davon ausgegangen werden, dass nicht mehr versucht werden wird, sie Gesetzeskraft erlangen zu lassen. Zumindest die Abschaffung der Richtervorbehalte wurde schließlich wiederholt vorgeschlagenen. Zurückzuweisen sind derartige Tendenzen gleichwohl. In quantitativer Hinsicht hat die Zulassung erweiterter Feststellungen in §§ 81e und 81h StPO dazu geführt, dass den Strafverfolgungsbehörden mehr Daten des Einzelnen zur Verfügung stehen. Die Implementierung der §§ 81g und 81h StPO ermöglichte die Erhebung von Daten von mehr Personen als dem Beschuldigten eines konkreten Strafverfahrens. Damit einher geht aber eine besondere Schutzpflicht hinsichtlich der erhobenen oder zu erhebenden Daten. Der Wegfall der Notwendigkeit richterlicher Prüfung wird dem nicht gerecht, erst recht nicht, wenn die Anordnung von etwas vergleichbar normativem und naturgemäß unsicherem wie einer Prognose abhängig ist. Ebenso ist eine Absenkung der materiellen Anordnungsvoraussetzungen des § 81g StPO kritisch zu sehen. Sind diese bereits de lege lata nicht so streng, wie sie prima vista zu sein scheinen, droht eine Absenkung eine Vielzahl von Personen zu erfassen. Jenseits rechtlicher Bedenken – der Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit ist leicht zu erheben, wenn das DNA-Identifikationsmuster eines Betroffenen gespeichert wird, der eines Diebstahls einer geringwertigen Sache verdächtig ist und bei dem angenommen werden kann, dass er in gleicher Weise erneut straffällig wird – gilt es zu bedenken, dass eine erhöhte Zahl gespeicherter Muster das Risiko von Mehrfachtreffern erhöht. Dem müsste entweder mit weiterer Auftypisierung entgegengewirkt werden, was mit erheblichem finanziellen wie organisatorischen Aufwand verbunden wäre, oder die Maßnahme verlöre an Effektivität, was Sinn der Sache auch nicht sein kann. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass der naturwissenschaftliche Fortschritt Feststellungen ermöglicht, die vor Jahren noch undenkbar erschienen. Das betrifft einerseits die Qualität eines Musters, andererseits aber auch die Feststellung selbst. Die Sicherheit, mit der das Aussehen einer Person aus der DNA prognostiziert werden kann, erlaubt es bereits heute, wenigstens eine Skizze des Aussehens des Verdächtigen zu erstellen, wenngleich ein „genetisches Phantombild“ heute noch Utopie bzw. Dystopie bleibt7. Bereits Beck hat in ihrer Monographie 2015 darauf hingewiesen, dass der TH01-Marker, der zur Erstellung des DNA-Identifikationsmusters analysiert wird, Aufschluss über Krankheiten geben kann8, obschon er im sog. nicht codierenden Bereich der DNA liegt. Um derartige Feststellungen zu verhindern, ist es begrüßenswert, dass der Gesetzgeber den Kreis möglicher Fest6 Vgl. Entwurf Bayerns bei BR-Drucks. 231/17; abl. hierzu auch sub specie Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK Schneider, NStZ 2018, 692 (697). 7 So jüngst erneut Mansdörfer, jM 2021, 432. 8 Beck, S. 115 f.; vgl. auch oben Kap. 2 § 1 III. 2.
Kap. 7: Fazit und Schlussbemerkungen
729
stellungen gesetzlich umschreibt und nicht in dem Dogma verharrt, die Zulässigkeit nach der Analyse codierender bzw. nicht-codierender DNA-Bereiche abzugrenzen. Sollten in Zukunft aber DNA-Analysen etwa in Form eines Nebenproduktes zwangsläufig über Krankheiten oder ähnlich sensible Informationen Auskunft geben, ist der Gesetzgeber gehalten, nicht den Weg zu gehen, den er beim Geschlecht gegangen ist – und die Erhebung kurzer Hand zu erlauben –, sondern regulierend einzugreifen. Dies könnte, muss aber freilich nicht durch den Erlass einer Verwaltungsvorschrift geschehen, die die Analyse etwa des TH01-Markers verbietet. Dass 1997 keine Begrenzung auf nicht codierende DNA-Bereiche erfolgte, wurde damit begründet, der Gesetzgeber wolle nicht dem naturwissenschaftlichen Fortschritt im Wege stehen9. Auch wenn dies grundsätzlich zu begrüßen ist, setzt dies voraus, dass der Gesetzgeber diesen noch überblickt. Ist dies angesichts des Tempos nicht möglich – zu Ende ist die Entwicklung noch lange nicht; verlangen heute etwa phänotypische Feststellungen noch große Mengen von Blut und können diese nicht aus einer Mischspur getroffenen werden, soll hier bald Besserung eintreten10 – erscheint es notwendig, engere Vorgaben zu machen, um diese im Bedarfsfall zu erweitern. Es ist der Gesetzgeber, der über die Zulässigkeit datenschutzrechtlicher Eingriffe bestimmen muss, nicht die Tatsache der faktischen Möglichkeit. Nicht alles, was technisch möglich ist, muss gesellschaftlich wünschenswert11 oder gar juristisch auch zulässig sein12.
9
BT-Drucks. 13/667, S. 6. Winkler, Kriminalistik 2021, 579 (581, 583). 11 Dazu mit Blick auf den Datenschutz Kühling/Klar/Sackmann, Rn. 1. 12 Vgl. in anderem Kontext Baumann, CR 1986, 123; Beulke/Meininghaus, StV 2007, 60 (65); in Bezug auf die DNA-Analyse bereits Schneider, NStZ 2018, 692 (698). 10
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Stichwortverzeichnis Abwägungslehre 282 – 297 Amplifikation 61 – 62 Anfangsverdacht 339 – 341 Anlasstat – bei § 81g StPO 574 – 611, 719 – 721 – bei § 81h StPO 325 – 338 Anlassverfahren 252 – 253, 311 – 314, 323 – 324 Anonymisierung 266 – 269 Anordnungskompetenz – bei §§ 81a, 81c StPO 174 – 175 – bei § 81f StPO 258 – 263 – bei § 81g StPO 677 – 682 – bei § 81h StPO 410 – 412 Arztvorbehalt 146 – 147, 154, 159, 165, 176 Auftypisierung 658 – 671, 674 – 676, 695 – 696 Belehrung – allgemein 132 – 134 – bei § 81f StPO 259 – 262 – bei § 81g StPO 683 – 684 – bei § 81h StPO 361 – 365, 394 – 410 Benachrichtigung 170, 176 – 177, 183 – 184, 706 – 709 Beschlagnahme 151 – 152, 167 – 168 Beschwerde 188 – 190, 356, 412, 416, 419, 421, 469, 687 – 691 Bewährung 636 – 646 Beweisverwertungsverbot – bei §§ 81e, 81f StPO 282 – 297 – bei § 81g StPO 713 – 725 – bei § 81h StPO 497 – 519 Beweiswert 66 – 72 Beweiswürdigung 222 Blutprobe 131, 132, 142, 144, 145, 147, 149, 150, 153 – 156, 158 – 160, 163 – 166, 240, 241, 300, 301, 516, 666, 685
Chromosome 49 – 50 Codierende DNA-Bereiche 50 – 56, 194 – 197, 199 – 204, 206 – 210, 213 – 214 Datenabgleich 440 – 447 Degradierung 59 – 60, 63 – 64, 191 Diskriminierung 198, 205 – 206, 223 – 227 Doppelfunktionalität strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen 490 Eilzuständigkeit – bei § 81f StPO 258 – bei § 81g StPO 681 – 682, 685 – 687 Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO 490, 556 – 558, 558 – 560, 567, 570, 642 – 643, 724, 725 Einwilligung – allgemein 100 – 139 – bei § 81a StPO 150 – bei § 81e StPO 232 – 238 – bei § 81f StPO 258 – 262 – bei § 81g StPO 683 – 696 – bei § 81h StPO 350 – 410 Einwilligungsfähigkeit – allgemein 135 – 139 – bei § 81g StPO 684 – 685 Einwilligungsmängel – bei § 81g StPO 714 – bei § 81h StPO 498 – 514 Entkopplung 428, 430, 432 Errichtung von Kontrollstellen siehe Kontrollstellen Erweiterungsfähigkeit 338 – 339 Extraktion 60 – 61 Family searching 303 Fernwirkung – bei § 81e StPO 286 – 287, 291 – bei § 81g StPO 723 – 724 – bei § 81h StPO 468, 502 – 503
Stichwortverzeichnis Feststellungs- und Untersuchungsverbote – bei § 81e StPO 192 – 238 – bei § 81g StPO 524 – bei § 81h StPO 302 – 308 Form – allgemein 134 – Fehlerfolgen i. R. v. § 81h StPO 508 – 513 Freispruch 249, 250, 554 – 557, 559, 566, 569 – 571, 586, 664, 724 – 725 Freiwilligkeit – allgemein 126 – 134 – bei § 81h StPO 350 – 410 Freiwilligkeitsmodell 414, 416, 472, 476, 477 – 496 Generalklausel – Datenschutzrechtliche 450 – Ermittlungsgeneralklausel 152 – 153 Genetischer Fingerabdruck 56 – 58 Gleichstellungsklausel 611 – 614 Grundrechtsschutz unbekannter Spurenleger 80 – 86 Grundrechtsverzicht 90 – 97, 103 – 108 Gutachtenverweigerungsrecht 270 – 277 Heimlichkeit 168 – 192 Hypothetische Beweisgewinnung bei § 81h StPO 513 – 514 Kernbereich – DNA-Analyse 194 – 196, 199 – 202, 207, 210 – 214, 234, 236 – Grundrechte 89, 116 – Telekommunikationsüberwachung 209 Konnexität 516 – 517 Kontrollstellen 447 – 450 Kopplung – Naturwissenschaftliches Phänomen 55, 195, 203, 208 – zwischen Einwilligung und Richtervorbehalt 102, 413 – 497 Längerfristige Observation siehe Observation Legalitätsprinzip 332 – 334
803
Löschung – bei § 81g StPO – bei § 81h StPO 471 – 472 mt-DNA
552 – 574 314 – 323, 401 – 404,
58 – 59
Negativprognose 614 – 653, 718 – 719 nemo-tenetur-Grundsatz 101 – 102, 128, 170, 190 – 191, 371 – 372, 433 – 436 Observation 152 – 153, 170, 174, 177, 185, 328, 438 – 439 Opferschutz 454 – 456 Phänotypische Merkmale 193 – 232 Prognose – bei § 81g StPO siehe Negativprognose – bei § 81h StPO 341 – 342 Prognosemaßstab 635 – 653 Prüfungsmerkmal 343 – 345 Qualifizierte Anlasstat siehe Anlasstat Qualifizierte Belehrung – bei § 81f StPO 259 – 262 – bei § 81h StPO 362 – 365 Rasterfahndung 440 – 447 Reihengentest 298 Revision 716 – 718, 722 RFLP-Verfahren 62 – 63 Richtervorbehalt – bei § 81h StPO als Zwangsmaßnahme 477 – 496 – im Übrigen siehe Anordnungskompetenz Sachverständiger 264 – 265 – Datenschutzrechtliche Kontrolle 280 – 282 Schleppnetzfahndung 450 – 452 Secondary Transfer 66 – 68 Selbstbelastungsfreiheit siehe nemo-teneturGrundsatz Sicherstellung siehe Beschlagnahme Sicherungshaft 648 – 651 Sicherungsverwahrung 327 – 328, 332 – 333 Sphärentheorie 88 – 89, 95 – 96
804
Stichwortverzeichnis
Spurenmaterial 166 – 168, 170, 172, 181, 185, 218, 255, 257, 302, 312, 315, 393, 532 – 534, 540, 565, 661, 670, 671, 675, 697 – 699, 723, 727 Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung bei § 81g StPO 595 – 609, 720 – 721 Straftat von erheblicher Bedeutung bei § 81g StPO 575 – 592 Subsidiarität – der DNA-Analyse 198 – 199, 231 – 232 – der DNA-Identitätsfeststellung 671 – 672 – der Reihenuntersuchung 320 – des BDSG 98 – 100 Subsidiaritätsklausel 177 – 178, 191, 420, 422, 461 – 462 Täterscreening 253 – 254 Tod 563 – 566 Übermittlung – an den Sachverständigen 266 – 279 – bei § 81g StPO 540 – 547 Ultima ratio 304 – 305, 326, 330 – 331, 346, 366 – 367, 415, 418, 419, 423 461 – 462, 473, 492, 518, 650 Umwidmung 696 – 713 Unschuldsvermutung 373 – 375, 432 – 433 Untersuchungshaft 257, 479, 484, 650, 678, 681 Untersuchungsverbot siehe Feststellungsund Untersuchungsverbote Untersuchungsverfahren 60 – 65 Untersuchungsverweigerungsrecht 175 – 176, 384 – 391 Vaginalabstrich 156 ff., 162 – 163, 164 ff. Verbrechen 325 – 326
Verdachtsneutralität 354 – 356, 359 – 394 Verhältnismäßigkeit – bei § 81e Abs. 2 StPO n.F. 231 – 232 – bei § 81g StPO 653 – 676 – bei § 81h StPO 346 – 349, 436 – 437, 454 – 472 – i. R. v. Heimlichkeit 191 Verjährung 244, 250, 309, 314 – 317, 321 – 323, 399, 403 – 404 Vernichtung 172, 179 – 180, 191, 239 – 242, 245 – 250, 267, 299, 308, 309 – 311, 312, 314, 363, 394 – 396, 399, 405, 409, 410, 423, 471 – 472, 525, 711 – 712 Versuch 341 Verwertungsverbote siehe Beweisverwertungsverbote Vorratsbeschluss 673 – 674 Vorwirkung 187 – 188 Wahrscheinlichkeit 68 – 70 Wangenabstrich 142 – 166 Wechselwirkung 296 Widerruf – allgemein 139 – bei § 81g StPO 639, 686, 687 – 694 – bei § 81h StPO 397 – 401, 402, 408, 513 Wiederaufnahme 241 – 245 Zumutbarkeit 379 – 384 Zweckbindung – bei § 81e StPO 239 – 258 – bei § 81g StPO 525 – 574 – bei § 81h StPO 309 – 324 – Definition 238 – 239